Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz Antworten europäischer Städte und Gemeinden
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INHALT Vorwort KRISTINA DELY 6 Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – INKA THUNECKE Mehrwert für Bürger/innen und Verwaltung? und TINA BÄR 8 I. Partizipationsmodelle und europäische Rahmenbedingungen für Bürgerbeteiligung Ist die städtische Öffentlichkeit in Mittel- STEFAN BOUZAROVSKI und Osteuropa bereit für partizipativen Klimaschutz? und SASKA PETROVA 14 Den Bürgern entgegengehen: Verschiedene Modelle und Konzepte der Bürgerbeteiligung ANDREAS KARSTEN 22 Die Kriterien erfolgreicher politischer Bürgerbeteiligung im Rahmen nachhaltiger Entwicklung CÉCILE CUNY 36 Nachhaltige Energiepolitik und gesellschaftliche Akzeptanz MAREK MUISTE und in den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union HECTOR PAGAN 42 Erfolgreiche Umsetzung der Aarhus-Konvention auf lokaler Ebene? Eine Analyse von UVP, SUP und Flächennutzungsplanung in der Tschechischen Republik ZUZANA DRHOVÁ 48 Wirtschaftliche Beteiligung im kommunalen Klimaschutz – Energiegenossenschaften: Bürgerbeteiligung an der kommunal organisierten Energiewende BURGHARD FLIEGER 58 II. Erfolgsbeispiele aus europäischen Städten Lokale Klimapolitik und die Rolle des Bürgers – FRITZ REUSSWIG Fallstudie Potsdam (Deutschland) und MIRJAM NEEBE 68 Engagement und Beteiligung im Klimaschutz – Drei Beispiele aus Mittel- und Osteuropa JANA CICMANOVA 76 Bürgerbeteiligung beim städtischen Klimaschutz – Ein Interview von KATHARINA ABRAMOWICZ Das Beispiel Bielsko-Biala (Polen) mit ZBIGNIEW MICHNIOWSKI 80 Beispiele für die Partizipation von Bürgern und anderen Ein schriftliches Interview TINA BÄR lokalen Akteuren in Kopřivnice (Tschechische Republik) mit IVANA RAŠKOVÁ 86 Das Workshop-Projekt Danube der Stadt Straßburg (Frankreich) CÉCILE CUNY 92 Bürgerbeteiligung für eine nachhaltige lokale Energiepolitik – Das öffentliche Forum zu intelligenter Energienutzung in Sofia (Bulgarien) RUMEN PETROV 98 Die Gründung der ersten Energieagentur Estlands MAREK MUISTE 102 © Mesto Koprivnice Bürgerbeteiligung in der Freiburger Klimaschutzpolitik Ein Interview von LASSE BRAND 110 (Deutschland) mit GERDA STUCHLIK Die Autorinnen und Autoren 116 Interessante Links 119 5
Vorwort KRISTINA DELY Büroleiterin des Konvents der Bürgermeister Bürgerbeteiligung ist ein wichtiges und des Aktionsplanes für nachhaltige Ener- auf einer lokalen, in Heidelberg gestarteten arbeit mit lokalen Akteuren. Daher ist die manchmal unterschätztes Thema für den gie einzubeziehen, angefangen vom Ent- Kampagne für mehr Bürgerbeteiligung beim Offenheit für die Beteiligung von Bürge- kommunalen Klimaschutz. Der direkte wurf bis hin zur Umsetzung. Die Bürger Klimaschutz, eine europäische Kampagne rinnen und Bürgern unterschiedlich ausge- Einfluss der Städte auf den Energiever- sollten so früh wie möglich eingebunden namens ENGAGE (www.citiesengage.eu) prägt. Erfahrungsgemäß haben nordische brauch und die CO2-Emissionen innerhalb werden, und zwar nicht nur in Form einer entwickelt, die bei örtlichen Interessengrup- Städte und weniger zentralistisch verwaltete der Stadtgrenzen ist zwar vergleichsweise Einbahnstraßen-Kommunikation zur Be- pen einfache, kostenneutrale und kosten- Länder wie Dänemark mehr Erfolg bei der gering – nur etwa 10 bis 30 Prozent der wusstseinsschaffung, sondern auch, indem günstige Umweltmaßnahmen bewirbt. Beteiligung ihrer Bürger und lokalen Inte- Emissionen stammen aus Aktivitäten der Möglichkeiten der aktiven Beteiligung ressenvertreter als zentralistisch verwaltete öffentlichen Hand. Dennoch können die angeboten werden. Alle Städte werden an- Der Konvent der Bürgermeister kann die Länder. Im großen Ganzen treiben aber die lokalen Behörden in hohem Maße indirek- regt, zu Anfang des Prozesses einen lokalen lokalen Regierungen nur aktiv ermutigen, meisten der Unterzeichnerstädte des Kon- ten Einfluss nehmen: Nicht nur, weil sie Energietag zu organisieren und grundsätz- ihre Bürger/innen und örtlichen Interes- vents den Prozess der Bürgerbeteiligung Verbraucher und oft auch Energieerzeuger lich in dieser Phase auch ein öffentliches senvertreter/innen an ihren Maßnahmen voran: Sie organisieren lokale Energietage sind (Fernwärme, Kraft-Wärme-Kopp- Beratungsverfahren abzuhalten. zu beteiligen; wir wollen und können sie oder öffentliche Anhörungen, die für sie lungsanlagen), sondern auch, weil sie die jedoch nicht dazu zwingen. Die Städte ha- wichtige Instrumente im Hinblick auf die örtlich geltenden Regeln und Vorschrif- Das Büro des Konvents der Bürgermeister ben natürlich jeweils ihr eigenes kulturelles Akzeptanz und das allgemeine Verständnis ten aufstellen, finanzielle Anreize setzen (The Covenant of Mayors Office, CoMO) Erbe und ihre eigene politische Kultur sowie der gesetzten Ziele sowie die Überwachung Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden können, Baugenehmigungen erteilen und umfasst fünf europäische Städtenetzwerke, eigene traditionelle Formen der Zusammen- künftiger Maßnahmen sind. ihnen die Stadt- und Mobilitätsplanung deren Mitglieder eng zusammenarbeiten zufällt. Die enge Beziehung zwischen lo- und unter anderem die Bürgerbeteiligung kalen Verwaltungen und den Bürgern be- fördern. Die meisten von ihnen organisie- deutet, dass Erstere gute Möglichkeiten ren spezielle Initiativen, Kampagnen und haben, mit gutem Beispiel voranzugehen Prozesse, um Bürgerbeteiligung zu ermögli- (z. B. durch umweltfreundliche Beschaf- chen und lokale intelligente Energieforen zu fung) und durch lokale Kampagnen ein schaffen. Zum Beispiel messen lokale Be- öffentliches Bewusstsein zu schaffen. Die hörden bei der europäischen Display-Kam- Zusammenarbeit mit Bürgern und örtlichen pagne (www.display-campaign.org), die Interessenvertretern ist daher entscheidend von Energy Cities gestartet wurde, die Ener- für eine erfolgreiche Klimapolitik. gieleistung von öffentlichen Gebäuden wie Schulen und lassen die Ergebnisse auf Ta- © Mesto Koprivnice Der Konvent der Bürgermeister empfiehlt feln anzeigen. So werden die Kinder einbe- den Städten ausdrücklich, ihre Bürger und zogen und entwickeln ein Energiebewusst- lokalen Interessenvertreter in alle Phasen sein. Auf ähnliche Weise wurde, aufbauend 6 7
Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Mehrwert für Bürger/innen und Verwaltung? TINA BÄR und INKA THUNECKE Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg Klimaschutz braucht engagierte Städte. Gemeinwesen und damit den Bürger/innen in den Netzwerken werden Städte durch die kann Anreize für klimafreundlichere Mo- Internationale Klimapolitik und multilate- ganz nah. Vor Ort bestimmt sich deren Le- Beschlüsse ihrer Selbstverwaltungen und bilität setzen und Fahrradwege ausbauen. rale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll bensqualität, aber auch deren Möglichkeit ihrer Verwaltungen, ihrer Bürgermeister/ Doch das Auto stehen lassen müssen vor sind wichtig, reichen aber zur Erreichung zur Mitwirkung, die für die Erreichung der innen. Mit der Entscheidung für eine akti- allem die vielen Bürger/innen. Die Kom- der Klimaziele nicht aus. Auch die EU hat Klimaziele unentbehrlich ist. ve Klimapolitik wird eine Veränderung in mune kann energiesparende Geräte an- sich auf ambitionierte Klimaziele verstän- der Herangehensweise von Verwaltung und schaffen, das Energieverbrauchsverhalten digt. Die Mitgliedsstaaten sind von deren Die Zukunft des Klimawandels wird in den politischer Selbstverwaltung jedoch unab- ihrer Angestellten beeinflussen. Aber was Erreichung jedoch weit entfernt. Für die- Städten entschieden werden. Viele Städte dingbar notwendig sein. ist mit dem Energieverbrauch der lokalen se Ziele sind die Städte und Kommunen in der EU sind sich ihrer Verantwortung be- Wirtschaft und der Bevölkerung? Wenn zentrale Orte, um sie zu erreichen und die wusst und nehmen sie wahr. Das zeigt sich Die wichtigsten Akteure für Klimaschutz die Kommune es nicht schafft, ihre Bürger/ Klimawende langfristig zu schaffen. Über unter anderem darin, wie viele Städte sich in einer Stadt sind ihre Bürger/innen, ihre innen und die lokale Wirtschaft einzube- die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits inzwischen in Klimanetzwerken organisie- Zivilgesellschaft, ihre lokale Wirtschaft. ziehen und zum mitmachen zu motivieren, in Städten, bis Mitte dieses Jahrhunderts ren. Bei den Energy-Cities sind mittlerwei- Der Erfolg der städtischen Klimaschutz- dann können die notwendigen CO2-Einspa- werden es voraussichtlich mehr als zwei le 1000 Städte und Kommunen Mitglied, maßnahmen hängt maßgeblich von der rungen nicht erreicht werden. Drittel sein. In Europa ist der Anteil mit im Klimabündnis Europäischer Städte Beteiligung der Bevölkerung und anderer heute schon über 70 Prozent Stadtbevölke- 1600. Der Konvent der Bürgermeister zählt Akteure, wie der lokalen Wirtschaft und Andererseits sind städtische Klimaschutz- Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden rung und voraussichtlich über 80 Prozent in inzwischen über 2700 Unterzeichnerstädte, den Verbänden ab. Das hat vor allem zwei maßnahmen mit weitreichenden Verän- 2050 sogar noch höher. Städte sind die Orte, von denen bereits 500 den für die Mitglied- wesentliche Gründe. Da die Emissionen derungen verbunden. Veränderungen der in denen ein Großteil der klimaschädlichen schaft notwendigen Aktionsplan für nach- der Kommunalverwaltung in der Regel nur städtischen Energieversorgung hin zu erneu- Treibhausgasemissionen entsteht, wo am haltige Energie eingereicht haben und sich einen kleinen Teil der Gesamtemissionen erbaren Energien sind beispielsweise oft meisten Energie verbraucht wird. Gleich- damit nicht nur zu aktivem Klimaschutz einer Stadt ausmachen, ist dieses Hand- mit einem Wandel der lokalen Energieinf- zeitig sind Städte und Kommunen flexib- bekennen, sondern konkrete Maßnahmen lungsfeld begrenzt. Gleichzeitig ist kom- rastruktur verbunden, energetische Sanie- ler und schneller in ihrer Entscheidungs- zum Klimaschutz formulieren und umset- munale Klimaschutzpolitik oft so weitrei- rungen verändern das gewohnte Stadtbild. findung. Städte und Kommunen – gerade zen. Auch immer mehr Städte aus Osteuro- chend, dass sie auf breite Akzeptanz der Und obwohl sich viele Klimaschutzmaß- die mittleren und kleinen – sind halbwegs pa engagieren sich in diesen Netzwerken. Bevölkerung angewiesen ist. Die Klima- nahmen über langfristig gesparte Energie- überschaubare Einheiten, Entscheidungen Zu den Unterzeichnern des Konvents der schutzmaßnahmen, die Kommunen direkt kosten und Klimafolgekosten amortisieren, sind daher unmittelbarer, fassbarer und oft Bürgermeister beispielsweise zählen 16 im Einflussbereich der Kommunalverwal- muss in vielen Fällen erst einmal Geld in schneller umgesetzt, als auf nationaler, su- Städte aus Polen, 20 aus Rumänien, 10 aus tung ergreifen können, stellen nur ein Teil die Hand genommen werden, um die Stadt pranationaler oder internationaler Ebene. Bulgarien, sechs aus Ungarn, fünf aus Lett- der Möglichkeiten dar. Sie kann die städ- klimafreundlicher zu gestalten. Für all das Die Städte und Kommunen sind in ihrer land, sieben aus Litauen, drei aus Estland tischen Immobilien energetisch sanieren benötigt es in einer Demokratie die Zustim- Selbstverwaltung und adminstrativen Struk- und weitere aus der Tschechischen Repub- lassen. Doch was ist mit den unzähligen mung der Bürger/innen. Ohne deren Rücken- tur die kleinste Einheit im demokratischen lik, der Slowakei und Slowenien. Mitglied Häusern im Privatbesitz? Die Kommune deckung werden sich die bestgemeinten 8 9
Klimaschutzmaßnahmen nicht realisieren ber hinaus sind die Verfahren häufig nicht pation gewinnbringend zu organisieren. zana Drhová untersucht in ihrem Beitrag, lassen. Beispiele zum Ausbau erneuerbarer ausreichend entwickelt oder gar verankert. Bürger/innen werden ermuntert, bestehen- wie erfolgreich die Aarhus-Konvention, Energien in Deutschland zeigen etwa, dass Werden dann Bürger/innen beteiligt, sind de Beteiligungsmöglichkeiten optimal aus- welche die Öffentlichkeitsbeteiligung in trotz großer genereller Zustimmung zum die Organisatoren oft genug enttäuscht da- zuschöpfen und Partizipation einzufordern. Entscheidungsverfahren zu Umweltange- Umstieg auf emissionsarme Energieträger rüber, dass sich so wenige Menschen oder Im ersten Teil der Publikation geht es um legenheiten regelt, auf städtischer Ebene in und Technologien sich vielerorts von den immer die gleichen beteiligen. Viele Bür- die Rahmenbedingungen von Beteiligung Tschechien umgesetzt wird. Abschließend Entscheidungsträgern unerwartet Bürgerin- ger/innen andererseits scheinen Vorbehalte und im zweiten Teil um konkrete Erfolgs- ergänzt Burghard Flieger die politische Di- itiativen gegen Windparks, Gaskraftwerke zu haben, sich an politischen Prozessen zu beispiele aus europäischen Städten. Die mension von Bürgerbeteiligung im letzten oder Solaranlagen formieren, nicht weil sie beteiligen, weil sie das Gefühl haben, ihnen Beiträge nehmen dabei insbesondere die Beitrag des ersten Teils um die Perspektive etwas gegen erneuerbare Energien hätten – werde ohnehin nicht richtig zugehört und Situation in den Transformationsländern in der konkreten wirtschaftlichen Beteiligung auch nicht vor ihrer Haustür – sondern weil sie könnten bestenfalls ihre Meinung sa- Mittel- und Osteuropa ins Visier und sind am kommunalen Klimaschutz am Beispiel sie zu wenig einbezogen worden sind. gen, aber dann doch nichts mitentscheiden, neben Englisch, Deutsch und Französisch von Energiegenossenschaften. wodurch sie schnell die Lust verlieren. Auf auch auf Polnisch, Estnisch, Tschechisch, Die Kommunalverwaltung und Selbstver- beiden Seiten lastet zudem in Osteuropa Slowakisch und Bulgarisch verfügbar. Der zweite Teil dieser Publikation stellt waltung stehen am Anfang des 21. Jahr- das Erbe der Diktatur, die zwar seit über 20 eine Sammlung von Erfolgsbeispielen hunderts vor der Herausforderung, die Jahren überwunden ist, jedoch durch den Im ersten Teil widmen sich Stefan Bouza- aus europäischen Städten, vor allem aus Polis in einem demokratisch funktionie- Erfahrungshintergrund der Beteiligten die rovski und Saska Petrova in ihrem Beitrag Ländern Osteuropas, dar. Diese Beispiele renden Gemeinwesen neu zu erfinden und Prozesse im politischen Leben immer noch den transformationsbedingten Herausfor- zeigen, wie Städte ganz konkret Beteili- entscheidend weiterzuentwickeln. Dazu prägend beeinflusst. derungen für Bürgerbeteiligung in den gungsprozesse organisiert haben, wo die gehört zunächst sich nicht von den Bürger/ Städten Osteuropas. Andreas Karsten zeigt Erfolgsfaktoren und wo die Herausforde- innen abzuschotten, sondern mit ihnen ins Es geht also nicht nur darum, dass Bürger/ unterschiedliche Beteiligungsmodelle und rungen lagen und bieten damit wertvolle Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden Gespräch zu kommen, sie zu informieren, innen beteiligt werden, sondern wie. Dazu Konzepte im Spannungsfeld von lokaler Anknüpfungspunkte für ähnliche Aktivitä- sie zu beteiligen und mitentscheiden zu las- will diese Publikation einen Beitrag leis- Demokratie bzw. ihren Institutionen und ten in anderen Städten. sen, wie die Zukunft der eigenen Stadt kli- ten. Sie ist im Rahmen des Projekts „Par- den Bürger/innen, die sie tragen sollen, mafreundlich gestaltet werden soll. Neue ticipation in Urban Climate-Protection“ auf. Cécile Cunys Beitrag widmet sich den Die Publikation zeigt, dass intensive Be- Verfahren, die den Kriterien eines demokra- der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg Kriterien für erfolgreiche Beteiligungs- teiligung von Bürger/innen und anderen tischen Gemeinwesens standhalten, sind in Zusammenarbeit mit Projektpartnern in prozesse und insbesondere der Frage von lokalen Akteuren gut organisiert für beide hierzu notwendig. Das klingt einfacher, Polen, Estland, der Tschechischen Repub- Repräsentation in Beteiligungsverfahren. Seiten ein großer Mehrwert sein kann. Die als es in der Praxis oft ist. Die erste Hürde, lik, der Slowakei, Bulgarien, Deutschland Marek Muiste und Hector Pagan weisen in Verwaltung kann die kollektive Intelligenz an der Beteiligungsverfahren oft scheitern, und Frankreich entstanden. Die Publikation ihrem Beitrag auf die Herausforderungen der engagierten Bevölkerung nutzen und sind die sich hartnäckig haltenden Vorur- richtet sich an europäische Städte und Ge- hin, die sich aus einer bisher mangelhaft sich die Rückendeckung für langfristige teile von beiden Seiten. Die Verwaltung meinden, Mitarbeiter/innen von Verwal- ausgeprägten Kooperationskultur zwischen Klimaschutzmaßnahmen einholen, kann nimmt noch allzu oft Bürgerbeteiligung tungen, ehrenamtliche Gemeindevertreter/ Verwaltung und Bürger/innen in vielen in Kooperation mit Bürger/innen, Vereinen eher als zusätzliche Last war, denn als lang- innen, engagierte Bürger/innen und wei- osteuropäischen Ländern ergeben und the- und der lokalen Wirtschaft gemeinsame fristige Erleichterung, und hält die Materie tere kommunale Akteure wie z. B. kom- matisieren die Frage von gegenseitigem Klimaschutzziele und Maßnahmen verein- oft für zu komplex, als dass Fachfremde munale Wohnungsbaugenossenschaften. Vertrauen als Basis für Beteiligung und baren, die dann von allen auch mitgetragen sie ausreichend beurteilen könnten. Darü- Kommunen finden Anregungen, Partizi- gelungenen kommunalen Klimaschutz. Zu- werden und als gemeinsame Ziele und 10 11
Vorhaben mehr Verbindlichkeit schaffen. Die Bürger/innen können sich anderseits mit ihren Ideen einbringen, können die Zukunft ihrer Stadt aktiv mitgestalten und einen wichtigen eigenen Beitrag zum Kli- maschutz leisten. Die Einbeziehung der Bürger/innen in for- malen Beteiligungsprozessen und im ganz konkreten Engagement für Klimaschutz ist die große städtische Herausforderung der nächsten Jahre – und der Faktor, an dem sich Erfolg oder Misserfolg des europäi- schen Klimaschutzes entscheiden wird. © Mesto Koprivnice 12 13
Ist die städtische Öffentlichkeit in Mittel- und Osteuropa bereit linear von einem Stadium in ein anderes um in Übereinstimmung mit den Anforde- für partizipativen Klimaschutz? wandeln, und heben stattdessen die Exis- rungen umfassenderer Klimaschutzpolitik tenz diverser „Transformationskurven” her- ein nachhaltigeres urbanes System zu ent- STEFAN BOUZAROVSKI und SASKA PETROVA vor. Allerdings wurde der Themenkomplex wickeln. Institut für Geographie, Geo- und Umweltwissenschaften, des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Universität Birmingham und energiesparenderen Organisation der In Anbetracht des bedeutenden Einflusses Städte und Regionen im Kontext von Kli- der Vergangenheit auf aktuelle und zukünf- maschutzpolitik weit weniger erforscht. Es tige Entwicklungen betrachtet der Text zu- Einführung Eine der Regionen, in denen diese Thematik liegen zwar einige Erkenntnisse über die nächst die existierenden Erkenntnisse zur zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist das allgemeine Tendenz hin zu einem nach- Rolle der kommunistischen Zentralplan- Weltweit werden Klimaschutzpolitik und Gebiet der früheren kommunistischen Staa- haltigeren Schutz der Umwelt in postkom- wirtschaft – einem Charakteristikum der die Anpassung an den Klimawandel zu ei- ten in Mittel- und Osteuropa (MOE). Die munistischen MOE-Ländern vor, doch gesamten Region – bei der Ausgestaltung nem zentralen Politikfeld. Es gibt einen zu- Stadtgebiete in diesen Staaten haben einen werden diese leider nicht mit umfassen- lokaler Politik in den MOE-Ländern. Dann nehmenden Konsens darüber, dass es hin- zweifachen Wandel durchlaufen: von einer deren wissenschaftlichen Debatten über erkunden wir, welche Richtung Dezentrali- sichtlich der Funktionsweise von Staat und zentralistischen Planwirtschaft hin zu einer wissenschaftliche und technologische Stu- sierungsprozesse und umfassendere städti- Verwaltung grundlegender Änderungen Markwirtschaft und von einem CO2-inten- dien, über soziale Bewegungen und damit sche Transformationsprozesse in der post- bedarf, um möglichst wirksame politische siven und verschwenderischen Energie- verbundene basisdemokratische Entwick- kommunistischen Ära genommen haben. Strategien zu entwickeln. Dies betrifft auch sektor hin zu nachhaltigeren Energietech- lungen verknüpft. Zudem gibt es kaum Ergänzend hierzu wird ein kurzer Überblick die Reglementierung der Beziehungen zwi- nologien und Formen der Energienutzung. Schnittstellen zwischen den Debatten über über die Umwelt- und Klimaschutzpolitik schen dem Staat, dem privaten Sektor und Daher werden die nachfolgenden Generati- den urbanen postkommunistischen Über- in den Städten Mittel- und Osteuropas ge- Nichtregierungsorganisationen sowie den onen die heute getroffenen Entscheidungen gang einerseits und Veränderungen beim liefert. Das Fazit des Textes stellt eine Ver- Einsatz staatlicher Finanzen und Subven- über die Transformation des Energiesek- Klimaschutz andererseits. Von der Trans- bindung zwischen diesen Erkenntnissen und tionen. Die Erkenntnis, dass „zur Bewäl- tors noch lange spüren. Die MOE-Staaten formationserfahrung postkommunistischer den Debatten über die postkommunistische tigung der Herausforderungen des Klima- sind bereits an zahlreichen, für zukünftige Staaten ist bei Diskussionen über politi- Umstrukturierung der Lokalpolitik her. Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden wandels die Aufmerksamkeit nicht nur auf Entwicklungen ausschlaggebenden „Weg- sche Entscheidungen und die notwendigen die internationale Ebene gerichtet sein darf, gabelungen“ angelangt, welche sich wie- Schritte hin zu einem nachhaltigeren Um- Lokalpolitik in der kommunistischen sondern auch darauf, wie Klimaschutz- derum aus dem spezifischen Vermächtnis gang mit Energie selten die Rede. Planwirtschaft politik auf kommunaler Ebene Gestalt und den vom vorherigen System übernom- annehmen kann“ und dass „Gemeinden menen Vorgehensweisen ergeben. Aus der Im Lichte der Dringlichkeit besserer Kli- Die Schaffung eines Einparteiensystems zunehmend selbstverwaltete und selbstver- Verknüpfung zukünftiger und vergange- maschutzpolitik bleibt es insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu ei- antwortliche Ansätze zur Emissionsminde- ner Abhängigkeiten sind oft institutionelle unklar, ob es dem urbanen politischen ner vollständigen Transformation des staat- rung einsetzen“ (Bulkeley und Kern 2006: Fallen und so genannte „Lock-in-Effekte“ Raum in den postkommunistischen MOE- lichen Verwaltungssystems in den MOE- 2237), lässt auf eine in den letzten Jahren entstanden, also Situationen, in denen wirt- Ländern gelingen kann, eine partizipa- Ländern. Lokale Regierungsstrukturen gestiegene Bedeutung des Übergangs zu schaftliche, politische oder soziale Ineffizi- torische und effektive Umweltpolitik zu wurden komplett umorganisiert, um der so- einer kohlenstoffarmen Wirtschaft auf enzen trotz externem Veränderungsdruck verwirklichen. Der vorliegende Text trägt wjetischen Ideologie und deren politischen städtischer Ebene schließen. Auch darüber, bestehen bleiben. daher einen Teil des verfügbaren Wissens Vorstellungen zu entsprechen. Gleichzeitig dass die Städte sich in Zukunft als zentra- zu diesem Thema zusammen und erörtert wurden „auf kommunaler Ebene (Land- ler Schauplatz für den Umgang mit Klima- Sozialwissenschaftler haben vielfach die die Herausforderungen für die Lokalpolitik und Stadtgemeinden) sowie auf Ebene der wandelthemen erweisen werden, besteht Vorstellung in Frage gestellt, dass sich und bei der Bürgerbeteiligung, welche die Verwaltungsdistrikte und Regionen (Pro- weitgehend Einigkeit. postkommunistische Regionen und Städte MOE-Länder zukünftig meistern müssen, vinzen) lokale Verwaltungen eingerichtet“ 14 15
(Illner 2002: 10). Diese wiederum wiesen Budgets vollständig vom Zentralstaat diesen Prozess einige besondere Altlasten führte zu grundlegenden Veränderungen der eine Organisationsstruktur auf, die aus „ei- bestimmt wurden entstanden sind. Die Politik, die unter der Struktur wirtschaftlicher und politischer Ins- ner gewählten Versammlung, einem von kommunistischen Planwirtschaft betrieben titutionen in den MOE-Ländern. Dabei han- dieser Versammlung gewählten Exekutiv- • Fehlen von sektorenübergreifender wurde, habe „eine Trennung der privaten delte es sich allerdings nicht unbedingt um ausschuss mit einem Vorsitzenden, mehre- Kooperation und Integration zwischen und öffentlichen Sphäre“, begleitet von „ei- einen rationalen Prozess des Aufbaus neuer ren aus Abgeordneten zusammengesetzten den verschiedenen Abteilungen der nem weitverbreiteten Misstrauen gegenüber Institutionen, um das Ziel einer bestmögli- Komitees und einem Verwaltungsapparat“ Lokalpolitik und den entsprechenden den Institutionen sowie gegenüber jeglicher chen wirtschaftlichen Entwicklung zu er- bestand. Der Zentralregierung wurde bei Ministerien der Zentralregierung; die politischen Repräsentation und formalen reichen. Laut Stark (1996) ging es vielmehr praktisch allen Fragen mit gesetzlicher Re- vertikale Hierarchie führte dazu, dass Prozessen“ (Seite 14) verursacht. Diese Po- darum, „Organisationen und Institutionen levanz eine Vormachtstellung eingeräumt, es in vielen Bereichen Überschnei- litik habe auch zu einem „Widerwillen von- nicht auf den Ruinen, sondern mit den Ru- wohingegen regionalen Verwaltungsein- dungen gab, während andere nur in seiten eines Teils der Bürger, sich öffentlich inen des Kommunismus wiederaufzubauen” heiten meist ausschließlich praktische und ungenügendem Maße staatlicher Ver- zu engagieren und öffentliche Ämter zu be- (S. 995). Er argumentiert, dass aufgrund Dienstleistungsfunktionen zugestanden antwortung unterlagen kleiden“, geführt. Gleichzeitig gab es laut Ill- der einflussreichen „Ruinen“ des sozialis- wurden. Anhand der verfügbaren Literatur ner „einen Paternalismus, der sich durch den tischen Systems (in den Bereichen Handel, können folgende zentralen Merkmale der • Schrittweise Entstehung kommunaler Glauben daran auszeichnete, dass auswärti- Außenbeziehungen, Institutionen, Gesetze, kommunistischen Lokalpolitik ausgemacht Vetternwirtschaft als Ergebnis des ge Akteure sich um kommunale Bedürfnisse Personal und Netzwerke zwischen Betrie- werden: zunehmenden Einflusses von Wirt- kümmern würden und sollten, in der Regel ben) die wirtschaftliche Transformation als schaftsunternehmen sowie erstarkende in Gestalt höher stehender Autoritäten“, pfadabhängig charakterisiert werden kann. • Fehlen jeglicher Art von Rechen- Bedeutung von Netzwerken, Verhand- wozu sich „ein weitverbreitetes Gefühl der Dies ist jedoch keine deterministische Ver- schaftspflicht und Demokratie; die lungen und informellem wirtschaft- dauerhaften Benachteiligung und einer von laufsbahn, da die Akteure im Transformati- formalen Regionalwahlen wurden lichem Austausch; dies führte dazu, den Behörden vernachlässigten Gemeinde“ onsprozess durch bestehende institutionelle hauptsächlich aus Gründen der dass einige Akteure anderen gegenüber (ebd.) gesellte. Insgesamt kann man zu dem Ressourcen eingeschränkt sind. Infolge- Imagepflege abgehalten, nicht jedoch privilegiert waren und dass effektives Schluss gelangen, dass in den kommunalen dessen wurden manche Handlungsverläufe zur Förderung erwähnenswerter de- Handeln auf lokaler Ebene durch die Gemeinschaften der meisten MOE-Länder und Spielräume begrenzt, während andere Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden mokratischer Prozesse Fähigkeit Einzelner und von Betrieben zum Ende des Kommunismus eine Kultur begünstigt wurden. geprägt war, die Gunst der politischen proaktiver kommunaler Bürgerbeteiligung • Bündelung aller praktischen Befug- Eliten zu gewinnen, welche Verbin- fehlte. Wenn auch bereits in den späten Die lokalpolitischen Strategien, die von den nisse hinsichtlich der Zuteilung von dungen zu Unternehmen und zur Kom- 1980er Jahren eine nicht staatlich gesteuerte MOE-Ländern während der Übergangs- Funktionen und der Personalpolitik munistischen Partei unterhielten Umweltbewegung aufkeimte, war es für die phase verfolgt wurden, waren sehr unter- bei der Kommunistischen Partei; Bürger schwierig, bei kommunalen Themen schiedlich. Insgesamt lässt sich jedoch ein somit wurden alle Beamten, die der • Divergenz der Lebensbedingungen gemeinschaftliche Interessen zu formulieren weit verbreiteter Prozess der politischen Direktion unterstanden, von den zwischen den verschiedenen Nationen und die Behörden durch proaktive Lobbyar- und administrativen Dezentralisierung be- jeweiligen Regierungsstrukturen kon- nach 1960 als Ergebnis der von den beit zu Änderungen zu bewegen. obachten. Die Wurzeln dieser strukturellen trolliert, und es bestand eine starre einzelnen Ländern unternommenen Bewegung können bis in die 1980er Jahre vertikale Hierarchie zwischen allen Reformen (frühe 1960er Jahre in der Postkommunistische zurückverfolgt werden, als lokalpolitisches Verwaltungsebenen Tschechoslowakei, frühe 1970er Jahre Dezentralisierungsprozesse: Handeln in Ländern wie Polen zu einem in Polen und Jugoslawien und frühe Herausforderungen und Dilemmas zentralen Thema für den politischen Wi- • Unzureichende wirtschaftliche Auto- 1980er Jahre in Ungarn). derstand wurde. Trotz der oben genannten nomie lokaler Behörden, die über kei- Der postkommunistische Umstrukturie- Faktoren, wie beispielsweise die insgesamt nerlei Eigentum verfügten und deren Illner (2002) geht davon aus, dass durch rungsprozess, der 1990 begonnen hatte, nur schwache Entwicklung einer politi- 16 17
schen Graswurzelkultur, wünschten sich sierung zugunsten der kommunalen Ebene Nordmoldawien, der Tiefebene im Südos- und Stadtentwicklungsstrategien sowie mit die Bürger im Allgemeinen, dass ihre Re- (besonders auf dem Balkan). ten Rumäniens und Nordzentralbulgarien). nationalen Bauvorschriften und -standards gierungen der kommunalen Ebene größere koordiniert. Hierzu wurden verschiedene Op- Entscheidungsgewalt einräumten. Diese Diese Veränderungen wurden gleichzeitig Kommunale Klimaschutzpolitik tionen für den Aufbau von Energienetzwer- Erwartungen gingen teilweise auf vorkom- mit der umfassenden Transformation der im Wandel ken angeboten (siehe GEF/UNDP 2004). munistische Nostalgie zurück, denn das Städte nach dem Ende des Kommunis- Kaisertum Österreich, das Deutsche Reich mus durchgeführt. Der Zusammenbruch Die postkommunistischen Veränderungen Einige kommunale Behörden der MOE- und in geringerem Ausmaß das Osmanische des von der Planwirtschaft favorisierten führten zu wichtigen Reformentscheidun- Länder waren auch an Programmen zur Reich, die diesen Teil der Welt beherrschten, Landzuteilungs- und Stadtplanungskon- gen über die Organisation der Netzinf- Nachrüstung des kommunalen Baube- hatten umfassende und funktionale lokale zepts führte zur schnellen Entstehung von rastruktur des Energiesektors sowie der stands sowie an Energieeffizienzmaßnah- Verwaltungssysteme aufgebaut. vorstädtischen Wohn- und Gewerbegebie- wirtschaftlichen Beziehungen und der Ge- men und Energiemanagementprojekten ten und zur Ausuferung der Ballungsräu- setzgebungssysteme. Die meisten MOE- beteiligt, welche durch energetische Über- Hinsichtlich der Dezentralisierungspolitik me. Auch die Dezentralisierungspolitik Länder entwickelten – teilweise auf Druck prüfungen der städtischen Gebäude und befolgten die meisten Länder das grund- leistete hierzu ihren Beitrag. Außerdem der EU – aufwändige Programme zur För- Projekte zur Verbesserung der Energieef- legende Prinzip der Schaffung kleiner fand in den meisten Ländern eine generel- derung der Energieeffizienz, um die Altlas- fizienz ergänzt wurden. In ihrer Rolle als lokalpolitischer Einheiten, die die histori- le Umstrukturierung des urbanen Systems ten des Kommunismus in diesem Bereich Energieproduzenten und -versorger fördern schen Gegebenheiten und die Wünsche der statt, wobei sich die Hauptstädte bzw. die in den Griff zu bekommen. Diese Strate- Städte und Regionen Themen wie die Ef- ortsansässigen Bevölkerung berücksichti- Zentren erfolgreicher Regionen auf Kos- gien führten zu deutlichen Verbesserungen fizienz der Wärme- und Stromerzeugung gen sollten. Ungarn, das bereits Ende der ten vieler kleiner und mittelgroßer Städte der Energienutzungseffizienz, insbesonde- (insbesondere durch Fernheizung) und die 1990er Jahre ein entsprechendes erfolg- in weniger wohlhabenden Regionen im- re bei Wohngebäuden. In Kombination mit Nutzung erneuerbarer Energien. Eine zent- reiches System eingeführt hatte, war in mer weiter ausdehnten. Dieses Phänomen der starken Reduzierung des industriellen rale Rolle spielen hier die Verringerung der dieser Hinsicht wohl am erfolgreichsten. wurde durch die ungleichmäßige geogra- Energieverbrauchs infolge des allgemeinen Energietransport- und Verteilungsverluste Andere mitteleuropäische Länder folgten fische Verteilung des Übergangsprozesses industriellen Abbaus konnten die meisten (da die meisten dieser Netze Eigentum der auf dem Fuß. Ein Hauptproblem waren begünstigt, was zu einer Konzentration MOE-Länder bedeutende Erfolge bei der Gemeinden sind) (ebd.). Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden allerdings die ungenügenden Kapazitäten wertschöpfungsintensiver Industrie- und Steigerung der Energieeffizienz verzeich- auf der mittleren Regierungsebene: Den Dienstleistungsbranchen in einer begrenz- nen (siehe Ürge-Vorsatz et al. 2006). Typische Maßnahmen im Bereich der Bür- Lokalverwaltungen mangelte es häufig an ten Anzahl von Ballungsräumen und Me- gerbeteiligung sind hierbei die Verbreitung Ressourcen, an demokratischen Struktu- tropolen führte. „Gewinnerstädte” (wie Die Gemeinden nehmen beim Umgang mit von Informationen über die Vorteile von In- ren oder an beidem. Ebenso präsent war z. B. Prag, Budapest, Warschau, Krakau, Klimaschutzthemen in den MOE-Ländern vestitionen in Energieeffizienzmaßnahmen aufgrund der extrem hohen Anzahl von Ljubljana, Bratislava, Bukarest, Timisoa- zunehmend eine Führungsrolle ein. Ein und Kampagnen zu den Möglichkeiten effi- Gemeinden in einigen Ländern das The- ra, Sofia) erfuhren auch eine dynamische zentrales Element stellt dafür die Ausar- zienterer Energienutzung. Einige Gemein- ma der politischen und wirtschaftlichen Reurbanisierung und Erholung ihrer In- beitung kommunaler Energiestrategien und deräte haben auch Demonstrationsmaß- Fragmentierung. An der Lösung dieses nenstädte, während die Auswirkungen des -pläne als Schlüsselkomponenten regionaler nahmen eingeleitet, bei denen die Vorteile Problems wird noch immer gearbeitet. industriellen Niedergangs und die Bevölke- und kommunaler Strategien zur nachhaltigen von effizienter Energienutzung aufgezeigt Während in einigen Ländern (besonders rungsabwanderung in „Verliererregionen“ Entwicklung von Regionen und Städten dar. werden und gleichzeitig praktische Mög- in Mitteleuropa) weiterhin eine mittlere am stärksten sichtbar wurden (wie z. B. in Außerdem haben viele Gemeinden in MOE- lichkeiten und Instrumente zur Erreichung Regierungsebene mit reibungsloser Funk- Ostpolen, Nordböhmen und Nordmähren in Ländern Energieprogramme und Aktions- dieser Ziele angeboten werden. Manche tion und klarem Zuständigkeitsbereich der Tschechischen Republik, in der Großen pläne ausgearbeitet, um Klimaschutz- und Gemeinden bieten Beratungsdienstleistun- fehlt, mangelt es in anderen immer noch Ungarischen Tiefebene und Nordungarn, Energiesicherheitsthemen anzugehen. Diese gen für die Durchführung von Energieeffi- an fiskalischer und politischer Dezentrali- Ost- und Südserbien, Nordostslowenien, wurden mit großflächig angelegten Raum- zienzprojekten an (ebd.). 18 19
Wenn auch die Auflistung der oben ge- Behörden nicht in den Griff bekommen tung zu dessen Eignung für die Beteiligung schaftlichen Organisationen, der Unterneh- nannten Maßnahmen keinerlei Anspruch wollten oder konnten. In der Tschechischen der Bürger abzugeben. Klar ist allerdings, men und der Öffentlichkeit zu stärken. auf Vollständigkeit erhebt, wird man wohl Republik beispielsweise wurden auf Ge- dass die Energiepolitik in den MOE-Län- Adger, Neil (2001) Scales of governance and environmental Mühe haben, eine Kommune zu finden, die heiß der Vorstadtgemeinden, die es darauf dern zunehmend auf die kommunale und justice for adaptation and mitigation of climate change. Journal of International Development, Bd. 13, S. 921–931. alle genannten Maßnahmen umgesetzt hat. abgesehen hatten, mehr Menschen anzu- regionale Ebene übertragen wird. Es wird Bulkeley, Harriet und Kern, Kristine (2006) Local Government In der Regel hindert das Fehlen wirtschaft- ziehen und damit ihre Steuereinnahmen zu momentan de facto ein vollständiger rechtli- and the Governing of Climate Change in Germany and the licher Ressourcen und effektiver politischer erhöhen, tausende Satellitenstädte gebaut – cher Rahmen geschaffen, der diesen Prozess UK. Urban Studies, Bd. 43, Nr. 12, S. 2237–2259. Zuständigkeiten die Gemeinden daran, im mit all ihren negativen Langzeitfolgen für stützt. Vor dem Hintergrund der geringfügi- Global Environment Facility / United Nations Development Programme (GEF / UNDP) (2004) Municipal Energy Planning: Bereich der lokalen Energieeffizienz und den Klimaschutz bzw. die Anpassung an gen finanziellen und gesetzgeberischen Mit- Guide for Decision-Makers and Experts. Sofia: EnEffect. des Klimaschutzes vollumfänglich zu han- den Klimawandel. In Kombination mit den spracherechte der regionalen Verwaltungen Illner, Michal (2002) Territorial decentralization: An obstacle to deln. Zudem hat das Zusammenspiel von unklaren Zuständigkeiten der kommunalen sowie der problematischen fragmentierten democratic reform in Central and Eastern Europe? In Kimball, Jonathan (Hrsg.) The Transfer of Power: Decentralization rigider nationaler Politik und inadäquater Behörden führte dieser Umstand dazu, dass Verantwortung auf kommunaler Ebene in Central and Eastern Europe, S. 7–42. Budapest: Local Gesetzgebung oft Bedingungen geschaffen, die weiter reichenden Konsequenzen nicht zeigt sich, dass bedeutende Kapazitäten Government and Public Service Reform Initiative. die es kommunalen Behörden unmöglich überprüft wurden. aufgebaut werden müssen, um die admi- Poputoaia, Diana und Bouzarovski, Stefan (2010) Regulating district heating in Romania: legislative challenges and energy machen, auf infrastrukturelle und technolo- nistrativen Kompetenzen, die institutionelle efficiency barriers. Energy Policy, Bd. 38, S. 3820–3829. gische Systeme, die ihrer Gesetzgebungsge- Schlussfolgerung Transparenz sowie die Demokratiefähigkeit Stark, David (1996) Recombinant property in East European capi- walt unterstehen, einzuwirken. Dies tritt im der kommunalen Behörden, der zivilgesell- talism. American Journal of Sociology, Bd. 101, Nr. 4, S. 993–1027. Bereich Fernwärme vielleicht am deutlichs- Dieser Text hat aufgezeigt, auf welche Wei- ten zutage. Diese Technologie ist, obwohl se in den MOE-Ländern die Auswirkungen sie eine höchst nachhaltige Methode zur der kommunistischen Vergangenheit auf Beheizung von Wohngebäuden darstellt, in die Führung der kommunalen Verwaltung vielen MOE-Ländern im Rückgang begrif- sowie die gegenwärtigen Fähigkeiten der fen (insbesondere in Südosteuropa, wo die lokalen Behörden zur Politikgestaltung Netze oft in selbstverstärkende Trends der berücksichtigt werden müssen, wenn auf Abkopplung geraten sind). Die Probleme das Ziel einer kohlenstoffarmen Zukunft mit Fernheizungsnetzen sind ein typisches hingearbeitet wird. Es besteht kein Zwei- Beispiel für technologisches Erbe von der- fel daran, dass sich die Herausforderungen, lei Infrastruktur sowie für die Unfähigkeit die der postkommunistische Umstrukturie- von Gemeindeverwaltungen (die oft Eigen- rungsprozess mit sich brachte, auf die „ins- tümer dieser Netze sind), effektive Mittel titutionellen und ökonomischen Parameter, zur Beteiligung der Bürger anzubieten (Po- [welche] die zugrunde liegende Verwund- putoaia und Bouzarovski 2010). barkeit und Anpassungsfähigkeit der Ge- sellschaft determinieren“, auswirken, und Ein weiterer Fall, in dem Gemeinden in zwar in Form von „Eingriffen und geplan- den MOE-Ländern Schwierigkeiten hat- ten Anpassungen in geeigneter Größenord- ten, auf öffentliche Belange einzuwirken, nung“ (Adger 2001: 921). ist die Raumplanung. Die Städte litten oft © Mesto Koprivnice unter Zersiedelungsdynamiken und dem Angesichts der Diversität des öffentlichen innerstädtischen Verfall infolge von über- städtischen Raums in Mittel- und Osteuro- geordneten Prozessen, die die kommunalen pa ist es schwierig, eine allgemeine Bewer- 20 21
Den Bürgern entgegengehen: Verschiedene Modelle Der vielfältige, nuancierte Diskurs zur Bürgerengagements mit Bürgerrechten ver- und Konzepte der Bürgerbeteiligung Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger knüpft werden. Diese gelten gemeinhin als zeichnet sich durch zwei Extrempositionen eine grundlegende, auf den Menschenrech- ANDREAS KARSTEN aus: Pessimistische Stimmen argumentie- ten beruhende Dimension der Demokratie Frankly Speaking ren, dass die Bürger die Zukunft der De- und werden durch (das Recht auf) aktive mokratie aufs Spiel setzen, indem sie den Partizipation gesetzlich verbrieft (Council demokratischen Institutionen den Rücken of Europe 2005: 99). kehren, wie es sich etwa an der abneh- Partizipation wird weithin als ein wesent- bewirken. Gleichzeitig ist man dazu ge- menden Wahlbeteiligung abzeichnet. Die Das zentrale Paradox bleibt jedoch unge- liches, wenn nicht als das wichtigste Prin- neigt, der Bürgerbeteiligung die Verant- optimistischere Schlussfolgerung hingegen löst: Verschärft durch die Notwendigkeit, zip heutiger Demokratien angesehen. Die wortung für die Wiedereinbindung von wird durch die Globalisierungsbewegung die wachsende kulturelle Diversität in Eu- Demokratie hat in Europa offenbar einen politisch Entrechteten zuzuschieben, wobei illustriert: Die Formen der Bürgerbeteili- ropas pluralistischen Demokratien zu integ- bedeutenden Punkt in ihrer Entwicklung gerne übersehen wird, dass die Mechanis- gung bewegen sich hin zu neuen Mustern rieren, gehen die immer vielfältiger werden- erreicht. Sie wird auf dem ganzen Kon- men der Ausgrenzung weit über den politi- von Bürgerintervention und Engagement. den Schauplätze des politischen Diskurses tinent weithin akzeptiert und praktiziert, schen Bereich hinausreichen. mit dem offensichtlichen Fehlen einer stärke- sieht sich aber gleichzeitig mit zunehmend Die zugrundeliegenden Fragen zur Bezie- ren demokratischen Beteiligung einher bzw. verbreitetem Misstrauen und zurückgehen- Eingebettet in dieses Dilemma veranschau- hung zwischen Demokratie und Bürgern werden damit konfrontiert. Dadurch wird der Wahlbeteiligung konfrontiert (Pratchett licht die Partizipation junger Bürgerinnen (und zur Beziehung zwischen demokrati- wiederum die Legitimität der politischen und Lowndes 2004: 3). und Bürger ein weiteres Paradox – insbe- schen Institutionen und Bürgerorganisati- Institutionen bedroht, die ganz offenbar von sondere im Lichte der neuesten Demonst- onen) prägen die verschiedenen Konzepte ihrer sozialen Umgebung abgekoppelt sind. Die zurückgehende Teilnahme an formel- rationen junger Menschen in ganz Europa, und Systeme der Bürger- und Jugendbe- len politischen Institutionen erreicht viel von Spanien und Portugal bis zu Großbri- teiligung, die in diesem Kapitel vorgestellt Ob und wie dieses Dilemma in der Theo- Aufmerksamkeit und steht im Mittelpunkt tannien und Irland. Obwohl die Schau- werden, und fordern sie heraus. rie und in der Praxis gelöst werden kann, des öffentlichen Diskurses über die Wahr- plätze des Engagements von Jugendlichen ist eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden nehmung und Wirklichkeit des wachsenden zahlreicher scheinen als je zuvor, würde Die vielfältigen Konzepte beleuchten die – für den Klimaschutz und darüber hinaus. Demokratiedefizits in jungen wie in etab- wohl kaum jemand behaupten, dass da- Anforderungen an demokratische Instituti- Bridgland Sorensen macht dazu folgende lierten Demokratien. In den Fußstapfen der durch die politischen Mitspracherechte onen, welche auf die Anliegen und Forde- Beobachtung: Globalisierung verändern sich die Struktu- junger Menschen gestärkt wurden (Forbrig rungen der Bürger im allgemeinen und auf ren des politischen Engagements und be- 2005: 7). die junger Leute im speziellen eingehen Es ist nicht mehr angemessen, Partizi- wegen sich dabei auf Themen zu, die au- sollen, sowie die Aufforderung an die Bür- pation lediglich im Sinne von „Parti- ßerhalb der Kontrolle von Nationalstaaten Zwangsläufig zielen die Klagen über den ger, sich an politischen Prozessen, die über zipationskomponenten” zu verstehen, liegen, während die Legitimation der tradi- dramatischen Rückgang des politischen unmittelbare Interessen hinausgehen, zu wie es in zahlreichen Publikationen tionellen Institutionen und Formen der De- Engagements häufig auf junge Menschen beteiligen – eine Beziehung, die auf beiden wiederholt wird und während der letz- mokratie zunehmend in Frage gestellt wird. ab. Auch deshalb rücken viele Partizipati- Seiten von Defiziten gekennzeichnet ist. ten zwanzig Jahre allgemein verbreitet onsmodelle die Einbeziehung von Kindern war. Die Mittel und Wege der Kom- Partizipation wird häufig als essentiell und Jugendlichen in den Mittelpunkt. Da- Wie in diesem Kapitel dargelegt, zielen munikation [von Bürgern] haben sich für jegliche politische Reaktion auf diese her stellt dieses Kapitel sowohl allgemeine die Konzepte der Bürger- und Jugendbe- fundamental verändert (2006: 135). Trends betrachtet, zumeist mit dem Bestre- Modelle zur Bürgerpartizipation als auch teiligung zunehmend darauf ab, die oben ben, die Rückkehr von vorher etablierten spezielle Modelle zur Partizipation von Ju- dargelegten inhärenten Widersprüche und Viele der später eingeführten Konzepte Formen des politischen Engagements zu gendlichen vor. Dilemmata aufzulösen, indem Fragen des und Modelle argumentieren, dass die Frage 22 23
nach Macht und Machtverteilung dem Ver- Die Leiter der Bürgerbeteiligung „bei der es denen, die den Begriff benutzen, ständnis der Bürgerpartizipation zu Grun- und denen, die ihn hören, warm ums Herz de liege. In diesem Sinne spricht vieles in Sherry Arnsteins Leiter der Bürgerbeteili- wird“ und die oft genutzt wird, um einen der aktuellen Forschung dafür, dass es eine gung, die 1969 im Journal of the American Mangel an Machtverteilung zu kaschieren. starke und direkte Beziehung gibt zwischen Planning Association veröffentlicht wurde, dem tatsächlichen partizipatorischen Ein- ist ein Klassiker und gilt als eine der ein- Als Reaktion darauf entwickelte White eine fluss der Bürger und ihrer Bereitschaft, bei flussreichsten Partizipationstheorien. Arn- Tabelle, um über den sehr dehnbaren Begriff politischen Prozessen mitzuwirken (Laurit- stein gründet ihre Theorie auf die Aussage, „Partizipation“ hinauszugehen. Die Tabelle zen 2005: 5). dass Bürgerbeteiligung Bürgermacht ist, betrachtet die Verschiedenheit der Funkti- und argumentiert, dass es ohne die Auftei- onen und Interessen anhand von vier Arten Infolgedessen wurde begonnen kritische lung und Neuverteilung von Macht keine Fragen zu stellen: Inwiefern bieten die Partizipation geben kann. derzeit institutionalisierten Strukturen und Institutionen den Bürgern Partizipa- Die von Arnstein entwickelte Leiter der Leiter der Bürgerbeteiligung, Sherry Arnstein 1969. tionsmöglichkeiten? Bieten sie ehrliche Bürgerbeteiligung weist acht verschiedene Möglichkeiten zur Verteilung von Macht Stufen auf, die wiederum in drei Gruppen schwichtigung (Alibipolitik) und drittens und zur Aushandlung der „Koproduktion“ unterteilt sind: Erstens Manipulation und Partnerschaft, Machtdelegation und Bür- Typologie der Partizipation, Sarah White 1996. wichtiger politischer Maßnahmen mit den Therapie (Nicht-Partizipation), zweitens gerkontrolle (Bürgermacht). Bürgern? Information und Anhörung sowie Be- Arnsteins Typologie der acht Stufen gilt der Partizipation (nominal, instrumental, re- Oft wird verlangt, es solle endlich sicher- als entscheidende Theorie für die Konst- präsentativ und transformativ). Sie stellt die gestellt werden, dass es sich um eine ruktion, Analyse und Erörterung von par- These auf, dass nahezu alle Projekte im Lau- ernstgemeinte Einladung zur Beteiligung tizipatorischer Politik sowie deren Heran- fe der Zeit typischerweise eine Mischung handelt: gehensweise und Methoden – trotz einiger aus Funktionen und Interessen und somit Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden berechtigter Kritik, vor allem an der hier- aus bestimmten Arten der Partizipation auf- … echte Partizipation geht einher mit archischen und sequentiellen Natur dieses weisen. Quelle: Sarah White 1996 Inklusion, bei der das System zur Er- Modells, die suggeriert, dass Partizipation möglichung von Partizipation geän- in einer speziellen hierarchischen Rangfol- Partizipationsstufen dert wird, anstatt mit Integration, bei ge konstruiert werden kann und dass sie in der die Partizipation auf vorher defi- einer bestimmten Abfolge auftritt. Phil Treseder nimmt Abstand von der Lei- nierte Art und Weise in vordefinierten Quelle: Sherry Arnstein 1969. termetapher und geht damit auf einige der Strukturen abläuft. (Percy-Smith und häufigsten Kritikpunkte an diesem Modell Malone 2001: 18) Typologie der Partizipation ein. Er stellt dar, dass es weder zwangsläu- fig einer progressiven Hierarchie noch einer Auch wenn sich diese Argumentationswei- Sarah White hat eine Typologie der Parti- speziellen Abfolge bedarf, um Partizipation se in den Theorien, Modellen und Systemen zipation entwickelt, um deutlich zu machen, zu gestalten. Treseder argumentiert weiter, zur Bürgerbeteiligung und Partizipation dass Strategien zur Bürgerbeteiligung von dass der Beteiligung von Kindern und Ju- von Jugendlichen noch nicht vollständig Spannungen um Akteure, Begriffe und Macht gendlichen keine Grenzen gesetzt werden Poster eines französischen Studenten, 1968. Auf Deutsch wiederfindet, zeigt sie doch die eingeschla- bestimmt werden. Sie stellt fest, dass Partizi- müssen und sollen, dass aber Kinder und lautet es: „Ich beteilige mich, du beteiligst dich, er beteiligt gene Richtung an. sich, wir beteiligen uns, ihr beteiligt euch … sie profitieren“. pation zu einer leeren Phrase geworden ist, Jugendliche andererseits auch nicht in der 24 25
und zu stärken. Davidson präsentiert das Rad der Partizipation junger Menschen heraus- als einen innovativen Ansatz zur Konzeptua- finden und dann verstärken soll. Mithilfe lisierung des Einbindungsprozesses, mit dem dieser Fragen und durch die Kombination Ziel, die Bürgerbeteiligung neu zu beleben. von Partizipationsebenen mit Verbindlich- Quelle: Scott Davidson 1998. keitsphasen entsteht aus seinem Modell ein hierarchisch aufgebautes Ablaufdiagramm. Pfade zur Partizipation Quelle: Harry Shier 2001. Harry Shiers Pfaddiagramm identifiziert Gitter der Jugendpartizipation fünf Partizipationsebenen, von (1) Kindern wird zugehört, bis zu (5) Kinder haben an Clare Lardner nimmt Bezug auf Phil Tre- Macht und Verantwortung teil. Auf jeder seders fünf Stufen der Partizipation und Ebene gibt das Modell drei Phasen mit zu- David Hodgsons fünf Bedingungen der nehmender Verbindlichkeit vor: Eröffnun- Jugendpartizipation. Sie erstellt ein Git- gen („openings“), Möglichkeiten („opportu- ter, mit dem der Grad der Befähigung und Partizipationsstufen, Phil Tresender 1997. nities“) und Verpflichtungen („obligations“). Unterstützung analysiert und bewertet werden soll, den verschiedene Herange- Lage sind, sich mittels selbst initiierter und Das Partizipationsrad Harry Shier nennt für jede Ebene und jede hensweisen und Partizipationsmethoden geleiteter Projekte zu engagieren. Vielmehr Phase eine Frage, die zunächst die Ebene bieten. müssen sie in angemessener Form befähigt Scott Davidson hat das Partizipationsrad und unterstützt werden, um sich voll ein- für und mit dem South Lanarkshire Coun- bringen zu können. cil entworfen, um verschiedene Ebenen der Bürgerpartizipation für die Planung und Ent- Treseders Modell baut auf Hodgsons fünf wicklung auf Gemeindeebene festzulegen Bürgerbeteiligung im kommunalen Klimaschutz – Antworten europäischer Städte und Gemeinden Bedingungen auf, die alle erfüllt sein müs- sen, wenn die Partizipation von Jugendli- chen sowie deren Befähigung und Unter- stützung gelingen soll. Sein Modell sieht vor, dass junge Menschen erstens Zugang zu den Machthabenden und zweitens zu entsprechenden Informationen erhalten müssen, drittens eine tatsächliche Auswahl zwischen verschiedenen Optionen vorhan- den sein muss, dass sie viertens von einer unabhängigen Vertrauensperson unterstützt werden müssen und dass es fünftens einen Petitions- oder Beschwerdeweg für den Fall geben muss, dass Probleme auftreten (Ho- dgson 1995). Quelle: Phil Treseder und Lina Fajerman 1997. Partizipationsrad, Scott Davidson 1998. Pfade zur Partizipation, Harry Shier 2001. 26 27
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