Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht
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Ausgabe Nr°2 W B World of Business Law Nathanael Reber Der Fall Monheim - S. 19 Thierry Urwyler Der Weg zum Doktortitel - S. 26 Gregor Itel Der Weg zum Personalleiter - S. 42
Doch nicht nur wir sind von der Digitalisierung betroffen. Dieser Wandel macht auch vor der Finanzindustrie nicht halt. Thomas Stillhart nimmt sich dem Thema Fintech: Disruptive Revolution der Finanzbranche? an. Gino Wirthensohn, WR-Absol- vent der ZHAW, schreibt über seine Erfahrungen im RegTech-Bereich. Auch unsere Interviewpartner sind von der Digitalisierung betroffen. Philippe Zellweger arbeitet im Bereich der internationalen Steuerpolitik. Automatischer Informationsaustausch und BEPS werden die Steuerpolitik während den nächsten Jahren prägen. Fabio Stauffer, Steuerexperte bei PwC, ist direkt von diesen Änderungen betrof- fen. Er erzählt uns von seinem spannenden Alltag in einem Beratungsunternehmen. Abgerundet wird der Themenblock Steuerrecht durch eine Case-Study. Für die weniger steuer- und technikbegeisterten sind die Interviews mit Thierry Urwyler und Gregor Itel zu empfehlen. Gregor Itel leitet die Schweizer HR-Abteilung einer weltweit tätigen Airline. Damit verbunden sind nebst nationalen Sachverhalten auch internationale Projekte. Thierry Urwyler arbeitet als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Luzern. Seine Dissertation wird er noch in diesem Jahr abgeben. Zum Schluss schreibt Herr Sadri über Compliance – ein strategischer Helfer im Kampf gegen Korruption. Auch bei uns im Verein hat sich viel getan. Wir konnten einen komplett neuen Vorstand wählen. Angelina, Ivo, Aurora und Amina führen seit dem letzten Februar den Verein. Bereits jetzt ist der neue Elan spürbar. Ich wünsche den neuen Vorstandsmit- gliedern alles Gute für das kommende Jahr. Mit dieser Zeitschrift ist viel Herzblut verbunden. Ich hoffe, dass Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, diese Leidenschaft beim Lesen spüren. Ich freue mich Editorial auf Ihr Feedback. Remo Artho Chefredaktor World of Business Law Liebe Studierende Ich erinnere mich noch gut an die Einführungstage an der ZHAW. Mit gemischten Gefühlen und ein bisschen nervös sass ich in der Aula. Nach der Ein- führungspräsentation folgten wir unserem «Buddy» in das Klassenzimmer. Dieser versprach uns, er wer- de dem Klassenchef alte Prüfungen zusenden und uns während des ersten Jahres unterstützen. Erhalten habe ich nie etwas. «Help-yourself» lautete das Motto im ersten Semester. Zum Glück leben wir mittler- weile nicht mehr in einer Zeit, wo Studierende ganz allein ihrem Schicksal überlassen werden. Unterdes- sen hat sich der Studentenverein als feste Grösse im Wirtschaftsrechtsstudium etabliert. Egal ob Leis- tungsnachweis, alte Prüfungen oder Bücherverkauf – der Verein steht den Studierenden zur Verfügung. Ein weiteres Produkt des Studentenvereins haltet ihr soeben in den Händen. Ihr könnt die Beschaffenheit des Papiers spüren, könnt darin blättern und nach dem Lesen eure Bibliothek mit dieser Ausgabe ergän- zen. Doch wie lange wird das noch der Fall sein? Die Digitalisierung schreitet in einem rasanten Tempo voran. Gibt es in Zukunft überhaupt noch Papieraus- gaben dieser Zeitschrift? World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017 3
Inhaltsverzeichnis Intern 3 Editorial 29 Das sind Wir! 47 Impressum Interviews 16 Der Weg zum Steuerberater 22 Der Weg zum Policy Advisor 26 Der Weg zum Doktortitel 42 Der Weg zum Personalleiter Themenartikel 5 Vom Wirtschaftsrechtstudium zu einen FinTech Incubator and Accelerator 7 Fintech: Disruptive Revolution der Finanzbranche? 19 Ist Steuerwettbewerb nützlich oder schädlich? 33 Compliance – ein strategischer Helfer im Kampf gegen Korruption Auslandberichte 30 Irland für Anfänger – mein Auslandsemester auf der grünen Insel 4 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
T he m e na r tikel Vom Wirtschaftsrecht- studium zu einen FinTech Incubator and Accelerator ° Text von Gino Wirthensohn Wie die Digitalisierung zur Veränderung im Berufs- bild des Juristen führt –und wie man sich dabei als Wirtschaftsrechtsstudierende optimal positioniert. Gino Wirthensohn Während FinTech bereits klassische Dienstleistungen Berufliche Entwicklung von Finanzinstituten herausfordert, steht auch die Nach meinem Wirtschaftsrechtsabschluss im Jahr Rechtsberatung und die Compliance vor einem Para- 2012 habe ich bei einer Wirtschaftsprüfung- und digmenwechsel. LegalTech und RegTech werden eine Beratungsgesellschaft in der Forensic-Abteilung Vielzahl von Tätigkeiten automatisieren. Dadurch angefangen. Nach einigen Monaten E-Mail- und verändert sich nicht nur das klassische Berufsbild Dokumentenreview (dabei ging es um das Ermitteln von Juristen und Compliance Officers, sondern es von allfällig relevanten Fehlverhalten von Bankmit- wird auch zu einer Reduktion vom Personalbedarf in arbeitenden) konnte ich auf die technische Seite des diesen Berufszweigen führen. Projekts wechseln. Hier ging es um das Aufberei- ten von grossen Datenmengen für den manuellen Der Autor des vorliegenden Artikels vertritt die Review. Dank technischen Massnahmen konnte der Ansicht, dass sich angehende Wirtschaftsrechtstudie- manuelle Reviewaufwand drastisch reduziert werden. rende proaktiv mit Technologien und Legal Project Hier zeigte sich, dass Juristen und IT-Spezialisten Management auseinandersetzen müssen, um sich im unterschiedliche Sprachen sprechen. Ich konnte mich steigenden Konkurrenzdruck im Jobmarkt mit den an dieser Schnittstelle zwischen Recht und Tech- technologischen Veränderungen optimal positio- nologie optimal positionieren, um – in Verbindung nieren zu können – und erzählt, wie er mit seinem mit Projektmanagementerfahrung – einen wichtigen Start-up in einen FinTech Incubator und Accelerator Beitrag zum erfolgreichen Gelingen beizutragen. gekommen ist. World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017 5
Meine nächste berufliche Station hat mich zu einer Der Einzg in den F10 Accelerator und führenden Privatbank gebracht. Zentrale Aufgabe als Incubator Legal Counsel für Outsourcing war das Verstehen Ein Accelerator ist ein Beschleuniger für die Ent- von Datentransfers (zum Teil auch grenzüberschrei- wicklung eines Start-ups. Dies wird durch Coaching tend) und den dazugehörenden Systemen – was nicht und der Bereitstellung von Know-How erreicht. Ein gerade zu den Kernkompetenzen von Juristen gehört. Incubator ist ein «Boot Camp» für Gründer. Dabei Hier waren die bereits erworbenen Projektmanage- werden die Unternehmensideen oder Geschäftsmo- ment- und IT-Kenntnisse ausschlaggebend für das delle von Spezialisten des Acceleratorprogramms Erlangen der Arbeitsstelle. Nächster Job war in einer intensiv betreut, um ein Konzept innerhalb von nur kleinen Bank als Datenschutzbeauftragter. Hier wenigen Monaten zu einem marktreifen Produkt waren die Informatikkenntnisse noch stärker gefragt auszuarbeiten. Im Rahmen des Hackathon-Prei- und die Kombination Recht und Technologie hat den ses waren wir direkt für die Finalrunde des F10 Ausschlag für die Stellenbesetzung gegeben. qualifiziert. Dabei waren noch weitere 24 Start-ups aus weltweit über 250 Bewerbungen. Schlussendlich Der Hackathon wurden 14 Start-ups ausgewählt, darunter auch unser Im März 2017 fand der Hackathon der Börsenbetrei- Start-up. berin SIX statt. An einem Hackathon entwickelt man in kleinen Gruppen während einem Wochenende Die Erfahrung im F10 Accelerator und eine Software, welche ein bestimmtes Problem lösen soll. Dabei sind nicht nur Programmierer willkom- Incubator Neben dem trendigen Open Space Büro mit vielen men, sondern auch Designer und «Innovatoren». Farben, «Töggelichaschte» und Tischtennisspiel Letztere erkennen im Business («nicht IT Welt») bietet F10 neben dem Coaching und Mentoring auch Problemstellungen. Sobald das Problem identifiziert intensive Ausbildungen in verschiedenen Themen an. ist, liegt es an IT-Spezialisten, ein Programm zur Es wird alles getan, um den erfolgreichen Marktein- Lösung zu entwickeln. Da ich weder Programmierer tritt vorzubereiten. Zum Zeitpunkt der Verfassung noch Designer bin, habe ich mich als «Innovator» dieses Artikels (anfangs Juli 17) befinde ich mich beworben und konnte am Hackathon teilnehmen. gerade in der zweiten Woche und bin gespannt, wie Zusammen mit drei Programmierern und einer der weitere Verlauf im F10 aussehen wird. weiteren «Innovatorin» konnten wir am Sonntag das entwickelte Projekt präsentieren. Dabei geht es um das automatische Erstellen des Investmentrisikopro- Fazit fils mittels künstlicher Intelligenz. Dieser Prozess IT-Kenntnisse werden einem im WR-Studium wir gegenwärtig manuell durchgeführt. Trotz aller (noch) nicht vermittelt. Mittels Eigeninitiative sollen Umstände (wir haben zwei unserer drei Program- Tätigkeiten und zusätzliche Ausbildungen in diesem mierer an diesem Wochenende «verloren», d.h. sie Bereich angestrebt werden. Die Anforderungen wollten nicht mehr weitermachen) konnten wir mit an den juristischen Beruf werden sich verändern. unserer Lösung die Jury überzeugen. Der Preis war Ich empfehle jedem, sich auf diese Veränderungen das goldene Ticket für den F10 FinTech Accelerator vorzubereiten. & Incubator. Das Start-up Riskifier ist ein RegTech Start-up und nutzt Artificial Intelligence um Investment Risk Profilig einfach, prä- zis und mit besserer User Experience durchzuführen: www.riskifier.io F10 FinTech Incubator & Accelerator Der F10 FinTech Incubator & Accelerator ist eine Non-Profit-Organisation, welche Start-ups unter- stützt und fördert. Zusammen mit SIX, PwC, Baloise Group, Julius Bär, Generali Schweiz, ERI Bancaire und eny Finance führt er Startups in den Berei- chen FinTech, RegTech und InsurTech zum Erfolg. Zusätzlich ermöglicht der Inkubator eine globale Zusammenarbeit mit internationalen Finanzinstitu- tionen. Das sechsmonatige Programm «Prototype to Product», welches am 3. Juli 2017 mit einer Grand Opening Veranstaltung in Zürich startete, unterstützt die 14 ausgewählten Start-ups, ihr Prototyp in ein marktfähiges Produkt zu wandeln. 6 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
T he m e na r tikel Fintech: Disruptive Revo- lution der Finanzbranche? Innovation und Regulierung im Spannungsfeld ° Text von Thomas Stillhart - Quellennachweis online verfügbar unter www.wr-studenten.ch. „Müssen sich Banken vor dem technologischen Fortschritt fürchten? Braucht es in ferner Zukunft noch traditionelle Banken? Wie sollte man Fintech-Anbieter regulieren und gibt es in Zukunft überhaupt noch Bar- geld?“ Die digitale Welt umgibt uns von allen Seiten. Zum Geheimrezept für einen weiterhin starken Obwohl ein neues Phänomen, hat sich gezeigt: Schweizer Finanzplatz gehören als wichtige Zutaten wer sich dem digitalen Markt nicht anpasst, wird innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für im schlimmsten Fall vollkommen verdrängt! Eine Fintech-Startups sowie strategisch intelligente Ko- Annäherung, um den Kundenbedürfnissen der operationen zwischen bewährten Marktteilnehmern Mobilität entgegenzukommen, haben Banken (Banken) und Fintech-Unternehmen: eine „Fintegra- zuletzt durch die Etablierung von Online-Banking tion“ für die Schweiz. und Smartphone-Apps unternommen. In Zeiten des demographischen Wandels wird die Finanzwelt 1. Das Phänomen Fintech langfristig wesentlich stärker auf netzaffine Kunden Fintech ist ein Akronym aus den Begriffen Finanz eingehen müssen, zumal immer mehr innovative und Technologie. Finanztechnologie bezeichnet Firmen ohne Banken-Background in den Markt neuartige Lösungen von Anwendungssystemen, drängen. Fintech-Unternehmen schiessen zurzeit wie die eine Neu- oder Weiterentwicklung im Finanz- Pilze aus dem Boden und drohen das Fundament dienstleistungsbereich darstellen. Sie wird meist von der streng regulierten Finanzbranche anzugreifen. Startups und jungen Unternehmen angewandt. Diese Dies sorgt für Spannungen zwischen etablierten und versuchen, etablierten Wettbewerbern, wie beispiels- neuen Marktplayern. Die ökonomische, rechtliche weise Banken, Marktanteile abzunehmen. Hierbei und letztlich auch politische Herausforderung ist, streben die neuen Anbieter typischerweise an, ihr zwischen Regulation und Innovation, zwischen Geschäft ohne Banklizenz betreiben zu können, da Status quo und Fortschritt und zwischen traditionel- die hohen Anforderungen der Bankenregulierung lem Bankwesen und Shadow-Banking, die richtige eine deutliche Markteintrittshürde darstellen. Mischung zu finden. World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017 7
Den Verbrauchern wird ermöglicht, ohne Mittels- Die zweite Phase widmeten die Finanzdienstleis- mann direkt über das Internet Geld anzulegen, einen ter der Integration von Kernbankensystemen. Hier- Kredit aufzunehmen, Bezahlvorgänge abzuschlie- für mussten sie Prozesse und Applikationsfunktionen ßen oder eine Finanzberatung (Robo-Advisory) standardisieren, die von Schweizer Standard-Kern- in Anspruch zu nehmen. Begünstigt wird Fintech bankensystem-Anbietern wie Avaloq im Jahr 1996, von Entwicklungen im Bereich Big Data und Finnova im Jahr 2003 oder Temenos im Jahr 2005 Cloud-Computing, sowie der rasanten Verbreitung entwickelt und implementiert wurden. Zusätzlich fiel von Smartphones, Laptops und Tablets in Verbin- der Dotcom-Boom in diese Phase, in der verschie- dung mit nahezu ständigem Zugriff auf das Internet. denste Fintech-Innovationen im Bank- und Versiche- So ist es auch jungen und kleinen Unternehmen rungsbereich ihren Ursprung haben. Nennenswert möglich, etablierte Unternehmen zu attackieren, ist das erste Schweizer Internet Banking Direct Net oder eine Nische im Markt zu besetzen. Finanztech- der Credit Suisse aus dem Jahr 1997 sowie das erste nologie wird seit dem Aufkommen des Internets als mobile WAP-Banking der UBS aus dem Jahr 2000. eine potenziell disruptive Technologie beschrieben, die bestehende Dienstleistungen nahezu vollständig Die dritte Phase an Fintech-Anwendungen ent- ersetzen könnte. wickelt sich derzeit um Kundenprozesse herum, wel- che die heutige produkt- und anbieterzentrierte Sicht 2. Fintech Flashback zu einer kundenfokussierten Logik umkehren. Diese Eine kurze Rückblende soll den Einstieg in die The- Phase ist charakterisiert durch die Adaption neuer matik erleichtern. Die Digitalisierung der Finanzin- IT-Entwicklungen wie etwa Social- Media, Smart- dustrie in der Schweiz kann in drei Phasen eingeteilt phones, Cloud Computing, Big Data oder künstliche werden. Die erste Phase (1950-1995) gilt als interne, Intelligenz. Frühe Beispiele dieser Phase waren die die zweite Phase (1996-2007) als dienstleistungs- Lancierung der Peer-to-Peer-Lending-Plattform orientierte und die dritte Phase (2008-heute) als Cashare im Jahr 2008, die Smartphone-App der kundenorientierte Digitalisierung. PostFinance im Jahr 2010. Weitere Beispiele sind die mobilen Zahlungsmöglichkeiten via Twint und Die erste Phase der Digitalisierung konzentrierte Paymit im Jahr 2015 oder die Blockchain-Plattform sich primär auf interne Prozesse wie Zahlungstrans- Ethereum im selbem Jahr. Der IT-Gigant Apple aktionen oder Portfoliomanagement. In diesem versucht durch die Einführung des hauseigenen Bereich fokussierten sich Banken und Versicherer Bezahlsystems Apple-Pay den EC- und Kreditkarten auf die Automatisierung von Geschäftsprozessen. Im den Rang abzugewinnen. Die Zahl der Online-Bank- Zahlungsverkehr wurde 1967 durch die SBG an der kunden hat sich von 1997 bis 2015 verzehnfacht. 1 Zürcher Bahnhofstrasse der erste Geldautomat ein- geführt. Mit dem CS-Firstphone, bot die Schweize- rische Kreditanstalt erstmals alle Basistransaktionen via Telefon an. 8 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
3. Schweizer Fintech-Markt gesenkt werden, ist potenziell auch viel Geld zu ver- FinTech Startups haben oft eine Gemeinsamkeit: sie dienen. Im Monats-Rhythmus veröffentlicht Swiss- entspringen meist nicht dem traditionellen Banken- com zusammen mit e-foresight eine Marktübersicht wesen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Phasen der Schweizer Fintech-Start-up Landschaft. Zurzeit der Digitalisierung des Finanzsektors gehören in der zählen dazu 168 Wettbewerber. Die Landkarte glie- dritten Phase nicht regulierte Marktakteure (d.h. dert sich in die Handlungsfelder Investing and Asset ohne FINMA-Lizenz) zu den treibenden Keyplayer. Management (45), Crowdfunding (38), Payment In dieser immer noch andauernden Phase entsteht (24), Crypto (19), Data Driven Insights (12), Market derzeit eine Vielzahl an Fintech-Startup-Unterneh- Information and Advisory Portal (9), Insurance (7) men. Wo viel Geld verschoben wird, zeitgemässe und Others (14). Kundenbedürfnisse berücksichtigt und Kosten Abbildung 2: Swiss FinTech Start-up Map von Swisscom, Stand 01.11.2016. Der Kern der Innovation steckt in neuen Technologi- en. Cryptocurrencies, Blockchain, Digitale Identi- täten, Zertifikate, Encryption (Verschlüsselungsal- gorithmen) und andere innovative Technologien unterstützen den gesellschaftlichen und wirtschaft- lichen Prozess der Digitalisierung. Sie unterstützen den freien und unkomplizierten Austausch von Gütern (B2B und B2C), und sorgen für Stabilität, Vertrauen und Sicherheit im Netz. Es macht Sinn, ein Kompetenz-Zentrum zu bilden, in dem Ideen ausgetauscht und Synergien genutzt werden können. Analog zum Londoner Inkubator Level 39, einer Ide- enfabrik an der Canary Wharf in London, entstand auch in der Schweiz ein Fintech-Mekka mit Sitz in Zug. Besser bekannt als „Crypto Valley Zug“. Aus der Vernetzung von Hochschulen, Medien, Venture Capital, Private Equity, etablierten IT Firmen sowie jungen Startups entsteht im Crypto Valley Zug ein attraktives Kompetenz-Cluster, das sich dem interna- tionalen Wettbewerb stellt.2 Abbildung 3: Crypto Valley Zug, Sonntags Bilanz 25-26 / 2015. World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017 9
4. Beispiele digitaler Innovation 5. Regulierung des Finanzmarktes Schweiz Viele Fintech Dienstleistungen befinden sich noch in der Entwicklungsphase. Es ist ungewiss, welche von „Innovation vs. Regulierung“ ihnen tatsächlich zur Marktreife gelangen, denn die Tragweite von Fintech-Dienstleistungen kann noch Während disruptive Technologien und Plattformen nicht seriös abgeschätzt werden. Genau diese Unge- in gewissen Städten oder ganzen Ländern von der wissheit im Finanzmarkt, bietet Raum für Spekulati- Regierung eingeschränkt oder ganz verboten wurden onen und zugleich Pionier-Leistungen jeglicher Art. (bspw. Uber in Paris und Kanada, Airbnb in Berlin Die Situation lässt sich mit der Einführung des In- usw.) gehören Sie in anderen Wirtschaftsräumen ternets vergleichen. Noch vor den Zeiten von Google schon längst zum Alltag. Weil Bewährtes grundle- und Amazon konnte man sich die Auswirkungen auf gend verändert wird, bringen disruptive Technolo- unser tägliches Leben durch das Internet nicht vor- gien oftmals einen politischen Diskurs in Gang. Ein stellen. Viele Branchen haben disruptive Technologi- weiteres Merkmal von disruptiven Technologien en bereits hinter sich. Die Musikbranche erlebte den ist, dass noch gar keine entsprechende Regulierung digitalen Wandel mit Napster, iTunes und Spotify vorhanden ist und die gesetzlichen Rahmenbedin- (Streaming), die Filmindustrie mit Blockbuster und gungen erst geschaffen werden müssen. Ansonsten Netflix. Die Fahrdienstplattform Uber revolutionierte drohen späterer Ausschluss, Einschränkungen oder die Taxibranche ohne eigene Autos zu besitzen. Füh- Korrekturen der Wettbewerbskommission.3 Im rende Anbieter im Gastgewerbe (booking.com, hotel. Gegensatz zu anderen Gesellschaftsbereichen und com, Airbnb) besitzen keine eigenen Immobilien. Branchen, in welchen der disruptive Wandel bereits Sind führende Finanzdienstleister zukünftig Institute stattgefunden hat, gehört der Finanzsektor zu den am ohne Banklizenz? stärksten regulierten Wirtschaftszweigen. Was heute noch skurril klingen mag, sollte man nicht Die Eidgenössische Finanzmarktaufsichtsbehörde per se negieren. Es ist durchaus denkbar, dass zu- FINMA beaufsichtigt und kontrolliert die Akteure mindest gewisse Finanzdienstleistungen in Zukunft auf dem Finanzplatz Schweiz. Um die hoheitliche nicht mehr alleine von Banken und Versicherungen Funktion der Aufsicht über die Schweizer Finanz- betrieben werden. Während sich viele Technologien branche wahrnehmen zu können, ist die FINMA noch im Entwicklungsstadium befinden, hat eine die institutionell, funktionell und finanziell unabhängig. Markteinführung schon hinter sich. Blockchain, die Wichtigste Ziele der Finanzmarktregulierung sind Technologie hinter der digitalen Währung Bitcoin. der Individualschutz (Gläubiger-, Anleger- und Ver- Schleichend hat eine virtuelle Währung in der realen sichertenschutz), die Systemstabilität, die Gewähr- Wirtschaftswelt ihren Platz eingenommen. Bitcoins leistung der Funktionsfähigkeit und der Wettbe- können Online gekauft, aber auch an Geldautoma- werbsfähigkeit der Finanzmärkte. Die Regulierung ten bezogen und in ausgewählten Geschäften zur des schweizerischen Finanzmarktes (Finanzmar- Bezahlung verwendet werden. Die Blockchain ist karchitektur) genügte in verschiedenen Bereichen eine dezentrale Datenbank für alle Arten von Trans- nicht mehr und befindet sich zurzeit in Revision. aktionen. Sie hat das Potential ganze Bankdienstleis- Einerseits ist seit dem 1. Januar 2016 das neue tungen in Zukunft anders abzuwickeln. Es können Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) in Kraft. neue Methoden von Finanztransaktionen geschaffen Andererseits sollen frühestens 2018 das Finanz- werden, welche sich ausserhalb der heute bekannten dienstleistungsgesetz und das Finanzinstitutsgesetz Finanzmarktinfrastrukturen abspielen. (FIDLEG / FINIG) hinzukommen, die einheitliche Wettbewerbsbedingungen für Finanzintermediäre „Banking is necessary, banks are not.“ schaffen und den Kundenschutz verstärken sollen. (Bill Gates) Die Aufsicht der FINMA ist im Finanzmarktauf- sichtsgesetz (FINMAG) geregelt. Sie ist zuständig  für den Finanzmarkt, für den insbesondere folgende Gesetze relevant sind: ° Pfandbriefgesetz ° Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ° Kollektivanlagengesetz (KAG) ° Bankengesetz (BankG) / (ca. ab 2018 FINIG) ° Börsengesetz (BEHG) / (fällt in Zukunft weg) ° Geldwäschereigesetz (GwG) ° Versicherungsaufsichtsgesetz Einzelne Finanzdienstleistungen der Banken könnten ° Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) somit obsolet werden und die bestehenden Fi- (seit 1.01.2016 in Kraft) nanzmarktinfrastrukturen stark verändern. Diese ° Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) Entwicklung ist von Banken, Zentralbanken und (ca. ab 2018) Regierungen ernst zu nehmen. Banken sind gut be- raten in ihrer Strategie Blockchain (und weitere noch Die FINMA reguliert durch Verordnungen und unbekannte Technologien) zu berücksichtigen. Rundschreiben. Bei der Regulierung berücksichtigt sie die Kosten, die den Beaufsichtigten entstehen, Auswirkungen auf die Innovations- und Wettbe- werbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes, interna- tionale Mindeststandards sowie die 10 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten und Risiken Bewilligung im engeren Sinne der Beaufsichtigten. Weitere Bestandteile der Schwei- In die Kategorie der Bewilligungen im engeren Sinne zer Finanzmarktarchitektur bilden Bundesratsver- gehören: ordnungen zu den Schweizer Finanzmarktgesetzen ° Banken und Effektenhändler (bspw. Eigenmittelverordnung ERV im Zusammen- ° Versicherungen hang mit der „too big to fail“ Problematik) sowie ° Institute und Produkte nach KAG das Nationalbankengesetz (NBG). Wer auf dem ° Finanzmarktinfrastrukturen Schweizer Finanzmarkt tätig sein möchte, benötigt grundsätzlich eine Bewilligung der FINMA. Die FINMA kennt vier Bewilligungsformen, die un- terschiedlich stark überwacht werden. Dazu zählen: ° Bewilligung ° Anerkennung ° Genehmigung ° Registrierung Bewilligung Die Bewilligung für eine Tätigkeit im Finanzmarkt ist die häufigste Art der Erlaubnis, die von der FINMA vergeben wird. Banken, Versicherungen, kollektive Kapitalanlagen und Finanzmarktinfrastrukturen Banken müssen hohe Anforderungen in organisatorischer, Eine bewilligungspflichtige Banktätigkeit liegt dann finanzieller und risikominimierender Hinsicht vor, wenn gewerbsmässig Gelder vom Publikum ent- erfüllen und werden von der FINMA prudenziell gegengenommen werden oder wenn dafür öffentlich überwacht. Einer Bewilligungspflicht unterliegen geworben wird. Ebenfalls Banken vorbehalten ist die auch die direkt der FINMA unterstellten Finanzin- Entgegennahme von Geldern für den Devisenhandel. termediäre (DUFI). Bei diesen wird anschliessend Wer keine Banklizenz hat, darf grundsätzlich keine nur überwacht, ob sie die Sorgfaltspflichten zur Ver- Publikumsgelder gewerbsmässig entgegennehmen. meidung von Geldwäscherei einhalten. Konkret geht Gewerbsmässigkeit liegt bei jeder selbstständigen, es darum zu prüfen, ob der DUFI die notwendigen auf die Erzielung regelmässiger Erträge ausgerichte- Vorkehrungen zur Verhinderung von Geldwäscherei ten Tätigkeit vor und wird bei mehr als 20 Kunden getroffen hat. zwingend angenommen.4 Anerkennung Finanzmarktinfrastrukturen Eine weitere Bewilligungsform ist die Anerkennung. Finanzmarktinfrastrukturen sind Börsen, multi- So erteilt die FINMA die Anerkennung für Selbstre- laterale Handelssysteme, zentrale Gegenparteien, gulierungsorganisationen (SRO) und Ratingagentu- Zentralverwahrer, Transaktionsregister und Zah- ren. Letztere überwacht die FINMA nicht. lungssysteme.5 Sie erlauben es, die Verarbeitungs- schritte zu standardisieren, zu automatisieren und Genehmigung zu beschleunigen. Dies trägt dazu bei, die Kosten In wenigen Finanzmarktbereichen genehmigt die und die Risiken zu senken, die mit dem Handel, der FINMA auch Produkte und Tarife. Die Produkte der Abrechnung und der Abwicklung von Transaktionen kollektiven Kapitalanlagen, der beruflichen Vorsorge mit Finanzinstrumenten verbunden sind. und der Krankenzusatzversicherungen werden von der FINMA genehmigt. Im Versicherungsbereich Sector regulator vs. self-regulation überprüft die FINMA im Rahmen einer sogenannt Selbstregulierung hat im Finanzsektor der Schwei- „präventiven Produktekontrolle“ Allgemeine Versi- zer Wirtschaft eine lange Tradition. Sie bildet die cherungsbedingungen (AVB) und Tarife. Schnittstelle zwischen privatautonomer Regelset- zung und staatlicher Gesetzgebung. Die FINMA Registrierung unterscheidet zwischen der freien, der als Mindest- Die FINMA führt ein Register von zugelassenen Ver- standard anerkannten6 und der obligatorischen sicherungsvermittlern. Auch der Eintrag ins Register Selbstregulierung. Bei den beiden letztgenannten ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Nach Selbstregulierungsformen wirkt der Staat mit, wes- der Registrierung übt die FINMA allerdings keine halb sie auch als Koregulierung bezeichnet werden.7 laufende Aufsicht aus. Obligatorische Selbstregulierung beruht auf einem Auftrag des Gesetzgebers an die Selbstregulatoren, einen Sachverhalt durch Selbstregulierung zu regeln. Vorteile der Selbstregulierung sind Praxisnähe, Flexibilität und ein hoher Differenzierungsgrad. Die Schweizer Banken geben sich selber (mit dem Einverständnis der FINMA) Standesregeln in Gestalt von Richtlinien und Vereinbarungen. Diese um- schreiben Anforderungen an eine den guten Sitten entsprechende, modern ausgedrückte und ethisch korrekte Geschäftsführung. World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017 11
Die FINMA lässt die Einhaltung der Standesregeln verzichtet, spezifische Aufsichtsregeln für E-Geld zu durch die bankengesetzlichen Prüfgesellschaften erlassen. Eine Bewilligung als E-Geld-Institut, eine kontrollieren. Bei Verletzungen kann die FINMA Fintech-Verfügung oder Bankverfügung-light gibt Sanktionen verhängen. Standesregeln sind dort es in der Schweiz noch nicht. Trotzdem scheinen die sinnvoll, wo der Gesetzgeber bewusst Raum dafür gesetzlichen Grundlagen zumindest für die Bewilli- lässt oder wo es im Interesse der Banken liegt, mittels gung und Überwachung von E-Geld in der Schweiz eigener Normen ihr Verhalten selber zu regeln. klar.17 In der Schweiz unterstehen Zahlungssysteme (Dienstleistungen im Zahlungsverkehr) dem 6. Regulierung von Fintech Nationalbankgesetz18, dem FinfraG19 und dem GwG. Welche Fintech bezogenen Regulierungen gibt es Finanzmarktinfrastrukturen sind nach dem neuen bereits und welche stehen im Bezug auf die Schweiz FinfraG bewilligungspflichtig. Ein Zahlungssystem momentan zur Diskussion? benötigt immer dann eine Bewilligung der FINMA, wenn das Zahlungssystem nicht durch eine Bank betrieben wird und wenn die Funktionsfähigkeit des EU Regulierung (Richtlinie 2009/110/EG) Finanzmarkts oder der Schutz der Finanzmarktteil- Um Markzutrittsschranken zu beseitigen und die nehmerinnen es erfordern. 20 Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von elektro- nischem Geld zu erleichtern, wurde auf europäischer Ebene schon seit geraumer Zeit eine Richtlinie zur Bisherige Massnahmen der FINMA: Beaufsichtigung und Tätigkeiten von E-Geld-Insti- Die FINMA setzt sich intensiv mit Fragen betref- tuten erlassen. Elektronisches Geld (kurz E-Geld) ist fend Fintech auseinander .21 Dabei geht es nicht nur neben dem Zentralbankgeld und dem Buchgeld der um E-Geld, sondern um ganzheitliche und Fin- Geschäftsbanken eine dritte Erscheinungsform des tech-freundliche Rahmenbedingungen. Da immer Geldes. Darunter fallen zum Beispiel „mobile-pay- mehr Finanzintermediäre ihre Kunden über Internet ment system“. Kryptowährungen wie Bitcoin sind und via mobile Geräte ansprechen, hat die FINMA vom Geltungsbereich der E-Geld Verordnung jedoch zumindest die aufsichtsrechtlichen Rahmenbe- abzugrenzen. Zum Gegenstand und Geltungsbe- dingungen in die Wege geleitet, um die Aufnahme reich der Richtlinie gehören neben herkömmlichen von Geschäftsbeziehungen über digitale Kanäle zu Kreditinstituten auch sogenannte E-Geld-Institute.8 ermöglichen. In einem neuen Rundschreiben werden E-Geld-Institute unterrichten die zuständigen Behör- Sorgfaltspflichten der Geldwäschereiregulierung den im Voraus über alle wesentlichen Änderungen im Kontext von digitalen Finanzdienstleistungen der zur Sicherung der Gelder getroffenen Maßnah- entsprechend dem Prinzip der Technologieneut- men, die für ausgegebenes E-Geld entgegengenom- ralität ausgelegt. Im Zentrum steht die Video-und men wurden.9 Anfangskapital und Eigenmittelanfor- Online-Identifikation.22 Das Rundschreiben ist seit derungen für E-Geld-Institute sind klar geregelt. Als dem 18. März 2016 in Kraft. Das Projektteam der IFZ Tätigkeiten sind die Ausgabe von E-Geld, die Ge- FinTech Study 2016 der Hochschule Luzern hat sich währung von Krediten im Zusammenhang mit dem intensiv mit Fintech in der Schweiz auseinanderge- Zahlungsdienst und der Betrieb von Zahlungssyste- setzt. Es wurde erkannt, wie wichtig eine FinTech-ad- men erlaubt.10 Nicht erlaubt ist die Entgegennahme äquate Regulierung ist. Um Hürden für den digitalen von Einlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern Finanzplatz abzubauen, plädiert auch die FINMA des Publikums. Entgegengenommene Gelder müssen dafür, eine neue Bewilligungskategorie für einfache unverzüglich in E-Geld umgetauscht werden.11 Geldinstitute zu schaffen. Bezüglich Regulierung Personen, die keine E-Geld Emittenten sind, ist die steht die Schweiz in einem globalen Konkurrenz- Ausgabe von E-Geld untersagt.12 kampf mit anderen Standorten wie London oder Singapur. Diese Städte sind zurzeit daran, die regu- latorischen Hürden zu verringern, um innovative Regulierung in Liechtenstein FinTech-Unternehmen anzuziehen23. In der Schweiz Zum Schutz der am E-Geldgeschäft Beteiligten sowie werden somit weiterhin grosse Anstrengungen nötig zur Sicherung des Vertrauens in den liechtenstei- sein, um attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen nischen Finanzmarkt13 wurde ein E-Geld Gesetz und in diesem globalen Wettbewerb bestehen zu (EGG) und eine E-Geld Verordnung (EGV) erlassen. können, sagt der Projektleiter der IFZ Fintech Studie Damit wurde die Richtlinie 2009/110/EG der EU auf Dr. Thomas Ankenbrand. Trotz der Herausforderun- nationaler Ebene umgesetzt. Wer in Liechtenstein gen gelangen die Studienautoren zum Fazit, dass der gewerbsmässig E-Geld ausgeben will, bedarf einer Schweizer FinTech-Markt international kompetitiv Bewilligung als E-Geld Institut durch die liechten- ist und sich für weiteres Wachstum gut positioniert steinische Finanzmarktaufsicht (FMA).14 hat.24 Situation in der Schweiz Die Ausgabe von Zahlungsmitteln ist grundsätzlich 6.1 FINMA Vorschlag: eine staatliche Aufgabe. Das Geld- und Währungs- Nicht regulierter „Sandkasten“ und eine wesen ist Sache des Bundes15, diesem allein steht das neue Bewilligungskategorie Recht zur Ausgabe von Münzen, der Nationalbank Will die Schweiz nachhaltig bessere Rahmenbedin- die Ausgabe von Banknoten zu.16 Kein Monopol be- gungen für Fintech schaffen, muss auch die überge- steht für Buchgeld, welches Geschäftsbanken durch ordnete Regulierung angepasst werden. Nicht zuletzt die Gewährung von Krediten schaffen können oder aufgrund der intensiven Kontakte der FINMA mit Dienstleistungen im Zusammenhang mit elektroni- der Fintech-Branche konnten verschiedene Pro- schem Geld. Im Unterschied zur Regulierung in der bleme mit den rechtlichen Rahmenbedingungen Europäischen Union hat die Schweiz bisher darauf identifiziert werden. Die grössten Hürden schafft die Bankengesetzgebung. 12 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
Vor diesem Hintergrund hat die FINMA ein Kon- Das zweite Element kann als Innovationsraum zept für zwei neue Regulierungsgefässe entwickelt: bezeichnet werden („Sandbox“). In diesem Raum Ein nicht regulierter „Sandkasten“ und eine neue kann ein Anbieter unbeschränkt viele Publikum- Bewilligungskategorie für Finanzinnovatoren. Das seinlagen bis zu einem Gesamtwert von 1 Million Konzept beruht auf der in der Schweiz traditionellen Franken entgegennehmen. Diese Tätigkeiten müssen prinzipienbasierten Regulierung und versteht sich nicht von der FINMA bewilligt und überwacht nicht im Sinne einer neuen Regulierung, sondern als werden. Eine Offenlegung dieser Tatsache ist jedoch Erleichterungen von bestehender Regulierung. zwingend. Auch finden die geltenden Geldwäscherei- bestimmungen bei der „Sandbox“ Anwendung. Viele der neuen Geschäftsmodelle im Fintech-Be- reich befinden sich noch in der Versuchsphase. Diese Das dritte Element beinhaltet die eigentliche Phase ist bei der Entwicklung von Innovationen ent- Fintech-Lizenz, welche durch die FINMA erteilt scheidend. Dafür soll ein Raum geschaffen werden, wird. Für Institute, die sich auf das Passivgeschäft in dem Finanzinnovatoren ihre Geschäftsmodelle (Entgegennahme von Publikumseinlagen) beschrän- erproben können. So kann der Markt und nicht der ken und somit kein Aktivgeschäft mit Fristentrans- Staat entscheiden, ob ein Geschäftsmodell zukunfts- formation betreiben, sollen tiefere regulatorische fähig ist. Gleichzeitig soll der potentielle Schaden für Anforderungen gelten als für klassische Banken. So Anleger und Gläubiger klar eingegrenzt werden. Eine ist eine Beteiligung am Einlegerschutz-System nicht solcher „Sandkasten“ bereichert die Innovationsför- vorgesehen. Die von Anbietern mit Fintech-Lizenz derung in der Schweiz.25 entgegengenommenen Publikumseinlagen dürfen insgesamt den Wert von 100 Millionen nicht über- Die neue Bewilligungskategorie für Finanzin- schreiten. Sofern der Schutz des einzelnen Kunden novatoren soll offen formuliert und die Regeln durch besondere Auflagen gewährleistet ist, kann die prinzipienbasiert definiert werden, so dass sie auf FINMA einen höheren Schwellenwert zulassen. Für verschiedene Geschäftsmodelle passt (auch auf Institute mit der neuen Lizenz soll das Mindestkapi- solche, die heute noch gar nicht erfunden sind). Die tal fünf Prozent der entgegengenommenen Publi- neue Bewilligungskategorie soll anwendbar sein auf kumseinlagen betragen, mindestens aber 300‘000 Geschäftsmodelle, die kein bankentypisches Geschäft Franken. betreiben, aber gewisse Elemente der Bankentätig- keit benötigen. Solche Geschäftsmodelle beinhalten per Definition weniger Risiken als das klassische 7. Level playing field? Bankgeschäft. Die Bewilligungsvoraussetzungen sind hier folglich weit weniger umfangreich als bei einer „If you have ten thousand regulations you Bankenlizenz. Damit können wesentliche Marktein- destroy all respect for the law. “ trittsschranken abgebaut werden, ohne beim Schutz- (Winston Churchill) niveau Kompromisse machen zu müssen. Dies dürfte für die Attraktivität des Schweizer Finanzplatzes ein Ist die Bevorzugung gerechtfertigt? Die Vernehmlas- positives Signal aussenden. sungsvorlage des Bundes geht in eine wettbewerbs- fördernde Richtung. Die gesetzlichen Erleichterun- 6.2 Vernehmlassungsvorlage (Bund)26 gen der neuen Bewilligung sind für Institute gedacht, Entlang dem von der FINMA entwickelten Konzept, welche keine typische Bankgeschäfte im klassischen soll nun ein Regulierungsvorschlag ausgearbeitet Sinn betreiben, sondern nur gewisse Elemente einer werden. Der Bundesrat hat sich an seiner Sitzung Banktätigkeit anbieten. Solche bergen per se ein ge- vom 2. November 2016 für Erleichterungen bei den ringeres Risiko und rechtfertigen einen erleichterten regulatorischen Rahmenbedingungen für Anbieter Marktzugang. Demzufolge sind die Regulierungs- von innovativen Finanztechnologien ausgespro- vorschläge nicht als zusätzliche Regulierungen zu chen.27 Ein dynamisches Fintech-System kann verstehen, sondern als Erleichterung von bestehen- wesentlich zur Qualität des Schweizer Finanzplatzes den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Regulierte beitragen und dessen Wettbewerbsfähigkeit stärken. Fintech-Unternehmen stärken das Vertrauen der Die Erleichterungen sollen Markteintrittshürden Gesellschaft in digitale Dienstleistungen und E-Geld. für Anbieter im Fintech-Bereich verringern und die Rechtssicherheit für die Branche insgesamt erhö- Die Kunst der angemessenen Regulierung besteht aus hen. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) einer Mischung von staatlicher Regulierung (sand- wurde beauftragt, eine entsprechende Vernehmlas- box und neue Fintech-Bewilligung) sowie freier, als sungsvorlage auszuarbeiten. Der Bundesrat strebt Mindeststandard anerkannter oder obligatorischer eine möglichst umfassende, aber auch zukunftsfähige Selbstregulierung. Das Crypto-Valley Zug hat einen Lösung an und schlägt deshalb einen Ansatz mit drei eigenen, spezialisierten Regulator für Kryptowährun- sich ergänzenden Elementen vor: gen und blockchain-basierte Geschäftsmodelle. Mit hoher Kompetenz sorgt er für Transparenz, Fairness Das erste Element legt eine Frist von 60 Tagen und Stabilität. Fintech-Firmen können sich auf frei- für das Halten von Geldern auf Abwicklungskonten williger Basis dieser Regulierung unterstellen. fest, was insbesondere für Anbieter von Crowdfun- ding-Dienstleistungen relevant ist. Die Mittelbe- Banken vs. Fintech? Fintegration! schaffung für ein Crowdfunding-Projekt kann damit Fintech-Unternehmen sind mit dem Plan angetre- erleichtert werden. Diese Anpassung wäre nicht auf ten, Banken und Versicherungen verschwinden zu Fintech-Unternehmen beschränkt, sondern würde lassen. Aber Sie haben gemerkt, dass sie die Banken allgemein gelten. als Kunden (noch) brauchen. Gleichzeitig brauchen World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017 13
die Banken die Technologie. Gemäss Deloitte-Exper- te Jan Seffinga entsteht am Ende eine Abhängigkeit und bestenfalls eine Win-Win-Situation.28 Banken sind gut beraten Blockchain und andere innovative Finanztechnologien in ihrer Strategie miteinzube- ziehen. Es ist an der Zeit die bestehenden Strukturen und Prozess zu überdenken und anzupassen. Dabei sollte man sich mit Fintech Unternehmen koopera- tionsbereit zeigen. Gepaart mit den neuen regulato- rischen Vorschriften, könnte die Fintegration in der Schweiz klappen. Während der Wettlauf zwischen alteingesessenen Finanzinstitutionen und Start-ups noch im Gang ist, steht zumindest der Konsument als Gewinner fest. Der kann sich über Angebote freuen, die einfacher zu bedienen sind und dazu mit niedrigeren Kosten einhergehen.29 8. Cash is king oder bye-bye Bargeld? Eine Welt ganz ohne Bargeld ist zurzeit noch nicht in Sicht. Bargeld dient weiterhin als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel. Einen Vorteil von Bargeld ist, dass bei der Bezahlung keine Transaktionskos- ten (Gebühren) verlangt werden. Auch besteht bei ausschliesslichen Online-Geschäften im Gegensatz zur „Wirklichkeit“ immer eine gewisse Abhängigkeit zu den Geschäftsbedingungen der Anbieter. Weiter gewährleistet Bargeld die Anonymität der Zahlen- den. Dies kann sowohl positiv, wie auch negativ ausgelegt werden. Zumindest grosse Noten werden immer häufiger in ihrer Existenz hinterfragt30 und teilweise bereits heute aus dem Verkehr gezogen. In Indien hat die Regierung die beiden grössten Banknoten 500 und 1000 Rupien am 9. November 2016 völlig überra- schend für ungültig erklärt und sorgte mit der damit verbundenen Umtauschaktion für einen absoluten Ausnahmezustand. In Europa soll per Ende 2018 die 500 EUR Note aus dem Verkehr gezogen werden. In den USA wird über die Abschaffung des 100 USD Scheins diskutiert. In Schweden gibt es bereits heute Lokale, in denen ausschliesslich per Karte bezahlt werden kann. Schweden wird auch als jenes Land gehandelt, welches in ferner Zukunft als erstes Land komplett bargeldlos funktionieren könnte. Schlussendlich entscheiden die Kunden mit ihrem Nutzenverhalten, wie sie in Zukunft bezahlen wollen. Wahrscheinlich wird das Smartphone eines Tages komplett zur digitalen Geldbörse. Dann sollten wir als Konsumenten aufpassen, dass der Akku nie ausgeht und wir immer über eine leistungsfähige Internetverbindung verfügen. Thomas Stillhart 14 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
Schweizer Universitäten vernetzen Wissenschaft, Wirtschaft und Regulatoren in Blockchain[X]-Konsortium Blockchain hat das Potential, verschiedene Industrien umzukrempeln – darin sind sich Experten einig. Noch Uneinigkeit herrscht über den Zeitpunkt und das Ausmass. Aus diesem Grund wurde unter dem Motto SEE – ACT – LEAD die Plattform Blockchain[X] von ETH Zürich und der Hochschule St. Gallen (HSG) gegründet. Die Mitglieder aus Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden haben innerhalb des Konsortiums direkt Zugriff auf die neusten Forschungsergebnisse und Wirksamkeitsstudien und können mit Experten und Branchenkollegen in Kontakt treten. Blockchain[X] wirkt bei der Entwicklung von Prototypen und Pilot-Projekten mit. Blockchain[X] fokussiert auf spezifische Fachbereiche, die für den gesellschaftlichen, technischen und ökonomischen Erfolg dieser noch sehr jungen Technologie von entscheidender Bedeutung sein werden. Darin werden die Subgruppen Finance, Government & Legaltech, Energy & Cleantech und TransTech identifiziert. Für World of Business Law möchten wir die Subgruppe LegalTech näher be-- Blockchain[X] Workshop 9. Mai 2017 E-Identity / KYC an der ETH Zürich leuchten. Was versteht man unter Goverment & LegalTech? Zu dieser Frage herrschen verschiedene Auffassungen. Bei Blockchain[X] geht es darum, welche Technologien es dem historisch sehr traditionellen Rechtssektor erlauben werden, die neue Welt der Blockchain mit den dem Gesetzgeber bekannten Rechtsinstitutionen zu verbinden. Zum Beispiel bedürfen 'Smart contracts', wie sie im Blockchain Umfeld verstanden werden, neuer Codierungen, Gesetze und Rechtspraktiken, damit sie nützlich und rechtskräftig werden. Was will die Blockchain LegalTech Fokusgruppe erreichen? Die Gruppe will engagierte LegalTech Firmen, Experten, Regulatoren und Forscher an einen virtuellen oder realen Tisch bringen, um die noch ausstehenden Hürden zu identifizieren und verschiedene Projektgruppen zu formieren. In diesen sollen Problemstellungen artikuliert und Lösungen in Pilotprojekten umgesetzt werden, um konkrete wegweisende Resultate zu produzieren. Wir stehen ganz am Anfang dieser Bewegung und haben hier die einmalige Chance, einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung von Technologie im Rechtsbereich zu leisten. http://www.blockchainx.ch info@blockchainx.ch
vi e w Inter Der Weg zum Steuerberater ° Ein Interview mit Fabio Stauffer, Steuerberater in Winterthur. - Das Interview wurde schriftlich geführt von Pascal von Ah. F abio Stauffer arbeitet als Steuer- berater für PwC in Winterthur. Er hat das WR-Studium an der ZHAW absol- viert und widmet sich momentan der Ausbildung zum eidgenössisch diplo- mierten Steuerexperten. Fabio Stuaffer Guten Tag Herr Stauffer, bitte stellen Sie Würden Sie sich nochmals für den Studi- sich den Lesern vor. engang Wirtschaftsrecht entscheiden? Mein Name ist Fabio Stauffer, ich bin 35 Jahre Das interdisziplinäre und praxisorientierte Wirt- alt, verheiratet und habe zwei Kinder. Ich komme schaftsrechtsstudium hat für meine Steuerberatungs- aus Wil und habe mein Teilzeitstudium in Wirt- tätigkeit sowohl aus fachlicher als auch aus methodi- schaftsrecht an der ZHAW 2013 abgeschlossen. Seit scher Sicht eine ideale Grundlage geschaffen. Zudem Dezember 2012 arbeite ich bei PwC Winterthur in habe ich in dieser Zeit viele Dinge gelernt, die auch der Steuerberatung, wo wir in einem kleinen Team im Privaten nützlich und wichtig sind. Aus diesen Dienstleistungen zugunsten juristischer Personen Gründen ist mein Fazit klar: Ich würde mich sofort erbringen. Meine Freizeit verbringe ich am liebs- wieder für diesen Studiengang entscheiden. ten mit meiner Familie und meinen Freunden. Als Ausgleich zu meiner sitzenden Bürotätigkeit bin ich Bei welchem Unternehmen haben Sie wäh- gerne sportlich in der Natur unterwegs. rend ihrer Studienzeit gearbeitet? Ich habe während der gesamten Studienzeit zu 60% Warum haben Sie sich damals für ein als Aussendienstmitarbeiter beim Unternehmen Wirtschaftsrechtsstudium entschieden? Polar gearbeitet, welches im Bereich der Produktion Der hauptsächliche Beweggrund für die Studienwahl und des Vertriebs von Herzfrequenzmessern tätig ist. lag bei mir im Interesse am Fachgebiet Recht. Der Was ist für Sie der Vorteil eines Teilzeitstudiums? Studiengang Wirtschaftsrecht brachte den grossen Im Vergleich zu einem Vollzeitstudium bedeutet das Vorteil mit sich, dass ich meinem damaligen Job Teilzeitstudium mit begleitender Arbeitstätigkeit im Teilzeitpensum weiterhin nachgehen konnte. ganz klar einen zusätzlichen Effort. Teilweise kam es Dies war insbesondere aufgrund des geregelten bei mir zu stressigen Zeiten. Ich habe jedoch gelernt, Unterrichts an der ZHAW möglich, der während mit solchen Situation umzugehen. Effizientes Arbei- der gesamten Studienzeit jeweils am Mittwoch und ten und gute Planung sind der Schlüssel zum Erfolg. Donnerstag stattfand. Zudem ist die Berufserfahrung im späteren Bewer- bungsprozess ein klarer Pluspunkt. 16 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
Was ist Ihnen positiv in Erinnerung Ich kann Studierenden eine Teilnahme an solchen geblieben, wenn Sie an Ihre Studienzeit Anlässen nur empfehlen. Man erhält wertvolle Er- fahrungen und Informationen. Ausserdem kann man zurückdenken? aus erster Hand einfacher herausfinden, ob einem Als positiver Punkt kommen mir spontan die vielen ein gewisser Fachbereich sowie das Unternehmen interessanten Vorlesungen und die neuen Kontakte, als Ganzes überhaupt zusagen oder eher nicht. Das die ich knüpfen konnte, in den Sinn. Zu einigen Knüpfen von Kontakten und dabei einen positiven Mitstudenten pflege ich noch heute regelmässigen Eindruck zu hinterlassen, ist sehr wichtig. Kontakt. Auch die Prüfungsvorbereitungen habe ich Wann konnten Sie die Stelle bei PwC antreten? positiv in Erinnerung. Es galt, innert kürzester Zeit Rund ein halbes Jahr vor Studienabschluss habe ich viel Stoff zu verarbeiten. Jedoch konnte ich mich zwei meine Arbeitstätigkeit als Steuerberater bei PwC bis drei Wochen voll auf den Lernstoff konzentrieren. aufgenommen. Des Weiteren konnte ich mir die Zeit selber einteilen, das hat mir gut gefallen. Waren Sie gut auf diese Stelle vorbereitet? Aufgrund der vielen Steuerrechtsvorlesungen und Was sind die Stärken und Schwächen die- der juristischen Arbeitsweise, die an der ZHAW ver- ses Studienganges? mittelt wird, war ich für diesen Berufseinstieg meines Als Stärke sehe ich den praxisorientierten und per- Erachtens sehr gut vorbereitet. Viele Dinge kannte sönlichen Unterricht. Auch die vermittelte Methodik ich zwar erst aus der Theorie und ich musste zuerst in Bezug auf das juristische Arbeiten erachte ich als lernen, wie diese in der Praxis überhaupt umgesetzt Pluspunkt. werden. Beispielsweise war mir das Ausarbeiten einer In der Regel wird ein Absolvent des Studiums Wirt- Steuererklärung für natürliche Personen bestens be- schaftsrecht noch eine Folgeausbildung machen müs- kannt, ich hatte jedoch noch nie eine Steuererklärung sen. Falls man eine klassische juristische Laufbahn für eine juristische Person ausgefüllt. anstrebt und nach dem Bachelor noch den Master machen möchte, ist ein Bachelor an einer Univer- Waren Ihre Noten wichtig bei der Bewer- sität wohl vorteilhafter. In diesem Fall muss keine Passerellenprüfung absolviert werden und man hat bung? dadurch bei der Auswahl der Universität viel mehr Ich denke, dass ein Bachelordiplom und gute Noten Optionen. vor allem für den ersten Eindruck einer Bewerbung und für die Einladung zum Vorstellungsgespräch wichtig sind. Wenn man aber erst einmal eine Zusage Sie konnten einige Jahre Berufserfahrung erhalten hat, interessieren deine Noten niemanden sammeln. Was sollte Ihrer Meinung nach mehr. Dann zählt nur noch, dass der Job gut erledigt verbessert werden im Studiengang Wirt- wird. schaftsrecht? Meiner Ansicht nach ging man im Bereich des ZGB Absolvieren Sie zurzeit eine Weiterbil- zu wenig in die Tiefe. Im Gegenzug hätte für mich dung? beispielsweise das Fach Anglo-American Law etwas Ja. Ich bilde mich seit dem Studium an der ZHAW weniger umfangreich gestaltet werden können. fortlaufend weiter. Einerseits führt PwC für ihre Wie kamen Sie mit den Big Four in Berührung? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interne Kurse Ich war während des Studiums an einem sogenann- durch. Die längsten Kurse dauern bis zu einer Woche ten Career Dinner einer Big Four im Restaurant und finden extern in einem Hotel statt. Andererseits Krone in Winterthur. An diesem Anlass haben nur habe ich Ende 2014 mit der berufsbegleitenden wenige Studierende teilgenommen. Ich habe die Ge- Ausbildung zum dipl. Steuerexperten begonnen. legenheit genutzt, um mich in lockerer Atmosphäre Der Unterricht umfasst rund 600 Lektionen und mit acht Mitarbeitern aus verschiedenen Unterneh- findet jeweils am Freitagnachmittag/-abend statt. Die mensbereichen auszutauschen. Entsprechend konnte abschliessenden Diplomprüfungen werde ich diesen ich viele Informationen über das Unternehmen und Spätsommer in Angriff nehmen. dessen verschiedene Bereiche gewinnen. Wie verlief Ihre weitere Karriere nach Was für Möglichkeiten bestehen, um als dem Berufseinstieg? Student mit PwC in Kontakt zu treten? Zu Beginn meiner Tätigkeit bei PwC umfasste mein PwC bietet mit dem sogenannten WELLcome Aufgabengebiet grösstenteils Compliance-Aufgaben, Day einen ähnlichen Anlass für Studierende an. die insbesondere die Ausarbeitung von Steuererklä- PwC-Mitarbeiter aus den Geschäftsbereichen Wirt- rungen, das Prüfen von Steuerveranlagungen und schaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung berich- Steuerrechnungen sowie den Review von Steuerrück- ten von ihren persönlichen Erfahrungen und stellen stellungen beinhalteten. Mit zunehmender Erfahrung das Unternehmen vor. Beim anschliessenden Apéro hat sich mein Aufgabengebiet in den Bereich der hat man zudem die Möglichkeit, in ungezwungener Steuerberatung verschoben. Die Verschiebung des Atmosphäre mit verschiedenen PwC-Mitarbeitern Aufgabenbereichs und die Zunahme des Schwierig- ein paar Worte zu wechseln. keitsgrads der Arbeiten führen dazu, dass die Arbeit stets spannend bleibt. World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017 17
Können Sie uns den Beruf des Steuerbera- Auch nach dem Bestehen der Steuerexpertenprüfung ters etwas näherbringen? werde ich nicht ausgelernt haben. Es ist zentral, sich Ich bin aktuell als Assistant Manager für PwC tätig. über die neusten Entwicklungen und Änderungen Am Standort Winterthur erbringen wir primär Steu- stets auf dem Laufenden zu halten. erberatungsdienstleistungen zugunsten juristischer Als dipl. Steuerexperte stehen einem bei PwC und vereinzelt auch natürlicher Personen. Das Auf- grundsätzlich die Türen offen, um Mandats- und gabengebiet ist sehr breit und umfasst beispielsweise Führungsverantwortung zu übernehmen und sich in das Ausarbeiten von Steuergutachten oder Rulings, diesen Bereichen weiterzuentwickeln. Ganz generell die steuerliche Begleitung von Umstrukturierungen, sind Steuerexperten gefragte Personen und man Immobilientransaktionen oder Unternehmensnach- hat gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Als folgen sowie Verhandlungen mit den Steuerbehörden Alternative zur Beratungstätigkeit bieten sich bei- oder das Verfassen von Einsprachen. Häufig sind Tä- spielsweise auch Stellen im Bereich der öffentlichen tigkeiten bereichsübergreifend und man arbeitet eng Verwaltung oder in der Finanz- und Steuerabteilung mit Spezialisten oder mit Kollegen aus den Bereichen von Konzernen an. Revision oder Legal zusammen. Noch eine letzte Frage: Haben Sie einen Was gefällt Ihnen an diesem Beruf? Tipp für zukünftige Absolventen? Den Beruf des Steuerberaters finde ich deshalb Macht euch frühzeitig Gedanken, in welchem besonders interessant, weil er sich an der Schnittstel- Bereich ihr später einmal tätig sein möchtet. Richtet le von Recht und Betriebswirtschaft bewegt. Nebst euern Fokus an Jobmessen und Events danach aus. den juristischen Fähigkeiten ist auch ein Flair für Bei der Berufswahl solltet ihr unbedingt eure Interes- Zahlen erforderlich. Zudem ist die Steuerberatungs- sen berücksichtigen, da dies eine wichtige Grundlage tätigkeit extrem vielfältig und gebietsübergreifend. für den späteren Erfolg im Berufsleben ist. Häufig Dadurch erhält man immer wieder Einblicke in neue sind die Schulnoten ein guter Indikator. Neben den Fachgebiete. Ich konnte und kann mir fortlaufend Interessen empfehle ich zukünftigen Wirtschafts- zusätzliches Wissen aneignen und neue Erfahrungen rechtsabsolventen zudem, bei der Berufswahl auch sammeln. die Berufschancen in einem Tätigkeitsbereich zu berücksichtigen. Welche Fähigkeiten sollte ein WR-Absol- vent mitbringen, um sich als Steuerberater zu bewerben? Bei der Steuerberatung handelt es sich um ein inter- disziplinäres Tätigkeitsgebiet. Wir haben Mitarbeiter mit juristischem wie auch betriebswirtschaftlichem Hintergrund. Mit dem Studium in Wirtschaftsrecht bringt man somit die idealen Voraussetzungen für „Neben den diese Tätigkeit mit. Gerade für Juristen ist es wichtig, dass sie neben dem Flair für rechtliche Fragestel- Interessen empfeh- lungen auch über ein Flair für Zahlen und betriebs- wirtschaftliche Zusammenhänge verfügen. Zudem le ich zukünftigen Wirtschaftsrecht- muss man flexibel und offen für immer wieder neue herausfordernde und komplexe Situationen sein. absolventen zudem, Eine hohe Lernbereitschaft, Freude am Kontakt mit Kunden und den Steuerbehörden ist eine Grundvor- aussetzung. Mussten Sie sich zusätzliches Fachwissen bei der Berufs- aneignen? Wenn man im Bereich der Steuerberatung tätig sein wahl auch die möchte, bringt man mit dem Wirtschaftsrechtsstu- dium eine gute Grundlage mit. Ich musste mir aber Berufschancen in noch eine Menge an Zusatzwissen aneignen. Neben dem Lernen on the job absolviere ich momentan die einem allfälligen Ausbildung zum dipl. Steuerexperten. Tätigkeitsbereich zu Wie sieht Ihre nahe Zukunft aus? Ich stehe kurz vor dem Abschluss zum Steuerex- berücksichtigen.“ perten. Für mich war bereits gegen Ende meines Studiums klar, dass ich noch den Steuerexperten machen möchte. Ein grosser Vorteil für mich besteht darin, dass mein Arbeitgeber die Ausbildung in vielseitiger Weise unterstützt. Beispielsweise finden vor den Prüfungen jeweils interne Vorbereitungskur- se statt, welche einen bei der Prüfungsvorbereitung unterstützen. 18 World of Business Law Ausgabe Nr° 2 2017
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