Bundestagswahl 2021: Weichen stellen - jetzt gerecht! - Deutscher Gewerkschaftsbund

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Bundestagswahl 2021: Weichen stellen - jetzt gerecht! - Deutscher Gewerkschaftsbund
Wahlkampagne 2021 +++ DGB-SteuerkonzePt +++ Zukunft der Mitbestimmung

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                                                                                                                                                      kt
                                                                                                                                               inform uell,
                                                                                                                                                       ativ

 Bundestagswahl 2021:
 Weichen stellen – jetzt gerecht!
 Die Bundestagswahl im zweiten Jahr „nach Corona“ steht im Zeichen der Pandemie. Für den DGB
 ist klar: Es kann kein Zurück zum Status Quo vor der Corona-Krise geben. Die Weichen müssen jetzt
 gestellt werden – für eine gerechte, soziale und sichere Gesellschaft.

                                                                                         Eine Politik       wertige Versorgung für alle Menschen und gute
                                                                                         der Gerechtig-     Arbeitsbedingungen und Wertschätzung für die
                                                                                         keit braucht       Bechäftigten. Die Gewerkschaften sind für eine
                                                                                         Solidarität
                                                                                                            nachhaltige und solidarische Weiterentwicklung
                                                                                         und Empathie.
                                                                                         Dafür müssen       der Pflegeversicherung.
                                                                                         alle Hände                Eine gute Alterssicherung für alle Gene-
                                                                                         ineinander         rationen bedeutet eine starke gesetzliche Rente.
                                                                                         greifen.           Das Rentenniveau muss dauerhaft bei mindestens
                                                                                                            48 Prozent stabilisiert und im weiteren Schritt
                                                                                                            angehoben werden. Die Rentenversicherung soll
                                                                                                            zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterent­
                                                                                                            wickelt werden.

 � Darum geht’s �                                      nachhaltige Mobilität, Klimaneutralität und den      � solidarisches Europa �
 Corona hat die Welt auf den Kopf gestellt. An allen   öffentlichen Dienst. Der DGB fordert dazu ein        Große Herausforderungen wie Klimawandel, Digita-
 Ecken und Enden ist sichtbar geworden, wo drin-       umfangreiches Investitionsprogramm in der Grö-       lisierung, Globalisierung, Flucht und Migration und
 gend nachgesteuert werden muss: in der Arbeits-       ßenordnung von mindestens 45 Milliarden Euro         die Pandemiefolgen erfordern eine gemeinsame
 welt, in Gesundheit und Pflege, bei der Bildung       pro Jahr über die nächsten zehn Jahre.               Kraftanstrengung. Dazu braucht es ein soziales und
 und der Klimakrise. Überall sind Investitionen und                                                         solidarisches Europa: Mit gleichem Lohn für gleiche
 Weichenstellungen für die Zukunft wichtig. Für        � Arbeitswelt 4.0 gestalten �                        Arbeit am gleichen Ort, mit Zukunftsinvestitionen,
 den DGB ist klar: Nur ein aktiver Staat und starke    Die Digitalisierung hat schon vor Corona die         mit sozialen und tariflichen Mindeststandards.
 soziale Sicherungssysteme können die Auswirkun-       Arbeitswelt auf den Kopf gestellt – mobiles Arbei-
 gen der Krise gerecht bewältigen.                     ten, Plattformökonomie und Künstliche Intelligenz.   � Das ist geplant �
        Jetzt kann es nicht darum gehen, den           Tarifverträge und Mitbestimmung sind die Erfolgs-    Bereits jetzt stehen DGB-Faktenblätter zu den
 Zustand von vor der Corona-Krise wiederherzu-         faktoren für die Arbeitswelt 4.0. Dafür braucht es   zentralen gewerkschaftlichen Wahlthemen online
 stellen. Denn die Herausforderungen bestanden         politische Maßnahmen wie ein Bundestariftreue-       zur Verfügung – unter anderem zu den Themen
 schon vorher. Vielmehr geht es jetzt ums gerechte     gesetz, leichtere Möglichkeiten, um Tarifverträge    Investitionen, Tarifbindung, Mitbestimmung, Bil-
 Gestalten: Die Menschen brauchen Sicherheit im        für allgemeinverbindlich zu erklären sowie die       dung, Rente, Pflege und Europa.
 Wandel für eine bessere, gerechtere, sozialere,       Abschaffung von sogenannten „Ohne-Tarif“- Mit-              Im Spätsommer soll es online einen Wahl-
 sicherere Zukunft.                                    gliedschaften in Arbeitgeberverbänden. Und nur       Check der Wahlprogramme geben. Im September
        Die Entscheidung über die Zukunft fällt am     mit mehr betrieblicher Mitbestimmung können          sind ein Aktionstag der DGB-Frauen zum Thema
 26. September. Der DGB und die Gewerkschaften         Herausforderungen wie die Transformation der         Gleichstellung und ein DGB-Aktionstag zur Rente
 werden in den kommenden Monaten deutlich              Arbeitswelt gestaltet werden.                        geplant.
 machen, was die neue Bundesregierung in den
 nächsten Jahren anpacken muss.                        � Sozialstaat stärken �
                                                       Soziale Gerechtigkeit fängt bei der Bildung an:          Auf einen Blick
 � In die Zukunft investieren �                        Kitas müssen besser ausgestattet werden, das          100 Tage vor der Bundestagswahl
                                                                                                              – am 18. Juni – gibt es alle Infos hier:
 Funktionierende Verkehrswege, gute Bildung und        Recht auf Ganztagsschule eingeführt, Chancen-
                                                                                                              www.dgb.de/echt-gerecht
 eine moderne und klimafreundliche Wirtschaft          gleichheit gesichert, digitale Bildung und Bildung
                                                                                                             Alle DGB-Materialien – auch die Faktenblätter –
 – das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Der Staat    für die digitale Arbeitswelt ermöglicht werden.        sind hier zu finden:
 muss in den nächsten Jahren investieren: in Inf-             Bei Pflege und Rente braucht es grundle-        www.dgb-bestellservice.de/bundestagswahl-2021
 rastruktur, Digitalisierung, bezahlbares Wohnen,      gende Reformen. Gute Pflege bedeutet eine hoch-
Politik

Gerecht besteuern – Demokratie
und Zusammenhalt stärken
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig öffentliche Investitionen in Gesundheit,
Bildung und Infrastruktur sind. Dafür braucht der Staat Geld. Der DGB hat ein
Steuerkonzept vorgelegt, um Beschäftigte und Familien zu stärken sowie
SpitzenverdienerInnen und große Vermögen stärker zu beteiligen.

� Die Situation �                                           der Wirtschaft mit Hilfsgeldern.
In Deutschland besteht steuerlich ein großes                Klar ist: Von diesen Investitionen       Beschäftigte und Familien stärken
Ungleichgewicht: Das Steuersystem orientiert sich           profitieren alle. Wie können sie         95 Prozent der SteuerzahlerInnen würden nach   +34 758
nicht hinreichend an der finanziellen Leistungsfä-          gerecht aus Steuergeldern finan-         den Vorschlägendes DGB weniger Steuern zahlen,
higkeit der SteuerzahlerInnen, sondern begünstigt           ziert werden? Der DGB hat im             nur sehr hohe Einkommen mehr
hohe Einkommen, Unternehmensgewinne und                     Jahr der Bundestagswahl nun ein          (Differenz der Steuerbeiträge in Euro).             +31 903
große Vermögen. Gerade Menschen, die über viel              steuerpolitisches Gesamtkonzept
                                                                                                               ArbeitnehmerIn
Geld verfügen, zahlen also im Verhältnis zu wenig           vorgestellt – mit detaillierten und                (alleinstehend, Steuerklasse 1, keine Kinder)
in die öffentlichen Kassen.                                 durchgerechneten Vorschlägen,
                                                                                                               Berufstätiges Paar
       Angesichts der aktuellen gesellschaftli-             um die Steuerbeiträge gerechter                    (Steuerklasse 3+5/4+4, zwei Kinder)
chen Herausforderungen, ist dies aus Sicht der              zu erheben.
                                                                                                                                                    +680
Gewerkschaften nicht länger haltbar. Gerade das                                                      Bruttoeinkommen (in Euro/Jahr)
Steuersystem ist ein wichtiger Baustein für eine            � Das geht besser �
                                                                                                          20 000      40 000        60 000           100 000        500 000
gerechtere Gesellschaft.                              Ziel des im April vorgestellten
                                                                                            -429 -504 -575                     -695
       Die Corona-Pandemie hat offengelegt, wel-      DGB-Steuerkonzepts ist es,
                                                                                                                      -1360         -1512        -1476
che Probleme schon länger bestehen: Es braucht        Beschäftigte und Familien zu
                                                                                          Quelle: DGB-Steuerkonzept 2021                       © DGB-einblick 06/2021 / CC BY 4.0
öffentliche Investitionen an allen Ecken und Enden.   entlasten und große Vermögen
Unter anderem mehr Personal in den Gesundheits-       wieder stärker in die Verantwor- Von den Steuervorschlägen des DGB profitieren die
ämtern, Krankenhäusern, der Pflegebranche und         tung zu nehmen. Im Zentrum meisten Beschäftigten, Familien und Kinder.
dem Bildungswesen, die bessere Ausstattung von        steht eine Reform der Lohn- und
Schulen mit digitalen Geräten, die Unterstützung      Einkommensteuer, um die SteuerzahlerInnen Million wieder erhoben werden, die seit 25 Jahre
                                                      angemessen und nach ihrer finanziellen Leis- ausgesetzt ist. So könnten 28 Milliarden Euro im
                                                      tungsfähigkeit zu beteiligen. Nach den Plänen Jahr mobilisiert werden, weitere sieben Milliarden
Der DGB fordert                                       des DGB müssten 95 Prozent der Steuerpflichti- würde eine Erbschaft- und Schenkungsteuer auf
                                                      gen weniger zahlen und nur SpitzenverdienerIn- Betriebsvermögen bringen.
 Anhebung des Grundfreibetrags auf 12 800 Euro
                                                      nen mehr. Denn so wird die Einnahmebasis des                       Die Körperschaftsteuer auf Unternehmens-
 gleichmäßiger Anstieg der Steuerprogression
                                                      Staates gestärkt – insgesamt um 60 Milliarden gewinne soll mittelfristig auf 25 Prozent ange-
 Spitzensteuersatz auf 49 Prozent anheben            Euro – und die öffentliche Hand gewinnt mehr hoben werden. Dies würde acht Milliarden mehr
 Reichensteuer greift früher                         Handlungsspielraum.                                         Steuereinnahmen bringen. Auch eine Finanztrans-
 Pendlerpauschale zu Mobilitätsgeld umgestalten             ArbeitnehmerInnen sollen von einem aktionsteuer ist überfällig. Wenn sie – wie der
 Kindergrundsicherung statt Kinderfreibeträge        höheren Grundfreibetrag profitieren. Der Spit- DGB vorschlägt – alle Finanzmärkte, -produkte
 Ehegattensplitting überwinden                       zensteuersatz soll erhöht werden, dafür erst und -akteure umfasst, würden weitere 17 Milliar-
 Rentenbesteuerung    vereinfachen  und              später greifen; die Reichensteuer dafür früher. Zu den Mehreinnahmen erzielt.
  Doppelbesteuerung beenden                           einem gerechten Steuersystem gehört auch, dass                     Das DGB-Steuerkonzept umfasst viele
 Abgeltungsteuer   auf Kapitalerträge  abschaffen    Kapitalerträge   –  beispielsweise Dividenden        –      weitere  Vorschläge – für Kinder und Familien, für
                                                      wie   Arbeitseinkommen    behandelt werden.        Die      mehr   Gleichstellung, für RentnerInnen, für Städte
 Vermögensteuer wieder erheben
                                                      pauschale Abgeltungsteuer von 25 Prozent soll und Kommunen und eine effektivere Steuerfahn-
 Erbschaften und Schenkungen gerecht besteuern
                                                      abgeschafft werden und für alle Kapitaleinkünfte dung. Nun liegt es an den Parteien, entsprechende
 Steuervergünstigungen für Unternehmen befristen der persönliche Steuersatz gelten. Für den DGB Vorschläge nach der Bundestagswahl umzuset-
 Körperschaftsteuer auf 25 Prozent anheben           ist klar: Spitzenverdiener und Vermögende müs- zen und das Steuersystem endlich gerechter zu
 Finanztransaktionsteuer unverzüglich einführen      sen wieder mehr zum Gemeinwesen beitragen, machen – im Interesse aller.
 bessere personelle Ausstattung der Finanzverwaltung von dem auch sie profitieren. Deswegen soll die
                                                      Vermögensteuer auf Netto-Vermögen ab einer Alles zum Thema: www.dgb.de/dgb-steuerkonzept

IMPRESSUM Herausgeber Deutscher Gewerkschaftsbund Anschrift DGB-Bundesvorstand, Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Redaktion einblick/
Gegenblende, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Telefon: 030 / 240 60-615, E-Mail: einblick@dgb.de V.i.S.d.P. Timm Steinborn Redaktion Dr. Lena Clausen
Redaktionelle Mitarbeit Daniel Haufler, Sebastian Henneke, Luis Ledesma Layout zang.design Infografik Klaus Niesen Druck und Vertrieb DCM Druck Center
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2 — einblick 6/2021
MEINUNG

                     Die Zukunft der Mitbestimmung
                     Immer mehr Unternehmen, die ihre Aufsichtsräte je zur Hälfte mit VertreterInnen
                     der Beschäftigten und der EigentümerInnen besetzen müssten, stehlen sich aus                                                            Thomas Fischer
                     der paritätischen Mitbestimmung. Im Vorfeld der Bundestagswahl gibt es aber                                                         leitet seit 2014 die Abteilung
                                                                                                                                                          Grundsatzangelegenheiten
                     erfreuliche Zeichen aus einigen Parteien, dass der mitbestimmungspolitische                                                            und Gesellschaftspolitik
                                                                                                                                                                     des DGB.
                     Stillstand nach der Wahl überwunden werden könnte.

                     D
                              ie Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen           destagsfraktion hat bereits im Oktober 2020
                              im Aufsichtsrat ist ein wichtiger Vorteil, den   klar Position bezogen und deutlich gemacht, wo
                              wir offensiv nutzen müssen, wenn wir die         gegengesteuert werden muss. Gleichzeitig war-
                     Transformation unserer Arbeitswelt und Gesell-            tet man innerhalb der Regierungskoalition aber
                                                                                                                                                         Rainald Thannisch
                     schaft gerecht gestalten wollen.                          bis heute vergeblich auf ein klares Zeichen der                               ist Referatsleiter für
                             Dies wird aber nur mit und nicht gegen die        Zustimmung durch die Bundestagsfraktion von                               Mitbestimmung, Corporate
                     ArbeitnehmerInnen gelingen. Um die Interessen             CDU und CSU.                                                               Governance (Grundsätze
                     der Beschäftigten zu schützen, ihnen Sicherheit im               Stattdessen signalisiert die Unionsseite ihre                      der Unternehmensführung)
                                                                                                                                                         und Corporate Social Res-
                     Wandel zu geben und um ihr Wissen und ihre Kre-           starke Unterstützung für das Gesetz zur Moderni-                         ponsibility (Unternehmerische
                     ativität nutzbar zu machen, haben wir engagierte          sierung des Körperschaftsteuerrechts, das am 21.                             Sozialverantwortung)
                     ArbeitnehmervertreterInnen im mitbestimmten               Mai in zweiter und dritter Lesung im Bundestag                            in der Grundsatzabteilung
                     Aufsichtsrat. Bereits jetzt zeigen zahlreiche Stu-        beraten wurde. Ein Ziel dieses Gesetzes besteht                                     des DGB.
                     dien, dass mitbestimmte Unternehmen erfolgrei-            darin, Personenhandelsgesellschaften und Part-
                     cher und nachhaltiger wirtschaften als Unterneh-          nerschaftsgesellschaften die Möglichkeit einzu-        Wahlprogramme von Bündnis 90/Die Grünen und
                     men ohne oder mit schwacher Mitbestimmung. Es             räumen, dieselben steuerlichen Regelungen in           Linken finden.
                     spricht demnach viel dafür, die Mitbestimmung zu          Anspruch nehmen zu können wie Kapitalgesell-                  Alle drei Parteien fordern – wenn auch
                     stärken und auszubauen.                                   schaften.                                              mit unterschiedlichen Nuancen – die Absenkung
                                                                                      Auch wenn erst auf den zweiten Blick            der Schwellenwerte der Unternehmensmitbe-
                      Der Geltungsbereich                                     erkennbar, so birgt dieses Vorhaben die Gefahr,        stimmung. Die SPD fordert zusätzlich die Aus-
                                                                               die Unternehmensmitbestimmung zusätzlich zu            weitung der Unternehmensmitbestimmung auf
                            der Unternehmens­                                  schwächen. Denn bislang gab es unter bestimm-          Unternehmen in ausländischer Rechtsform sowie
                            mitbestimmung                                      ten Bedingungen Anreize für Personenhandels-           eine „echte Parität in den Aufsichtsräten“. Auch
                            wird immer kleiner.                                gesellschaften, sich aus steuerlichen Gründen          die Linke fordert eine „echte paritätische Mitbe-
                                                                               in Kapitalgesellschaften umzuwandeln. Und nur          stimmung nach dem Modell der Montanmitbe-
                            Leider sieht die Wirklichkeit derzeit aber         diese Kapitalgesellschaften wie AG und GmbH            stimmung“ sowie Maßnahmen, die es Konzer-
                     anders aus, denn der Geltungsbereich der Unter-           unterliegen den Mitbestimmungsgesetzen. Anstatt        nen erschweren, die Mitbestimmungsgesetze zu
                     nehmensmitbestimmung wird immer kleiner: Nur              also die Vermeidung der Unternehmensmitbestim-         umgehen.
                     zwei von drei Unternehmen, die nach den Vor-              mung endlich zu stoppen, bringt die Regierungs-
                                                                                                                                       Es ist höchste Zeit
                     stellungen des Gesetzgebers eigentlich dem Mit-           koalition in den letzten Sitzungswochen noch ein
                     bestimmungsgesetz von 1976 unterworfen sein               Gesetz auf den Weg, durch das ihre Anwendung
                     sollten, verfügen noch über einen Aufsichtsrat, der       weiter an Attraktivität zu verlieren droht.                  für eine grundlegende
                     je zur Hälfte aus VertreterInnen der Beschäftigten               Darin zeigt sich einmal mehr, dass es                 Kurskorrektur.
                     und der EigentümerInnen besteht. Aktuelle Zahlen          höchste Zeit ist für eine grundlegende Kurskorrek-
                     der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass sich mitt-         tur. Die Überwindung des mitbestimmungspoliti-                Letztlich wird es darum gehen, dass diese
                     lerweile mindestens 307 Unternehmen mit zusam-            schen Stillstands in Deutschland und Europa muss       wichtigen mitbestimmungspolitischen Weichen-
                     men mindestens 2,1 Millionen Beschäftigten der            aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerk-          stellungen aus Wahlprogrammen zu verbindlichen
                     paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat               schaften ganz oben auf der politischen Agenda der      Verabredungen im Koalitionsvertrag führen und
                     entziehen oder gesetzeswidrig ihre Anwendung              nächsten Bundesregierung stehen.                       von der nächsten Bundesregierung konsequent
                     ignorieren.                                                      Erfreulicherweise mehren sich im Vorfeld        umgesetzt werden.
                            Nur in seltenen Fällen haben wir es hier           der Bundestagswahl die ermutigenden Anzeichen                 Genau dafür werden sich der DGB und
                     mit einer Flucht aus bestehenden Mitbestim-               aus der Politik, dass unsere gewerkschaftliche         seine Mitgliedsgewerkschaften im Bundestags-
                     mungsstrukturen zu tun. Vielmehr ist es meistens          Botschaft angekommen ist. Besondere Erwähnung          wahlkampf und den dann anstehenden Koaliti-
                     so, dass Unternehmen Lücken in den gesetzlichen           verdient in diesem Zusammenhang etwa ein sehr          onsverhandlungen gemeinsam einsetzen – ganz
                     Regelungen nutzen, um Mitbestimmung zu ver-               begrüßenswerter Antrag zu Unternehmensmitbe-           im Sinne einer sozial gerechten und nachhaltigen
                     meiden. Am Ergebnis ändert diese Unterscheidung           stimmung, der jüngst von der grünen Bundestags-        Unternehmenspolitik. Die Hans-Böckler-Stiftung
                     aber nichts: Die Zahl mitbestimmter Unternehmen           fraktion vorgelegt worden ist.                         wird unsere gewerkschaftlichen Aktivitäten mit
                     nimmt kontinuierlich ab.                                         Mindestens ebenso erfreulich sind die           einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne zur
Fotos: DGB, privat

                            In der auslaufenden Legislaturperiode ist es       überzeugenden Forderungen zur Unternehmens-            Unternehmensmitbestimmung flankieren, die in
                     nicht gelungen, den anhaltenden Trend zur Mitbe-          mitbestimmung, die sich in dem aktuellen Wahl-         Kürze unter dem Motto „Mitbestimmung sichert
                     stimmungsvermeidung zu stoppen. Die SPD-Bun-              programm der SPD sowie den Entwürfen der               Zukunft“ startet.

                                                                                                                                                                   einblick 6/2021 — 3
D I E S & DA S

Dein Europa.
Deine Meinung.
Am 9. Mai fiel der Startschuss für die „Konferenz
zur Zukunft Europas“. Alle EuropäerInnen sind
aufgerufen, ihre Meinung, Ratschläge und Themen
online einzubringen. Der DGB unterstützt das Vor-
haben. Die „Konferenz“ ist ein Dialogprozess, in
dem alle europäischen BürgerInnen sich ein Jahr
                                                         Tipp
lang aktiv einbringen können. Über digitale Platt-      Der Gegenblende-Podcast feiert Jubiläum. Seit einem Jahr ist die Audio-Er-
formen und Bürgerdialoge sollen sie Anregungen          gänzung zum Gegenblende-Debattenmagazin erfolgreich auf Sendung. Die
geben, wie die EU auf zukünftige Herausforde-           MacherInnen sprechen mit ExpertInnen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft
rungen reagieren soll und wie das europäische           und Arbeitswelt über aktuelle Themen wie die Corona-Krise, die Parteien
Integrations- und Friedensprojekt weiterentwickelt      im anstehenden Wahlkampf oder den Aufstieg des Rechtspopulismus.
werden kann. Dabei können alle Themen ange-             Es gibt aber auch Raum für Kolumnen und demnächst – wenn die Corona-Re-
sprochen werden – vom Klimawandel über sozi-            geln es zulassen – endlich auch für Reportagen und Features. Hört doch mal
ale Ungleichheiten bis hin zur Digitalisierung. Auf     rein: https://gegenblende.dgb.de/debattenpodcasts
einer großen Abschlussveranstaltung Mitte 2022
sollen die Ergebnisse präsentiert und diskutiert
werden. www.dgb.de/-/0zA
                                                                                  ragen
                                                                              i F
                                                                         re             a
                                                                                                              Für die Jugendlichen bedeutet dies Unsicherheit
                                                                                          n
                                                                     D

                                                                                                              und fehlende Perspektiven. Deshalb fordern wir
 who is new                                                                                                  einen umlagefinanzierten Zukunftsfonds für die
                                                                                                              Ausbildung und damit verbunden eine Ausbil-
Tanja Bergrath, 45, leitet seit Anfang Mai                                                                    dungsgarantie, um denjenigen ohne Ausbil-
das DGB-Verbindungsbüro Europapolitik in Brüs-                                                                dungsplatz einen Einstieg ins Berufsleben zu bie-
sel. Zuvor war sie sechs Jahre im Europäischen                                                                ten. Und für Studierende brauchen wir dringend
Parlament tätig, unter anderem als Referentin für                    El a Conte                               ein BAföG-Update: Nur noch elf Prozent haben
Beschäftigungs- und Sozialpolitik beim S&D-Frakti-                                                            einen Anspruch auf Förderung, das muss durch
onsvorsitzenden Udo Bullmann und der S&D-Spre-          Wie hat die Corona-Krise das Leben                    höhere Freibeträge deutlich ausgeweitet wer-
cherin im Beschäftigungsausschuss Jutta Steinruck.      von jungen Menschen verändert?                        den. Gleichzeitig müssen die Fördersätze an die
                                                        Junge Menschen sind besonders getroffen:              Realität angepasst werden, mindestens um 150
Kevin Leo Schmidt, 30, ist seit 1. Mai                  Arbeit, Freundschaften, Familientreffen, Dating,      Euro im ersten Schritt. Auch in Uni-Städten sind
Referatsleiter für Gesundheitspolitik/Krankenver-       Lernen, Schulalltag, Ausbildung oder das Stu-         die Mieten und Lebenskosten rasant gestiegen.
sicherung in der Abteilung Sozialpolitik beim DGB-      dium – nichts ist mehr wie vorher. Vielen fehlt der
Bundesvorstand. Von 2018 bis 2021 war er strategi-      direkte Austausch und der digitale Unterricht war     Zur Unsicherheit junger Menschen
scher Berater für Gewerkschaften, NGOs, Parteien        und ist von Problemen begleitet. Um eine verlo-       tragen auch befristete Jobs bei –
und Wohlfahrtsorganisationen bei der Kampagnen-         rene Generation Corona zu verhindern, muss die        was fordert die DGB-Jugend?
agentur Ballhaus West. Er hat Staatswissenschaf-        Politik jetzt schnell Lösungen für junge Menschen     Befristungen ohne Grund sind Ausbeutung und
ten, Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissen-        liefern. Als Gewerkschaftsjugend wissen wir, wie      gehören abgeschafft. 2020 waren etwa drei Mil-
schaften studiert und sich in der GEW engagiert.        wir miteinander solidarisch leben, lernen, stu-       lionen Jobs befristet, knapp zwei Millionen davon
                                                        dieren und arbeiten wollen. Doch ohne die pas-        sachgrundlos. Gerade junge Menschen sind
                                                        sende Grundlage geht das nicht. Die Politik muss      davon betroffen, ein Drittel der unter 25-jährigen
                                                        die Rahmenbedingungen verbessern.                     arbeitet befristet. Wie soll man so seine Zukunft
                                                                                                             planen? Die Arbeitgeber dürfen ihre Risiken nicht
Einblick im Internet                                    Was muss für Auszubildende                            länger bei den Beschäftigten abladen. Eine Über-
Aktuelle News gibt es auf der einblick-Internetseite:   und Studierende getan werden?                         nahme im Anschluss an eine Ausbildung darf
                               www.dgb.de/einblick
                                                        Die Krise hat den Ausbildungsmarkt voll erwischt.     kein Befristungsgrund mehr sein.
           E-MAIL-
           NEWSLETTER                                   Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungs-
                                                        verträge ist eingebrochen – minus 11 Prozent          Manuela Conte ist DGB-Bundesjugendsekre-
                                                                                                                                                                   Fotos: örg Farys

           Anmeldung unter:
 www.dgb.de/einblicknewsletter                          im Vergleich zum Vorjahr. Geht das so weiter,         tärin. Die DGB-Jugend ist der Dachverband für
                                                        folgt auf die Corona-Krise eine Fachkräftekrise.      junge GewerkschafterInnen.
Regeln für die
                                                              Mobile Arbeiten
                                                              Die HBS-Forscherinnen haben konkret formuliert, was
Analyse: Recht auf                                            der Gesetzgeber regeln muss, damit mobile Arbeit für
mobiles Arbeiten                                              Beschäftigte und Arbeitgeber zum Erfolg wird.

Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaft-        Ein Rechtsanspruch würde grundsätzlich einheitliche Rah­
lichen Instituts (WSI) und des Hugo-Sinzheimer-Instituts      menbedingungen für alle Beschäftigten und Unternehmen
(HSI) der Hans-Böckler-Stiftung halten ein Recht auf          schaffen. Arbeitgeber müssten dann alle Anträge auf mobile
mobiles Arbeiten in Zukunft für notwendig. In einer           Arbeit nach vergleichbaren, gesetzlich definierten Kriterien
neuen Studie erklären die Rechts- und Sozialwissen-           prüfen. Um maximale Sicherheit zu schaffen, sollten mögli­
schaftlerinnen die Gründe und zeigen, wie entspre-            che Ablehnungsgründe explizit im Gesetz genannt werden.
chende Gesetze ausgestaltet sein müssten.                     Freiwilligkeit und Flexibilität
                                                              Mobile Arbeit müsse für die Beschäftigten freiwillig sein,
Nur ein Rechtsanspruch, „der mobile Arbeit legitimiert und    wenn sie positiv etwa auf die Vereinbarkeit von Beruf und
normalisiert, holt mobile Arbeit aus der `Grauzone´ der       Familie wirken solle. „Abhängig Beschäftigte dürfen daher
betrieblichen Arbeitsgestaltung“, analysieren Dr. Yvonne      durch ihre Arbeitgeber*in nicht verpflichtet werden, sich
Lott, Dr. Elke Ahlers, Dr. Johanna Wenckebach und Dr. Aline   selbst einen Arbeitsplatz zu schaffen.“ Das heißt auch: Der
Zucco. Erst wenn die Möglichkeit zum Arbeiten im Home­        Präsenzarbeitsplatz im Betrieb darf nicht gestrichen werden.
office oder von unterwegs, anders als heute oft noch, nicht
mehr als „Gunst“ des Arbeitgebers angesehen wird, könn­                          Mobiles Arbeiten nicht für Jede/n
ten Schattenseiten mobiler Arbeit vermieden werden.                              Homeoffice während der Corona-Pandemie*
Risiken der mobilen Arbeit                                                       nach beruflichem Bildungsabschluss (in Prozent)
Bisher kommt es sehr stark darauf an, wie der Arbeitgeber
                                                              Berufsausbildung                                    29
zum Mobilen Arbeiten steht. Außerdem gibt es auch Risiken
für die Beschäftigten: Derzeit zeigen zahlreiche Untersu­                  Meister                                     37
chungen, dass mobile Arbeit und Homeoffice für Beschäftig­            Fachschule                                            42
te nicht nur Chancen, sondern auch Risiken bergen.                       Bachelor                                                                  64
So gaben rund 60 Prozent der befragten Beschäftigten                        Master                                                                   66
mit Homeoffice in der aktuellen Erwerbstätigenbefragung
                                                                       Promotion                                                                         69
der Hans-Böckler-Stiftung an, die Grenzen zwischen Arbeit
                                                              * Januar 2021; Quelle: Hans Böckler Stiftung 2021             © DGB-einblick 06/2021 / CC BY 4.0
und Freizeit würden für sie verschwimmen. Zu Hause fühlen
sich Beschäftigte etwa häufiger verpflichtet, ständig         Mitbestimmung
erreichbar zu sein.                                           Notwendig sei ein neues, erzwingbares Recht für Betriebs­
Mobiles Arbeiten: Freiwillig und flexibel                     räte, bei der Einführung und Ausgestaltung mobiler Arbeit
„Ein Rechtsanspruch auf mobile Arbeit muss nicht nur so       mitzubestimmen. Letzteres ist im geplanten Betriebsrätemo­
ausgestaltet sein, dass es in der Hand der Beschäftigten      dernisierungsgesetz vorgesehen. Zudem müssten Betriebs­
liegt, diese auch in Anspruch zu nehmen, sondern auch         räten, aber auch Gewerkschaften, vom Unternehmen
einen eindeutigen gesetzlichen Rahmen schaffen, anhand        digitale Zugänge zu den Beschäftigten angeboten werden.
dessen im Streitfall eindeutig über Rechte oder Ansprüche     Arbeitsschutz, Zeiterfassung
entschieden werden kann“, sagt Dr. Johanna Wenckebach,        Arbeitsschutz und -zeiterfassung müssen auch bei mobiler
Wissenschaftliche Direktorin des HSI. Folgende Aspekte        Arbeit gewährleistet werden. Dazu solle gesetzlich noch
müssten dabei unbedingt geklärt sein:                         einmal ganz klargestellt werden, dass die gesetzlichen Re­
l Mobile Arbeit müsse für die Beschäftigten immer             gelungen, etwa zu Ruhezeiten, auch im Homeoffice gelten.
   freiwillig sein                                            Arbeitgeber müssen ein objektives und zugängliches System
l Sie sollte flexibel, also ohne lange Vorlauffristen,        zur Erfassung der Arbeitszeit bereitstellen, auf das Beschäf­
   genommen werden können                                     tigte auch von mobilen Endgeräten aus zugreifen können.
l Zudem muss mobile Arbeit auf Wunsch auch wieder             Versicherungsschutz und Ausstattung der Arbeitsplätze
   beendet werden können                                      Wie es um den Versicherungsschutz steht, wenn Beschäftig­
Ein neues zwingendes Mitbestimmungsrecht zur betrieb­         ten etwa aus dem Homeoffice ein Kind aus der Kita abho­
lichen Einführung und Ausgestaltung mobiler Arbeit            len, ist bisher nicht gesetzlich geregelt. Klarstellen solle
müsse das individuelle Recht auf mobile Arbeit flankieren.    der Gesetzgeber auch, dass der Arbeitgeber die notwendige
Dazu muss das Betriebsverfassungsgesetz ergänzt werden.       Grundausstattung für ein ergonomisch gutes mobiles Arbei­
Der Arbeitsschutz, insbesondere die Zeiterfassung, sollte     ten finanzieren muss. Also zum Beispiel mobile Endgeräte,
gesetzlich klargestellt werden. Des Weiteren müssten          Bildschirme oder Tastatur.
Regelungen zum Datenschutz, für den Versicherungsschutz       Datenschutz
und zur Ausstattung der Arbeitsplätze sowie zur steuerli­     Die Expertinnen plädieren für ein Beschäftigtendatenschutz­
chen Absetzbarkeit mit einem Rechtsanspruch auf mobile        gesetz. Das könne unter anderem die Privatsphäre von
Arbeit einhergehen                                            mobil arbeitenden Beschäftigten angemessen schützen.

einblick 6/2021                                                                                                                        einblick 6/2021
urteile                                                                urteile
Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht                   Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht

FFP2-Masken                                                            Home-Office

KEIN MEHRBEDARF                                                        STURZ KEIN ARBEITSUNFALL
TROTZ MASKENPFLICHT                                                    Erleidet ein im Homeoffice beschäftigter Arbeitnehmer auf
                                                                       dem Weg von den Wohnräumen in seine Büroräume einen
Die neue gesetzliche Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken                Unfall, so ist das kein Arbeitsunfall.
führt nicht dazu, dass Bezieher von Hartz-IV-Leistungen im
Eilverfahren einen Mehrbedarf erfolgreich geltend machen               Der Fall: Der Arbeitnehmer arbeitet als Gebietsverkaufsleiter
können.                                                                regelmäßig auch im Homeoffice. Eines Tages, auf dem Weg von
                                                                       den Wohnräumen in seine Büroräume, stürzte er eine Wendelt-
Der Fall: Die Antragsteller beantragten beim Jobcenter die             reppe hinunter und verletzte sich schwer. Die Berufsgenossen-
Gewährung eines Mehrbedarfes in Form von wöchentlich 20                schaft lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen
FFP2-Masken, hilfsweise eines Barbetrages von monatlich                ab. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
129 Euro zur Beschaffung (pro Person). Nach Ablehnung
verfolgten sie ihr Begehren im Eilverfahren. Ohne Erfolg.              Das Landesarbeitsgericht: Die Voraussetzungen eines
                                                                       Arbeitsunfalles liegen nicht vor. Der vom Arbeitnehmer
Das Landessozialgericht: Die Antragsteller könnten ihren               zurückgelegte Weg ist weder als Weg nach dem Ort der
Bedarf decken, wenn sie ihre Einsparmöglichkeiten nutzten.             Tätigkeit unfallversichert, noch als versicherter Betriebsweg
Ihrem Begehren liegt ein weit überhöhter Maskenbedarf                  anzusehen. Bei der Wegeunfallversicherung beginnt der
sowie ein zu hoher Maskenpreis zugrunde. Auch unter                    Versicherungsschutz erst mit dem Durchschreiten der Haustür
Berücksichtigung der eingeführten Pflicht zum Tragen einer             des Gebäudes. Ein im Homeoffice Beschäftigter kann niemals
Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) bei der Beför-                innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem
derung von Personen im öffentlichen Personennah- oder                  Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversi-
-fernverkehr besteht der monatliche Bedarf nur im Umfang               chert sein. Die Annahme eines Betriebsweges scheidet auch
von zehn Masken pro Person und kann mit einem finanziel-               aus. Bei Betriebswegen handelt es sich um Strecken, die in
len Aufwand von maximal zehn Euro gedeckt werden. Zehn                 Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden.
Masken decken den Bedarf für einen ganzen Monat, weil                  Vor- und Nachbereitungshandlungen der versicherten Arbeits-
sie bei sachgerechter Handhabung, Lagerung und Trocknung               leistungen fallen nicht darunter. Hier hat der Arbeitnehmer
mehrfach verwendet werden können. Dies ist den Antrag-                 den Weg zurückgelegt, um seine versicherungspflichtige Tä-
stellern - ebenso wie der Bevölkerung im Übrigen - nach                tigkeit im Homeoffice am Unfalltag erstmalig aufzunehmen.
aktuellem Erkenntnisstand zuzumuten. Der Maskenbedarf
verursacht monatliche Kosten von maximal zehn Euro, da                 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,
FFP2-Masken mittlerweile – anders als noch zu Pandemie-                Urteil vom 9. November 2020 – L 17 U 487/19
beginn – für 1 Euro oder weniger pro Stück erworben wer-
den können. Er kann durch Einsparungen gedeckt werden.
                                                                       KEIN BESCHÄFTIGUNGSANSPRUCH
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 6. Mai 2021 – L 21 AS 525/21 B ER
                                                                       OHNE MASKE
                                                                       Ein Arbeitgeber darf die Beschäftigung eines Arbeitnehmers
                                                                       im Betrieb verweigern, wenn es diesem – belegt durch ein
KEINE KURZARBEIT OHNE                                                  Attest – nicht möglich ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu
                                                                       tragen. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall arbeitsunfähig.
VEREINBARUNG
Der Arbeitgeber darf einseitig Kurzarbeit nur anordnen,                Landesarbeitsgericht Köln,
wenn dies im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder durch                Urteil vom 12. April 2021 – 2 SaGa 1/21
Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag zulässig ist. Bei
einer Anordnung ohne rechtliche Grundlage besteht kein
Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Arbeitnehmer behalten                BEFRISTETE SONDERREGELUNG
ihren vollen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber.
                                                                       BEIM ARBEITSLOSENGELD
Arbeitsgericht Siegburg,                                               Die gesetzliche Sonderregelung zur Verlängerung der Dauer
Urteil vom 11. November 2020 – 4 Ca 1240/20                            des Arbeitslosengeldanspruchs um drei Monate gilt nur
                                                                       für Personen, deren Anspruch sonst in der Zeit vom 1. Mai
                                                                       2020 bis zum 31. Dezember 2020 ausgelaufen wäre.
                                                                       Diese Regelung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

                                                                       Hessisches Landessozialgericht,
                                                                       Beschluss vom 14. April 2021 – L 7 AL 42/21 B ER

einblick 6/2021                          Autor: Luis Ledesma, Kassel                                                  einblick 6/2021
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