SUSTAINABILITY - TEXTILWIRTSCHAFT
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Sustainability Transparenz, Verantwortung, Innovation: Warum Nachhaltigkeit vom Trend zum New Normal wird
„Wir haben derzeit andere Sorgen, als uns Dies ist eines der Ergebnisse aus der ak- mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen.“ Man tuellen TW-Studie „Sustainability 2020“, die sollte meinen, dass viele Unternehmen – ob im Sommer aufgesetzt wurde. Sie baut auf aus Handel oder Industrie – derzeit diesen der Studie aus dem vorigen Jahr auf und Satz unterschreiben würden. ermöglicht damit einen direkten Vergleich. Die Pandemie, verbunden mit dem wirt- Sie zeigt, welche Auswirkungen die Pande- schaftlich und emotional einschneidenden mie auf die Nachhaltigkeits-Aktivitäten der Lockdown, die anhaltend schwächelnde Unternehmen hat. Konsumlaune, Maskenpflicht, Homeoffice – „Solange wir den Planeten nicht in den all das bringt derzeit die Unternehmen der Mittelpunkt unseres Geschäfts stellen, Branche und die Menschen weltweit in werden wir keine Gewinne erzielen“, sagt Ausnahmesituationen. Und ein Ende ist beispielsweise Anne Pitcher, Managing nicht absehbar. Director der Selfridges Group (Seite 48 ff.). Dennoch sagen nur 35 % der Einzelhändler Gesucht werden innovative Konzepte, ob (ab Seite 6) und 20 % der Modeanbieter (ab bei Ladenbau, Stoffen, Looks oder Verpa- Seite 16), dass sie gerade keinen Nerv für ckung. Dabei dürfen Modernität und Wirt- Nachhaltigkeit haben. Die große Mehrheit schaftlichkeit nicht auf der Strecke bleiben. widmet sich dem Thema weiterhin und Denn ohne Verkaufserfolge sind auch keine verstärkt das Engagement sogar. Investitionen in Sustainability möglich. Nr. 40 _ 2020 3
SUSTAINABILITY Titel: Unsplash / A. Krivitskiy Foto: 123 RF 06 Handel: Umdenken nach dem Lockdown. Wie Händler in diesen turbulenten Zeiten mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen und was sie von ihren Liefe- ranten erwarten. 16 Industrie: Viele Unternehmen hatten jetzt Zeit, Foto: 123 RF ihr Geschäftsmodell zu hinterfragen. So wurde Corona nicht nur Treiber für Digitalisierung, sondern auch für Nachhaltigkeit. 26 Verbraucher: Zahlen und Fakten 28 Stores to Watch: Von Freitag bis Wood Wood – spannende, „grüne“ Ladenkonzepte Foto: Stella McCartney 42 Internationale Department Stores: Sustaina- bility steht auch bei den großen Luxus-Häusern im Fokus 52 Hessnatur Stiftung: Rolf Heimann im Interview 56 Mitarbeiter: (Arbeits)Klimawandel 60 Lieferkettengesetz und Grüner Knopf: Das kommt. Das bleibt. Minister Müller im Interview. Fall- beispiel Mey. Foto: 123 RF 72 Verpackungsmüll: Das tun die Lieferanten. Ver- packungen to Watch. Jochen Ruths im Interview. Foto: 123 RF 4 Nr. 40 _ 2020
Die Corona-Pandemie verändert das Bewusstsein der Konsumenten noch schneller. Da sind sich viele Händler einig. Sie forcieren deshalb ihre Bemühungen in Richtung Nachhaltigkeit, fragen mehr nach, erwarten von der Industrie mehr Antworten und mehr Angebote. Nr. 40 _ 2020 7
SUSTAINABILITY E ndlich war mal Zeit. Claus Vocke hat künftige Generationen zu schützen“, wie den Lockdown genutzt, um mehr Amazon-Chef Jeff Bezos begründet. Nachhaltigkeit in sein Geschäft zu Sustainability hat durch die Pandemie an bringen. Er hat ein vegan-vegetarisches Bedeutung gewonnen, sagen immerhin Bistro für gesunde, umweltbewusste Er- 41% der 254 Einzelhändler, die die TW nährung konzipiert und eine neue Solar- zwischen Ende Juli und Anfang August anlage auf dem Dach installiert, die jetzt zu befragt hat, darunter zwei Drittel Einzel- 100 % die Klimaanlage seines Modehauses geschäfte und ein Drittel Filialisten. Ranck in Sulingen speist. Auf dem Park- „Grundsätzlich führt kein Weg an Nach- platz hat Vocke zwei Solartankstellen auf- haltigkeit vorbei, wenn wir ehrlich sind gestellt, seine Firmenwagen sind längst und darüber nachdenken, was gerade mit Elektro-Fahrzeuge. Sein Kollege Marc der Erde passiert“, kommentiert da ein Ramelow, knapp 200 Kilometer nördlich in zeigen. „Die Corona-Krise hat uns in unse- Händler mit weniger als zehn Mitarbeitern. Elmshorn, hat sich mit „intelligenten Quer- rem nachhaltigen Handeln bestärkt“, heißt „Corona hat für mich das Thema Nach- denkern“ beschäftigt, als seine Läden zu es beim Filialisten Takko Fashion. Genauso haltigkeit nur noch mehr ins Scheinwerfer- waren. Er ist tiefer ins Thema nachhaltige wie beim familiengeführten Platzhirsch licht gerückt. Darüber bin ich fast froh“, Transporte und Verpackungen eingestiegen Stackmann in Buxtehude, der schon vor schreibt ein anderer. und hat den ersten Klimabericht für seine Beginn der Krise das Jahr 2020 ganz unter Gustav Ramelow KG und seine insgesamt das Motto Sustainability gestellt hatte und Für mehr als die Hälfte (56 %) der neun Multilabel-Filialen rund um Elmshorn zumindest in der Kunden-Nachfrage die Befragten ist das Thema genauso wichtig verfasst. Mit dem Ziel, bis 2030 CO2-neutral Pandemie ganz klar als Beschleuniger er- wie vorher. Lediglich 3 % sagen, es habe zu werden. lebt. „Generell gehört Nachhaltigkeit zurzeit jetzt weniger Bedeutung als früher. Die Und das modische Sortiment? „Alle Ein- zu den wichtigsten und drängendsten große Mehrheit – drei Viertel der Befragten käufer haben hier klar den Auftrag, nach- Themen unserer Zeit“, erklärt Inhaber Flori- – sehen in Fair Fashion eine gute Pro- haltige Produkte zu suchen“, sagen beide an Stackmann (siehe Interview, Seite 10). filierungsmöglichkeit für ihr Geschäft. Händler. „Mehr denn je, denn Corona hat „Die Krise hat uns in unserem Weg und „Wenn wir uns alle in den nächsten fünf uns die Augen geöffnet und die Macht der unserem Konzept nachhaltig bestätigt.“ Jahren intensiv mit Nachhaltigkeit be- Natur gezeigt“, ergänzt Vocke, nennt Schlag- Sagen kleine Fair Fashion-Händler wie schäftigen können, gehören wir zu den worte wie Recycling-Fähigkeit und Bio- Judith Finsterbusch vom Berliner Concept Gewinnern“, heißt einer der Kommentare Baumwolle, aber auch faire Bezahlung und Store Wertvoll. Und große Online-Anbieter dazu. soziale Absicherung. Für Ramelow ist die wie Amazon, die das eigene Sustainability- Manch ein reiner Fair-Fashion-Händler Pandemie „ganz klar ein Transformations- Siegel „Climate Pledge Friendly“ einführen, sieht sich tatsächlich schon vorsichtig als beschleuniger, der den Bewusstseinswandel um Anreize zu schaffen „für Vertriebs- Gewinner – obwohl die Berliner Öko-Pio- bei uns und unseren Kunden befeuert“. partner, nachhaltige Produkte zu entwi- nierin Judith Finsterbusch das Wort ei- Ähnlich sieht es Thomas Reischmann, ckeln, die dazu beitragen, den Planeten für gentlich nicht mag. Aber nach dem Schock Betreiber von insgesamt 13 Modehäusern des Lockdown unterstützten ihre Stamm- in Ravensburg: „Die Sehnsucht nach Sustai- kunden ihren kleinen Kiezladen im Prenz- nability ist in der Krise gewachsen“, resü- lauer Berg besonders. Sie seien treuer denn miert er. je, und die Zusammenarbeit mit den Her- stellern in Südeuropa intensiver und besser Das Thema Nachhaltigkeit ist längst als zuvor. „Mein Fokus auf Qualität und die im Mode-Handel angekommen. Das war Konzentration auf wenige Familienunter- schon vor der Pandemie so, wie unter nehmen haben sich ausgezahlt. Meine anderem die Berliner Fair Fashion-Platt- Lieferanten waren sehr flexibel, wir haben form Neonyt mit einem Besucherrekord im zusammen die Krise gemeistert und ich Januar zeigte. Das hat sich jetzt verstärkt. konzentriere mich jetzt noch mehr auf Trotz oder wegen der Corona-Krise, wie wenig, aber wertige Ware“, sagt Finster- Gespräche mit verschiedenen Retailern busch. Die Betreiberin des Wertvoll-Stores 8 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY hofft, dass diese Krise eine nachhaltige zeitlich befristeten Effekt handeln wird, Initialzündung für die gesamte Branche ist. sondern um eine unumkehrbare Trend- Davon geht zumindest Verbandschef Rolf entwicklung“. Und schiebt gleich Kritik Pangels aus: „Die Corona-Pandemie wird hinterher: „Übrigens kann und sollte die Nachhaltigkeitsthemen in unserer Branche Bekleidungsbranche nicht ernsthaft leug- grundsätzlich verstärken. Sie werden durch nen, dass mangelnde Nachhaltigkeit in die Krise sowohl auf Seiten der Beschaf- gewisser Weise zur Krise beigetragen und fung und Herstellung als auch auf der sie sogar teilweise verschärft hat.“ Pangels Absatzseite einen enormen Schub bekom- ist davon überzeugt, dass die, die jetzt nicht men“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des die Zeichen der Zeit erkennen, mittel- und BTE Handelsverbandes Textil. Er ist zudem langfristig zu den Verlierern im Markt überzeugt, dass es sich „nicht um einen gehören. „Ich glaube, dass es in unserer „Es geht nicht um Perfektion, sondern um Glaubwürdigkeit“ Foto: Stackmann TW: Sie sind gerade dabei, dort wo früher Pandemie eher noch verstärkt. Fairtrade, Fabian Stackmann, der Mango-Shop war, den ersten Unver- CO2-Footprint und Recycling sind die großen Geschäftsführer packt-Shop der Region zu eröffnen. Klarer bekannten Schlagworte. Regionalität scheint von Modehaus kann ein Statement für Nachhaltigkeit gar besonders durch Covid-19 viel stärker mit Stackmann nicht aussehen, oder? Nachhaltigkeit verbunden zu werden. Wobei Fabian Stackmann: Das stimmt – wobei wir es unseren Kunden nicht mehr ausschließ- uns nicht von Mango trennen, sondern die lich darum geht, wo produziert wird, sondern beispielsweise. Auf Nachfrage wird weitaus Marke jetzt in unsere Young Fashion in- auch immer mehr um die Materialien. mehr getan, als man denkt. Allerdings fehlt tegrieren. Aber es ist ein klares Statement ein glaubwürdiger, roter Faden. Es geht für Nachhaltigkeit und es passt in unser Inwieweit haben Sie Ihren Einkauf schon dabei nicht um Perfektion, sondern um Gesamtkonzept. Wir arbeiten an allen Ecken entsprechend umgestellt? Glaubwürdigkeit. Die wird in Zukunft als und Enden an diesem Thema, das unsere Unsere Einkäufer sind gezielt auf der Suche Hygienefaktor für den Kunden immer wichti- Kunden zunehmend interessiert. Auch gene- nach nachhaltigen Angeboten und nach- ger werden. rell gehört es zurzeit zu den wichtigsten haltigen Labels. Seit diesem Jahr haben wir und drängendsten Themen unserer Zeit. auch weitere Fair Fashion-Anbieter wie In dem neuen Unverpackt-Laden, der im Erdbär, Armedangels und Ecoalf aufgenom- Oktober öffnen soll, gibt es vor allem Le- Ist die Corona-Pandemie dabei eher ein men. Bei unserer Entwicklung in Richtung bensmittel und Kosmetik. Geht es Ihnen bei Beschleuniger oder eine Bremse? Nachhaltigkeit sind wir aber noch viel mehr Bekleidung zu langsam? Das ist eine schwierige Frage und abschlie- auf unsere großen Partner angewiesen und Definitiv. Die Lebensmittel-Anbieter sind ßend kann ich es zu diesem Zeitpunkt nicht schreiben sehr gerne die Eco-Kapseln unse- tatsächlich schon deutlich weiter und zei- abschätzen. Auf Seiten der Hersteller und rer Partner um das Thema zu fördern. gen das Thema in fast allen Sortiments- Händler ist es wahrscheinlich eine Bremse bereichen. Der Verbraucher akzeptiert im und auch wirtschaftlich nicht das wichtigste Wie hat sich das Angebot hier entwickelt – Lebensmittelbereich inzwischen auch höhe- Thema. Bei unseren Kunden, den Verbrau- wieso sehen Sie die Pandemie auf Seiten re Preise, wenn die Marken- und Produkt- chern ist es eher ein Beschleuniger. Die sind der Hersteller eher als Bremse? kommunikation stimmt. Die Neonyt im Janu- schon weiter als wir. Nachhaltigkeit ist Weil Nachhaltigkeit für viele der großen ar hatte einen vielversprechenderen Auftritt meiner Meinung nach ein Fokusthema für konventionellen Labels noch immer kein und ein breiteres Angebot als zuvor. Es tut unsere Kunden in der neuen Normalität. entscheidender Faktor ist. Viele haben sich etwas, aber mit kleinen Schritten. In schon Kapsel-Kollektionen mit Bio-Baum- diesem Jahr fehlt diese Messe, um uns Fragen Ihre Kunden auch stärker nach, wie wolle und Recycling-Anteil an den Start einen Überblick über Neuheiten verschaffen und wo ein Teil produziert wurde? gebracht, die wir gerne kaufen. Andere sind zu können. Vielleicht ist Nachhaltigkeit erst Ja. Der Trend mehr zu hinterfragen wird von stark in anderen Bereichen aktiv – bei der bei uns angekommen, wenn es keine Son- Jahr zu Jahr stärker und wurde durch die Müllvermeidung, Verpackung und Lieferkette der-Messe dafür geben muss? : KI 10 Nr. 40 _ 2020
Branche trotz vieler guter Beispiele noch Zeichen von Insolvenzen und Filialschlie- viel Luft nach oben gibt.“ ßungen im Moment ein Luxusproblem“, Diese Meinung teilt jeder dritte Händler in schreibt der Inhaber eines kleineren Ge- der TW-Befragung. 35 % der Studien-Teil- schäftes. Claus Vocke kann da nur den Kopf nehmer sagen – ebenso wie Ramelow und schütteln. „Corona geht vorbei, der Klima- Reischmann, Finsterbusch und Vocke: „Die wandel nicht“, sagt der Sulinger Händler, Corona-Krise hat bei uns zu einer ver- dessen Familienunternehmen zwei Welt- stärkten Beschäftigung mit dem Thema kriege überstanden hat. „Das ist eine Nachhaltigkeit geführt.“ Immerhin 47 % Menschheitsaufgabe, der kann sich kein sehen Sustainability als drängendstes Pro- vernünftiger Mensch entziehen.“ jekt unserer Zeit. Das sind geringfügig Florian Stackmann dagegen kann das gut weniger Händler als bei der ersten Befra- nachvollziehen. „Unternehmerisch stehen gung vor einem Jahr, als die neue Normali- der Befragten andere Sorgen bzw. keine wir zurzeit vor noch nie dagewesenen tät der Aha-Regel – Abstand, Hygiene, Kapazitäten, um sich intensiv mit Nach- Herausforderungen. Das lässt vielen ein- Alltagsmaske – noch unvorstellbar war. haltigkeit zu befassen. „Das Thema ist sehr fach keinen Freiraum für andere Themen“, Denn, auch das zeigt die Befragung, in wichtig. Momentan geht es aber in erster sagt der Inhaber des 100 Jahre alten Traditi- dieser noch nie dagewesenen Krise, in Linie ums Überleben“, kommentiert bei- onshauses in Buxtehude. Und schiebt gleich diesem Ausnahmezustand von dem keiner spielsweise ein Händler mit mehr als 100 nach: „Gleichzeitig haben wir aber die weiß, wie lange er dauern wird, haben 35 % Mitarbeitern. „Nachhaltigkeit ist für uns im Pflicht zu schauen, was der Kunde will.“
SUSTAINABILITY Und was will der Kunde? „Die Corona-Krise (siehe Seite 20). Für viele bedeutet das wird bei vielen Konsumenten, die sich allerdings zuallererst, weniger einzukaufen. vorher eher weniger Gedanken über ihr Vocke spricht vom „gewaltigen Mengen- Konsumverhalten gemacht haben, das problem der Branche“, plant Second Season- Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit schär- Flächen und Repair-Services. Ramelow hat fen und eine neue Ära des nachhaltigeren Zahlen im Kopf – von 20 % überschüssiger Konsums einleiten. Sie wird die Verbrau- Ware im Markt – und Beschwerden seiner cher dazu veranlassen, mehr darüber nach- Kunden im Ohr – über zu volle Schränke, zudenken, was bzw. welche Produkte sie die während des Lockdowns ausgemistet kaufen und wie oft sie konsumieren“, ist wurden. Dazu kommen Bilder von über- Verbandschef Pangels überzeugt. Zahlen füllten Textil-Containern, Berichte über die diverser Verbraucher-Befragungen und beispiellose Altkleider-Flut. „Unsere Kunden -Studien belegen das (siehe Seite 26/27). Fashion-Fan machen. „Wir arbeiten konkret haben alle viel zu viele Teile, die sie nie daran, nachhaltige Mode bei unseren Kun- hätten kaufen dürfen, die sie nie getragen Am POS spürten schon kurz nach dem den zu stärken.“ Dieser Aussage stimmen haben. Konsequent wäre eine Zehnjahres- Lockdown im Sommer 30 % der befragten 59% der befragten Händler zu. Rückgabe-Garantie“, sinniert er. „Wir müs- Händler eine stärkere Nachfrage der Kun- Vocke hat das an sich selbst beobachtet. sen einfach besser beraten, punktgenauer den nach nachhaltiger Mode aufgrund der Neulich wollte er sich im Supermarkt eine verkaufen. Dann haben alle ein besseres Corona-Krise. Sogar in den Filialen großer Flasche Wasser holen und hat – ohne auf Gefühl.“ Auch das ist für ihn Nachhaltig- Textilketten, deren Kunden eher preis- den Preis zu achten – die aus recyceltem keit. Außerdem hat Ramelow erstmals sensibel sind. Wie bei Takko: „Wir merken, Plastik gekauft. Deshalb will auch er seinen Öko-Labels wie Armedangels, Ecoalf und dass nachhaltige Produkte und Prozesse bei Kunden nachhaltige Alternativen bieten. Five Fellas eingekauft. So wie 46 % der für Kaufentscheidungen eine zunehmende Möglichst für jedes Produkt. „Da stehen wir die aktuelle Studie befragten Händler, die Rolle spielen, allerdings steht bei unseren aber noch ganz am Anfang. Noch bietet mir angaben, für Frühjahr/Sommer 2021 Kollek- Kunden der Preis im Vordergrund“, be- die Industrie da zu wenig“, moniert der tionen und Labels zu kaufen, weil diese richtet Birthe Mattschull, Senior Executive Sulinger. Er fürchtet, dass sich viele Mode- nachhaltig sind. Director Sourcing Takko Fashion. hersteller zu spät auf den Weg machen und Das bestätigen auch die Händler aus den schaut wieder über den Tellerrand. In die Im Vergleich zu Vor-Corona ist der inhabergeführten Häusern. Die wenigsten Autoindustrie. „Die Parkplätze stehen voller Anteil der Händler, die nachhaltige Sorti- Kunden seien bereit, mehr zu zahlen für Diesel und Benziner und die Firmen kom- mente führen von 58 auf 71% gestiegen. eine Fertigung nach ökologischen und men nicht nach, die Bestellungen für Elek- Jeder Fünfte plant zudem in den kom- sozial fairen Kriterien. Maximal 5 % darf es tro-Autos zu bearbeiten.“ menden beiden Jahren Labels aufzuneh- mehr kosten, hat Reischmann schon vor Auch Ramelow hat das Gefühl, seine Ein- men, die nach umweltfreundlichen und/ einem Jahr gesagt. So sei es noch immer, käufer müssen jetzt mehr nachfragen als oder sozial fairen Kriterien produziert wur- erklärt er heute. Optik und Modegrad seien vor der Krise: „Der Trend zu mehr Nach- den. Lediglich 8 % haben keinerlei Pläne in wichtiger. Sustainability sehen viele als haltigkeit, der sich vor der Krise in der dieser Richtung. Im Vorjahr waren das noch nettes Add-on. „Aber das dreht sich gera- Industrie abzeichnete, ist jetzt wieder mehr 13 %. Inzwischen führen fast drei Viertel de“, ist Ramelow sicher. „Die Konsumenten ins Hintertreffen geraten“, bedauert er. Die aller befragten Händler nachhaltige Labels merken gerade, was für eine schmutzige Hersteller selbst können das nicht be- oder Sortimente. Und sie erwirtschaften Branche die Mode ist. Wir kommen gleich stätigen. Hier versichern in einer TW-Befra- damit immerhin ein Fünftel ihres Umsat- nach der Ölindustrie. Wenn das erstmal alle gung immerhin 85 %, dass sie sich jetzt zes. Vocke berichtet von einem regelrechten checken, haben wir ein großes Problem.“ intensiv mit Sustainability beschäftigen (ab Umsatzboom mit Marken wie Vaude und Dann will er bereit sein, um die richtigen Seite 16). Patagonia. Antworten geben zu können und die richti- Aber kauft der Handel tatsächlich schon Nur für jeden dritten Befragten (35 %) spielt ge Ware parat zu haben. nachhaltiger ein? Ja, sagen Vocke und Ra- Sustainability bei der Auswahl der Lieferan- Genauso wie der Händler im hohen Norden melow. „Mehr als ein Drittel der Händler ten keinerlei Rolle. Die große Mehrheit will laut Studie jetzt jeder Zweite selbst fragen aufgrund von Corona verstärkt nach (70 %) der Händler achtet beim Einkauf aktiv werden und den Kunden zum Fair Fair Fashion“, bestätigen die Hersteller verstärkt auf ökologisches und soziales 12 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY Engagement. „Wir kaufen keine Marke nur lich weiter. In seinem Haus hat er eine weil sie nachhaltig ist. Die Leistung des frühere Mango-Fläche an ein Unverpackt- Produktes steht klar im Vordergrund“, Konzept vermietet – mit Fokus auf Lebens- erklärt einer der größeren Händler mit mittel und Kosmetik. Schon vor zehn Jah- mehr als 100 Beschäftigten. Bei gleicher ren habe sein Vater, dessen Nachfolge Leistung entscheide allerdings schon der Florian Stackmann 2019 antrat, mit tech- Grad der Nachhaltigkeit. nischen Innovationen bei der Geothermie Um den zu erkennen, leisten sich immer den Grundstein für eine 100%-ige Klima- mehr Häuser eigene Sustainability-Teams. neutralität gelegt. Wärme und Kälte für das 17 % der Befragten haben diese ausgebaut. Haus wird aus der Erde von 65 Sonden Bei Takko beispielsweise koordinieren 30 gewonnen. „Wir sparen damit auf größerer Mitarbeiter im In- und Ausland die Ak- Fläche über 25 % Strom und 75 % Gas ein. tivitäten zum Thema Nachhaltigkeit im Umweltschutz und fairer Produktion. Und Das hat in den vergangenen zehn Jahren engen Kontakt mit den Lieferanten. „Das eine deutlichere Beschreibung für den neben rund 11.800 Tonnen CO2 auch massiv Team wird von Social Audit-Spezialisten in Kunden am POS. „Die Kommunikation und Energiekosten gespart“, berichtet der Junior. unseren Büros in China, Bangladesch und Kennzeichnung am Produkt zum Kunden Indien unterstützt und berichtet direkt an ist überwiegend nicht ausgereift und ver- Diese Bereiche sind es, die auch ande- die Geschäftsführung“, erzählt Sourcing- fehlt die Wirkung“, kritisiert Florian Stack- re Ladeninhaber forcieren. Die Ramelows, Direktorin Matschull. Dabei gehe es auch mann. Er hat deshalb im Frühjahr ein ei- die Vockes, die Reischmanns. Und viele der um die firmeninterne Kommunikation, mit genes Sustainability-Label eingeführt. Ein 250 befragten Händler. „Grundsätzlich der noch mehr Bewusstsein für einen Blatt mit einem grünen „S“ soll auf nach- sehen wir das Thema Nachhaltigkeit nicht effizienten und nachhaltigen Umgang mit haltige Aspekte eines Produktes hinweisen. unbedingt nur in unserem Sortiment, son- Ressourcen geschaffen werden solle. „Dazu Vom Wasserverbrauch bis zur Recycling- dern eher in Dingen die wir selbst tun. haben wir unsere interne Green-Message Fähigkeit. Die Blätter mit einer kurzen Papiertüten aus Gras, regionale Arbeits- eingeführt, die Themen rund um Sustaina- Erklärung dazu hängen aber nicht an den plätze, Trinkwasserspender statt Flaschen“, bility in den Fokus rückt“, sagt Matschull. Artikeln selbst, sondern an den Waren- schreibt einer von ihnen. „Weil wir bei Generell gehe es darum, alle Mitarbeiter trägern in jeder Abteilung des Hauses. Da Ladenbau, Energieeffizienz und Verpackung mitzunehmen, zu informieren, zu sensibili- grüne es inzwischen ganz schön, sagt auch ein Stück weit unabhängig vom Liefe- sieren. Dafür werden die Beschäftigten in Stackmann. ranten nachhaltig agieren können“, be- jedem zweiten Unternehmen jetzt noch Ein eigenes Label wie der Buxtehuder ha- gründet Ramelow. intensiver geschult. Offen dafür sind die ben zwar die wenigsten, aber jeder Zweite Auch die Konzentration auf europäische meisten (ab Seite 56). integriert die nachhaltigen Teile auch nach Produkte oder gar Made in Germany seien modischen und stilistischen Gesichts- dabei ein Thema. Gerade in den Zeiten der Klar ist – Verkäufer auf der Fläche punkten ins Gesamtsortiment und kenn- sozialen Distanz ist eine gute Story ein brauchen detailliertere Informationen zu zeichnet sie dort. Deutlich abgenommen essentielles Verkaufsargument. Genauso Materialien, zur Lieferkette, zu den Pro- hat die Präsentation auf separaten Flächen. wie digitale Beschaffung und Musterung. duktionsstätten, um die immer tiefer ge- Während 2019 noch 16 % der Händler an- Reischmann sieht in den Online-Schu- henden Fragen der Kunden zu beantwor- gaben, ihre grünen Kollektionen ausschließ- lungen der Lieferanten, die jetzt in der ten. Einkäufer brauchen Transparenz und lich in speziellen Shop-in-Shops zu zeigen, Corona-Zeit angeboten werden, großes Hintergrundwissen, um ihren Lieferanten sind es inzwischen nur noch 6 %. Jeder Potenzial. Das sei deutlich nachhaltiger, die richtigen Fragen zu stellen. Denn das Zweite mischt beide Präsentationsformen. zeit- und vor allem kostensparend. „Meine tun inzwischen der TW-Studie zufolge 64 % Stackmann hatte im Frühjahr zum Auftakt Leute müssen jetzt viel weniger reisen. Ich der Händler aktiv. Sie wollen genau wissen, seines Sustainability-Jahres eine separate hoffe, das bleibt auch nach der Krise. Eben- was die Hersteller in puncto Sustainability grüne Ausstellungsfläche aufgebaut, um so wie das Bewusstsein für die Grenzen der tun. Und sie sehen da noch immer Kom- alle nachhaltigen Aktivitäten und Angebote Globalisierung und die Verletzlichkeit unse- munikationsdefizite. So wünschen sich 86 % vorzustellen. Fashion sei allerdings nicht res Planeten.“ : der Einkäufer von ihren Lieferanten mehr dabei gewesen. Denn in anderen Bereichen Informationen über deren Aktivitäten bei sei das Familienunternehmen schon deut- KIRSTEN REINHOLD 14 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY INDUSTRIE: „INTENSIVER SCHUB“ Foto: 123 RF 16 Nr. 40 _ 2020
In den Monaten, als das Business weitgehend zum Stillstand kam, hatten viele Unternehmen Zeit, ihr Geschäftsmodell zu hinterfragen und sich Themen zu widmen, die sonst zu kurz kamen. So wurde Corona nicht nur Treiber für Digitalisierung, sondern auch für Nachhaltigkeit. Nr. 40 _ 2020 17
SUSTAINABILITY D ie Krise war für uns Anlass, generell Befragt wurden DOB-, HAKA-, Wäsche- und alles im Unternehmen zu hinter- Sportanbieter. „Die Krise hat gezeigt, wie fragen“, sagt Anne Boss, Marketing- wichtig nachhaltiges Wirtschaften ist“, Chefin von Cinque. Nachhaltigkeit habe sagten 79 % der Anbieter. 58 % wollen die dabei für das Mönchengladbacher Famili- Krise nutzen, sich nachhaltiger aufzustellen. enunternehmen schon immer oben auf der Die Bedeutung des Themas ist im Vergleich Agenda gestanden. „Corona hat unsere zum Vorjahr gestiegen. Lag sie 2019 noch Strategie in dem Bereich nicht verändert, im Schnitt bei 6 auf einer Skala von 0 bis aber beschleunigt.“ 10, so kletterte die Bedeutung nun auf Mit dieser Aussage steht Cinque stell- einen Wert von 7,4. vertretend für viele Markenanbieter, die die „Corona hat noch einmal für einen in- Krise genutzt haben, um alles auf den tensiven Schub gesorgt und uns in unse- Prüfstand zu stellen. rem partnerschaftlichen Umgang mit Liefe- „Man ist ja immer sehr getrieben, im Lock- und den Wholesale-Vertrieb zuständig ist. ranten und dem Handel bestärkt, weil wir down konnten wir auch mal über Dinge Das Thema sei schon vor Corona auf dem gemeinsam mit dieser herausfordernden nachdenken, für die uns sonst die Zeit Schirm der Manager gewesen, doch nun Situation umgehen mussten und hier für gefehlt hat“, bestätigt zum Beispiel Adrian würde es noch mal rascher vorangetrieben. alle Seiten zufriedenstellende Lösungen Knezovic, Geschäftsleiter von FTC Cashme- „Wir wollten einfach loslegen und nicht gefunden haben“, sagt Kristina Szasz, Chief re. Im Falle des Schweizer Luxus-Strick- erst ein Optimum definieren und dann in Product & Marketing Officer bei S. Oliver. labels war es unter anderem der eigene drei Jahren soweit sein“, so Brüggemann. Das Nachhaltigkeitsprogramm „We Care“, CO2-Fußabdruck – die Analyse der Emis- das im vorigen Jahr gestartet war, werde sionen im gesamten Unternehmen sowie Corona beschleunigt. Auch die ak- konsequent vorangetrieben, das Thema eine Strategie, um Klimaneutralität zu tuelle TW-Studie „Sustainability 2020“ Sustainability nehme bei den Rottendor- erreichen. bestätigt, dass Corona die Nachhaltigkeits- fern stark an Bedeutung zu, so Szasz. Die Branchenteilnehmer stehen nahezu alle bemühungen vieler Unternehmen noch Auch Bugatti will jetzt Gas geben. „Corona in den Startlöchern. Dass niemand mehr verstärkt hat. Erst im vorigen Jahr waren ist auch in dem Bereich ein Brandbeschleu- am Thema Nachhaltigkeit vorbei kommt, Handel und Industrie dazu befragt worden, niger“, sagt Qualitäts- und Nachhaltigkeits- zeigte auch der Sustainable Fashion nun sollte der Vergleich angestellt werden Manager Stephan Jahn, der den Jacken- Summit kürzlich in Frankfurt. Doch die können. Mitte Juli bis Mitte August wurden und Mantelspezialisten als Spätentwickler Startlöcher der Unternehmen stehen an 112 für Nachhaltigkeit verantwortliche in Sachen Sustainability bezeichnet. „Bis- völlig verschieden Positionen des Weges, Mitarbeiter aus Industrie-Unternehmen lang waren wir keine Vorreiter.“ Die Her- der zu gehen ist. Viele holen sich Hilfe, um befragt. 57% der Anbieter setzen im Jahr forder haben sich ebenfalls professionelle das Ganze strategisch anzugehen und sich unter 50 Mio. Euro um, 14% über 200 Mio. Hilfe geholt und lassen sich von der nicht zu verzetteln. So auch die Bültel- Euro, der Rest bewegt sich dazwischen. Hessnatur-Stiftung beraten (siehe auch Gruppe. Die eigens gegründete Projekt- Interview ab Seite 52). „Das Thema muss gruppe, in der Mitarbeiter aus allen Be- das gesamte Unternehmen durchdringen reichen zusammenkommen und die von und wird zu großen Veränderungen in der externen Beratern unterstützt wird, hat Unternehmenskultur führen“, ist Jahn zunächst begonnen, Input zu sammeln. „Es überzeugt. gibt ja 1000 einzelne Themen“, sagt Volker „Unsere bestehende Strategie ist durch Weschenfelder, Managing Director Marke- Corona noch einmal intensiviert worden“, ting, E-Commerce und Retail von Camel berichtet denn auch Stephan Homann, Chef active. Bültel ist für die Marke Masterli- des österreichischen Luxus-Wäsche-Labels zenznehmer und hat nun auch die Nach- Hanro. „Wir haben uns darin bestätigt haltigkeitsstrategie übergreifend in der gefühlt, auf eine eigene, in Europa an- Hand. „Bislang hat sich jeder Sublizenzneh- sässige Produktion sowie regionale Zu- mer irgendwie damit beschäftigt“, berichtet lieferer zu setzen.“ Frank Brüggemann, der für das Produkt 18 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY Top-Themen. Bei den Nachhaltigkeits- zertifiziert. Schwieriger sei es dagegen, Maßnahmen stehen laut TW-Studie der nachhaltige Materialalternativen einzuset- Einsatz von umweltfreundlicheren Materia- zen. „Unser Hauptprodukt ist die Outdoor- lien und die faire sowie nachhaltige Pro- Jacke mit 60 bis 70 Komponenten. Die duktion im Fokus. Außerdem auf der Agen- komplett nachhaltig hinzubekommen, ist da: nachhaltigere Verpackungskonzepte komplex.“ Die meisten Fair Fashion-Anbie- und reduziertere Warenmengen bzw. Kol- ter hätten einfachere Produkte, andere lektionsumfänge sowie eine stärkere Kom- Outdoor-Anbieter seien modisch nicht so munikation nach außen (siehe Grafik breit aufgestellt wie Bugatti. Seite 22). Auch Cinque hat die Rahmen- Jahn bewundere zum Beispiel Ecoalf, doch planung überdacht und die Kollektionen die Jacken des spanischen Labels, das aus- um 20 % reduziert. Recycelte Materialien schließlich auf recycelte Rohstoffe setzt, werden verstärkt eingesetzt, auf Leder, seien deutlich simpler. „Wir müssen ei- Daunen und Pelz wird verzichtet. Cinque der Hanro-Chef, unter anderem im Hinblick gentlich den Vertrieb und die Verbraucher wolle zudem künftig noch stärker auf auf den hohen Wasserverbrauch. Generell dazu bringen, sich mit schlichteren Jacken Langlebigkeit und Handwerklichkeit der werde einer teureren Marke made in Aus- anzufreunden“, überlegt Jahn. Produkte in der Kommunikation setzen. Ein tria unterstellt, dass sie nachhaltig agiere. Das Designteam sei nun von Anfang an Folder, der all die Nachhaltigkeitsaktivitä- Hohmann: „Die Kunden denken, bei den mit an Bord. Auch bei der Material-Aus- ten erklärt, ist in Arbeit. Preisen muss alles gut sein.“ wahl, die nicht mehr einfach nur nach Auch bei Hanro hat Corona dafür gesorgt, Optik erfolgen könne, sondern auch nach- dass sich die Zahl der SKUs um 20 % redu- Dabei sagt der VK nichts über die haltige Aspekte beinhalte, so Jahn. Als ziert hat. „Man verliert sich schnell in so Produktionsbedingungen aus. In den Fa- Grundlage hierzu habe sich Bugatti eine vielen Linien“, sagt Homann. Auch am briken in Fernost werden Discount-Shirts umfassende Material- und Siegel-Policy als Verpackungskonzept hat das Unternehmen genauso wie die Teile von Premium-Labels Bestandteil der Nachhaltigkeitsrichtlinie gearbeitet (siehe ab Seite 72). In Planung ist gefertigt (Interview Seite 70). „Das Thema erarbeitet. Inwieweit künftig gesiegelte eine Promotion rund um Produkte aus Herstellungsbedingungen ist doch durch, Produkte an den Markt kommen, werde Tencel. „Für Verbraucher bedeutet Baum- oder? Hier kann sich doch niemand mehr sich noch entscheiden. wolle gleich Natur und Nachhaltigkeit, aber leisten, Schindluder zu treiben“, sagt Jahn. Bei S. Oliver stehen ebenfalls nachhaltiger diese Faser hat auch eine negative Seite“, so Die Bugatti-Zulieferer seien denn auch alle gewonnene Fasern im Fokus der Strategie. „Generell spielen Naturfasern sowie Fasern auf nachhaltiger Cellulosebasis für uns eine immer wichtigere Rolle. Kunstfasern setzen wir demgegenüber deutlich weniger ein. DAS MEISTE ENGAGEMENT FÜR SOZIAL-STANDARDS Und dort, wo wir sie noch einsetzen, bauen In diesen Nachhaltigkeits-Initiativen bzw. -Organisationen engagieren sich die befragten Unternehmen wir den Recycling-Anteil weiter aus, etwa bei Polyester“, so Szasz. In den aktuellen Kollektionen liege der Anteil der Produkte Amfori BSCI 49 % aus nachhaltigerer Baumwolle bereits bei 50 %. Kommuniziert wird dies über Hang- Textilbündnis 24 % tags, die überarbeitet wurden und nun den Fur Free Retailer 22 % Verbrauchern noch mehr Infos vermitteln sollen. Better Cotton Initiative (BCI) 22 % Camel active geht das Thema im Unterneh- men auf breiter Front an, so auch material- Bangladesch Accord 13 % seitig. „Wir haben uns zuerst unsere Volu- Fair Wear Foundation 11 % menartikel angeschaut und überlegt, wo wir nachhaltigere Materialien einsetzen AFIRM Group 9% können“, berichtet Brüggemann. „Wir wol- IVN 9% Amfori BEPI 7% Better Work 7% Fair Labour Association 4% Quelle: TW-Studie 20 Nr. 40 _ 2020
len keine Kapsel-Kollektion, wir probieren einfach und sehen, was funktioniert“, er- gänzt Weschenfelder. In der kommenden Kollektion F/S 2021 sollen alle T-Shirts aus Bio-Baumwolle sein. Bei Steppjacken werde das Polyamid im Futterstoff recycelt sein. Wichtig ist dem Unternehmen die Nach- verfolgbarkeit – alles solle zertifiziert sein. Weschenfelder: „Wir überlegen derzeit, mit welchen Zertifikaten wir arbeiten wollen.“ Eco-Kapseln boomen. Für Camel active kommt eine Eco-Kapsel zwar nicht in Frage, doch für viele andere Anbieter ist eine solche Kollektion ein gutes Instru- ment, neue Strategien und Materialien zu testen. Hatten im vorigen Jahr nur 41% der Unternehmen eine nachhaltige Kapsel, so sind es aktuell bereits 64 %. In Summe machen die dann 35 % am Gesamtsorti- ment aus. Und der weitere Ausbau ist bei 83 % der Befragten geplant. Von den Unter- nehmen, die noch keine Eco-Kapsel haben, planen 27 % eine innerhalb eines Jahres, 19 % innerhalb von zwei Jahren und 11% innerhalb von fünf Jahren zu lancieren. Auch der Damenhosen-Spezialist Anna Montana hat eine Eco-Kapsel mit drei Passformen und vier Farben auf den Markt gebracht, die gerade ausgeliefert wurde. Die „Organic Denim“ wird damit beworben, dass sie energie- und wassersparend sowie ohne Chemikalien produziert wurde und recycelte Materialien sowie Bio-Baumwolle zum Einsatz kommen. Mit 59,95 bis 69,95 Nr. 40 _ 2020 21
SUSTAINABILITY Euro ist die Linie im oberen Preisbereich müssen in erster Linie super Hosen ma- des Labels angesiedelt, das Hosen ab 49,95 chen. Es wird erwartet, dass die Sachen Euro verkauft. „Wir wollen auch etwas nachhaltig sind und modern aussehen.“ bewegen, doch es ist nicht so leicht im Wenn Mac wachse, könne auch in Nach- konsumigen Segment. Wir brauchen einen haltigkeit investiert werden. gewissen Preisaufbau. Und große Key Ac- Dabei sieht sie es ähnlich wie die Manager counts sind nicht bereit auch nur einen bei Camel active: „Wir wollen keine Öko- Cent mehr für ein nachhaltiges Produkt Serien, sondern Nachhaltigkeitsaspekte in auszugeben“, sagt Geschäftsführer Rudolf möglichst viele Artikel bringen.“ So wird Krautilik. Die Kapsel werde zunächst getes- nach und nach neues Polyester durch recy- tet. Bei Erfolg sei der Ausbau der Farb- celtes ersetzt, neue Finishing-Technologien palette denkbar. sollen Energie und Wasser sparen. Mac ist Daneben bringt das Unternehmen bei zudem Mitglied der Better Cotton Initiative Galeria Karstadt Kaufhof jetzt ein Hosen- geworden. Und am Standort produzieren für F/S 2019 laut TW-Studie 23 % aller Han- modell an den POS, bei dem lediglich die jetzt sogar 20 Bienenstöcke eigenen Honig. delskunden die nachhaltigen Linien der Meterware zertifiziert ist, eine Slim Fit „Es gibt keine Grenzen nach oben, wenn es Marken geordert, so waren es bei der F/S Jeans für 49,95 Euro. Krautilik: „Wir schau- um die Umwelt geht“, so Schönleber. 2021 schon 48 %. en immer, was braucht der Handel?“ Und die Einkäufer wollen zunehmend Auch Mac-Chefin Eveline Schönleber hat Der Handel will mehr. Die Nachfrage wissen, was in Sachen Sustainability getan bei allen Bemühungen immer die Wirt- seitens der Retailer nach fairer Mode steigt werde. „Manche Händler fragen richtig tief schaftlichkeit im Blick. Es sei wichtig, als stetig an. Zu sehen ist das unter anderem nach, andere suchen Eco-Kapseln eher aus Unternehmen gesund zu wachsen. „Wir auch an der Order der Eco-Kapseln. Haben Marketing-Sicht“, berichtet Brüggemann von Camel active. Doch nicht nur die Fair Fashion der kon- ventionellen Anbieter ist gefragt, auch die Pure Player in Sachen Nachhaltigkeit be- MATERIAL IM FOKUS richten von einem stark gestiegenen Inte- Diese Nachhaltigkeitsmaßnahmen ergreifen die befragten Unternehmen heute resse im Multilabel-Handel. Lanius meldet beispielsweise ein Plus für F/S 2021 von Verwendung umwelt- freundlicher Materialien 90 % 10 %. Vor allem freut sich Inhaberin Claudia Lanius über Breuninger als Neukunden. Auswahl der Vorlieferanten nach Nachhaltigkeitskriterien 80 % Auch andere Labels berichten, dass große Reduktion bzw. Einsatz Häuser wie Breuninger und Engelhorn vor von umweltfreundlicheren Verpackungen 75 % allem online das Sortiment um neue, grüne Berücksichtigung Namen erweitern. ökologischer Kriterien bei der Kollektionserstellung 72 % „Wir spüren definitiv einen Nachfrage- Reduktion der Kollektionsumfänge 71 % Boom und gewinnen derzeit viele Key Accounts dazu. Die meisten wollen uns Umweltfreundlichere Logistik 56 % online integrieren“, bestätigt Verena Paul- Benz, Inhaberin von Lovjoi und Thokkthokk. Quelle: TW-Studie Auch Tanja Kliewe-Meyer von Like a Bird sagt, sie renne offene Türen ein mit ihrem Fair Fashion-Konzept. „Über das Thema NACHFRAGE DER HÄNDLER STEIGT Nachhaltigkeit wird ja schon lange ge- Anteil der Händler, die die Eco-Kollektion für die jeweilige Saison geordert haben sprochen, aber jetzt scheint es wirklich dran zu sein.“ Zwar agieren viele Händler Frühjahr/Sommer 2019 23 % krisenbedingt noch mit angezogener Hand- bremse, doch für 2021 blickt die Inhaberin Herbst/Winter 2019/20 30 % Frühjahr/Sommer 2020 40 % Herbst/Winter 2020/21 40 % Frühjahr/Sommer 2021 48 % Quelle: TW-Studie 22 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY optimistisch nach vorn. Über Kastner & Öh- FTC Cashmere hat die gesamte Lieferkette ler und P & C Düsseldorf als Neukunden in der eigenen Hand. Sogar das Heu, mit freut sich auch das 2015 gegründete Fair dem die Cashmere-Ziegen gefüttert wer- Fashion-Label Funktion Schnitt, das zum den, wird selbst angebaut. Doch offizielle Taschenanbieter Fond of gehört. Auch Zertifikate fehlen dem Unternehmen noch. Engelhorn, Breuninger, Henschel, Kaiser, Dass Kunden jedoch einen „Beweis“ wollen, Balz und Ludwig Beck gehören zu den rund davon ist Knezovic überzeugt. Über die 100 Kunden. „Die Häuser nehmen gezielt Verbraucher werde künftig noch stärker nachhaltige Brands ins Sortment auf. Vo- Druck auf den Handel ausgeübt, mehr raussetzung ist, dass sie im Wettbewerb in Transparenz gefordert. Daher arbeite das Sachen Look und Flächenfähigkeit mit- Unternehmen derzeit an Oeko-Tex- und halten können“, sagt Gesa Maitreau, die bei GOTS-Zertifizierungen. „Ein komplexes Funktion Schnitt Marketing, Vertrieb und Thema und ein langwieriger Prozess, doch Produkt verantwortet. Outdoor-Anbieter konstatieren das. Doch unumgänglich“, so Knezovic. Auch in Corona-Zeiten, in denen die meis- sie haben diese Werte und Aktivitäten Und die Schweizer gehen in Sachen Trans- ten Messen abgesagt wurden und es für bislang nicht oder kaum kommuniziert. Das parenz noch einen Schritt weiter und las- kleine Labels deutlich herausfordernder ist, soll sich ändern: auf den Homepages, über sen künftig die Fasern mit einem DNA- Neukunden zu gewinnen, sei genau dies Broschüren und CSR-Reports, auf Hangtags Marker von Helixia kennzeichnen, so dass über ein digitales Lookbook und den ei- und in den sozialen Medien. sie eindeutig zugeordnet werden können. genen Showroom in Düsseldorf gelungen. Auf der sicheren Seite sind die Anbieter „Auf Anfrage verschickt Helixia entspre- Maitreau habe dabei das Gefühl, dass viele mit Zertifikaten, also einem offiziellen und chendes Equipment, um das Produkt zu online mit dem Segment beginnen, weil sie nachvollziehbaren Nachweis für ihre Aus- testen“, berichtet Knezovic. im Stationärgeschäft noch nicht den richti- sagen zu Material und Arbeitsbedingungen. gen Platz dafür gefunden hätten. „Stationär Marc O’Polo ist inzwischen Mitglied der „Nachhaltigkeit kann man nicht starten wir oft zunächst mit Pop-up-Flä- Fair Wear Foundation und Leather Working mehr aufhalten“, ist Georg Dieners, Ge- chen und werden dann in der Regel fest ins Group und arbeitet seit diesem Jahr mit neralsekretär von Oeko-Tex, sicher. Die Sortiment aufgenommen.“ Funktion Schnitt den Zertifikaten GOTS, OCS sowie RWS. Ab Prüfgemeinschaft verzeichnet derzeit eine stehe für hochwertige Basics und müsse 2023 sollen nur noch Produkte angeboten rasante Nachfrage nach Zertifizierungen, dabei neben bekannten Wettbewerbern werden, die unter umweltfreundlichen und vor allem für die Siegel Oeko-Tex 100, Step wie American Vintage oder Majestic eine fairen Bedingungen hergestellt wurden. und Made in Green. „Transparenz wird Nische finden. einmal kaufentscheidend sein. Der Ver- braucher will wissen, wo und wie ein Teil Kommunikation verstärken. Im hergestellt wurde.“ 64 % Januar auf den Berliner Messen wollte fast CO2 werde die neue Währung. Ebenso wie jeder Aussteller eine Nachhaltigkeitsbot- der Water Footprint. Oeko-Tex arbeitet mit schaft vermitteln, so dass die Einkäufer an dem Beratungsunternehmen Quantis an deren Echtheit wohl das ein oder andere einem Tool, mit dem Unternehmen die mal gezweifelt haben. „Es ist nicht leicht, komplexen CO2- und Wasserbilanzen für glaubwürdig zu sein. Viele wissen nicht bestimmte Produkte berechnen können. mal, dass wir ein deutsches Familienunter- Dieners habe den Eindruck, dass sich jetzt nehmen sind und noch eine Näherei vor viele Firmen fokussieren: „Es gibt ein neu- Ort haben“, so die Erfahrung von Anne es, globales Bewusstsein für soziale The- Boss von Cinque. men. Es ist gerade so viel im Wandel – die Zahlreiche Unternehmen versichern, nach- beste Gelegenheit, sich über die Strategie haltige Werte seien schon lange fest in der für die nächsten fünf bis sieben Jahre klar Unternehmens-DNA verankert. Marc O’Po- zu werden.“ : lo, Closed, FTC Cashmere, Mac oder auch Camel active, aber auch viele Wäsche- und ANJA PROBE der Modeanbieter haben eine Eco-Kollektion (Vorjahr 41%) 24 Nr. 40 _ 2020
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Vom Boden bis zur Decke. Dass Nachhaltigkeit nicht an der Ladentür halt macht, zeigen immer mehr Labels. Sie gestalten ihre Flächen mit langlebigen Materialien und so flexibel wie möglich. So sparen sie Geld und können mit wenig Aufwand immer wieder neue Räume schaffen. A ls Sébastien Kopp, einer der Gründer der Handel durch die Umstellung von des nachhaltigen französischen Snea- konventioneller auf energiesparende LED- ker-Labels Veja, seinen Traumstand- Beleuchtung schon ein gutes Stück weiter ort für den ersten Laden in New York gekommen. Mehr als die Hälfte aller Unter- gefunden hatte, machte er sich keine nehmen im Modeeinzelhandel hat laut EHI Gedanken darüber, wie er die Fläche ver- seine Läden inzwischen umgerüstet. ändern und neu gestalten könnte. Im Eine weitere, eher gesundheitliche und Gegenteil: Sein Ansatz war es, in dem umweltschutzorientierte Komponente ist Ladenlokal im Stadtteil Nolita möglichst der Einsatz ökologisch unbedenklicher und viel so zu lassen, wie es war. „Es ist herz- recyclingfähiger Materialien. Lacke und zerreißend, all die Materialien und Möbel Farben sollten VOC- und Spanplatten Form- zu sehen, die weggeworfen werden. Wir aldehyd-frei sein. Holz ist dabei ein auch denken das Gegenteil: Das Geschäft der unter optischen Gesichtspunkten wichtiges Zukunft wird sehr einfach sein. Wir möch- Gestaltungselement. Zertifizierte Hölzer, ten die Geschichte eines Ortes erzählen“, zum Beispiel mit dem FSC (Forest Steward- sagt er. Das klingt simpel, wird wahr- ship Council)-Siegel, spielen eine Rolle. Aber scheinlich nicht immer und überall funk- auch Regionalität, also Eichenholz aus tionieren, ist aber definitiv ein überzeu- heimischen Wäldern statt Wenge aus den gender Ansatz, um mehr Nachhaltigkeit in Tropen, können entscheidend für die Mate- den Ladenbau zu bringen. rialauswahl sein – nicht nur für Unterneh- men mit einem nachhaltigen Sortiment. Weniger ist mehr. Nachhaltigkeit hat Vergleichsweise weit sind hierbei die Out- viele Facetten, auch bei der Gestaltung von door-Spezialisten, zum Beispiel Vaude, die Läden. Eine ökonomische etwa. Wieder- nicht nur bei ihren Produkten, sondern verwertung von Vorhandenem und damit auch im Ladenbau den ökologischen Fuß- auch die Langlebigkeit des Verwendeten abdruck möglichst klein halten wollen. In sind nicht nur unter Kosten-, sondern auch den Läden setzt Vaude deshalb recycelte, unter Nachhaltigkeitsüberlegungen ein biobasierte und schadstofffreie Materialien ganz wichtiger Aspekt. ein: Dazu zählen z. B. unbehandeltes, FSC- In der alle drei Jahre im Vorfeld der Euro- zertifiziertes Eschenholz und Linoleum aus Shop in Düsseldorf erhobenen Studie 98 % nachwachsenden Rohstoffen wie „Ladenmonitor 2020“ des EHI Retail In- Leinöl und Naturharz. stitute gaben so rund 60 % der zum Thema nachhaltiger Ladenbau befragten Unter- Laden aus Müll. Die nachhaltige Laden- nehmen an, dass sie Ladeneinrichtungen gestaltung hat auch eine innovative Facet- wiederaufbereiten und wiederverwenden. te. Zwar noch eher die Ausnahme, gibt es Fast die Hälfte legt Wert auf eine lange zunehmend Ladeneinrichtungen, die mehr Haltbarkeit. Tendenz steigend. oder weniger komplett aus Recycling-Mate- Vor allem für Unternehmen aus der Fa- rialien hergestellt sind, so wie der neue shion- und Lifestyle-Branche sei dies ein Ace & Tate-Laden in Antwerpen (Seite 32). wichtiger Aspekt, so das EHI. Zum nach- Das Brillen-Label hat dafür mit dem Rotter- haltigen Ladenbau gehören so auch modu- damer Unternehmen Plasticiet zusammen- lare Systeme, die flexibel eingesetzt und gearbeitet, das aus wiederverwerteten weiterentwickelt werden können, etwa Plastikflaschen, Deckeln und Kleinteilen aus wenn sich das Sortiment verändert und der Region eine Art Terrazzo hergestellt hat, vor allem, um immer wieder neue, span- aus dem alle Einbauten bestehen. Gewisser- nende Bilder auf den Flächen zu zeigen. maßen ein Laden aus Müll. : Zur Nachhaltigkeit im Ladenbau gehört auch das Thema Energie-Effizienz. Hier ist AZIZA FREUTEL/ ANJA HAAK Neu bei Freitag: In Amsterdam verkauft das Label nicht nur Recycling-Taschen, sondern verleiht auch alte, aufgemotzte Fahrräder. Nr. 40 _ 2020 29
SUSTAINABILITY Fotos: ND Studio, Nicolas Dietzel Freitag in Amsterdam Das für seine Im neuen 70 m2 großen Laden der Zürcher hinter: Roetz arbeitet klapprige Zweiräder Taschen aus ausgemusterten Taschenmanufaktur Freitag, der gemein- auf und schenkt ihnen dann ein zweites LKW-Planen bekannte Label hat in sam mit dem deutschen Partner Selekteur Leben als frisch aufgemotzte Cityflitzer. Amsterdam einen Store ganz im betrieben wird, dreht sich alles um Re- Neben einem Roetz Bike können Kunden Sinne der Kreislaufwirtschaft cycling-Taschen und kreislauffähige Fort- auch Bike Bags ausleihen. Auch für Erlebnis eröffnet. bewegungsmittel. Dabei sind nicht nur die und Interaktion auf der Fläche wird ge- rund 1000 Taschen und 1200 Accessoires sorgt: Das Velokino im Laden kann durch aus Recycling-Material, sondern auch die die Muskelkraft der Kunden betrieben sechs Fahrräder von Roetz Bikes, die im werden. Außerdem gibt es eine interaktive Store verliehen werden. Das Konzept da- Visualisierung des Produktionsprozesses. : 30 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY Fotos: Lennart Wiedemuth Ace & Tate in Antwerpen Das Plastikmüll ist eines der großen Probleme wurden Plastikabfälle aus der Region Ant- Label steht für coole Brillen zu der Stunde. Wohin mit all dem Abfall, werpen benutzt und in ein farbenfrohes einem günstigen Preis. Und nicht wenn er nicht im Meer oder auf Müll- Material im Terrazzo-Look verwandelt. Als nur das: Schon Ende 2020 sollen kippen irgendwo in Afrika oder Asien Grundlage dient ein weißes Granulat, in nur noch Brillen aus recyceltem landen soll? Das Rotterdamer Unterneh- das handausgesuchte bunte Plastikteile oder ökologisch produziertem men Plasticiet hat sich diesem Problem eingeschmolzen wurden. Der Schwerpunkt Acetat verkauft werden. angenommen und stellt trendige Materia- liegt auf roten, blauen und gelben Plastik- lien aus Müll her. Für das Brillenlabel flaschen, Deckeln und Kleinteilen. Wie Ace & Tate hat das Unternehmen jetzt genau das Plastik-Terrazzo entstand, zeigt einen Laden in Antwerpen designt. Dafür die Installation im Schaufenster. : 32 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY Fotos: Stella McCartney Stella McCartney in London Dass Stella McCartneys Store in der luxuriösen die Besucher im Erdgeschoss. In der ersten Highfashion auch grün kann, Old Bond Street ist anders als die der Nach- Etage wurden Büroabfälle in dekorative stellt Stella McCartney nicht nur barn. Wo sonst auf Hochglanz polierter Pappmaché-Paneele verwandelt. Schaum- mit ihrer Mode, sondern auch in Marmor und glänzendes Edelmetall den stoffmöbel aus Recyclingmaterialien und ihrem vor zwei Jahren eröffneten Ton angeben, setzt sie in ihrem 700 m2 massive, alte Holzblöcke dienen als Waren- Londoner Store unter Beweis. großen Flagship fast komplett auf recycelte präsenter. Für saubere Luft sorgt eine von Materialien. „Stella Rocks“, ein Steingarten der Firma Airlabs entwickelte Technologie, aus Felsen die von der McCartney-Farm in die durch einen energie- und wartungs- Campbeltown stammen und mit Moos und armen Prozess 95 % der Schadstoffe und Thymian neu bepflanzt wurden, empfängt Stickoxide entfernen soll. : 34 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY Foto: Wood Wood Wood Wood in Kopenhagen Der Der nachhaltigste Kauf ist der, den man dukten anderer Brands. Dabei geht es nicht neue Store des Contemporary- nicht tätigt. Doch selbst eine nachhaltige nur um Mode. So gibt es im neuen Store Labels Wood Wood trägt den Brand muss, um bestehen zu können, Dinge auch japanische Töpferwaren, Holzspiel- Zusatz Life Store. Die Dinge, die verkaufen. Das ist auch Karl-Oskar Olsen zeug, Gartenwerkzeuge und Camping- es dort zu kaufen gibt, sollen and Brian SS Jensen bewusst, die 2002 geschirr. „Diese Produkte wurden von Spe- Objekte fürs Lebens sein. Wood Wood gegründet haben. Das Label zialisten mit dem Ziel hergestellt, ein Leben verbindet einen nachhaltigen Ansatz mit lang zu halten“, heißt es von Wood Wood. einem urbanen Stil. In den mittlerweile Bei der Ladengestaltung griff das Unterneh- sechs Läden kombiniert das dänische Un- men selbst auf einen Klassiker zurück: Das ternehmen eigene Kollektionen mit Pro- Regalsystem 606 von Dieter Rams. : 36 Nr. 40 _ 2020
SUSTAINABILITY Fotos: Brian Ferry Veja, New York Nicht nur bei den Im New Yorker Nolita-Viertel hat Veja im „Wir lieben es, die Vergangenheit eines Turnschuhen, auch im Ladenbau Frühjahr seinen ersten US-amerikanischen Ortes zu fühlen. Für uns erzählt sogar ein steht für die Veja-Gründer Flagship-Store eröffnet. Zuvor befand sich in gebrauchter Holzboden eine Geschichte. Sébastien Kopp und François- dem Ladenlokal der Concept-Store Creatures Und es ist auch viel ökologischer, zu ver- Ghislain Morillion das Thema of Comfort. Das Ziel der Veja-Macher war suchen, alles zu behalten“, sagt Sébastien Nachhaltigkeit ganz weit oben. es, möglichst wenig daran zu verändern Kopp. Auch beim Strom wird auf Nach- und gemeinsam mit dem New Yorker Ar- haltigkeit geachtet. Er wird mit Hilfe von chitekten Paul Van Der Grient von WXY Windkraft erzeugt. Eyecatcher im Raum Studio einen ganz schlichten Raum zu sind unter anderem Neon-Kunstwerke des schaffen, der viele Generationen überdauert. brasilianischen Künstlers Kleber Matheus. : 38 Nr. 40 _ 2020
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