Cloud Computing White Paper - Cloud-Finder Schweiz
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White Paper Cloud Computing Autoren und Autorinnen (alphabetisch) Olivier Brian, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Berner Fachhochschule Thomas Brunschwiler, IBM Research – Zurich Heinz Dill, CBusiness Services GmbH und EuroCloud Swiss Hanspeter Christ, swisstopo Babak Falsafi, Director EcoCloud and PARSA, EPFL Markus Fischer, MF Consulting und SATW Stella Gatziu Grivas, Head Competence Center Cloud Computing, FHNW Claudio Giovanoli, Research Assistant, Competence Center Cloud Computing, FHNW Roger Eric Gisi, Gisi Consult Reto Gutmann, Direktor Informatikdienste, ETH Zürich Matthias Kaiserswerth, IBM Research – Zurich Marco Kündig, Manager Datacenter and Cloud, Cisco CH Simon Leinen, SWITCH Serving Swiss Universities, Zurich Willy Müller, Projektleiter ICT-Architektur, Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) David Oesch, swisstopo Marius Redli, redli consulting Didier Rey, Information System Coordinator, EPFL Reinhard Riedl, Leiter Forschung und Dienstleistungen, Berner Fachhochschule Andy Schär, Fachhochschule Nordwestschweiz, Pädagogische Hochschule Andreas Spichiger, Abteilungsleiter Forschung und Dienstleistungen, Berner Fachhochschule Ursula Widmer, Dr. Widmer & Partner, Rechtsanwälte, Bern Anne Wiggins, Deputy Director for EcoCloud, EPFL Markus Zollinger, Director Cloud Computing, IBM CH Korrespondierender Autor: Matthias Kaiserswerth 2012-11-06 Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften Seidengasse 16, CH-8001 Zürich Tel. +41 44 226 50 11, Fax +41 44 226 50 19 Mitglied der info@satw.ch, www.satw.ch Akademien der Wissenschaften Schweiz
SATW White Paper Cloud Computing Die SATW in Kürze Die SATW vereinigt als nicht kommerziell orientierte, politisch unabhängige Dachgesellschaft Personen, Institutionen und Fachgesellschaften in der Schweiz, die in den technischen Wissen- schaften, deren Anwendung und deren Förderung tätig sind. Herausragende Experten Die Akademie zählt rund 240 Einzelmitglieder sowie 60 Mitgliedsgesellschaften. Einzelmitglie- der sind herausragende Persönlichkeiten aus Bildung, Forschung, Wirtschaft und Politik. Sie werden auf Lebenszeit ernannt. Schweizer Fachgesellschaften im Dienst der technischen Wis- senschaften können sich um Mitgliedschaft bei der SATW bewerben. Mitgliedsgesellschaften bezahlen einen jährlichen Beitrag und können bei der Akademie Mittel für Umsetzungsprojekte und Veranstaltungen beantragen. Leistungsauftrag vom Bund Die SATW hat vom Bund den Auftrag, die Chancen und Herausforderungen von neuen Techno- logien frühzeitig zu erkennen und der Öffentlichkeit aufzuzeigen. Ein wichtiger Auftrag ist auch, das Technikinteresse und -verständnis in der Bevölkerung zu erhöhen. Die SATW wird, wie ihre Schwesterakademien SAGW, SAMW und SCNAT, im eidgenössischen Forschungsgesetz als wissenschaftliche Institution anerkannt. Etwa 80 Prozent ihrer jährlichen Mittel von rund 1,8 Mil- lionen Franken bezieht die SATW vom Bund. Die Rechtsform der Akademie ist ein Verein. Die Mitglieder der SATW-Organe arbeiten ehren- amtlich. Oberstes Organ ist die Mitgliederversammlung. Stimm- und Wahlrecht haben die Ein- zelmitglieder und Abgeordnete der Mitgliedsgesellschaften. 2
SATW White Paper Cloud Computing Inhaltsverzeichnis Vorwort ..................................................................................................................................................... 4 Management Summary ............................................................................................................................ 5 1 Einführung zu Cloud Computing ........................................................................................................ 7 1.1 Worum geht es ......................................................................................................................... 7 1.2 Charakteristiken ........................................................................................................................ 7 1.3 Besondere Qualitäten ............................................................................................................... 8 1.4 Servicemodelle ......................................................................................................................... 9 1.5 Deployment-Modell ................................................................................................................. 12 2 Fallstudien und Best Practice .......................................................................................................... 13 2.1 Einleitung ................................................................................................................................ 13 2.2 swisstopo: Cloud Computing in der öffentlichen Verwaltung ................................................. 13 2.3 Universität Bari: Cloud Computing in Bildung und Forschung ............................................... 18 2.4 Fleurop-Interflora: Cloud Computing in der Privatwirtschaft................................................... 20 2.5 Cisco: internationaler Einsatz von Cloud Computing ................................................................. 22 2.6 Überblick und Schlüsselelemente .......................................................................................... 24 3 Aktuelle Situation in der Schweiz .................................................................................................... 25 3.1 Einleitung ................................................................................................................................ 25 3.2 Nutzung der ICT ..................................................................................................................... 25 3.3 Voraussetzungen .................................................................................................................... 26 4 Wichtigste Ergebnisse des Workshops ........................................................................................... 29 4.1 Einleitung ................................................................................................................................ 29 4.2 Trusted Data Cloud................................................................................................................. 29 4.3 Cloud-of-Clouds ...................................................................................................................... 30 4.4 Standards und Richtlinien ....................................................................................................... 32 4.5 Vorbildfunktion einer Government Cloud................................................................................ 34 4.6 Cloud für Bildung und Forschung ........................................................................................... 35 4.7 Marktentwicklung .................................................................................................................... 37 5 Folgerungen für den Standort Schweiz ........................................................................................... 39 5.1 Cloud Computing setzt sich durch .......................................................................................... 39 5.2 Fokussierung auf Hochwertigkeit ........................................................................................... 39 5.3 KMU-Land Schweiz ................................................................................................................ 40 5.4 Rechtliche Aspekte ................................................................................................................. 41 5.5 Hinweis auf Handlungsbedarf ................................................................................................. 43 6 Empfehlung: Cloud für Bildung und Forschung ............................................................................... 44 6.1 Cloud Computing in Wissenschaft und Forschung ................................................................ 44 6.2 Cloud Computing in Schulen (K-12) ....................................................................................... 48 7 Vorschlag für einen Aktionsplan ...................................................................................................... 50 7.1 Cloud Computing in Wissenschaft und Forschung ................................................................ 50 7.2 Community Clouds für Schulen (K-12) ................................................................................... 51 Anhang A: Teilnehmende des SATW Cloud Computing Workshop 2012 (alphabetisch) ..................... 53 Anhang B: Impressum............................................................................................................................ 53 3/53
SATW White Paper Cloud Computing Vorwort Alle zehn bis fünfzehn Jahre entstehen in der ICT-Branche neue Konzepte, welche die Art und Weise, wie wir Computer einsetzen und auf Informationen zugreifen, grundlegend verändern, wie Unternehmen Wert aus der ICT schöpfen und sogar wie Verbraucher ihren Alltag gestalten. Die Einführung des Internet für die breite Öffentlichkeit mittels World Wide Web im Jahr 1995 war eine solche Veränderung. Sie ermöglichte den bequemen Zugang zu Informationen unab- hängig davon, in welchem Teil der Welt diese sich befanden; jeder konnte Informationen veröf- fentlichen und Geschäfte über das Web tätigen. Das Web bedeutete für ganze Branchen funda- mentale Veränderungen, so zum Beispiel – um nur einige zu nennen – die Medien-, die Musik- und die Telekommunikationsbranche. Im Jahr 2000, auf dem Höhepunkt der Dot-com-Blase, tauchte ein neues Konzept auf, das den Zugriff auf Anwendungen betraf. Die so genannten Application Service Providers (ASP), die eine einfache Browser-Schnittstelle für die Interaktion mit ihren Anwendungen nutzten, kamen auf den Markt. Bisher intern gehostete Anwendungen konnten, so lange über einen Browser auf sie zugegriffen werden konnte, nun an anderer Stelle angesiedelt und von vielen Clients gleich- zeitig genutzt werden. Ein erfolgreiches ASP-Beispiel ist Salesforce.com. Ungefähr zur gleichen Zeit begannen akademische Forschungseinrichtungen, mit einem Kon- zept namens Grid Computing zu experimentieren, das ähnlich funktioniert wie ein Stromnetz, bei dem verschiedene Stromerzeuger Energie bereitstellen und der Verbraucher nach Belieben Strom abnehmen kann. Die Forschungseinrichtungen gaben Partnerorganisationen Zugriff auf ihre eigene Infrastruktur, um Teile besonders rechen-/datenintensiver Anwendungen auf eine grössere Anzahl von Systemen umzuverteilen. Der dritte Trend, der sich ebenfalls zu dieser Zeit zu etablieren begann, war die Virtualisie- rung. Die Technologie selbst ist bereits über 30 Jahre alt, doch Intel nutzte sie als erster für sei- ne Prozessoren und schuf damit die Möglichkeit, einen physikalischen Prozessor zu «virtualisie- ren», um ihn als Host für mehrere Betriebssysteme gleichzeitig zu nutzen und es zu ermögli- chen, physikalische Server, deren Kapazität vielleicht nur zu 10 bis 15 Prozent genutzt worden wären, nun richtig auszulasten. 2004 begann Cloud Computing die Welt zu erobern, ein Modell, über das Unternehmen wie Salesforce.com, Amazon, Google und Facebook ihre eigenen Infrastrukturen laufen lassen – immer «on»; Änderungen und Upgrades erfolgen bei laufendem System, das wiederum sich der jeweiligen Nachfrage entsprechend skaliert. Cloud Computing ist heute die neue Art der Bereitstellung und Nutzung von Infrastrukturen (Rechenleistung und Speicherung), Middleware und Anwendungen. Unserer Einschätzung nach handelt es sich beim Cloud Computing um einen jener fundamentalen Wandel, welcher die Art, wie wir Geschäfte tätigen, Dienstleistungen anbieten und nutzen – ähnlich wie das Web – grundlegend verändern wird. Dr. Matthias Kaiserswerth Prof. Dr. Ulrich W. Suter ICT Themenplattform SATW Präsident SATW Direktor IBM Research – Zurich 4/53
SATW White Paper Cloud Computing Management Summary Das vorliegende White Paper ist das Resultat eines von der SATW Themenplattform ICT in Wissenschaft und Forschung veranstalteten Workshops im April 2012, der sich der Frage wid- mete, welche Chancen Cloud Computing für die Schweiz – unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunkte Bildung und öffentlicher Sektor – eröffnen. Ziel der Verfasser ist es, insbe- sondere die zuständigen politischen und sonstigen Entscheidungsträger anzusprechen und zu in- formieren, um die rechtzeitige Umsetzung ihrer Empfehlungen zu gewährleisten. Nach einer Definition des Begriffs Cloud Computing und einer Beschreibung der vielfältigen Vorteile dieses Konzepts beschreibt das White Paper verschiedene Beispiele für bereits erfolg- reich umgesetzte Cloud-Projekte im Bereich der Ausbildung, öffentlichen Verwaltung, Handel und Industrie. All diesen Projekten gemeinsam ist die Tatsache, dass die Cloud-Lösungen eine spürbare Kostensenkung und bessere Skalierbarkeit gegenüber herkömmlichen Implementie- rungen aufweisen. Interessanterweise nimmt die Schweizer Wirtschaft und Verwaltung trotz den weltweit höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für ICT in der Anwendung von Cloud Computing-Lösungen noch keine führende Rolle unter den Industrieländern ein, wie in einer Betrachtung der aktuellen Situation in der Schweiz deutlich wird. Es gibt zwar eine Vielzahl von Strategiepapieren zu dem Thema; die eigentliche Umsetzung lässt jedoch bedauerlicherweise noch auf sich warten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mangelnde Sicherheit, fehlendes Vertrauen in die neue Technologie und fehlende Fachkräfte werden dafür verantwortlich gemacht. Im Rahmen des SATW Cloud Computing Workshops wurde ein Gap-Analyse durchgeführt, in der deutlich wurde, welche spezifischen technischen und regulatorischen Herausforderungen anzugehen sind, um dem Cloud Computing rascher zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Her- ausforderungen sind: (1) die Trusted Data Cloud, die es Unternehmen erlaubt, ihre Daten entsprechend ihrem regula- torischen Umfeld einem Dritten anzuvertrauen, (2) die Cloud-of-Clouds, die es den Nutzern ermöglicht, Cloud-Dienste verschiedener Anbieter zu kombinieren, gemeinsam zu nutzen und damit auch den Wechsel von einem Anbieter zu ei- nem anderen zu erleichtern, (3) spezifische Standards und Richtlinien, die Cloud-Lösungen gleichermassen für die Anbieter wie auch Verbraucher hinsichtlich der unterschiedlichsten Kriterien, vom Datenschutz bis hin zur Dienstgüte und Haftung, regeln. Der öffentlichen Verwaltung kommt in diesem Zusammenhang nun eine besondere Rolle zu. Einerseits, da sie eine Vorreiterrolle für die Privatwirtschaft spielen kann, und andererseits, da sie klar umrissene Anforderungen hat, welche die oben beschriebenen Herausforderungen einer Lösung näherbringen können. Dazu sollten Behörden einerseits Cloud-Angebote nutzen, ihre Dienstleistungen wiederum in Form von Cloud-Diensten anbieten und sich ultimativ auch mit einer Government Cloud für erhöhte Sicherheitsbedürfnisse auseinandersetzen. Eine breite Umsetzung von Cloud Computing verspricht signifikante Chancen für die schweize- rische Volkswirtschaft. Dabei gilt es, sich auf die typisch schweizerischen Qualitäten zu kon- zentrieren. Eine Fokussierung auf Hochwertigkeit hinsichtlich der nicht funktionalen Kriterien wie Verfügbarkeit, Sicherheit, rechtliche Rahmenbedingungen, Interoperabilität – um nur ein paar zu nennen – ist dafür notwendig. 5/53
SATW White Paper Cloud Computing Die Autoren schliessen das White Paper mit der konkreten Empfehlung für die Schaffung einer schweizweiten Community Cloud für Bildung und Forschung. Diese Cloud kann einerseits dazu dienen, die Forschung im Bereich Cloud Computing voranzubringen, und andererseits ein erster Schritt zu sein, um die oben genannten Herausforderungen konkret anzugehen. Der Haupt- nutzen jedoch wird darin liegen, dass die in unserer Forschungs- und Bildungslandschaft Täti- gen damit eine einzigartige Umgebung vorfinden, die sie in ihrer Ausbildung und ihrem Beruf ein Leben lang begleiten kann. 6/53
SATW White Paper Cloud Computing 1 Einführung zu Cloud Computing 1.1 Worum geht es Für Cloud Computing existieren unterschied- vestment für Innovationen, was die Innovati- liche pragmatische Definitionen. In der In- onsgeschwindigkeit insgesamt erhöht. dustrie wird nicht zuletzt aus aktuellen Marke- • CC ermöglicht Organisationen die nachhal- tingüberlegungen oft jeder Webservice bereits tige Konzentration auf ihre Kernkompeten- als Cloud-Dienst definiert. Doch eine «richti- zen. Nicht-IT-Dienstleister können IT-Dienst- ge» Cloud hat Eigenschaften, welche über das leistungen, die sie für ihre Geschäftstätigkeit Bereitstellen eines Webservices hinausgehen. benutzen, nachhaltig outsourcen. Die Nach- Die vielleicht umfassendste Definition stammt haltigkeit des Outsourcings besteht darin, dass vom US-amerikanischen National Institute of – anders als im konventionellen Outsourcing – Standards and Technology NIST[1]. Wir hal- es ökonomisch für den Anbieter sinnvoll ist, ten uns im Folgenden im Wesentlichen an die- permanent in die Modernisierung seiner Dien- se Definition. ste zu investieren. Cloud Computing (CC) steht für Infrastruktur • CC folgt der Entwicklungslogik der Infor- und Dienste zur Informationsverarbeitung mit matik. Diese ist darauf ausgerichtet, immer einem speziellen Dienstleistungsmodell. CC mehr Komplexität erfolgreich managen zu bietet den zeit- und ortsunabhängigen Inter- können, und sie besteht in der kontinuierli- net-Zugriff auf konfigurierbare Dienste, die chen Verbesserung des so genannten Infor- von einem Pool von Computing-Ressourcen mation Hiding. Neben den verschiedensten erbracht werden. Formen des Moore’schen Gesetzes besteht der Für CC gibt es mehrere Gründe. Die wichtigs- Kern der Informatik-Entwicklung in einer ste- ten sind: tig wachsenden Maturität des Verbergens von überflüssiger Information. (Dies trägt den • CC ermöglicht Economies of Scale. Auf leicht missverständlichen Namen Transparen- Seiten der Leistungserbringer führen diese zu cy Engineering.) Damit einher geht die Mög- einer höheren Produktivität bei der Erbrin- lichkeit, Systeme immer besser mit abstrakten gung von Infrastruktur-Dienstleistungen. Da- Policies zu steuern. Für die Bezieher von In- mit einher geht die Erhöhung der Überlebens- formationsdienstleistungen bedeutet dies: die fähigkeit im Fall verschiedenster Probleme. überflüssigen Details werden verborgen; die Auf Seiten der Leistungsbezieher reduzieren für das Kerngeschäft wichtigen Parameter die Economies of Scale die Investitionen und werden einfacher steuerbar. Kosten. Überdies wächst der Return on In- 1.2 Charakteristiken Cloud Computing hat spezifische Eigenheiten dieser Begriff oftmals missbraucht. Nur wenn und Ausprägungen, welche Vor- und Nachtei- ein Service alle in Tabelle 1 aufgeführten le gegenüber anderen Formen des Outsour- Charakteristiken besitzt, kann nach NIST von cing mit sich bringen. Durch zunehmende Ak- einem ganzheitlichen Cloud-Angebot gespro- tualität und Verbreitung der «Cloud» wird chen werden. 7/53
SATW White Paper Cloud Computing Tabelle 1 – Charakteristiken von Cloud Computing Charakteristik Beschreibung On-demand self- IT wird als Service genutzt und steht auf einfache Weise, ohne service manuelle Interaktion, auf Abruf zur Verfügung. Broad network access Der Service wird unabhängig vom Endgerät über ein Netzwerk be- reitgestellt. Die Verbindung muss entsprechend des Service per- formant und verfügbar sein. Resource pooling Die benötigten Ressourcen werden vom Provider für unterschied- liche Kunden zur Verfügung gestellt. Dies wird durch Technolo- gien wie Virtualisierung und Mandantenfähigkeit (Multitenancy) ermöglicht. Rapid elasticity Die benötigten Ressourcen werden bei Bedarf spontan bereitge- stellt und bei Nichtgebrauch ohne manuellen Eingriff wieder frei- gegeben. Measured Service Der bezogene Service muss mit den dafür benötigten Ressourcen messbar sein. Dadurch wird eine verbrauchsorientierte Abrech- nung ermöglicht. Diese wird auch mit «pay as you go» oder «pay- per-use» beschrieben. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (NIST, National Institute of Standards and Technology, 2011) 1.3 Besondere Qualitäten Die allgemeinen Geschäftserwartungen an das IT-Projekten statt in Wochen oder Monaten Cloud Computing können wie folgt zusam- innerhalb weniger Stunden bereitstellen. Dies mengefasst werden. Je nach Organisation ermöglicht es der Geschäftsseite, schnell auf werden die Erwartungen unterschiedlich ge- Veränderungen zu reagieren und die Markt- wichtet und ergänzt. einführungszeit (time-to-market) möglichst kurz zu halten. Kostenbegrenzung: Durch den Einsatz von Cloud Computing und der Möglichkeit der Verfügbarkeit: Dank dem Skaleneffekt kön- Skalierbarkeit sind keine Investitionen in Inf- nen grössere Cloud-Provider eine hohe Ver- rastrukturanschaffungen und Wartungen mehr fügbarkeit bieten. Durch redundante Anbin- notwendig. Die Services und die gewünschten dung und Lastenausgleich (load balancing) Kapazitäten sind auf Abruf verfügbar und können die hohen Verfügbarkeitsanforderun- werden nach Verwendung verrechnet (pay- gen der Geschäftsseite befriedigt werden. Die per-use). Durch das Einsparen von ungenutz- versprochene Verfügbarkeit sollte unabhängig ten internen Ressourcen kann die Geschäfts- vom Provider gemessen werden. Falls verein- seite in die Innovation des Kerngeschäfts in- barte Service Level Agreements (SLA) nicht vestieren, anstatt das Kapital in ungenutzter eingehalten werden, sind entsprechende Mög- Infrastruktur zu binden. Vor der Einführung lichkeiten zur Eskalation beim Lösungsanbie- einer Cloud-basierten Lösung vergleicht die ter oder Auflösungsbedingungen des Vertra- Geschäftsseite die aktuellen Kosten mit den ges (Exit-Klausel) definiert. potenziellen Cloud-Kosten. Dabei werden im- Skalierbarkeit: Durch die Flexibilität und mer die Gesamtkosten (TCO) verglichen. Skalierbarkeit der Cloud-Services kann sich Innovationsgeschwindigkeit: Cloud-Services die IT schnell an sich ändernde Geschäftsbe- lassen sich im Gegensatz zu herkömmlichen dürfnisse anpassen und diese besser unterstüt- 8/53
SATW White Paper Cloud Computing zen. Da die Leistung auf Abruf zur Verfügung Elastizität: Die Cloud-Provider verfügen über steht, wird auf Lastspitzen schnell oder sogar gespiegelte Systeme, welche sowohl für Not- automatisch reagiert. Die benötigten Ressour- fallszenarien (disaster recovery) wie auch für cen werden nach Bedarf entsprechend allo- Lastenausgleich (load balancing) verwendet ziert. werden können. Durch geographische Tren- nung der Serverräume kann die Cloud-Lösung Effizienz: Die Geschäftsseite kann sich dank auch gegen Naturkatastrophen abgesichert effizienter IT auf ihr Kerngeschäft konzentrie- werden. ren und innovativ in Forschung und Entwick- lung investieren. Dieser Vorteil kann zum Durch den Einsatz von Cloud-Lösungen kön- Wachstum und Wettbewerbsvorteil der Orga- nen sich die Geschäfts- und die interne IT- nisation wesentlich beitragen und übertrifft Seite auf ihre unterschiedlichen Kernaufgaben vielleicht sogar die finanziellen Vorteile einer konzentrieren. Cloud-Anbieter können die Cloud-Lösung. operative IT besser, schneller und kosteneffi- zienter betreiben. 1.4 Servicemodelle Servicemodelle beschreiben, welche Art von der Anbieter unterschiedliche Leistungen zur Services aus der Cloud bezogen werden (vgl. Verfügung. Dabei hat sich eine Klassifikation Abbildung 1). Dabei wird in drei Haupttypen etabliert, die danach unterscheidet, auf wel- unterteilt: IaaS (Infrastructure as a Service), chem IT-Architektur-Layer die Leistungen an- PaaS (Platform as a Service), SaaS (Software gesiedelt sind. as a Service). Je nach gewähltem Modell stellt Abbildung 1 – Servicemodelle Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (NIST, National Institute of Standards and Technology, 2011) Die Leistungen selber werden als «Blackbox» Es wird zwischen folgenden Layer unterschie- angeboten, und es bleibt dem Anbieter über- den: lassen, wie der Service innerhalb der verein- Applications: Die Fachanwendung, barten SLA erbracht wird, ebenso wie der Zu- welche vom Business verwendet wird. griff auf Leistungen darunterliegender Layer. 9/53
SATW White Paper Cloud Computing Runtime: Ausführungsumgebung, in der die Die Tabelle 2 beschreibt in einer Argumen- entsprechende Applikation ausgeführt wird. tenbilanz die Vor- und Nachteile von IaaS ge- Diese Umgebung enthält für die Applikation genüber einem Eigenbetrieb. benötigten Funktionen (runtime library). Im PaaS-Modell beinhaltet der Service eine Middleware: Diese Zwischenschicht oder vollständige Plattform inklusive Entwick- Vermittlungssoftware wird für die Kommuni- lungswerkzeuge. Solche Lösungen werden für kation mit anderen Anwendungen, Datenban- Eigenentwicklungen oder für eine spezielle ken oder dem Betriebssystem benötigt. Software, welche auf der Plattform läuft, ge- nutzt. Die unterliegende Infrastruktur wird OS: Das Betriebssystem (Operating System) vom Anbieter bereitgestellt und verwaltet. stellt der Anwendung die Systemressourcen der Hardware, respektive des Hypervisors, zur Die Tabelle 3 fasst die Argumente zu PaaS Verfügung und verwaltet diese. gegenüber einem Eigenbetrieb zusammen. Hypervisor: Diese Virtualisierungsschicht Im SaaS-Modell werden vollständige Appli- stellt dem Betriebssystem die virtualisierten kationen, meistens über ein Webinterface, zur Ressourcen der Infrastruktur bereit. Verfügung gestellt. Auf die Plattform und die darunterliegende Infrastruktur hat der Kunde Infrastructure: Die Infrastruktur besteht aus keinen Einfluss. Die Tabelle 4 beschreibt die den physikalischen Einheiten wie Server, Vor- und Nachteile von SaaS gegenüber ei- CPU, Speicher oder Netzwerk. nem Eigenbetrieb. Es gibt also drei Servicemodelle: Infrastruc- ture as a Service (IaaS), Platform as a Service (PaaS), und Software as a Service (SaaS). Tabelle 2 – Vor- und Nachteile von IaaS gegenüber Eigenbetrieb Vorteile Nachteile • Hohe Skalierbarkeit der benötigten • Standort der Daten bei Public wie auch bei Systeme, je nach benötigtem Bedarf Private Clouds nicht immer erkennbar • Redundante Datenspeicherung • Stark abhängig von der Verfügbarkeit der Inf- • Physisch getrennte Aufbewahrung rastruktur und Netzwerke und Nutzung von Daten • Fehlende oder mangelnde Abgren- • Keine Maintenance für Einrichtung zung/Isolierung der Datenbearbeitungen und Betrieb der Infrastruktur • Unberechtigter Datenzugriff auf Grund einer • OPEX statt CAPEX: OPEX (OPerati- Fehlkonfiguration. In der Annahme, dass Re- onal EXpenditure) Ausgaben für den chenzentren oder Netzwerke geteilt werden, ist operativen Geschäftsbetrieb; CAPEX dieses Risiko anders einzuschätzen als im Ei- (CAPital EXpenditure) Investitions- genbetrieb. ausgaben für längerfristige Anlage- • Gewährleistung und Haftung bei Verletzung güter. der Vertraulichkeit, Sicherheit und Integrität • Pay as you go der Daten Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (EuroCloud Swiss, 2012) 10/53
SATW White Paper Cloud Computing Tabelle 3 – Vor- und Nachteile von PaaS gegenüber Eigenbetrieb Vorteile Nachteile • Weniger Administrationsaufwand, da die notwendi- • Vendor Lock-in ge Infrastruktur nicht selbst implementiert und be- o fehlende Portabilität reitgestellt werden muss o fehlende Interoperabilität • Entwicklung im Team (auch geographisch verteilt) o keine standardisierten Tech- • Eine einzige Plattform mit minimalen Kosten nologien (Standardisierung) • Mangelnde Flexibilität • Keine Maintenance für Einrichtung und Betrieb der • Anforderungen von proprietären Plattform und deren Tools Anwendungen oder Entwick- • OPEX statt CAPEX lungsumgebungen • Pay as you go Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (EuroCloud Swiss, 2012) Tabelle 4 – Vor- und Nachteile von SaaS gegenüber Eigenbetrieb Vorteile Nachteile • Trennbarkeit / Mandantenfähigkeit der Ap- • Auswahl des richtigen Providers plikationen • Fehlende Portabilität • Schnell einsatzfähig/schnellere Projektein- • Geringere Integrierbarkeit in bestehende führung (time to market) Applikationslandschaften • Keine Maintenance für den Betrieb der Bu- • Geringere Anpassungsmöglichkeiten, da siness-Funktionalitäten vorgegebene Standardisierung • OPEX statt CAPEX • Evtl. höhere Antwortzeiten • Pay as you go • Auswirkung von Sicherheitslücken beim • Niedrigere Gesamtkosten (TCO) Einsatz gemeinsamer SaaS-Lösungen • Mobilität/Standortunabhängigkeit • Keine Nutzung ohne Internetzugang Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (EuroCloud Swiss, 2012) 11/53
SATW White Paper Cloud Computing 1.5 Deployment-Modell Cloud Computing kann in verschiedenen Or- ployment-Modell eingesetzt wird, sind die ganisationsformen betrieben werden (vgl. Ta- Anforderungen des Lösungsbenutzers und die belle 5). Ausschlaggebend dafür, welches De- am Markt verfügbaren Angebote. Tabelle 5 – Deployment-Modelle Deployment- Beschreibung Modell Private Cloud Der Lösungsbenutzer ist explizit eine Organisation oder eine Organisati- onseinheit. Eine private Cloud kann sowohl intern wie auch bei einem ex- ternen Anbieter betrieben werden. Die Vorteile der «Cloud» können nur teilweise ausgenutzt werden; dafür ist aber ein weitgehendes Customi- zing möglich. Community Der Service wird von mehreren Mitgliedern einer definierten Gruppe ver- Cloud wendet. Die Dienste können von mehreren Lösungsanbietern in- und ausserhalb der Community angeboten werden. Public Cloud Der angebotene Service steht der Öffentlichkeit zur Verfügung und wird meistens nur von jeweils einem Anbieter angeboten. Die Vorteile der Skalierbarkeit und des Ressourcenpooling können am besten ausgenutzt werden. Hybrid Cloud Hybride Clouds bieten eine Kombination aus den verschiedenen Organi- sationsformen und kombinieren dabei deren Vor- und Nachteile. Bei- spielsweise können schützenswerte Daten in einer Private Cloud gehal- ten werden, während öffentliche Daten und/oder Applikationen in der Public Cloud laufen. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (NIST, National Institute of Standards and Technology, 2011) 12/53
SATW White Paper Cloud Computing 2 Fallstudien und Best Practice 2.1 Einleitung Cloud Computing bringt verschiedene Varia- sammenarbeit mit anderen öffentlichen und tionen an Einsatzmöglichkeiten mit sich. So privaten Institutionen in einer Community können die diversen Services aus ganz unter- Cloud beschrieben. Die dritte Fallstudie, Fleu- schiedlichen Umgebungen und auf verschie- rop-Interflora, stellt den Einsatz von «Infra- dene Art und Weise bereitgestellt und bezo- structure as a Service» aus einer Private- gen werden. Bei der Auswahl der folgenden Cloud-Umgebung dar, die von einem Provider vier Fallstudien und Best Practice wurde aus bereitgestellt und betrieben wird. Am Beispiel diesem Grunde darauf geachtet, dass verschie- von Cisco zeigt die vierte Fallstudie mit «Sa- dene Industrien und Szenarien dargestellt wer- lesforce» auf, wie international tätige Unter- den, welche unterschiedliche Cloud Compu- nehmen durch den Einsatz von Cloud- ting-basierte Dienste nutzen. Services unter anderem länderspezifische An- forderungen effizient umsetzen können. Die erste Fallstudie, swisstopo, zeigt auf, wie Infrastruktur-Services aus einer Public Cloud Weitere Anwenderberichte werden auf der genutzt werden. Anhand der zweiten Fallstu- Plattform «Cloud-Finder Schweiz»[2] (vgl. die, Universität Bari, wird der gemeinsame Kapitel 4.7) laufend publiziert und können Einsatz und Nutzen solcher Services in Zu- dort eingesehen werden. 2.2 swisstopo: Cloud Computing in der öffentlichen Verwaltung Die auf einer Cloud Computing-Architektur Das für den Zugriff auf Geodaten eingesetzte basierende und durch das Bundesamt für Lan- Cloud Computing ist in erster Linie eine neue destopografie swisstopo im Rahmen von E- Form der bedarfsgerechten und flexiblen Be- Government Schweiz betriebene Bundes-Geo- reitstellung von IT-Leistungen. Es ist keine daten-Infrastruktur (BGDI) kann schnell und neue Technologie, sondern eine direkte Folge einfach skaliert werden und deshalb auf gros- der konsequenten Weiterentwicklung bereits se Lastschwankungen (z.B. infolge von Pres- bestehender etablierter Technologien, allen semitteilungen) reagieren. Die hierfür anfal- voran der Server-Virtualisierung und der lenden Kosten spiegeln die tatsächliche Nut- Webservices. zung wider, da nur die effektiv benötigten IT- Für den Nutzer von IT-Ressourcen ist diese Ressourcen verrechnet werden. Entwicklung insofern attraktiv, weil dieser die Dank der konsequenten Verwendung von of- zur Befriedigung seiner Unternehmensanfor- fenen Standards und Open-Source-Software derungen notwendigen Kapazitäten für Daten, können darüber hinaus Kosten für Softwareli- Rechenleistung und Anwendungen in Echtzeit zenzen eingespart werden. Neben den gerin- als «Service aus dem Netz» beziehen kann. Er gen Kosten profitiert swisstopo auch vom muss diese nicht mehr selbst über oft langwie- Umstand, dass sie sich nicht mehr mit Hard- rige Prozesse anschaffen. Betriebswirtschaft- ware für Web-Infrastrukturen beschäftigen lich gesehen führt das für die Verrechnung muss, sondern die vorhandenen Personalres- von Cloud-Services übliche «pay as you go»- sourcen gezielt in zukunftsorientierte Ent- Abrechnungssystem zu einer Umlagerung von wicklungen ihres Kerngeschäfts investieren Investitionen zu Betriebskosten, was sich auf kann. die Innovationskraft des Unternehmens sehr positiv auswirkt, da die in klassischen IT-Pro- 13/53
SATW White Paper Cloud Computing jekten häufig sehr hohen Vorab-Investitions- ein Geschäftsmodell, das entgegen dem klas- kosten für IT-Infrastruktur wegfallen. sischen Kauf von Rechnerinfrastruktur («mein Server steht in meinem Keller») vorsieht, die- swisstopo setzt auf Infrastructure as a se «on-demand» zu mieten. Daraus ergibt sich Service (IaaS) eine Vielzahl von Vorteilen, u.a.: swisstopo setzt in ihrer Rolle als Fachleis- • Belastungsspitzen werden abgefangen tungserbringer von Geographic Information Systems (GIS) des Bundes im Rahmen des • plötzliches Wachstum ist ohne Probleme Aufbaus der so genannten Bundes-Geodaten- möglich (Skalierbarkeit) Infrastruktur (BGDI) und der Umsetzung des • brachliegende Kapazitäten können sofort seit Juli 2008 in Kraft getretenen Geoinforma- freigegeben werden tionsgesetzes (GeoIG) bereits seit zwei Jahren erfolgreich auf Cloud Computing. • einmalige oder selten ausgeführte Anwen- dungen werden bezahlbar Das Bundesamt für Landestopografie swissto- po hat sich für das Bezugsmodell «Infrastruc- • vorhandene Virtualisierungstechnologie er- ture as a Service» (IaaS) entschieden (vgl. möglicht ein einfaches Softwaretesting auf Abbildung 2). Das für Swisstopo eingesetzte unterschiedlichsten Plattformen Mo-dell mit «Infrastructure as a Service» ist Abbildung 2: Einfluss der verschiedenen Deployment-Modelle auf die Governance von IT-Organisationen (VM = virtuelle Maschinen) Folgende Gründe waren für diesen Entscheid vern betriebenen Fachapplikationen und Dien- ausschlaggebend: ste. Als GIS-Fachleistungserbringer ist es sub- stanziell, die Kontrolle und Flexibilität über • Im Gegensatz zu PaaS und SaaS behält das eigene Kerngeschäft GIS nicht mit einem swisstopo als Cloud-Service-Bezüger beim Cloud-Anbieter teilen zu müssen. Bezugsmodell IaaS die volle Kontrolle und Verantwortung für die in den virtuellen Ser- 14/53
SATW White Paper Cloud Computing • Der aufwändige Aufbau und Betrieb von Nicht zu unterschätzen ist auch der zu bezah- Server- und Storage-Infrastrukturen samt Ka- lende Preis für die in Aussicht gestellte Flexi- pazitätsplanung wird von einem auf Infra- bilität. Eine hohe Flexibilität der Infrastruktur struktur-Management spezialisierten Cloud- ist aus Betriebssicht letztlich gleichzusetzen Anbieter übernommen. swisstopo kann sich mit einer hohen Änderungsfrequenz auf be- im Gegenzug noch besser auf ihr Kernge- sagter Infrastruktur. Diese hohe Change-Häu- schäft konzentrieren. figkeit (z.B. täglich Änderung der Anzahl pro- duktiver Server) muss vom Infrastrukturteam • swisstopo profitiert von den Skaleneffekten gemanagt werden können. und der Service-Excellence des Cloud-Anbie- ters, was sich sowohl auf die Kosten als auch Ohne entsprechende strikte Prozesse und ei- die eigene Servicequalität positiv auswirkt. nen hohen Grad an Automatisierung ist dies in der täglichen Praxis nicht erfolgreich umsetz- • swisstopo konsumiert einen Infrastruktur- bar. swisstopo setzt deshalb auf Infrastruktur- Service. Die Verfügbarkeit von hoch abstra- ebene konsequent auf das Open Source Data hierten Infrastruktur-Ressourcen wie zum Bei- Center Automation Werkzeug «Puppet». Die- spiel Rechenkapazität oder Speicherplatz über ses Tool erleichtert den automatisierten Roll- ein Web Service API (Application Program- out neuer virtueller Server und die anschlies- ming Interface) erleichtert den Aufbau einer sende Überwachung derselben im Betrieb er- nach Bedarf skalierbaren Infrastruktur erheb- heblich. lich. Infrastruktur wird sozusagen «program- mierbar». «Puppet» lässt sich auch in traditionellen Re- chenzentren einsetzen und schlägt damit sozu- • Die Mandantenfähigkeit (Multitenancy) der sagen die Brücke zwischen der Cloud und Infrastruktur-Services ist ein Innovationsmo- dem internen Rechenzentrum. Dieser Ansatz tor. Sämtliche Kunden profitieren, unabhän- mildert die häufig heraufbeschworene Abhän- gig von ihrer Grösse, automatisch und gleich- gigkeit zu einem Cloud-Anbieter entschei- berechtigt von jeder Verbesserung und Erwei- dend. Dem Aspekt der Herstellerabhängigkeit terung des Infrastruktur-Service. Insbesondere («vendor lock-in») ist bei der Migration in die für kleine und mittlere Cloud-Service-Bezüger Cloud im Sinne einer Risikobetrachtung ge- ist dies ein wahrer Segen. Den anfänglich häufig bührend Aufmerksamkeit zu schenken, denn geäusserten grundsätzlichen Sicherheitsbeden- eine starke Herstellerabhängigkeit sollte in ken betreffend Multitenancy-Umgebungen ste- diesem neuen, sehr dynamischen und noch hen heute bereits ISO 27001- und PCI-zertifi- wenig standardisierten Markt nach Möglich- zierte Cloud-Infrastrukturen wie zum Beispiel keit vermieden werden. «Amazon Web Services» entgegen. swisstopo hat deshalb beim Design ihrer Betrieb und Architektur von swisstopo Cloud-Architektur darauf geachtet, nur das Cloud-Infrastruktur absolut notwendige Minimum der leider noch Eine entscheidende und oftmals ernüchternde weitgehend proprietären Service-Schnittstellen Erkenntnis bei der Migration von bislang tra- der Cloud-Anbieter zu verwenden und ihre Bu- ditionell im eigenen Rechenzentrum betriebe- sinesslogik wenn immer möglich nicht mit die- nen GIS-Fachanwendungen und -Diensten in ei- sen Schnittstellen zu verweben, sondern her- ne Cloud eines IaaS-Anbieters ist die Tatsache, stellerunabhängig innerhalb der virtuellen Ser- dass diese häufig aufwändig umgebaut («cloud ver mit «Puppet» zu managen. enabled») werden müssen, um von den Ver- Der Abbildung 3 ist eine vereinfachte Über- sprechen (wie zum Beispiel rasche und unbe- sicht der Cloud-Infrastruktur der prominentes- grenzte Skalierbarkeit) der Cloud-Anbieter ten, auf der BGDI-Infrastruktur von swisstopo auch tatsächlich profitieren zu können. betriebenen Anwendung «Geoportal des Bun- des» www.geo.admin.ch zu entnehmen. 15/53
SATW White Paper Cloud Computing Abbildung 3: Cloud-Infrastruktur des Geoportals Bund www.geo.admin.ch Praxisbeispiel geo.admin.ch Das Geoportal des Bundes geo.admin.ch ist Kantonen und Gemeinden sowie der Wirt- eine öffentlich zugängliche Plattform für Geo- schaft, der Gesellschaft und der Wissenschaft informationen, -daten und -dienste. Einerseits für eine breite Nutzung, nachhaltig, aktuell, ist dies die konkrete Umsetzung der Architek- rasch, einfach, in der erforderlichen Qualität tur der BGDI der Schweizerischen Bundes- und zu angemessenen Kosten zur Verfügung verwaltung, und andererseits dient es als Ein- stehen.» trittstüre zu derselben. Mit geo.admin.ch sind Entscheid für Cloud Computing erstmals Geodaten der Bundesverwaltung auf einer Infrastrukturplattform verfügbar, und Die Vorgaben betreffend Realisierungszeit für Vorgaben, wie es das Geoinformationsgesetz die Umsetzung eines Portals mit Kartenviewer (GeoIG) und die Geoinformationsverordnung waren mit einem Jahr sehr knapp bemessen. (GeoIV) vorsehen, können damit erfüllt wer- Da jedoch das Mengengerüst wie beispiels- den. Öffentliche Institutionen müssen gemäss weise die effektiv zu erwartende Anzahl der GeoIG die Geobasisdaten ihres Zuständig- Nutzer im Betrieb respektive die Spitzenwerte keitsbereichs zugänglich machen, sofern sie beim «go live» unbekannt waren und ein Aus- im Katalog der Geobasisdaten (Art. 1, Abs. 2 fall des Portals bei der Aufschaltung wegen GeoIV) aufgeführt sind. Überlastung aufgrund des damit verbundenen Imageschadens unbedingt vermieden werden Da das GeoIG bereits per 1. Juli 2008 in Kraft sollte, wurde die technische Infrastruktur des getreten war, wollte die GKG mit einer in kür- Geoportals bereits von Projektbeginn an kon- zester Frist umgesetzten Realisierungseinheit sequent dahingehend konzipiert, dass sie mit (d.h. eine technischen Infrastruktur und ein in- geringem Aufwand der effektiven Nutzung novatives Eintrittsportal) den konkreten Nut- angepasst werden konnte. Darüber hinaus galt zen dieses Gesetzes für die Bürger aufzeigen. es, die Ansprüche der Endkunden, die von Ex- Dieses bezweckt, dass gemäss Art. 1 «...Geo- pertennutzern bis hin zu GIS-Laien (Bürger) daten über das Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft den Behörden von Bund, 16/53
SATW White Paper Cloud Computing reichten, mit den geringen zur Verfügung ste- und des massiven Einsatzes von Cache kön- henden finanziellen Ressourcen abzudecken. nen über 140 Datensätze schweizweit in Form von mehr als einer Milliarde vorgerechneten Die Anforderungen an die Webinfrastruktur und daher schnell übertragbaren Karten-Tiles für geo.admin.ch können demnach wie folgt («Kleinst-Bildern») vorgehalten werden. zusammengefasst werden: In der Folge konnten auch bei der Medien- • Termintreue bei der Beschaffung kampagne – mit sehr grossem Echo in der Öf- • hohe Performanz der Gesamtlösung fentlichkeit – die innerhalb eines Tages um ei- • Skalierbarkeit «on-demand» nen Faktor 20 gestiegenen Zugriffszahlen • geringe und möglichst transparente Betriebs- (33’000 «unique visitors» und beinahe 1 Tera- kosten byte ausgelieferte Daten pro Tag) von der Für die technische Infrastruktur wurde die IaaS- Kartenanwendung und der darunter liegenden Lösung (vgl. Kapitel 1.4 und Abbildung 1) ge- Infrastruktur verkraftet werden. Dabei wurden wählt. Auf der Dienste- und Applikationsebene zu Spitzenzeiten 1300 Karten-Tiles pro Se- wurde konsequent Open-Source-Software ein- kunde ausgeliefert! Gleichzeitig sind die Ko- gesetzt, um beim Skalieren der Anzahl Server sten der Datenhaltung und der Server im Be- nicht auch noch zusätzlich die Lizenzierungs- trieb gering und können für die verschiedenen problematik berücksichtigen zu müssen. Der Dienste je nach Bedarf kurzfristig skaliert Entscheid für den konsequenten Einsatz von werden. Cloud Computing und Open-Source-Software Dies macht das Geodatenportal Bund zu einer für das Geoportal Bund wurde sicherlich auch weltweiten Referenz (Best Practice) für Open durch den Umstand begünstigt, dass swisstopo Source-Kartenanwendungen auf der Basis des bereits seit 2008 Erfahrungen und Vertrauen im Entwicklungs-Frameworks «MapFish» in Kom- operativen Betrieb der infrastrukturtechnisch bination mit Cloud Computing. Es wurde für den ähnlichen Anwendung «SchweizMobil» in der «CH Open Source Award 2010» nominiert und Cloud sammeln konnte und seit über acht Jahren gewann für die Umsetzung den Qualitätswett- im Webbereich erfolgreich auf Open-Source- bewerb 2010 «Excellence in der öffentlichen Software setzt. Verwaltung» in der Kategorie E-Government. Im Juni 2012 wurde es mit dem zweiten Platz «Mit dem Geoportal des Bundes wurden des «United Nations Public Service Award» Standards gesetzt» in der Kategorie «Advancing Knowledge Ma- Die Sicherstellung schneller Zugriffszeiten nagement in Government» ausgezeichnet. durch Portale und Dienste bei hoher Nut- zungsintensität geschieht durch die neuartige [Dieser Text entspricht weitgehend dem Bei- Kombination eines Open Source Framework trag von Christ/Oesch/Schilcher [Hrsg.]; Geo- mit einer innovativen Cloud-Computing-Ar- informationssysteme, Beiträge z. 16. Münch- chitektur, die ein bis dato neuartiges Kosten/ ner Fortbildungsseminar, 2011] Nutzen-Verhältnis für die Bundesverwaltung darstellt. Dank der innovativen Umsetzung 17/53
SATW White Paper Cloud Computing 2.3 Universität Bari: Cloud Computing in Bildung und Forschung Die Universität Bari ist eine der führenden Bil- Community oder geografische Region zuge- dungseinrichtungen Süditaliens. Die Universität schnitten sind. Da die Cloud-Services nur be- ist Mitglied von DAISY-net, einem Verbund stimmten Personengruppen angeboten wer- von öffentlichen Universitäten und ICT-Unter- den, können einige Cloud-Probleme, z.B. mit nehmen in der süditalienischen Region Apulien. öffentlichen Dienstleistungen verknüpfte Si- Ziel von DAISY-net ist die Durchführung von cherheitsbedenken, ausser Acht gelassen wer- Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie den. Die Cloud-Nutzer, d.h. die Unternehmen die Bereitstellung von Technologietransfer- und vor Ort, zahlen der Universität eine bestimmte Schulungsangeboten zur Förderung des wirt- Zugangsgebühr als Beitrag für die entstande- schaftlichen und industriellen Wachstums in der nen Forschungs- und Entwicklungskosten. Region. Vor diesem Hintergrund wollte DAI- Einrichtung der Cloud-Plattform SY-net eine hochgradig sichere, skalierbare und flexible Architektur für die Entwicklung und Ziel der Universität Bari war es, als Provider Implementierung von Anwendungen einrichten, der Community Cloud und Host der Infra- um die regionale Gemeinschaft mit Cloud-ba- struktur eine lebendige und dynamische Lö- sierter IT zu unterstützen. sung zu entwickeln. Diese sollte für die äus- serst schnelle und einfache Bereitstellung und Die Universität Bari beschloss, eine Communi- das Management neuer Entwicklungs-, Test- ty Cloud (vgl. Kapitel 1.5 und Tabelle 5) anzu- und Produktionsumgebungen geeignet und für bieten, über welche die IT-Infrastruktur gehos- alle Umgebungen je nach Nachfrage nach tet wird, auf der verschiedene Applikationen oben oder unten skalierbar sein. Diese Flexi- für die Benutzer in der Region laufen. Die Fi- bilität sollte Studierende und andere Entwick- scher nutzen den Auktions-Dienst, auf den sie ler motivieren, sich auf die eigentliche An- über Touch-Screens auf ihren Booten zugreifen wendungsinnovation zu konzentrieren, statt können. Während sie ihre Netze einholen, kön- sich über Infrastruktur-Probleme Gedanken nen sie detaillierte Informationen über ihren machen zu müssen. Als Grundlage für die neue Fang eingeben. Wenn sie der Ansicht sind, Community Cloud-Infrastruktur entschied die keinen angemessenen Preis für ihren Fang zu Universität sich für die «IBM System z Solu- bekommen, können sie ihn zurück ins Meer tion Edition for Cloud Computing». werfen. Wenn sie einen Käufer gefunden ha- ben, können sie den Fisch während der Rück- In Zusammenarbeit mit Teams von IBM Italien fahrt zur Abholung am Dock vorbereiten und und MAUDEN, einem IBM-Business-Partner, so Zeit sparen. Eine ähnliche Anwendung wur- richtete die Universität die System-z-Plattform de für regionale Weinproduzenten eingerichtet; ein und ermöglichte den DAISY-net-Mitglie- eine spezielle Logistikanwendung interagiert dern den Zugang zu Kernressourcen. Durch mit in LKW installierten Sensoren, um Daten Nutzung einer zusätzlichen Linux-for-System- wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Ver- z-Cloud über diese Kern-Plattformen hinaus kehrsstaus zu erfassen. Die Daten können ana- waren die Entwickler schnell in der Lage, eine lysiert werden, um die optimale Streckenfüh- breite Palette innovativer Lösungen zu schaf- rung zu berechnen. fen; ausserdem ermöglichte der gewählte SOA (service oriented architecture)-Ansatz die ra- Dieses Fallbeispiel veranschaulicht, wie sehr sche Entwicklung modularer Anwendungen die Communities von den als Community (Composite Applications) durch Nutzung be- Cloud angebotenen Private Cloud-Services, reits vorhandener Services und Komponenten. die ihnen die Universität Bari anbietet, profi- Zur Steuerung der Linux-for-System-z-Archi- tieren können. Cloud-Services können Dut- tektur wird der «IBM Tivoli Service Automati- zende Community-spezifischer Anwendungen on Manager» verwendet, der zentrale Abläufe unterstützen, die speziell auf die betreffende 18/53
SATW White Paper Cloud Computing wie die Anforderung, Bereitstellung und Ver- wären», erklärt Prof. Giuseppe Visaggio, or- waltung von Standard-Images virtueller Server dentlicher Professor für Software Engineering automatisiert. an der Universität Bari. «Beim Cloud Compu- ting entfallen Aufwand und Kosten der An- Unternehmerische Vorteile schaffung und des Management einer neuen Der Grossteil der Entwicklungsprojekte ist da- Infrastruktur, wodurch die Entwicklung von rauf ausgerichtet, neue Wege der Unterstüt- Lösungen kleinen Massstabs viel eher reali- zung von Communities und kleinen Unterneh- sierbar wird. Hinzu kommt, dass die Cloud men in der Region Apulien zu erforschen, be- bei steigender Nachfrage einfach mehr Res- sonders in Bereichen und Branchen, in denen sourcen allozieren kann, sodass es keine Prob- die ICT bislang wenig etabliert ist, beispiels- leme hinsichtlich der Skalierung gibt. Die weise der Fischindustrie, der Weinherstellung neue Cloud-Infrastruktur hat für die Unter- und dem lokalen Transportwesen. nehmen und Gemeinden in Süditalien bereits Fischindustrie: Die Lösung, die von einem der vieles bewirkt, und sie wird auch weiterhin als DAISY-net-Entwicklungsteams für die Fisch- lebendige, flexible Plattform dienen, dank der industrie geschaffen wurde, ist besonders inte- unsere besten Studierenden und ICT-Experten ressant. Sie arbeitet mit Touch-Screens, die zusammenarbeiten und ihre innovativsten die Fischer auf ihren Booten installieren und Ideen einbringen können.» Sie ermöglicht es dazu nutzen können, die Grösse und Art der insbesondere kleinen Unternehmen, neue Ge- Fische, die sie fangen, zu übermitteln. Diese schäftsmodelle zu kreieren. Angaben werden automatisch an potenzielle Beweggründe für eine Private Cloud Kunden wie lokale Supermärkte, Geschäfte Wie im Beispiel der Universität Bari richten und Restaurants weitergegeben, die in einer immer mehr Universitäten in Europa, Asien Live-Auktion Gebote für die Ware abgeben, und den USA eigene Private Clouds ein. Dies während das Boot noch auf See ist. Wenn der gilt insbesondere für Universitäten mit Soft- Fisch verkauft ist, zeigt das System an, wel- ware-Entwicklungs-Fakultäten. Ihre Gründe cher Kunde welchen Fisch gekauft hat, sodass hierfür sind: der Fischer ihn auf der Rückfahrt zum Hafen bereits lieferfertig verpacken kann. So erhal- • Zugang zu verdeckten Technologien hinter ten die Fischer den besten Preis für ihren der Cloud für eigene Forschungszwecke Fang, und die Kunden erhalten absolut fri- • Bereitstellung einer geschützten «Spielwie- schen Fisch. se» für Studierende, innerhalb deren sie eige- Lösungen kleinen Massstabs realisierbar ne Applikationen testen und laufen lassen machen können Der grösste Vorteil der Entwicklung dieser An- • Vermeidung von «Vendor lock-in»-Effekten wendungen über die Cloud-Plattform besteht • Nutzung speziell auf die eigenen Anforde- darin, dass es ein Leichtes ist, zunächst (ohne rungen zugeschnittener Open-Source-Anwen- grosse Investitionen) klein anzufangen, mit ers- dungen ten Testläufen für einige wenige Anwender, und dann sehr schnell aufzustocken, wenn die Tech- Dieser Ansatz ermöglicht es ihnen, einen ei- nologie breiter angenommen wird. genen Innovationszyklus herauszubilden und anzustossen, der potenziell in lokalen ICT- «In einem herkömmlichen ICT-Modell würde Start-ups münden könnte. die Idee, eine Lösung für eine kleine Gruppe von Fischern oder ein lokales Transportunter- nehmen zu entwickeln, wahrscheinlich nie- mals über das Planungsstadium hinauskom- men, da die Erst-Infrastrukturkosten zu hoch 19/53
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