Robin Robertson Wie man langsamer verliert - Leseprobe aus: Mehr Informationen zum Buch finden Sie - Carl Hanser Verlag
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Leseprobe aus: Robin Robertson Wie man langsamer verliert Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf www.hanser-literaturverlage.de © Carl Hanser Verlag München 2021
ROBIN ROBERTSON Wie man langsamer verlier t Aus dem Englischen von Anne-Kristin Mittag Carl Hanser Verlag
Die englische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel The Long Take or A Way to Lose More Slowly bei Picador in London. 1. Auflage 2021 ISBN 978-3-446-26571-4 © Robin Robertson 2018 Alle Rechte der deutschen Ausgabe © 2021 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München Foto: Turk Street in Tenderloin, 1950er Jahre (OpenSFHistory / wnp14.3613.jpg) Satz: Angelika Kudella, Köln Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany
IN ERINNERUNG AN Alistair MacLeod Jason Molina Jean Stein
cos cheum nach gabh tilleadh
INHALT 1946 13 1948 47 1951 125 1953 155 Abspann 243
1 Clifton Cafeteria 30 Regal Theater 59 Angels Flight Café 2 Hotel Rosslyn 31 Schaber’s Café 60 Los Amigos 3 King Eddy’s 32 Dreamland 61 New Grand Hotel FIGUEROA STREET 5TH STREET 6TH STREET 4 Pershing Square 33 Burbank Theater 62 Nugent Deli 5 Eastern Columbia Building 34 LA Athletic Club 63 Montana Café 6 Grand Central Market 35 Warner Theater 64 Elks Club 7 Church of the Open Door 36 Banner Theater 65 Lovejoy Apartments 8 Biltmore Hotel 37 Million Dollar Theater 66 Alta Vista Apartments 47 9 Los Angeles Theater 38 Bradbury Building 67 Dome Hotel 10 Tower Theater 39 El Progreso 68 Gladden Apartments FLOWER STREET 11 Orpheum Theater 40 Columbine 69 Argyle Hotel 12 Globe Theater 41 The Ritz 70 Claridge Hotel 13 Roxie Theater 42 Hotel Angelus 71 Mission Apartments 14 Hill Street Tunnel 43 Mason Theater 72 Hotel Northern 15 Craby Joe’s 44 2nd Street Tunnel 73 The Castle 16 Cole’s 45 Union Rescue Mission 74 Melrose Hotel 17 18 Greyhound Station Cameo Theater 46 47 St Vibiana’s Cathedral Richfield Tower 75 76 Richelieu Apartments Brousseau House HOPE ST 48 19 Star Theater 48 Public Library 77 Heindel House 20 RKO Hillcrest Theater 49 3rd Street Steps 78 Union League Building 21 Golden Gopher 50 Sunshine Apartments 79 Hotel Astor 7 22 May Co. 51 Hillcrest Hotel 80 El Moro Hotel 23 Bullock’s 52 Astoria Hotel 81 Moore Cliff Hotel 24 25 Police Station Charlie O’s 53 54 Hulbert Hotel Ferguson Café 82 83 Seymour Apartments Frontenac Apartments GRAND AVENUE 26 Spring Arcade 55 Royal Liquor 84 Chaspeak Apartments 27 Muse Theater 56 Angels Flight 85 Hotel Vendome 8 28 Follies Theater 57 3rd Street Tunnel 86 Hippodrome Theater 29 Jade Theater 58 Angels Flight Pharmacy 87 Los Angeles Times OLIVE STREET 9TH STREET 8TH STREET 7TH STREET 34 4 ME R C U R Y C O UR T 21 20 35 HILL STREET 23 22 S T V IN C E N T P L A C E LINDLEY PLACE 5 23 9 BROADWAY 11 10 12 1 31 19 18 13 26 25 SPRING STREET 9TH STREET 8TH STREET 7TH STREET 6TH STREET 5TH STREET (HAR LEM PLAC E) WER MAIN S CENTER PLACE D IN PLAC E TREET 15 33 32 WER DIN PLAC E 16 LOS AN G ELES S TREET 17 9781509846887_The Long Take V6_txt.indd 12 11/01/2018 14:34
Downtown Los Angeles (1948–58) 3RD STREET FIGUEROA STREET 5TH STREET 4TH STREET 1ST STREET 2ND STREET SACK ALLEY FLOWER STREET B U N C IN NA B A R S T R E E T K E 44 HOPE STREET R 73 77 66 H BUNK E R H I L L AV E NU E I 61 76 L GRAND AVENUE 57 62 63 67 L 58 65 83 75 74 84 71 82 60 49 59 OLIVE STREET 52 69 64 51 70 68 50 C L AY S T R E E T OLIVE CT 53 44 85 72 81 80 54 55 HILL STREET 14 56 79 78 24 6 43 37 BROADWAY 38 87 FRA N K C OU R T 42 2ND STREET SPRING STREET 3RD STREET CEN T E R P LA C E (HARLE M PLACE) 2 27 28 30 29 40 MAIN STREET 1ST STREET 41 39 45 5TH STREET T 36 TREE 86 46 WERDIN P LA C E WERDIN PLACE 3 4 TH S EET E LES STR LOS ANG 9781509846887_The Long Take V6_txt.indd 13 11/01/2018 14:34
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15 Und da war sie: ein Schwellen und Gleißen wie eine stehende Welle – die rauchende, legendäre Ruine, die neuen Türme strebten ins Blau; die stolzen Reihen von Gold und Elfenbein, der Schimmer, der Schein vergrabenen Lichts, während die Welt darum kreiste, ganz langsam an diesem Herbstmorgen, voll Staunen. Und sie blieb dort, wachsam, als sie näher kamen, der Lastfahrer und der junge Mann; unter Masten, Kabeln, Telegrafenstangen, an Lagerhallen, Containerhöfen, Brachflächen vorbei, zwischen den langen öligen Marschen, Abfallgruben und Sumpfland, bevor sie hinabglitten unter den Hudson und hochkamen auf der anderen Seite, inmitten einer schwarzen Nässe aus Straßen, vermüllt und leer. Die Stadt verschwunden. »Probier’s mal am Hafen. Die suchen immer wen.« *
16 Sie brannte in mir wie ein Kohlefeuer. Die Straße. In Broad Cove, auf der Insel drüben, war’s die Arbeit in der Mine oder auf den Booten. Sich von den Alten die Gewohnheit abgucken – das lange Hinausstarren aufs Meer – und wie ein Dornbaum werden, den der Wind nach seiner Form verdreht, die Maserung vom Wetter vorgezeichnet; Stoffkappen und Tweed, Gesichter, frisch und grobknochig, feuchte Augen, Schweigen, das sich wochenlang zog; die Frauen rangen die roten Hände, sie wrangen Geschirrtücher oder Hühnerhälse und schufen nur mehr Schweigen dadurch. * Walker läuft. Das ist ihm Name und Natur. Gebäudereihen, alle gleich, Türen und Fenster, Menschen gehen hinein, sehen heraus; drinnen – Flure und Treppen, Flure und Treppen und noch mehr Türen, die sich öffnen, sich schließen. Straße um Straße mit Gebäuden, alle einerlei. Menschen, einerlei. Das Chaos, die Farben: ein einziges Treiben auf den Straßen, und drüber hinweg gerade Linien und Diagonalen. Drugstores, Lebensmittelläden, Imbissbuden, Diners. Missionen. Bars. Blocks. Ecken. Kreuzungen. Eine fallende Kiste oder ein schreiendes Kind, der Knall einer Fehlzündung – und wieder ist er in Frankreich, dieser Geschmack in seinem Mund. Kupfer. Kordit. Blut.
So laut. Und hell. Nirgends ein Fleck, um die Augen auszuruhen. Sich zu 17 verstecken. Das also geschieht zwischen einer Nacht und der nächsten: Das ist Tag. Eine endlose Probe mit einer Besetzung, die ständig wechselt und es doch nie richtig macht. Dinge fallen lässt. Zusammenstößt. Über den Bord- stein stolpert. Jede Tür, jedes Fenster, die sich öffnen, sich schließen, Fahr- zeuge gleiten dahin, Verkäufer rufen, Kinder kreischen, Pferde und Karren, Straßenbahnen und Lieferwagen. Menschen in Eile, in jeder Richtung, an eine Art Netz angeschlossen. Von hoch oben könnte man vielleicht einen Plan für all das erkennen, wie die Anlage einer Modelleisenbahn. Doch hier unten nicht. Alles ist zu schnell, und es gibt zu viele Menschen und Autos, und ich kann dieses Stoppschild nicht loslassen, weil ich Angst hab und weiß, ich muss sterben. Eine grelle Migräne sich beißender Farben, Lichtdolche und Sonne ringsum in weiß entrollten Flaggen. Kein Schatten in dieser Welt. * Die Straße unsichtbar unter schwerem Schnee: ein makellos gedämpftes Land, fließend und blendend bis runter zum Schiefer des Ozeans. Der einzige Farbfleck die Flechten, hell wie Pollen an den Zweigen, und die V ogelbeere am Haus, ein Arm über die Tür gelegt. * Nacht. Die Stadt verschwunden. Statt ihrer dies graue Steinlabyrinth, die geschlossene Geometrie der Schatten, schwarz und blind, den Himmel verwundende Kanten, Symmetrien, die brechen und wieder gerade schnellen. Die grünen Z der Feuertreppen; Leitungen zerschneiden
18 kreuz und quer das letzte Licht zu einem engmaschigen Netz. Die Gebäude schließen sich um eine Sackgasse, springen dann vor der neuen Zukunft auf: Wiederholung, Umkehr, Irrtum, Verlust. * Vater stand nur in der Tür. »Der Krieg war eine Sache, aber das ist was ande- res. In hundertsiebzig Jahren bist du von uns der Erste, der fortgeht.« * Er wollte dieses Land sehen und sah es dann auch: Die Bänke von Hanover Square im Morgengrauen, Fanelli’s, das Spot, das White Horse, die Parks und Pfandleihen, 15-Cent-Restaurants, das Green Door, das Marathon, die Garden Bar, eine Beekman-Street-Arkade, wo er was trank bei Anbruch der Nacht. Er überraschte in Schaufenstern sein Spiegelbild: sah den lockenköpfigen Jungen mit seiner Angel; den mageren weißen Soldaten mit leerem Blick dünner werden. Er geht unter Geistern. Sieht kein Gesicht zweimal. Er navigierte nach der Sonne, wenn er sie zwischen den Häusern, den Schluchten fand. Die Subway – unterirdische Flüsse, die mit dem Puls der Massen alle naselang übertreten.
Menschen jeder Herkunft und Hautfarbe, Hunderte Sprachen: 19 Italienisch, Polnisch, Russisch, Deutsch, Jiddisch, das Spanisch der Mexikaner, Puerto-Ricaner, dieses Chinesisch – wie ein rückwärts laufendes Band im Zeitraffer. Menschen; wie er. Gaben das Land auf für die Stadt, Langeweile für Angst. Die Gesichter scharen sich nun auf diesen Straßen wie Zuschauer in einem Traum. Sie wollten anonym sein, nicht mit Haut und Haar verschlungen werden, nicht verschwinden. Jetzt verbringen sie ihre Tage auf der South Street oder im Battery Park, die Nächte in den Absteigen der Bowery, den Käfig-Hotels, zusammengequetscht wie Heringe in einem Korb. * Kalt wie an Lichtmess. Einzig die Haut aus Eis im Wasserglas an seinem Bett vibriert nicht unter den Schienen der Third Avenue El oben. Durch die graue Tüllgardine schreckt über den Dächern draußen der Himmel wach wie ein Wackelkontakt; Wetterleuchten hinter der Wolkenwand. Irgendwo oben im Norden von hier ist das Chrysler, und das Empire State. Irgendwo südlich die Freiheitsstatue. *
20 Runter zur Subway auf der gleichen Metalltreppe wie im Truppenschiff damals in Southampton: das heiße Wirbeln und Dröhnen der Maschine, vernietete Gänge und Korridore, Dunkelheit, jähes Licht, verbrauchte Luft, das trappelnde Echo von Schritten auf Stahl. Die weißen blinden Augen. * Man musste den Augenblick sorgfältig wählen. Abwarten, bevor man vom Kletternetz an der Bordwand des Handelsschiffs auf das LCA unten sprang. Musste versuchen, den Rhythmus zu finden: die Dünung des Wassers, die kol- lidierenden Schiffe. Deine beste Chance war immer kurz bevor das Landungs- boot gegen den Bug rumste. Im falschen Moment zu springen hieß Ertrinken oder Zerschellen. Ging glatt bei dir. Hast dich aufgerappelt. Das Stahldeck schlüpfrig von Erbrochenem. * Oben auf der El – sich wärmend an dem alten Gusseisenofen beim Münzwechsler und bei den Drehkreuzen – lehnte er sich gern vor und betrachtete das Gewimmel der Menschen unten: ein Fluss aus Hüten, einer Strömung folgend, flutet um runde Hindernisse, formt sich dann aufs Neue: grau und braun und schwarz. Da kam er drauf. Man kann den Fuß nicht zweimal in dieselbe Stadt setzen. Das war es. Hier zu leben war, als wollte man einen Fluss bei Flut überqueren, und er hatte doch eben erst Grund unter den Füßen gefunden oder zumindest einen Blickpunkt auf sie – von fern.
Aus der Nähe war nichts schön hier. 21 Und so vieles war jetzt eine Nahaufnahme. Er musste sich neu justieren, scharf stellen auf diese ganze neue Geometrie, Licht und Schatten, Schwarz und Weiß: weit blicken. Wie aufs Meer hinaussehen. * Seekrank von den Schachbrettstraßen, Ziegelsteintürmen und Spiegeln und schroffschwarzen Schluchten, heftete er zur Beruhigung den Blick auf die stabile Linie der Brooklyn Bridge. Er fand ein Zimmer, vierter Stock ohne Lift, in der Water Street, sechs Dollar die Woche, und keine Anzahlung nötig für den Ausgedienten mit seinem Veteranenabzeichen. Am nächsten Tag tippte ihn der Heuerboss beim Shape-up an; er besorgte sich einen Kistenhaken und Arbeit auf den Docks. Eis gespinstete um die Holzpfähle, die Eislache trüb und bucklig und glibberig glatt wie getrockneter Leim. Zu Hause wäre das Meer jetzt Splitter von Granit, Schiefer, Anthrazit; Seeschwalben würden an den Wellen nippen, tief über einem Schwarm Makrelen piepsen, ehe eine Urgewalt sich aus dem Wasser hebt – ein Grind- oder Buckelwal. *
22 Der Geruch von zu lange gezogenem Tee und nasser Kleidung, R ußflocken von den Petroleumlampen, die Röhren im Radio glimmend wie Glut; der alles durchdringende, endlose Regen – und Winter wie eine weiße Tür, die sich für sechs Monate schließt. Die Messe in St Margaret’s schwänzen. Auf die metallgraue See hinausstarren. * Er beobachtete den Fluss den ganzen Tag für diesen Moment: wenn die Strömung kentert und die Flaschen ganz still im Wasser stehen. Das Klatschen der Wellen gegen die Kiesbänke wie das ferne Knattern und Krachen von Kleinkalibern oder Granatwerfern, wie nass flappende Planen. Ein Block von hier in der Perlmuttdämmerung: eine Hure, wegen ’nem Dollar zu Brei geschlagen, tanzt jetzt bäuchlings im Hudson. * Im Badehaus, wo er einmal die Woche hinging: das übliche Haar und vergilbte Kleenex im Abfluss der Duschen, die Pflaster im Becken; der übliche Schnack im Dampfbad auf den Holzlatten, keine Hundemarken mehr, nur der heilige Christophorus: »Na, Kamerad, wie steht’s? Wo wohnste?« »Im Mills. Penne in der Bleecker – Drecksloch, aber es muss reichen, bis ich alles geregelt hab. Und du?« »Bin letzte Woche aus dem Knast raus. Ich geh zu einem Freund. Einen Treff machen, verstehste? Sagt, er hat Arbeit für mich.«
»Im Ernst? 23 Als die ganze Sache vorbei war, als wir heimgekehrt sind, hab ich gedacht, es gibt auch für mich Arbeit.« * Dann der langsame Rückzug des Winters. Frühlingsanbruch – Begnadigung. Man sah Treibeis von der Arktis, und manchmal schwamm es so nah vorbei, dass man die Robben singen hörte, auf großer Fahrt dort auf dem grauen Schelf. * Nachts wälzt sich und wirbelt der Fluss wie Öl unter den Brücken, durch die Ritzen hindurch. Er ging stundenlang – folgte dem Glühen im Himmel über Uptown, von dem er gehört hatte, es seien die Lichter von Times Square – sein Schatten wandert mit ihm unter den Straßenlampen: dicht, fest, sehr schwarz und scharf, verkürzt. Doch schon beginnt er sich zu strecken, während er geht, verblasst zu einem schwachen Fleck. Dann unter die nächste Laterne, Schatten wieder dunkelnd, klar und hart. Wer er wirklich ist oder war, liegt irgendwo dazwischen. *
24 Ging in Ride the Pink Horse, dann Out of the Past in derselben Woche im Majestic: Auf der Leinwand Acapulco und New Mexico, draußen Eis und Schnee. Der Lichtkegel des Projektors über ihren Köpfen in der Dunkelheit; wie der Rauch ihrer Zigaretten darin aufstieg, zu Spiralen erblüht. * Der Weißdorn steht wie Nebel in den Tälern. Stechginster, leuchtend vor dem schmelzenden Schnee, erfüllt mit seinem Kokosduft die hohen Meeres- klippen; Maiglöckchen entfalten ihre Süße im dunklen Wald. * Er wechselte zum Fischmarkt, wo die Arbeit leichter war und sicherer, die Kisten kleiner, und man die Perlen von der ganzen Küste sah: Portland, Maine, bis runter nach Cape Canaveral. Ende April, Anfang Mai gab es Flunder, Merlan, Angler, Seehecht, Streifenbarsch, Makrele, für kurze Zeit auch Alse aus dem Hudson River. Alsenfilet und -rogen von Carmine’s oder Whyte’s: für ihn der beste Fisch seit Jahren. Eines Tages lud er sich Hummerkisten auf seine Karre und blickte verdutzt auf den Stempel: MacLeod’s Point, Ingonish, N.S. Er sah den kleinen Hafen vor sich, die blauen Boote, Star of the Sea, The Rover, Màire Bàn; die alten, handgeflochtenen Reusen. Die Gesichter jener Fischer. *
Die Bucht aufgewühlt von der Wanderung der Kapelane. Hinter ihnen her 25 der Kabeljau – und dann die Wogen der Wale im Wasser. Wie Wellen schwarzen Unkrauts werden die kleinen Fische an Land gespült, winden und wälzen sich silberschlagend im Sand, wo die Frauen schon mit ihren Netzen und Körben warten, an jener Küste, an die der Kapelan jedes Jahr wieder- kehrt, um zu laichen, den Frühling zu verkünden. * Central Park: eine Lichtung in diesem steinernen Wald; eine Brandschneise zwischen den Zikkuraten, aus lebendem Grün geschlagen. In der Strenge frühen Morgenlichts ging er durch einen Maisturm Blütenblätter, das Rosa der Kirschblüte üppig im Rinnstein und in jeder Ritze des Bürgersteigs. Er hörte ein Geräusch wie eine Lotusflöte: wuit wuit wuit wuit und dort, im Baum, kaum zu glauben, ein roter Vogel. * New York hat fast alles, was man will. Es ist wie ein Markt: wo alles verfügbar, alles zu kaufen ist. Doch es ist alles begrenzt, schon im Verschwinden be- griffen. Deshalb wollen wir es jetzt; müssen es haben – j e t z t . Ein Kardinal. Eines Tages lerne ich all ihre Namen. Mai 47 *
26 Er stand in einer East-Side-Bar und nippte an einem Doppelten, als der neben ihm fragt: »Siehst du den in der Ecke, Freund?«, mit dem Blick hindeutend. Der Alte, auf den sie schauen, schaut beim Einschenken auf die Flasche, das Bier, das sich gierig ins Glas ergießt. Das Gesicht wie ein Knöchel: Puterrot, und weiß, wo der Muskel spielt; gräuliche Zähne; Augen tief eingesunken. »Der war früher angeblich einer von Maranzanos Leuten. Wie man hört, hat er mal einen zu Boden geschlagen, ihm einen Stift ins Ohr gesteckt und mit ’nem Tritt versenkt. Dann wurd’s brenzlig, als sie sich seinen Boss vorknöpften, und er ist nach Jersey, fing als Ringkämpfer an, hatte eine Nummer, wo er sich als Fischer verkleidete, mit einem Kraken rang.« Das Bier ist eingeschenkt. Dunkle Linien ziehen sich senkrecht von seinen Mundwinkeln herab wie bei ’ner Bauchrednerpuppe. Bei jedem Schluck klappt der Schlitz auf und zu. Mein Freund schüttelt den Kopf. »So ’ne Marke.« * Im Sommer, unter den Latten, dem Gitterwerk der El sieht man ein Netz aus Sonne und Schatten die Menschen wie Gemüse in Würfel hacken. Später kommen die Trinker darunter zu sich: die Gesichter gestreift, gezeichnet vom Licht.
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