BRENNPUNKT ENDSTATION FLÜCHTLINGSLAGER? - HUNGER AM HORN VON AFRIKA
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BRENNPUNKT ENDSTATION FLÜCHTLINGSLAGER? HUNGER AM HORN VON AFRIKA Nr.22 / August 2011 Mindestens 12,4 Millionen Menschen sind derzeit am Horn von Afrika von einer akuten Hungersnot bedroht. Im Süden Somalias liegt der Anteil der Unterernährten in fast allen Regionen bei über 38 Prozent. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass allein dort im August 5.000 bis 10.000 Menschen an Hunger sterben könnten. In den nächsten Wochen könnte diese Zahl auf mehrere 100.000 steigen. Rund ein Viertel der somalischen Bevölkerung ist innerhalb Somalias –meist in die Hauptstadt Mogadischu - migriert oder in einem der hoffnungslos überfüllten Flücht- lingslager in Äthiopien oder Kenia untergekommen. Auch in Kenia, Äthiopien und Dschibuti steigt der Anteil der unterernährten Menschen. In Teilen von Kenia ist inzwischen jedes fünfte Kind unter- ernährt, und in Äthiopien - dem Land, das seit der verheerenden Hungerkrise in den achtziger Jahren versucht, sein Hungerimage abzustreifen - sind 4,8 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe ange- wiesen. Wie konnte es zu dieser Situation kommen? Haben die vorhandenen Frühwarnsysteme ver- sagt? Wer ist schuld an der Katastrophe? Und was muss getan werden? Der vorliegende Brennpunkt versucht eine Antwort. Wochenlang verfolgen wir nun schon die er- Fig. 1: Dürre in Ostafrika schütternden Bilder vom Horn von Afrika: Lan- ge Schlangen von müden, abgemagerten Men- schen, die in einem der Flüchtlingslager in Kenia oder Äthiopien auf Ihre Registrierung warten. Verstaubte, ehemals weiße Zelte, deren Planen vom Wüstenwind geschüttelt werden. Kinder, die zu schwach sind, sich zu bewegen. Jenseits der Lager verdorrte Landschaften, verendetes Vieh. Besonders betroffen von der Krise ist die Landbevölkerung, vor allem jene Teile der Bevölkerung, die von kleinbäuerlicher Landwirtschaft leben. Sie sind mit ihren tradi- tionellen Überlebensstrategien am Ende und müssen auf extreme Formen des Umgangs mit der Katastrophe zurückgreifen. Sie verlassen ihre Heimatregionen, ihre Familien, Häuser und Dörfer, müssen Äcker und angestammte Wei- degebiete brach liegen lassen und sind ge- zwungen, ihr Vieh und andere Güter unter Wert zu verkaufen. Die Unterkunft in einem der Quelle: UN OCHA Flüchtlingscamps und die Inanspruchnahme von Nahrungsmittelhilfe bleibt der letzte Aus- Ursache Klimawandel? weg. Die Möglichkeit, ihr Leben in Eigenver- Der offensichtlichste und meist zitierte Auslö- antwortung zu gestalten, ist damit auf lange ser der akuten Not sind mehrere schwache bzw. Zeit zerstört. ausbleibende Regenzeiten in vielen Ländern Ostafrikas. Verantwortlich für diese Dürre ist nach Meinung vieler Klimaexperten das Klima- 1
BRENNPUNKT | Hunger am Horn von Afrika ereignis „La Niña“. Das Phänomen tritt meist hin durch den Klimawandel um einige Zehntel in Zusammenhang mit dem bekannteren „El erhöhten Wassertemperaturen mit „La Niña“ Niño“ auf. Durch Wind und Meeresströmungen extreme Wetterereignisse noch verstärkt. Die kühlt sich das Wasser im östlichen Pazifik ab Dürrekatastrophe wird daher immer wieder und erwärmt sich im westlichen Pazifik. Die auch als eine Folge des Klimawandels darge- Folge sind nicht nur extreme Niederschläge in stellt. Asien, Australien und Südamerika wie etwa im vergangenen Jahr in Pakistan oder dieses Jahr Steigende Nahrungsmittelpreise und Kaufkraft- Kaufkraft- in Australien, sondern auch höhere Temperatu- verlust ren und ausbleibende Regenfälle an der afrika- Aus der Dürre resultierten erhebliche Erntever- nischen Ostküste. luste in den betroffenen Regionen. Die Preise für Grundnahrungsmittel stiegen in der Folge Frühwarnung ohne Reaktion an. In einigen Regionen Somalias liegen die Dass es zu dieser Katastrophe kommen wür- Getreidepreise laut FEWS Net im Vergleich zum de, dass sie sogar zu einer der schlimmsten Vorjahr um 350 Prozent höher. Zusammen mit Hungersnöte der vergangenen Jahrzehnte den hohen Weltmarktpreisen für Nahrungsmit- werden könnte, war seit langem bekannt. tel setzte dies einen fatalen Kreislauf in Bewe- Schon seit vergangenem November schlug gung: Um sich die teuren Nahrungsmittel leis- das von der amerikanischen Entwicklungshil- ten zu können, müssen viele Bauern ihr ohne- fe Agentur (USAID) nach der großen Hunger- hin geschwächtes Vieh verkaufen. Aufgrund des katastrophe in Äthiopien Anfang der achtziger schlechten Zustandes der Tiere und des herr- Jahre etablierte Frühwarnsystem „Famine schenden Überangebots können sie aber nur Early Warning Systems Network“ (FEWS Net) noch einen Bruchteil des ursprünglichen Ge- Alarm. Auch die „Food and Agriculture Orga- winns erzielen. Ihre Kaufkraft sinkt. Das Resul- nisation“ der Vereinten Nationen (FAO) warn- tat: Die Bevölkerung kann sich viele Nah- te seit der schwachen Regenzeit im vergan- rungsmittel nicht mehr leisten. Allein hätte genen Herbst vor der drohenden Krise. Sie dieser Mechanismus allerdings nicht zur Kata- rechnete sogar vor, dass jeder Dollar, der strophe führen müssen. Normalerweise lassen angesichts der drohenden Krise rechtzeitig in sich die hohen Preise durch Handel und Impor- die Landwirtschaft investiert werde, zehn te ausgleichen oder dadurch, dass die staatlich Dollar in der Humanitären Hilfe ersetzen angelegten Nahrungsmittelreserven auf den könnte. Trotzdem ist nur wenig passiert. In- Markt gebracht werden. Allerdings fällt die vestitionen in Prävention, obwohl politisch so Dürre in eine Zeit, in der auch die Weltmarkt- viel klüger, sind immer noch keine Selbstver- preise für Nahrungsmittel in die Höhe geschos- ständlichkeit. Das gilt nicht nur für Naturka- sen sind. Zwischen Juni 2010 und Mai 2011 tastrophen, sondern auch für bewaffnete Kon- haben sich die Preise für einige Getreidesorten flikte, den Klimawandel und andere vorher- beinahe verdoppelt. Grund dafür sind neben sehbare Extrem-Ereignisse. Erst sehr spät, Ernteausfällen im Jahr 2010 (besonders in nachdem ein Bericht der BBC zum Flücht- Russland) und restriktiven Exportpolitiken in lingslager im kenianischen Dadaab die Welt- wichtigen Agrarexportländern auch die erhöhte öffentlichkeit aufrüttelte, wurden finanzielle Produktion von Biokraftstoffen und die zuneh- Mittel für die betroffenen Menschen bereitge- mende Finanzmarkt-Spekulation auf Nah- stellt. Noch immer sind allerdings die rund rungsmittel an den Börsen. Ein Ausgleich der 2,5 Milliarden US Dollar, die das Büro für die hohen Nahrungsmittelpreise am Horn von Afri- Koordinierung Humanitärer Hilfe der UN (UN ka durch Import von Lebensmitteln ist daher OCHA) für die Bewältigung der Krise veran- kaum möglich. Hinzu kommt, dass die strategi- schlagt, noch nicht einmal zur Hälfte finan- schen Nahrungsmittelreserven der betroffenen ziert. Als so genanntes „slow onset disaster“ – Staaten, sofern sie überhaupt vorhanden waren, eine Katastrophe, die langsam einsetzt – zieht bereits aufgebraucht sind. Äthiopien hatte sie die Dürre weniger Aufmerksamkeit auf sich bereits im Frühjahr angesichts der Unruhen in als andere Katastrophen wie etwa eine Flut Nordafrika auf den Markt gebracht, um ein oder ein Erdbeben, die plötzlich auftreten. „Überschwappen“ der Proteste auf Äthiopien zu verhindern. Wegen der hohen Nahrungsmit- telpreise hatte es bereits erste Demonstrationen Ob der Klimawandel das Phänomen „La Niña“ gegeben. verstärkt, ist unter Experten umstritten. Nach Einschätzungen des Leibnitz-Instituts für Mee- reswissenschaften ist es allerdings durchaus denkbar, dass ein Zusammentreffen der ohne- 2
BRENNPUNKT | Hunger am Horn von Afrika Krise ist auch hausgemacht der Ertrag um ein Vielfaches gesteigert, aller- Es wäre falsch, die Ursachen der Krise allein in dings wurde vor allem in die Entwicklung von externen Faktoren zu suchen. Die Hungersnot Hochertragsgebieten investiert. Die Bevölke- am Horn von Afrika ist zu einem guten Teil rung in anderen Landesteilen wurde vernach- hausgemacht. In Somalia gibt es seit Jahrzehn- lässigt und zunehmend an den gesellschaftli- ten keine funktionierende Regierung mehr, die chen Rand gedrängt. Dazu trug auch der Aus- für Sicherheit und Wohlergehen der Bevölke- verkauf von Land an ausländische Investoren rung sorgen könnte. Die in den einzelnen Lan- entscheidend bei. Sowohl Äthiopien als auch desteilen herrschenden Clans konnten zwar Kenia haben große Landareale an Agrarfirmen vereinzelt staatliche Funktionen übernehmen. unter anderem aus Indien, China, Saudi Arabi- Angesichts der Hungerkatastrophe stellen sie en und den Vereinigten Staaten verkauft, die sich aber weitestgehend als hilflos heraus. Die das Land insbesondere für den Anbau von immer wieder aufflammenden Machtkämpfe, Pflanzen zur Energiegewinnung und Exportnah- v.a. zwischen den Al-Shabab Milizen und der rungsmitteln nutzen. Besonders Kleinbauern Regierung, verhindern nicht nur eine effektive verloren bei diesem „Land Grabbing“ aufgrund politische Antwort auf die Krise, sondern er- unklarer Landtitel ihre Anbauflächen. Die oft- schweren auch die humanitäre Hilfe in den mals von den Investoren versprochenen Jobs betroffenen Regionen. Besonders die anfängli- blieben aus oder boten nur wenigen Bauern che Weigerung der Al-Shabab, ausländische eine Einkommensquelle. Hilfslieferungen in von ihnen kontrollierte Ge- biete zuzulassen, machte eine Versorgung der Kleine Schritte in die richtige Richtung Bevölkerung nahezu unmöglich. Nach dem Neben all den Versäumnissen gibt es aber auch Rückzug der Al-Shabab aus Mogadischu bietet kleine Erfolgsmeldungen. Sowohl Kenia als sich nun erstmals die Chance, einen sicheren auch Äthiopien unterhalten Hungernotfallpro- Hafen für die Flüchtlinge in Somalia zu schaf- gramme, die nicht nur Nahrungsmittelhilfe fen. verteilen, sondern auch Kleinbauern mit Saat- Im WeltRisikoIndex des Bündnis Entwicklung gut versorgen. In Kenia wird auch ein Schul- Hilft, einem Zusammenschluss der fünf Hilfs- speisungsprogramm durchgeführt, das sicher- werke Welthungerhilfe, Brot für die Welt, Mise- stellt, dass die Kinder in den Dürregebieten reor, terre des hommes und Medico Internatio- zumindest eine Mahlzeit pro Tag bekommen. nal, werden auch Äthiopien, Kenia und Dschi- Auch ist es in den vergangenen Jahren sowohl buti als sehr hoch bzw. hoch vulnerabel einge- in Kenia als auch in Äthiopien gelungen, den stuft, d.h. die Anfälligkeit der Gesellschaften Zugang zu Wasser zumindest für Teile der Be- für extreme Naturereignisse ist äußerst groß, völkerung erheblich zu verbessern. Allein die und ihre Bewältigungs- und Anpassungskapazi- Welthungerhilfe hat zum Beispiel in Kenia in täten sind sehr gering. Mit anderen Worten: den vergangenen drei Jahren über 350 Wasser- Alle Länder verfügen nur über ein geringes pro- versorgungssysteme gebaut, von denen rund Kopf-Einkommen, sind durch hohe soziale Un- 310.000 Menschen profitieren. Auch zahlrei- gleichheit und breite marginalisierte Bevölke- che Projekte zur Förderung der kleinbäuerli- rungsschichten gekennzeichnet. Die öffentliche chen Landwirtschaft haben Früchte getragen. Infrastruktur ist unzureichend ausgebaut, ins- Die Bauern können sich besser gegen die im- besondere in ländlichen Regionen. Die medizi- mer wieder eintretenden Dürren behaupten als nische Versorgung ist schlecht, die Analphabe- vorher. Ein wichtiger Erfolg konnte auch bei der ten-Rate hoch. Verantwortlich dafür ist nicht Förderung der Sesshaftigkeit von Nomaden zuletzt die schlechte Regierungsführung der erzielt werden. Viele Nomaden sind in den ver- Länder. So gehört Kenia zu den korruptesten gangenen Jahren zumindest teilweise sesshaft Ländern der Welt. Im Corruption Perceptions geworden. Sie haben damit einen besseren Index von Transparency International, der 178 Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrich- Länder auflistet, belegt Kenia Rang 154. Äthi- tungen und verfügen so über bessere Bewälti- opien liegt immerhin auf Rang 116. Trotz der gungs- und Anpassungskapazitäten. Obwohl es zum Teil beträchtlichen wirtschaftlichen sich hierbei nur um kleine Entwicklungsschritte Wachstumsraten in Äthiopien profitieren viele handelt, dürften sie doch dazu beigetragen Teile der Bevölkerung nur wenig. haben, dass die Katastrophe in Kenia und Äthi- opien weniger Opfer forderte als vergleichbare Ausverkauf von Land frühere Katastrophen. Zwar wurde zur Lösung der chronisch schlech- ten Ernährungssituation in den vergangenen Zentrale Forde Forderungen Jahren sowohl in Äthiopien als auch in Kenia in Die Komplexität der humanitären Krise am den Ausbau der Landwirtschaft investiert und Horn von Afrika erfordert Antworten auf den 3
BRENNPUNKT | Hunger am Horn von Afrika unterschiedlichsten Ebenen. Folgende fünf linge werden sie über Jahre bestehen bleiben. Forderungen sind aus Sicht der Welthungerhilfe Es ist daher dringend geboten, ausreichend besonders zentral: Kapazitäten zu schaffen, um alle Flüchtlinge langfristig unterzubringen und zu versorgen. 1. Mehr finanzielle Mittel für die So Soforthilfe Darüber hinaus müssen aber auch Maßnahmen Nach Angaben der UN sind ca. 2,5 Milliarden getroffen werden, die eine Selbstversorgung der US-Dollar nötig, um die Menschen in Ostafrika Flüchtlinge zulassen. Die Regierungen von vor dem Hungertod zu retten; hiervon ist aber Kenia und Äthiopien müssen nicht nur bei der bisher nicht einmal die Hälfte geflossen. Die Bewältigung der Flüchtlingsströme unterstützt, Zusagen der Bundesregierung von insgesamt sie müssen auch dazu aufgefordert werden, den rund 33 Millionen Euro sind wichtig, aber an- Flüchtlingen, die auf absehbare Zeit nicht nach gesichts der enormen Not kann dies nur ein Somalia zurückkehren können, die Möglichkeit Anfang für akute Nothilfe für die nächsten drei einzuräumen, eine Existenz aufzubauen und Monate sein. Auf der Internationalen Geberkon- sich selbst zu versorgen. Dafür müssen sie ferenz in Addis Abeba am 25. August sollte die sowohl Zugang zu Land erhalten als auch das Bundesregierung Ihre Zusagen noch einmal Recht zu arbeiten. aufstocken. Eine Summe von 100 Millionen Euro ist angesichts der schweren Notlage an- 4. Kurzfristige Hilfe mit langfristigen Investi- Investi- gemessen. Dabei sollte die Bundesregierung tionen in die Landwirtschaft verbin verbinden die Transparenz über die bereit gestellten Mit- Die Krise am Horn von Afrika ist chronisch. tel erhöhen und in ihrer Kommunikation klar Daher müssen die Nothilfemaßnahmen drin- zwischen „alten“, also bereits früher zugesag- gend mit langfristigen Maßnahmen verknüpft ten, und „neuen“ Mitteln für das Horn von werden, um eine Anpassung an den Klimawan- Afrika unterscheiden. Angesichts der Tatsache, del durch Ressourcenschutz und neue Anbau- dass gerade Nichtregierungsorganisationen methoden sicherzustellen. Die Unterstützung (NRO) über direkten Zugang zur Bevölkerung darf nicht nach der Bewältigung der akuten verfügen, weil sie gemeinsam mit einheimi- Krise wieder abflauen. Ungefähr 80 Prozent der schen Partnerorganisationen in den Gemeinden Menschen am Horn von Afrika leben von der und Dörfern arbeiten, sollte ein substantieller Landwirtschaft. In der Landwirtschaft liegt der Anteil der Mittel über NRO umgesetzt werden. Schlüssel zur Schaffung von Ernährungssicher- heit. Die Förderung von Landwirtschaft muss 2. Sicherheit für Somalia daher stärker priorisiert werden. Dabei ist es Das Ausmaß der Hungersnot am Horn von Afri- unbedingt notwendig, nicht allein in Hocher- ka hängt maßgeblich mit dem Bürgerkrieg in tragsgebiete zu investieren, sondern die Nah- Somalia zusammen. Eine langfristige Bekämp- rungsmittelproduktion zu dezentralisieren und fung der Ernährungsunsicherheit in der Region die Kleinbauern im ländlichen Raum wieder ins ist nur möglich, wenn Somalia politisch stabili- Zentrum der Hilfe zu stellen. Sie müssen lang- siert werden kann. Die Hungerkatastrophe hat fristig auf die Dürreperioden vorbereitet wer- hier ein Gelegenheitsfenster geöffnet. Die Al- den, etwa durch die Einführung von dürreresis- Shabab Miliz hat einen hohen Legitimationsver- tenten Getreidesorten, die Vermittlung von lust erlitten, der sie zum Rückzug aus Moga- Methoden zum Auffangen und Speichern von dischu zwang. Diese Schwäche sollte politisch Regenwasser und die Einführung von gemein- für eine Lösung des Konfliktes genutzt werden. debasierten Frühwarnsystemen. Zusätzlich Dabei muss die Bundesregierung auf Instru- muss stärker in die öffentliche Agrarforschung mente der zivilen Konfliktbearbeitung setzen. investiert werden. Der bereits eingeschlagenen Weg – die Unter- stützung der Afrikanischen Union im Rahmen 5. Land Grabbing verhindern ihrer Vermittlungsbemühungen – der auch im Das derzeitige große Interesse von Staaten und neuen Afrikakonzept der Bundesregierung ver- Unternehmen, massiv in die Landwirtschaft zu ankert ist, ist richtig und sollte weiter verfolgt investieren, darf nicht in einen Ausverkauf von werden. Eine erfolgreiche zivile Konfliktbear- Land und die Benachteiligung der lokalen Be- beitung am Horn von Afrika erfordert allerdings völkerung münden. Anstatt das ‚Land Grabbing’ ein deutlich höheres finanzielles Engagement von Agrarunternehmen zu fördern, sollten die als bisher. Dafür ist es auch zentral, dass der Regierungen von Kenia und Äthiopien das Stellenwert von ziviler Krisenprävention in günstige Investitionsklima zur Umsetzung neu- Deutschland insgesamt gestärkt wird. er und vor allem nachhaltiger Agrarpolitik nut- zen. Sie müssen sicherstellen, dass Investiti- 3. Perspektiven für die Flüchtlinge schaffen onsprojekte auf Grundlage sozialer, ökologi- Die Flüchtlingslager in Kenia und Äthiopien scher - aber auch wirtschaftlicher - Wirkungs- sind keine vorrübergehende Einrichtung. Auf- analysen geplant und umgesetzt werden. Nach grund der mangelnden Perspektiven der Flücht- 4
BRENNPUNKT | Hunger am Horn von Afrika dem Grundsatz der „vorherigen, freien und Quellen informierten Zustimmung“ sollten die Analysen unter Beteiligung der Betroffenen (Bauernorga- nisationen, indigenen Gruppen, etc.) durchge- Bündnis Entwicklung Hilft (2011), WeltRisi- führt werden.1 koBericht http://www.weltrisikobericht.de 6. Ursachen extremer Nahrungsmittelpreis- Nahrungsmittelpreis- schwankungen bekämpfen FEWSNet (2011), Somalia Dekadal Food Eine der zentralen Ursachen der Hungersnot Security and Nutrition Monitoring am Horn von Afrika sind hohe Nahrungsmittel- http://www.fews.net/docs/Publications/SO_dekadal2_040 preise. Zu den wichtigsten preistreibenden 811_final.pdf Faktoren auf dem weltweiten Nahrungsmittel- FIAN (2010), Land Grabbing in Kenya and markt gehören Kapitalanlagen auf den Roh- Mozambique stoffmärkten, die zunehmende Produktion von http://www.rtfn- Bio-Treibstoffen aus agrarischen Rohstoffen watch.org/uploads/media/Land_grabbing_in_Kenya_and_ und Exportrestriktionen seitens der Agrarexport- Mozambique.pdf länder. Hinzu kommen hohe Nachernteverluste in den betroffenen Ländern und mangelnde IFPRI (2011), Urgent Actions Needed to Vorratshaltung. Prevent Recurring Food Crises Um den negativen Einfluss der Biotreibstoff- http://www.ifpri.org/sites/default/files/publications/bp016 .pdf produktion einzudämmen, müssen Subventio- nen in diesem Bereich erheblich eingeschränkt OCHA (2011), Horn of Africa Drought Crisis, werden. Die in vielen Ländern üblichen Bei- Situation Report No. 7 mischquoten sollten abgeschafft oder wenigs- http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCH tens flexibler gehandhabt werden und in nega- A%20Regional%20Sitrep%20%237%20July%2029%2 tiver Korrelation zu Lücken zwischen Angebot 02011.pdf und Nachfrage stehen. Zur Eindämmung der preistreibenden Kapital- anlagen in Nahrungsmittelmärkten muss die Bundesregierung ihre politischen Handlungs- Autorin spielräume nutzen. Die Aktivitäten von bran- Dr. Katrin Radtke chenfremden Finanzmarktakteuren und speku- Referentin Entwicklungspolitik lativen Anlegern auf den Nahrungsmittelmärk- und Humanitäre Hilfe ten müssen nach international verbindlichen Deutsche Welthungerhilfe e.V. Regeln überwacht werden. Dazu gehören die Friedrich-Ebert-Straße 1 Umsetzung strenger Berichtspflichten sowie die D-53173 Bonn Einführung von Mengen- und Preisbeschrän- katrin.radtke@welthungerhilfe.de kungen. Damit wäre zugleich eine spekulati- Tel: +49-228-2288-112 onshemmende Entschleunigung der Finanz- Fax: +49-228-2288-188 marktgeschäfte erreichbar.2 1 Vergleiche auch Brennpunkt Nr. 8, Land Grabbing (http://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/media/pdf/Brennp unkte/Brennpunkt_8_Land_Grabbing.pdf) 2 Vergleiche Brennpunkt Nr. 20, Finanzspekulationen verschärfen den Hunger (http://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/media/pdf/Brennp unkte/Brennpunkt_Nr._20_Nahrungsmittelspekulation.pdf) 5
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