Briefing Notes Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration - BAMF
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Briefing Notes Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration 06. Juli 2020 Äthiopien Gewalttätige Unruhen nach Mord an Sänger und Oromo-Aktivisten Nach der Ermordung des Musikers und Aktivisten Hachalu Hundessa am 29.06.20 ist es in Äthiopien in mehreren Städten zu gewalttätigen Unruhen gekommen. Berichten zufolge wurden dabei 145 Zivilisten und elf Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet, zwölf weitere Todesopfer soll es in der Hauptstadt Addis Abeba gegeben haben, zudem wurden rund 2.300 Personen festgenommen. Inzwischen habe sich die Lage – so die Polizei – jedoch wieder beruhigt. Drei Tatverdächtige seien in Untersuchungshaft, die Hintergründe des Anschlages sind jedoch bislang noch unklar. Premierminister Abiy Ahmed machte „interne und externe Kräfte“ für die Ausschreitungen verantwortlich und bezog sich dabei auch auf die anhaltenden Spannungen mit Ägypten im Zusammenhang mit dem Bau des Staudamms am Nil (vgl. BN v. 18.05.20). Die schwersten Ausschreitungen gab es in Hachalus Heimatstadt Ambo. In Addis Abeba wurde von mehreren Explosionen berichtet, Geschäfte wurden in Brand gesetzt. Als Reaktion auf die Unruhen blockierte die äthiopische Regierung alle Internetverbindungen im Land. Auch die Telefonverbindungen wurden unterbrochen. Die deutsche Botschaft warnt vor Sicherheitsproblemen. Zu einer weiteren Eskalation führte die Inhaftierung des Medienunternehmers Jawar Mohammed. Sicherheitskräfte verhafteten ihn bei Protesten gegen eine Beisetzung in Ambo, etwa 100 Kilometer westlich der Hauptstadt, anstatt in der Hauptstaft Addis Abeba. Der Medienunternehmer galt lange als Unterstützer Abiys, wirft dem Premierminister jedoch vor, zu wenig für die Oromo zu tun und befürwortet die Abspaltung des Regionalstaates Oromia. Nach Einschätzung politischer Beobachter wäre Jawar bei den ursprünglich für dieses Jahr geplanten – wegen COVID-19 jedoch verschobenen – Parlamentswahlen wohl größter Konkurrent Abiys geworden. Ethnische Spannungen Hachalu wird von vielen als ein Verfechter der Rechte der Oromo angesehen, dessen Lieder die Kämpfe und Frustrationen der Oromo während der Protestbewegung 2014-2018 widergaben und vor allem von Jugendlichen gehört wurden. Noch vor wenigen Tagen hatte Hachalu in einem Interview die Politik Abiys stark kritisiert, weil er nicht die Interessen der Oromo vertrete und ihm vorgeworfen, „kein richtiger Oromo“ zu sein. Gleichzeitig berichtete Hachalu von Morddrohungen gegen ihn. Obwohl sie die größte Bevölkerungsgruppe Äthiopiens bilden, fühlten sich die Oromo über Jahre von der Regierung diskriminiert. Im April 2018 übernahm Abiy als erster Oromo das Amt des Premierministers. Er leitete umfassende Reformen ein, gilt als Hoffnungsträger in der Region und wurde im vergangenen Jahr unter anderem wegen seiner Befriedungsbemühungen am Horn von Afrika mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Spannungen innerhalb der Gesellschaft haben unter seiner Amtszeit jedoch zugenommen. 1
Afghanistan COVID-19-Pandemie Die Zahl der bestätigten COVID-19-Fälle steigt weiterhin an. Positiv getestete Personen werden aus allen 34 Provinzen gemeldet. Die höchste Anzahl an Fällen weist Kabul auf, gefolgt von Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters ist die Zahl der bestätigten Fälle und Todesfälle wahrscheinlich landesweit höher als die gemeldeten Zahlen. Der Höhepunkt der Infektionswelle wird Ende Juli bis Anfang August erwartet. Gemäß dem INFORM-COVID-19-Risk-Index der Europäischen Kommission ist Afghanistan das Land mit dem fünfthöchsten Risiko von 190 untersuchten Ländern (nach der Zentralafrikanischen Republik, Somalia, Südsudan und Tschad). Dieser Index bewertet Länder anhand dessen, wie sehr sie von humanitären Krisen und Katastrophen betroffen sind und welche Kapazitäten sie haben, um diese zu bewältigen. Die Situation an den Grenzübergängen ist derzeit zum größten Teil unverändert (vgl. BN v. 15.06.20). Pakistan hat trotz anderslautender Ankündigungen Grenzen für nichtkommerziellen Verkehr geschlossen. IOM weist auf den deutlichen Anstieg der Abschiebungen afghanischer Staatsangehöriger aus Iran in den letzten Wochen hin. Die Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie (vgl. BN v. 15.06.20) sind weiterhin in Kraft, werden Berichten zufolge aber nicht konsequent umgesetzt. Sämtliche Ämter der Regierung sind wieder geöffnet, die Beamten arbeiten in zwei Schichten. Der Inlandsflugverkehr wurde noch nicht wiederaufgenommen. Internationale Verbindungen werden in eingeschränktem Maße von den Fluggesellschaften Turkish Airlines und Emirates sowie den afghanischen Ariana Airlines und Kam Air bedient. Anschläge, Kampfhandlungen, zivile Opfer Nach Recherchen der New York Times starben im Juni 2020 bei sicherheitsrelevanten Vorfällen 322 Pro- Regierungskräfte und 159 Zivilisten. Nach vorläufigen Erkenntnissen der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) wurden im ersten Halbjahr 2020 über 800 Zivilisten getötet oder verletzt. Die Veröffentlichung des endgültigen Halbjahresberichts zu zivilen Opfern wird im Juli erwartet. In einer Pressemitteilung weist UNAMA auf verstärkte Übergriffe auf Mitglieder der afghanischen Zivilgesellschaft hin. Es habe Anschläge auf religiöse Führer, Beschäftigte im Gesundheitswesen, Angehörige der Justiz, Aktivisten der Zivilgesellschaft, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Journalisten gegeben. Das US-Verteidigungsministerium spricht in einem Bericht vom Juni 2020 von 2.801 zivilen Opfern im Zeitraum 01.11.19 bis 30.04.20. Algerien Hirak-Aktivisten freigelassen Am 02.07.20 wurden vier Hirak-Aktivisten vorläufig aus der Haft entlassen. Die Protestbewegung Hirak begann im Februar 2019, als der damalige Präsident Abdelaziz Bouteflika ankündigte, sich erneut als Kandidat zur Wahl stellen zu wollen. Seither protestierten die Menschen auf den Straßen gegen das politische Regime. Der am 12.12.19 gewählte Präsident Abdelmadjid Tebboune ist ein alter Vertrauter des Ex-Präsidenten. Deswegen protestieren die Menschen weiter auf den Straßen, mit einer kurzen Unterbrechung wegen der Corona-Pandemie, als die Proteste auf die sozialen Netzwerke reduziert waren. Laut der Nichtregierungsorganisation „Nationales Komitee zur Freilassung der Gefangenen“ sind aktuell knapp 70 Menschen wegen Regimekritik in Haft. 2
China Hongkong: Sicherheitsgesetz in Kraft Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses nahm am 30.06.20 das Sicherheitsgesetz für Hongkong (Law of the People’s Republic of China on Safeguarding National Security in the Hong Kong Special Administrative Region) an. Es trat am selben Tag, nach anderen Quellen am 01.07.20 in Kraft. Es gibt Organen der Volksrepublik weitreichende Vollmachten in Hongkong. Unter Strafe stehen Untergrabung der Staatsgewalt (ein Tatbestand, der in der Volksrepublik häufig gegen Aktivisten und Regierungskritiker zum Tragen kommt), terroristische Aktivitäten, separatistische Bestrebungen sowie Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften. Als Höchststrafe ist lebenslange Haft vorgesehen. Beobachter rechnen damit, dass das Gesetz in der Praxis die bislang weitgehend herrschende Meinungs- und Pressefreiheit einschränkt. Es kann auch auf Handlungen angewendet werden, die außerhalb des Territoriums von Hongkong von Ausländern begangen werden. Sicherheitsbehörden in Festlandchina können nun Untersuchungen gegen Verdächtige in Hongkong einleiten, ohne die Justiz Hingkongs einzuschalten. Chinas Oberstes Gericht kann schwierige Fälle den Staatsanwaltschaften und Gerichten in Festlandchina zuweisen. In diesem Zusammenhang können Verdächtige an Festlandchina ausgeliefert werden. Letzteres war ähnlich in dem von Hongkongs Regierung geplanten Auslieferungsgesetz bereits vorgesehen. Massive Proteste der Bevölkerung ab April 2019 hatten Hongkongs Regierung jedoch veranlasst, das Gesetzesvorhaben zurückzuziehen. In Hongkong soll eine Kontrollbehörde zur Einhaltung des Sicherheitsgesetzes eingerichtet werden. Deren Mitarbeiter sind unabhängig von Hongkongs Polizei und Justiz. Leiter der Behörde ist Zheng Yanxiong, der als Hardliner gilt. Hongkong: Reaktionen der Demokratiebewegung auf das Sicherheitsgesetz Führende Anhänger der Demokratiebewegung Hongkongs sehen sich durch das Sicherheitsgesetz gefährdet. Die 2016 gegründete und sich für Demokratie einsetzende Partei Demosisto löste sich nach der Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes auf. Neben dem Aktivisten Joshua Wong gehörten ihr weitere bekannte Mitglieder der Demokratiebewegung an. Mehrere Aktivisten, darunter Nathan Law, gingen ins Exil. Tausende demonstrierten am 01.07.20 trotz Verbots gegen das Sicherheitsgesetz. Die Polizei ging gewaltsam gegen Demonstrierende vor und nahm etwa 370 Personen fest, zehn davon aufgrund mutmaßlicher Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz. Xinjiang: Zwangsmaßnahmen zur Geburtenkontrolle für Uiguren Berichten zufolge setzt die chinesische Regierung in Xinjiang im Rahmen der staatlichen Familienplanungspolitik umfangreicher und systematischer als bislang bekannt Zwangsmaßnahmen ein, um eine Geburtenkontrolle gegenüber Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten durchzusetzen. Die Berichte stützen sich u.a. auf staatliche Dokumente und Statistiken sowie auf Interviews mit ehemaligen Insassinnen von Internierungslagern. Verstöße gegen einschlägige Bestimmungen werden durch Geldbußen oder Internierung in Umerziehungslagern geahndet. Frauen wurden dort ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung sterilisiert. Zwischen 2015 und 2018 ging die Geburtenrate drastisch zurück, in manchen Gebieten um bis zu 84 %. Nach staatlichen Dokumenten von 2019 besteht in ländlichen Gebieten im Süden Xinjiangs (uigurischer Siedlungsschwerpunkt) ein Programm, das wahrscheinlich die Sterilisierung aller verheirateter Frauen ethnischer Minderheiten im gebärfähigen Alter, die drei oder mehr Kinder haben, zum Ziel hat. Auch sollen Xinjiangs Behörden geplant haben, in vier Präfekturen im Süden der Region bis 2019 mindestens 80 % der Frauen im gebärfähigen Alter Intrauterinpessare zur Empfängnisverhütung einzusetzen oder sie zu sterilisieren. Ausnahmen in der Familienplanungspolitik für Uiguren gelten seit 2017 in Xinjiang nicht mehr. Sie dürfen wie Han- Chinesen in den Städten zwei, auf dem Land drei Kinder haben. 3
Indien Mordanklagen gegen Polizisten Nach dem Tod zweier Männer an den Folgen mutmaßlicher Folter im Polizeigewahrsam wurden im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu auf Druck der Öffentlichkeit fünf Polizisten wegen Mordes angeklagt, gestützt auf einen Auopsie-Bericht. Sie gerieten am 18.06.20 mit Polizeibeamten wegen der Ladenschlusszeiten ihres Geschäfts mit Polizeibeamten in Streit und wurden nach Eskalation der Situation festgenommen und über Nacht auf der Polizeiwache festgehalten. Tags darauf wurden die Opfer laut Berichten mit schweren Verletzungen einem Richter vorgeführt und wegen Ungehorsams zu einer Haftstrafe verurteilt. Erst zwei Tage später brachte man sie in ein Krankenhaus, wo sie ihren Verletzungen erlegen sind. Die indische Kriminalstatistik dokumentiert zwischen 2001 und 2018 im Polizeigewahrsam 1.721 Todesfälle bei gleichzeitig nur 26 Verurteilungen von Tätern in diesen Fällen. Laut dem am 26.06.20 veröffentlichten Jahresbericht der Nichtsregierungsorganisation National Campaign Against Torture (NCAT) starben im Jahr 2019 in Indien 125 Menschen im Polizeigewahrsam. Angeführt wird die Liste vom Bundesstaat Uttar Pradesh mit 14 Todesfällen, gefolgt von den Bundesstaaten Tamil Nadu und Punjab mit jeweils 11 dokumentierten Fällen. Drei von vier Todesfällen im Gewahrsam seien auf Folter zurückzuführen. Die Polizeigewalt in Tamil Nadu wird durch das Kastensystem befördert. Opfer kommen häufig aus armes und marginalisierten Gesellschaftsgruppen. Kaschmir: Zivile Opfer Nach Ausweitung der Militäroperationen im Unionsterritorium Jammu und Kaschmir sind nach Angaben einer dort ansässigen Organisation aus der Zivilgesellschaft im ersten Halbjahr 2020 mindestens 229 Menschen, darunter 32 Zivilisten, getötet worden. Wegen eines der Vorfälle, bei denen ein alter Mann vor den Augen seines Enkels erschossen wurde, kam es zu Massenprotesten. Am 01.07.20 wurden sowohl ein Zivilist als auch ein Soldat in Sopore getötet. Irak Sicherheitslage Es kommt weiterhin zu sicherheitsrelevanten Angriffen durch Kämpfer des IS, sowohl mit zivilen Opfern als auch Opfern unter den Sicherheitskräften. Die irakischen Sicherheitskräfte starten Operationen gegen Kämpfer des IS. Besonders betroffen sind die Provinzen Diyala, Salahaddin, Ninive, Kirkuk und Bagdad. COVID-19-Pandemie Der WHO zufolge lag die Zahl der bestätigten COVID-19-Fälle am 05.07.20 bei 58.354. Die Zahl der Todesfälle wird mit 2.368 angegeben. Die meisten neuen Fälle wurden aus der Provinz Bagdad gemeldet, gefolgt von den Provinzen Salahaddin und Suleimaniyah. Iran Zwölf Todesurteile in kürzester Zeit Insgesamt wurden in den vergangenen zehn Tagen 12 Todesurteile gegen Teilnehmer der Demonstrationen im November des vergangenen Jahres ausgesprochen. Bereits am 24.06.20 meldete die „Nachrichtenagentur für Menschenrechte in Iran“ (HRNA), der Oberste Gerichtshof habe das Todesurteil gegen drei Demonstranten bestätigt. Am 27.06.20 verkündete der Oberste Richter der Provinz Esfahen, das Gericht habe acht Personen wegen „Korruption auf Erden“ für schuldig befunden. „Korruption auf Erden“ ist im iranischen Strafgesetzbuch mit Hinrichtung zu bestrafen. Am 30.06.20 wurde bekannt, dass Ruhollah Sam, iranischer Journalist und Aktivist, nach 4
nur sechs Prozesstagen wegen „Korruption auf Erden“, Aufruf zum Vandalismus und Maßnahmen gegen die nationale Sicherheit zum Tode verurteilt wurde. Diese politisch motivierten Todesurteile werden als eine deutliche Botschaft an die Menschen in Iran verstanden, ihre Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Situation und den Umgang mit der Corona-Pandemie nicht öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Explosionsserie in Iran Ein Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde teilte am 05.07.20 mit, dass der Brand in der iranischen Urananreicherungs-Anlage in Natanz am 01.07.20 erhebliche Schäden angerichtet habe. Die Herstellung von Zentrifugen für die Urananreicherung könnte verlangsamt werden. Nach offiziellen iranischen Angaben ist bei dem Vorfall kein radioaktives Material ausgetreten und auch kein Mensch zu Schaden gekommen. Laut Reuters glauben die iranischen Verantwortlichen an einen Cyberangriff Israels. BBC Persia liegt ein Bekennerschreiben für den Angriff auf die Anlage in Natanz vor, zu dem sich eine bis dato unbekannte iranische Gruppe, die „Heimat-Panther“, bekennt. Spezialisten tendieren laut AP dazu, das Bekennerschreiben zunächst nicht sehr ernst zu nehmen, weil es sprachliche Widersprüche aufweist. Eine Cyberattacke, die Mitte Juni den Hafen in Bandar Abbas ein paar Tage außer Gefecht setzte, wurde ebenfalls Israel zugeschrieben. In Zusammenhang mit diesem Ereignis sollen weitere Explosionen, die aber seitens der Regierung als Unfälle dargestellt werden, stehen. Am 01.07.20 kam es zu einer Explosion in einer Klinik in Teheran, wobei 19 Menschen getötet wurden und zu einer Explosion in der Militäranlage Parchin nahe Teheran. Für beide Ereignisse wurden Gaslecks angegeben. Keine Explosion, sondern ein Chlorgasleck gab es um den 26.06.20 im Hafen von Bandar Imam Khomeini. Kamerun Anglophone Krise: Gespräche über Waffenstillstand zwischen Regierung und Separatisten Am 03.07.20 gab Ayuk Tabe, der bekannteste Vertreter der anglophonen Separatisten, bekannt, dass erstmals seit dem Beginn des bewaffneten anglophonen Konflikts 2017 Gespräche zwischen Regierungsvertretern und den wichtigsten Vertretern der Separatisten stattgefunden haben. Laut Tabe sollen an den am 02.07.20 erfolgten Gesprächen neun weitere Anführern der Separatisten teilgenommen haben. Es sei die Möglichkeit eines Waffenstillstandes diskutiert worden. Offizielle Vertreter der Regierung haben zu den Gesprächen, zu denen die Vereinten Nationen die Konfliktparteien aufgerufen hatten, bisher nicht Stellung genommen. Tabe und neun weitere Anführer der Separatisten wurden im August 2019 von einem Militärgericht in Kamerun zu lebenslangen Haftstrafen wegen Terrorismus, Rebellion und separatistischer Bestrebungen verurteilt. Tabe rief im Oktober 2017 die aus den beiden kamerunischen anglophonen Regionen Nordwest und Südwest bestehende Republik Ambazonia aus und ernannte sich selbst zu deren Präsident. Kasachstan Festnahmen bei Mahnwachen vor chinesischer Botschaft Die Polizei nahm am 26.06.20 zwei Männer fest, die in der Hauptstadt Nur-Sultan vor dem Gelände der chinesischen Botschaft Mahnwachen für die Freilassung von Verwandten abhielten, die nach ihren Angaben in Umerziehungslagern in der chinesischen Provinz Xinjiang inhaftiert sind. Bei ähnlichen Protesten hatten sich in den vorigen Monaten Demonstranten für eine Intervention der kasachischen Regierung zugunsten ethnischer Kasachen in jener chinesischen Provinz eingesetzt. Berichten zufolge sollen neben Uiguren und anderen muslimischen Gruppen auch ethnische Kasachen in der chinesischen Provinz zur Umerziehung in Lagern interniert sein. 5
Kolumbien Proteste nach Vergewaltigung einer Minderjährigen Nach Bekanntwerden der Vergewaltigung eines der indigenen Volksgruppe Emberá zugehörigen unter 14 Jahre alten Mädchens am 22.06.20 ist es in mehreren Großstädten zu Demonstrationen gekommen. Schwerpunkte der zum Teil von Angehörigen der kolumbianischen Frauenbewegung geführten Proteste waren die Großstädte Bogotá, Cali und Pereira. Medienberichten zufolge haben sieben Soldaten im Alter zwischen 18 und 21 Jahren die Entführung und den sexuellen Missbrauch des Kindes gestanden. Sie gehören einem Bataillon an, zu dessen Aufgaben auch der Schutz der Emberá-Gemeinschaft zählt, der das Opfer angehört. Bei einer Verurteilung erwarten sie hohe Haftstrafen. Ein Sprecher der Gemeinschaft der Emberá erklärte laut Medienberichten, dass es sich bei der Tat nicht um einen Einzelfall handle, sondern sexueller Missbrauch von indigenen Frauen und Mädchen durch Angehörige der Sicherheitskräfte öfter vorkomme. Libanon Möglicher Anschlag auf ehemaligen Premierminister Wie erst mit deutlicher Verzögerung bekannt wurde, scheint es am 17.06.20 zu einem Anschlag auf das Leben von Ex-Premierminister Hariri gekommen zu sein. Ein Geschoss (keine näheren Angaben verfügbar) sei etwa 500 Meter entfernt von einem Konvoi Hariris explodiert, als er von einem Treffen mit einem wichtigen sunnitischen Geistlichen zurückkehrte. Der Vorfall wurde zunächst geheim gehalten, um die bereits bestehenden Spannungen nicht anzuheizen. Aktuell sind verschiedene politische und religiöse Führer bemüht, die Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen des Libanon abzubauen. Ökonomische Krise Die Krise im Libanon verschärft sich zunehmend. Aufgrund von weiteren Stromausfällen und einer sich ankündigenden Knappheit an Diesel, der für das Betreiben von privaten Stromaggregaten verwendet wird, kam es zu Hamsterkäufen an Kerosin, Öllampen und Kerzen. Mehrere Selbstmorde aus Protest haben zu weiteren landesweiten Protesten geführt. Am 03.06.20 wurden erstmals auf dem Schwarzmarkt bis zu 9000 libanesische Pfund für einen Dollar bezahlt. Der offizielle Wechselkurs der Zentralbank liegt bei 1:1500, bei Banken können Dollarersparnisse nicht mehr abgehoben, aber im Verhältnis 1:3800 in libanesische Pfund umgetauscht werden. Ein Kilo Kerzen wurde zeitweise für etwa 24.000 Pfund verkauft. Libyen Luftangriffe auf Militärbasis Al-Watiyya In der Nacht auf den 05.07.20 wurde die südwestlich von Tripolis gelegene Luftwaffenbasis Al-Watiyya aus der Luft angegriffen. Einem mit der Libysch-Nationalen Armee (LNA) des General Haftar verbündeten Militärkommandeur zufolge war der Luftangriff von einem unbekannten Kampfflugzeug durchgeführt worden. Bei dem Angriff wurde Militärausrüstung, die in den letzten Wochen von der Türkei auf die Luftwaffenbasis gebracht worden war, beschädigt. Ende Mai 2020 hatten die Truppen der Regierung der Nationalen Einheit (GNA) die Luftwaffenbasis von den Einheiten General Haftars zurückerobert, nachdem dieser Al-Watiyya als Stützpunkt für seine Offensive auf die libysche Hauptstadt genutzt hatte (vgl. BN v. 25.05.20). 6
Mali Tote bei Angriffen auf mehrere Dörfer in Zentralmali Am 01.07.20 soll es zu vier Angriffen auf Dörfer in der Region Mopti nahe der Grenze zu Burkina Faso gekommen sein. Dabei sollen mindestens 32 Zivilisten getötet worden sein. Unbekannte bewaffnete Angreifer auf Motorrädern sollen die Dörfer in denen Angehörige der Volksgruppe der Dogon leben, attackiert haben. Bisher hat sich niemand zu dem Angriff bekannt. Am 02.07.20 sollen bei einem weiteren Angriff in der Region sieben Soldaten getötet und zwei verletzt worden sein. Nach UN-Angaben sollen seit Anfang 2020 580 Zivilisten in Zentralmali getötet worden sein. 83 Vorfälle seien von der UN-Friedensmission MINUSMA dokumentiert worden. Insbesondere die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Volksgruppe der Peuhl/Fulani und der Dogon haben zugenommen. Montenegro Koordinationsstelle für Infektionskrankheiten erlässt Versammlungsverbot unter freiem Himmel Laut aktuellen Medienberichten habe die Nationale Koordinationsstelle für Infektionskrankheiten am 25.06.20 nach einem Wiederanstieg der Infektionszahlen religiöse Versammlungen unter freiem Himmel verboten, sofern sie nicht auf Kirchengeländen stattfänden. Die von der Serbisch-Orthodoxen Kirche angeführten Proteste gegen das neue Religionsgesetz (vgl. BN v. 16.03.20) gehen landesweit weiter. Die Nationale Koordinationsstelle für Infektionskrankheiten habe nach einem Wiederanstieg der Infektionszahlen angekündigt, dass religiöse Versammlungen unter freiem Himmel verboten würden, sofern sie nicht auf Kirchengeländen stattfänden. Dasselbe Gremium habe auch politische Versammlungen im Freien verboten. Premierminister Dusko Markovic habe dem serbisch-orthodoxen Klerus vorgeworfen, absichtlich gegen die Maßnahmen der Regierung zu verstoßen und damit „die öffentliche Gesundheit zu gefährden“. Die Serbisch-Orthodoxe Kirche ihrerseits beschuldige die montenegrinische Regierung, die Pandemie zu missbrauchen, um öffentlichen Proteste in dieser Frage einzudämmen. Nepal/ Indien Nepal beansprucht strategisch wichtiges Gebiet im Himalaya – Streit mit Indien Zwischen Nepal und Indien kommt es zu Streitigkeiten über Land im Himalaya, das auch Indien für sich beansprucht. Nepals Präsidentin Bidhya Devi Bhandari stimmte einer Landkarte zu, die mit Limpiyadhura, Lipulekh und Kalapani im Nordwesten einen strategisch wichtigen Landesteil Nepal zuweist, obwohl dort seit Jahrzehnten indische Truppen stationiert sind. Die Karte wurde veröffentlicht, kurz nachdem Indien begonnen hatte, eine Straße durch das umstrittene Gebiet nach China zu bauen. Die 80 km lange Straße würde die Handelsrouten zwischen Indien und China deutlich verkürzen und ist daher von besonderer Bedeutung. Über das Gebiet besteht ein Grenzvertrag, den Nepal mit dem damaligen britischen Kolonialreich Indien 1816 geschlossen hatte und der von beiden Ländern verschieden ausgelegt wird. Nigeria COVID-19-Pandemie: Lockerung der Reisebeschränkungen Am 29.06.20 gab der Vorsitzende der Presidential Task Force on COVID-19 bekannt, dass der Personenreiseverkehr zwischen den einzelnen Bundesstaaten ab dem 01.07.20 unter Beachtung der landesweiten nächtlichen Ausgangssperre (10 Uhr abends bis 4 Uhr morgens) wieder erlaubt ist. Der Inlandsflugverkehr soll mit der Betriebsaufnahme der Flughäfen von Lagos und Abuja am 08.07.20 wiedereröffnet werden. Am 11.07.20 sollen die 7
Flughäfen von Kano, Port Harcourt, Owerri und Maiduguri und am 15.07.20 die übrigen Flughäfen Nigerias folgen. Die seit dem 23.03.20 geschlossenen sämtlichen internationalen Flughäfen in Nigeria bleiben weiterhin für reguläre Flüge geschlossen. Mit Stand vom 06.07.20 gibt es in Nigeria 28.711 bestätigte COVID-19-Fälle. 645 Personen sind an der Epidemie bisher gestorben. Nordmazedonien „Buy At Home“-Kreditkarten zur Eindämmung des Coronavirus Laut aktuellen Medienberichten hat die Regierung kurz vor den anstehenden Parlamentswahlen weitere Maßnahmen ergriffen, um den erneuten Anstieg der Infektionszahlen der letzten Wochen besser unter Kontrolle zu bekommen und die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der Gesellschaft abzumildern. Mit der Einführung einer vom Staat verteilten Gutschein-Bezahlkarte namens „Buy At Home“ sollen Bürger mit niedrigem Einkommen dazu veranlasst werden, verstärkt von Zuhause aus einzukaufen. Anspruch auf eine der mit 9.000 Denar beladenen Gutschein-Bezahlkarten hätten laut Aktionsprogramm der Regierung nur Bürger mit monatlichen Einkünften unter 15.000 Denar (273 USD). Da die staatlichen Mittel innerhalb von 30 Tagen nur für lokal hergestellte Produkte und lokale Dienstleistungen ausgegeben werden dürften, werde durch diese Maßnahme gleichzeitig die schwächelnde einheimische Wirtschaft gefördert. Laut aktuellen Angaben der Finanzministerin Nina Angelovska wären bereits mehr als 100.000 Karten mit Kredit-Aufladungen im Gesamtwert von 11 Millionen Euro für „Buy At Home“ im Umlauf. Russische Föderation Verfassungsreform per Volksabstimmung bestätigt In Russland hat eine deutliche Mehrheit für die von Präsident Wladimir Putin vorgeschlagene Verfassungsreform gestimmt. Wie die zentrale Wahlkommission mitteilte, stimmten laut vorläufigem Endergebnis 77,9 % für die umfangreichen Änderungen bei einer Wahlbeteiligung von 68 %. Sie sehen unter anderem erweiterte Vollmachten für den Präsidenten vor und ermöglichen es Putin, bei der nächsten Präsidentschaftswahl erneut zu kandidieren. Bislang sind dem Staatsoberhaupt nur zwei Amtszeiten in Folge erlaubt, womit Putin nach den bislang geltenden Regelungen 2024 aus dem Amt scheiden müsste. Mit Inkrafttreten der neuen Verfassung werden Putins bisherige Amtszeiten nicht mehr gezählt. Da die Amtszeiten jeweils sechs Jahre betragen, könnte er theoretisch bis 2036 im Amt bleiben. Der Kreml wertete das Ergebnis als Triumph für Putin. Die hohe Zustimmung für die neue Verfassung zeuge vom großen Vertrauen der Bevölkerung in den Präsidenten, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Demgegenüber äußerten Kremlkritiker Zweifel an den offiziellen Zahlen. Die unabhängige Wahlbeobachtungsgruppe Golos und Oppositionspolitiker berichteten von Hunderten Beschwerden über Verstöße gegen die Wahlfreiheit und bezeichneten die veröffentlichten Ergebnisse als „allgemein verdächtig“. Die eine Woche dauernde Abstimmung war rechtlich nicht nötig. Die Reform war bereits vom Parlament beschlossen, vom Verfassungsgericht bestätigt und von Putin unterzeichnet worden. Die landesweite Volksbefragung fußt auf dem Versprechen Putins, dass die gut 170 Änderungen nur mit Zustimmung des russischen Volkes in Kraft treten würden. Teil der Verfassungsänderungen sind auch weitreichende Sozialreformen, darunter Garantien für bessere Mindestlöhne und Renten. Zudem soll eine Reihe konservativer Werte verankert werden, darunter die Ehe ausschließlich als Bund zwischen Mann und Frau. Die Bürger werden die Neuerungen nicht sofort zu spüren bekommen, doch werden sie die Politik des Landes zukünftig prägen. Die Macht seines Amtes wird durch die Reform weiter gestärkt. Russisches Recht gilt nun vor internationalem Recht. Und die Unteilbarkeit des russischen Territoriums wird ebenfalls in der Verfassung verankert, wozu - aus Sicht des Kreml - auch die annektierte Halbinsel Krim gehört. 8
Somalia Sechs Tote bei einem Bombenanschlag der al-Shabaab Bei einer Bombenexplosion in einem Restaurant in der südsomalischen Stadt Baidoa wurden sechs Menschen getötet. Zu dem Anschlag bekannte sich die al-Shabaab und erklärte, dass unter den Toten auch zwei Soldaten gewesen seien. Offiziell hieß es dagegen, alle Opfer seien Zivilisten. Zudem bekannte sich die Gruppe auch zu einem Selbstmordanschlag in der Nähe des Hafens der Hauptstadt Mogadischu, bei dem mindestens sieben Personen verletzt wurden. Nach Polizeiangaben hätten Beamte das Feuer auf ein Fahrzeug eröffnet, nachdem der Fahrer nicht an einem Kontrollpunkt angehalten hatte. Sudan Demonstrationen für politische Reformen Am 30.06.20 kam es in mehreren Städten zu friedlichen Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern. Dabei soll eine Person getötet und mehrere verletzt worden sein. Es soll sich um die größte Demonstration seit dem Machtwechsel im letzten Jahr handeln. Die Demonstrierenden fordern unter anderem schnellere politische Reformen und eine Reform der Sicherheitskräfte. Syrien Kämpfe in der Provinz Homs Nach Berichten der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab es am 05.07.20 bei Gefechten in der Provinz Homs zahlreiche Todesopfer. So sollen 18 regierungstreue Kämpfer sowie 26 Anhänger der Terrormiliz IS ums Leben gekommen sein, nach dem der IS Stellungen der Regierungstruppen in der Badia- Wüste im Zentrum Syriens attackiert und die Armee daraufhin mit Unterstützung durch russische Kampfflugzeuge eine Gegenoffensive unternommen hatte. Geberkonferenz Bei der vierten internationalen Geberkonferenz für Syrien und die Nachbarstaaten sind am 30.06.20 Hilfszusagen in Höhe von 6,9 Milliarden Euro gemacht worden. Allein Deutschland sagte 1,58 Milliarden Euro Unterstützung zu. EU-Kommissar Janez Lenarcic begrüßte, dass die Geberländer trotz der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu umfangreichen Spenden bereit gewesen seien. Die Vereinten Nationen hatten im Vorfeld allerdings Zusagen in Höhe von mehr als 9 Milliarden Euro beantragt. Tansania COVID-19 – Schulen in Tansania wieder geöffnet Als erstes Land Ostafrikas hat Tansania nach seinen Universitäten auch alle Schulen wiedereröffnet. Das Gesundheitsministerium hat verfügt, alle Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umzusetzen, um eine weitere Verbreitung von COVID-19 zu verhindern. So kontrolliert Sicherheitspersonal, dass Gesichtsmasken getragen und regelmäßig die Hände gewaschen werden. Außerdem sollen Schüler und Mitarbeiter über Vorsichtsmaßnahmen informiert und sensibilisiert werden. 9
Togo COVID-19-Pandemie Das Verfassungsgericht verlängerte am 01.07.20 den am 01.04.20 von Staatspräsident Faure Gnassingbé für drei Monate ausgerufenen Gesundheitsnotstand um 45 Tage. Togos Landgrenzen bleiben damit für den Personenverkehr geschlossen. Der internationale Flugverkehr ist stark eingeschränkt. Öffentliche Veranstaltungen sind verboten, Gesichtsmasken müssen getragen werden. Für Togo werden 680 Infektionen und 15 Todesfälle verzeichnet. Türkei Prozess gegen AI-Mitarbeiter Im Prozess gegen den ehemaligen Leiter der türkischen Sektion von Amnesty International (AI), Taner Kilic, und weitere Angeklagte sind am 03.07.20 die Urteile gefallen. Kilic wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wird Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung und Beteiligung am Putsch 2016 vorgeworfen. Drei seiner Mitarbeiter wurden wegen Beihilfe zu einem Jahr und einem Monat Gefängnis verurteilt. Sieben weitere Mitarbeiter wurden für unschuldig befunden, unter ihnen der Deutsche Peter Steudtner und der Schwede Ali Gharavi. Der Prozess wie auch die Urteile wurden weitgehend als politisch motiviert wahrgenommen. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration Briefing Notes BN-Redaktion@bamf.bund.de 10
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