CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ

 
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CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
November 2021

ceo
Das Magazin für Entscheidungsträger

                                      Grüne
                                          Chance
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
Eine Reise in grossen
und kleinen Schritten
Nachhaltigkeit beschäftigt uns schon lange, denn sie ist ein integraler
Bestandteil unserer unternehmerischen Verantwortung. Seit Jahren
setzen wir uns intensiv und auf unterschiedliche Art und Weise mit den
Facetten der Nachhaltigkeit auseinander. Entwicklung und Ausprägung
der Nachhaltigkeit ergeben sich, wie bei den meisten bedeutenden
Themen der Welt, aus einem stetigen Prozess. Was als Forderung
nach Umweltschutz begann, ist heute ein umfassendes Bestreben,
unseren Planeten für nachfolgende Generationen lebenswert zu
erhalten. Auf der folgenden Seite haben wir einige Meilensteine dieser
Reise festgehalten. Allen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie aus
dem Zusammentreffen vielschichtiger Aspekte mit den Gegebenheiten
der jeweiligen Zeit hervorgegangen sind. Es sind Errungenschaften
oder Ereignisse, die diese Expedition in die Zukunft als logische –

                                                                          Zeitreise
und manchmal durchaus unlogische – Konsequenz unseres Tuns
ausschildern. Wenn Sie die Route aus der Vogelperspektive betrachten,
werden Sie sich unserer Meinung anschliessen: Weitere Meilensteine
lassen sich nur aus einer verantwortungsvollen und weitsichtigen
Zusammenarbeit von Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft
setzen. Das Thema dürfte uns also noch lange beschäftigen.
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
1713
                                                  Der sächsische Oberberghauptmann Hans
                                                  Carl von Carlowitz führt den Begriff Nach-
                                                  haltigkeit ein. Er versteht darunter ein forst-
                                                  wirtschaftliches Prinzip zur Holznutzung:
                                                  Man soll nicht mehr Bäume fällen, als im
                                                  gleichen Zeitraum nachwachsen können.1

                                                                                1963
                                                                                                            In seinem Plädoyer «I have a dream» pro-
                                                                                                            pagiert der Bürgerrechtler Martin Luther King
                                                                                                            die Gleichstellung der afroamerikanischen
                                                                                                            Bevölkerung in den USA.

                                                                                                            Die International Union for Conservation
                                                                                                            of Nature (IUCN) erstellt die Rote Liste der
                                                                                                            bedrohten Arten. Diese entwickelt sich zur
                                                                                                            weltweit umfassendsten Informationsquelle
                                                                                                            über den globalen Gefährdungsstatus von
                                                                                                            Tier-, Pilz- und Pflanzenarten.

                                                                                                                                 1964
                                             1972
Mit der UN Conference on the Human
Environment findet in Stockholm die erste
Konferenz der Vereinten Nationen zum
Thema Umwelt statt. Sie gilt als Beginn
der internationalen Umweltpolitik.2

                                                                                                Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl fordert
                                                                                                zahllose Opfer und viele Langzeiterkrankte. Im
                                                                                                gleichen Jahr bricht im Industriegebiet Schweizer-

1984
                                                                                                halle bei Basel ein Grossbrand aus. Danach

                                                                   1986
                                                                                                gelangt mit Pestiziden belastetes Löschwasser
                                                                                                in den Rhein. Das Ereignis bringt den Umwelt-
                                                                                                schutz auf die Agenda der Unternehmen.
Von einem indischen Werk, in dem
Schädlingsbekämpfungsmittel hergestellt
werden, gelangen mehrere Tonnen giftiger
Stoffe in die Atmosphäre. Der Wind weht
das tödliche Gas Methylisocyanat über
das nahe gelegene Armenviertel von Bho-
pal. Mehrere Tausend Menschen sterben,
Hunderttausende erkranken schwer.

                                                                    1987
Der Brundtland-Bericht «Our Common Future» definiert nach-
haltige Entwicklung wie folgt: «[…] eine Entwicklung, welche
die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren,
dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht be-
friedigen können.»
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
2010
                                                                                                                                                        Die Bohrinsel Deepwater
                                                                                                                                                        Horizon explodiert im
                                                                                                                                                        Golf von Mexiko. 87 Tage
                                                                                                                                                        lang strömt das Öl ins
                                                                                                                                                        Meer. Monatelang treibt
                                                                                                                                                        ein riesiger Ölteppich um-
                                                                                                                                                        her und fast 2000 Kilo-
                                                                                                                                                        meter Küstenlinie sind
                                                                                                                                                        ölverschmiert.4
UN-Generalsekretär Kofi Anan
schlägt am Weltwirtschafts-
forum in Davos den UN Global
Compact vor. Mit diesem
                                    1999
                                                                           2001
Pakt sollen Unternehmen
und die UNO gemeinsam die
Globalisierung sozialer und
ökologischer gestalten.
                                                                            In Porto Alegre findet mit 12’000 Menschen
                                                                            und mehr als 1000 Organisationen das erste
                                                                            Weltsozialforum unter dem Motto «Eine ande-
                                                                            re Welt ist möglich» statt. Sie ist ein Symbol
                                                                            für die globalisierungskritische Bewegung.

                                                                                                                                                       2011
                                                                                                                                                        Nach einem der stärks-
                                                                                                                                                        ten jemals gemessenen

   1997
                                                                                                                                                        Erdbeben brechen

                                                                              1996
                                                                                                                                                        mehrere Kühlsysteme
                                                                                                          Das Schweizer Gleichstel-                     im japanischen Kern-
                                                                                                          lungsgesetz verbietet jede Art                kraftwerk Fukushima
                                                                                                          der Diskriminierung von Frauen                Daiichi zusammen.
    Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft. Die teil-
                                                                                                          oder Männern am Arbeitsplatz.                 Gefährliche Radioaktivi-
    nehmenden Industrieländer verpflichten
                                                                                                          Sei es bei Arbeitsbedingungen,                tät wird freigesetzt und
    sich, ihren jährlichen Treibhausgasausstoss
                                                                                                          Ausbildung, Weiterbildung,                    vergiftet Luft, Böden,
    von 2008 bis 2012 um durchschnittlich
                                                                                                          Einstellung, Beförderung, Ent-                Wasser und Nahrungs-
    5,2 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.
                                                                                                          lassung, Lohn oder Aufgaben-                  mittel.
                                                                                                          verteilung.

    Auf der Umweltkonferenz in
    Rio de Janeiro verständigen sich
    über 150 Staaten über eine dauer-
    haft umweltgerechte Entwicklung.

                1992
                                                                                                                         1995                           Die jährlichen CO2-Emis-
                                                                                                                                                        sionen in der Schweiz
                                                                                                                                                        betragen 5,8 Tonnen pro
                                                                                                                                                        Kopf. 2018 sind es noch
                                                                                                                                                        4,2 Tonnen pro Kopf.3

                                     1989           Das Montrealer Protokoll als völker-
                                                    rechtlicher Vertrag des Umweltrechts
                                                    tritt in Kraft. Darin verpflichten sich
                                                    die Unterzeichnerstaaten, «… die
                                                    menschliche Gesundheit und die Um-
                                                    welt vor schädlichen Auswirkungen                     1
                                                                                                              «Geschichte der Nachhaltigkeit», Nachhaltigkeit.info, 2012
                                                    zu schützen, die durch menschliche                    2
                                                                                                              «25 Meilensteine der Umweltbewegung», Bits und Bäume, 2019
                                                    Tätigkeiten, welche die Ozonschicht                   3
                                                                                                              «Kenngrössen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Schweiz
                                                    verändern, verursacht werden …»                           1990–2019», Bundesamt für Umwelt, 2021
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
2012
                                                             Die UN-Mitgliedstaaten beschliessen die Entwicklung weltweit geltender konkreter Ziele für
                                                             mehr Nachhaltigkeit. Diese sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) sind in der
                                                             Agenda 2030 der Vereinten Nationen festgeschrieben und gelten ab 2016.

                                                             2013
      In Bangladesch stürzt ein Textilfabrikkomplex zu-
      sammen. Das Unglück fordert 1138 Tote und über
      2000 Verletzte. Es steht symptomatisch für die
      desolaten Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in
      der Textil-, Kleider- und Schuhindustrie weltweit.5

                                                                                                                                           2015
                            Bis 2050 soll Europa klimaneutral werden,         Knapp 190 Vertragsparteien unterzeichnen das
                            so sieht es der neu präsentierte Green            Übereinkommen von Paris als globalen Rahmen
                            Deal der Europäischen Kommission vor.             zur Bekämpfung des Klimawandels.
                            Das EU-Parlament beschliesst im selben
                            Jahr das Verbot von Einwegplastik.

                           2019

                                                                                                                                           2016
                                                                                               Die Europäische Kommission                   In der Schweiz fallen rund 24 Millionen
                                                                                               veröffentlicht den Aktions-                  Tonnen Abfall pro Jahr oder rund
Der Schweizer Bundes-                                                                          plan «Sustainable Finance»                   45 Tonnen pro Minute an. Die Schweiz
rat verabschiedet die                                                                          zur Finanzierung nachhaltigen                ist nicht nur Weltmeisterin im Recyceln,
Klimastrategie 2050.                                                                           Wachstums. Die 15-jährige                    sondern auch im Abfallproduzieren.6

                                                                        2018
Ausserdem lehnt                                                                                Schülerin Greta Thunberg
das Stimmvolk die                                                                              gibt der Bewegung «Fridays
Totalrevision des CO2 -                                                                        for Future» ein Gesicht.
Gesetzes ab.

2021
                                                                               2450
                                                                                                          Der Chemiker Nathaniel Wyeth patentierte 1973 die erste PET-
                                                                                                          Flasche. Hätte er sein erstes patentiertes Muster irgendwo im
                                                                                                          Wald vergraben, so wäre es ungefähr jetzt vollständig abgebaut.7

                                                                                                                4
                                                                                                                    «Der größte Ölunfall der Geschichte», Deutschlandfunk, 2020
                                                                                                                5
                                                                                                                    «Rana Plaza – Fabrikeinsturz in Bangladesch», Public Eye, 2019
                                                                                                                6
                                                                                                                    «Ent-sorgen? Abfall in der Schweiz illustriert», Bundesamt für Umwelt
                                                                                                                    BAFU, 2016
                                                                                                                7
                                                                                                                    «An unserem Plastik werden selbst noch unsere Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel
                                                                                                                    Freude haben», Watson, 2018
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
Grüne
        Chance
        Der Begriff Nachhaltigkeit ist heutzutage
        allgegenwärtig und für Unternehmen unabdingbar.
        Nachhaltigkeit sichert ihre Wettbewerbsfähigkeit und
        ihren Fortbestand. Eine nachhaltige Entwicklung ist
        ohne den Beitrag der Privatwirtschaft nicht möglich.
        Unternehmen üben einen erheblichen Einfluss auf
        die sozialen und ökologischen Bedingungen eines
        Wirtschaftsstandorts aus. Versprechen allein
        genügen jedoch nicht. Heute fordern Konsumenten
        und Investoren, dass Unternehmen ihre
        Verantwortung aktiv wahrnehmen.
        Bei der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft
        stehen der Schutz unseres Planeten, soziale
        Gerechtigkeit und ökonomischer Fortschritt im
        Vordergrund. Nachhaltigkeit als Innovationstreiber
        bietet Unternehmen die Möglichkeit, immer wieder
        neue Perspektiven einzunehmen und Bewährtes zu
        hinterfragen. Der beschleunigte Wandel infolge der
        Pandemie bietet uns die Chance, eine erfolgreiche,
        nachhaltige Entwicklung anzustossen.

                                                               Herausgeber: PwC, Birchstrasse 160, 8050 Zürich, Schweiz
                                                               Layout: PwC, Creative Agency, Birchstrasse 160, 8050 Zürich, Schweiz
                                                               Bildbearbeitung/Druck: Linkgroup AG, Mühlebachstrasse 52, 8008 Zürich, Schweiz
                                                               Titelfoto: Getty Images
                                                               Die von den Autoren geäusserten Meinungen können von jenen des Herausgebers abweichen.
                                                               Diese Ausgabe des «ceo» erscheint in deutscher, französischer und englischer Sprache.
                                                               Auflage: 5200
                                                               © 2021 PricewaterhouseCoopers AG. All rights reserved.

2 ceo
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
ceo 2021 | Editorial

                  Eines der aktuell am meisten verwendeten Akronyme lautet ESG –
                  Umwelt, Soziales, Unternehmensführung. Leider reicht ESG nicht aus,
                  um das komplexe Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich auszulegen.
                  Darum sprechen wir in diesem ceo Magazin über «Planet», «People»
                  und «Perspective» – und über die nachhaltige Stadt als Raum,
                  in dem sich alles vereint.

                                     Nachhaltigkeit ist heute eine unternehmerische Notwendigkeit, hervorge-
                                     gangen aus dem pandemiebedingten Digitalisierungsschub und einer Reihe
                                     von regulatorischen oder auf Eigeninitiativen beruhenden Meilensteinen.
                                     Ich denke an das Pariser Klimaschutzabkommen, die UN-Agenda 2030 mit
                                     den Sustainable Development Goals, den EU-Aktionsplan, den Green Deal,
                                     die bundesrätliche Klimastrategie 2050 oder den Gegenvorschlag zur
                                     Konzernverantwortungsinitiative.

                                     Solche Rahmenwerke nehmen uns Entscheidungstragende in die Pflicht. In
                                     der letzten Ausgabe «Work in Progress» des ceo Magazins ging es um unsere
                                     Verpflichtung für eine Arbeitswelt, in der jede und jeder etwas beitragen kann.
                                     In der aktuellen Publikation widmen wir uns der Frage, wie wir unsere unter-
                                     nehmerische Verantwortung gegenüber der Zukunft von Mensch und Umwelt
                                     wahrnehmen.

                                     Tatsache ist: Nachhaltige Entwicklungen sind ohne Wirtschaftskraft nicht
                                     möglich. Unternehmen schaffen und prägen soziale und ökologische
                                     Gegebenheiten – durch Arbeitsbedingungen, Produktionsverfahren, Produkte
Andreas Staubli                      und Dienstleistungen. Durch nachhaltige Ansätze wie Kreislaufwirtschaft, Bio-
CEO PwC Schweiz
                                     ökonomie oder Impact Investing. Aber auch durch ihr Mitwirken am politischen
                                     Meinungsbildungsprozess.

                                     Wir von PwC lösen ebenfalls unser grünes Versprechen ein. Darum werden wir
                                     im Rahmen unseres Net Zero Commitments unsere Treibhausgasemissionen
                                     bis 2030 weltweit vollständig eliminieren. Darum haben wir ein nachhaltiges
                                     Abfallentsorgungs- und Recyclingsystem eingeführt und ein Kompetenz­
                                     zentrum für Nachhaltigkeit ins Leben gerufen. Darum beteiligen wir uns an
                                     vielen natio­nalen und internationalen Nachhaltigkeitsinitiativen wie dem
                                     Weltwirtschafts­forum, Swisscleantech und CEO4climate. Und darum haben
                                     wir Papier, Verpackungsfolie und den Versand für dieses Magazin bewusst
                                     umweltverträglich und klimaneutral gewählt.

                                     Wir möchten mit gutem Beispiel vorangehen und Lösungen bieten, die einen
                                     lebenswerten Wirtschaftsstandort Schweiz ermöglichen. Dieses ceo Magazin
                                     versteht sich als Beitrag zum Dialog von Wirtschaft und Gesellschaft – zugunsten
                                     von Umwelt, Menschen und neuen Perspektiven.

                                     Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.

                                     Andreas Staubli

                                                                                                                             ceo 3
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
Aktuelle Studien zum Thema

                                                              PwC                                                                                                                                                                                                                        Extern

                                                                                                                                                                                                                                                                                                      IFZ Sustainable Investments Studie 2020
                                                                                                                                               Platin Sponsor

                                                                                                                                               Gold Sponsoren

                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Prof. Dr. Manfred Stüttgen und Brian Mattmann
                                                                                                                                               Partner

Nature is too big to fail (2020)                                Leading the way to a green                                                                       Bridging the Gap (2020)                                                                                                                                                               IFZ Sustainable
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     IFZInvestments
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Sustainable Investments
Verlust der Biodiversität gefährdet                             and resilient economy (2020)                                                                     FortschritteBRIDGING
                                                                                                                                                                               der Schweizer
                                                                                                                                                                                      THE GAP
                                                                                                                                                                                            MEASURING PROGRESS ON THE CLIMATE GOAL ALIGNMENT                                                                                                           Studie 2020 Studie 2020
                                                                                                                                                                                            AND CLIMATE ACTIONS OF SWISS FINANCIAL INSTITUTIONS                                                                                                                      Nachhaltige Themenfonds
Finanzmarktstabilität                                           Strategie von WWF & PwC für eine                                                                 Finanzinstitute bei der                              Report November2020
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Nachhaltige Themenfonds
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Autoren Prof. Dr. Manfred Stüttgen und Brian Mattmann

                                                                nachhaltige Finanzwirtschaft                                                                     Ausrichtung auf Klimaziele und                                                                                                                                                                          hslu.ch/sustainable

                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Verlag IFZ – Hochschule Luzern – Wirtschaft
                                                                                                                                                                                                                                                                                     1

                                                                                                                                                                 den Klimamassnahmen messen
                                                                                                                                               Hochschule Luzern – Wirtschaft
                                                                                                                                               Institut für Finanzdienstleistungen Zug
                                                                                                                                               IFZ                                                                                                                                                                                                      Platin Sponsor

                                                                                                                                               Campus Zug-Rotkreuz
                                                                                                                                               Suurstoffi 1
                                                                                                                                               6343 Rotkreuz

                                                                                                                                               hslu.ch/sustainable
                                                                                                                                                                   1                                                                             LBBW Research I Nachhaltigkeitsstudie
                                                                                                                                               ISBN: 978-3-906877-76-1
                                                                                                                                                                                                                                                                        Bereit für Neues

    Circularity as the new normal                                                                                                         200817_w_ifz_stu_sis_a4.indd Alle Seiten                                                                                                                                                                                                                                               29.09.20 11:46

    Future fitting Swiss businesses
                                                                                                                                                                      Nachhaltigkeit lohnt sich
                                                                                                                                                                      September 2020 I LBBW Research

                                                                                                                                                                                                                                                     Nachhaltigkeit, jetzt erst recht!
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 2 
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Corporate
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            attitudes
                                                                                                                                                                                                                                                     Was bedeutet nachhaltig?
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 3 

                                                                                                                                                                                                                                                     Kriterien für nachhaltiges Handeln
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 4 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            towards
                                                                                                                                                                                                                                                     Gesellschaftlicher Wandel erhöht den Druck
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 5 

                                                                    The greenness of
                                                                                                                                                                                                                                                     Politik fördert nachhaltige Entwicklungen
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 6 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            sustainability
                                                                                                                                                                                                                                                     Profitabilität durch Nachhaltigkeit

                                                                    central banking
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 8 

                                                                                                                                                                                                                                                     Innovative Beispiele aus der Praxis
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 11 

                                                                                                                                                                                                                                                     Nachhaltigkeit messen
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 12 

                                                                    Rethinking the macroprudential framework                                                                                                                                         MSCI ESG-Research im Porträt

Kreislaufwirtschaft als neue                                    Greening central banking (2021)                                                                  Nachhaltigkeit lohnt sich –                                                                                                                                                           Einstellungen von Unterneh-
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 13 

                                                                                                                                                                                                                                                     Nachhaltigkeit als neue Basisanlage
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 15 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           2020
Normalität (2021)                                               Warum es an der Zeit ist, dass das                                                               jetzt erst recht! (2021)                                                                                                                                                              mensummary
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             zu Nachhaltigkeit 2020
                                                                                                                                                                                                                                                     Fazit: Gute Gründe für Nachhaltigkeit
                                                                                                                                                                                                                                                     Seite 18 

Zukunftssichere Schweizer                                       makro­prudenzielle System auch                                                                   Gesellschaft und Unternehmen                                                                                                                                                          Auswirkung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           report
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    auf Unternehmens-
                                                                                                                                                                     Gesellschaft und Unternehmen im Wandel                                          Uwe Burkert
                                                                                                                                                                                                                                                     Chefvolkswirt und Leiter des Bereichs Research
                                                                                                                                                                      Das Thema Nachhaltigkeit verändert unseren Alltag und ist für viele Verbrau-
                                                                                                                                                                      cher inzwischen ein maßgebliches Kriterium bei ihren Kaufentscheidungen.       Clemens Bundschuh

Geschäftsstrategien                                             klimabedingte Risiken berücksichtigt                                                             im Wandel                                                                                                                                                                             prioritäten aufgrund von COVID-19
                                                                                                                                                                      Für Unternehmen wird es somit immer wichtiger, sozial und ökologisch ver-      Leiter der Gruppe Research
                                                                                                                                                                      antwortlich zu handeln. Dies umso mehr, da sich der Druck vonseiten der        für Privat- und Unternehmenskunden
                                                                                                                                                                      Politik ebenfalls erhöht.
                                                                                                                                                                                                                                                     Autor: Antje Laschewski
                                                                                                                                                                      Eine nachhaltige Geschäftspolitik kann für Unternehmen sowohl mit Blick        Senior Strategist, Antje.E.Laschewski@LBBW.de
                                                                                                                                                                      auf ihr Image als auch aus Profitabilitätsgründen von Vorteil sein und sich
                                                                                                                                                                      darüber hinaus für die Anteilseigner auszahlen. Wenngleich Nachhaltigkeit
                                                                                                                                                                      kein Automatismus für einen Anlageerfolg ist, zeigt sich jedoch, dass Nach-    Erstellt am: 04.09.2020 10:00
                                                                                                                             www.pwc.ch                               haltigkeitsindizes ihre Benchmark auf Dauer schlagen können.                   Erstmalige Weitergabe am: 04.09.2020 10:00

                                                                                                                                                                                                                                                        LBBW Research auf Twitter

                                                 www.pwc.ch
   Schweizer Ausgabe: «24th Annual CEO Survey»

  Mit Optimismus und
  Tempo in die Zukunft
                                                                                                                                                                                     Sustainability
                                                                                                                                                                                      & Leadership
                                                                  Private equity’s ESG journey:
  www.pwc.ch/ceo-survey-de

                                                                  From compliance to value creation
                                                                  Global Private Equity Responsible Investment Survey 2021

                                                                                                                                                                                           2020
                                                                                                                                                                                              2021
                                                                                                                                                                                     Exklusive Studie
                                                                                                                                                                                     und Befragung von
                                                                                                                                                                                     Top‑Managern zum Thema
                                                                                                                                                                                     Nachhaltigkeit und Führung
                                                                                                                                                                                     in deutschen Unternehmen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Consumer   How
Schweizer Ausgabe:                                              Private equity’s ESG journey:                                                                    Sustainability &                                                                                                                                                                      Consumer     Products
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Products         and is
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       sustainability
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            and Retail
«24th Annual CEO Survey» (2021)                                 From compliance to value creation (2021)                                                         Leadership Studie (2021)                                                                                                                                                              Retail (2020) fundamentally
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       changing
Mit Optimismus und Tempo                                        Global Private Equity                                                                            Exklusive Studie und Befragung                                                                                                                                                        Wie Nachhaltigkeit die Präferenzen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       consumer
in die Zukunft                                                  Responsible Investment Survey 2021                                                               von Top‑Managern zum Thema                                                                                                                                                            der Konsumentenpreferences
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         tiefgreifend
                                                                                                                                                                 Nachhaltigkeit und Führung in                                                                                                                                                         verändert
                                                                                                                                                                 deutschen Unternehmen

4 ceo
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
ceo 2021 | Interview

Machen wir das Thema
Nachhaltigkeit überflüssig
Der führende Partner von PwC Schweiz für Anlegerberichterstattung und Nachhaltigkeit
strebt an, sich selbst überflüssig zu machen – zumindest auf lange Sicht. Vor Kurzem sprach
er mit dem CEO Magazin über den Stand der Dinge punkto Nachhaltigkeit.

                               Wir hören viele Unkenrufe über das Schicksal           PwC hat sich mit dem WWF zusammengetan,
                               der Erde, doch hier in der Schweiz sind Luft           um für die «Kreislaufwirtschaft als neue
                               und Wasser viel sauberer als vor ein paar              Normalität» in der Schweiz zu werben. Wie
                               Jahrzehnten. Ist das ein Widerspruch?                  werden Schweizer Unternehmen einbezogen?
                               Das ist vielleicht ein gefühlter Widerspruch, aber     Nur rund 10 Prozent des Ressourcenverbrauchs
                               kein wirklicher. Der Klimawandel ist per Definition    in der Schweiz sind heute zirkulär. 90 Prozent
                               ein globales Thema, aber jeder sieht ihn aus           sind es also nicht. Das zu ändern, ist ein ehrgeizi-
                               seinem eigenen Blickwinkel. Ja, hier in der            ges Ziel. Zur Erinnerung: Die Schweiz hat sich
                               Schweiz haben wir saubere Luft und sauberes            schon seit Langem wegen ihrer Abhängigkeit von
                               Wasser, und das ist sicherlich gut so. Zu welchen      ausländischen Ressourcen Sorgen gemacht. Die
                               Erkenntnissen kommen wir aber, wenn wir unsere         Kreislaufwirtschaft ist eine Möglichkeit, dieses
                               Böden oder Gletscher betrachten? Bei der               Risiko zu mindern und die Ressourcenversor-
                               Nachhaltigkeit geht es wirklich um das Schicksal       gung zu internalisieren. Zunächst klang das
                               der Erde. Warten wir also nicht, bis es zu spät ist,   vielleicht zu idealistisch, doch die Unternehmen
                               sie zu erhalten. Handeln wir, solange wir noch Zeit    beginnen allmählich, die damit verbundenen
Christophe Bourgoin            haben, bevor sich die Bedingungen dauerhaft            Wachstumschancen zu erkennen. Seit einigen
Partner, PwC Schweiz           zum Schlechteren wenden.                               Monaten greifen sie das Thema Kreislaufwirt-
                                                                                      schaft auf und fragen, wie sie es umsetzen und
                               Müssen wir weniger oder eher auf andere                in ihre Strategie integrieren können, um beste-
                               Art und Weise konsumieren? Was bedeutet                hende Geschäftsmodelle anzupassen oder neue
                               das für den Durchschnittsbürger?                       zu entwickeln.
                               Wir leben in einer Welt, in der man kaum jeman-
                               dem sagen kann, was er zu tun oder zu lassen           Sie kommen aus dem Bereich Corporate
                               hat. Die Schulung der nächsten Generationen            Finance. Wie passt das zu Nachhaltigkeit?
                               wäre eine Möglichkeit, die Verhaltensweisen zu         Es passt gut! Vor allem, wenn Sie beides sehen
                               ändern. Aber was können wir jetzt tun? Ehrlich         und mit Ihren Werten und Zielen verbinden
                               gesagt müssen wir unseren Konsum reduzieren            können. Wenn man eine bessere Geschäftstätig-
                               und wir müssen bestimmte Arten von Konsum              keit anstrebt, gibt es keine Diskrepanz. Nach­
                               stärker einschränken als andere. Es ist schwierig,     haltigkeit und finanzieller Gewinn ergänzen sich,
                               eine bestimmte Art von Konsum herauszugreifen.         denn kurzfristige Zeithorizonte für Entscheide
                               Aber, um nur ein Beispiel zu nennen, der Fleisch-      sind für die langfristige Wertschöpfung in der
                               konsum muss wohl zurückgehen. Weniger                  Regel nicht optimal.
                               Quantität bedeutet jedoch nicht weniger Qualität.
                               Beim Vergleich der heutigen Essgewohnheiten            Was steht in Sachen Nachhaltigkeit als
                               gegenüber jenen vor einigen Jahrzehnten stellen        Nächstes auf dem Plan?
                               wir fest: Heute gibt es viel mehr Speisen zum          Ich bin nicht sicher, was als Nächstes ansteht,
                               Mitnehmen und wesentlich mehr Fertiggerichte.          doch letzten Endes müssen wir das Thema
                               Das Verhalten verändert sich im Laufe der Zeit,        überflüssig machen. Heute befinden wir uns
                               und wir müssen diese Veränderung steuern. Für          immer noch in einer Phase der Sensibilisierung
                               den Durchschnittsbürger kann das ein Dilemma           und Zielsetzung. Nachhaltigkeit muss so im
                               darstellen. Die meisten Menschen möchten das           unternehmerischen Denken und der Strategie
                               Richtige tun, doch umweltfreundlichere Produkte        verankert werden, dass sie nicht mehr separat
                               sind in der Regel auch teurer. Im Zuge der             betrachtet wird, sondern als DNA des Unterneh-
                               Popularisierung dieser Produkte dürften ihre           mens und als echter Differenzierungsfaktor.
                               Preise aber fallen. Das erleichtert die Verhaltens-
                               änderung, die schliesslich zu einer sich selbst        Christophe Bourgoin, vielen Dank für Ihre
                               erfüllenden Prophezeiung wird.                         Denkanstösse.

                                                                                                                                    ceo 5
CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
Reportage: Planet
          Der Schutz des Planeten als erste
        Etappe nachhaltigen Verhaltens
                                               08                                  Inhalt
                            BAFU   10
  Katrin Schneeberger sieht die
    Wirtschaft als Pfeiler einer
       langfristig erfolgreichen
               Umweltstrategie                                                     Planet
                     Pro Natura    14
            Urs Leugger-Eggiman
        erklärt, wie die Privatwirtschaft
        mit Naturschutz zukunftsfähig bleibt

                                                                             22   Reportage: People
                             The SeaCleaners        18                             Der Mensch im Mittelpunkt
                Yvan Bourgnon über den Kampf                                         der sozialen Nachhaltigkeit
              gegen die Plastikflut in den Weltmeeren

                                                                                         24     Kinderdorf Pestalozzi
                                                                                                 Martin Bachofner sieht Bildung
                                                                                                 als Chance für mehr soziale

                         People
                                                                                                 Nachhaltigkeit

                                                                                           28    Too Good To Go
                                                                                              Alina Swirski erklärt, wie tausende
                                                                                             Schweizer Unternehmen nach-
                                                                                            haltiger wirtschaften

                                                                              32   SEF
                Reportage: Perspective         36                          Corine Blesi über ehrliche Führungskräfte
   Für nachhaltig engagierte Unternehmen                                und verantwortungsbewusste Investitionen
   ergeben sich viele neue Perspektiven

                          Alpiq    38
         Für Antje Kanngiesser
     ist Nachhaltigkeit mehr als
             ein Geschäftsmodell                                                   Perspective
                           NIKIN   42
       Nicholas Hänny leistet mit
     nachhaltiger Mode einen Beitrag
    zur Transformation der Textilindustrie

                        Sustainable Finance         46
                         Tilmann Lang und Falko Paetzold arbeiten       52   Reportage: Die nachhaltige Stadt
                            daran, nachhaltiges Investieren einfacher        Natur, Mensch und Zukunft im Einklang
                                und effektiver zu machen

                                                                        Sustainable city
6 ceo
GrasPapier
Natur
Das Gras wachsen hören
Für dieses Kapitel setzen wir «graspapier™» ein. Es besteht zu
40 Prozent aus schnell nachwachsenden Grasfasern und zu
60 Prozent aus Frischfasern. Damit trägt es wesentlich dazu bei,
dass für die Papierherstellung weitaus weniger langsam wachsende
Bäume gefällt werden müssen. «graspapier™» besticht durch seine
einmalig natürliche Haptik und trägt die Natur sozusagen in sich.

                                                                    ceo 7
Reportage

         Planet
         Am Anfang war die Welt                       Kohlenstoffbindung drastisch ein, was
         Historisch gesehen ist der Schutz des        wiederum den Klimawandel verschärft.
         Planeten die erste Etappe nachhaltigen       Diese Negativspirale erhöht das Risiko der
         Verhaltens. Mit der Nuklearkatastrophe       Finanzmarktinstabilität2. Denn sie birgt
         von Tschernobyl und dem Grossbrand im        diverse Risiken mit enormen makroökono-
         Industrieareal Schweizerhalle im Jahr        mischen Auswirkungen. Dazu ein konkretes
         1986 rückte die Sorge um die Umwelt ins      Beispiel: Müssten Pflanzen künstlich statt
         Bewusstsein der Bevölkerung – und damit      natürlich bestäubt werden, so entstünden
         auf die unternehmerischen Agenden.           jährliche Zusatzkosten von 153 Milliarden
         Soziale und Governance-Aspekte gesellten     Euro. Umso wichtiger wird es, dass die
         sich später hinzu.                           Unternehmen ihre biodiversitätsrelevanten
                                                      Risiken offenlegen und regelmässig
         Klima-Leader wie Greta Thunberg verliehen    Stresstests durchführen.
         dem Klimaschutz eine jugendliche Brisanz.
         Auch in Schweizer Familienunternehmen        Blue Economy in sattem Grünton
         treibt die NextGen die Nachhaltigkeits-
         bestrebungen ihrer Traditionshäuser an1.     Blue Economy beschreibt einen nach-
         Gesetzgebungen und selbstregulatorische      haltigen Entwicklungsansatz für Küsten-
         Initiativen geben den nötigen Rahmen, so     ressourcen, von Fischerei, Aquakulturen,
         zum Bespiel die Klimastrategie 2050 des      Seeverkehr, Küsten-, Meeres- und Maritim-
         Bundesrates. Solche Rahmenwerke wollen       tourismus bis zu erneuerbaren Energien an
         natürliche Ressourcen schonen, Schäden       der Küste, marinen Ökosystemdienstleis-
         am Ökosystem Natur vermeiden, Treibhaus-     tungen (z. B. Blue Carbon), Meeresboden-
         gasemissionen verringern, Klimasta­bilität   bergbau oder Bioprospektion. Unterneh-
         etablieren und die Biodiversität fördern.    men der Blue Economy helfen mit, die
                                                      Meeresverschmutzung zu reduzieren und
                                                      die Ozeanversauerung einzudämmen.
         Existenzfaktor Biodiversität                 Die Weltbank schreibt diesem Ansatz ein
         Massensterben und Artenarmut haben           enormes Potenzial zu3. Nach Angaben des
         vielfältige Ursachen: Landnutzungsände-      WWF liegt das jährliche «Bruttomeeres-
         rungen, Raubbau, Übersäuerung und            produkt» der Ozeane bei 2.5 Billionen
         Verschmutzung der Meere. Derart rasche       Dollar4. Damit wäre die Blue Economy die
         Veränderungen schränken die natürliche       achtgrösste Volkswirtschaft der Welt.

8 ceo
Reportage | Planet

                                                                                  Der CO2-Fussabdruck
                                                                                    ist zentral, um ein
                                                                                Nachhaltigkeitsengagement
                                                                                      transparent zu
                                                                                     kommunizieren.

Tragödie der Alltagsdinge                      Bestandteil der Nachhaltigkeitsbericht-         Letztere holen CO2 aus der Atmosphäre
Wer kennt das nicht: Man bestellt einen        erstattung und Basis für die Formulierung       zurück, beispielsweise bei der Wiederauf-
Pullover übers Internet, schickt ihn dann      von Reduktionszielen, etwa im Rahmen            forstung oder Ozeandüngung.
aber zurück, weil er nicht ganz passt oder     einer Netto-Null-Verpflichtung.
nicht ganz gefällt. Die wenigsten wissen:                                                      Persönlichkeiten im Gespräch
Ein Grossteil dieser retournierten Textilien   Ein Planet mit vielen Chancen
werden vernichtet. Die Wiederaufbereitung                                                      Wie Menschen und Organisationen
und ein erneuter Versand würden einen          Gerade das Dekarbonisierungsziel gilt           Verantwortung für die Erde übernehmen,
Preis erfordern, den die Konsumenten nicht     als Opportunität für Wirtschaftsakteure.        lesen Sie in den folgenden Interviews.
zu zahlen bereit sind. Und erneute CO2 -       Es sollte vorgelagerte Lieferketten, die        Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) gibt
Emissionen auslösen. Hier liegt die Verant-    Produktnutzung, das Umfeld der Konsu-           dem Wandel einen Rahmen. Pro Natura
wortung nicht nur bei den Herstellern und      menten und das Ende des Lebenszyklus            als älteste Naturschutzorganisation der
Händlern, sondern bei jeder und jedem          einbeziehen. Mit einem Net Zero Commit-         Schweiz verleiht der Natur eine starke
Einzelnen. Wir müssen unser persönliches       ment kann ein Unternehmen zum überge-           Stimme. Und die Einsatzkräfte von Sea­
Konsumverhalten hinterfragen. Das fällt uns    ordneten Absenkpfad und Klimaziel seines        Cleaners kämpfen höchstpersönlich gegen
gerade bei Gütern schwer, mit denen wir        Landes beitragen und gesellschaftliches         die Verschmutzung der Weltmeere an.
gerne unseren Alltag auskleiden und über       Umdenken mitgestalten.
deren Umweltschädlichkeit wir nicht
nachdenken.                                    Auch transparente Investitionsentscheide        1
                                                                                                   «Die NextGen ist ambitioniert, motiviert und qualifiziert»,
                                               sind als Chance zu werten. Dazu gehört              PwC Schweiz, 2020
                                               zum Beispiel ein stringentes Reporting          2
                                                                                                   «Nature is too big to fail – Biodiversity: the next frontier in financial
Dem CO2 -Fussabdruck                           gemäss ESG (umweltbezogene, soziale und             risk management», PwC Schweiz, 2020
auf der Spur                                   Governance-Kriterien). Ein illustres Beispiel   3
                                                                                                   «The Potential of the Blue Economy: Increasing Long-term
                                                                                                   Benefits of the Sustainable Use of Marine Resources for Small
Diese Kenngrösse bewertet die Klima­           für ein planetenfreundliches Vehikel ist die        Island Developing States and Coastal Least Developed Countries»,
wirkung. Sie zeigt das Potenzial für           welterste Wildtierschutzanleihe. Mit dieser         World BankGroup, Vereinte Nationen, 2017
Ein­sparungs- und Effizienzmassnahmen          will die Weltbank den Bestand der Spitz-        4
                                                                                                   «Billionenschweres Brutto-Meeres-Produkt», WWF, 2015
auf. Betrachtet werden nicht nur direkte,      maulnashörner in Südafrika erhöhen.
sondern auch indirekte Emissionen aus der
Erzeugung von gekauftem Strom, Dampf,          Mit zirkularen Ansätzen können sich die
Wärme und Kühlung, sogenannte Scope-           Unternehmen für den Planeten engagieren.
3-Emissionen. Der CO2 -Fussabdruck ist         Darum lohnt es sich, über den Einsatz von
zentral, um ein Nachhaltigkeitsengagement      Wasserstoff, Biokraftstoffen oder Negativ-
transparent zu kommunizieren. Er ist           emissionstechnologien nachzudenken.

                                                                                                                                                                   ceo 9
«Bei den natürlichen
           Ressourcen fehlt die
       Kostenwahrheit»
                                           Sie sieht die Wirtschaft als Pfeiler einer langfristig erfolgreichen
                                           Umweltstrategie: Katrin Schneeberger, Direktorin des
                                           Bundesamtes für Umwelt (BAFU), über den Import von
                                           Umweltbelastungen und die Chancen der Nachhaltigkeit für
                                           den Standort Schweiz.

                                           Text: Simon Eppenberger
                                           Bilder: Markus Bertschi

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU)            Der Bundesrat nimmt sich mit der               Lässt sich die Bevölkerung zur
setzt die Umweltpolitik des Bundesra-      Vision 2030 im Bereich Umwelt und              Nachhaltigkeit erziehen?
tes um. Es stellt die nachhaltige          Natur viel vor. Eine tragende Rolle bei        Veränderungen sind möglich. Man hat
Nutzung der natürlichen Ressourcen         der Umsetzung hat das BAFU.                    beispielsweise festgestellt, dass es einen
wie Biodiversität, Boden, Wasser, Luft,    Was steht dabei im Zentrum?                    positiven Effekt hat, wenn bereits Kindergar-
Ruhe und Wald sicher und fördert die       Wir verfolgen die Vision des intakten          tenkinder etwas über Recycling lernen. Sie
Wiederverwertung von Ressourcen            Lebensraums. Darunter verstehen wir eine       gehen damit nach Hause und erzählen am
(Kreislaufwirtschaft). Das BAFU ist u.a.   Umwelt, in welcher nicht mehr natürliche       Familientisch, dass Abfall getrennt werden
verantwortlich für den Klimaschutz, die    Ressourcen verbraucht werden, als              sollte. Und plötzlich funktionieren Trennen
Erhaltung der Biodiversität und der        sich erneuern können. Insbesondere die         und Recycling besser. Manchmal ist es
Landschaftsqualität und ist zuständig      Biodiversität soll widerstandsfähig sein.      besser, die Kinder sagen den Erwachsenen,
für die internationale Umweltpolitik.      Und wir wollen die Treibhausgas-Emissio-       was sie zu tun haben – und nicht der Staat.
Das Jahresbudget liegt bei rund            nen reduzieren, um das Klima zu schützen.
1,6 Milliarden Franken. Gut 87 Prozent     Zudem sollen die natürlichen und techni-       Wie kann man Unternehmen animieren,
davon fliessen in Subventionen und         schen Risiken tragbar sein.                    nachhaltig zu wirtschaften?
Lenkungsabgaben. Für das BAFU sind                                                        Zahlreiche Unternehmen engagieren
rund 600 Mitarbeitende tätig.              Um das zu erreichen, gibt es viele             sich bereits heute für ressourceneffiziente
                                           Gesetze und Massnahmen wie die                 Prozesse und ökologische Geschäfts-
www.bafu.admin.ch                          CO2 -Abgabe. Was ist darüber hinaus            modelle. Das zu tun, liegt auch in ihrem
                                           wirkungsvoll, um die Nachhaltigkeit            ureigenen Interesse, um zukunftsfähig zu
                                           in der Schweiz voranzubringen?                 sein. Wir geben ihnen einen Orientierungs-
                                           Die Massnahmen sind vielfältig. Neben den      rahmen und zeigen auf, welches die
                                           Lenkungsabgaben sind die Subventionen          wichtigsten Herausforderungen der Zukunft
                                           ein starkes Instrument. Und es gibt freiwil-   sind, beispielsweise anhand der langfristi-
                                           lige Branchenvereinbarungen, mit denen         gen Klimastrategie. Damit können Unter-
                                           sich Unternehmen verpflichten, nachhaltig      nehmen nachhaltig planen und wirtschaf-
                                           zu agieren. Wichtig sind zudem Monitoring      ten. Wichtig sind auch die Förderung von
                                           und Forschung, um faktenbasiert zu             Innovation, Forschung und Technologie
                                           handeln – auch über die Landesgrenzen          und die Unterstützung beim Übergang von
                                           hinaus. Denn Umweltprobleme sind ein           Forschung und Entwicklung in den Markt.
                                           globales Thema. Deshalb nimmt die              Und nicht zuletzt hat der Bund eine Vorrei-
                                           Schweiz bei internationalen Verhandlungen      terrolle bei der nachhaltigen Beschaffung.
                                           eine aktive Rolle ein.

10 ceo
Katrin Schneeberger | BAFU

            Würden alle leben
            wie in der Schweiz,
             bräuchte es drei
                   Erden.

Katrin Schneeberger (55) ist in Bern
aufgewachsen, absolvierte dort die Matura
sowie das Studium in Wirtschaftsgeografie.
Nach Abschluss des Doktorats und einem
Studienjahr in Soziologie in Grossbritannien
leitete sie in der Bundeshauptstadt den
Bereich Mobile Gesellschaft am Zentrum
für Technologiefolgenabschätzung, war
stadtbernische Generalsekretärin in der
Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün
und während acht Jahren zuerst Vizedirektorin
und anschliessend stellvertretende Direktorin
des Bundesamtes für Strassen (ASTRA).
Seit September 2020 ist Schneeberger Direk-
torin des Bundesamtes für Umwelt (BAFU).
Sie lebt mit ihrem Partner in Bern.

                                                  ceo 11
Was sind Ihrer Meinung nach die                 Was müssen wir dagegen tun?                    Lärmschutzmassnahmen versuchen, die
grössten Herausforderungen im                   Zuerst geht es darum, ein Bewusstsein für      Menschen vor Verkehrslärm zu schützen.
Bereich Nachhaltigkeit?                         den schleichenden Verlust der Biodiversität
Wir leben deutlich über unsere Verhältnisse.    zu schaffen. Ihn leicht verständlich zu        Sind viele Schäden nicht bereits
Unser Lebensstil verbraucht weit mehr           beschreiben und effektiv zu ändern, ist        unumkehrbar?
Ressourcen, als uns der Planet nachhaltig       deshalb ungleich komplexer als beim            Probleme sind da, aber vieles ist auch auf
bereitstellen kann. Würden alle wie in der      Klimawandel. Alle verstehen: Bis 2050          gutem Weg. Unser Monitoring zeigt auf,
Schweiz leben, bräuchte es drei Erden.          wollen wir den Netto-Null-Ausstoss von         dass wir in den letzten 20 Jahren gewaltige
Diesen Mechanismus zu verändern ist die         CO2. Solche eingängigen Ziele sind             Fortschritte im Bereich Luft gemacht
grösste Hürde.                                  wichtig. Im Bereich Biodiversität wird unter   haben. Oder bei den Flüssen: Heute baden
                                                den Staaten zurzeit das Ziel «30 by 30»        wir in der Aare in Bern. In den 1970er-
Wie lässt sich das ändern?                      diskutiert: Bis im Jahr 2030 sollen global     Jahren war das undenkbar, das Wasser
Es braucht eine Vielzahl an Massnahmen.         30 Prozent der Land- und Ozeanfläche für       schäumte. Beim Kampf gegen den Klima-
Ein Problem ist die fehlende Kostenwahr-        die Erhaltung der Biodiversität reserviert     wandel und dem Schutz der Biodiversität
heit. Natürliche Ressourcen haben nicht         werden.                                        muss es klar vorwärtsgehen.
den Preis, den sie wert sind, und werden
entsprechend übernutzt.                         Welches sind die wichtigsten natürli-          Welche Chancen sehen Sie in einer
                                                chen Ressourcen der Schweiz – und              erfolgreichen nachhaltigen Entwicklung?
Welche Themen sind aktuell bei                  wie sollen wir mit ihnen umgehen?              Letztlich geht es um den Erhalt der natür-
Ihnen von hoher Relevanz?                       Wie gesagt, ohne natürliche Ressourcen         lichen Lebensgrundlage für uns, unsere
Am brennendsten sind der Klimawandel,           können wir nicht leben. Als Gesamtheit         Kinder und Enkelkinder. Für die Wirtschaft
die Kreislaufwirtschaft sowie der Verlust       unserer Lebensgrundlage ist eine gesunde,      ist das eine Chance und ein weltweiter
der Biodiversität. Letzteres wird parallel      vielfältige Biodiversität ausschlaggebend.     Wachstumsmarkt, beispielsweise im
zum Klimawandel das nächste grosse              Wasser ist eminent wichtig. Da ist die         Bereich Cleantech. Als Innovationsmeisterin
Thema werden.                                   Schweiz als Wasserschloss gut positioniert,    profitiert auch die Schweiz davon.
                                                bei der Qualität gibt es aber noch zu tun.
Weshalb ist die Biodiversität für uns           Der Boden wiederum ist dicht besiedelt und     Welche Priorität sollte das Thema
als Gesellschaft so enorm bedeutend?            stark genutzt. Und es braucht saubere Luft.    Nachhaltigkeit für eine/n CEO, die
Die vielfältigen Ökosysteme, die aus einer      Wir können diese Ressourcen nutzen und         Geschäftsleitung haben?
Vielzahl an Pflanzen und Tieren sowie ihren     müssen sie zugleich schützen. Dafür müssen     Für mich gehört es ins Zentrum jeder
Lebensräumen bestehen, sind eine zentrale       wir von End-of-Pipe-Lösungen wegkommen.        Strategie und sollte deshalb in der Ge-
Lebensgrundlage und Basis für wirtschaft-                                                      schäftsleitung angesiedelt sein. Spätes-
liche und damit gesellschaftliche Stabilität.   Das bedeutet?                                  tens, wenn Nachhaltigkeit finanziell
Je diverser das Ökosystem, desto wider-         Wir sollten vorsorgen und Umweltbelastun-      relevant wird, kommt sie zuoberst im
standsfähiger ist es. Diese Widerstands-        gen nicht im Nachhinein bekämpfen müssen,      Unternehmen an. Die Entwicklung zeigt
kraft ist gefährdet.                            sondern gar nicht erst entstehen lassen.       sich auch darin, dass diverse Firmen
                                                Also beispielsweise beim Lärm an der Quelle    inzwischen die Funktion des Chief
                                                eingreifen und nicht mit aufwendigen           Sustainability Officer geschaffen haben.

12 ceo
Katrin Schneeberger | BAFU

                  Die Frage,
              welche Umwelt-
          belastung unser Konsum
           im Ausland verursacht,
              ist sehr wichtig.                                                Ganz            persönlich
                                                                                                Auf welche Errungenschaften
                                                                                                möchten Sie in 30 Jahren
                                                                                                zurückblicken können?
                                                                                                Bis im Jahr 2050 wollen wir die Netto-Null-
                                                                                                Strategie umgesetzt haben. Mich würde es
                                                                                                deshalb besonders freuen, wenn das
                                                                                                gelingen würde und wenn wir bis dann in
                                                                                                der Schweiz unter dem Strich keine
                                                                                                Treibhausgasemissionen mehr ausstossen.

                                                                                                Welcher ist für Sie der schönste
                                                                                                Ort auf der Welt?
                                                                                                Es gibt nicht den einzigen schönsten Ort.
                                                                                                Der schönste Ort ist jeweils dort, wo ich in
                                                                                                guter Gesellschaft bin, mit Freundinnen und
                                                                                                Freunden oder der Familie.

                                                                                                Wo laden Sie Ihre Batterien auf?
                                                                                                Beim Sport, einem guten Essen, am
                                                                                                Wochenende in der Natur – oder in einer
                                                                                                Grossstadt mit Kultur.

                                                                                                Was macht Sie nachdenklich?
                                                                                                Wenn mit der Umwelt sorglos umgegangen
                                                                                                wird und Menschen unaufrichtig sind.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach          Inwiefern können Konsumentinnen und
die Wirtschaft sowie die darin agierenden        Konsumenten eine nachhaltige Produk-           Was möchten Sie der nächsten
Unternehmen für eine erfolgreiche Trans-         tion mit ihrer Nachfrage beeinflussen?         Generation mitgeben?
formation hin zu mehr Nachhaltigkeit?            Sie haben eine Verantwortung und können        Das Engagement für die eigenen Anliegen
Die Wirtschaft ist neben der Ökologie/           Dinge verändern. Drei Lebensbereiche sind      lohnt sich – genauso wie es sich lohnt, zu
Umwelt und dem Sozialen ein Pfeiler des          zentral: Mobilität, Wohnen und Ernährung.      sich und seinen Überzeugungen zu stehen.
Nachhaltigkeitskonzeptes. Sie generiert          Wir bestimmen, wie wir unterwegs sind
Innovationen und treibt Technologien voran.      und welche Fahrzeuge wir kaufen. Beim          Was hat Sie die COVID-19-
Entsprechend haben die Unternehmen eine          Wohnen haben wir es in der Hand, wie viel      Pandemie gelernt?
zentrale Rolle inne.                             Fläche wir nutzen, und wir können den          Dass man sich nie in falscher Sicherheit
                                                 Energieverbrauch beeinflussen. Und beim        wähnen soll. Und dass alles zwei Seiten
Was bedeutet das speziell für Schweizer          Essen können wir Food Waste minimieren         hat: Für uns alle war und ist die Pandemie
Unternehmen, die oft auch ausserhalb             und regionale sowie saisonale Produkte         einschneidend. Gleichzeitig macht Not
der Schweizer Grenzen tätig sind?                einkaufen. Generell scheint es mir wichtig,    beweglich, erfinderisch, fördert die
Drei Viertel der gesamten Umweltbelastung        beim Konsum auf eine lange Lebensdauer         Kreativität und schafft Potenzial für Neues.
von Schweizerinnen und Schweizern werden         zu achten und wo möglich in Kreisläufen zu
im Ausland verursacht. Der internationale        denken und danach zu handeln.
Kontext und die Frage, welche Umweltbelas-
tung unser Konsum im Ausland verursacht,
sind deshalb sehr wichtig. Es gibt eine grosse
Verantwortung entlang der Lieferkette, aber
auch für den Export. Das betrifft alle Firmen
und insbesondere Grosskonzerne, die ihren
Standort in unserem Land haben. Denn
Umweltprobleme machen wie gesagt nicht
an der Grenze halt.

                                                                                                                                         ceo 13
Mit dem Schutz der Natur
          zukunftsfähig bleiben

     Urs Leugger-Eggimann (57)
ist Geschäftsführer von Pro Natura
    und leitet das Zentralsekretariat
   der Organisation. Er hat Biologie
     und Geografie studiert und ein
   Nachdiplomstudium in betriebs-
     wirtschaftlichem Management
       für Nonprofit-Organisationen
    absolviert. Für den Naturschutz
 engagiert sich der 57-Jährige seit
     seinen Jugendjahren. Leugger
arbeitet seit mehr als 20 Jahren für
   Pro Natura. Er ist Vater von zwei
 erwachsenen Kindern und lebt mit
        seiner Frau in Arlesheim BL.

14 ceo
Urs Leugger-Eggimann | Pro Natura

                                          Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssen am gleichen
                                          Strang ziehen, um Lebensräume für Tiere und Pflanzen
                                          zu erhalten, sagt Urs Leugger-Eggimann.
                                          Der Zentralsekretär der Naturschutzorganisation
                                          Pro Natura versucht, als Vorbild voranzugehen.

                                          Text: Redaktion ceo
                                          Bilder: Andreas Zimmermann

Pro Natura ist mit rund 170’000           Es ist ein Tierchen, das die meisten von       zur Kenntnis nehmen, dass die Schweiz in
Mitgliedern eine der grössten Natur-      uns eher selten zu Gesicht bekommen.           Bezug auf den Schutz der natürlichen
schutzorganisationen in der Schweiz.      Die Gliedmassen zierlich, der Körper fragil,   Lebensräume anderen Ländern hinterher-
Als privater gemeinnütziger Verein        so erscheint der Bachflohkrebs, der im         hinke, sagt der Geschäftsführer. 1992 hat
mit Zentralsekretariat in Basel und       Zentralsekretariat von Pro Natura in Basel     die Schweiz die Biodiversitäts-Konvention
Sektionen in allen Kantonen setzt sie     überlebensgross auf einem riesigen Plakat      unterzeichnet, die eine Verpflichtung zur
sich für den Erhalt der einheimischen     an der Wand zu sehen ist. 2021 ist der         Unterschutzstellung von 17 Prozent der
Tier- und Pflanzenwelt ein und vertritt   Gliederfüsser von den Naturschützern als       Landesfläche enthält. Von diesem Ziel sei
als Anwältin der Natur deren Interes-     Tier des Jahres ausgewählt worden, eine        unser Land heute noch weit entfernt. Im
sen. Pro Natura engagiert sich in der     von zahlreichen bedrohten Arten im Land,       Vergleich mit den in der OECD vereinigten
Umweltbildung und fördert Projekte        für deren Erhalt und Schutz sich die           Industrienationen stehe die Schweiz als
zum Schutz gefährdeter Arten und          Organisation Pro Natura einsetzt.              Schlusslicht da, mit dem höchsten Anteil an
Lebensräume. Gegründet 1909,                                                             bedrohten Arten und dem niedrigsten Anteil
betreut sie mehr als 700 Naturschutz-     Urs Leugger-Eggimann, ihr Zentralsekretär,     an ausgewiesenen Schutzgebieten. Auch
gebiete im ganzen Land und betreibt       weiss um die Bedeutung solcher Beispiele.      die Vereinten Nationen hätten der Schweiz
ein Dutzend Naturschutzzentren.           Der Biber, der sich seine Lebensräume an       diesbezüglich kein gutes Zeugnis ausge-
Auf Initiative von Pro Natura wurde       vielen Gewässern der Schweiz seit Jahren       stellt, sagt Leugger.
der bisher einzige Nationalpark der       zurückerobert, und der Bartgeier, dessen
Schweiz geschaffen.                       Auswilderung eine Erfolgsgeschichte ist,
                                                                                         Leben auf zu grossem Fuss
                                          sind andere Sympathieträger, die exempla-
www.pronatura.ch                          risch für die Arbeit von Pro Natura stehen.    Bei den Behörden, namentlich im Bundes-
                                          «Aufs Ganze gesehen bleiben solche             amt für Umwelt, sei dies durchaus bekannt,
                                          Erfolgsgeschichten im Artenschutz aber         im Gegensatz zur breiten Bevölkerung. Die
                                          leider Einzelfälle», sagt der ausgebildete     gesetzlichen Grundlagen für den Schutz
                                          Biologe Leugger. Auch mit Feldhasen,           wären eigentlich gegeben, doch der Druck
                                          Spechten, Wildbienen und Fröschen, von         auf die Umwelt nehme weiter zu. «Wir leben
                                          denen es immer weniger gibt, wirbt der         auf zu grossem Fuss», sagt der Naturschüt-
                                          Verein für die Sache der Natur.                zer mit Blick auf wachsende Ansprüche
                                                                                         und divergierende Nutzungsinteressen.
                                          Über Natur- und Umweltschutz werde in          Die intensive Landwirtschaft, die Zersiede-
                                          der Gesellschaft wieder breiter diskutiert,    lung der Räume und die Versiegelung des
                                          eine an sich erfreuliche Entwicklung. «Die     Bodens würden die Lebensräume für Flora
                                          Dringlichkeit des Themas wird zunehmend        und Fauna bedrohen. «Manche gehen leider
                                          erkannt». Auf der anderen Seite müsse man      unwiderruflich verloren», beklagt Leugger.

                                                                                                                              ceo 15
Firmen, die heute
                                                                                bei der Nachhaltigkeit
                                                                                     vorangehen,
                                                                                verschaffen sich einen
                                                                                 Wettbewerbsvorteil.

Umso wichtiger sei es, mit Aufklärung,         damals Schweizerischer Bund für              Im Dialog mit Unternehmen
Umweltbildung und ständiger Kommunika-         Naturschutz, wurde im Jahr 1909 mit
tionsarbeit die Menschen für das Thema zu      dem alleinigen Zweck gegründet, diesen       Pro Natura sucht aktiv den Austausch mit
sensibilisieren. Exkursionen mit Schulklas-    ersten Nationalpark im Alpenraum zu          Unternehmen und ihrer Führung. Wo es
sen, Bildungsangebote für Lehrerinnen und      ermöglichen. Insgesamt umfassen die          geht, nehme man auch Einfluss. Als ein
Lehrer, Ausbildungsgänge für Naturpäda-        900 Reservate, die sich Pro Natura           Beispiel nennt Leugger den Verkauf von
gogen oder Lehrmittel für alle Altersstufen    unterdessen für bestimmte Naturschutz-       nicht standortgerechten Pflanzen, soge-
sind Elemente dieser Arbeit, die Leugger       ziele sichern konnte, eine Fläche von        nannten Neophyten, in Gartencentern.
mit seinem über 100-köpfigen Team am           737 Quadratkilometern.                       «Wir haben im Dialog zu überzeugen ver-
Hauptsitz in Basel und in den beiden                                                        sucht, dass es auch ohne solche Pflanzen
Naturschutz-Zentren Aletsch und Champ                                                       im Sortiment geht, die eine wichtige
                                               Strategische Aufgabe
Pittet leistet. Etwa ebenso viele Beschäf-                                                  Ursache für den Rückgang der Biodiversität
tigte sind in den 23 kantonalen Sektionen      Dass sich auch die Wirtschaft vermehrt       sind, berichtet der Zentralsekretär.
tätig. Die Zahl der Ehrenamtlichen beträgt     dem Thema Nachhaltigkeit zuwendet,           Bei weitergehenden Kooperationen mit
gegen 3000.                                    sieht Urs Leugger als positiv an. Wichtig    einzelnen Firmen ist Leugger eher zurück-
                                               sei, dass die Unternehmen nicht nur in       haltend. «Wenn wir Anzeichen für ein
                                               ihrem eigenen Verantwortungsbereich          ‹Greenwashing›, also vor allem Marketing-
Schaffung des Nationalparks
                                               nach Verbesserungen suchen. «Nötig ist,      ziele dahinter sehen, sehen wir von einer
als Pioniertat                                 sämtliche Prozesse und die gesamte           engen Zusammenarbeit lieber ab.»
Finanziert wird die Tätigkeit durch Mitglie-   Wertschöpfungskette auf Umwelteinflüsse
derbeiträge, Spenden und Legate sowie die      zu überprüfen», sagt er. So würden die       Die Herausforderungen der kommenden
besondere Unterstützung von etwa 27’000        Verantwortlichen erkennen, wo es überall     Jahre und Jahrzehnte, die sich für die
Gönnerinnen und Gönner. Hinzu kommen           noch «Luft nach oben» gibt.                  Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Umwelt-
Beiträge der öffentlichen Hand für konkrete                                                 bereich ergeben, seien gewaltig. Davon
Leistungsaufträge. Zu diesen zählen die        Basis dafür sei, dass in den Verwaltungs-    ist der promovierte Biologe überzeugt.
Betreuung und Pflege von Naturschutzge-        räten und im Management entsprechende        Umweltschädliches Verhalten werde
bieten. «Solche Schutzgebiete sind die         strategische Weichen gestellt und ver-       zunehmend den Verursachern belastet. Die
Perlen für unsere Biodiversitätskette», sagt   bindliche Ziele gesetzt werden. Erst dann    Ansprüche der Gesellschaft an die Unter-
Urs Leugger. Derzeit trägt die Organisation    gelinge auch auf den nachgelagerten          nehmen würden weiter steigen. «Firmen,
die Verantwortung für etwa 740 grosse und      Ebenen die konkrete Umsetzung. Überprü-      die heute vorangehen, verschaffen sich
kleine Gebiete im ganzen Land, von denen       fen lasse sich das Erreichen der Ziele mit   einen Wettbewerbsvorteil», ist Leugger
sie einen Teil auch selbst besitzt und so      einem umfassenden Controlling. Es diene      überzeugt. Das gelte insgesamt auch für
dauerhaft unter Schutz stellen kann. Hinzu     zudem als Grundlage für ein Nachhaltig-      die Schweiz als Volkswirtschaft.
kommen Landschaftsschutzgebiete und            keits-Reporting, welches immer mehr
Naturobjekte wie Höhlen oder Tümpel.           Firmen publizieren. «Diese Transparenz ist
                                                                                            Zukunftsfähig bleiben
Eine besondere Bedeutung kommt dem             wichtig, sowohl für die Unternehmen selbst
Schweizerischen Nationalpark im äussers-       als auch für die Zivilgesellschaft und die   Dass die Schweizer Stimmbevölkerung im
ten Südosten des Landes zu. Pro Natura,        Behörden», sagt Leugger.                     Juni 2021 das CO2 -Gesetz abgelehnt hat,

16 ceo
Urs Leugger-Eggimann | Pro Natura

                                                                                               Ganz
    Wie sich unser Verhalten
    im Alltag auf die Umwelt
                                                                                               persönlich
    auswirkt, ist bei uns ein
      ständiges Thema.                                                                          Welches persönliche Ziel möchten
                                                                                                Sie erreichen?
                                                                                                Der familiären, beruflichen und gesell-
                                                                                                schaftlichen Verantwortung gerecht zu
                                                                                                werden, ist nicht immer einfach. Ich habe
                                                                                                mir zum Ziel gesetzt, meine Work-Life-
                                                                                                Balance zu verbessern und meine Rolle als
                                                                                                Familienmensch zu stärken.

                                                                                                Wie nachhaltig leben Sie
                                                                                                als Privatperson?
                                                                                                Wo immer es geht, versuche ich, die
                                                                                                Prinzipien der Nachhaltigkeit zu befolgen,
hinter dem auch grosse Teile der Wirtschaft      zudem das Verbandsbeschwerderecht.             sei es bei der Mobilität oder beim Konsum.
standen, findet Leugger höchst bedenklich.       Eine hohe Erfolgsquote zeigt laut Leugger,     Ich fahre leidenschaftlich gern Velo und
«Doch jetzt den Kopf in den Sand zu              dass man mit diesem wichtigen Recht            benutze den öffentlichen Verkehr, wir leben
stecken, ist keine Option». Es sei auch für      sorgsam umgehen würde. Er glaubt, dass         ohne Auto und Flugreisen kommen gar
die Privatwirtschaft unabdingbar, effizienter    diesbezüglich die Bedeutung der Nichtre-       nicht in Frage. Beim Einkaufen überlege ich
zu werden und nach Innovationen zu               gierungsorganisationen weiter zunehmen         stets, ob ich das wirklich brauche, achte auf
suchen, die weniger Energieeinsatz               werde. «Die Zivilgesellschaft verlangt         ökologische und sozial faire Produktion.
erfordern. Klimaschutz und der Erhalt der        das von uns.» Wichtige Schwerpunkte            Nahrungsmittel kaufe ich vorzugsweise aus
Biodiversität sollten Teil der Agenda sein.      der Arbeit von Pro Natura bleiben aber         der Region und mit Bio-Label. Fleisch
Nur so könne man zukunftsfähig bleiben.          der praktische Naturschutz, wie er in den      konsumieren wir massvoll.
                                                 Schutzgebieten geleistet wird, und die
                                                                                                Was hat Sie die COVID-19-Pandemie
Als Organisation müsse Pro Natura selbst         Umweltbildung.
                                                                                                gelehrt?
vorbildlich agieren, sagt ihr operativer Chef.
                                                                                                Lieb gewonnene Gewohnheiten wurden
Am Sitz des Zentralsekretariats in Basel,        Hoffnung machen Leugger die erneuerten
                                                                                                auf einmal in Frage gestellt. Die Pandemie
untergebracht in einer ehemaligen Gewer-         Zielsetzungen der Regierung in Bern. Dass
                                                                                                hat uns allen gezeigt, wie verletzlich wir
beliegenschaft im Gundeldinger Quartier,         der Bundesrat die «Sustainable Develop-
                                                                                                letztendlich sind und dass wir auch mit
sind Pflanzen ein dominantes Einrichtungs-       ment Goals» der Vereinten Nationen
                                                                                                vermeintlich Selbstverständlichem
merkmal. Wie in einem Biotop grünt es            unterzeichnet habe und darauf basierend
                                                                                                sorgsamer umgehen sollten.
in und vor den Büros der Angestellten.           in diesem Sommer seine Strategie für
Nachhaltigkeit vorzuleben bedeute, darauf        Nachhaltige Entwicklung 2030 verabschie-       Hat sich durch die Pandemie etwas
zu achten, was und wie man konsumiere            det, sei ein gutes Zeichen. Damit habe sich    für Sie nachhaltig verändert?
und sich fortbewege, sagt Leugger. «Wie          die Schweiz völkerrechtlich verbindliche       Haupterkenntnis ist, dass nicht alles
sich unser Verhalten im Alltag auf die           Ziele für eine nachhaltige Entwicklung bis     selbstverständlich ist, was uns gegeben
Umwelt auswirkt, ist ein ständiges Thema         2030 gesetzt. Festgeschrieben ist so unter     wird. Umso mehr müssen wir dem
bei uns.»                                        anderem der Schutz der Vielfalt der Arten      Sorge tragen.
                                                 an Land und im Wasser – und damit ein
                                                 Kernanliegen von Pro Natura. Zugute käme       Welche Vision haben Sie für
Glaubwürdigkeit als Kapital
                                                 dies wohl auch dem kleinen Bachflohkrebs       die Welt von morgen?
Glaubwürdigkeit gehöre zum Kapital einer         und seinem bedrohten Lebensraum.               Dass die Menschheit lernt, die grossartige
Nichtregierungsorganisation, betont ihr                                                         Vielfalt der Natur zu schätzen und zu
Geschäftsführer. Dieses Kapital werde                                                           bewahren, und begreift, dass wir sie mit
auch für die politische Arbeit benötigt.                                                        unserem Planeten lediglich teilen und sie
Als Anwältin der Natur, als die man sich                                                        die Basis für eine gesunde Zukunft für
versteht, beteiligt sich Pro Natura am                                                          uns alle ist. Eine gesunde Zukunft für die
Gesetzgebungsprozess, macht Eingaben                                                            Menschheit und ein gesunder, artenreicher
bei Vernehmlassungen und lanciert mit                                                           Planet gehen Hand in Hand.
anderen Gruppierungen Initiativen und
Referenden. Sorgsam nutzt pro Natura

                                                                                                                                          ceo 17
Kampf gegen die Plastikflut
   		 in den Weltmeeren
                      Plastikmüll tötet Millionen von Meereslebewesen, die an den Abfällen
                      ersticken, sich in ihnen verfangen oder sich damit vergiften. Weltweit
                      sterben pro Sekunde drei Meerestiere an diesen Folgen. The SeaCleaners,
                      eine französisch-schweizerische Umweltschutzorganisation, hat sich dem
                      Kampf gegen die Meeresverschmutzung durch Plastik und die Zerstörung
                      natürlicher Lebensräume verschrieben. Yvan Bourgnon, CEO und
                      Gründer, sprach mit CEO Magazin über die Rettung der Weltmeere.

                                         Text: Eric Johnson
                                         Bilder: The SeaCleaners

Ziel der Umweltorganisation ist es,      Zehn Millionen Tonnen Plastikmüll pro          Entsorgung. In den ärmeren Teilen der
die Weltmeere vor Verschmutzung zu       Jahr – 17 Tonnen pro Minute – landen in        Welt dienen Flüsse als Deponien, in denen
schützen – insbesondere vor dem          den Weltmeeren. Und kein Ende in Sicht?        der Müll wie durch Zauberhand einfach
Eintrag von Plastik an den Flussmün-     Ohne massives Gegensteuern wird sich die       verschwindet. Die Industriestaaten müssen
dungen und Küsten. Ihr Ansatz kombi-     Menge an Plastikmüll in den Weltmeeren         den weniger entwickelten Ländern, aus
niert Technologie und Aufklärungskam-    bis 2040 schätzungsweise verdreifachen,        denen der Grossteil des Plastikeintrags in
pagnen. Bei der technologischen          das sind 50 kg pro Meter Küste. 2050 gäbe      die Weltmeeren stammt, dabei helfen, die
Lösung handelt es sich um ein neu-       es dann genau so viel Plastikmüll wie          Abfälle in geeigneter Weise zu sammeln
artiges Schiff, dass jährlich 5000 bis   Fische in den Ozeanen. Der Plastikmüll         und entsorgen.
10’000 Tonnen Müll aus den Ozeanen       vernichtet Meereslebewesen, führt zu
sammeln soll. Die Aufklärungskampag-     Missbildungen und dazu, dass sie sich          The SeaCleaners entwickelt die
nen werden zum Teil an Bord stattfin-    immer weniger vermehren. Die im Plastik        erforderlichen Technologien.
den: Präsentationen und Bildungsarbeit   enthaltenen chemischen Substanzen              Seit 2017 haben wir 25’000 Stunden
auf See und im Hafen, insbesondere in    belasten die marinen Ökosysteme. Zudem         Forschungsarbeit, technische Entwicklung
Afrika, Südostasien und Lateinamerika,   verstärkt das Plastik in den Weltmeeren        und Tests für den Manta, ein Offshore-
wo das Problem am ausgeprägtesten        den Klimawandel, da mehr Wärmestrahlung        Schiff zur Sammlung und Entsorgung von
ist und am wenigsten Geld für Gegen-     reflektiert wird. Doch nicht nur die Natur     Plastikmüll, und für die Mobula, ein kleine-
massnahmen zur Verfügung steht.          wird geschädigt, sondern auch der Mensch.      res Schiff für flache und weniger zugäng-
Bereits heute wird Aufklärungsarbeit     Laut Angaben des Umweltprogramms der           liche Gewässer, investiert. Die Mobula 8 ist
über Workshops in Unternehmen, an        Vereinten Nationen kostet Plastikmüll den      inzwischen betriebsbereit und wird noch
Schulen und an Universitäten sowie       Tourismus- und Fischereisektor 14 Milliarden   vor Ende 2021 in Indonesien zum Einsatz
über Müllsammel-Aktionstage geleistet.   US-Dollar pro Jahr.                            kommen. Der Bau des Manta wird 2022
                                                                                        beginnen, die Einführung ist für 2024
www.theseacleaners.org                   Sollten wir Plastik somit                      geplant. Bisher konnten wir ein Drittel der
                                         schlichtweg verbieten?                         erforderlichen Finanzierung sicherstellen.
                                         Jeder von uns sollte seinen Plastikkonsum      Da die Konstruktionspläne für den Manta
                                         minimieren, denn es gibt Alternativen,         nun fertig sind, laufen die Aktivitäten zur
                                         zumindest in wohlhabenderen Ländern.           Mittelbeschaffung auf Hochtouren. Eine
                                         Wesentlich schwieriger ist es beispiels-       zentrale Frage war die Entsorgung der mit
                                         weise in Afrika oder Bangladesch. Wer es       dem Manta gesammelten Abfälle. Ur-
                                         sich leisten kann, weniger Plastik zu          sprünglich wollten wir zur Entsorgung an
                                         verwenden, verdient mehr. Dagegen kaufen       Land zurückzukehren. Hier bestand jedoch
                                         Menschen mit geringerem Einkommen              die Gefahr, dass in weniger entwickelten
                                         vor allem preiswertere, allseits verfügbare    Regionen der erfasste Plastikmüll einfach
                                         Produkte aus Kunststoff. Der Kern des          wieder im Meer landet.
                                         Problems liegt in der Erfassung und

18 ceo
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