Umstrittener Freihandel mit Malaysia
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
NUMMER 54 | Sommer 2014 Globalisierung und Nord / Süd-Politik Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks | www.alliancesud.ch Umstrittener Freihandel mit Malaysia Klimaschutz : Mit Ent- Ursula Haller: « Moral New ODA: Was zählt wicklungsgeld bezahlt kommt vor Fressen » als Entwicklungshilfe ?
Kurz notiert Ringen um Post-2015-Agenda pflichten, dafür zu sorgen, dass Firmen auch die Versorgung von Kantinen, Spitälern, ns. An einem informellen Treffen diskutier- ausserhalb ihres Sitzstaats Verantwortung Schulen usw. sicherstellen und Kleinbau- te die Open Working Group Anfang Juni den für ihre Tätigkeit übernehmen. Die 2011 ver- ern fördern und damit das Recht auf Nah- ersten « Zero-Draft » der Post-2015-Agenda abschiedeten Uno-Leitlinien für Wirtschaft rung auf der Konsumenten- wie auch Pro der Uno für nachhaltige Entwicklung. Zur und Menschenrechte konnten bis jetzt nicht duzentenseite garantieren. Vorausgesetzt, Debatte stehen die übergeordneten Prin- verhindern, dass Multis weiterhin straflos man ist bereit, zugunsten von Nachhaltig- zipien aus internationalen Verträgen, 16 agieren. Während der Session des Uno-Men- keit von rein ökonomischen Interessen Ab- Ziele mit ihren Unterzielen sowie noch we- schenrechtsrats im Juni in Genf wird eine stand zu nehmen. http://bit.ly/1ka6Uxc nig strukturierte und heftig umstrittene Resolution deponiert, die verlangt, dass eine Vorschläge zu deren Umsetzung. Darunter intergouvernementale Arbeitsgruppe eine Ja zum AIA mit Hintergedanken sind auch die nicht realisierten Verpflich- neue Konvention ausarbeiten soll. Der Vor- mh. Der automatische Informationsaus- tungen der Geberländer aus dem achten stoss wird von mehr als 500 Organisationen tausch ( AIA ) zu Steuerzwecken setzt sich Millenniumsziel, wie eine gerechte Han- der Zivilgesellschaft unterstützt, darunter international durch. Mitte Mai hat der Bun- delsregulierung mit zoll- und quotenfreiem Alliance Sud. www.treatymovement.com desrat bekannt gegeben, wie er sich im Fall Marktzugang für die ärmsten Länder. Aber der Schweiz die Umsetzung vorstellt. Leider auch Massnahmen zur Vermeidung von «Soziale Gerechtigkeit kaufen» will er die Entwicklungsländer vom neuen Preisschwankungen auf Nahrungsmitteln, dh. Vor seinem Rücktritt Ende Mai hat Olivier Standard ausschliessen. Sein Mandatsent- zur Regulierung von unlauteren Finanzflüs- De Schutter, Uno-Sonderberichterstatter für wurf sieht die Einführung des AIA nur ge- sen oder internationaler Steuervermeidung. das Recht auf Nahrung, eine denkwürdige genüber solchen Staaten vor, « mit denen Und – als Novum – der Vorschlag eines blan- Studie zur Wechselwirkung zwischen dem enge wirtschaftliche und politische Bezie- ko Zielrahmens, der nach der Klimakonfe- Recht auf Nahrung und dem öffentlichen hungen bestehen ». Zu berücksichtigen seien renz COP21 deren Ergebnisse aufnehmen soll. Beschaffungswesen publiziert. Im Wissen ausserdem Länder, die « für die Schweizer darum, dass auch in Entwicklungsländern Finanzindustrie als wichtig und zukunfts- Uno : Internationaler Vertrag zu Multis rund 10 Prozent des Nationaleinkommens weisend erachtet werden ». Will heissen: Die me. Eine Gruppe von 85 Entwicklungslän- in das öffentliche Beschaffungswesen flies- Schweiz soll den AIA nur Ländern anbieten, dern, angeführt von Uruguay und Südafri- sen, lenkt De Schutter den Blick auf die loka- die ihr sonst wirtschaftlich oder politisch ka, will verbindliche Regeln für Multis. Ein le Nahrungsmittelproduktion. Eine gezielte schaden könnten. Entwicklungspolitische internationaler Vertrag soll die Staaten ver- öffentliche Beschaffung kann gleichzeitig Überlegungen sind dem Bundesrat egal. Impressum Alliance Sud auf einen Blick GLOBAL + erscheint viermal jährlich. Präsidium – Konzerne Hugo Fasel, Direktor Caritas Schweiz Herausgeberin : Michel Egger, Tel. 021 612 00 98 Alliance Sud Geschäftsstelle michel.egger@alliancesud.ch Arbeitsgemeinschaft Peter Niggli ( Geschäftsleiter ) Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Kathrin Spichiger, Rosa Amelia Fierro – Medien und Kommunikation Helvetas | Caritas | Heks Monbijoustrasse 31, Postfach 6735, 3001 Bern Daniel Hitzig, Tel. 031 390 93 34 E-Mail : globalplus@alliancesud.ch Tel. 031 390 93 30 daniel.hitzig@alliancesud.ch Website : www.alliancesud.ch Fax 031 390 93 31 Social Media: facebook.com/alliancesud, E-Mail : mail@alliancesud.ch InfoDoc Bern twitter.com/AllianceSud Jris Bertschi / Emanuela Tognola / Entwicklungspolitik Emanuel Zeiter Redaktion : – E ntwicklungszusammenarbeit : Tel. 031 390 93 37 Daniel Hitzig ( dh ), Kathrin Spichiger ( ks ), Nina Schneider ( bis 30.6. ), dokumentation@alliancesud.ch Tel. 031 390 93 34/30 Eva Schmassmann ( ab 1.9. ) Bildredaktion : Tel. 031 390 93 40 Regionalstelle Lausanne Nicole Aeby nina.schneider@alliancesud.ch Isolda Agazzi / Michel Egger Tel. 021 612 00 95 / Fax 021 612 00 99 Grafik : Clerici Partner Design, Zürich – Finanz- und Steuerpolitik lausanne@alliancesud.ch Druck : s+z : gutzumdruck, Brig Mark Herkenrath, Tel. 031 390 93 35 Auflage : 2400 mark.herkenrath@alliancesud.ch InfoDoc Lausanne Einzelpreis : Fr. 7.50 Pierre Flatt / Nicolas Bugnon / Jahresabo : Fr. 30.– – Umwelt- und Klimapolitik Amélie Vallotton Preisig Förderabo : mind. Fr. 50.– Nicole Werner ( bis 30.6. ), Jürg Staudenmann Tel. 021 612 00 86 Inseratepreise/Beilagen : auf Anfrage ( ab 1.9. ) Tel. 031 390 93 32 documentation@alliancesud.ch Bildnachweis Titelseite : Einen Steinwurf nicole.werner@alliancesud.ch von Slums in Kuala Lumpur ( Malaysia ) Regionalstelle Lugano entfernt ragen die Petronas-Türme – Handel Lavinia Sommaruga in die Höhe. © Mark Henley / Panos Isolda Agazzi, Tel. 021 612 00 97 Tel. 091 967 33 66 / Fax 091 966 02 46 Die nächste Ausgabe erscheint Anfang isolda.agazzi@alliancesud.ch lugano@alliancesud.ch Oktober 2014. 2 GLOBAL + Sommer 2014
Menschenrechte sind kein Geschenk, sondern Pflicht Seit 2002 wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Global Daniel Rihs Witness 908 Personen, die sich gegen den Zugriff von transnationalen Rohstoffunternehmen auf ihr Land oder die Abholzung ihrer Wälder ge- wehrt hatten, getötet. 2013 kamen nach dem neuen Global Rights Index des Internationa- len Gewerkschaftsbunds in 35 Ländern Lohnabhängige, die sich für an- ständige Löhne und Arbeitsbedingungen einsetzten, hinter Gitter ; in 9 Ländern wurden sie ermordet ; in 53 Ländern entlassen, weil sie ver- suchten, bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Sie büssten dafür, dass sie international verbriefte Arbeitsrechte beansprucht hatten. Berichte wie diese treffen bei uns Monat für Monat ein. Verantwort lich für die Menschenrechtsverletzungen sind in erster Linie die jeweiligen Regierungen. Entsprechend müssen Verbesserungen in den betroffenen Ländern erkämpft werden. Aber auch die Konzerne tragen Verantwortung: Sie könnten in ihrem Einflussbereich selber handeln. Niemand zwingt sie, die schwache Rechtslage von Kleinbauern oder Indigenen auszunutzen, um sich, in Komplizenschaft mit den Regierungen, Land unter den Nagel zu reissen, das Grundwasser zu verseuchen, Streiks niederschlagen zu las- sen oder Arbeitskräfte zu Hungerlöhnen zu beschäftigen. Seit 15 Jahren ist das ein Dauerthema – einige Tausend Unternehmen haben freiwillig Besserung versprochen. Die Menschenrechtsverletzungen gehen trotz- dem weiter – auch durch die « Freiwilligen ». Es gab deshalb in der Uno Bemühungen, ein globales verbindliches Regelwerk für alle transnationalen Unternehmen zu schaffen; es wurde Aus dem Inhalt vom International Chamber of Commerce ( ICC ) erfolgreich versenkt. Die seit 2011 geltenden Uno-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte fordern nun die einzelnen Staaten auf, aktiv zu werden und ihre trans- Freihandelsabkommen mit Malaysia nationalen Unternehmen auf die Menschenrechte zu verpflichten. Das 4 Aussenpolitik auf dem Prüfstand Bündnis « Recht ohne Grenzen » fasste 2012 mit einer Petition an Bundes- rat und Parlament nach und verlangte unter anderem, den Konzernlei- tungsorganen eine Sorgfaltspflicht und entsprechende Management Foto: © Michael Morgensen ( Tayacan ) / Panos systeme rechtlich vorzuschreiben. Nun legte der Bundesrat im Mai einen substanziellen Bericht dazu vor und skizziert vier Möglichkeiten, wie die Sorgfaltspflicht rechtlich verankert und ausgestaltet werden könnte. Alle zusammen genommen entsprächen dem Minimum dessen, was « Recht ohne Grenzen » verlangt. Die Regierung hütet sich allerdings, selber eine Empfehlung zu formulie- ren, sie überlässt die Initiative dem Parlament. Gewerbeverband und FDP lehnen verbindliche Regelungen vorsorglich ab – die FDP verlangt statt- dessen das internationale Regelwerk, das am Widerstand der Business- Klimagelder aus Entwicklungstöpfen Lobby gescheitert ist. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der 6 Schweiz spielt mit gezinkten Karten Bericht nicht zerpflückt und schubladisiert werden kann. Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud Interview mit Ursula Haller 8 «Handlungsbedarf steht ausser Frage» OECD sucht neue Bemessungsmethode 10 Entwicklungshilfe als Finanzakrobatik Vier Wechsel bei Alliance Sud 13 Abschied und Neubeginn GLOBAL + Sommer 2014 3
Freihandelsabkommen mit Malaysia Wie war das mit der Kohärenz der Aussenpolitik? Isolda Agazzi Im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation ( EFTA ) verhandelt die Schweiz über ein Abkommen mit Malaysia. Themen müssten auch die Rechte der Urbevölkerung, die Umweltzerstörung und die grassierende Korruption sein. Foto : © Ian Teh / Panos Seit knapp zwei Jahren hat Malaysia in Nusajaya im Bundesstaat Johor auch ein Legoland. Es ist das erste in Asien. Die Gegend wurde in den letzten Jahren massiv entwickelt. « Die Schweizer Freihandelsabkommen basieren vor allem auf Vertragsverhandlungen mit Malaysia gegeben. Und dabei wirtschaftlichen Kriterien. Im Rahmen der Überlegungen des unterstrichen, das Parlament erwarte, dass Malaysia zuerst Bundesrats zu einer kohärenten Aussenpolitik werden auch so- den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und ziale, Umweltfragen und menschenrechtliche Normen ange- kulturelle Rechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche sprochen. Auf Letztere wird in der Präambel des Vertrags Bezug und politische Rechte sowie die acht Hauptkonventionen der genommen, sie hat jedoch keinen bindenden Charakter. Die Internationalen Arbeitsorganisation ( ILO ) ratifiziere. Die APK Menschenrechte müssen vor allem im Rahmen des Uno-Men- verlangte auch, dass das Abkommen mit Malaysia ein Kapitel schenrechtsrats thematisiert werden, dieser ist das am besten über nachhaltige Entwicklung enthalte. Bedingungen also, geeignete Instrument für diese Fragen. » So äusserte sich Didier die weiter gehen als die Verhandlungsmandate mit zahlreichen Chambovey, Leiter des Bereichs Welthandel im Staatssekreta- anderen Entwicklungsländern. 1 riat für Wirtschaft ( Seco ), an einem Treffen mit malaiischen NGOs, dem Bruno Manser Fonds, der Gesellschaft für bedrohte Diskriminierende Wirtschaftspolitik Völker und Alliance Sud. « Bis 2020 will Malaysia zu den Industrieländern gehören. Es hat 2009 hatte die Schweiz unter anderen auch Kuala Lumpur viele Fortschritte erzielt, aber im Bereich der Menschenrechte, aufgefordert, die Rechte der Urbevölkerung zu garantieren. Dies der Urbevölkerung und der Minderheiten gibt es noch sehr viel geschah im Rahmen der alle vier Jahre durchgeführten Über- aufzuholen », bestätigt Bala Chelliah von der malaiischen NGO prüfung seiner Mitgliedsländer durch den Uno-Menschen- SUARAM in Genf. Er verweist auf die 1971 lancierte Neue Wirt- rechtsrat. 2012 hatte die Aussenpolitische Kommission des Na- schaftspolitik, die explizit die ethnischen Malaien fördert und tionalrats ( APK ) grünes Licht für die Aufnahme von Freihandels- mit den Jahren zu einem Instrument der Diskriminierung der 4 GLOBAL + Sommer 2014
china- und indienstämmigen Bevölkerung Malaysias geworden auf Platz vier bei den illegalen Finanzflüssen ( 370 Millionen ist. Für Chelliah werden nicht die einfachen Leute von diesem US-Dollar ). Taib Mahmud, der Gouverneur von Sarawak, hat Abkommen profitieren, sondern die Eliten – also die Malaien während dreissig Jahren die Konzessionen und Exportlizenzen und deren Verbündete – , die an der Macht sind und die Unter- zur Nutzung des Regenwalds kontrolliert, seit 2011 ist eine Un- nehmen besitzen. Auf offenen Märkten werden die Malaien be- tersuchung der Anti-Korruptions-Kommission ( MACC ) gegen vorzugt, die Investitionen werden zu ihren Gunsten getätigt ihn hängig. Musa Aman, Regierungschef des benachbarten und « auch die Schweizer Unternehmen werden diskriminiert Bundesstaats Sabah, soll mehr als 90 Millionen US-Dollar werden, denn es wird ihnen verwehrt sein, die besten Ange- Schmiergelder kassiert haben, um den Weg für Rodungen auf stellten zu rekrutieren. Die Diskriminierung hindert letztlich Borneo freizumachen. Geld, das via die UBS-Filiale in Hongkong alle, ein gerechtes Stück des ihnen zustehenden Kuchens zu gewaschen worden sei und mittlerweile auf Schweizer Konten bekommen », ergänzt er. liegen soll. Es läuft eine Strafuntersuchung der Bundesanwalt- schaft gegen die UBS. Rekordzahl von Klagen zu Landrechten « Die Korruption wird im Freihandelsabkommen nicht direkt Landrechte sind das andere Sorgenkind der malaiischen Zivil- angesprochen », erwidert Didier Chambovey, « indirekt aber gesellschaft. Peter Kallang von SAVE Rivers weist auf die über schon über die Erwähnung der Ruggie-Prinzipien und der fünfzig im Osten des Landes geplanten Staudämme hin, die bis OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. » 2030 gebaut werden sollen. « Nirgends auf der Welt sind so vie- Keine Frage : Die Schweiz hat noch viel zu tun, um im Fall le Klagen über Landrechte hängig wie bei uns – aktuell sind es von Malaysia die Kohärenz ihrer Aussenpolitik zu gewährleis- 300. Zwanzig Anträgen haben wir stattgegeben, doch die Re- ten. Denn wenn, wie es der Schweizer Chefunterhändler sagt, gierung und die lokale Bevölkerung interpretieren die Landrech- « der Uno-Menschenrechtsrat der richtige Ort ist, um Fragen der te unterschiedlich. Das Problem ist, dass die Bevölkerung sich Menschenrechte anzusprechen », dann ist für Alliance Sud das nicht frei informieren und äussern kann. Alles läuft unter gröss- Freihandelsabkommen das richtige Mittel, um deren Einhaltung ter Geheimhaltung ab. » sicherzustellen. Tatsächlich kennt das internationale Recht kein Auch Schweizer Firmen stehen im Fokus. Für den Bau des Mittel, um einen Staat auf die Einhaltung der Menschenrechte umstrittenen Staudamms von Murum in Sarawak, einem auf zu verpflichten. Ganz anders, wenn es um Handelsabkommen Borneo liegenden Teil Malaysias, hat die ABB Generatoren im geht. Werden diese verletzt, zieht das Sanktionen nach sich. Wert von sechs Millionen US-Dollar geliefert. Laut dem Bruno Manser Fonds ist dieser Damm der erste von insgesamt zwölf, 1 www.parlament.ch/d/mm/2012/Seiten/mm-apk-n-2012-02-14.aspx dem Zehntausende von Menschen weichen müssten, Hunder- te von Quadratkilometern tropischen Regenwalds würden Foto : © Keystone / AP / Vincent Thian überflutet. Am 15. Mai hat die ABB angekündigt, seine Geschäf- te in Malaysia zu überprüfen, nachdem der Fonds verlangt hat- te, dass sich der Konzern aus Sarawak zurückziehen und die betroffenen Menschen mit 1,5 Millionen US-Dollar entschädi- gen soll. Der Bundesstaat Sarawak weckt die Begehrlichkeiten der ausländischen Investoren ganz besonders. Laut NGOs sind be- reits 90 Prozent des ursprünglichen Regenwalds zerstört wor- den. Die lokale Bevölkerung wehrt sich, zu Hungerlöhnen als Angestellte auf dem eigenen Land zu arbeiten, so dass 90 Pro- zent der Arbeitskräfte aus China, Indonesien oder Bangladesch kommen. « Nach der Abholzung werden Plantagen entstehen. Das wird die Lebensgrundlage der Menschen kaputt machen. Sarawak ist reich an Erdöl und -gas, Holz und Palmöl, doch die Geschlagene Bäume im Hinterland von Miri im Bundesstaat Sarawak werden einheimische Bevölkerung hat nichts davon. Die Unternehmen abtransportiert. In dieser Gegend hatten die von Bruno Manser unterstützten Penan Blockaden errichtet, um gegen die Zerstörung ihres Lebensraums zu vertreiben die Leute, die Strassen sind nur dazu da, um die Bo- protestieren. denschätze exportieren zu können », sagt Peter Kallang. Didier Chambovey versichert, die Schweiz sei sich der Risi- ken der Palmöl-Produktion bewusst, und sie unterstütze den Roundtable on Sustainable Palm Oil ( RSPO ). Überdies hätten sich mehrere Schweizer Unternehmen verpflichtet, langfristig + nur Palmöl aus RSPO-zertifizierter Produktion zu importieren. Annina Aeberli vom Bruno Manser Fonds unterstreicht hinge- gen, dass die malaiischen Palmöl-Produzenten planen, aus dem d . . . mehr zum Thema. RSPO auszusteigen und ein eigenes Zertifizierungssystem auf- zubauen, eines mit noch tieferen Standards. Berichterstattung und Hintergründe zu Malaysia in den Zeitschriften « Südostasien » und dem Korruptionsspur führt in die Schweiz « Journal of Current Southeast Asian Affairs ». Zur Malaysia ist eines der korruptesten Länder der Welt und steht Ausleihe bei Alliance Sud InfoDoc. laut einem aktuellen Bericht von Global Financial Integrity GLOBAL + Sommer 2014 5
Klimafinanzierung Karierte Maiglöckchen aus dem Bundesrat Nicole Werner Der Bundesrat schaltete im Mai die Schweizer Klimapolitik auf Stand-by. Und beteuerte gleichzeitig, er wolle weiterhin das 2-Grad-Ziel sowie einen neuen internationalen Klimavertrag anstreben. Ebenso gut könnte er versuchen, karierte Maiglöckchen zu züchten. Ende Mai verkündete der Bundesrat : Die Schweiz passt ihr Kli- 70 Prozent gegenüber dem Niveau von 2010 und bis Ende des maschutzziel nicht an. Doch nicht genug der schlechten Nach- Jahrhunderts bis nahezu null sinkt, ist das 2-Grad-Ziel noch zu richten. Die Planung eines nationalen Klimaschutz-Szenarios halten. Eine gerechte Lastenteilung erfordert, dass die Indust- wird nicht angepackt, und die Schweiz wird sich bei der Klima- rieländer wesentlich mehr reduzieren müssen, um dem globa- finanzierung weiterhin aus den Töpfen der Entwicklungshilfe len Süden Raum für nachholende Entwicklung zu geben. Die bedienen. Gleichzeitig behauptet der Bundesrat, das 2-Grad- Schweiz bleibt jedoch dabei : Bis 2020 nicht mehr als 20 Prozent Ziel zur Begrenzung der globalen Temperaturerhöhung weiter- weniger CO2-Ausstoss gegenüber 1990. hin anzustreben und sich auf internationaler Ebene für ein rechtlich bindendes Klimaregime für den Zeitraum nach 2020 Klimavertrag in weiter Ferne einzusetzen. Nicht nur national hat sich die Schweiz von ambitionierter Kli- Diese Beschlüsse kann der Bundesrat aufgrund seiner mapolitik verabschiedet. Auch international legt sie nur vorder- Exekutivkompetenz fällen. Doch sollte er den BürgerInnen die gründig Wert auf den Abschluss eines neuen globalen Klima- Wahrheit sagen : Das 2-Grad-Ziel und der internationale Klima- abkommens, das 2015 in Paris im Rahmen der Uno geschlossen vertrag sind so nicht zu erreichen. werden soll. Damit dieses zustande kommt, braucht es auch die Zusage der Entwicklungs- und Schwellenländer zu verbind- 2-Grad-Ziel ausser Sichtweite lichen Klimaschutzzielen. Der aktuellste Bericht des Weltklimarates hält fest : Nur wenn Doch die Länder des Südens pochen darauf, dass zuerst die der globale Ausstoss von Treibhausgasen bis 2050 um 40 bis Industrieländer ihre abgegebenen Versprechen erfüllen : Sie Schweizer Anteil an den vereinbarten internationalen Klimageldern in Millionen Franken 2600 2400 2200 2000 1800 Schweizer Anteil gemäss Uno-Beitragsschlüssel 1600 (1,3 Prozent von 100 Mrd. Franken) Schweizer Projektion Entwicklungshilfe 1400 Entwicklungshilfe (0,5 Prozent BNE 2015) Schweizer Anteil 1200 (Mittelwert aus Uno-Beitragsschlüssel und unilateral festgelegtem Schweizer 1000 Beitragsschlüssel) 800 Minimaler Schweizer Anteil 600 gemäss unilateral festgelegtem Beitragsschlüssel 400 (0,43 Prozent von 100 Mrd. Franken) 200 Global+/Weber/Werner 0 Quellen: Uno, Deza, Bafu, Alliance Sud 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 6 GLOBAL + Sommer 2014
werden kann und soll. Diese soll gemäss Parlamentsbeschluss Fotos : © Kin Cheung/AP/Keystone ab dem Jahr 2015 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens ( BNE ) betragen. Damit würden im Jahr 2020 rund 38 Prozent ( zwischen 20 und 57 Prozent ) der Schweizer Entwicklungshilfe für Klimamassnahmen zweckentfremdet ( Grafik Seite 6 ). Neue Gelder braucht das Land Die Absicht, globale Klimafinanzierung aus den Töpfen der Ent- wicklungszusammenarbeit zu bezahlen, ist eine klare Strategie des Bundes, keine neuen öffentlichen Quellen zur Finanzierung seiner internationalen Verpflichtungen generieren zu müssen. Faktisch kürzt er dadurch jedoch die Entwicklungshilfe zuguns- ten der Klimafinanzierung. Nur neue und zusätzliche Gelder können auch zu neuen und zusätzlichen Klimamassnahmen führen, welche nicht auf Kosten der nachhaltigen Entwicklung gehen ( siehe Kasten ). Der Bund sollte die Chance nicht verpassen, diese Gelder im Zuge einer Verfassungsänderung des für 2020 geplanten neuen Kli- ma- und Energielenkungssystems aufzubringen. Dabei könnte eine für die Klimafinanzierung zweckgebundene Lenkungs abgabe auf CO2 gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen : Die Kosten würden verursachergerecht verteilt, damit würden Anreize zum Klimaschutz geschaffen und gleichzeitig auch die benötigten Klimagelder generiert. Die Höhe der Klimaschutzverpflichtungen sowie die aus- reichende Klimafinanzierung sind es, wovon das Zustandekom- Stahlwerk des Posco-Konzerns, Nummer drei der globalen Stahlproduktion, men eines neuen Klimavertrages 2015 abhängt. Bleibt die in Pohang, Südkorea. Schweiz bei ihrer aktuellen Klimapolitik, ist sie klar mitverant- wortlich, wenn die Uno-Verhandlungen über den neuen Vertrag müssen ihre ( historische ) Verantwortung für den Klimawandel scheitern. Kommt es hingegen zu einem neuen Vertrag, so wird übernehmen. Dazu gehört auch, dass sie die versprochenen dies mit Sicherheit nicht der Schweizer Politik zu verdanken « Klimagelder » zahlen. Diese sollten ab sofort jährlich um sein. 10 Milliarden Dollar steigen, bis im Jahr 2020 100 Milliarden Dollar erreicht sind, die fortan jedes Jahr zu zahlen sind. So ver- 1 Die detaillierte Berechnung wird Alliance Sud in einem Klima- einbarten es die Uno-Staaten 2010 in Cancún. Positionspapier im September 2014 vorlegen. Einen offiziellen Schlüssel für die Berechnung der nationa- len Beiträge aus den Industrieländern gibt es nicht. Bei der uni- lateralen Berechnung des eigenen Beitrags für die Jahre 2010 bis 2012 gewichtete die Schweiz ihren Anteil an den globalen Emissionen dreimal höher als denjenigen am globalen Einkom- men. Aus diesem Schlüssel resultiert ein Minimalanteil von rund 460 Millionen Franken an den 100 Milliarden Dollar. Angemessener wäre, wenn jener Schlüssel zur Anwendung käme, nach dem die Beitragszahlen der Mitgliedstaaten an die Falsche Anreize vermeiden Uno berechnet werden. Der Verteilschlüssel für die Pflichtbei- träge richtet sich hauptsächlich nach der Wirtschaftskraft der nw. Die Deckung der internationalen Verpflich- Länder, berücksichtigt aber auch Entwicklungsstand und Ver- tungen zur Klimafinanzierung aus den Entwick- schuldungssituation der Mitgliedstaaten. lungshilfetöpfen bietet Fehlanreize : Entwick- Demzufolge läge der Schweizer Anteil 2020 bei 1,3 Milliar- lungsrelevante Infrastruktur- oder Schulprojekte den Franken jährlich. 1 Je nach Berechnungsgrundlage muss die werden zugunsten von sogenannten Klima Schweiz entsprechend ab sofort jedes Jahr rund 90 Millionen projekten hintangestellt. Und es verführt dazu, Franken mehr an Klimageldern ( zwischen 40 und 140 Millionen alle bereits existierenden klimafreundlichen Franken ) jährlich bezahlen. Andernfalls kommt sie ihren inter- Entwicklungsprojekte neu auch als Klimaprojekte nationalen Verpflichtungen gegenüber Entwicklungsländern abzurechnen. Damit werden wichtige Aufgaben nicht nach. der Entwicklungszusammenarbeit wie die Ein zentrales Element davon ist, dass sie das Geld zusätz- Armutsbekämpfung ganz vernachlässigt, ohne lich zur Entwicklungshilfe aufbringt und nicht, wie bis anhin, dass nennenswert weniger CO2 ausgestossen die Gelder daraus abzwackt. Der Bundesrat und die Bundes wird. Weder der Entwicklung noch dem Klima- verwaltung gehen heute davon aus, dass ein wesentlicher Teil schutz ist damit jedoch zusätzlich gedient. dieses Klimageldes weiterhin aus der Entwicklungshilfe bezahlt GLOBAL + Sommer 2014 7
Interview mit Ursula Haller, Nationalrätin BDP/BE Prävention darf nicht zur Worthülse verkommen Michel Egger und Daniel Hitzig Nach der Herbstsession tritt Ursula Haller nach 15 Jahren aus der Grossen Kammer zurück. Im Gespräch 1 zeigt sich die Mitte-Politikerin überzeugt, dass eine florierende Wirtschaft und ethisches Handeln keinen Widerspruch darstellen. Ursula Haller, Sie haben sich in zwei Kommissionen des Nationalrats engagiert, der aussen- ( APK ) und der sicher- heitspolitischen Kommission ( SIK ). Warum gerade dort ? Als ich noch für die SVP im Nationalrat politisierte, war ich Mit- glied der WBK ( Kommission für Wissenschaft, Bildung, Kultur ). Als Thuner Bildungsdirektorin lag mir das nahe. Der Wechsel in die SIK hatte auch mit meinem Thuner Hintergrund zu tun, hier sind ja wichtige Rüstungsbetriebe angesiedelt. Weil es nicht nur eine innere, sondern auch eine äussere Sicherheit gibt, fand ich, die Mitarbeit in der aussenpolitischen Kommission sei die richtige Ergänzung zur SIK und habe das immer als sehr sinn- voll erlebt. Sie haben sich im März gegen die Rüstungsindustrie gestellt. Wie wurde das in Thun aufgenommen ? Das ist gut verstanden worden ! Sogar der CEO der Ruag hat mir signalisiert, er habe Verständnis für meine Haltung. Es ging ja darum, das strenge Kriegsmaterialexportgesetz zu entschärfen, um Kriegsmaterial auch in Länder exportieren zu können, wo es um die Menschenrechte alles andere als gut bestellt ist, dies mit der Begründung der « gleich langen Spiesse für die schwei- zerische Wehrtechnik ». Für die Reputation der Stadt Thun finde ich es verheerend, wenn hier produzierte Waffen – wenn auch über Umwege – in falsche Hände geraten. Wie bei den Hand- granaten, die in Syrien auftauchten oder bei den Präzisions gewehren, mit denen auf dem Maidan in Kiew auf Zivilisten geschossen wurde. Umso wichtiger ist es, dass wir mit dem Güterkontroll-Gesetz und der Verordnung, die den Export von Kriegsmaterial regeln, sehr strenge Vorschriften haben. Ich halte es für ein fatales Signal, jetzt auch Waffen in Länder wie Saudi-Arabien zu exportieren, wo nicht zuletzt grundlegende Rechte der Frauen nichts gelten. Eine Art von Doppelmoral der humanitären Schweiz ? Ja, so muss man das sagen. Bertolt Brecht hat in den Raum gestellt, dass das Fressen vor der Moral komme. Ich bin dezi- diert der Meinung, dass wirtschaftlicher Erfolg und Moral kein Widerspruch sind, im Gegenteil. Ich bin überzeugt, dass unser Land nur gewinnen kann, wenn wir auch in der Wirt- schaft moralisch handeln. Ja, wir alle brauchen Rohstoffe, aber zu welchem menschlichen Preis sollen die Firmen Geschäfte machen dürfen ? 8 GLOBAL + Sommer 2014
In der Debatte um Unternehmen und ihre Verantwortung ist ein Stück weit eine Illusion : Es gibt zu viele, die immer nur in Sachen Menschenrechte gibt es Stimmen, die sagen, gerade bereit sind, so viel selbst zu regulieren, wie es – ver- es gebe schlicht keinen Handlungsbedarf. meintlich – dem Geschäft nicht schadet. Firmen wie Glencore Doch, den gibt es ! Ob es um Kinderarbeit oder Umweltbelas- mit ihrem Know-how sind doch fähig, die Rohstoffe, die wir alle tung geht : Wenn Firmen, die ihren Hauptsitz in der Schweiz brauchen, so abzubauen, dass Menschen und Umwelt nicht zu haben, daran beteiligt sind, dann schadet das unserer Reputa- Schaden kommen. Auch hier gilt es, eine Win-win-Situation an- tion. Ich will hier keine einzelne Firma an den Pranger stellen, zustreben. Und dazu sind in der Tat auch rechtlich verbindliche aber die Schweiz als Drehscheibe des globalen Rohstoffhan- Regeln notwendig. Persönlich bin ich überzeugt, dass diese dels muss hier einfach genauer hinschauen. Persönlich bin ich neuen Regeln präventiv wirken sollten. Wenn wir bloss an die überzeugt, dass der Bundesrat, Economiesuisse und der Gewer- Firmen appellieren, sie sollen in die Vorbeugung investieren, beverband mittlerweile alle ganz genau wissen, dass es nicht dann verkommt Prävention zur Worthülse. Schliesslich geht es sein kann, dass die Schweiz für schmutzige Geschäfte Hand um konkrete Verbesserungen. bietet. Darum müssen wir uns den entsprechenden Regelun- gen der Branche angleichen, wie wir sie beispielsweise aus den « Recht ohne Grenzen » möchte, dass Firmen Rechenschaft USA und der EU kennen. Und zwar gilt es, die richtige Balance über ihre Arbeit ablegen müssen, auf Sorgfalt verpflichtet zu finden. Die Schweiz soll eine gewisse Vorbildfunktion haben, werden und damit Verantwortung für ihr Handeln überneh- wir brauchen der Welt aber auch nicht zu beweisen, dass wir men. Wenn eine Prüfung ergibt, dass die Sorgfaltspflicht die Besten sind – um den Preis, dass Firmen der Schweiz dann nicht eingehalten wird und Standards – etwa bezüglich den Rücken zukehren. Sicherheitsrisiken für Mitarbeitende – nicht eingehalten werden, würde es Sanktionen geben. In den Uno-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte ist Das sehe ich auch so. Berichte, die zwar Mängel feststellen und die Rede von einem « Smart Mix » zwischen verbindlichen dann geschieht doch nichts weiter, wären reine Papiertiger. Regeln und Selbstregulierung. In der Schweiz glauben viele, Wer sich nicht an die Regeln hält, sollte das schon zu spüren mit Selbstregulierung sei es getan. Wie sehen Sie das ? bekommen. Für ein solches System braucht es jedoch auch die Idealerweise würde die Sensibilisierung dazu führen, dass sich Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Ob die Länder, wo die Firmen der Konsequenzen ihrer Aktivitäten noch bewusster Rohstoffe abgebaut werden, auch Interesse daran haben, das werden und Schäden und Folgeschäden verhindert werden steht auf einem anderen Blatt. Menschenrechte und Umwelt- könnten. Aber leider geschieht das nicht. Oder zu wenig. Ich fragen haben dort ja oft keinen hohen Stellenwert, gerade möchte den Vergleich zu den randalierenden Fussball-Fans zie- darum haben wir in diesen Fragen eine Verantwortung. hen. Da zeigt es sich auch, dass Selbstregulierung, sprich Fan- arbeit, allein offensichtlich nicht reicht. Eigenverantwortung Ende Mai hat der Bundesrat einen rechtsvergleichenden Bericht veröffentlicht, der aufgrund Ihres Postulats in der APK in Auftrag gegeben wurde. Wie beurteilen Sie die Fotos : © Daniel Rihs / Pixsil Schlüsse, die die Regierung für die zukünftige Regelung der Unternehmensverantwortung in der Schweiz zieht ? Der Bericht ist eine Auslegeordnung des Bundesrats. Er an erkennt, dass die Schweiz über eine entsprechende Gesetz gebung Verantwortung bei der Einhaltung der Menschenrech- te und beim Schutz der Umwelt übernähme. Der Bericht signalisiert auch, dass die gesetzliche Verankerung der Sorgfaltsprüfung und / oder die Berichterstattungspflicht für Unternehmen denkbar wären. Allerdings – und dies ist symp- tomatisch – will sich der Bundesrat nicht zu weit aus dem Fens- ter lehnen und macht keine konkreten Aussagen, welches denn die notwendigen gesetzgeberischen Schritte hierzu wären. Die ( zu ) vorsichtige Formulierung hat denn auch bereits zu nega- tiven Äusserungen geführt. Notabene nicht nur von Seiten der Koalition « Recht ohne Grenzen », auch die Wirtschaft hat sich an einem kürzlich von Economiesuisse organisierten Treffen in diese Richtung geäussert. Beide Seiten bemängeln, dass der Bundesrat nicht konkret aufzeigt, welches denn die logischen Schritte sein müssten. Das Parlament wird sich zu diesem Thema auch in Zukunft äussern müssen. Affaire à suivre ! Das ausführliche Interview mit Ursula Haller ist online zu lesen auf www.alliancesud.ch. 1 Das Interview wurde am 20. Mai 2014 geführt. Die letzte Frage wurde nach Veröffentlichung des Bundesrats-Berichts beantwortet. GLOBAL + Sommer 2014 9
Die Messmethode wird reformiert Verwässerung der Entwicklungshilfe ? Nina Schneider Entwicklungshilfe wird neu definiert. Bevor die neuen Uno-Entwicklungsziele ( Post-2015-Agenda ) festgelegt werden, wollen die OECD-Industrieländer neu bestimmen, welche Geldflüsse als Entwicklungshilfe gelten. Seit den 1960er-Jahren misst der Entwicklungsausschuss ( DAC ) Stimmrecht an die Verhandlungen geladen. Jedes Land möchte der OECD die Geldflüsse ihrer Mitgliedsländer an Entwicklungs- seinen eigenen Mix an Geldern als « Hilfe » abrechnen können länder. Die jährlich erhobenen Daten geben Auskunft darüber, und damit die Zielmarke von 0,7 Prozent BNE möglichst ohne welches Geberland wie viel in welches Entwicklungsland und zusätzliche Budgetmittel erreichen. Gesucht wird deshalb ein welchen Entwicklungssektor investiert. Im Kern werden alle Kompromiss, der allen Vorteile bieten soll. nicht rückzahlbaren Zuschüsse ( Grants, siehe Glossar ) und ver- günstigten Kredite ( Concessional Loans ), die der wirtschaftli- Drei Vorschläge liegen auf dem Tisch chen und sozialen Entwicklung von Entwicklungsländern die- Zwei der ursprünglich drei Vorschläge werden aktuell nicht nen, als Official Development Assistance ( ODA ) anerkannt. 1970 mehr ernsthaft weiterverfolgt : vereinbarte die Uno-Generalversammlung erstmals, dass In- dustrieländer jährlich 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkom- 1 Faktisch vom Tisch ist die fokussierte ODA. Sie würde nur noch mens ( BNE ) als ODA einsetzen sollen. Dieses Ziel wurde schon Grants und Beiträge an Entwicklungsbanken anerkennen. mehrfach bestätigt, bis heute aber lediglich von fünf der acht- Konzessionelle Kredite und Beteiligungen an Fonds, Beiträ- undzwanzig DAC-Geberländer ( Norwegen, Schweden, Luxem- ge an Stipendien, Asylkosten im ersten Jahr und Sensibilisie- burg, Dänemark, Grossbritannien ) erreicht. rungsarbeit im Inland könnten nicht mehr angerechnet wer- Seit Jahren wird die DAC-Statistik kritisiert, da sie den Re- den. Dieser Vorschlag wäre den Forderungen der NGOs am gierungen grossen Spielraum lässt, unterschiedlichste Geldflüs- nächsten gekommen, nur noch « reale Hilfe » anzurechnen. se nach eigenem Gutdünken als Entwicklungshilfe zu deklarie- Sie würde viele Regierungen dazu zwingen, ihre ODA-Statis- ren. NGOs wie Alliance Sud kritisieren, dass der Standard tik nach unten zu korrigieren. Betroffen wäre auch die erlaubt, auch Nicht-Hilfe wie Asylkosten oder Stipendien anzu- Schweiz, die weit höhere Kosten für die Unterbringung und rechnen. Die EU reklamiert, weil das DAC Kredite der Euro Rückführung von Asylsuchenden abrechnet als alle anderen päischen Entwicklungsbank ( EBRD ), die ein zu kleines Grant DAC-Mitgliedsländer. Element enthalten, nicht als ODA akzeptiert. Andere Regierun- gen verlangen, dass ODA auch Beiträge an militärische Frie- 2 Wenig Zustimmung geniesst auch die aktualisierte ODA. Sie densoperationen, Exportkredite oder komplexe finanzielle würde alle Entwicklungskredite zum Bruttowert anrechnen Risikoinvestitionen wie Garantien oder Leveraging abbildet. und davon die jährlichen Zinsen und Amortisationskosten Bis Dezember 2014 wollen die StatistikerInnen der DAC- abziehen. Zudem anerkennt sie alle Formen öffentlicher Be- Mitgliedsländer einen neuen ODA-Standard vorlegen. Dieser teiligungen an Risikoinvestitionen, die helfen, private Inves- soll die Kriterien der Anrechenbarkeit vereinheitlichen und titionen zu mobilisieren, zum Nennwert. Dieser Vorschlag « neue Geberländer » animieren, den Standard zu übernehmen. schafft Anreize für komplexe Finanzprodukte, benachteiligt Erklärtes Fernziel ist es, die Glaubwürdigkeit des DAC und die klassische Grants und würde die DAC-Statistik langfristig Relevanz seines Monitorings für die Post-2015-Agenda der Uno massiv aufblähen und verzerren. sicherzustellen. Freiwillig nach DAC-Standard berichten heute bereits Russland, die Türkei und die Arabischen Emirate. Noch 3 Im Detail verhandelt wird die sogenannte neue ODA. Dieser in diesem Jahr sollen Mexiko und – so das Gerücht stimmt – Vorschlag beruht auf einem Kompromiss im Streit um die auch China dazukommen. Das ist bei der OECD hochwillkom- Concessional Loans. Er hebt den heute gültigen Grenzwert men, weil dies die globale Legitimität des DAC stärkt. eines Grant Element von 25 Prozent für die Anrechenbarkeit Die Kritik der NGOs an der neuen Messmethode droht ig- von Krediten auf. Damit wird verhindert, dass Zinssätze als noriert zu werden. Und schon heute ist klar, dass sich am subventioniert deklariert werden können, die über dem re- Schluss der Verhandlungen die Interessen der grossen Geber- alen Marktzins eines Geberlandes liegen. Die neue ODA an- länder und nicht jene der Entwicklungsländer durchsetzen wer- erkennt ein Grant Equivalent, das sich aus der Differenz des den. Letztere sind lediglich zu Dekorationszwecken ohne Zinssatzes und den Kapitalkosten inklusiv einer Risiko 10 GLOBAL + Sommer 2014
prämie berechnet, nicht aber den Nominalwert des Kredits. mit Zinsen zurückgezahlt, aussenpolitische Beziehungen ge- Die neue Methode käme insbesondere der EU entgegen, die schmiert und darüber hinaus neu auch ein Risikofaktor auf Kre- gerne Kredite der EBRD als ODA ausweisen würde, die nur diten als ODA angerechnet werden kann, der den echten Budget knapp unter dem Marktzins liegen. Weiter anerkennt die aufwand verschleiert. neue ODA öffentliche Risikoinvestitionen. Laut Hochrech- Die ärmsten Länder ( LDC ) können Kredite weit schlechter nungen führt dieser Vorschlag zu einer automatischen bedienen und sind daher für Investitionen wenig attraktiv. Erhöhung der ODA um 3 bis 6 Prozent. Aktuell erhalten sie 70 bis 90 Prozent der Entwicklungsgelder als Grants, die sie nicht zurückbezahlen müssen. Sogar im DAC ist Die Form bestimmt den Inhalt umstritten, ob es legitim sei, neu mit hohen Risikoprämien einen Beunruhigend ist insbesondere, dass diese neue ODA Anreize Anreiz für einen Umstieg auf Kredite zu schaffen. Zwar können für marktbasierte Finanzierungsinstrumente schafft und Län- hohe Risikoprämien die Geber animieren, den Ärmsten vermehrt der benachteiligt, die nicht rückzahlbare Hilfe leisten. Kredite anzubieten und so deren Kapitalbedarf besser zu decken. Der Trend ist klar. Mit wenig transparenten Rechenmodellen Für Entwicklungsländer, deren Staatsbudgets bisher zu einem werden Produkte kreiert, die Geldflüsse verschleiern. Sie helfen guten Teil durch Grants finanziert wurden, verursachen konzes- Gebern, versprochene Ausgaben einzusparen und belasten Ent- sionelle Kredite neu hohe Zins- und Amortisationskosten. Damit wicklungsländer mit neuen Schulden. Entgegen dem Credo der verteuern sie die Tarife für staatliche Dienstleistungen wie Ge- Armutsbekämpfung, das Geber bisher animierte, Grants einzu- sundheit und Bildung, was klar dem Ziel der Armutsbekämpfung setzen, greifen immer mehr Regierungen zu Entwicklungskredi- zuwiderläuft. Im schlechtesten Fall können Entwicklungskredite ten. Denn nicht rückzahlbare Zuschüsse verlangen von Geberre- gar eine neue Überschuldungsspirale auslösen. gierungen einen echten Budgetaufwand, während zinsvergüns- Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage, ob mit neuen kom- tigte Kredite das Budget nur mit der Differenz zum Marktzins plexen Finanzinstrumenten und Risikoinvestitionen nicht einmal belasten. Das hat gemäss DAC-Statistik in den letzten paar Jah- mehr Gewinne zurück in die Taschen von Geberländern und Pri- ren zu einer Verlagerung der Mittelflüsse von den ärmsten in die vatinvestoren gespült und das Ownership der Entwicklungslän- Schwellenländer geführt. Deren stetig wachsende Wirtschaft ist der untergraben wird, statt eine gerechte, ressourcenarme und für Industrieländer attraktiv. Insbesondere dann, wenn Schulden ökologische Entwicklung anzustossen. Neue ODA und TOSD (s. a. Seite 12) Bisher nicht anrechen- bare Beiträge an Uno- ? Organisationen Uno- Friedens- Öffentliche und missionen private Beiträge von Asylkosten an den UNDPKO Folgejahre Emissionshandel Staatliche Beiträge an qualifizierte Sicherheiten Mit ODA Asylkosten Klima- für finanzielle mobilisierte Organisationen multilaterale Andere Uno erstes Jahr finanzierung Risiko- private mandatierte investitionen Investitionen Friedens- missionen ? ? Beiträge an zivile Friedens- Anrechenbares Grant Equivalent und Sicherheits- für konzessionelle Kredite ? programme (z.B. Polizei- und Total der Total nicht Justizreform, konzessionellen vergünstigter Konfliktprävention usw.) Kredite abzüglich Kredite abzüglich Zinsen und Zinsen und Amortisation Amortisation Menschen- rechte Öffentliche und private Durch staatliche Neue ODA basierend auf DAC-Statistik 2012 Export- ? Garantien mobilisierte kredite Privatinvestitionen TOSD: geplante neue Statistik des DAC zur Erfassung der Gesamtheit der Geldflüsse mit Entwicklungsnutzen ? ? Mittel, über deren Höhe keine Schätzungen verfügbar sind Global+ /web; Quelle: OECD,DCA/DAC (2014)9 Die Grafik zeigt, was TOSD erfassen will und wie sich TOSD und ODA ergänzen. Die Anrechenbarkeit von « Nicht-Hilfe » soll weiter ausgebaut werden. Klimagelder, die explizit neu und zusätzlich zur ODA versprochen wurden, sollen Teil der neuen ODA sein. Fragwürdig ist auch die Anrechnung von Uno-Friedensmissionen als ODA, denn diese lassen sich nicht klar gegen machtpolitische Interventionen abgrenzen. GLOBAL + Sommer 2014 11
Foto : © Christian Bobst / Heks Glossar Grant : Entwicklungsbeitrag, der vom Empfän- gerland nicht zurückbezahlt werden muss. Das DAC-Reglement von 1978 verlangt, dass jeder Geber mindestens 86 Prozent seiner Ent- wicklungshilfe als Grant vergibt. Concessional Loan : Subventionierter Entwick- lungskredit, der bisher mit einem Grant Element vergünstigt werden musste, um als ODA zu gelten. Die sogenannte neue ODA prä- sentiert mit dem Grant Equivalent eine neue Viehtränke im Dorf Yonoféré in der senegalesischen Ferlo-Wüste. Bemessungsmethode. Grant Element : Subventionierter Teil eines Ent- Im Windschatten der neuen ODA wird TOSD lanciert wicklungskredits. Bisher galt ein Kredit zu Weil die oben erläuterte neue ODA nicht alle Flüsse erfasst, 100 Prozent als ODA, wenn er um 25 Prozent welche Geberländer als Hilfe ausweisen möchten, will das DAC vergünstigt wurde. Die Vergünstigung berech- als Verhandlungsmasse ein neues Instrument zur Messung net sich aus der Laufzeit, der Rückzahlungsfrist « anderer öffentlicher Geldflüsse mit Entwicklungsnutzen » und der Differenz des Zinssatzes zu einem ( Total Official Support for Development, TOSD ) einführen. Die Standardzinssatz von 10 Prozent. Wegen der Idee ist, alle möglichen Geldflüsse zu erfassen, die zur Finan- tiefen Marktzinsen konnten Geber seit 2008 zierung der Post-2015-Agenda Bedeutung erlangen könnten. auch Kredite als ODA ausweisen, welche sie we- Also auch solche, die mit Armutsbekämpfung wenig zu tun niger als das Empfängerland kosteten. haben. Es scheint fast, als versuche man ein starkes Argument zu schaffen, die ODA als Referenzgrösse der Entwicklungshilfe Grant Equivalent : Budgetanstrengung eines abzuwerten. Gebers zur Vergünstigung eines Kredits, den die neue ODA anrechnen will. Sie basiert auf Fazit : Die im DAC diskutierten Reformvorschläge drohen die einem jährlich festgelegten Referenzzinssatz klassische Entwicklungshilfe – und damit die internationalen ( RZ ) für Geber- und einem Risikofaktor ( RF ) für Verpflichtungen der Geberländer – zu verschleiern. Alliance Sud Empfängerländer. Beispiel : Ein Kredit zu 2,5 Pro- unterstützt die Forderung des europäischen NGO-Netzwerks zent Zins mit RZ 4 und RF 5 gilt neu als um Eurodad und der G77-Länder, dass kein Präjudiz geschaffen 6,5 Prozent vergünstigt. Daraus wird der Betrag wird, bevor die Uno über die Finanzierung der Post-2015-Agen- errechnet, den ein Geber als ODA ausweisen da entschieden hat. Denn dort geht es just um nachhaltige kann. Der Nominalwert des Kredits wird ledig- Entwicklungsfinanzierung, wozu gehört, dass konkrete Ziel- lich als TOSD angerechnet. grössen für die Geberländer und die unterschiedlichen Ziel bereiche festgelegt werden. Leveraging : Das Konzept, mit staatlicher Ent- Das DAC sollte sich bis Ende Jahr darauf konzentrieren, wicklungshilfe Anreize für private Entwick- eine gerechte Anrechnungsmethode für konzessionelle Kredite lungsinvestitionen zu schaffen. zu definieren, die nur den echten Budgetaufwand von Gebern abbildet. Bei der Überprüfung der ODA-berechtigten Empfänger- Risikoinvestitionen : Zur Förderung privater In- länder sollten die Geberländer darüber hinaus dafür sorgen, dass vestitionen haben Entwicklungsagenturen fortan mindestens 50 Prozent der ODA an die armen Entwick- zahlreiche Finanzprodukte entwickelt, für die lungsländer fliessen. sie das Sicherheitskapital zur Verfügung stel- len. Im Insolvenzfall wird dieses Kapital priva- ten Verbindlichkeiten nachgeordnet bedient. So werden private Investitionen mit ODA ab + d . . . mehr zum Thema. gesichert. Total Official Support for Development ( TOSD ) : Neue DAC-Statistik, welche die Gesamtheit der Das Alliance Sud InfoDoc-Dossier « Entwicklung Geldflüsse mit tatsächlichem und angeblichem messen » : www.alliancesud.ch/de/ Entwicklungsnutzen abbilden soll. infodoc/e-dossiers/entwicklung-messen 12 GLOBAL + Sommer 2014
Mutationen bei Alliance Sud Abschied und Neubeginn Peter Niggli Diesen Sommer verlassen uns vier KollegInnen, die sich mit grossem Engagement für unsere Ziele eingesetzt haben. Allen gilt der herzliche Dank von Alliance Sud. Silvia Carton besorgte in unserem Zwei-Frau-Büro in Lugano lungshilfe an die Rückübernahme von Asylbewerbern, die da- seit 1992 das Sekretariat und ist dort unerlässliche Stütze und mals verlangt wurde, keine Mehrheit fand. Mit dem erweiterten Diskussionspartnerin der Büroverantwortlichen geworden. Nun finanziellen Rahmen wuchsen die Begehren, Aktivitäten aus hat sie – leider für uns – die erste AHV erhalten. Wir wünschen dem Entwicklungsbudget zu finanzieren, deren Entwicklungs- ihr alles Gute im neuen Reich der Freiheit! wirkung wir bezweifeln – zum Beispiel die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, bei der offen bleibt, wieso ein Deza-Beitrag Im Büro Lausanne kümmerte sich Frédéric Russbach seit 2001 nötig ist. Nina betreute unsere Eingabe an die Deza, Kriterien um die Verwaltungsarbeiten und betreute die grafische Gestal- der Auswahl und Beurteilung solcher Programme zu schärfen, tung der französischen Ausgabe von GLOBAL+. In den ersten um einem Missbrauch der Mittel vorzubeugen. Zweckentfrem- Jahren arbeitete Frédéric zudem als « Mann für alles » bei Info- dungen waren auch das Thema unserer Eingabe an das Peer- sud. Nun verlässt uns Frédéric für eine neue Herausforderung. Review-Team des Development Assistance Committee der Wir wünschen ihm viel Glück! OECD, welche Nina koordinierte. Schliesslich betreute Nina un- sere Inputs in den Konsultationen der Deza zur Post-2015-Agen- Nicole Werner übernahm im Frühjahr 2011 das Dossier Klima- da. Daneben führte sie das Sekretariat der parlamentarischen und Umweltpolitik. Damals waren die Hoffnungen auf ein glo- Gruppe Suisse-Solidarité internationale und der NGO-Plattform bales Klimaabkommen mit starken Emissionsreduktionsver- schweizerischer Entwicklungsorganisationen. Sie wünscht sich pflichtungen stark erschüttert. Die Regierungen verhandeln künftig eine etwas handfestere und basisnähere Arbeit, ist also seither nach dem Motto « Du zuerst – ich viel später ». Das miss- offen für Neues. Wir können Nina nur empfehlen! achtet die dringliche Empfehlung der Wissenschaft, die Absen- kung der globalen Treibhausgasemissionen im laufenden Jahr- 1 Siehe www.alliancesud.ch/de/publikationen/downloads/ zehnt zu beginnen, wenn der Klimawandel in bewältigbarem AS-Positionspapier_V6.pdf Rahmen bleiben soll. Nicole arbeitete im Ausschuss der Klima- allianz mit und beteiligte sich an den Vorbereitungen des Bun- desamts für Umwelt auf die jährlichen Klimakonferenzen, an denen der politische Stillstand verwaltet wird. Sie pochte für Foto : © Sandro Mahler Foto : © Daniel Rihs uns auf Klimagerechtigkeit ( zwischen armen und reichen Län- dern ) und Klimafinanzierung ( die armen Länder sollen finanzi- elle Unterstützung für Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel erhalten ). Parallel dazu bereitete Nicole 2012 die Rio+20-Konferenz vor. Zusammen mit Nina Schneider und KollegInnen aus den Trägerorganisationen betreute sie unser Positionspapier zum Post-2015-Prozess, das unter dem Titel « Schweizer Ziele für eine zukunftsfähige globale Entwicklung » erschienen ist.1 Nicole kombinierte als Physikerin Lebensfreude mit einer ziemlich schwarz-nüchternen Sicht auf die grundle- gende Nicht-Nachhaltigkeit der vorherrschenden Produktions- Silvia Carton Frédéric Russbach weise. Wir wünschen ihr viel Glück bei den neuen Tätigkeiten, Foto : zvg Foto : © Urs Fankhauser die sie sucht und zum Teil im biologischen Landbau schon gefunden hat. Im November 2011 arbeitete sich Nina Schneider in das Dossier Politik der Entwicklungszusammenarbeit ein. Ein paar Monate zuvor hatte das Parlament entschieden, das Entwicklungsbud- get bis 2015 sukzessive auf 0,5 Prozent des Bruttonationalein- kommens zu erhöhen. Nun half Nina, den Entscheid zu konso- lidieren : 2012 verabschiedete das Parlament die grossen Rah- menkredite, welche die letzten Erhöhungstranchen umfassten. Nina sorgte dafür, dass die strikte Verknüpfung von Entwick- Nicole Werner Nina Schneider GLOBAL + Sommer 2014 13
Positionspapier von Alliance Sud TISA : Unterwegs zur grenzenlosen Deregulierung Isolda Agazzi Es könnte den Alltag breitester Be- die Telekommunikation, der Internet-Han- kommen werden kann. Kurz : Die öffentli- völkerungskreise auf den Kopf stellen : das del, Transporte zu Wasser, zu Land und in chen Dienste sind in Gefahr, wie generell Abkommen über den Handel mit Dienstleis der Luft, professionelle Dienstleistungen alle Regulierungen im öffentlichen Interesse. tungen ( TISA ), das am Rand der Welthan- ( Anwälte, Architekten, Ärzte und so weiter ), Zurzeit verhandeln die Länder unter- delsorganisation ( WTO ) verhandelt wird. Energie- und Postdienste. Theoretisch einander eine Deregulierung des Inter- Ziel wäre die weitestgehende Liberalisie- könnte diese Liste schier endlos fortgesetzt nets, die den Unternehmen erlauben wür- rung des Service public, des Internets, der werden, tatsächlich könnten vor allem noch de, individuelle Daten auszutauschen ohne Finanzdienstleistungen, ein Angriff auf so- staatlich regulierte Märkte und Staatsbe- Rücksicht auf den Schutz der Privatsphäre. ziale Normen und Umweltstandards. Wie triebe hinzugefügt werden. Ebenfalls auf der aktuellen Agenda : die Li- eine Dampfwalze könnte TISA fast jeden Zusätzlich zu diesen Bereichen, die alle beralisierung von Finanzdienstleistungen, Bereich der Dienstleistungen plattmachen. betreffen, muss jedes Land jene Dienst- die Lockerung von Vorschriften zum Schutz leistungen bezeichnen, die es der auslän- der Gesundheit, der Umwelt und der Konsu- Unter dem Vorwand, dem blockierten Do dischen Konkurrenz öffnen will. Oder viel- mentInnen. ha-Zyklus auszuweichen, verhandeln die mehr : solche, die von der Liberalisierung Alliance Sud hält das TISA-Abkommen für Schweiz und fünfzig andere meist industria- ausgeschlossen werden sollen. Denn jede extrem gefährlich, sowohl für die Schweiz lisierte Länder über ein breit angelegtes Ab- Dienstleistung, die nicht explizit ausgeklam- als auch für die Entwicklungsländer. Idea- kommen über die Dienstleistungen, bekannt mert wird, soll früher oder später liberalisiert lerweise würde sich die Schweiz von den unter dem englischen Kürzel TISA ( Trade in werden. Sogar diejenigen, die noch nicht exis Verhandlungen zurückziehen. Andernfalls Services Agreement ). Die Verhandlungen tieren ! Ein aggressiver Mechanismus, wie muss sie das Parlament über ein neu formu- sind geheim, einzig die Schweiz und Norwe- er noch in keiner multilateralen Verhand- liertes Verhandlungsmandat eng begleiten. gen haben ihre Angebote via Internet offen- lung angewendet wurde. TISA zielt darauf, gelegt. die Liberalisierung in den nationalen Rechts- Folgende Sektoren sind Gegenstand der ordnungen so zu verankern, dass – einmal Alliance Sud wird Ende Juni ein Positionspapier zum Verhandlungen : die Finanzdienstleistungen, eingeführt – nicht mehr darauf zurückge- TISA-Abkommen veröffentlichen. Karussell — Nach 27 Jahren in der Heks-Kommuni- — Dorothea Winkler ist die neue Fach- Karlen wird Programmbeauftragte in der kation tritt Ruedi Lüscher in den Ruhestand, verantwortliche Menschenrechte und Ent- Botschaft Tirana. Isabella Pagota wechselt er wird von Sabine Buri ersetzt. Die Nach- wicklungsfinanzierung bei Fastenopfer. Sie von der Politischen Direktion des EDA in die folgerin von Direktionssekretärin Karin kommt von der Fachstelle für Frauenhandel Abt. Globale Institutionen. Dorthin wech- Schöpfer heisst Cornelia Reinhard, neu im und Frauenmigration ( FIZ ). selt auch Philippe Puyo, bisher Kobü La Paz. Sekretariat ist auch Karin Jacques. — Marianne Candreia verlässt Helvetas, Andrea Siciari, bisher Kobü Nairobi, wird — Neu bei Caritas sind Barbara Brank wo sie die Schul- und Bildungsstelle aufge- Programmbeauftragter in der Abt. Ostasien. ( Programm Syrien ), Majueran Kugathasan, baut hat, ihre Nachfolgerin ist Anna van der Die neue Chefin der Abt. Analyse und Poli- ( HR Manager Sudan ) und die Delegierten Pe- Ploeg, Gymilehrerin und NADEL-Absolven- tik heisst Odile Keller, bisher Seco. Sie löst ter Timm ( Philippinen ), Gabriele Walz und tin. Robert Gröli, technischer Berater im Be- Beatrice Meyer ab, die als Koordinatorin ins Jan Helsen ( beide Tadschikistan ). Beatrice wässerungsprojekt in Nepal, geht in Pension. Kobü Bamako wechselt. Patrick Egli, bis- Hertzman-Schichler, bisher Delegierte Viet- — Von der Abteilungsleitung Afrika und her Abt. Analyse und Politik, wird stv. Chef nam, übernimmt die Programmverantwor- Naher Osten beim SRK wechselt Esther der Abt. Globale Institutionen. Dort ersetzt tung Bangladesch, Programm-Mitarbeiterin Oester zur Abt. Menschliche Sicherheit des er Christoph Graf, der Schweizer Botschaf- Claudia Veith wird Delegierte Brasilien. Cari- EDA im Südsudan. ter in Albanien wird. Georgette Bruchez, tas verlassen haben die Delegierten Richard — Neu am Desk Pakistan und Sri Lanka bisher im Kobü Chisinau, löst Brigitte Hag- Glückler, Stefan Recker, Pascal Zwyssig und von Solidar Suisse ist Helmut Rählmann, zu- mann als Leiterin der Abt. Westbalkan ab. Peter Marty ( alle Haiti ) sowie Willem van vor beim norwegischen Roten Kreuz in Jemen Matthias Weingart übernimmt von Gene- Weperen ( Tadschikistan ) und die Programm- tätig. Swati Jangle kommt als Verantwort- viève Federspiel im Kobü Islamabad. Sie verantwortlichen Maja Hürlimann ( Bangla- liche Faire Arbeit Asien von Greenpeace in wechselt ins Kobü Tegucigalpa und löst dort desch ) und Beatrice Winkler ( Syrien ). Amsterdam. Nachfolgerin von Andrea Arezi- Jürg Benz ab, den neuen Schweizer Botschaf- — Bei Brot für alle ist Maria Dörnen- na, sie war zuständig für Online-Kampagnen, ter in Guatemala. Markus Glatz, bisher Assis burg neu zuständig für Fundraising Kirch- ist Fabienne Widmer, vorher Kampaweb. tenzkoordinator im Kobü La Paz, wird neu gemeinden. Von Terre des Hommes Schweiz — Markus Eggenberger, bisher im Kobü stv. Leiter des Stabs Regionale Zusammen- stösst Elke Fassbender zum Bfa-Fundrai- Bamako der Deza, löst Maryline Dafflon in arbeit. Er folgt dort auf Dominique Crivelli, sing-Team. Esther Wolf betreut neu die ent- der Abt. Neue EU-Mitgliedstaaten ab, sie ar- die als stellvertretende Koordinatorin ins wicklungspolitischen Südpartnerschaften. beitet neu im Kobü Amman. Marie-Thérèse Kobü Ouagadougou wechselt. 14 GLOBAL + Sommer 2014
Sie können auch lesen