CEO - GRÜNE - PWC SCHWEIZ
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Eine Reise in grossen und kleinen Schritten Nachhaltigkeit beschäftigt uns schon lange, denn sie ist ein integraler Bestandteil unserer unternehmerischen Verantwortung. Seit Jahren setzen wir uns intensiv und auf unterschiedliche Art und Weise mit den Facetten der Nachhaltigkeit auseinander. Entwicklung und Ausprägung der Nachhaltigkeit ergeben sich, wie bei den meisten bedeutenden Themen der Welt, aus einem stetigen Prozess. Was als Forderung nach Umweltschutz begann, ist heute ein umfassendes Bestreben, unseren Planeten für nachfolgende Generationen lebenswert zu erhalten. Auf der folgenden Seite haben wir einige Meilensteine dieser Reise festgehalten. Allen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie aus dem Zusammentreffen vielschichtiger Aspekte mit den Gegebenheiten der jeweiligen Zeit hervorgegangen sind. Es sind Errungenschaften oder Ereignisse, die diese Expedition in die Zukunft als logische – Zeitreise und manchmal durchaus unlogische – Konsequenz unseres Tuns ausschildern. Wenn Sie die Route aus der Vogelperspektive betrachten, werden Sie sich unserer Meinung anschliessen: Weitere Meilensteine lassen sich nur aus einer verantwortungsvollen und weitsichtigen Zusammenarbeit von Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft setzen. Das Thema dürfte uns also noch lange beschäftigen.
1713 Der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz führt den Begriff Nach- haltigkeit ein. Er versteht darunter ein forst- wirtschaftliches Prinzip zur Holznutzung: Man soll nicht mehr Bäume fällen, als im gleichen Zeitraum nachwachsen können.1 1963 In seinem Plädoyer «I have a dream» pro- pagiert der Bürgerrechtler Martin Luther King die Gleichstellung der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA. Die International Union for Conservation of Nature (IUCN) erstellt die Rote Liste der bedrohten Arten. Diese entwickelt sich zur weltweit umfassendsten Informationsquelle über den globalen Gefährdungsstatus von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. 1964 1972 Mit der UN Conference on the Human Environment findet in Stockholm die erste Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Umwelt statt. Sie gilt als Beginn der internationalen Umweltpolitik.2 Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl fordert zahllose Opfer und viele Langzeiterkrankte. Im gleichen Jahr bricht im Industriegebiet Schweizer- 1984 halle bei Basel ein Grossbrand aus. Danach 1986 gelangt mit Pestiziden belastetes Löschwasser in den Rhein. Das Ereignis bringt den Umwelt- schutz auf die Agenda der Unternehmen. Von einem indischen Werk, in dem Schädlingsbekämpfungsmittel hergestellt werden, gelangen mehrere Tonnen giftiger Stoffe in die Atmosphäre. Der Wind weht das tödliche Gas Methylisocyanat über das nahe gelegene Armenviertel von Bho- pal. Mehrere Tausend Menschen sterben, Hunderttausende erkranken schwer. 1987 Der Brundtland-Bericht «Our Common Future» definiert nach- haltige Entwicklung wie folgt: «[…] eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht be- friedigen können.»
2010 Die Bohrinsel Deepwater Horizon explodiert im Golf von Mexiko. 87 Tage lang strömt das Öl ins Meer. Monatelang treibt ein riesiger Ölteppich um- her und fast 2000 Kilo- meter Küstenlinie sind ölverschmiert.4 UN-Generalsekretär Kofi Anan schlägt am Weltwirtschafts- forum in Davos den UN Global Compact vor. Mit diesem 1999 2001 Pakt sollen Unternehmen und die UNO gemeinsam die Globalisierung sozialer und ökologischer gestalten. In Porto Alegre findet mit 12’000 Menschen und mehr als 1000 Organisationen das erste Weltsozialforum unter dem Motto «Eine ande- re Welt ist möglich» statt. Sie ist ein Symbol für die globalisierungskritische Bewegung. 2011 Nach einem der stärks- ten jemals gemessenen 1997 Erdbeben brechen 1996 mehrere Kühlsysteme Das Schweizer Gleichstel- im japanischen Kern- lungsgesetz verbietet jede Art kraftwerk Fukushima der Diskriminierung von Frauen Daiichi zusammen. Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft. Die teil- oder Männern am Arbeitsplatz. Gefährliche Radioaktivi- nehmenden Industrieländer verpflichten Sei es bei Arbeitsbedingungen, tät wird freigesetzt und sich, ihren jährlichen Treibhausgasausstoss Ausbildung, Weiterbildung, vergiftet Luft, Böden, von 2008 bis 2012 um durchschnittlich Einstellung, Beförderung, Ent- Wasser und Nahrungs- 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. lassung, Lohn oder Aufgaben- mittel. verteilung. Auf der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro verständigen sich über 150 Staaten über eine dauer- haft umweltgerechte Entwicklung. 1992 1995 Die jährlichen CO2-Emis- sionen in der Schweiz betragen 5,8 Tonnen pro Kopf. 2018 sind es noch 4,2 Tonnen pro Kopf.3 1989 Das Montrealer Protokoll als völker- rechtlicher Vertrag des Umweltrechts tritt in Kraft. Darin verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, «… die menschliche Gesundheit und die Um- welt vor schädlichen Auswirkungen 1 «Geschichte der Nachhaltigkeit», Nachhaltigkeit.info, 2012 zu schützen, die durch menschliche 2 «25 Meilensteine der Umweltbewegung», Bits und Bäume, 2019 Tätigkeiten, welche die Ozonschicht 3 «Kenngrössen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Schweiz verändern, verursacht werden …» 1990–2019», Bundesamt für Umwelt, 2021
2012 Die UN-Mitgliedstaaten beschliessen die Entwicklung weltweit geltender konkreter Ziele für mehr Nachhaltigkeit. Diese sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) sind in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen festgeschrieben und gelten ab 2016. 2013 In Bangladesch stürzt ein Textilfabrikkomplex zu- sammen. Das Unglück fordert 1138 Tote und über 2000 Verletzte. Es steht symptomatisch für die desolaten Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in der Textil-, Kleider- und Schuhindustrie weltweit.5 2015 Bis 2050 soll Europa klimaneutral werden, Knapp 190 Vertragsparteien unterzeichnen das so sieht es der neu präsentierte Green Übereinkommen von Paris als globalen Rahmen Deal der Europäischen Kommission vor. zur Bekämpfung des Klimawandels. Das EU-Parlament beschliesst im selben Jahr das Verbot von Einwegplastik. 2019 2016 Die Europäische Kommission In der Schweiz fallen rund 24 Millionen veröffentlicht den Aktions- Tonnen Abfall pro Jahr oder rund Der Schweizer Bundes- plan «Sustainable Finance» 45 Tonnen pro Minute an. Die Schweiz rat verabschiedet die zur Finanzierung nachhaltigen ist nicht nur Weltmeisterin im Recyceln, Klimastrategie 2050. Wachstums. Die 15-jährige sondern auch im Abfallproduzieren.6 2018 Ausserdem lehnt Schülerin Greta Thunberg das Stimmvolk die gibt der Bewegung «Fridays Totalrevision des CO2 - for Future» ein Gesicht. Gesetzes ab. 2021 2450 Der Chemiker Nathaniel Wyeth patentierte 1973 die erste PET- Flasche. Hätte er sein erstes patentiertes Muster irgendwo im Wald vergraben, so wäre es ungefähr jetzt vollständig abgebaut.7 4 «Der größte Ölunfall der Geschichte», Deutschlandfunk, 2020 5 «Rana Plaza – Fabrikeinsturz in Bangladesch», Public Eye, 2019 6 «Ent-sorgen? Abfall in der Schweiz illustriert», Bundesamt für Umwelt BAFU, 2016 7 «An unserem Plastik werden selbst noch unsere Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel Freude haben», Watson, 2018
Grüne Chance Der Begriff Nachhaltigkeit ist heutzutage allgegenwärtig und für Unternehmen unabdingbar. Nachhaltigkeit sichert ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihren Fortbestand. Eine nachhaltige Entwicklung ist ohne den Beitrag der Privatwirtschaft nicht möglich. Unternehmen üben einen erheblichen Einfluss auf die sozialen und ökologischen Bedingungen eines Wirtschaftsstandorts aus. Versprechen allein genügen jedoch nicht. Heute fordern Konsumenten und Investoren, dass Unternehmen ihre Verantwortung aktiv wahrnehmen. Bei der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft stehen der Schutz unseres Planeten, soziale Gerechtigkeit und ökonomischer Fortschritt im Vordergrund. Nachhaltigkeit als Innovationstreiber bietet Unternehmen die Möglichkeit, immer wieder neue Perspektiven einzunehmen und Bewährtes zu hinterfragen. Der beschleunigte Wandel infolge der Pandemie bietet uns die Chance, eine erfolgreiche, nachhaltige Entwicklung anzustossen. Herausgeber: PwC, Birchstrasse 160, 8050 Zürich, Schweiz Layout: PwC, Creative Agency, Birchstrasse 160, 8050 Zürich, Schweiz Bildbearbeitung/Druck: Linkgroup AG, Mühlebachstrasse 52, 8008 Zürich, Schweiz Titelfoto: Getty Images Die von den Autoren geäusserten Meinungen können von jenen des Herausgebers abweichen. Diese Ausgabe des «ceo» erscheint in deutscher, französischer und englischer Sprache. Auflage: 5200 © 2021 PricewaterhouseCoopers AG. All rights reserved. 2 ceo
ceo 2021 | Editorial Eines der aktuell am meisten verwendeten Akronyme lautet ESG – Umwelt, Soziales, Unternehmensführung. Leider reicht ESG nicht aus, um das komplexe Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich auszulegen. Darum sprechen wir in diesem ceo Magazin über «Planet», «People» und «Perspective» – und über die nachhaltige Stadt als Raum, in dem sich alles vereint. Nachhaltigkeit ist heute eine unternehmerische Notwendigkeit, hervorge- gangen aus dem pandemiebedingten Digitalisierungsschub und einer Reihe von regulatorischen oder auf Eigeninitiativen beruhenden Meilensteinen. Ich denke an das Pariser Klimaschutzabkommen, die UN-Agenda 2030 mit den Sustainable Development Goals, den EU-Aktionsplan, den Green Deal, die bundesrätliche Klimastrategie 2050 oder den Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Solche Rahmenwerke nehmen uns Entscheidungstragende in die Pflicht. In der letzten Ausgabe «Work in Progress» des ceo Magazins ging es um unsere Verpflichtung für eine Arbeitswelt, in der jede und jeder etwas beitragen kann. In der aktuellen Publikation widmen wir uns der Frage, wie wir unsere unter- nehmerische Verantwortung gegenüber der Zukunft von Mensch und Umwelt wahrnehmen. Tatsache ist: Nachhaltige Entwicklungen sind ohne Wirtschaftskraft nicht möglich. Unternehmen schaffen und prägen soziale und ökologische Gegebenheiten – durch Arbeitsbedingungen, Produktionsverfahren, Produkte Andreas Staubli und Dienstleistungen. Durch nachhaltige Ansätze wie Kreislaufwirtschaft, Bio- CEO PwC Schweiz ökonomie oder Impact Investing. Aber auch durch ihr Mitwirken am politischen Meinungsbildungsprozess. Wir von PwC lösen ebenfalls unser grünes Versprechen ein. Darum werden wir im Rahmen unseres Net Zero Commitments unsere Treibhausgasemissionen bis 2030 weltweit vollständig eliminieren. Darum haben wir ein nachhaltiges Abfallentsorgungs- und Recyclingsystem eingeführt und ein Kompetenz zentrum für Nachhaltigkeit ins Leben gerufen. Darum beteiligen wir uns an vielen nationalen und internationalen Nachhaltigkeitsinitiativen wie dem Weltwirtschaftsforum, Swisscleantech und CEO4climate. Und darum haben wir Papier, Verpackungsfolie und den Versand für dieses Magazin bewusst umweltverträglich und klimaneutral gewählt. Wir möchten mit gutem Beispiel vorangehen und Lösungen bieten, die einen lebenswerten Wirtschaftsstandort Schweiz ermöglichen. Dieses ceo Magazin versteht sich als Beitrag zum Dialog von Wirtschaft und Gesellschaft – zugunsten von Umwelt, Menschen und neuen Perspektiven. Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre. Andreas Staubli ceo 3
Aktuelle Studien zum Thema PwC Extern IFZ Sustainable Investments Studie 2020 Platin Sponsor Gold Sponsoren Prof. Dr. Manfred Stüttgen und Brian Mattmann Partner Nature is too big to fail (2020) Leading the way to a green Bridging the Gap (2020) IFZ Sustainable IFZInvestments Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Sustainable Investments Verlust der Biodiversität gefährdet and resilient economy (2020) FortschritteBRIDGING der Schweizer THE GAP MEASURING PROGRESS ON THE CLIMATE GOAL ALIGNMENT Studie 2020 Studie 2020 AND CLIMATE ACTIONS OF SWISS FINANCIAL INSTITUTIONS Nachhaltige Themenfonds Finanzmarktstabilität Strategie von WWF & PwC für eine Finanzinstitute bei der Report November2020 Nachhaltige Themenfonds Autoren Prof. Dr. Manfred Stüttgen und Brian Mattmann nachhaltige Finanzwirtschaft Ausrichtung auf Klimaziele und hslu.ch/sustainable Verlag IFZ – Hochschule Luzern – Wirtschaft 1 den Klimamassnahmen messen Hochschule Luzern – Wirtschaft Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Platin Sponsor Campus Zug-Rotkreuz Suurstoffi 1 6343 Rotkreuz hslu.ch/sustainable 1 LBBW Research I Nachhaltigkeitsstudie ISBN: 978-3-906877-76-1 Bereit für Neues Circularity as the new normal 200817_w_ifz_stu_sis_a4.indd Alle Seiten 29.09.20 11:46 Future fitting Swiss businesses Nachhaltigkeit lohnt sich September 2020 I LBBW Research Nachhaltigkeit, jetzt erst recht! Seite 2 Corporate attitudes Was bedeutet nachhaltig? Seite 3 Kriterien für nachhaltiges Handeln Seite 4 towards Gesellschaftlicher Wandel erhöht den Druck Seite 5 The greenness of Politik fördert nachhaltige Entwicklungen Seite 6 sustainability Profitabilität durch Nachhaltigkeit central banking Seite 8 Innovative Beispiele aus der Praxis Seite 11 Nachhaltigkeit messen Seite 12 Rethinking the macroprudential framework MSCI ESG-Research im Porträt Kreislaufwirtschaft als neue Greening central banking (2021) Nachhaltigkeit lohnt sich – Einstellungen von Unterneh- Seite 13 Nachhaltigkeit als neue Basisanlage Seite 15 2020 Normalität (2021) Warum es an der Zeit ist, dass das jetzt erst recht! (2021) mensummary zu Nachhaltigkeit 2020 Fazit: Gute Gründe für Nachhaltigkeit Seite 18 Zukunftssichere Schweizer makroprudenzielle System auch Gesellschaft und Unternehmen Auswirkung report auf Unternehmens- Gesellschaft und Unternehmen im Wandel Uwe Burkert Chefvolkswirt und Leiter des Bereichs Research Das Thema Nachhaltigkeit verändert unseren Alltag und ist für viele Verbrau- cher inzwischen ein maßgebliches Kriterium bei ihren Kaufentscheidungen. Clemens Bundschuh Geschäftsstrategien klimabedingte Risiken berücksichtigt im Wandel prioritäten aufgrund von COVID-19 Für Unternehmen wird es somit immer wichtiger, sozial und ökologisch ver- Leiter der Gruppe Research antwortlich zu handeln. Dies umso mehr, da sich der Druck vonseiten der für Privat- und Unternehmenskunden Politik ebenfalls erhöht. Autor: Antje Laschewski Eine nachhaltige Geschäftspolitik kann für Unternehmen sowohl mit Blick Senior Strategist, Antje.E.Laschewski@LBBW.de auf ihr Image als auch aus Profitabilitätsgründen von Vorteil sein und sich darüber hinaus für die Anteilseigner auszahlen. Wenngleich Nachhaltigkeit kein Automatismus für einen Anlageerfolg ist, zeigt sich jedoch, dass Nach- Erstellt am: 04.09.2020 10:00 www.pwc.ch haltigkeitsindizes ihre Benchmark auf Dauer schlagen können. Erstmalige Weitergabe am: 04.09.2020 10:00 LBBW Research auf Twitter www.pwc.ch Schweizer Ausgabe: «24th Annual CEO Survey» Mit Optimismus und Tempo in die Zukunft Sustainability & Leadership Private equity’s ESG journey: www.pwc.ch/ceo-survey-de From compliance to value creation Global Private Equity Responsible Investment Survey 2021 2020 2021 Exklusive Studie und Befragung von Top‑Managern zum Thema Nachhaltigkeit und Führung in deutschen Unternehmen Consumer How Schweizer Ausgabe: Private equity’s ESG journey: Sustainability & Consumer Products Products and is sustainability and Retail «24th Annual CEO Survey» (2021) From compliance to value creation (2021) Leadership Studie (2021) Retail (2020) fundamentally changing Mit Optimismus und Tempo Global Private Equity Exklusive Studie und Befragung Wie Nachhaltigkeit die Präferenzen consumer in die Zukunft Responsible Investment Survey 2021 von Top‑Managern zum Thema der Konsumentenpreferences tiefgreifend Nachhaltigkeit und Führung in verändert deutschen Unternehmen 4 ceo
ceo 2021 | Interview Machen wir das Thema Nachhaltigkeit überflüssig Der führende Partner von PwC Schweiz für Anlegerberichterstattung und Nachhaltigkeit strebt an, sich selbst überflüssig zu machen – zumindest auf lange Sicht. Vor Kurzem sprach er mit dem CEO Magazin über den Stand der Dinge punkto Nachhaltigkeit. Wir hören viele Unkenrufe über das Schicksal PwC hat sich mit dem WWF zusammengetan, der Erde, doch hier in der Schweiz sind Luft um für die «Kreislaufwirtschaft als neue und Wasser viel sauberer als vor ein paar Normalität» in der Schweiz zu werben. Wie Jahrzehnten. Ist das ein Widerspruch? werden Schweizer Unternehmen einbezogen? Das ist vielleicht ein gefühlter Widerspruch, aber Nur rund 10 Prozent des Ressourcenverbrauchs kein wirklicher. Der Klimawandel ist per Definition in der Schweiz sind heute zirkulär. 90 Prozent ein globales Thema, aber jeder sieht ihn aus sind es also nicht. Das zu ändern, ist ein ehrgeizi- seinem eigenen Blickwinkel. Ja, hier in der ges Ziel. Zur Erinnerung: Die Schweiz hat sich Schweiz haben wir saubere Luft und sauberes schon seit Langem wegen ihrer Abhängigkeit von Wasser, und das ist sicherlich gut so. Zu welchen ausländischen Ressourcen Sorgen gemacht. Die Erkenntnissen kommen wir aber, wenn wir unsere Kreislaufwirtschaft ist eine Möglichkeit, dieses Böden oder Gletscher betrachten? Bei der Risiko zu mindern und die Ressourcenversor- Nachhaltigkeit geht es wirklich um das Schicksal gung zu internalisieren. Zunächst klang das der Erde. Warten wir also nicht, bis es zu spät ist, vielleicht zu idealistisch, doch die Unternehmen sie zu erhalten. Handeln wir, solange wir noch Zeit beginnen allmählich, die damit verbundenen Christophe Bourgoin haben, bevor sich die Bedingungen dauerhaft Wachstumschancen zu erkennen. Seit einigen Partner, PwC Schweiz zum Schlechteren wenden. Monaten greifen sie das Thema Kreislaufwirt- schaft auf und fragen, wie sie es umsetzen und Müssen wir weniger oder eher auf andere in ihre Strategie integrieren können, um beste- Art und Weise konsumieren? Was bedeutet hende Geschäftsmodelle anzupassen oder neue das für den Durchschnittsbürger? zu entwickeln. Wir leben in einer Welt, in der man kaum jeman- dem sagen kann, was er zu tun oder zu lassen Sie kommen aus dem Bereich Corporate hat. Die Schulung der nächsten Generationen Finance. Wie passt das zu Nachhaltigkeit? wäre eine Möglichkeit, die Verhaltensweisen zu Es passt gut! Vor allem, wenn Sie beides sehen ändern. Aber was können wir jetzt tun? Ehrlich und mit Ihren Werten und Zielen verbinden gesagt müssen wir unseren Konsum reduzieren können. Wenn man eine bessere Geschäftstätig- und wir müssen bestimmte Arten von Konsum keit anstrebt, gibt es keine Diskrepanz. Nach stärker einschränken als andere. Es ist schwierig, haltigkeit und finanzieller Gewinn ergänzen sich, eine bestimmte Art von Konsum herauszugreifen. denn kurzfristige Zeithorizonte für Entscheide Aber, um nur ein Beispiel zu nennen, der Fleisch- sind für die langfristige Wertschöpfung in der konsum muss wohl zurückgehen. Weniger Regel nicht optimal. Quantität bedeutet jedoch nicht weniger Qualität. Beim Vergleich der heutigen Essgewohnheiten Was steht in Sachen Nachhaltigkeit als gegenüber jenen vor einigen Jahrzehnten stellen Nächstes auf dem Plan? wir fest: Heute gibt es viel mehr Speisen zum Ich bin nicht sicher, was als Nächstes ansteht, Mitnehmen und wesentlich mehr Fertiggerichte. doch letzten Endes müssen wir das Thema Das Verhalten verändert sich im Laufe der Zeit, überflüssig machen. Heute befinden wir uns und wir müssen diese Veränderung steuern. Für immer noch in einer Phase der Sensibilisierung den Durchschnittsbürger kann das ein Dilemma und Zielsetzung. Nachhaltigkeit muss so im darstellen. Die meisten Menschen möchten das unternehmerischen Denken und der Strategie Richtige tun, doch umweltfreundlichere Produkte verankert werden, dass sie nicht mehr separat sind in der Regel auch teurer. Im Zuge der betrachtet wird, sondern als DNA des Unterneh- Popularisierung dieser Produkte dürften ihre mens und als echter Differenzierungsfaktor. Preise aber fallen. Das erleichtert die Verhaltens- änderung, die schliesslich zu einer sich selbst Christophe Bourgoin, vielen Dank für Ihre erfüllenden Prophezeiung wird. Denkanstösse. ceo 5
Reportage: Planet Der Schutz des Planeten als erste Etappe nachhaltigen Verhaltens 08 Inhalt BAFU 10 Katrin Schneeberger sieht die Wirtschaft als Pfeiler einer langfristig erfolgreichen Umweltstrategie Planet Pro Natura 14 Urs Leugger-Eggiman erklärt, wie die Privatwirtschaft mit Naturschutz zukunftsfähig bleibt 22 Reportage: People The SeaCleaners 18 Der Mensch im Mittelpunkt Yvan Bourgnon über den Kampf der sozialen Nachhaltigkeit gegen die Plastikflut in den Weltmeeren 24 Kinderdorf Pestalozzi Martin Bachofner sieht Bildung als Chance für mehr soziale People Nachhaltigkeit 28 Too Good To Go Alina Swirski erklärt, wie tausende Schweizer Unternehmen nach- haltiger wirtschaften 32 SEF Reportage: Perspective 36 Corine Blesi über ehrliche Führungskräfte Für nachhaltig engagierte Unternehmen und verantwortungsbewusste Investitionen ergeben sich viele neue Perspektiven Alpiq 38 Für Antje Kanngiesser ist Nachhaltigkeit mehr als ein Geschäftsmodell Perspective NIKIN 42 Nicholas Hänny leistet mit nachhaltiger Mode einen Beitrag zur Transformation der Textilindustrie Sustainable Finance 46 Tilmann Lang und Falko Paetzold arbeiten 52 Reportage: Die nachhaltige Stadt daran, nachhaltiges Investieren einfacher Natur, Mensch und Zukunft im Einklang und effektiver zu machen Sustainable city 6 ceo
GrasPapier Natur Das Gras wachsen hören Für dieses Kapitel setzen wir «graspapier™» ein. Es besteht zu 40 Prozent aus schnell nachwachsenden Grasfasern und zu 60 Prozent aus Frischfasern. Damit trägt es wesentlich dazu bei, dass für die Papierherstellung weitaus weniger langsam wachsende Bäume gefällt werden müssen. «graspapier™» besticht durch seine einmalig natürliche Haptik und trägt die Natur sozusagen in sich. ceo 7
Reportage Planet Am Anfang war die Welt Kohlenstoffbindung drastisch ein, was Historisch gesehen ist der Schutz des wiederum den Klimawandel verschärft. Planeten die erste Etappe nachhaltigen Diese Negativspirale erhöht das Risiko der Verhaltens. Mit der Nuklearkatastrophe Finanzmarktinstabilität2. Denn sie birgt von Tschernobyl und dem Grossbrand im diverse Risiken mit enormen makroökono- Industrieareal Schweizerhalle im Jahr mischen Auswirkungen. Dazu ein konkretes 1986 rückte die Sorge um die Umwelt ins Beispiel: Müssten Pflanzen künstlich statt Bewusstsein der Bevölkerung – und damit natürlich bestäubt werden, so entstünden auf die unternehmerischen Agenden. jährliche Zusatzkosten von 153 Milliarden Soziale und Governance-Aspekte gesellten Euro. Umso wichtiger wird es, dass die sich später hinzu. Unternehmen ihre biodiversitätsrelevanten Risiken offenlegen und regelmässig Klima-Leader wie Greta Thunberg verliehen Stresstests durchführen. dem Klimaschutz eine jugendliche Brisanz. Auch in Schweizer Familienunternehmen Blue Economy in sattem Grünton treibt die NextGen die Nachhaltigkeits- bestrebungen ihrer Traditionshäuser an1. Blue Economy beschreibt einen nach- Gesetzgebungen und selbstregulatorische haltigen Entwicklungsansatz für Küsten- Initiativen geben den nötigen Rahmen, so ressourcen, von Fischerei, Aquakulturen, zum Bespiel die Klimastrategie 2050 des Seeverkehr, Küsten-, Meeres- und Maritim- Bundesrates. Solche Rahmenwerke wollen tourismus bis zu erneuerbaren Energien an natürliche Ressourcen schonen, Schäden der Küste, marinen Ökosystemdienstleis- am Ökosystem Natur vermeiden, Treibhaus- tungen (z. B. Blue Carbon), Meeresboden- gasemissionen verringern, Klimastabilität bergbau oder Bioprospektion. Unterneh- etablieren und die Biodiversität fördern. men der Blue Economy helfen mit, die Meeresverschmutzung zu reduzieren und die Ozeanversauerung einzudämmen. Existenzfaktor Biodiversität Die Weltbank schreibt diesem Ansatz ein Massensterben und Artenarmut haben enormes Potenzial zu3. Nach Angaben des vielfältige Ursachen: Landnutzungsände- WWF liegt das jährliche «Bruttomeeres- rungen, Raubbau, Übersäuerung und produkt» der Ozeane bei 2.5 Billionen Verschmutzung der Meere. Derart rasche Dollar4. Damit wäre die Blue Economy die Veränderungen schränken die natürliche achtgrösste Volkswirtschaft der Welt. 8 ceo
Reportage | Planet Der CO2-Fussabdruck ist zentral, um ein Nachhaltigkeitsengagement transparent zu kommunizieren. Tragödie der Alltagsdinge Bestandteil der Nachhaltigkeitsbericht- Letztere holen CO2 aus der Atmosphäre Wer kennt das nicht: Man bestellt einen erstattung und Basis für die Formulierung zurück, beispielsweise bei der Wiederauf- Pullover übers Internet, schickt ihn dann von Reduktionszielen, etwa im Rahmen forstung oder Ozeandüngung. aber zurück, weil er nicht ganz passt oder einer Netto-Null-Verpflichtung. nicht ganz gefällt. Die wenigsten wissen: Persönlichkeiten im Gespräch Ein Grossteil dieser retournierten Textilien Ein Planet mit vielen Chancen werden vernichtet. Die Wiederaufbereitung Wie Menschen und Organisationen und ein erneuter Versand würden einen Gerade das Dekarbonisierungsziel gilt Verantwortung für die Erde übernehmen, Preis erfordern, den die Konsumenten nicht als Opportunität für Wirtschaftsakteure. lesen Sie in den folgenden Interviews. zu zahlen bereit sind. Und erneute CO2 - Es sollte vorgelagerte Lieferketten, die Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) gibt Emissionen auslösen. Hier liegt die Verant- Produktnutzung, das Umfeld der Konsu- dem Wandel einen Rahmen. Pro Natura wortung nicht nur bei den Herstellern und menten und das Ende des Lebenszyklus als älteste Naturschutzorganisation der Händlern, sondern bei jeder und jedem einbeziehen. Mit einem Net Zero Commit- Schweiz verleiht der Natur eine starke Einzelnen. Wir müssen unser persönliches ment kann ein Unternehmen zum überge- Stimme. Und die Einsatzkräfte von Sea Konsumverhalten hinterfragen. Das fällt uns ordneten Absenkpfad und Klimaziel seines Cleaners kämpfen höchstpersönlich gegen gerade bei Gütern schwer, mit denen wir Landes beitragen und gesellschaftliches die Verschmutzung der Weltmeere an. gerne unseren Alltag auskleiden und über Umdenken mitgestalten. deren Umweltschädlichkeit wir nicht nachdenken. Auch transparente Investitionsentscheide 1 «Die NextGen ist ambitioniert, motiviert und qualifiziert», sind als Chance zu werten. Dazu gehört PwC Schweiz, 2020 zum Beispiel ein stringentes Reporting 2 «Nature is too big to fail – Biodiversity: the next frontier in financial Dem CO2 -Fussabdruck gemäss ESG (umweltbezogene, soziale und risk management», PwC Schweiz, 2020 auf der Spur Governance-Kriterien). Ein illustres Beispiel 3 «The Potential of the Blue Economy: Increasing Long-term Benefits of the Sustainable Use of Marine Resources for Small Diese Kenngrösse bewertet die Klima für ein planetenfreundliches Vehikel ist die Island Developing States and Coastal Least Developed Countries», wirkung. Sie zeigt das Potenzial für welterste Wildtierschutzanleihe. Mit dieser World BankGroup, Vereinte Nationen, 2017 Einsparungs- und Effizienzmassnahmen will die Weltbank den Bestand der Spitz- 4 «Billionenschweres Brutto-Meeres-Produkt», WWF, 2015 auf. Betrachtet werden nicht nur direkte, maulnashörner in Südafrika erhöhen. sondern auch indirekte Emissionen aus der Erzeugung von gekauftem Strom, Dampf, Mit zirkularen Ansätzen können sich die Wärme und Kühlung, sogenannte Scope- Unternehmen für den Planeten engagieren. 3-Emissionen. Der CO2 -Fussabdruck ist Darum lohnt es sich, über den Einsatz von zentral, um ein Nachhaltigkeitsengagement Wasserstoff, Biokraftstoffen oder Negativ- transparent zu kommunizieren. Er ist emissionstechnologien nachzudenken. ceo 9
«Bei den natürlichen Ressourcen fehlt die Kostenwahrheit» Sie sieht die Wirtschaft als Pfeiler einer langfristig erfolgreichen Umweltstrategie: Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), über den Import von Umweltbelastungen und die Chancen der Nachhaltigkeit für den Standort Schweiz. Text: Simon Eppenberger Bilder: Markus Bertschi Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) Der Bundesrat nimmt sich mit der Lässt sich die Bevölkerung zur setzt die Umweltpolitik des Bundesra- Vision 2030 im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit erziehen? tes um. Es stellt die nachhaltige Natur viel vor. Eine tragende Rolle bei Veränderungen sind möglich. Man hat Nutzung der natürlichen Ressourcen der Umsetzung hat das BAFU. beispielsweise festgestellt, dass es einen wie Biodiversität, Boden, Wasser, Luft, Was steht dabei im Zentrum? positiven Effekt hat, wenn bereits Kindergar- Ruhe und Wald sicher und fördert die Wir verfolgen die Vision des intakten tenkinder etwas über Recycling lernen. Sie Wiederverwertung von Ressourcen Lebensraums. Darunter verstehen wir eine gehen damit nach Hause und erzählen am (Kreislaufwirtschaft). Das BAFU ist u.a. Umwelt, in welcher nicht mehr natürliche Familientisch, dass Abfall getrennt werden verantwortlich für den Klimaschutz, die Ressourcen verbraucht werden, als sollte. Und plötzlich funktionieren Trennen Erhaltung der Biodiversität und der sich erneuern können. Insbesondere die und Recycling besser. Manchmal ist es Landschaftsqualität und ist zuständig Biodiversität soll widerstandsfähig sein. besser, die Kinder sagen den Erwachsenen, für die internationale Umweltpolitik. Und wir wollen die Treibhausgas-Emissio- was sie zu tun haben – und nicht der Staat. Das Jahresbudget liegt bei rund nen reduzieren, um das Klima zu schützen. 1,6 Milliarden Franken. Gut 87 Prozent Zudem sollen die natürlichen und techni- Wie kann man Unternehmen animieren, davon fliessen in Subventionen und schen Risiken tragbar sein. nachhaltig zu wirtschaften? Lenkungsabgaben. Für das BAFU sind Zahlreiche Unternehmen engagieren rund 600 Mitarbeitende tätig. Um das zu erreichen, gibt es viele sich bereits heute für ressourceneffiziente Gesetze und Massnahmen wie die Prozesse und ökologische Geschäfts- www.bafu.admin.ch CO2 -Abgabe. Was ist darüber hinaus modelle. Das zu tun, liegt auch in ihrem wirkungsvoll, um die Nachhaltigkeit ureigenen Interesse, um zukunftsfähig zu in der Schweiz voranzubringen? sein. Wir geben ihnen einen Orientierungs- Die Massnahmen sind vielfältig. Neben den rahmen und zeigen auf, welches die Lenkungsabgaben sind die Subventionen wichtigsten Herausforderungen der Zukunft ein starkes Instrument. Und es gibt freiwil- sind, beispielsweise anhand der langfristi- lige Branchenvereinbarungen, mit denen gen Klimastrategie. Damit können Unter- sich Unternehmen verpflichten, nachhaltig nehmen nachhaltig planen und wirtschaf- zu agieren. Wichtig sind zudem Monitoring ten. Wichtig sind auch die Förderung von und Forschung, um faktenbasiert zu Innovation, Forschung und Technologie handeln – auch über die Landesgrenzen und die Unterstützung beim Übergang von hinaus. Denn Umweltprobleme sind ein Forschung und Entwicklung in den Markt. globales Thema. Deshalb nimmt die Und nicht zuletzt hat der Bund eine Vorrei- Schweiz bei internationalen Verhandlungen terrolle bei der nachhaltigen Beschaffung. eine aktive Rolle ein. 10 ceo
Katrin Schneeberger | BAFU Würden alle leben wie in der Schweiz, bräuchte es drei Erden. Katrin Schneeberger (55) ist in Bern aufgewachsen, absolvierte dort die Matura sowie das Studium in Wirtschaftsgeografie. Nach Abschluss des Doktorats und einem Studienjahr in Soziologie in Grossbritannien leitete sie in der Bundeshauptstadt den Bereich Mobile Gesellschaft am Zentrum für Technologiefolgenabschätzung, war stadtbernische Generalsekretärin in der Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün und während acht Jahren zuerst Vizedirektorin und anschliessend stellvertretende Direktorin des Bundesamtes für Strassen (ASTRA). Seit September 2020 ist Schneeberger Direk- torin des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Sie lebt mit ihrem Partner in Bern. ceo 11
Was sind Ihrer Meinung nach die Was müssen wir dagegen tun? Lärmschutzmassnahmen versuchen, die grössten Herausforderungen im Zuerst geht es darum, ein Bewusstsein für Menschen vor Verkehrslärm zu schützen. Bereich Nachhaltigkeit? den schleichenden Verlust der Biodiversität Wir leben deutlich über unsere Verhältnisse. zu schaffen. Ihn leicht verständlich zu Sind viele Schäden nicht bereits Unser Lebensstil verbraucht weit mehr beschreiben und effektiv zu ändern, ist unumkehrbar? Ressourcen, als uns der Planet nachhaltig deshalb ungleich komplexer als beim Probleme sind da, aber vieles ist auch auf bereitstellen kann. Würden alle wie in der Klimawandel. Alle verstehen: Bis 2050 gutem Weg. Unser Monitoring zeigt auf, Schweiz leben, bräuchte es drei Erden. wollen wir den Netto-Null-Ausstoss von dass wir in den letzten 20 Jahren gewaltige Diesen Mechanismus zu verändern ist die CO2. Solche eingängigen Ziele sind Fortschritte im Bereich Luft gemacht grösste Hürde. wichtig. Im Bereich Biodiversität wird unter haben. Oder bei den Flüssen: Heute baden den Staaten zurzeit das Ziel «30 by 30» wir in der Aare in Bern. In den 1970er- Wie lässt sich das ändern? diskutiert: Bis im Jahr 2030 sollen global Jahren war das undenkbar, das Wasser Es braucht eine Vielzahl an Massnahmen. 30 Prozent der Land- und Ozeanfläche für schäumte. Beim Kampf gegen den Klima- Ein Problem ist die fehlende Kostenwahr- die Erhaltung der Biodiversität reserviert wandel und dem Schutz der Biodiversität heit. Natürliche Ressourcen haben nicht werden. muss es klar vorwärtsgehen. den Preis, den sie wert sind, und werden entsprechend übernutzt. Welches sind die wichtigsten natürli- Welche Chancen sehen Sie in einer chen Ressourcen der Schweiz – und erfolgreichen nachhaltigen Entwicklung? Welche Themen sind aktuell bei wie sollen wir mit ihnen umgehen? Letztlich geht es um den Erhalt der natür- Ihnen von hoher Relevanz? Wie gesagt, ohne natürliche Ressourcen lichen Lebensgrundlage für uns, unsere Am brennendsten sind der Klimawandel, können wir nicht leben. Als Gesamtheit Kinder und Enkelkinder. Für die Wirtschaft die Kreislaufwirtschaft sowie der Verlust unserer Lebensgrundlage ist eine gesunde, ist das eine Chance und ein weltweiter der Biodiversität. Letzteres wird parallel vielfältige Biodiversität ausschlaggebend. Wachstumsmarkt, beispielsweise im zum Klimawandel das nächste grosse Wasser ist eminent wichtig. Da ist die Bereich Cleantech. Als Innovationsmeisterin Thema werden. Schweiz als Wasserschloss gut positioniert, profitiert auch die Schweiz davon. bei der Qualität gibt es aber noch zu tun. Weshalb ist die Biodiversität für uns Der Boden wiederum ist dicht besiedelt und Welche Priorität sollte das Thema als Gesellschaft so enorm bedeutend? stark genutzt. Und es braucht saubere Luft. Nachhaltigkeit für eine/n CEO, die Die vielfältigen Ökosysteme, die aus einer Wir können diese Ressourcen nutzen und Geschäftsleitung haben? Vielzahl an Pflanzen und Tieren sowie ihren müssen sie zugleich schützen. Dafür müssen Für mich gehört es ins Zentrum jeder Lebensräumen bestehen, sind eine zentrale wir von End-of-Pipe-Lösungen wegkommen. Strategie und sollte deshalb in der Ge- Lebensgrundlage und Basis für wirtschaft- schäftsleitung angesiedelt sein. Spätes- liche und damit gesellschaftliche Stabilität. Das bedeutet? tens, wenn Nachhaltigkeit finanziell Je diverser das Ökosystem, desto wider- Wir sollten vorsorgen und Umweltbelastun- relevant wird, kommt sie zuoberst im standsfähiger ist es. Diese Widerstands- gen nicht im Nachhinein bekämpfen müssen, Unternehmen an. Die Entwicklung zeigt kraft ist gefährdet. sondern gar nicht erst entstehen lassen. sich auch darin, dass diverse Firmen Also beispielsweise beim Lärm an der Quelle inzwischen die Funktion des Chief eingreifen und nicht mit aufwendigen Sustainability Officer geschaffen haben. 12 ceo
Katrin Schneeberger | BAFU Die Frage, welche Umwelt- belastung unser Konsum im Ausland verursacht, ist sehr wichtig. Ganz persönlich Auf welche Errungenschaften möchten Sie in 30 Jahren zurückblicken können? Bis im Jahr 2050 wollen wir die Netto-Null- Strategie umgesetzt haben. Mich würde es deshalb besonders freuen, wenn das gelingen würde und wenn wir bis dann in der Schweiz unter dem Strich keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen. Welcher ist für Sie der schönste Ort auf der Welt? Es gibt nicht den einzigen schönsten Ort. Der schönste Ort ist jeweils dort, wo ich in guter Gesellschaft bin, mit Freundinnen und Freunden oder der Familie. Wo laden Sie Ihre Batterien auf? Beim Sport, einem guten Essen, am Wochenende in der Natur – oder in einer Grossstadt mit Kultur. Was macht Sie nachdenklich? Wenn mit der Umwelt sorglos umgegangen wird und Menschen unaufrichtig sind. Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Inwiefern können Konsumentinnen und die Wirtschaft sowie die darin agierenden Konsumenten eine nachhaltige Produk- Was möchten Sie der nächsten Unternehmen für eine erfolgreiche Trans- tion mit ihrer Nachfrage beeinflussen? Generation mitgeben? formation hin zu mehr Nachhaltigkeit? Sie haben eine Verantwortung und können Das Engagement für die eigenen Anliegen Die Wirtschaft ist neben der Ökologie/ Dinge verändern. Drei Lebensbereiche sind lohnt sich – genauso wie es sich lohnt, zu Umwelt und dem Sozialen ein Pfeiler des zentral: Mobilität, Wohnen und Ernährung. sich und seinen Überzeugungen zu stehen. Nachhaltigkeitskonzeptes. Sie generiert Wir bestimmen, wie wir unterwegs sind Innovationen und treibt Technologien voran. und welche Fahrzeuge wir kaufen. Beim Was hat Sie die COVID-19- Entsprechend haben die Unternehmen eine Wohnen haben wir es in der Hand, wie viel Pandemie gelernt? zentrale Rolle inne. Fläche wir nutzen, und wir können den Dass man sich nie in falscher Sicherheit Energieverbrauch beeinflussen. Und beim wähnen soll. Und dass alles zwei Seiten Was bedeutet das speziell für Schweizer Essen können wir Food Waste minimieren hat: Für uns alle war und ist die Pandemie Unternehmen, die oft auch ausserhalb und regionale sowie saisonale Produkte einschneidend. Gleichzeitig macht Not der Schweizer Grenzen tätig sind? einkaufen. Generell scheint es mir wichtig, beweglich, erfinderisch, fördert die Drei Viertel der gesamten Umweltbelastung beim Konsum auf eine lange Lebensdauer Kreativität und schafft Potenzial für Neues. von Schweizerinnen und Schweizern werden zu achten und wo möglich in Kreisläufen zu im Ausland verursacht. Der internationale denken und danach zu handeln. Kontext und die Frage, welche Umweltbelas- tung unser Konsum im Ausland verursacht, sind deshalb sehr wichtig. Es gibt eine grosse Verantwortung entlang der Lieferkette, aber auch für den Export. Das betrifft alle Firmen und insbesondere Grosskonzerne, die ihren Standort in unserem Land haben. Denn Umweltprobleme machen wie gesagt nicht an der Grenze halt. ceo 13
Mit dem Schutz der Natur zukunftsfähig bleiben Urs Leugger-Eggimann (57) ist Geschäftsführer von Pro Natura und leitet das Zentralsekretariat der Organisation. Er hat Biologie und Geografie studiert und ein Nachdiplomstudium in betriebs- wirtschaftlichem Management für Nonprofit-Organisationen absolviert. Für den Naturschutz engagiert sich der 57-Jährige seit seinen Jugendjahren. Leugger arbeitet seit mehr als 20 Jahren für Pro Natura. Er ist Vater von zwei erwachsenen Kindern und lebt mit seiner Frau in Arlesheim BL. 14 ceo
Urs Leugger-Eggimann | Pro Natura Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssen am gleichen Strang ziehen, um Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu erhalten, sagt Urs Leugger-Eggimann. Der Zentralsekretär der Naturschutzorganisation Pro Natura versucht, als Vorbild voranzugehen. Text: Redaktion ceo Bilder: Andreas Zimmermann Pro Natura ist mit rund 170’000 Es ist ein Tierchen, das die meisten von zur Kenntnis nehmen, dass die Schweiz in Mitgliedern eine der grössten Natur- uns eher selten zu Gesicht bekommen. Bezug auf den Schutz der natürlichen schutzorganisationen in der Schweiz. Die Gliedmassen zierlich, der Körper fragil, Lebensräume anderen Ländern hinterher- Als privater gemeinnütziger Verein so erscheint der Bachflohkrebs, der im hinke, sagt der Geschäftsführer. 1992 hat mit Zentralsekretariat in Basel und Zentralsekretariat von Pro Natura in Basel die Schweiz die Biodiversitäts-Konvention Sektionen in allen Kantonen setzt sie überlebensgross auf einem riesigen Plakat unterzeichnet, die eine Verpflichtung zur sich für den Erhalt der einheimischen an der Wand zu sehen ist. 2021 ist der Unterschutzstellung von 17 Prozent der Tier- und Pflanzenwelt ein und vertritt Gliederfüsser von den Naturschützern als Landesfläche enthält. Von diesem Ziel sei als Anwältin der Natur deren Interes- Tier des Jahres ausgewählt worden, eine unser Land heute noch weit entfernt. Im sen. Pro Natura engagiert sich in der von zahlreichen bedrohten Arten im Land, Vergleich mit den in der OECD vereinigten Umweltbildung und fördert Projekte für deren Erhalt und Schutz sich die Industrienationen stehe die Schweiz als zum Schutz gefährdeter Arten und Organisation Pro Natura einsetzt. Schlusslicht da, mit dem höchsten Anteil an Lebensräume. Gegründet 1909, bedrohten Arten und dem niedrigsten Anteil betreut sie mehr als 700 Naturschutz- Urs Leugger-Eggimann, ihr Zentralsekretär, an ausgewiesenen Schutzgebieten. Auch gebiete im ganzen Land und betreibt weiss um die Bedeutung solcher Beispiele. die Vereinten Nationen hätten der Schweiz ein Dutzend Naturschutzzentren. Der Biber, der sich seine Lebensräume an diesbezüglich kein gutes Zeugnis ausge- Auf Initiative von Pro Natura wurde vielen Gewässern der Schweiz seit Jahren stellt, sagt Leugger. der bisher einzige Nationalpark der zurückerobert, und der Bartgeier, dessen Schweiz geschaffen. Auswilderung eine Erfolgsgeschichte ist, Leben auf zu grossem Fuss sind andere Sympathieträger, die exempla- www.pronatura.ch risch für die Arbeit von Pro Natura stehen. Bei den Behörden, namentlich im Bundes- «Aufs Ganze gesehen bleiben solche amt für Umwelt, sei dies durchaus bekannt, Erfolgsgeschichten im Artenschutz aber im Gegensatz zur breiten Bevölkerung. Die leider Einzelfälle», sagt der ausgebildete gesetzlichen Grundlagen für den Schutz Biologe Leugger. Auch mit Feldhasen, wären eigentlich gegeben, doch der Druck Spechten, Wildbienen und Fröschen, von auf die Umwelt nehme weiter zu. «Wir leben denen es immer weniger gibt, wirbt der auf zu grossem Fuss», sagt der Naturschüt- Verein für die Sache der Natur. zer mit Blick auf wachsende Ansprüche und divergierende Nutzungsinteressen. Über Natur- und Umweltschutz werde in Die intensive Landwirtschaft, die Zersiede- der Gesellschaft wieder breiter diskutiert, lung der Räume und die Versiegelung des eine an sich erfreuliche Entwicklung. «Die Bodens würden die Lebensräume für Flora Dringlichkeit des Themas wird zunehmend und Fauna bedrohen. «Manche gehen leider erkannt». Auf der anderen Seite müsse man unwiderruflich verloren», beklagt Leugger. ceo 15
Firmen, die heute bei der Nachhaltigkeit vorangehen, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Umso wichtiger sei es, mit Aufklärung, damals Schweizerischer Bund für Im Dialog mit Unternehmen Umweltbildung und ständiger Kommunika- Naturschutz, wurde im Jahr 1909 mit tionsarbeit die Menschen für das Thema zu dem alleinigen Zweck gegründet, diesen Pro Natura sucht aktiv den Austausch mit sensibilisieren. Exkursionen mit Schulklas- ersten Nationalpark im Alpenraum zu Unternehmen und ihrer Führung. Wo es sen, Bildungsangebote für Lehrerinnen und ermöglichen. Insgesamt umfassen die geht, nehme man auch Einfluss. Als ein Lehrer, Ausbildungsgänge für Naturpäda- 900 Reservate, die sich Pro Natura Beispiel nennt Leugger den Verkauf von gogen oder Lehrmittel für alle Altersstufen unterdessen für bestimmte Naturschutz- nicht standortgerechten Pflanzen, soge- sind Elemente dieser Arbeit, die Leugger ziele sichern konnte, eine Fläche von nannten Neophyten, in Gartencentern. mit seinem über 100-köpfigen Team am 737 Quadratkilometern. «Wir haben im Dialog zu überzeugen ver- Hauptsitz in Basel und in den beiden sucht, dass es auch ohne solche Pflanzen Naturschutz-Zentren Aletsch und Champ im Sortiment geht, die eine wichtige Strategische Aufgabe Pittet leistet. Etwa ebenso viele Beschäf- Ursache für den Rückgang der Biodiversität tigte sind in den 23 kantonalen Sektionen Dass sich auch die Wirtschaft vermehrt sind, berichtet der Zentralsekretär. tätig. Die Zahl der Ehrenamtlichen beträgt dem Thema Nachhaltigkeit zuwendet, Bei weitergehenden Kooperationen mit gegen 3000. sieht Urs Leugger als positiv an. Wichtig einzelnen Firmen ist Leugger eher zurück- sei, dass die Unternehmen nicht nur in haltend. «Wenn wir Anzeichen für ein ihrem eigenen Verantwortungsbereich ‹Greenwashing›, also vor allem Marketing- Schaffung des Nationalparks nach Verbesserungen suchen. «Nötig ist, ziele dahinter sehen, sehen wir von einer als Pioniertat sämtliche Prozesse und die gesamte engen Zusammenarbeit lieber ab.» Finanziert wird die Tätigkeit durch Mitglie- Wertschöpfungskette auf Umwelteinflüsse derbeiträge, Spenden und Legate sowie die zu überprüfen», sagt er. So würden die Die Herausforderungen der kommenden besondere Unterstützung von etwa 27’000 Verantwortlichen erkennen, wo es überall Jahre und Jahrzehnte, die sich für die Gönnerinnen und Gönner. Hinzu kommen noch «Luft nach oben» gibt. Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Umwelt- Beiträge der öffentlichen Hand für konkrete bereich ergeben, seien gewaltig. Davon Leistungsaufträge. Zu diesen zählen die Basis dafür sei, dass in den Verwaltungs- ist der promovierte Biologe überzeugt. Betreuung und Pflege von Naturschutzge- räten und im Management entsprechende Umweltschädliches Verhalten werde bieten. «Solche Schutzgebiete sind die strategische Weichen gestellt und ver- zunehmend den Verursachern belastet. Die Perlen für unsere Biodiversitätskette», sagt bindliche Ziele gesetzt werden. Erst dann Ansprüche der Gesellschaft an die Unter- Urs Leugger. Derzeit trägt die Organisation gelinge auch auf den nachgelagerten nehmen würden weiter steigen. «Firmen, die Verantwortung für etwa 740 grosse und Ebenen die konkrete Umsetzung. Überprü- die heute vorangehen, verschaffen sich kleine Gebiete im ganzen Land, von denen fen lasse sich das Erreichen der Ziele mit einen Wettbewerbsvorteil», ist Leugger sie einen Teil auch selbst besitzt und so einem umfassenden Controlling. Es diene überzeugt. Das gelte insgesamt auch für dauerhaft unter Schutz stellen kann. Hinzu zudem als Grundlage für ein Nachhaltig- die Schweiz als Volkswirtschaft. kommen Landschaftsschutzgebiete und keits-Reporting, welches immer mehr Naturobjekte wie Höhlen oder Tümpel. Firmen publizieren. «Diese Transparenz ist Zukunftsfähig bleiben Eine besondere Bedeutung kommt dem wichtig, sowohl für die Unternehmen selbst Schweizerischen Nationalpark im äussers- als auch für die Zivilgesellschaft und die Dass die Schweizer Stimmbevölkerung im ten Südosten des Landes zu. Pro Natura, Behörden», sagt Leugger. Juni 2021 das CO2 -Gesetz abgelehnt hat, 16 ceo
Urs Leugger-Eggimann | Pro Natura Ganz Wie sich unser Verhalten im Alltag auf die Umwelt persönlich auswirkt, ist bei uns ein ständiges Thema. Welches persönliche Ziel möchten Sie erreichen? Der familiären, beruflichen und gesell- schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, ist nicht immer einfach. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, meine Work-Life- Balance zu verbessern und meine Rolle als Familienmensch zu stärken. Wie nachhaltig leben Sie als Privatperson? Wo immer es geht, versuche ich, die Prinzipien der Nachhaltigkeit zu befolgen, hinter dem auch grosse Teile der Wirtschaft zudem das Verbandsbeschwerderecht. sei es bei der Mobilität oder beim Konsum. standen, findet Leugger höchst bedenklich. Eine hohe Erfolgsquote zeigt laut Leugger, Ich fahre leidenschaftlich gern Velo und «Doch jetzt den Kopf in den Sand zu dass man mit diesem wichtigen Recht benutze den öffentlichen Verkehr, wir leben stecken, ist keine Option». Es sei auch für sorgsam umgehen würde. Er glaubt, dass ohne Auto und Flugreisen kommen gar die Privatwirtschaft unabdingbar, effizienter diesbezüglich die Bedeutung der Nichtre- nicht in Frage. Beim Einkaufen überlege ich zu werden und nach Innovationen zu gierungsorganisationen weiter zunehmen stets, ob ich das wirklich brauche, achte auf suchen, die weniger Energieeinsatz werde. «Die Zivilgesellschaft verlangt ökologische und sozial faire Produktion. erfordern. Klimaschutz und der Erhalt der das von uns.» Wichtige Schwerpunkte Nahrungsmittel kaufe ich vorzugsweise aus Biodiversität sollten Teil der Agenda sein. der Arbeit von Pro Natura bleiben aber der Region und mit Bio-Label. Fleisch Nur so könne man zukunftsfähig bleiben. der praktische Naturschutz, wie er in den konsumieren wir massvoll. Schutzgebieten geleistet wird, und die Was hat Sie die COVID-19-Pandemie Als Organisation müsse Pro Natura selbst Umweltbildung. gelehrt? vorbildlich agieren, sagt ihr operativer Chef. Lieb gewonnene Gewohnheiten wurden Am Sitz des Zentralsekretariats in Basel, Hoffnung machen Leugger die erneuerten auf einmal in Frage gestellt. Die Pandemie untergebracht in einer ehemaligen Gewer- Zielsetzungen der Regierung in Bern. Dass hat uns allen gezeigt, wie verletzlich wir beliegenschaft im Gundeldinger Quartier, der Bundesrat die «Sustainable Develop- letztendlich sind und dass wir auch mit sind Pflanzen ein dominantes Einrichtungs- ment Goals» der Vereinten Nationen vermeintlich Selbstverständlichem merkmal. Wie in einem Biotop grünt es unterzeichnet habe und darauf basierend sorgsamer umgehen sollten. in und vor den Büros der Angestellten. in diesem Sommer seine Strategie für Nachhaltigkeit vorzuleben bedeute, darauf Nachhaltige Entwicklung 2030 verabschie- Hat sich durch die Pandemie etwas zu achten, was und wie man konsumiere det, sei ein gutes Zeichen. Damit habe sich für Sie nachhaltig verändert? und sich fortbewege, sagt Leugger. «Wie die Schweiz völkerrechtlich verbindliche Haupterkenntnis ist, dass nicht alles sich unser Verhalten im Alltag auf die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung bis selbstverständlich ist, was uns gegeben Umwelt auswirkt, ist ein ständiges Thema 2030 gesetzt. Festgeschrieben ist so unter wird. Umso mehr müssen wir dem bei uns.» anderem der Schutz der Vielfalt der Arten Sorge tragen. an Land und im Wasser – und damit ein Kernanliegen von Pro Natura. Zugute käme Welche Vision haben Sie für Glaubwürdigkeit als Kapital dies wohl auch dem kleinen Bachflohkrebs die Welt von morgen? Glaubwürdigkeit gehöre zum Kapital einer und seinem bedrohten Lebensraum. Dass die Menschheit lernt, die grossartige Nichtregierungsorganisation, betont ihr Vielfalt der Natur zu schätzen und zu Geschäftsführer. Dieses Kapital werde bewahren, und begreift, dass wir sie mit auch für die politische Arbeit benötigt. unserem Planeten lediglich teilen und sie Als Anwältin der Natur, als die man sich die Basis für eine gesunde Zukunft für versteht, beteiligt sich Pro Natura am uns alle ist. Eine gesunde Zukunft für die Gesetzgebungsprozess, macht Eingaben Menschheit und ein gesunder, artenreicher bei Vernehmlassungen und lanciert mit Planet gehen Hand in Hand. anderen Gruppierungen Initiativen und Referenden. Sorgsam nutzt pro Natura ceo 17
Kampf gegen die Plastikflut in den Weltmeeren Plastikmüll tötet Millionen von Meereslebewesen, die an den Abfällen ersticken, sich in ihnen verfangen oder sich damit vergiften. Weltweit sterben pro Sekunde drei Meerestiere an diesen Folgen. The SeaCleaners, eine französisch-schweizerische Umweltschutzorganisation, hat sich dem Kampf gegen die Meeresverschmutzung durch Plastik und die Zerstörung natürlicher Lebensräume verschrieben. Yvan Bourgnon, CEO und Gründer, sprach mit CEO Magazin über die Rettung der Weltmeere. Text: Eric Johnson Bilder: The SeaCleaners Ziel der Umweltorganisation ist es, Zehn Millionen Tonnen Plastikmüll pro Entsorgung. In den ärmeren Teilen der die Weltmeere vor Verschmutzung zu Jahr – 17 Tonnen pro Minute – landen in Welt dienen Flüsse als Deponien, in denen schützen – insbesondere vor dem den Weltmeeren. Und kein Ende in Sicht? der Müll wie durch Zauberhand einfach Eintrag von Plastik an den Flussmün- Ohne massives Gegensteuern wird sich die verschwindet. Die Industriestaaten müssen dungen und Küsten. Ihr Ansatz kombi- Menge an Plastikmüll in den Weltmeeren den weniger entwickelten Ländern, aus niert Technologie und Aufklärungskam- bis 2040 schätzungsweise verdreifachen, denen der Grossteil des Plastikeintrags in pagnen. Bei der technologischen das sind 50 kg pro Meter Küste. 2050 gäbe die Weltmeeren stammt, dabei helfen, die Lösung handelt es sich um ein neu- es dann genau so viel Plastikmüll wie Abfälle in geeigneter Weise zu sammeln artiges Schiff, dass jährlich 5000 bis Fische in den Ozeanen. Der Plastikmüll und entsorgen. 10’000 Tonnen Müll aus den Ozeanen vernichtet Meereslebewesen, führt zu sammeln soll. Die Aufklärungskampag- Missbildungen und dazu, dass sie sich The SeaCleaners entwickelt die nen werden zum Teil an Bord stattfin- immer weniger vermehren. Die im Plastik erforderlichen Technologien. den: Präsentationen und Bildungsarbeit enthaltenen chemischen Substanzen Seit 2017 haben wir 25’000 Stunden auf See und im Hafen, insbesondere in belasten die marinen Ökosysteme. Zudem Forschungsarbeit, technische Entwicklung Afrika, Südostasien und Lateinamerika, verstärkt das Plastik in den Weltmeeren und Tests für den Manta, ein Offshore- wo das Problem am ausgeprägtesten den Klimawandel, da mehr Wärmestrahlung Schiff zur Sammlung und Entsorgung von ist und am wenigsten Geld für Gegen- reflektiert wird. Doch nicht nur die Natur Plastikmüll, und für die Mobula, ein kleine- massnahmen zur Verfügung steht. wird geschädigt, sondern auch der Mensch. res Schiff für flache und weniger zugäng- Bereits heute wird Aufklärungsarbeit Laut Angaben des Umweltprogramms der liche Gewässer, investiert. Die Mobula 8 ist über Workshops in Unternehmen, an Vereinten Nationen kostet Plastikmüll den inzwischen betriebsbereit und wird noch Schulen und an Universitäten sowie Tourismus- und Fischereisektor 14 Milliarden vor Ende 2021 in Indonesien zum Einsatz über Müllsammel-Aktionstage geleistet. US-Dollar pro Jahr. kommen. Der Bau des Manta wird 2022 beginnen, die Einführung ist für 2024 www.theseacleaners.org Sollten wir Plastik somit geplant. Bisher konnten wir ein Drittel der schlichtweg verbieten? erforderlichen Finanzierung sicherstellen. Jeder von uns sollte seinen Plastikkonsum Da die Konstruktionspläne für den Manta minimieren, denn es gibt Alternativen, nun fertig sind, laufen die Aktivitäten zur zumindest in wohlhabenderen Ländern. Mittelbeschaffung auf Hochtouren. Eine Wesentlich schwieriger ist es beispiels- zentrale Frage war die Entsorgung der mit weise in Afrika oder Bangladesch. Wer es dem Manta gesammelten Abfälle. Ur- sich leisten kann, weniger Plastik zu sprünglich wollten wir zur Entsorgung an verwenden, verdient mehr. Dagegen kaufen Land zurückzukehren. Hier bestand jedoch Menschen mit geringerem Einkommen die Gefahr, dass in weniger entwickelten vor allem preiswertere, allseits verfügbare Regionen der erfasste Plastikmüll einfach Produkte aus Kunststoff. Der Kern des wieder im Meer landet. Problems liegt in der Erfassung und 18 ceo
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