Bruno Rudolf und Clemens Simmer - Niederschlag, Starkregen und Hochwasser

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Niederschlag, Starkregen und Hochwasser                                                                    1

Bruno Rudolf und Clemens Simmer

Niederschlag, Starkregen und Hochwasser
Niederschlag ist lebenswichtig. Der Niederschlag bringt den Kontinenten das Wasser, das für alle Lebens-
vorgänge unabdingbar ist. Über das Jahr tritt Niederschlag nur in einem kleinen Teil der Zeit auf. So reg-
net es in Mitteleuropa merklich nur in etwa 5% der gesamten Zeit. Da die Bedeutung von Wasser so hoch
ist, macht sich jeder Mangel an Niederschlag, aber auch jedes Zuviel bemerkbar. In den Tiefebenen Mit-
teleuropas werden die Niederschläge überwiegend durch die dynamischen Vorgänge der Tiefdruckgebie-
te (Zyklonen) hervorgerufen. Im Bereich der mit ihnen verbundenen Fronten entstehen umfangreiche Auf-
wärtsbewegungen. Die aufsteigende Luft wird dabei abgekühlt, wodurch der in der Luft vorhandene Was-
serdampf zur Kondensation gebracht wird. Generell beruht die Niederschlagsbildung auf einer Abkühlung
der Luft. Eine Hebung der Luft kann auch andere Ursachen als frontale Vorgänge haben, z.B. die Über-
strömung eines Gebirges (Wolkenbildung und Niederschlag auf der Luv- und Wolkenauflösung auf der
Leeseite) oder aber – und das besonders heftig in den Tropen – die Konvektion, d.h. das Aufsteigen von
am Boden erhitzten Luftpaketen. Gewitterwolken sind ein sehr deutliches Beispiel der Konvektion.

Der Niederschlagsbildung geht normalerweise Wolkenbildung voraus. Wolken entstehen beim Übergang
des Wassers von der gasförmigen Phase – dem Wasserdampf – in flüssiges Wasser durch Kondensation
oder direkt zu Eis durch Sublimation. Niederschlag entsteht, wenn sich das flüssige Wasser oder Eis – die
sogenannte kondensierte Phase – in der Folge an der Erdoberfläche absetzt. Wasser und Eis können
sich auch direkt am Boden bilden, doch tragen die auftretenden Mengen von Tau oder Reif in den meisten
Gebieten der Erde nur geringfügig zum Gesamtniederschlag bei. Über Land wird das Niederschlags-
wasser zum größten Teil durch Versickerung im Boden gespeichert. Dieses Wasser speist die Pflanzen,
aber auch das Gewässernetz, das ja nicht mit dem Ende des Niederschlages trocken fällt. Der feuchte
Boden gibt einen Teil des Wassers durch Verdunstung und Transpiration (Verdunstung durch Pflanzen)
wieder an die Atmosphäre ab. Ein gewisser Anteil des Wassers gelangt vom Boden ins Grundwasser, von
wo es durch Quellen über Bäche und Flüsse schließlich in Seen und vor allem in die Ozeane gelangt. Bei
sehr großen Niederschlagsmengen kann der Boden den Niederschlag nicht mehr vollständig aufnehmen
und es kommt direkt zum Abfluss an der Oberfläche. Je nach Niederschlagshöhe und Gestalt des Ein-
zugsgebietes steigt dann der Wasserstand in den Bächen und Flüssen an und es kann zu Hochwasser
oder gar zu Überschwemmungen kommen.

Zur Kondensation – die Sublimation zu Eis wollen wir im Folgenden immer mit einschließen - wird vor
allem Wasserdampf in der Atmosphäre benötigt. Über den mitteleuropäischen Landflächen stammt das
Niederschlagswasser zum überwiegenden Teil von den benachbarten Ozeanflächen. Es wird von dort
heran transportiert. Mit wachsender Entfernung von der Küste nehmen die Anteile des Wassers, das von
den stromauf gelegenen Landoberflächen stammt, am Niederschlag immer weiter zu. Die Böden der
Landoberflächen streben im Kontakt mit dem Grundwasser durch Kapillarkräfte ständig die Sättigung mit
Wasser an und gleichen so die Verdunstungs- und Transpirationsverluste an die Atmosphäre aus. Insge-
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samt enthält die Atmosphäre im globalen Mittelwert das Niederschlagsäquivalent von etwa 25 l/m und
damit nur relativ wenig Wasserdampf. Das führt dazu, dass der Wasserdampf in der Atmosphäre im Mittel
etwa alle 10 Tage einmal einen Zyklus von der Verdunstung bis zum Niederschlag durchläuft. Noch weit
geringer ist der Gehalt der Atmosphäre an Wasser und Eis: wenn Wolken noch nicht merklich regnen,
liegt ihr Wassergehalt selten über 0,5 l/m², meist ist er weit darunter. Im Durchschnitt lassen sich die Ver-
hältnisse über Land und Ozeanen deutlich voneinander unterscheiden. Sie fügen sich im globalen Was-
serkreislauf zusammen (Abb. 1). Dabei muss über den Ozeanen die Verdunstung den Niederschlag über-
treffen, damit der entsprechende Niederschlagsüberschuss über den Landflächen die Flusssysteme und
Seen speisen kann.

Da die Atmosphäre nur wenig Wasser zu speichern vermag, sind im Jahresmittel für die gesamte Erde die
Mengen des Niederschlages und der Verdunstung etwa gleich groß und erreichen einen Wert von ca.
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1000 l/m . Im Vergleich dazu liegen die Niederschlagshöhen in den mitteleuropäischen Flachländern
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etwas niedriger, verbreitet werden dort Niederschlagshöhen von etwa 500 bis 900 l/m erreicht. Regional
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sind die Jahressummen des Niederschlags sehr unterschiedlich (Abb. 2), aber sie weisen eine recht glatte
räumliche Verteilung auf, was aber nicht zuletzt auf die Dichte des Niederschlagnetzes zurückgeführt
werden kann. Werden einzelne Ereignisse betrachtet, so zeigt sich der Niederschlag als stückweise
verteilt, d.h. Gebiete mit Niederschlag wechseln sich mit trockenen Gebieten ab. Insbesondere bei einer
Gewitterwetterlage kann es im Abstand von wenigen Kilometern zu großen Unterschieden im Nieder-
schlag kommen - ganz anders als bei den anderen atmosphärischen Größen wie der Lufttemperatur oder
dem Wasserdampfgehalt. Abbildung 3 zeigt die Niederschlagshöhen, wie sie während einer Schauer-
wetterlage vom Boden aus, aber auch mit dem Regenradar (siehe Kapitel Beobachtungssysteme),
gemessen wurden. Diese großen Differenzen finden sich dann oft auch noch in der Jahressumme wieder,
da gelegentlich wenige starke Niederschlagsereignisse die flächenhafte Verteilung prägen.

            Abbildung 1: Schematische Darstellung des hydrologischen Zyklus auf der Erde.

        Abbildung 2: Mittlere Jahresniederschlagsverteilung für Europa im Zeitraum 1961-1990.
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Abbildung 3: Eine konvektive Wettersituation (17.Juni, 2001) aus der Sicht von Regenmessern und dem
Bonner X-Band-Radar. (a, links oben) Zeitserien von drei wenige Kilometer voneinander entfernten
zeitlich hochauflösenden Niederschlagsmessgeräten (sogenannte Regenwippen, so benannt nach ihrem
Messprinzip). Dargestellt sind die über den Tag aufsummierten Regenfälle. Hierdurch wird einerseits die
unterschiedliche Intensität an den Stationen deutlich wie auch die sehr unterschiedlichen Gesamtregen-
mengen des Tages (b, rechts oben) Radarmessung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dargestellt ist die
flächenhafte Verteilung des Radarechos. Je höher das Echo, desto stärker im Allgemeinen der
Niederschlag. (c, rechts unten) Radarecho als Höhenschnitt in Richtung Norden. Die Höhenverteilung des
Radarechos zeigt, wie hoch Niederschlagsteilchen in der Atmosphäre reichen. Die diese erzeugende
Wolke muss diese Höhen noch überragen. In der Nähe des Radars (links unten) und in der Nähe des
Bodens wird das Bild durch Reflexion der Radarwellen von Bodenobjekten beeinflusst. In Radarnähe wird
offensichtlich eine Regenzelle nur in der Höhe angeschnitten. An den vollständig angeschnittenen
Regenzellen fällt das horizontale sogenannte „helle Band“ auf. Es kennzeichnet den Übergang von
Eispartikeln in den Schichten darüber in Regentropfen (daher auch Schmelzschicht genannt). Das
erhöhte Echo folgt aus der Abhängigkeit des Echos von der sechsten Potenz des Partikelradius. In der
Schmelzschicht entstehen durch das Zusammenklumpen der angeschmolzenen Eispartikel besonders
große Teilchen.
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Beobachtungssysteme
Gemessen wird der Niederschlag vorwiegend mit Niederschlagsmessern, die in ihrer Grundkonzeption
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einem Topf gleichen. Für die in Deutschland meist verwendeten Geräte beträgt die Auffangfläche 200 cm
und die Aufstellhöhe 1 Meter über Grund. Der Deutsche Wetterdienst betreibt ein sehr dichtes Nieder-
schlagsmessnetz mit insgesamt mehr als 4000 Stationen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das
Gesamtnetz setzt sich aus folgenden Spezialnetzen zusammen:

   •   Das synoptische Netz mit ca. 220 hauptamtlichen Stationen ("Wetterstationen") mit stündlicher
       Registrierung der Niederschlagshöhe. An diesen Stationen wird eine Fülle weiterer Daten er-
       hoben, unter anderem für Luftdruck, Wind, Lufttemperatur, Luftfeuchte, Wolkenart und Bedeckung
       in verschiedenen Höhenschichten, Niederschlagsart, Schneedeckenhöhe. Diese Daten werden
       als SYNOP-Meldungen unmittelbar nach Messung an die Zentrale weitergeleitet und bilden eine
       wichtige Grundlage der numerischen Wettervorhersage.

   •   Das Klimamessnetz mit ca. 540 Klimastationen mit einem umfassenden Mess- und Beobach-
       tungsprogramm. Diese Stationen werden durch geschulte Laienbeobachter betreut.

   •   Das Niederschlagsmessetz mit ca. 4080 Niederschlagsstationen mit in der Regel nur täglicher
       Niederschlagsmessung.

   •   Das aerologische Netz mit 12 Radiosondenstationen, an denen der vertikale Verlauf von Wind,
       Feuchte und Temperatur, der u.a. für die Vorhersage von Wolken- und Niederschlagsentwicklung
       wichtig ist, mindestens zweimal pro Tag gemessen wird. Diese Messwerte aus der freien Atmo-
       sphäre in Höhen bis zu etwa 20 Kilometer bilden derzeit auch die wichtigste Datengrundlage für
       die numerische Wettervorhersage.

Die Anzahl der 220 synoptischen Stationen ist zu gering, um in Echtzeit alle wichtigen Niederschlags-
ereignisse zu erfassen; vor allem lokale Starkregen aus Schauern oder Gewittern können einem solchen
Messnetz leicht entgehen. Damit wäre es dann nicht möglich, wichtige Informationen zur Vorhersage von
Überschwemmungen bereit zu stellen. Niederschlagsmesser liefern eben nur ortsbezogene Daten; zudem
unterliegt die einzelne Messung auch noch lokalen Einflüssen und bedarf einer Korrektur, bevor eine
Extrapolation auf umliegende Gebiete vorgenommen werden kann. Verschiedene Organisationen betrei-
ben daher weitere, räumlich verdichtete Messnetze. Für Spezialuntersuchungen und Gutachten werden
verschiedentlich auch temporäre Messnetze mit hoher zeitlicher Auflösung betrieben. Das Messprinzip
der meisten der für diese Zwecke verwendeten Geräte unterscheidet sich nicht von demjenigen des
Topfes. Es wird jedoch dafür gesorgt, dass der Niederschlag automatisch in kurzen Zeitabständen abge-
fragt wird. So werden vielfach 5-Minuten-Schritte gewählt und es stehen interessante Angaben aus den
Auswertungen solcher Messungen zur Verfügung. So wurden für 60 Stationen aus Deutschland Andauer-
und Häufigkeitsstatistiken für das Auftreten von Starkregen berechnet (Bartels 1997). Wegen des großen
Bedarfs an Niederschlagsdaten und den zunehmenden Anforderungen an ihre Qualität werden auch die
regulären Messnetze, so auch das des Deutschen Wetterdienstes, ausgebaut. Zukünftig wird es in
Deutschland etwa 1300 Niederschlagsstationen geben, die alle zeitlich hoch aufgelöst messen und die
Daten unmittelbar an die Zentralen melden werden. Auch diese höhere Anzahl von Messpunkten kann
jedoch das Niederschlagsgeschehen an Schauern und Gewittern für die Zwecke der Anwendungen nicht
ausreichend überwachen.

Ebenso wie der Deutsche Wetterdienst betreiben auch die Wetterdienste der anderen Nationen meteoro-
logische Messnetze. Die Daten werden jedoch teilweise nicht vollständig international ausgetauscht.
Messmethoden und –vorschriften sowie der Datenaustausch werden im Rahmen der Weltorganisation für
Meteorologie (WMO), einer UN-Organisation, international abgestimmt bzw. koordiniert. Innerhalb
Deutschlands werden weitere Niederschlagsmessnetze auch regional von einigen Bundesländern und
Kommunen sowie auch von privaten Trägern betrieben. Bei der Kombination der Daten aus verschie-
denen Netzen, z.B. zur Erstellung quantitativer Verteilungskarten, sollte die Instrumentierung der Netze
möglichst einheitlich, in jedem Fall aber vergleichbar sein.
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Indirekte Beobachtungssysteme (Fernerkundung) wie Niederschlagsradar und Satelliteninstrumente
liefern flächendeckende, räumliche Niederschlagsverteilungen. Daher betreibt der Deutsche Wetterdienst
zur Niederschlagsmessung geeignete Radargeräte an derzeit 17 Standorten. Die Genauigkeit von Fern-
erkundungsverfahren, auf deren physikalische Grundlagen und Problematik weiter unten genauer einge-
gangen wird, ist allerdings sehr begrenzt. Für eine quantitative Niederschlagsmessung werden daher die
Radarergebnisse meist an die Daten der konventionellen Messnetze angeglichen. Solche integrierten Be-
obachtungssysteme, bei denen Radardaten kontinuierlich an die Messdaten eines ausreichend dichten
Bodenmessnetzes angeeicht werden, können die Erfordernisse hinsichtlich Flächendeckung und Genau-
igkeit erfüllen. Eine weitere Verbesserung der herkömmlichen bodengestützten Niederschlagsmessnetze
ist aber sehr wichtig, um die Radar- und Satelliteninformationen in Zukunft optimal ausnutzen zu können.
Dies gilt übrigens analog für andere atmosphärische Parameter, die von Satelliten detektiert werden
können.

Die Forschung versucht seit langem, die flächendeckende Erfassung des Niederschlages durch Fern-
erkundung von Satelliten und mit bodengestützten Radarmessungen zu verbessern und so für die Praxis
nutzbarer zu machen. Das derzeit genaueste flächendeckende Verfahren ist die Radarmessung; sie nutzt
die Reflexionsstärke von Mikrowellen an Niederschlagspartikeln zur Bestimmung der Niederschlagsinten-
sität. Die typischen Wellenlängen liegen im Zentimeterbereich. Gemessen wird derjenige Teil der aus-
gesendeten Wellen, der von den Niederschlagspartikeln zum Sender zurück reflektiert wird. Aus der
Stärke dieses Signals, auch Echo genannt, wird auf die Menge und Größe der reflektierenden Nieder-
schlagsteilchen und aus der Laufzeit zwischen Senden und Empfangen der Echos auf die Entfernung
geschlossen. Die aus den Echostärken abgeleiteten Niederschlagsintensitäten sind allerdings mit einer
recht großen Unsicherheit behaftet und selbst modernste Methoden weisen immer noch einen Fehler auf,
der im Bereich des Faktors zwei liegt. Viele praktische Anwendungen benötigen aber genauere Angaben.
Mit den oben beschriebenen Verbundsystemen mit konventionellen Niederschlagsmessern versucht man
heute diesen Mangel auszugleichen.

Die Ursache für die unbefriedigende Qualität der Niederschlagsmessung mit dem Radar ist die Tatsache,
dass die Echostärke mit der sechsten Potenz des Tropfendurchmessers zunimmt, wohingegen die be-
nötigte Niederschlagsintensität etwa von der dritten bis vierten Potenz abhängt. Da das Echo aus dem
Signal aller Tropfen des angemessenen Volumens in der Größe von etwa einem Kubikkilometer gebildet
wird, erfordert die Umrechnung des Echos in eine Niederschlagsmenge die Kenntnis der Größenver-
teilung der Tropfen. Diese ist aber so vielfältig wie die Niederschlagsereignisse selbst. Theoretische
Überlegungen helfen im konkreten Einzelfall nur teilweise. Auch die Verwendung von
Tropfengrößenverteilungen aus Messungen am Boden erweist sich nur teilweise als ausreichend, da die
mittleren Tropfengrößen in einem größeren Wolkenvolumen sich wiederum systematisch von denen an
Bodenmesspunkten unterscheiden. Es werden daher verschiedene Auswege gesucht. Seit langem
werden andere, theoretisch besser geeignete Kenngrößen der Radarrückstreuung unter Berücksichtigung
der Polarisation und verschiedenen Wellenlängen vorgeschlagen und erprobt, die mit einigem techni-
schen Aufwand verbunden sind. Da gleichzeitig die erwarteten Verbesserungen auf bestimmte
Wettersituationen beschränkt bleiben, sieht dieses Verfahren seinen Durchbruch in die operationelle
Verwendung      noch    vor    sich.  Neuere     Untersuchungen      lassen  eine   Abhängigkeit   der
Tropfengrößenverteilung vom Niederschlagstyp und vom Lebenszyklus eines Niederschlagsereignisses
vermuten. Gelingt es diesen Zusammenhang zu quantifizieren und Niederschlagstyp und –stadium z.B.
aus der größerskaligen Struktur des Radarechos festzulegen, so ließe sich eine Verbesserung der
quantitativen Niederschlagsbestimmung mittels Radar erreichen.

Andere Fernerkundungsverfahren, so die Messungen von satellitengetragenen Instrumenten, sind bereits
vom Grundansatz her weniger direkt als die Radarmessungen und es ist daher nicht verwunderlich, dass
die erreichten Genauigkeiten meist unter denen des Radars liegen. Als Teile eines Messsystems haben
diese Messverfahren dennoch Chancen eingesetzt zu werden. Sollen Daten von den großen Flächen der
Ozeane bestimmt werden, so sind solche Verfahren der Satellitenfernerkundung oft die einzig verfüg-
baren. Tatsächlich reicht über den Ozeanen die Genauigkeit von Satellitenschätzungen des Nieder-
schlages über die Messung der vom Niederschlag ausgestrahlten Mikrowellenstrahlung bereits an die der
Radarmessung heran. Leider sind diese Verfahren aus technischen Gründen nur von den die Erde in
etwa 1000 km Höhe umfliegenden Satelliten aus anwendbar, die über einem festen Ort nur wenige
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Messungen pro Tag durchführen können. Geostationäre Satelliten wie METEOSAT sind dafür mit einer
Höhe von rund 36.000 km zu weit von der Erdoberfläche entfernt. Die verbreitetsten Verfahren nutzen hier
die infrarote Ausstrahlung des Wolkenoberrandes, die durch die allgemeine Abnahme der Temperatur mit
der Höhe in der Atmosphäre auch ein Indikator für ihre Höhe ist. Regenwolken reichen meist hoch in die
Atmosphäre hinein (Abb. 3c); im Durchschnitt werden dabei 7 Kilometer überschritten, so dass ihre dann
sehr kalten oberen Bereiche leicht vom Satelliten detektiert werden. Weiter ist die Höhe des
Wasserdampfgehaltes eng mit der Niederschlagsbildung verknüpft. Daher wurde die Entwicklung von
Verfahren betrieben, um ihn zu vermessen. Wichtige Entwicklungen gehen zur Zeit von den Satelliten
aus, welche die Mikrowellenausbreitung des GPS-Systems verwenden. Der Satellit CHAMP ist der erste
Vertreter aus dieser Satellitenfamilie. Genannt werden soll auch die geplante internationale „Global
Precipitation Mission“ mit acht niedrig fliegenden speziellen Mikrowellensatelliten. Zur Zeit wird weiterhin
intensiv daran gearbeitet, die zeitliche Entwicklung, die räumliche Struktur und die Reflexion von solarer
Strahlung von Wolkenarealen zur Verbesserung der Niederschlagsinformationen zu verwenden. Das
Potential ist groß, doch fehlt noch der entscheidende Durchbruch, so dass die Bereitstellung von
Messwerten des flächenhaften Niederschlages mit praxisgerechter Genauigkeit eine der großen
Herausforderungen für die Meteorologie bleibt.

Auch über das weitere Schicksal des Regens, mit dem sich dann vorwiegend die Hydrologie befasst,
könnten Satellitenmessungen Informationen liefern. So lässt die Mikrowellenausstrahlung des Bodens
Schlüsse auf die Bodenfeuchte zu, doch sind die technischen Voraussetzung für geeignete Satelliten-
sensoren derzeit noch nicht gegeben. Zukünftige Satelliten werden aber auch recht genaue Messungen
von Wasserständen in Flüssen liefern können. Die Messungen der Altimeter – das sind Radargeräte mit
Entfernungsgenauigkeiten im Zentimeterbereich und besser – auf verschiedenen Satelliten gestatten prin-
zipiell solche Angaben. Damit sollte die Erfassung von Überschwemmungen vergleichsweise einfach sein.
Darüber hinaus bietet das vorhandene Netz von Pegelmessungen an allen wichtigen Flüssen bereits eine
sehr gute Datenbasis. Die Verfolgung von Hochwassern wird damit für große Flusseinzugsgebiete in
Zukunft recht genau möglich sein.

Niederschlagsprozess und Vorhersage
Die herausragende Bedeutung gerade der Niederschlagsvorhersage für die Gesellschaft braucht hier
nicht ausgeführt zu werden. Entscheidend für die Nutzung einer Vorhersage ist aber ihre Qualität. Nur die
numerische Wettervorhersage ist in der Lage, Niederschlag über Zeiträume länger als wenige Stunden
vorauszusagen; dies erfordert die Kenntnis der Niederschlagsprozesse und ihre Umsetzung in Rechen-
vorschriften, die ein Computer ausführt. Nun sind gerade an der Bildung von Niederschlag viele verschie-
dene Prozesse beteiligt, die sich über einen Größenbereich von etwa 15 Größenordnungen erstrecken,
ausgehend von der Sammlung von Wasserdampfmolekülen an einem Kondensationskern mit einem
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Durchmesser von etwa 10 m bis zur Größe eines Tiefdruckgebietes der mittleren Breiten mit 10 m.

Meist sind die Niederschlagsgebiete flächenhaft angeordnet. In mittleren Breiten sind die Fronten der
Tiefdruckgebiete mit dem größten Niederschlagsaufkommen verbunden. Dort stammt etwa ¾ aller Nie-
derschläge von solchen Fronten. Abbildung 4 zeigt ein typisches Radarbild eines Frontendurchgangs mit
dem breiten linienhaft angeordneten Niederschlagsgebiet. Die Fronten sorgen für die Abkühlung der Luft
und des darin enthaltenen Wasserdampfes durch Hebung der Luft. Aus Abbildung 4 wird deutlich, dass
auch die Fronten aus einzelnen Konvektionselementen aufgebaut sind und dass das oft beschriebene
gleichmäßige Aufsteigen der Luft an ihnen eine unzulässige Vereinfachung des Prozesses darstellt.

Diese Abkühlung in der aufsteigenden Luft, der vorhandene Wasserdampf und die vorhandenen Konden-
sationskerne zusammen sorgen für die initiale Bildung von Wolkentropfen aus kondensiertem Wasser-
dampf. In der aktuellen Forschung versucht man, die Einflüsse von verschiedenen Kondensationskernen
auf die Menge der Tropfen und des gebildeten Wolkenwassers zu quantifizieren. Von Beginn an ent-
stehen unterschiedlich große Tropfen, die dann auch unterschiedliche Fallgeschwindigkeiten besitzen.
Dadurch stoßen Tropfen unterschiedlicher Geschwindigkeit zusammen und verschmelzen. Es ist noch
unklar, wie empfindlich das Wachstum der größten Tropfen, die dann als Regen zu Boden fallen können,
von der Menge und der Größenverteilung der anderen Wolkentropfen abhängt.
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Abbildung 4: Radarmessung zur Zeit eines Frontendurchgangs am 3. März, 2000 (Legende s. Abb. 3).

Der bislang beschriebene Prozess ist zwar eine wichtige Grundlage zum Verständnis der Bildung von
Niederschlag, dennoch führt er alleine nur zu eher geringen Niederschlägen, in den mittleren Breiten
typischerweise zu winterlichem Sprühregen. In tropischen Gebieten kann diese Form der Niederschlags-
bildung allerdings durchaus von Bedeutung sein. Bei uns wird Regen dagegen meist in Wolken mit unter-
kühlten Tropfen erzeugt. Wassertropfen bleiben bis zu Temperaturen von unter –20°C zu einem nennens-
werten Teil flüssig, auch wenn bereits ab etwa –5°C bereits einige Tropfen zu Eis gefrieren. In größerem
Umfang setzt das Gefrieren ab etwa –10°C ein. Wolken können aber auch bis zu Temperaturen unter
-30°C flüssiges Wasser enthalten. Da sich bei Temperaturen unter dem Nullpunkt der Sättigungsdampf-
druck des Wasserdampfes über Eis und flüssigem Wasser unterscheidet, kann ein Zustand auftreten, bei
dem die Luft über den Tropfen ungesättigt und über den Eispartikeln übersättigt ist, so dass ein Verdun-
sten der Tropfen und ein gleichzeitiges Anwachsen der Eisteilchen stattfindet. Da die Abstände zwischen
den Teilchen eher klein sind - typisch sind wenige Millimeter - erfolgen diese Transporte von den Tropfen
zu den Eisteilchen auch im Sekunden- bis 10-Sekundenbereich. Daher können Eisteilchen sehr schnell
anwachsen. Durch dieses Wachstum entstehen wiederum Teilchen von unterschiedlicher Größe und
Fallgeschwindigkeit. Der hier beschriebene Vorgang verläuft sehr viel intensiver als die Bildung großer
Partikel ohne Eisteilchen. Die Kollision mit langsamer fallenden Wassertropfen führt dabei zu weiterem
schnellen Größenwachstum, bis schließlich die typische Größe eines Niederschlagsteilchens erreicht
wird. Auf dem Weg nach unten schmilzt er dann meist in den zunehmenden Temperaturen. Ein typischer
Regentropfen hat am Boden einen Durchmesser von 2 mm.

So einfach dies klingt, so schwierig ist dennoch die Umsetzung in Modelle, die uns erlauben Niederschlag
vorherzusagen. Es ist legitim, die Güte der Vorhersage einer Größe als Maß für das Verständnis des
Prozesses anzunehmen, und nicht in allen Fällen kann die Qualität der Vorhersage den Anforderungen
der Praxis genügen. Trotz vieler Verbesserungen in den Wettervorhersagemodellen hat sich die Nieder-
schlagsvorhersage in den vergangenen 10 Jahren im Gegensatz zu anderen Parametern kaum ver-
bessert (Abb. 5). Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sicher ist an erster Stelle zu nennen, dass alle Pro-
zesse, die innerhalb von Volumen, die kleiner als die Gitterweiten der Modelle sind, im Modell nicht direkt
beschrieben werden können. Alle kleineren Vorgänge, so etwa der o.a. Vorgang der Niederschlags-
tropfenbildung, werden als Funktionen der großräumigeren Prozesse dargestellt. Dies nennen wir Para-
metrisierung. Eine Parametrisierung ist immer eine Vereinfachung, deren Zulässigkeit meist nur indirekt
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über den Erfolg der Vorhersage geprüft werden kann. Bei Gitterweiten von mehreren Kilometern liegt es
auf der Hand, dass viele Prozesse parametrisiert werden müssen, und das bereitet Probleme. Zunächst
sollten die parametrisierten Prozesse weitgehend voneinander unabhängig sein, was selten erfüllt ist. So
sind die Wechselwirkungen mit der kleinräumige Turbulenz bislang trotz ihrer Bedeutung kaum berück-
sichtigt. Ganz allgemein ist ungeklärt, ob die parametrischen Beschreibungen überhaupt eindeutig sind.
Es ist also zu fragen, ob zur Gesamtheit der großräumigen Zustände genau ein Datensatz an parametri-
schen Beschreibungen gehört und mit welcher Genauigkeit über diesen Kenntnisse vorhanden sind.

Abbildung 5: Zeitliche Entwicklung der Qualität der 24Stunden-Vorhersage der Minimumtemperatur
(links) und des Niederschlags (rechts) (dargestellt ist links die Trefferquote einer korrekten Vorhersage
der Minimumtemperatur (DWD) an den Stationen des Deutschen Wetterdienstes (SYN) bei einer
erlaubten Abweichung von 2.5 Grad, rechts dargestellt ist die Trefferquote für die Vorhersage der ja/nein
Aussage „Niederschlag fällt“ oder „fällt nicht“ im Mittel über alle Beobachtungsstationen des DWD;
Quelle: Deutscher Wetterdienst).

Bei diesen mikroskaligen Prozessen liegt der Verdacht nahe, dass besonders große Unsicherheiten in
den parametrischen Beschreibungen enthalten sind. Die Übergänge von Wasserdampf in Wasser oder
Eis, die mit erheblichen Energieumwandlungen durch die Verdunstungswärme verbunden sind, erzeugen
kleinsträumige Gradienten aller meteorologischen Größen. Dies regt turbulente Luftbewegungen an, die
wiederum das Wachstum von Eisteilchen und Tropfen verändern können. Die bisherigen Messverfahren
erlauben keinen Einblick darin, wie groß der Einfluss eines solchen Vorganges ist. Eine experimentelle
Überprüfung steht bislang aus. Auf der gleichen Skala agieren die Kondensationskerne, die notwendig
sind, um überhaupt einen Tropfen zu bilden. Das initiale Tropfenspektrum in einer Wolke hängt hierdurch
von der Größenverteilung und der Art des Aerosols ab. Die vorhandenen Modelle und theoretischen
Konzepte lassen sich im Freiland nicht überprüfen; zu einer entsprechenden Versuchseinrichtung werden
derzeit Ansätze entwickelt.

Die räumlich nächst größere Prozessklasse, die in den Vorhersagemodellen parametrisiert werden muss,
sind die Bewegung einzelner Luftpakete, die sich von ihrer Umgebung durch höhere Temperatur und
damit geringere Dichte unterscheiden. Die Vermischung von Wolkenluft mit wolkenfreier Luft an den
Wolkenberandungen bilden die kleinste Skala in diesem Prozessgefüge. Größere Vertreter solcher
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Luftpakete sind die konvektiven Wolken, die entstehen, wenn am Boden erwärmte Luft soweit aufsteigt,
bis sie die Kondensationsgrenze überschritten hat. Hier wird ebenfalls angenommen, dass die parametri-
sche Beschreibung solcher konvektiven Wolkenelemente für alle Kombinationen von großräumigen
Zuständen gleichermaßen gelten soll. Das geht auch hier nur solange, wie es keine Wechselwirkung
zwischen den Vorgängen gibt. Auch für diese Prozesse steht eine experimentelle Überprüfung der
Ansätze zur parametrischen Beschreibung noch weitgehend aus.

Da Niederschlag weitgehend eine Folge anderer Prozesse in der Atmosphäre ist, erfordert die Erstellung
einer Niederschlagsvorhersage immer die Erstellung einer gesamten Wettervorhersage. Da die Strömun-
gen in der Atmosphäre global miteinander verknüpft sind, setzen alle Wetterdienste in der Regel mindes-
tens zwei Modelle ein. In globalen Modellen werden die Vorhersagen weltweit derzeit in einer groben Auf-
lösung von etwa 50-100 Kilometern berechnet. Für ein Zielgebiet werden die Daten des globalen Modells
verwendet, um ein kleinräumig arbeitendes Modell mit einer Auflösung von derzeit zwischen 2 und 20
Kilometern zu betreiben. Beide Modelle erfordern umfangreiche Startdatensätze und zur Durchführung
der Berechnungen die leistungsfähigsten Rechner. Das Endprodukt, die numerische Wettervorhersage,
ist ein anspruchsvolles „high-tech“-Produkt. Der Deutsche Wetterdienst setzt das global arbeitende Modell
„GME“ mit einer räumlichen Auflösung von etwa 50 km und das hochauflösende Lokalmodell „LM“ mit
einer räumlichen Auflösung von derzeit etwa 7 km ein. Die Vorhersagen des „LM“ werden für den mittel-
europäischen Bereich berechnet. Bestandteil der Modellergebnisse sind Niederschlagsvorhersagen bis zu
48 Stunden in die Zukunft für das „LM“ und bis zu etwa 144 Stunden in die Zukunft für das „GME“.

Ein wichtiges Anliegen ist natürlich auch die richtige Vorhersage von Starkniederschlägen. Starknieder-
schläge sind seltene Ereignisse und schon deswegen ist es schwierig, zu ihnen Erfahrungswerte zu
sammeln. Dabei ist die Größe eines Schaden bringenden Ereignisses in den verschiedenen Regionen
Mitteleuropas recht unterschiedlich. Ganz grob kann dazu die mittlere Jahressumme des Niederschlages
                                                                      2
herangezogen werden. Während am Alpennordrand maximal 2000 l/m erreicht werden, sind es in einigen
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Bereichen der norddeutschen Tiefebene auf der Ostseite des Harzes nur etwa 500 l/m . Wie kommt es
                                                                                                    2
nun zu Starkniederschlägen? Als Bezugszahl soll hier die Niederschlagsintensität in der Einheit l/(m * min)
Verwendung finden. Dieser Sortierparameter ist insofern wichtig, als er deutlich und systematisch von der
Zeitdauer abhängt (Tab. 1). Je kürzer die Dauer eines Ereignisses ist, desto größer kann diese Intensität
werden. Für Niederschläge mit einer Dauer von weniger als etwa einer Stunde kann man stets von einem
konvektiven Niederschlag, etwa einem Schauer oder einem Gewitter ausgehen. Die Hebung der Luft für
Erzeugung länger andauernder Niederschläge wird entweder an den Fronten eines Tiefdruckgebietes
hervorgerufen oder durch die Anströmung eines Berges oder Gebirges. In den Tropen kommen die tropi-
schen Zyklonen als Hebungsursache hinzu. Die Hebung durch die Anströmung an Bergen scheint bei den
längerandauernden Niederschlägen zu den ergiebigsten Niederschlägen überhaupt zu führen. Als
Beispiel sei auf die Werte von Cherrapunji (Tab. 1) hingewiesen. Eine Niederschlagshöhe von 26.000
   2
l/m in einem Jahr würde in Mitteleuropa zu unübersehbar hohen Schäden führen. Die Ökosysteme in
Nordost-Indien waren bislang in der Lage, solche extremen Ereignisse zu überstehen.

Für eine Vorhersage von Hochwasser und Überschwemmungen werden nicht nur meteorologische Vor-
hersagen der erwarteten Niederschlagsmengen sowie des zeitlichen Ablaufs und der räumlichen Vertei-
lung der Niederschläge benötigt, sondern auch genaue Beobachtungen der vorangegangenen und
aktuellen flächenbezogenen Niederschläge im Einzugsgebiet der betroffenen Flüsse. Weitere wichtige
meteorologische Informationen betreffen die Schneeschmelze und die Bodenfeuchte. Daneben kann aus
den beobachteten Pegelständen und anderen hydrologischen Messungen die aktuelle Wasserführung
und der Verlauf der Hochwasserwellen abgeleitet werden. Mit den Niederschlagsvorhersagen und aktu-
ellen Niederschlagsmessdaten werden routinemäßig von Nutzern, also den Wasserwirtschaftsämtern der
Bundesländer in Deutschland, ebenfalls mit numerischen Modellen Wasserstandsvorhersagen berechnet.
Informationen über Hochwasser werden dann auf verschiedenen Wegen an die zuständigen Einrichtun-
gen und an die betroffene Bevölkerung weiter vermittelt. Gerade aber die Kette von der Vorhersage eines
extremen Niederschlagsereignisses bis zur Warnung der Bevölkerung ist in vielen Ländern nicht optimal
organisiert. Nachdem ein Hochwasserereignis aufgetreten ist, setzen weitere Maßnahmen ein, die dem
Schutz der Bevölkerung und dem Schutz der Werte dienen. Daran sind verschiedene Einrichtungen
beteiligt. Da aber international stark an einer Verbesserung der Niederschlagsvorhersage, vor allem an
Bruno Rudolf und Clemens Simmer - Niederschlag, Starkregen und Hochwasser
Niederschlag, Starkregen und Hochwasser                                                               10

der Vorhersage großer und extremer Ereignisse gearbeitet wird, besteht die Notwendigkeit, diese Ergeb-
nisse in die organisatorischen Maßnahmen zur Hochwasservorsorge und -warnung einzubringen.

   Tabelle 1:    Die größten weltweit beobachteten Niederschlagshöhen
                 Zusammenstellung: B. Rudolf (1995) durch Abgleich der Quellen Fletcher (1950),
                 Landsberg, (1969-1985), Matsumoto (1993) und WMO-No. 332 (1973/1986).

     Zeit-      Niederschlags-      mittlere      Beobachtungstermin         Ort der Beobachtung
   intervall        höhe           Intensität

    1 min          38 mm         38,0 mm/min         26. Nov. 1970            Barot, Guadeloupe

    3 min          63 mm         20,5 mm/min         29. Nov. 1911           Porto Bello, Panama

    8 min          126 mm        15,8 mm/min          25. Mai 1920           Füssen, Deutschland

   20 min          206 mm        10,3 mm/min          7. Juli 1889        Curtea-de-Arges, Rumänien

     1h            401 mm        6,7 mm/min           3. Juli 1975              Shangdi, China

     6h            840 mm        2,3 mm/min           1. Aug. 1975          Muduocaidang, China

     24 h         1825 mm        1,3 mm/min        15.-16. März 1952         Foc Foc, La Reunion

     5d           4301 mm        0,60 mm/min       23.-27. Jan. 1980       Commerson, La Reunion

     10 d         6028 mm        0,42 mm/min       18.-27. Jan. 1980       Commerson, La Reunion

     31 d         9300 mm        0,21 mm/min         1.-31. Juli 1861         Cherrapunji, Indien

     1a           26461 mm       0,05 mm/min      Aug. 1860 - Juli 1861       Cherrapunji, Indien

Beispiele für extreme Niederschläge
Das globale Beobachtungsnetz besteht seit mehr als 100 Jahren und liefert damit wichtige Vergleichs-
zahlen. Es ist von großer Wichtigkeit, dass die Niederschlagsbeobachtungen stets die gleiche Qualität
haben. Nur so können extreme Ereignisse als solche identifiziert und miteinander verglichen werden.
Daher ist es trotz der seit langem bekannten systematischen Fehler der herkömmlichen topfförmigen
Niederschlagsmesser nicht unproblematisch, das Beobachtungssystem zu wechseln. In Deutschland ist
das Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie (WNZ) angesiedelt, das die Niederschlagsdaten aus aller
Welt sammelt und auf ihre Qualität kontrolliert (Rudolf et al. 1992, Rudolf 1995). So ist das WZN in der
Lage, auch nach grenzübergreifenden Hochwasserereignissen relativ rasch die gefallenen
Niederschlagsmengen abzuschätzen und klimatologisch zu bewerten, so beispielsweise für die Oder im
Juli 1997 und die Weichsel im Juli 2001 (Beispiel 1), das Pfingsthochwasser der Donau im Mai 1999
(Beispiel 2), die weiträumigen Überschwemmungen in Europa im Herbst des Jahres 2000 sowie für die
diesjährigen schweren Überschwemmungen an Elbe und Donau. Ereignisbezogene Abschätzungen
erfolgten außerdem für den Jangtzekiang im Sommer 1998 und für Südostafrika im Februar 2000. Diese
Beiträge stehen im Internet zur Verfügung (http://www.klis.dwd.de). Da viele, oft miteinander gekoppelte
Bedingungen (z.B. Sättigung der Böden durch vorangegangene Niederschlagsepisoden, gefrorene
Böden, Schneeschmelze, Versiegelung der Böden durch menschliche Eingriffe) für die Ausbildung und
das Ausmaß von Überschwemmungen eine Rolle spielen, ist jedes Hochwasserereignis einzigartig.
Niederschlag, Starkregen und Hochwasser                                                               11

Hochwasser und Überschwemmungen sind primär natürliche Phänomene, die durch menschliche
Aktivitäten zumindest derzeit in ihrer individuellen Ausprägung nicht maßgeblich, sondern bestenfalls
graduell beeinflusst werden. Anthropogene Klimaänderungen haben allerdings das Potential, die Statistik
des Auftretens von Hochwasser zu ändern. Letztlich sind Überschwemmungen aber unvermeidbar, nur
ihre Folgen lassen sich durch planerische Maßnahmen mildern. Alljährlich treten irgendwo in der Welt
Überschwemmungen auf, die mit großen Folgen für die betroffenen Menschen und hohen wirtschaftlichen
Schäden verbunden sind. Im Binnenland wird Hochwasser letztlich immer durch Regen, besser gesagt
durch Niederschläge, verursacht. Damit es zu Hochwasser kommt, muss in einer bestimmten Zeit mehr
Niederschlag fallen als im Gewässernetz abfließen und im Boden versickern kann, allerdings können sehr
unterschiedliche Niederschlagsverläufe zu Überschwemmungen führen. Als Haupttypen für den mittel-
europäischen Bereich sollen hier charakterisiert werden:

    1) Die höchsten Starkniederschläge sind von relativ kurzer Dauer (Tab. 1). Sie haben unmittelbar
       Sturzfluten (“Flash Floods”), also lokale plötzliche Überschwemmungen zur Folge: Vollgelaufene
       Keller, überlaufende Abwasserkanäle, aufgerissene Straßendecken, starke Bodenerosion. Kleine
       friedliche Bäche werden zu reißenden Strömen. Solche Ereignisse beschränken sich in Mittel-
       europa hauptsächlich auf die warme Jahreszeit, April bis Oktober, und sind verbunden mit sehr
       starken Gewittern. Ein größeres Ereignis trat im Oktober 1998 in Baden Baden auf (Bartels 1999,
       Fuchs et al. 1998).

    2) Mehrere Tage lang anhaltende Niederschläge sind in den mittleren Breiten mit nahezu ortsfesten
       Tiefdruckgebieten und Fronten verbunden. Je nach Größe der betroffenen Region können kleine-
       re und sogar auch große Flüsse über die Ufer treten. Wegen der längeren Zeitdauer ist für die
       Ausbildung eines Hochwassers die Bodenfeuchte wichtig, da sie das Speichervermögen des
       Bodens beschreibt. Markante Beispiele sind die Hochwässer der Oder im Juli 1997, der Weichsel
       im Juli 2001 sowie der Elbe in diesem Jahr. Solche Ereignisse sind typisch für den Hochsommer
       (Fuchs und Rapp 1998, Fuchs und Rudolf 2001).

    3) Ähnliche Situationen können im Herbst großräumiger und länger anhaltend sein. Die Regenfälle
       sind zwar auf einzelne Tage bezogen deutlich weniger ergiebig als in den ersten beiden Katego-
       rien, es werden jedoch hohe Monatsniederschlagsmengen erreicht. Zusätzlich können die Böden
       nach längeren Niederschlagsperioden oft kein Wasser mehr aufnehmen und leiten weitere groß-
       räumige Niederschläge sehr schnell weiter in die Flüsse. Jüngstes Beispiel sind die Überschwem-
       mungen in weiten Teilen Europas im Zeitraum von September bis November 2000 (Fuchs 2000
       und 2001).

    4) Schmilzt eine dichte Schneedecke, durch einen Wärmeeinbruch oder durch auf den Schnee
       fallende warme Niederschläge, so fließt viel Schmelzwasser plötzlich ab. Entsprechend steigen
       dadurch die Pegel in den betroffenen Flüssen. Fällt dann weiterer kräftiger Regen, können die
       Flüsse diesen nicht mehr schnell genug abtransportieren und es bildet sich Hochwasser.
       Beispiele sind hier die Jahrhunderthochwasser des Rheins im Dezember 1993 und bald danach
       im Januar 1995 sowie auch das „Pfingsthochwasser“ von Donau und Bodensee im Mai 1999
       (Fuchs et al. 2000).

    5) Überschwemmungen können auch auftreten, wenn Flüsse Eisschollen mitführen, die sich an
       Engpässen regelrecht zu Staumauern auftürmen können. Bekannt hierfür waren in früheren
       Jahren besonders die Weichsel, Elbe und die Donau.

Beispiel 1: Weichselhochwasser 2001 im Vergleich zum Oderhochwasser 1997:
Im Einzugsgebiet der Weichsel, speziell in dessen oberem Bereich südlich von Krakow, fielen während
der zweiten Julihälfte 2001 sehr ergiebige Niederschläge (Abb. 6 links), die nachfolgend innerhalb kurzer
Zeit starke Überschwemmungen auslösten. Ein Vergleich mit den zum Oderhochwasser 1997 führenden
Niederschlägen zeigt, dass die Niederschläge im Juli 1997 großflächiger und fast doppelt so hoch waren
(Abb. 6 rechts), die Maxima aber 1997 weiter westlich als 2001 und damit im oberen und mittleren Teil
des Einzugsgebietes der Oder lagen.
Niederschlag, Starkregen und Hochwasser                                                              12

Abbildung 6: Niederschlagsverteilung zum Weichselhochwasser 2001 (links) und zum Oderhochwasser
1997 (rechts).

Beispiel 2: "Pfingsthochwasser" 1999 an Donau und Bodensee
Starkniederschlag gekoppelt mit Schneeschmelze in alpinen Lagen von mehr als 2000 m Höhe (Abb. 7)
führten im Mai 1999 zu heftigen Überschwemmungen an der Donau und am Bodensee. In einigen Regio-
nen wurde in nur drei Tagen, vom 20. – 22. Mai, die Niederschlagsmenge eines „normalen“ Monat Mai
übertroffen. In großen Bereichen des Donaueinzugsgebietes fiel im gesamten Monat Mai 1999 mehr als
das doppelte der üblicherweise zu erwartenden Niederschlagsmenge. Die bereits durch die Schnee-
schmelze hohen Flusspegel erreichten mit diesen Niederschlägen Rekordwerte.

   Abbildung 7: Zeitlicher Verlauf der täglichen Niederschlagshöhe im Donaueinzugsgebiet sowie der
            Schneedeckenhöhe auf der Zugspitze und auf dem Wendelstein im Mai 1999.
Niederschlag, Starkregen und Hochwasser                                                                13

Beispiel 3: Das Hochwasser von Donau und Elbe im August 2002
Kurz vor Redaktionsschluss kam es im August 2002 zu einem verheerenden Hochwasser der Donau und
besonders der Elbe, nachdem während der ersten vierzehn Tage des Monats über weiten Bereichen
Österreichs, der Tschechischen Republik, der Slovakei und Ostdeutschlands extreme Niederschlags-
mengen fielen. Ursache war eine sog. Vb-Wetterlage, bei der feuchtwarme Luftmassen aus dem Mittel-
meerraum östlich um die Alpen nordwärts geführt wurden und auf kühlere, vom Westen kommende
Luftmassen trafen. In der Folge bildete sich eine stationäre Tiefdruckrinne, deren Niederschläge durch die
orographisch bedingte Hebung der Luft an den Sudeten, dem Erzgebirge, dem Bayerischen Wald wie
auch im Alpenbereich erheblich verstärkt wurden. Die Verlagerung des Kerns des Tiefs nach Nordosten
bewirkte eine Feuchtluftzufuhr aus Westen bis Norden und damit erneute Niederschläge. Die Nieder-
schläge wurden zudem an den Sudeten als auch an der Nordseite des Erzgebirges orographisch
verstärkt, und die labile Luftschichtung ließ darin eingebettet sehr heftige Gewitter entstehen.
Ein solcher Zyklus wiederholte sich während der ersten Augusthälfte mehrmals. In der Summe über die
ersten vierzehn Tage des Augustes 2002 erreichten die Niederschlagshöhen im Einzugsgebiet der Elbe
gebietsweise mehr als das Dreifache, stellenweise sogar das Vierfache der durchschittlichen im ganzen
Monat August fallenden Niederschlagsmengen (s. Abb. 8). Die stärksten Tagesniederschläge des Zeit-
raums fielen am 12. August.

 Abbildung 8: Verteilung der über 12 Tage akkumulierten Niederschlagshöhen für die Zeitspanne vom 1.
   August 2002, 8 MESZ, bis zum 13. August 2002, 8 MESZ (Farbflächen Niederschlagshöhe in mm;
                     Zahlenangaben in Prozent der normalen Augustniederschläge).
Niederschlag, Starkregen und Hochwasser                                                               14

In den tropischen Bereichen treten die weltweit größten Niederschläge auf (Tabelle1). Hier addieren sich
in der Wirkung die hohe Luftfeuchte, die gleichmäßige Strömung im Bereich des Passatwindes und ein
topographisches Hindernis. So werden die Niederschläge in La Réunion und Cherrapunji an Bergen
beobachtet, die für längere Zeit unununterbrochen mit feuchter, warmer Luft angeströmt werden. An
beiden Messorten gibt es trotz der für mitteleuropäische Verhältnisse riesigen Niederschlagsmengen noch
Boden, Vegetation und sogar Dörfer. Versucht man, abzuschätzen, wie hoch denn die Niederschlags-
höhen in Mitteleuropa maximal werden könnten, so erweist sich, dass die Beobachtungsreihen bislang bei
weitem noch nicht an solche rechnerischen Werte heranreichen (Tetzlaff et al. 2002). Eine grobe
Abschätzung der maximalen Gebietniederschläge für Deutschland wurde vom DWD im Jahr 1997 erstellt
(Schmidt, 1997).

Im Laufe der letzten zehn Jahre war eine größere Anzahl von markanten Hochwässern in Deutschland
bzw. Mitteleuropa zu verzeichnen: an Rhein und Mosel im Dezember 1993, an Rhein und Mosel im
Januar 1995, an der Oder im Juli 1997, in Mittel- und Westeuropa im Oktober 1998, an Donau und
Bodensee im Mai 1999, in weiten Teilen von West- und Südeuropa im Herbst 2000, an der Weichsel im
Juli 2001 und nun Elbe und Donau im August 2002. Steht diese Häufung in Beziehung zum globalen
Klimawandel, zur bereits beobachteten Erwärmung? Es gibt viele plausible Argumente und Modell-
ergebnisse, welche dies nahelegen, letztendlich fehlt aber ein signifikanter statistischer Nachweis. Eine
Analyse der Wirkungskette kann keinesfalls auf der Basis von Daten aus Deutschland oder Europa allein
erfolgen. Die Wettersysteme und Klimaeigenschaften stehen immer in einem globalen Zusammenhang.
Daher und wegen der besonderen Gefahren, die von Extremereignissen ausgehen hat das Intergovern-
mental Panel on Climate Change im Sommer 2002 einen Workshop zum Thema Changes in Extreme
Weather and Climate Events veranstaltet (IPCC, 2002). So soll in den kommenden Jahren untersucht
werden, welche Änderungen bei klimatischen Extremereignissen auftreten und wie diese zu begründen
sind.

Durch Beobachtungsdaten nachgewiesen wurde ein globaler Anstieg der Lufttemperatur im Laufe des
vergangenen Jahrhunderts, insbesondere im letzten Jahrzehnt. Die Temperatur ist aufgrund ihres Werte-
spektrums und stetigen Verlaufs eine Größe, deren Trend vor dem Hintergrund ihrer Variabilität gut zu
erkennen ist. Der Niederschlag dagegen ist von einer sehr hohen zeitlichen und räumlichen Variabilität
einschließlich seines singulären Vorkommens gekennzeichnet. Inzwischen abgeschlossene Untersuchun-
gen auf der Basis langer Datenreihen konnten das letzte Jahrzehnt jedoch noch nicht vollständig in die
statistische Analysen einbeziehen. Bisherige Studien stützten sich im wesentlichen auf monatliche Daten,
deren Reihen größtenteils nur bis 1990 reichten. In bisherigen überregionalen Studien wurden Nieder-
schlag und Lufttemperatur getrennt untersucht, da die vorhandenen Datenbanken die Größen separat
enthalten. Auch für den Niederschlag ergaben die Analysen für die Mehrzahl der Stationen eine signi-
fikante Zunahme der mittleren Niederschlagshöhen verbunden mit einer Erhöhung der regionalen und
jahreszeitlichen Variabilität (Grieser et al. 2000).

…
Ausblick
Problematisch für die klimatologischen Aussagen ist immer noch die Datenbasis der bisherigen Studien.
Neben der zeitlichen und räumlichen Ergänzung ist eine genaue Qualitäts- und Homogenitätsbestimmung
der verwendeten Daten notwendig. Zudem können monatliche Daten extreme Niederschlagsereignisse
nicht auflösen; dazu müssen mindestens tägliche Daten ausgewertet werden. In einem neuen DEKLIM-
Projekt haben die Universität Frankfurt und der Deutsche Wetterdienst gemeinsam damit begonnen, eine
ausreichende und fundierte, bis zur Gegenwart reichende Datenbasis für die Klimavariablen Niederschlag
und Lufttemperatur sowie ergänzender Größen aufzubauen mit dem Ziel einer gekoppelten statistischen
Auswertung dieser Daten von Beginn der Beobachtung bis zur jüngsten Gegenwart (Schönwiese et al.
2002). Diese soll aufklären, wie sich der Niederschlag und seine Variabilität im Vergleich zum Tempe-
raturverlauf im vergangenen Jahrhundert und in jüngster Zeit entwickelt hat. Damit wird auch die Frage
beantwortet werden, ob die Häufigkeit extremer Niederschlagsereignisse, deren Dauer und Intensität
zugenommen hat.
Niederschlag, Starkregen und Hochwasser                                                             15

Neben der klimatischen Analyse ist für planerische Zwecke die Verbesserung der Vorhersagesysteme im
Hinblick auf den Niederschlag von herausragender Bedeutung. Wie in Deutschland beginnen derzeit
weltweit besondere Anstrengungen in dieser Richtung (Collier et al. 2002). Im Vordergrund stehen
Auflösungsverbesserungen der Vorhersagemodelle, damit weniger Prozesse parametrisiert werden
müssen. Hierbei ist der Deutsche Wetterdienst mit dem Lokalmodell "LM" weltführend. Wie oben
ausgeführt, wird dennoch der größte Teil der niederschlagsrelevanten Prozesse auch in absehbarer Zeit
parametrisiert bleiben müssen, d.h. das Überdenken von gängigen Verfahren und die Entwicklung und
Prüfung neuer Parametrisierungskonzepte ist unumgänglich. Studien zeigen, dass die Qualität der
Anfangsdaten von großer Bedeutung ist (Wilson et al. 1998). Noch in den Kinderschuhen steckt die
Nutzung der Radardaten zur besseren Bestimmung des Anfangsfeldes von dem die Vorhersage startet.
Neben dem Niederschlag selbst ist das damit eng verknüpfte Wasserdampffeld von großer Bedeutung.
Hier können neben den erwähnten GPS-Daten auch die Radardaten selbst helfen, da die scheinbare
Entfernung von festen reflektierenden Objekten im Radarbild über den Brechungsindex der Luft vom
Wasserdampfgehalt abhängt (Fabry et al. 1997). Alternativ können passive Mikrowellenmessungen
(Crewell et al. 2001) zur Erfassung des Wasserdampfes in der bewölkten Atmosphäre eingesetzt werden.
Man denkt auch über separate, weniger komplizierte konzeptionelle Modelle nach, die aufgesetzt auf die
Radardaten eine bessere Vorhersage insbesondere extremer Niederschläge für wenige Stunden
erlauben. Hierzu müssen Niederschlagsgebiete in den Radarmessungen verfolgt werden, wobei das
aufgesetzte konzeptionelle Modell aus der Entwicklung der Daten „lernt“ und für wenige Stunden eine
Vorhersage ermöglicht, die dann zusammen mit einem hydrologischen Modell auch für eine
Überflutungsvorhersage verwendet werden kann (z.B. Mecklenburg et al. 2000). Vertiefte Studien zur
generellen Vorhersagbarkeit des Niederschlags sind ebenfalls notwendig wie auch die Quantifizierung
von Wahrscheinlichkeiten auf der Basis von Vorhersagen verschiedener Modelle oder Modelläufe mit
innerhalb der Messgenauigkeit modifizierten Anfangsfeldern.

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Anschriften der Autoren:

Dr. Bruno Rudolf
Deutscher Wetterdienst / Global Precipitation Climatology Centre
Postfach 10 04 65, 63004 Offenbach am Main
email: bruno.rudolf@dwd.de

Prof. Dr. Clemens Simmer
Meteorologisches Institut der Universität Bonn
Auf dem Hügel 20, 53121 Bonn
e-mail: csimmer@uni-bonn.de
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