Der Strassenverkehr im Kanton Waadt 1900-2000 - Eine historisch-statistische Studie - Strassendaten

 
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Der Strassenverkehr im Kanton Waadt 1900-2000 - Eine historisch-statistische Studie - Strassendaten
Der Strassenverkehr im Kanton Waadt
              1900–2000
                   Eine historisch-statistische Studie

strassendaten.ch
Bern 2014
Der Strassenverkehr im Kanton Waadt 1900-2000 - Eine historisch-statistische Studie - Strassendaten
«Qui que vous soyez! ignorant ou cultivé, paysan ou citadin, jeune homme sans ambition,
vieillard désabusé ou sombre bourgeois bloqué dans les regrets du ‹bon vieux temps›, tous
vous devez admirer l’automobile […]. Quoi qu’on dise et quoi qu’on fasse, l’automobile a
gagné la partie.»

Gustave Krafft, ACS Sektion Waadt, 1924, 32f.

Impressum

Text: Thomas Signer

Copyrights: strassendaten.ch/ViaStoria, Bern 2014

Zitation

Signer, Thomas: Der Strassenverkehr im Kanton Waadt 1900–2000, Eine historisch-statisti-
sche Studie, in: Frey, Thomas und Schiedt, Hans-Ulrich (Hg.): strassendaten.ch, Bern 2014.
Inhaltsverzeichnis

1.     Einleitung                                                         1

2.     Infrastruktur                                                      3
2.1    Zur Organisation der Strasseninfrastruktur im Kanton Waadt
2.2    Autobahnen und Nationalstrassen
2.3    Kantonsstrassen
2.4    Gemeindestrassen
2.5    Beläge und Strassenbau

3.     Fahrzeugbestand                                                   15
3.1    Zur Organisation der kantonalen Strassenverkehrsdienste
3.2    Personenwagen
3.3    Öffentlicher Strassenverkehr und privater Busverkehr
3.4    Opposition gegen den Strassenverkehr und Optimierungsbemühungen
3.5    Zweiräder
3.6    Fahrzeugbestand für den Personentransport nach Fahrzeuggruppen
3.7    Sachentransportfahrzeuge
3.8    Landwirtschafts- und Industriefahrzeuge
3.9    Die räumliche Entwicklung des Fahrzeugbestands

4.     Finanzen des Strassenwesens                                       32
4.1    Zur Organisation der Strassenfinanzierung im Kanton Waadt
4.2    Ausgaben für Kantons- und Nationalstrassen
4.3    Ausgaben für Gemeindestrassen
4.4    Kantonale Einnahmen
4.5    Einnahmen der Gemeinden
4.6    Gesamtrechnung

5.     Strassenverkehrsunfälle                                           45
5.1    Kantonale Unfallstatistiken
5.2    Unfallentwicklung allgemein
5.3    Unfälle nach Sach- und Personenschaden
5.4    Unfälle nach Verursacher, Verkehrsträger und Ereignisort
5.5    Unfallursachen
5.6    Allgemein zur Verkehrssicherung und Unfallprävention
5.7    Verkehrsregulierung und Repression
5.8    Verkehrsinfrastruktur und Fahrzeugtechnik
5.9    Ausbildung und Prävention

6.     Fazit                                                             61

7.     Quellen und zitierte Literatur                                    62

8.     Abkürzungsverzeichnis                                             65
strassendaten.ch | Strassenverkehr Kanton VD | Thomas Signer                                   1"

1. Einleitung

Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich die motorisierte Mobilität als prägendes Verkehrs-
mittel zunehmend durch und wirkte in der Folge tief greifend auf die Gesellschaft und die
Wirtschaft ein. Sie veränderte sowohl die Produktions- und Distributionsverhältnisse als auch
die Arbeits- und Wohnkultur sowie das Freizeitverhalten. Neben vielen positiven Effekten re-
sultierten dabei parallel ebenfalls negative Begleiterscheinungen wie die Unfälle, die Zersie-
delung und Umweltbelastung oder die teilweise immensen Ausgaben für die Bereitstellung
der Infrastruktur. Diese Ambivalenz führte zu intensiven Debatten zwischen Politik, Wirt-
schaft und Bevölkerung, so auch im Kanton Waadt.

Zur Fragestellung und Zielsetzung

Die Studie zeigt auf statistischer Basis breitere politische, wirtschaftliche und soziale Aspekte
der Strassenverkehrsgeschichte des Waadtlands im 20. Jahrhunderts auf. Im Zentrum ste-
hen die Infrastruktur, der Motorfahrzeugbestand, die Finanzierung und die Unfälle. Dabei
werden auch Querbezüge zwischen den einzelnen Gebieten hergestellt, da sie in vielfältiger
Weise miteinander verbunden sind. Die folgenden Aspekte sind von hauptsächlichem Inte-
resse:

• Die Darstellung verschiedener, von der historischen Forschung bis anhin noch kaum oder
  wenig untersuchter Entwicklungen im Strassenverkehr auf kantonaler Ebene. Dabei wer-
  den auch Abgleiche mit anderen Landesgegenden oder der Gesamtschweiz vorgenom-
  men.
• Die Organisation des Strassenverkehrs innerhalb eines föderalen Systems. So lagen
  zahlreiche Aufgabengebiete in der Hoheit des Bundes, aber unter kantonaler Beteiligung
  in der Umsetzung. Zum anderen leitete der Kanton in einigen Bereichen die kommunale
  Ebene an.
• Ganz allgemein soll die Studie Beispiele für die Umsetzung einer spezifischen historiogra-
  phischen Untersuchungsweise bieten (siehe unten Methodik).
• Die Darstellung der Strassenverkehrsentwicklung anhand von kantonalen Statistiken. Die
  Datenlage auf kantonaler Ebene ist teils vielfältiger und detaillierter als jene auf der Bun-
  desebene. Dies eröffnet Raum für neue Fragestellungen. Im Falle des Kantons Waadt
  betrifft dies namentlich die Unfallstatistik.

Zur Methodik

In Bezug auf die angewandte Untersuchungsmethodik dient ein zweistufiges Verfahren als
Leitfaden. In einem ersten Schritt werden Ereignisse und Entwicklungen auf der Basis der im
Projekt strassendaten.ch erarbeiteten Zeitreihen für den Kanton Waadt quantitativ reflektiert.
Dazu dienen deskriptive Statistiken und einfache Zeitreihenanalysen, etwa durch die Be-
rechnung von Wachstumsraten, Verhältnis- oder Indexzahlen und Trendvergleichen. In ei-
nem zweiten Schritt wird der quantitativen Datenanalyse zu deren Deutung eine qualitative
historiographische Auswertung unterlegt, wozu schriftliche historische Quellen wie Ratspro-
tokolle, amtliche Dokumente oder Zeitungsartikel herangezogen werden.
Die Zeitreihen sind stets mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren, da in den Quellen ins-
besondere für frühere Dekaden selten wirklich transparent zum Ausdruck kommt, aus wel-
chen Bestandteilen bestimmte Variablen im Detail bestehen respektive welche Inhalte sie
repräsentieren. Da die Statistiken häufig an neue Definitionen oder Erhebungsmethoden an-
gepasst wurden, lassen sich manche Datenreihen nur beschränkt bedenkenlos über einen
langen Zeitraum deuten. Vielfach treten Brüche auf, welche eine Interpretation erschweren.
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Zur Quellenlage

Die Quellenlage für historische Verkehrsstudien ist für das Waadtland des 20. Jahrhunderts
sehr ergiebig. Wertvolle Dokumente befinden sich in der Nationalbibliothek Bern, im Kan-
tonsarchiv Waadt, in der Universitätsbibliothek Lausanne und beim «Service des routes»,
welcher dem «Département des travaux publics» angegliedert ist. Insbesondere Quellen
jüngeren Datums beliess das Kantonsarchiv Waadt im amtseigenen Archiv des «Service des
routes». Die wichtigsten verwendeten Dokumente werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Die für Grafiken, Tabellen oder Kalkulationen verwendeten statistischen Werte stammen,
sofern nichts anderes vermerkt ist, aus der Datenbank strassendaten.ch. Einen zusammen-
fassenden Überblick über die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen bietet das jährlich
publizierte «Compte rendu du département des travaux publics» (CRDTP). Dort wurden je-
weils Sachverhalte bezüglich der Strassensicherheit oder der Finanzierung dokumentiert,
aktuelle Bau- und Renovationsvorhaben aufgelistet und zusammenfassende Auskünfte über
politische Entscheide festgehalten. Parallel zum CRDTP erschien jährlich ein «Bulletin du
Grand Conseil» (BGC). Dieses enthält Hintergründe zu juristischen Fragen und Neuerungen
wie etwa zur Klassifikation von Strassen. Neben politischen Diskussionen sind zu jedem
Traktandum auch grundlegende Informationen zur entsprechenden Gesetzeslage aufgeführt.
Die final ausgearbeiteten Gesetzestexte schliesslich können im «Recueil annuel de la légis-
lation vaudoise» (RLV) eingesehen werden.
Mit diesen Quellen lassen sich Entwicklungen und Entscheide allerdings fast nur auf der
höchsten politischen Ebene nachvollziehen (Kantonsparlament, Regierungsrat). Die breitere
Debatte unter Einbezug der «öffentlichen Meinung» lässt zumindest teilweise aus Artikeln
der wichtigsten Waadtländer Tageszeitungen ableiten. Die Archive der gängigen Zeitungen
wie der Gazette de Lausanne, der 24 heures und der FAL stehen dem Leser auch online zur
Verfügung und bieten eine hilfreiche Suchfunktion an.1
Kantonale statistische Erhebungen gab es vor 1971 nur wenige. Sie wurden von den jeweili-
gen Ämtern durchgeführt. So lassen sich dem CRDTP zumindest teilweise quantitative An-
gaben zur Entwicklung des Strassenverkehrs entnehmen, was einige wichtige Ergänzungen
ermöglicht. Im Jahr 1971 übernahm das neu gegründete statistische Amt des Kantons
Waadt die Federführung im Bereich der statistischen Erhebungen. Seine Resultate sind im
«Annuaire statistique du Canton de Vaud» und in vielen weiteren Publikationen zu Umfragen
und statistischen Studien aufgeführt. 1981 erfolgte die Umbenennung des statistischen Am-
tes in «Service cantonal de recherche et d'information statistiques» (SCRIS).

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
1
 Archiv der FAL und der 24 heures, in: www.scriptorium.ch (16.10.2013); Archiv der Gazette de
Lausanne, in: www.letempsarchives.ch (16.10.2013).
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2. Infrastruktur

Ohne technisch hochstehende Infrastruktur wäre moderne Mobilität nicht möglich. Sie hilft,
eine bestimmte Distanz sicher, effektiv und in planbar angemessener Zeit zu überwinden.
Bezüglich der Infrastrukturdichte und -qualität nimmt die Schweiz eine führende Position in
Westeuropa ein.2 Das Waadtland verfügt über ein sternförmig auf Lausanne ausgerichtetes
Strassennetz. Dieses verbindet den Hauptort mit kleineren städtischen Zentren wie Yverdon-
les-Bains oder ländlichen Regionen.
Das Kapitel zeigt anhand von statistischen Daten die Entwicklungen von verschiedenen
Strassentypen wie Autobahnen, Kantons- oder Gemeindestrassen auf. In der Folge liegt der
Fokus auf dem Wandel der Strassenbeläge. Zuerst sollen aber die wichtigsten Institutionen
vorgestellt werden, welche die Infrastruktur planten, ausbauten, verwalteten und instand
hielten.

2.1 Zur Organisation der Strasseninfrastruktur im Kanton Waadt

Die Infrastruktur lag seit 1862 in der Verantwortlichkeit des «Département des travaux pub-
lics», welches im Jahr 1989 in «Département des travaux publics, de l'aménagement et des
transports» umbenannt wurde. Ein Bereich des Amtes kümmerte sich um die Koordinierung
der Arbeiten und um den Unterhalt der Bauten, ein anderer zeichnete für die Projekt-
entwicklung und deren Umsetzung verantwortlich.3 Schon bald aber erwies sich diese Orga-
nisationform als veraltet. Mit dem Aufkommen des motorisierten Verkehrs veränderte sich
die Nutzung und Bedeutung der Strasseninfrastruktur grundlegend.
1930 entstand ein spezifischer «Service des routes», welcher sich um die Verwaltung des
Strassenwesens, den Unterhalt und um die baupolizeilichen Angelegenheiten kümmerte.
Aufgeteilt in mehrere geografische Kreise wurde das Strassenwesen von Lokalverwaltern
(«voyer») betreut.4 Eine weitere Modifizierung erzwang der sehr arbeits- und kapitalintensive
Autobahnbau. So entstand 1958 das «Bureau de constructions des autoroutes», das sich
ausschliesslich mit Angelegenheiten im Nationalstrassen- und Autobahnbau auf Kantonsge-
biet befasste. Dieses Unterbüro löste sich im Jahr 1972 sogar aus dem Amt heraus und
handelte bis 1988 autonom. In diesem Jahr, als der grösste Teil des Autobahnbaus abge-
schlossen war, organisierten sich die beiden Dienste schliesslich wieder gemeinsam unter
dem Namen «Service des routes et des autoroutes». Dieser bestand aus verschiedenen
Unterabteilungen für Kantonsstrassen, für die Nationalstrassen, für den Bereich Unterhalt
sowie aus der Abteilung Verkehr.5
Die Strasseninfrastruktur konnte jedoch nie ausschliesslich kantonal geplant und organisiert
werden, weil sie Kantone oder sogar angrenzende Nationalstaaten miteinander verband. So
organisierten die Kantone ihr Hauptstrassennetz jeweils auch interregional, das National-
strassennetz sogar unter Federführung des Bundes beziehungsweise nach internationaler
Absprache. Für den überkantonalen Austausch gründeten die Westschweizer Kantone im
Jahr 1908 die «Conférence Romande des Travaux Publics». Solche Institutionen sorgten für
die Vereinheitlichung von Baumethoden oder des Unterhalts, planten die überkantonale Lini-
enführung oder förderten die Zusammenarbeit der Strassenpolizei.6 Des Weiteren bestand
eine intensive Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Oberbauinspektorat (OBI), das
später als Amt für Strassen- und Flussbau beziehungsweise als Bundesamt für Strassenbau
(ASB) organisiert wurde (heute Bundesamt für Strassen, ASTRA). Bis 2008 waren die
Nationalstrassen im Besitz der Kantone. Mit dem Neuen Finanzausgleich (NFA) gingen sie
an den Bund über.

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
2
  Mühlemann, 13.
3
  ACV, Inventaire SB 29, 2011, 2.
4
  Ebd.
5
  Ebd.
6
  ACV, Inventaire, PP 890, 2009, 2f.
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2.2 Autobahnen und Nationalstrassen

Autobahnen stellen einen Teilbereich dieser Studie dar, für welchen der Kanton Waadt nicht
als isolierte Einheit betrachtet werden kann. Es muss die nationale, teils sogar die internatio-
nale Ebene mit einbezogen werden. Die Autobahnen waren immer auch Gegenstand eidge-
nössischer und internationaler Verkehrsplanung.7
Eine Autobahn bezeichnet eine mindestens 4-spurige, richtungsgetrennte Schnellstrasse, die
keine Kreuzungen aufweist. Ausserdem sind nur Fahrzeuge zugelassen, die eine bestimmte
Mindestgeschwindigkeit einhalten.8 Autostrassen weisen im Prinzip dieselben Eigenschaften
auf, verfügen aber nur über zwei oder drei Spuren.9 Die Nationalstrassen als Gesamtheit um-
fassen verschiedene Strassenarten, für deren Finanzierung der Bund aufkam. Neben den
Autobahnen fielen ab 1960 auch einige ehemalige Kantonsstrassen in diese Kategorie.10
Die Statistik zu den Autobahnlängen im Kanton Waadt weist mehrere markante Brüche auf
(vgl. Grafik 1). Ein erstes grosses Teilstück von 50 Kilometern wurde in den Jahren 1963/64
fertiggestellt. 1970, 1971 und 1974 entstanden weitere kleinere Abschnitte. Zu Beginn der
1980er-Jahre folgte schliesslich ein kurzer Bauboom. Zwischen 1979 und 1983 eröffnete der
Bund gleich 55.4 Kilometer, was über einem Drittel des geplanten Autobahnnetzes im Kan-
ton Waadt entsprach. Dazu kamen einige Ausbauten von Autostrassen. Weitere zehn Kilo-
meter gingen im Jahr 1996 in Betrieb (vgl. auch unten Abbildung 1).

Grafik 1: Autobahnen im Kanton VD und in der Schweiz 1960–2000 (indexiert 1962 = 100)11"

Blau: Autobahnen Kanton Waadt; lila: Autobahnen Schweiz.

In den 1950er- und 1960er-Jahren prägte eine Aufbruchsstimmung die Verkehrspolitik der
Waadtländer. Zudem bestand die Angst, sowohl in der Schweiz wie im Vergleich zu umlie-
genden Staaten mobilitätsbedingt ins Abseits zu geraten und wirtschaftliche Nachteile zu er-
leiden, so etwa hinsichtlich des Tourismus. Anlässlich des Uno-Plans zum internationalen
Autobahnbau entnahm man einem Artikel der Gazette de Lausanne: «Si la Suisse veut y
trouver une place, elle doit sérieusement remanier son programme de constructions routiè-
res.»12 Nicht nur in Bezug auf die Waadt, sondern auch landesweit hoben Schweizer Ver-
kehrsexperten den bedenklichen Rückstand im Schnellstrassenbau zu anderen führenden

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
7
  Beispielsweise Ackermann, 80–85.
8
  strassendaten.ch, Variablenkommentar zu Autobahnen Total (in km).
9
  strassendaten.ch, Variablenkommentar zu Autostrassen 2-spurig (in km)
10
   strassendaten.ch, Variablenkommentar zu Nationalstrassen Total (in km).
11
   strassendaten.ch, Autobahnen Total (in km).
12
   Pierre A. Dantan, Notre reseau routier, in: Gazette de Lausanne, 21.05.1954, 7.
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Industrienationen hervor.13 Darüber hinaus galten die Bewältigung der rasant steigenden
Motorfahrzeugbestände und die Zunahme des Strassenverkehrs generell als zentrale Argu-
mente für weitere Ausbauten.14
Gemäss den Verkehrsanalysen des Oberbauinspektorats (OBI) befand sich das Waadtland
auf der wichtigen Südwest-Nordost-Achse durch die Schweiz.15 Neben wirtschaftlichen und
verkehrstechnischen Vorteilen schrieb man Autobahnen zudem generell eine höhere Ver-
kehrssicherheit zu, was die Unfallzahlen senken sollte.16 Die grundsätzliche Planung schloss
eine eigens dafür eingerichtete Kommission des Eidgenössischen Departements des Innern
(EDI) im Jahr 1959 ab.17 Dagegen formierte sich jedoch Widerstand. Gegner befürchteten
neben dem Wegfall produktiver Agrarflächen und dem Ausschluss des Kleingewerbes auch
die irreparable Zerstörung der als schützenswert empfundenen Genferseelandschaft.18 Im
Weiteren gaben die geplanten Trassenverläufe Anlass zu Kritik. So schlug beispielsweise
Pierre A. Dantan 1954 in der Gazette de Lausanne einen alternativen Verlauf der N1 vor,
welcher mehr Distanz zu bewohnen Zonen hielt, um die Lärm- und Schadstoffbelastungen
der dortigen Bevölkerung zu beschränken.19 Protest formierte sich namentlich rund um die
Gemeinden Morges und Chardonne.20

Tab. 1: Autobahnen im Kanton VD 1997 (in km)21

 Autobahn N1/A1                              Genf–Lausanne–Yverdon-les-Bains–Payerne–Faoug    104 km
 Autobahn N5/A5                              Yverdon-les-Bains–Grandson–Vaumarcus              18 km
 Autobahn N9/A9                              Lausanne–St. Moritz/Vallorbe–Chavornay            77 km
 Autobahn N12/A12                            Vevey–Châtel-St. Denis                             7 km

Präsentiert als Westschweizer Prestigeprojekt, konnte die neue Autobahn Genf–Lausanne
pünktlich zur Landesausstellung 1964 in Lausanne eröffnet werden. Wenig später folgte die
Umfahrung Lausanne.22 Sorgen bereitete aber der weiterhin fehlende Anschluss an die
Deutschschweiz. Ende 1970 intervenierte die Kantonsregierung deshalb beim Bundesrat und
forderte, den Bau der N1 zwischen Bern und Lausanne voranzutreiben und diesem absolute
Priorität einzuräumen.23 Die Bundesregierung gab allerdings vorerst der N12 auf Berner und
Fribourger Gebiet den Vorzug, da diese insbesondere für die Kantone Fribourg und Wallis
von grösserer Bedeutung war.24
Am Genfersee galt das Augenmerk des EDI nach der Erschliessung von Genf der N9 res-
pektive dem Anschluss von Lausanne an das Wallis. Zu Beginn der 1970er-Jahre wurde
zwischen Vevey–Montreux und Chexbres ein grosses Teilstück davon eröffnet. Die Verlän-
gerung nach Aigle wurde als zweispurige Autostrasse geführt.25 Damit waren 1973 gemäss
kantonalem Büro für Autobahnbau erst 39 Prozent des in der Waadt geplanten Autobahn-
netzes fertiggestellt. Weitere neun Prozent befanden sich im Bau. Im nationalen Durchschnitt
betrug dieses Verhältnis 42 zu 20 Prozent.26 In den folgenden Jahren änderte sich daran im
"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
13
   La construction des routes, in: Gazette de Lausanne, 24.02.1956, 7.
14
   Vgl. EDI, Zusammenfassender Bericht, 1958, 7f oder EDI, Schlussbericht, 1959, Bd. 2.
15
   Vgl. EDI, Zusammenfassender Bericht, 1958, 3.
16
   Pierre A. Dantan, Notre reseau routier, in: Gazette de Lausanne, 21.05.1954, 7; M. Perrot, Prési-
dent du salon, réclame une amélioration urgente du réseau, in: Gazette de Lausanne, 15.3.1957, 6.
17
   EDI, Das Schweizerische Nationalstrassennetz. Zusammenfassender Bericht, Bern 1958.
18
   Pierre A. Dantan, Notre réseau routier, in: Gazette de Lausanne, 21.05.1954, 7.
19
   Pierre-Louis Guye, A propos de l‘autoroute, in: Gazette de Lausanne, 03.08.1956, 4.
20
  "Mendelzwaig-Droz, Jahr 1960."
21
   Tabelle nach Fleischer, 145. Vgl. auch Abbildung 1.
22
   Golay, 1964, 59.
23
   CRDTP, 1963, 11; CRDTP, 1971, 627.
24
   Ebd., 627.
25
   Golay, 1974.
26
   Les autoroutes dans le canton, in: Gazette de Lausanne, 15.2.1973, 7.
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Kanton Waadt nichts, da – wie die Grafik 1 zeigt – ab Mitte der 1970er-Jahre ein deutliches
Abflauen der Bauintensivität eintrat. Die Gründe dafür waren vielschichtig. Erstens sah die
Nationalstrassenplanung die Fertigstellung weiterer Abschnitte wie jenem zwischen
Lausanne und Yverdon ohnehin erst um 1980 vor.27 Zweitens bremsten gemäss Waadtlän-
der Staatsrat die Ölkrise sowie der zunehmende Widerstand der aufkommenden Natur- und
Umweltschutzbewegung ein rasches Voranschreiten. Teile der Gesellschaft erachteten das
geplante Netz als überrissen und plädierten für mehr Mitspracherechte des Volkes.28 Solche
forderte beispielsweise Franz Weber mit seiner Volksinitiative für mehr «Demokratie im Nati-
onalstrassenbau» 1978. Auf kantonaler Ebene lancierte er Volksabstimmungen für mehr
Mitbestimmung der Gemeinden im Strassenbau, zum Verzicht auf den Nationalstrassenab-
schnitt Yverdon–Murten (N1) und für die Aufhebung der geplanten Verbindungsstrasse von
Perraudettaz (N9). Die Stimmberechtigten befürworteten jedoch nur die letztgenannte Initia-
tive.29 Ein weiterer Grund für die Verzögerungen ist schliesslich im zeitweiligen Baustopp zu
sehen, der vom Bund aufgrund der prekären Verhältnisse im öffentlichen Haushalt verordnet
worden war.30
1979 waren im Kanton Waadt somit erst 40 Prozent des geplanten Autobahnnetzes gebaut.
Damit lag er noch immer rund zehn Prozent unter dem Schweizer Mittel. Der Staatsrat ver-
sprach, sich um die Anliegen des Kantons zu kümmern und bei der eidgenössischen Ge-
samtplanung eine stärkere Berücksichtigung der Genferseeregion zu fordern. Ziel war es,
den Anschluss der Westschweiz an die Deutschschweiz herzustellen. Die Kantonsregierung
wies bei dieser Gelegenheit aber darauf hin, dass sich damals im Kanton Waadt rund 49
neue Autobahnkilometer im Bau befanden, was 24 Prozent des geplanten Gesamtnetzes
entsprach.31 Die Fertigstellung dieser Abschnitte zu Beginn der 1980er-Jahre ist in Grafik 1
deutlich erkennbar. Dazu gehörten die N9 zwischen Aigle und Bex, ein langer Abschnitt der
N1 zwischen Villars-Sainte-Croix und Yverdon sowie die N5 zwischen Yverdon und Grand-
son.32 Als besonders prestigeträchtig galt die Fertigstellung des Teilstücks Vevey–Châtel-
Saint-Denis (A12), da es 1981 die Westschweiz zum ersten Mal mit der Deutschschweiz
über eine Autobahn verband. Die Gazette de Lausanne titelte freudig «Genève-Berne Non-
stop!».33 Einige Abschnitte des Netzes blieben hingegen umstritten und wurden als überflüs-
sig, teilweise aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht sogar als schädlich bezeichnet.34 So
stellten eine kantonale und eine nationale Volksabstimmung einige Teilstrecken der A1 zwi-
schen Yverdon und Murten zur Disposition, weil man den Verlust wichtiger Natur- und Land-
wirtschaftsflächen befürchtete. Die Kontrahenten, welche primär wirtschaftliche Gründe für
den Bau vorbrachten, setzten sich jedoch gegenüber den Initianten durch. Beide Vorlagen
wurden abgelehnt.35
Im Juli 1983 waren 70 Prozent der vorgesehenen kantonalen Autobahnen in Betrieb und
zwölf Kilometer befanden sich im Bau.36 In der Folge stagnierte das Streckennetz über län-
gere Zeit. Ein kleiner, auf Grafik 1 kaum auszumachender Streckenabschnitt der N9 zwi-
schen Vallorbe und Chavornay wurde im Oktober 1989 eröffnet.37 Der letzte Ausbauschritt im

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
27
   CRDTP, 1971, 139; Bureau de construction des autoroutes, Autoroutes N1 et N5, 1982.
28
   Autoroutes dans le canton de Vaud: Un appel à la rationalisation du réseau, in: Gazette de
Lausanne, 5.12.1975, 3.
29
   BGC, 5.5.1980, 79–81; Georges Perrin, Autoroutes: L’Initiative Franz Weber est déposée, in:
Gazette de Lausanne, 23.07.1974, 7.
30
   Un frein aux constructions autoroutières vaudoises, in: Gazette de Lausanne, 25.08.1977; CRDTP,
1974, 20¸ L’impôt locatif malgré Lausanne, in: 24 heures, 29.11.1982, 4; BGC, 14.12.1982, 1255.
31
   Autoroutes: patience et longueur de temps font plus que force ni que rage, in: Gazette de
Lausanne, 23.8.1980, 3.
32
   CRDTP, 1979, 26.
33
   Gazette de Lausanne, 24.01.1981, 5; Bureaux des autoroutes des cantons de Vaud et de Fribourg,
N12 Vevey–Berne, 1981.
34
   N1 et Perraudettaz: On votera bientôt, in: Gazette de Lausanne, 18.8.1982, 3; Les votations dans
les cantons, in: Gazette de Lausanne, 28.11.1982, 11.
35
   Ebd.; Berger et al., 123.
36
   Trente Millions s.v.p., in: Gazette de Lausanne, 30.07.1983, 3.
37
   Département vaudois des travaux publics, Inauguration de la N 9, 1989.
strassendaten.ch | Strassenverkehr Kanton VD | Thomas Signer                                         7"

Jahr 1995 gründet auf der Fertigstellung des N1/A1-Teilstücks zwischen Payerne und
Faoug.38 Wie der Service des Routes anhand von Strassenverkehrszählungen aufzeigte,
führten die Autobahnen zu einer erheblichen Entlastung der Kantonsstrassen – dies aller-
dings nur unter dem Vorzeichen einer stetigen Verkehrszunahme generell.39

Tab. 2: Autobahnen im Kanton VD und in der Schweiz 1963–2000 (in km/%)

  Jahr                                               1963       1970    1980     1990        2000
  VD Länge km                                         48.4       61.5   117.2    151.2       169.2
  CH Länge km                                         80.7      377.4   876.1   1147.6      1269.7
  Anteil VD in %                                      60.0       16.3    13.4     13.2        13.3

Die Tabelle 2 weist die prozentualen Anteile des Waadtländer Autobahnnetzes an jenem der
Gesamtschweiz aus. Nach dem furiosen Start nach 1960 belief sich der Anteil des Kantons
Waadt auf eindrückliche 60 Prozent, sank dann aber bis in die 1980er-Jahre auf etwa 13
Prozent ab.

2.3 Kantonsstrassen

Kantonsstrassen sind Eigentum der Kantone, für deren Unterhalt und Finanzierung sie
hauptsächlich aufkommen. Dazu zählen Strassen verschiedener Klassen wie etwa Haupt-
oder Nebenstrassen. Grafik 2 zeigt indexiert die Entwicklung der Länge der Kantonsstrassen
im Waadtland auf. Die grosse Varianz ist meist auf Umklassifizierungen von Strassen
zurückzuführen. Solche kamen in der Schweiz oft vor. So konnte eine Kantonsstrasse nach
einer gesetzlichen Änderung neu als National- beziehungsweise Gemeindestrasse geführt
werden oder umgekehrt. Darüber hinaus bestehen diverse Quellenprobleme hinsichtlich der
erhobenen Daten.40
Der Umfang an Kantonsstrassen verharrte in der Anfangsphase auf einer Länge von etwa
2100 Kilometern. Dennoch wurde gebaut. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg und dann ins-
besondere zur Zeit der Weltwirtschaftskrise eröffnete der Kanton in keynesianischem Sinne
einige Baustellen zur Senkung der Arbeitslosenzahlen.41 Diese Massnahmen zur Arbeitsbe-
schaffung führte man bis mindestens 1952 weiter.42 Aufgrund der stagnierenden Länge der
Kantonsstrassen ist davon auszugehen, dass es sich vor allem um Unterhalts- und Verbes-
serungsarbeiten handelte oder aber um Subventionen zum Ausbau des Gemeindestrassen-
netzes.
Der Rückgang der Kantonsstrassen 1945/46 von 2113 auf 2055 Kilometer lässt sich anhand
der Quellen nicht nachvollziehen. Der Jahresbericht der kantonalen Verwaltung wies 1940
bis 1947 stets den gleichen Wert von 2055 Kilometern aus. Überdies liegen keine Berichte
von Bauprojekten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs vor.43 Die Vermutung liegt nahe, dass
sich das Eidgenössische Statistische Amt in den früheren Jahren einer anderen Definition
von Kantonsstrasse bediente, welche zur höheren Zahl führte, und die Statistik im Jahr 1946
schliesslich an diejenige des Kantons Waadt anpasste. Eine gesetzliche Neuerung trat aber
1947 in Kraft. Damals schuf der Kanton eine neue Klassifizierung der Strassen und über-
führte rund 15 Kilometer Gemeindestrassen in den Besitz des Kantons. Das sollte die Ge-
meinden finanziell und administrativ entlasten.44

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
38
   CRDTP, 1996 und 1997.
39
   CRDTP, 1982, 18.
40
   Vgl. strassendaten.ch, Strasseninfrastruktur, Allgemeine Bemerkungen zur Strasseninfrastruktur.
41
   Siehe beispielsweise FAL, 27.5.1919, 11; CRDTP, 1933, CRDTP, 1944, 18.
42
   CRDTP, 1952, 35.
43
   CRDTP, 1946, 19; CRDTP, 1945, 9; CRDTP, 1944, 8; CRDTP, 1943, 11; CRDTP, 1942, 8.
44
   CRDTP, 1946, 1.
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Grafik 2: Kantonsstrassenlänge im Kanton VD und in der Schweiz 1925–2000 (indexiert
1925 = 100)45"

Blau: Kanton Waadt; lila: Schweiz.

Das markanteste Wachstum des Kantonsstrassennetzes trat im Jahr 1957 ein. Seit etwa
1953 befanden sich zahlreiche Kantonsstrassen im Bau, die um 1957 eröffnet werden
konnten. Ein Teil davon baute der Kanton als Ergänzung zum Waffenplatz in Bière. Mit einer
Länge von rund 14.1 Kilometern entstanden Strassen von Bière nach Saubraz, von Bière-
Marchairuz bis Sapin à Siméon sowie eine Verbindungsstrasse zwischen Saint-Georges und
Bière-Marchairuz.46 Weitere Baustellen befanden sich zwischen Gimel und Les-Clavalles, Gi-
mel und Saint-George sowie Saint-George und La St-Georges.47 Die neu erbauten Strecken
führten 1957 zu einer Zunahme des Strassennetzes um fast 13 Prozent. In den folgenden
Jahren nahmen die Kantonsstrassen durch verschiedene Bauprojekte noch weiter zu, bis sie
schliesslich 1962 die Rekordlänge von 2414 Kilometern erreichten. Danach verringerte sich
das Netz laufend. Der Bau der Autobahnen führte zu Anpassungen zahlreicher Streckenab-
schnitte oder zu Übertragungen des Eigentums vom Kanton zum Bund.48 Dennoch inves-
tierte die Regierung in ihre Kantonsstrassen. Für Massnahmen, die auf sicherheitsrelevante
beziehungsweise verkehrstechnische Verbesserungen oder den Unterhalt der Strassen hin-
zielten, sich aber nicht auf die statistische Länge der Infrastruktur auswirkten, wurden immer
mehr finanzielle Mittel eingesetzt.49 Ein bereits in den 1970er-Jahren gefordertes, lange Zeit
sehr umkämpftes und schliesslich erst in den 1990er-Jahren realisiertes Neubauprojekt
stellte die Umfahrung von Cheseaux-sur-Lausanne dar.50
Deutlich zu erkennen ist schliesslich der starke Rückgang von rund 167 Kilometern im Jahr
1998. Dieser lässt sich durch einen grossangelegten Transfer von Kantonsstrassen in das
Kommunalstrassennetz erklären. Im Rahmen eines breiter lancierten Reformprozesses zur
Neuverteilung und -definierung der Kompetenzen zwischen Kanton und Gemeinden unter
dem programmatischen Titel EtaCom nahm das Amt auch eine Neuklassifizierung der Kan-
tonsstrassen vor.51 Mit einer Änderung im Gesetz über die Raumplanung und Bauten über-
führte der Kanton unter der Leitung von Marc Blanc per 30. März 1998 schliesslich 105
Strassenabschnitte in kommunales Eigentum. Ziel war es, die Vorschriften zu den Bauzonen

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
45
   strassendaten.ch, Kantonsstrassen (in km).
46
   BGC, 1957, 30.
47
   Ebd.
48
   strassendaten.ch, Variablenkommentar Autobahn Total (in km).
49
   Vgl. Kapitel Finanzierung.
50
  "Mendelzwaig-Droz, Jahr 1976; Détournement de Cheseaux: feu vert! in: 24 heures, 22.5.1980, 23.
CRDTP, 1997."
51
   RLV, 1998, 165; Coutaz, Histoire illustrée, 188–190.
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flexibler zu gestalten und den Gemeinden mehr Autonomie zu gewähren.52 Das bedeutete
jedoch ebenfalls, dass nun grosse Beträge für Unterhalt und Verbesserungen den Gemein-
den angelastet wurden.53
In Relation zum Gesamttotal der Schweizer Kantonsstrassen bewegte sich der Anteil des
Waadtlands stets bei 12.3 bis 13.7 Prozent. Lediglich mit dem grossen Infrastrukturtransfer
nach 1998 fiel der Wert auf 11.7 Prozent.54

Abb. 1: National- und Kantonsstrassen im Kanton Waadt (Stand 2013)55

Grün: Kantonsstrassen; rot: Nationalstrassen.

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
52
   CRDTP, 1998, 26; RLV, 1998, 143; RLV, 1998, 143–148.
53
   Ebd.
54
   Diese Zahlen ergeben sich aus dem prozentualen Anteil der Variable Kantonsstrassen (in km) des
Kanton Waadt an der Gesamtschweiz.
55
   Eigene Darstellung auf der Basis der Karte auf Canton de Vaud/Service des routes, le réseau
routier, URL: http://www.vd.ch/themes/mobilite/routes/le-reseau-routier (Stand: 17.2.2014).
strassendaten.ch | Strassenverkehr Kanton VD | Thomas Signer                                10"

2.4 Gemeindestrassen

Gemeindestrassen charakterisieren sich dadurch, dass sie kommunal verwaltet und im We-
sentlichen kommunal finanziert werden. Leider präsentiert sich die Datenlage zu den Ge-
meindestrassen noch prekärer als für die Kantonsstrassen. Diese Zeitreihen sind teilweise
mit linearen Schätzungen vervollständigt worden, was zu einer bestimmten Glättung der
Entwicklung führt.56 So stieg die Länge der Gemeindestrassen im Kanton Waadt bis in die
1980er-Jahre einigermassen kontinuierlich an (vgl. die Grafik 3). Gemessen am Total der
Schweizer Gemeindestrassen machten diejenigen im Waadtland in diesem Zeitraum rund elf
Prozent aus.

Grafik 3: Gemeindestrassen im Kanton VD 1925–2000 (in km)57"

Die Statistischen Jahrbücher wiesen für das Jahr 1979 einen vorübergehenden Rückgang
von 200 Kilometern an Waadtländer Gemeindestrassen aus. Dieser Wert lässt sich nicht
nachvollziehen, zumal das Kantonsstrassennetz in diesen Jahren stagnierte und die kanto-
nalen Quellen über keine besonderen Massnahmen bezüglich des Gemeindestrassennetzes
berichten. Die offensichtlich falsch ausgewiesene Strassenlänge ist in der Grafik 4 korrigiert.
Die Stagnation des Streckennetzes ab Beginn der 1980er-Jahren rührt daher, dass die Län-
gen der Gemeindestrassen ab 1984 landesweit nicht mehr aktualisiert wurden.58 Statistisch
berücksichtigt wurden fortan nur noch Umklassifizierungen von Strassen wie dies 1998 im
Waadtland der Fall gewesen war, als der Kanton 105 Kilometer seiner Strassen an die Ge-
meinden übertrug. Obwohl der Kanton diese Strassen und Kunstbauten vor der Übergabe
noch mit acht Millionen Franken sanierte und damit für mindestens zehn Jahre – mit Aus-
nahme von Strassen- und Winterdienst – keine höheren Unterhaltausgaben anstehen soll-
ten, fiel der Widerstand der Gemeinden gegen diese Neuklassifizierung heftig aus. Sie
befürchteten längerfristig hohe Kosten und monierten, nicht über die notwendigen finanziel-
len, maschinellen und personellen Ressourcen zu verfügen.59 Andererseits versuchten je-
doch im 20. Jahrhundert auch mehrmals Gemeinden Umklassierungen ihrer Strassen zu
Lasten des Kantons zu erreichen, um die Kosten zu reduzieren, oder sie forderten alternativ
höhere Unterstützungsleistungen des Kantons.60
Im Zeichen des national und international ausgerichteten Autobahnbaus fürchteten einige
Gemeinden, der Kanton würde den Bau und Unterhalt der Nebenstrassen vernachlässigen.

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
56
   strassendaten.ch, Variablenkommentar Gemeindestrassen (in km).
57
   strassendaten.ch, Gemeindestrassen (in km).
58
   strassendaten.ch, Variablenkommentar Gemeindestrassen (in km).
59
   BGC, 8.9.1997, 1836; Routes cantonales, in: 24 heures, 10.7.1997, 33.
60
   Siehe Kapitel Finanzierung.
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Besonders stark setzte sich Paul Abraham Meylan für die Förderung der Gemeinde- und Ne-
benstrassen sowie für den Langsamverkehr ein. Er forderte von der Kantonsregierung unter
anderem 1953, dass sie diese Infrastrukturen in ihre Verkehrsplanung mit einbeziehe.61 Ge-
rade aus touristischer Sicht schrieben viele Abgeordnete den Nebenstrassen eine erhebliche
Bedeutung zu, was sich ab den 1930er-Jahren auch in einem breit angelegten Bundes- und
Kantonsprojekt zur Unterstützung der Alpenstrassen manifestiert hatte.62

2.5 Beläge und Strassenbau

Bereits in der Anfangsphase des motorisierten Strassenverkehrs beklagte das Publikum den
verursachten Lärm und Staub. Die Fahrer hingegen wünschten sich ruhige und griffige Fahr-
bahnen. Beiden Anliegen schuf ein guter Strassenbelag Abhilfe.63 Es sollte allerdings lange
dauern, bis sich ein solcher auf wichtigen Strassen flächendeckend durchsetzte. In Grafik 4
ist der Vergleich zwischen Kantonsstrassen mit und ohne Belag aufgezeigt. Die «Vereini-
gung schweizerischer Strassenfachleute» (VSS) erhob diese Daten nur 1933 bis 1960.
Während die Länge des Kantonsstrassennetzes über rund zwanzig Jahre stagnierte, nahm
der Anteil an geteerten oder asphaltierten Strassen laufend zu. Noch zu Beginn der 1940er-
Jahre hielten sich die Längen beider Strassenoberflächenkategorien im Gleichgewicht. Wäh-
rend der Kriegszeit lässt sich eine zeitweilige Stagnation erkennen, die darauf zurückzufüh-
ren ist, dass der Bund auch bituminöse Stoffe einer Rationierung unterzog, die finanzielle
Lage des Kantons kritisch war und es an Arbeitskräften mangelte.64 Schon bald aber erwies
sich die Qualität des Kantonsstrassennetzes als ungenügend.
In der Nachkriegszeit nahm der Verkehr laufend zu. Damit sollte auch die Infrastruktur Schritt
halten. 1950 waren erst 1240 Kilometer der Kantonsstrassen geteert, während noch rund
843 Kilometer als Naturstrassen geführt wurden. In einem Zeitungsartikel der Gazette de
Lausanne bemängelte A. Meret, damaliger Chef des «Departement des travaux publics»,
dass solche Bedingungen den geltenden Ansprüchen nicht mehr genügten. Der Kanton
plante aus diesem Grund Projekte zur Neuteerung bisheriger Naturstrassen.65 Dieser politi-
sche Wille zur Verbesserung der Infrastruktur ist statistisch in der folgenden Grafik 4 deutlich
zu erkennen.
Im Jahr 1960, dem letzten dieser Zeitreihe, betrug das Verhältnis zwischen geteerten oder
asphaltieren und unbehandelten Strassen 4:1. Dabei ist offensichtlich, dass in erster Linie
der starke Ausbau des Kantonsstrassennetzes zur markanten Zunahme der asphaltierten
Strecken geführt hatte. So entfielen auf letztere zwischen 1950 und 1960 ganze 539 Kilo-
meter, während sich die naturbelassenen Kantonsstrassen im selben Zeitraum nur um gut
251 Kilometer verkürzten.

Tab. 2: Gedeckte Kantonsstrassen Kanton VD und in der Schweiz 1933–1960 (in km/%)66

  Jahr                                                      1933    1940    1950             1960
  KS ged. VD km                                              704    1052    1240             1779
  %-Anteil                                                  33.30   49.76   59.53            75.03
  KS ged. CH km                                             5124    7375    9321            12996
  %-Anteil                                                  31.27   44.15   55.25            74.35

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
61
   BGC, 25.8.1953, 672f; in Bezug auf den Langsamverkehr vgl. Kapitel Unfälle.
62
   BGC, 18.5.1955, 423–428; 23.11.1959, 511–513; Ackermann, 84f; Kaspar, 6.
63
   Merki, 2002, 194.
64
   CRDTP, 1946, 17; siehe auch Kapitel Finanzwesen.
65
   L’amélioration des routes en pays de Vaud, in: Gazette de Lausanne, 08.09.1950, 7.
66
   strassendaten.ch, Variablen Kantonsstrassen mit Belag (in km) und Kantonsstrassen (in km).
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Grafik 4: Kantonsstrassen mit und ohne Belag im Kanton VD 1933–1960 (in km)67

Grün: Kantonsstrassen Total; blau: Kantonsstrassen mit Belag; lila: ohne Belag.

Für die meisten Bauprojekte verwendete der Kanton Waadt, wie allgemein üblich, bituminöse
Materialien wie Teer oder Bitumen.68 Geteerte Strassen überwogen allerdings deutlich, was
in der Statistik ersichtlich ist. Welche Materialien aber in welcher Zusammensetzung für die
jeweilige Art von Strassen verbaut wurden, kann aus den vorliegenden Quellen kaum rekon-
struiert werden. Dem «Rapport sur le goudronnage» vom 7. Februar 1930 ist zu entnehmen,
der zuständige Inspektor habe dem Kanton für das Auftragen eines Belags 26‘820 Kilo Teer,
die Bitumenemulsion Cola und zirka 130 m3 Rollsplitt beschafft. Nach aufgebrachter Arbeit
von insgesamt 272 Tagen konnten schliesslich Deckarbeiten auf 25’520 m2 Kantonsstrasse
abgeschlossen werden.69 Jedoch veränderten sich die für den Strassenbau verwendeten
Materialien und die angewandten Bautechniken ständig. Ein Hauptproblem, das laufend Ver-
besserungen in der Arbeitstechnik erforderte, lag in der Kapitalintensivität und der baulichen
Irreversibilität des Strassenbaus. Ein schlechter Strassenbelag, der rasch ersetzt werden
musste, führte zu einer massiven langfristigen Verteuerung eines Bauprojekts. Daher schlug
die Forschung immer wieder neue Beläge und Bautechniken vor.70 Grundsätzlich stand den
Bauherren die Wahl des Bauverfahrens je nach lokalen Bedingungen und Wünschen frei.71
Dabei hatte ein Belag ab der Zwischenkriegszeit auch den zunehmenden Vorgaben des VSS
zu genügen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich diese Hoheit in der interkantonalen
Koordination im Strassenbau in vielen Bereichen hin zum Bund.72 Die Grafik 5 zeigt die Ent-
wicklung dreier Bauverfahren im Verhältnis zum Total an Strassen mit Belag auf.

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
67
   strassendaten.ch, Kantonsstrassen mit Belag (in km) und Kantonsstrassen (in km). Die Daten zu
den Kantonsstrassen ohne Belag (in km) ergeben sich aus der Differenz der beiden ausgewiesenen
Variablen.
68
   Le goudron, in: Gazette de Lausanne, 21.05.1954, 9; strassendaten.ch, Belagsarten und
Bauverfahren der Beläge.
69
   ACV, Rapports sur le goudronnage, KIX 1130–1131, 1930, Bericht No 5. Diese Berichte sind im
Staatsarchiv allerdings nur bis 1933 vorhanden.
70
   Schiedt/Betschart, 2004.
71
   Le goudron, in: Gazette de Lausanne, 21.05.1954, 9; Schiedt, 2004, 22.
72
   Schiedt, VSS, 2013, 10–68.
strassendaten.ch | Strassenverkehr Kanton VD | Thomas Signer                                      13"

Grafik 5: Beläge mit Oberflächenbehandlung, Mischverfahren und Tränkverfahren auf Kan-
tonsstrassen im Kanton VD 1933–1960 (in km)73"

Blau: Oberflächenbehandlung; lila: Tränkverfahren; orange: Mischverfahren; grün: Total Kan-
tonsstrasse mit Belag.

Zu Beginn dominierte gemäss Statistik die Oberflächenbehandlung mit einer Belagstärke von
bis zu drei Zentimetern. Bei dieser Technik tränkte man den Schotteruntergrund mit Teer und
trug darauf Brechsand auf.74 Aufgrund der mit leichter Varianz stagnierenden Länge der mit
diesem Bautyp erstellten Strassen ist anzunehmen, dass diese Bautechnik bis zum Ende
des Erhebungszeitraums kaum mehr oder allenfalls nur noch für Ausbesserungen und Repa-
raturen angewandt wurde. Diese Methode wurde insbesondere in der Anfangsphase des
motorisierten Verkehrs eingesetzt, um die Staubbelastung in der Luft einzudämmen. Der
Belag diente daher nicht primär dem Strassenverkehr selbst, sondern dem Publikum, das
ihm ausgesetzt war.75
Eine markante Zunahme, die deutlich mit der Entwicklung des geteerten Strassennetzes kor-
relierte, verzeichnete nur das Tränkverfahren. Diese Methode war bis Ende der vorliegenden
Zeitreihen in der Schweiz allgemein am üblichsten.76 Solche nun deutlich massiver gebaute
Strassen bestanden aus einer Basisschicht Schotter, einer Tragschicht und einer Deck-
schicht. Dabei tränkten die Bauarbeiter die Schotterschicht mit einer dicken Lage Teer oder
Asphalt und trugen eine wiederum dünnere Abdeckung auf.77
Eine leichte Zunahme – allerdings auf viel geringerem Niveau – verzeichnete die Länge der
mit Mischverfahren hergestellten Strassenbeläge mit einer Dicke von mehr als drei Zenti-
metern (Teermakadam). Die Strasse wies zwar einen ähnlichen Aufbau wie beim Tränkver-
fahren auf. Der Vorteil dieser Bauart lag im Vergleich zum Tränkverfahren darin, dass die
verwendeten Materialen zuerst in einer Mischmaschine vermengt und erhitzt wurden. Dies
ermöglichte es, Bauarbeiten auch bei nassem Wetter und kälteren Frühjahrs- oder Herbst-
temperaturen durchzuführen.78 1923 kam es im Kanton Waadt ausserdem erstmals zu Ver-
suchen mit Betonstrassen. Obwohl diese sehr gute Resultate brachten, sah man um diese
Zeit aus finanziellen Gründen noch von einer flächendeckenden Anwendung ab.79 Me-
chanische Motoren zur Bedeckung von Strassen verwendete der Kanton Waadt erstmals im
Jahr 1949.80
"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
73
   strassendaten.ch, Oberflächen Total (in km), Tränkverfahren Total (in km) und Mischverfahren Total
(in km).
74
   Schiedt. 2009, 32f.
75
   Schiedt, Hauptstrassen, 2004, 18.
76
   strassendaten.ch, Tränkverfahren Total (in km).
77
   Schiedt, 2009, 32f.
78
   Ebd.
79
   CRDTP, 1923, 10f.
80
   CRDTP, 1949, 4.
strassendaten.ch | Strassenverkehr Kanton VD | Thomas Signer                               14"

Die Art der auf Kantonsstrassen angewandten Bautechniken wurde im Jahresbericht der
Kantonsverwaltung regelmässig dokumentiert, wobei diese in den 1970er und 1980er-Jahren
hierzu sogar detailliertere Statistiken aufführte. Daraus lassen sich die Längen der mit Tech-
niken wie Splittbehandlung, Teerung oder Mikroteppich behandelten Strassen entnehmen.81
Sehr detaillierte Informationen bieten auch zwei Spezialausgaben des VSS-Organs «Strasse
und Verkehr», die dem Strassenbau im Kanton Waadt gewidmet sind.82

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
81
     Insbesondere CRDTP, 1973f.
82
     Strasse und Verkehr, 1982 (5); Strasse und Verkehr, 1998 (5).
strassendaten.ch | Strassenverkehr Kanton VD | Thomas Signer                                15"

3. Fahrzeugbestand

Strassenverkehrsfahrzeuge dienen in erster Linie der Beförderung von Personen oder Gü-
tern auf der Strasse. Dazu zählen sowohl motorisierte als auch nicht motorisierte Gefährte
wie Fahrräder oder Anhänger. Dem Fahrzeugbestand sind ausserdem Landwirtschafts- oder
Arbeitsmaschinen wie Bagger zugerechnet. Sie leisten grundsätzlich andere Dienste als den
Transport auf der Strasse.83
Die Entwicklungen der einzelnen Fahrzeugtypen präsentieren sich ganz unterschiedlich.
Nach einer kurzen Einführung in die Organisation des kantonalen Fahrzeugwesens folgt eine
breitere Darstellung des Personentransports (Personenwagen, Personentransportfahrzeuge,
Zweiräder). In einem dritten Schritt werden die Sachentransportfahrzeuge sowie die Land-
wirtschafts- und Industriefahrzeuge behandelt. Abschliessend wird kurz die räumliche Ent-
wicklung der Fahrzeugbestände thematisiert.

3.1 Zur Organisation der kantonalen Strassenverkehrsdienste

Im Jahr 1921 schuf der Kanton einen «Service des moyens de transport». Dieser war für
sämtliche Verkehrsmittel einschliesslich der Bahnen oder der Schifffahrt verantwortlich.
Strassenverkehrsmittel bildeten lediglich einen Teil des Zuständigkeitsbereiches.84 Organisa-
torisch war die Dienststelle dem «Département des travaux publics» untergeordnet. Diese
Strukturierung erwies sich aber auf Dauer als wenig sinnvoll. Durch den hohen Anteil an
polizeilichen und juristischen Arbeiten stand das Amt dem «Departement de justice et de
police» näher als dem «service de routes» (Amt für Strassenbau). Aus diesem Grund orga-
nisierte der Staatsrat den Dienst 1963 neu, schuf einen spezifischen «Service des au-
tomobiles» und unterstellte diesen fortan dem Justiz- und Polizeidepartement.85 Eine weitere
Neustrukturierung erfolgte 1981 mit der Schaffung des «Service des automobiles, cycles et
bateaux».86
Vertreter von kantonalen Automobildienststellen trafen sich regelmässig für den Gedanken-
austausch und zur interkantonalen Organisation des Bereichs. Aufgabengebiete wie etwa die
Immatrikulation von Fahrzeugen oder die Abgaskontrolle verlangten nach landesweit verein-
heitlichter Handhabung.87 Aber auch internationale Absprachen fanden statt. So lud das
Internationale Komitee für Automobilinspektion beispielsweise im Jahr 1974 nach Lausanne,
Genf und Zürich, um mit Beteiligung des Strassenverkehrsamts der Waadt die weltweite
Vereinheitlichung der Fahrzeuginspektion voranzutreiben.88
Der Kanton beschäftigte sich stark mit der Entwicklung des motorisierten Individualverkehrs.
Zu diesem Zweck erhob er nicht nur Zahlen zu den Fahrzeugbeständen, wie sie dem jährli-
chen Bericht des «Département des travaux publics» zu entnehmen sind, sondern auch zu
den Verkehrsleistungen auf diversen Kantons- und Nationalstrassenabschnitten. Jährliche
Daten von fixen Zählstellen wurden ab 1985 im Statistischen Jahrbuch des Kantons publi-
ziert. Sie reichen bis 1980 zurück.89"

3.2 Personenwagen

Der private Personentransport auf der Strasse wird heute grösstenteils durch relativ kleine
und leichte Personenwagen bewerkstelligt.90 Der Siegeszug des Automobils verlief zu Be-

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""
83
   Vgl. strassendaten.ch, Fahrzeuge, Allgemeine Bemerkungen zum Bestand der Strassenfahrzeuge.
84
   ACV, Inventaire. Service des automobiles, cycles et bateaux, 72.
85
   CRDTP, 1963, 10.
86
   ACV, Inventaire. Service des automobiles, cycles et bateaux, 72.
87
   Siehe beispielsweise die Diskussion aus dem Jahr 1984: CRDJP, 1984, 52.
88
   CRDTP, 1975, 46.
89
    Vgl. Annuaire statistique du Canton de Vaud, 1985ff.
90
   strassendaten.ch, Variablenkommentare zu PW exkl. und inkl. Kombis.
strassendaten.ch | Strassenverkehr Kanton VD | Thomas Signer                                        16"

ginn eher schleppend.91 Einen zwischenzeitlichen Tiefpunkt erlebte der Automobilismus wäh-
rend des Zweiten Weltkriegs und der damit verbundenen Treibstoffrationierung. Danach
zeigte die Entwicklung steil nach oben. Eine Gesamtschau visualisieren die Grafiken 1 und
2. Dabei wird deutlich, dass sich die Verhältnisse im Kanton Waadt in ihrer Dynamik prak-
tisch nicht von denjenigen der Gesamtschweiz unterschieden.

Grafik 1: Personenwagen im Kanton VD und in der Schweiz 1920–1960 (exkl. Kombis,
indexiert 1922 = 100)92

Blau: Kanton Waadt; lila: Schweiz.

Bereits in der Zwischenkriegszeit erfreute sich das Automobil zunehmender Beliebtheit, doch
blieb es in manchen Belangen noch überwiegend ein Freizeit- oder Sportgerät der Ober-
schicht.93 So durchquerte Ende August 1936 der achte «Coup international des Alpes» den
Kanton Waadt. Dieser vom Automobil Club der Schweiz (ACS) organisierte Wettbewerb be-
stand aus rund hundert Automobilrennfahrern und führte auf 2333 Kilometern durch die
Schweizer Alpen und den Jura.94 Viele Rennen wie dieses fanden damals noch auf offener
Strasse ohne Absperrungen und Schutzvorrichtungen für die Zuschauer statt. Für die Si-
cherheit sorgte die Strassenverkehrspolizei, wobei sie jeweils kurz vor der Durchfahrt des
Fahrzeugtrosses eine Teilstrecke absperrte und diese danach wieder freigab.95
Ähnlich wie für die Gesamtschweiz lässt sich auch im Kanton Waadt ein anfänglicher Wider-
stand gegen die Motorisierung ausmachen. Eine einschneidende Massnahme, die in den
meisten Kantonen in ähnlicher Form zur Anwendung gelangte, stellte das partielle Fahrver-
bot an Sonntagen zwischen Mittag und sechs Uhr abends dar, wobei sich dieser Zeitrahmen
fast jährlich leicht veränderte.96 Diese Restriktion traf die Autofahrer hart, war doch der Sonn-
tagnachmittag das ideale Freizeitfenster für Ausfahrten. Mit politischen Vorstössen wie je-
nem von Lucien Jeanneret im Jahr 1920, der die dadurch verursachte Beeinträchtigung der
Wirtschaft kritisierte, versuchten Automobilisten das Verbot aufzubrechen.97 1923 befürwor-
teten schliesslich die meisten Gemeinden der Waadt gemäss einer Umfrage einen freien

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91
   Vgl. Merki, 2002.
92
   strassendaten.ch, PW exkl. Kombis.
93
   Merki, 2002, 232. Vgl. auch das Dossier «Automobile nach Beruf des Halters und Motorenstärke
1937».
94
   La coupe internationale des alpes, in: Gazette de Lausanne, 23.8.1946, 4; Coupe des Alpes, in:
Gazette de Lausanne, 27.08.1936.
95
   La coupe internationale des alpes, in: Gazette de Lausanne, 23.8.1946, 4.
96
   Merki, 2002, 120–124.
97
   Tribune de Lausanne, 5.5.1915, 2; CRDTP, 1922, 149.
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