Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht

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Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht
Ausgabe

Nr°2
                     W B
                     World of Business Law

  Nathanael Reber
  Der Fall
  Monheim
       - S. 19

   Thierry Urwyler
Der Weg zum
 Doktortitel
       - S. 26

     Gregor Itel
Der Weg zum
Personalleiter
       - S. 42
Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht
StV
2
    WR
    World of Business Law
     Ausgabe Nr° 2 2017
Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht
Doch nicht nur wir sind von der Digitalisierung
                                                            betroffen. Dieser Wandel macht auch vor der
                                                            Finanzindustrie nicht halt. Thomas Stillhart nimmt
                                                            sich dem Thema Fintech: Disruptive Revolution der
                                                            Finanzbranche? an. Gino Wirthensohn, WR-Absol-
                                                            vent der ZHAW, schreibt über seine Erfahrungen
                                                            im RegTech-Bereich. Auch unsere Interviewpartner
                                                            sind von der Digitalisierung betroffen. Philippe
                                                            Zellweger arbeitet im Bereich der internationalen
                                                            Steuerpolitik. Automatischer Informationsaustausch
                                                            und BEPS werden die Steuerpolitik während den
                                                            nächsten Jahren prägen. Fabio Stauffer, Steuerexperte
                                                            bei PwC, ist direkt von diesen Änderungen betrof-
                                                            fen. Er erzählt uns von seinem spannenden Alltag in
                                                            einem Beratungsunternehmen. Abgerundet wird der
                                                            Themenblock Steuerrecht durch eine Case-Study.
                                                            Für die weniger steuer- und technikbegeisterten
                                                            sind die Interviews mit Thierry Urwyler und Gregor
                                                            Itel zu empfehlen. Gregor Itel leitet die Schweizer
                                                            HR-Abteilung einer weltweit tätigen Airline. Damit
                                                            verbunden sind nebst nationalen Sachverhalten auch
                                                            internationale Projekte. Thierry Urwyler arbeitet
                                                            als wissenschaftlicher Assistent an der Universität
                                                            Luzern. Seine Dissertation wird er noch in diesem
                                                            Jahr abgeben. Zum Schluss schreibt Herr Sadri über
                                                            Compliance – ein strategischer Helfer im Kampf
                                                            gegen Korruption.
                                                            Auch bei uns im Verein hat sich viel getan. Wir
                                                            konnten einen komplett neuen Vorstand wählen.
                                                            Angelina, Ivo, Aurora und Amina führen seit dem
                                                            letzten Februar den Verein. Bereits jetzt ist der neue
                                                            Elan spürbar. Ich wünsche den neuen Vorstandsmit-
                                                            gliedern alles Gute für das kommende Jahr.
                                                            Mit dieser Zeitschrift ist viel Herzblut verbunden.
                                                            Ich hoffe, dass Sie, geschätzte Leserinnen und Leser,
                                                            diese Leidenschaft beim Lesen spüren. Ich freue mich

Editorial
                                                            auf Ihr Feedback.

                                                            Remo Artho
                                                            Chefredaktor World of Business Law

    Liebe Studierende
    Ich erinnere mich noch gut an die Einführungstage
    an der ZHAW. Mit gemischten Gefühlen und ein
    bisschen nervös sass ich in der Aula. Nach der Ein-
    führungspräsentation folgten wir unserem «Buddy»
    in das Klassenzimmer. Dieser versprach uns, er wer-
    de dem Klassenchef alte Prüfungen zusenden und
    uns während des ersten Jahres unterstützen. Erhalten
    habe ich nie etwas. «Help-yourself» lautete das Motto
    im ersten Semester. Zum Glück leben wir mittler-
    weile nicht mehr in einer Zeit, wo Studierende ganz
    allein ihrem Schicksal überlassen werden. Unterdes-
    sen hat sich der Studentenverein als feste Grösse im
    Wirtschaftsrechtsstudium etabliert. Egal ob Leis-
    tungsnachweis, alte Prüfungen oder Bücherverkauf –
    der Verein steht den Studierenden zur Verfügung.
    Ein weiteres Produkt des Studentenvereins haltet ihr
    soeben in den Händen. Ihr könnt die Beschaffenheit
    des Papiers spüren, könnt darin blättern und nach
    dem Lesen eure Bibliothek mit dieser Ausgabe ergän-
    zen. Doch wie lange wird das noch der Fall sein? Die
    Digitalisierung schreitet in einem rasanten Tempo
    voran. Gibt es in Zukunft überhaupt noch Papieraus-
    gaben dieser Zeitschrift?

                                               World of Business Law
                                                Ausgabe Nr° 2 2017
                                                                                                                     3
Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht
Inhaltsverzeichnis
            Intern
        3   Editorial
       29   Das sind Wir!
       47   Impressum

            Interviews
       16   Der Weg zum Steuerberater
       22   Der Weg zum Policy Advisor
       26   Der Weg zum Doktortitel
       42   Der Weg zum Personalleiter

            Themenartikel
        5   Vom Wirtschaftsrechtstudium zu einen
            FinTech Incubator and Accelerator
        7   Fintech: Disruptive Revolution der Finanzbranche?
       19   Ist Steuerwettbewerb nützlich oder schädlich?
       33   Compliance – ein strategischer Helfer im Kampf
            gegen Korruption

            Auslandberichte
       30   Irland für Anfänger –
            mein Auslandsemester auf der grünen Insel

4                                           World of Business Law
                                             Ausgabe Nr° 2 2017
Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht
T he m
                                                                                                            e na r
                                                                                                                       tikel

Vom Wirtschaftsrecht-
studium zu einen
FinTech Incubator and
Accelerator
° Text von Gino Wirthensohn

Wie die Digitalisierung zur Veränderung im Berufs-
bild des Juristen führt –und wie man sich dabei als
Wirtschaftsrechtsstudierende optimal positioniert.

                                                                       Gino Wirthensohn

                Während FinTech bereits klassische Dienstleistungen    Berufliche Entwicklung
                von Finanzinstituten herausfordert, steht auch die     Nach meinem Wirtschaftsrechtsabschluss im Jahr
                Rechtsberatung und die Compliance vor einem Para-      2012 habe ich bei einer Wirtschaftsprüfung- und
                digmenwechsel. LegalTech und RegTech werden eine       Beratungsgesellschaft in der Forensic-Abteilung
                Vielzahl von Tätigkeiten automatisieren. Dadurch       angefangen. Nach einigen Monaten E-Mail- und
                verändert sich nicht nur das klassische Berufsbild     Dokumentenreview (dabei ging es um das Ermitteln
                von Juristen und Compliance Officers, sondern es       von allfällig relevanten Fehlverhalten von Bankmit-
                wird auch zu einer Reduktion vom Personalbedarf in     arbeitenden) konnte ich auf die technische Seite des
                diesen Berufszweigen führen.                           Projekts wechseln. Hier ging es um das Aufberei-
                                                                       ten von grossen Datenmengen für den manuellen
                Der Autor des vorliegenden Artikels vertritt die       Review. Dank technischen Massnahmen konnte der
                Ansicht, dass sich angehende Wirtschaftsrechtstudie-   manuelle Reviewaufwand drastisch reduziert werden.
                rende proaktiv mit Technologien und Legal Project      Hier zeigte sich, dass Juristen und IT-Spezialisten
                Management auseinandersetzen müssen, um sich im        unterschiedliche Sprachen sprechen. Ich konnte mich
                steigenden Konkurrenzdruck im Jobmarkt mit den         an dieser Schnittstelle zwischen Recht und Tech-
                technologischen Veränderungen optimal positio-         nologie optimal positionieren, um – in Verbindung
                nieren zu können – und erzählt, wie er mit seinem      mit Projektmanagementerfahrung – einen wichtigen
                Start-up in einen FinTech Incubator und Accelerator    Beitrag zum erfolgreichen Gelingen beizutragen.
                gekommen ist.

                                                           World of Business Law
                                                            Ausgabe Nr° 2 2017
                                                                                                                              5
Nr 2 W B World of Business Law - Der Fall Monheim - Studentenverein Wirtschaftsrecht
Meine nächste berufliche Station hat mich zu einer             Der Einzg in den F10 Accelerator und
    führenden Privatbank gebracht. Zentrale Aufgabe als            Incubator
    Legal Counsel für Outsourcing war das Verstehen                Ein Accelerator ist ein Beschleuniger für die Ent-
    von Datentransfers (zum Teil auch grenzüberschrei-             wicklung eines Start-ups. Dies wird durch Coaching
    tend) und den dazugehörenden Systemen – was nicht              und der Bereitstellung von Know-How erreicht. Ein
    gerade zu den Kernkompetenzen von Juristen gehört.             Incubator ist ein «Boot Camp» für Gründer. Dabei
    Hier waren die bereits erworbenen Projektmanage-               werden die Unternehmensideen oder Geschäftsmo-
    ment- und IT-Kenntnisse ausschlaggebend für das                delle von Spezialisten des Acceleratorprogramms
    Erlangen der Arbeitsstelle. Nächster Job war in einer          intensiv betreut, um ein Konzept innerhalb von nur
    kleinen Bank als Datenschutzbeauftragter. Hier                 wenigen Monaten zu einem marktreifen Produkt
    waren die Informatikkenntnisse noch stärker gefragt            auszuarbeiten. Im Rahmen des Hackathon-Prei-
    und die Kombination Recht und Technologie hat den              ses waren wir direkt für die Finalrunde des F10
    Ausschlag für die Stellenbesetzung gegeben.                    qualifiziert. Dabei waren noch weitere 24 Start-ups
                                                                   aus weltweit über 250 Bewerbungen. Schlussendlich
    Der Hackathon                                                  wurden 14 Start-ups ausgewählt, darunter auch unser
    Im März 2017 fand der Hackathon der Börsenbetrei-              Start-up.
    berin SIX statt. An einem Hackathon entwickelt man
    in kleinen Gruppen während einem Wochenende                    Die Erfahrung im F10 Accelerator und
    eine Software, welche ein bestimmtes Problem lösen
    soll. Dabei sind nicht nur Programmierer willkom-
                                                                   Incubator
                                                                   Neben dem trendigen Open Space Büro mit vielen
    men, sondern auch Designer und «Innovatoren».
                                                                   Farben, «Töggelichaschte» und Tischtennisspiel
    Letztere erkennen im Business («nicht IT Welt»)
                                                                   bietet F10 neben dem Coaching und Mentoring auch
    Problemstellungen. Sobald das Problem identifiziert
                                                                   intensive Ausbildungen in verschiedenen Themen an.
    ist, liegt es an IT-Spezialisten, ein Programm zur
                                                                   Es wird alles getan, um den erfolgreichen Marktein-
    Lösung zu entwickeln. Da ich weder Programmierer
                                                                   tritt vorzubereiten. Zum Zeitpunkt der Verfassung
    noch Designer bin, habe ich mich als «Innovator»
                                                                   dieses Artikels (anfangs Juli 17) befinde ich mich
    beworben und konnte am Hackathon teilnehmen.
                                                                   gerade in der zweiten Woche und bin gespannt, wie
    Zusammen mit drei Programmierern und einer
                                                                   der weitere Verlauf im F10 aussehen wird.
    weiteren «Innovatorin» konnten wir am Sonntag das
    entwickelte Projekt präsentieren. Dabei geht es um
    das automatische Erstellen des Investmentrisikopro-            Fazit
    fils mittels künstlicher Intelligenz. Dieser Prozess           IT-Kenntnisse werden einem im WR-Studium
    wir gegenwärtig manuell durchgeführt. Trotz aller              (noch) nicht vermittelt. Mittels Eigeninitiative sollen
    Umstände (wir haben zwei unserer drei Program-                 Tätigkeiten und zusätzliche Ausbildungen in diesem
    mierer an diesem Wochenende «verloren», d.h. sie               Bereich angestrebt werden. Die Anforderungen
    wollten nicht mehr weitermachen) konnten wir mit               an den juristischen Beruf werden sich verändern.
    unserer Lösung die Jury überzeugen. Der Preis war              Ich empfehle jedem, sich auf diese Veränderungen
    das goldene Ticket für den F10 FinTech Accelerator             vorzubereiten.
    & Incubator.

                                                            Das Start-up
                                                            Riskifier ist ein RegTech Start-up und nutzt Artificial
                                                            Intelligence um Investment Risk Profilig einfach, prä-
                                                            zis und mit besserer User Experience durchzuführen:
                                                            www.riskifier.io

                                                            F10 FinTech Incubator & Accelerator
                                                            Der F10 FinTech Incubator & Accelerator ist eine
                                                            Non-Profit-Organisation, welche Start-ups unter-
                                                            stützt und fördert. Zusammen mit SIX, PwC, Baloise
                                                            Group, Julius Bär, Generali Schweiz, ERI Bancaire
                                                            und eny Finance führt er Startups in den Berei-
                                                            chen FinTech, RegTech und InsurTech zum Erfolg.
                                                            Zusätzlich ermöglicht der Inkubator eine globale
                                                            Zusammenarbeit mit internationalen Finanzinstitu-
                                                            tionen. Das sechsmonatige Programm «Prototype to
                                                            Product», welches am 3. Juli 2017 mit einer Grand
                                                            Opening Veranstaltung in Zürich startete, unterstützt
                                                            die 14 ausgewählten Start-ups, ihr Prototyp in ein
                                                            marktfähiges Produkt zu wandeln.

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                                                                                                           e na r
                                                                                                                      tikel

Fintech: Disruptive Revo-
lution der Finanzbranche?
Innovation und Regulierung im Spannungsfeld

° Text von Thomas Stillhart
 - Quellennachweis online verfügbar unter www.wr-studenten.ch.

              „Müssen sich Banken vor dem technologischen Fortschritt fürchten?
              Braucht es in ferner Zukunft noch traditionelle Banken? Wie sollte man
              Fintech-Anbieter regulieren und gibt es in Zukunft überhaupt noch Bar-
              geld?“

              Die digitale Welt umgibt uns von allen Seiten.         Zum Geheimrezept für einen weiterhin starken
              Obwohl ein neues Phänomen, hat sich gezeigt:           Schweizer Finanzplatz gehören als wichtige Zutaten
              wer sich dem digitalen Markt nicht anpasst, wird       innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für
              im schlimmsten Fall vollkommen verdrängt! Eine         Fintech-Startups sowie strategisch intelligente Ko-
              Annäherung, um den Kundenbedürfnissen der              operationen zwischen bewährten Marktteilnehmern
              Mobilität entgegenzukommen, haben Banken               (Banken) und Fintech-Unternehmen: eine „Fintegra-
              zuletzt durch die Etablierung von Online-Banking       tion“ für die Schweiz.
              und Smartphone-Apps unternommen. In Zeiten
              des demographischen Wandels wird die Finanzwelt        1. Das Phänomen Fintech
              langfristig wesentlich stärker auf netzaffine Kunden   Fintech ist ein Akronym aus den Begriffen Finanz
              eingehen müssen, zumal immer mehr innovative           und Technologie. Finanztechnologie bezeichnet
              Firmen ohne Banken-Background in den Markt             neuartige Lösungen von Anwendungssystemen,
              drängen. Fintech-Unternehmen schiessen zurzeit wie     die eine Neu- oder Weiterentwicklung im Finanz-
              Pilze aus dem Boden und drohen das Fundament           dienstleistungsbereich darstellen. Sie wird meist von
              der streng regulierten Finanzbranche anzugreifen.      Startups und jungen Unternehmen angewandt. Diese
              Dies sorgt für Spannungen zwischen etablierten und     versuchen, etablierten Wettbewerbern, wie beispiels-
              neuen Marktplayern. Die ökonomische, rechtliche        weise Banken, Marktanteile abzunehmen. Hierbei
              und letztlich auch politische Herausforderung ist,     streben die neuen Anbieter typischerweise an, ihr
              zwischen Regulation und Innovation, zwischen           Geschäft ohne Banklizenz betreiben zu können, da
              Status quo und Fortschritt und zwischen traditionel-   die hohen Anforderungen der Bankenregulierung
              lem Bankwesen und Shadow-Banking, die richtige         eine deutliche Markteintrittshürde darstellen.
              Mischung zu finden.

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                                                          Ausgabe Nr° 2 2017
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Den Verbrauchern wird ermöglicht, ohne Mittels-         Die zweite Phase widmeten die Finanzdienstleis-
    mann direkt über das Internet Geld anzulegen, einen     ter der Integration von Kernbankensystemen. Hier-
    Kredit aufzunehmen, Bezahlvorgänge abzuschlie-          für mussten sie Prozesse und Applikationsfunktionen
    ßen oder eine Finanzberatung (Robo-Advisory)            standardisieren, die von Schweizer Standard-Kern-
    in Anspruch zu nehmen. Begünstigt wird Fintech          bankensystem-Anbietern wie Avaloq im Jahr 1996,
    von Entwicklungen im Bereich Big Data und               Finnova im Jahr 2003 oder Temenos im Jahr 2005
    Cloud-Computing, sowie der rasanten Verbreitung         entwickelt und implementiert wurden. Zusätzlich fiel
    von Smartphones, Laptops und Tablets in Verbin-         der Dotcom-Boom in diese Phase, in der verschie-
    dung mit nahezu ständigem Zugriff auf das Internet.     denste Fintech-Innovationen im Bank- und Versiche-
    So ist es auch jungen und kleinen Unternehmen           rungsbereich ihren Ursprung haben. Nennenswert
    möglich, etablierte Unternehmen zu attackieren,         ist das erste Schweizer Internet Banking Direct Net
    oder eine Nische im Markt zu besetzen. Finanztech-      der Credit Suisse aus dem Jahr 1997 sowie das erste
    nologie wird seit dem Aufkommen des Internets als       mobile WAP-Banking der UBS aus dem Jahr 2000.
    eine potenziell disruptive Technologie beschrieben,
    die bestehende Dienstleistungen nahezu vollständig      Die dritte Phase an Fintech-Anwendungen ent-
    ersetzen könnte.                                        wickelt sich derzeit um Kundenprozesse herum, wel-
                                                            che die heutige produkt- und anbieterzentrierte Sicht
    2. Fintech Flashback                                    zu einer kundenfokussierten Logik umkehren. Diese
    Eine kurze Rückblende soll den Einstieg in die The-     Phase ist charakterisiert durch die Adaption neuer
    matik erleichtern. Die Digitalisierung der Finanzin-    IT-Entwicklungen wie etwa Social- Media, Smart-
    dustrie in der Schweiz kann in drei Phasen eingeteilt   phones, Cloud Computing, Big Data oder künstliche
    werden. Die erste Phase (1950-1995) gilt als interne,   Intelligenz. Frühe Beispiele dieser Phase waren die
    die zweite Phase (1996-2007) als dienstleistungs-       Lancierung der Peer-to-Peer-Lending-Plattform
    orientierte und die dritte Phase (2008-heute) als       Cashare im Jahr 2008, die Smartphone-App der
    kundenorientierte Digitalisierung.                      PostFinance im Jahr 2010. Weitere Beispiele sind
                                                            die mobilen Zahlungsmöglichkeiten via Twint und
    Die erste Phase der Digitalisierung konzentrierte       Paymit im Jahr 2015 oder die Blockchain-Plattform
    sich primär auf interne Prozesse wie Zahlungstrans-     Ethereum im selbem Jahr. Der IT-Gigant Apple
    aktionen oder Portfoliomanagement. In diesem            versucht durch die Einführung des hauseigenen
    Bereich fokussierten sich Banken und Versicherer        Bezahlsystems Apple-Pay den EC- und Kreditkarten
    auf die Automatisierung von Geschäftsprozessen. Im      den Rang abzugewinnen. Die Zahl der Online-Bank-
    Zahlungsverkehr wurde 1967 durch die SBG an der         kunden hat sich von 1997 bis 2015 verzehnfacht. 1
    Zürcher Bahnhofstrasse der erste Geldautomat ein-
    geführt. Mit dem CS-Firstphone, bot die Schweize-
    rische Kreditanstalt erstmals alle Basistransaktionen
    via Telefon an.

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3. Schweizer Fintech-Markt                               gesenkt werden, ist potenziell auch viel Geld zu ver-
FinTech Startups haben oft eine Gemeinsamkeit: sie       dienen. Im Monats-Rhythmus veröffentlicht Swiss-
entspringen meist nicht dem traditionellen Banken-       com zusammen mit e-foresight eine Marktübersicht
wesen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Phasen          der Schweizer Fintech-Start-up Landschaft. Zurzeit
der Digitalisierung des Finanzsektors gehören in der     zählen dazu 168 Wettbewerber. Die Landkarte glie-
dritten Phase nicht regulierte Marktakteure (d.h.        dert sich in die Handlungsfelder Investing and Asset
ohne FINMA-Lizenz) zu den treibenden Keyplayer.          Management (45), Crowdfunding (38), Payment
In dieser immer noch andauernden Phase entsteht          (24), Crypto (19), Data Driven Insights (12), Market
derzeit eine Vielzahl an Fintech-Startup-Unterneh-       Information and Advisory Portal (9), Insurance (7)
men. Wo viel Geld verschoben wird, zeitgemässe           und Others (14).
Kundenbedürfnisse berücksichtigt und Kosten

Abbildung 2: Swiss FinTech Start-up Map von Swisscom, Stand 01.11.2016.

Der Kern der Innovation steckt in neuen Technologi-
en. Cryptocurrencies, Blockchain, Digitale Identi-
täten, Zertifikate, Encryption (Verschlüsselungsal-
gorithmen) und andere innovative Technologien
unterstützen den gesellschaftlichen und wirtschaft-
lichen Prozess der Digitalisierung. Sie unterstützen
den freien und unkomplizierten Austausch von
Gütern (B2B und B2C), und sorgen für Stabilität,
Vertrauen und Sicherheit im Netz. Es macht Sinn,
ein Kompetenz-Zentrum zu bilden, in dem Ideen
ausgetauscht und Synergien genutzt werden können.
Analog zum Londoner Inkubator Level 39, einer Ide-
enfabrik an der Canary Wharf in London, entstand
auch in der Schweiz ein Fintech-Mekka mit Sitz in
Zug. Besser bekannt als „Crypto Valley Zug“. Aus
der Vernetzung von Hochschulen, Medien, Venture
Capital, Private Equity, etablierten IT Firmen sowie
jungen Startups entsteht im Crypto Valley Zug ein
attraktives Kompetenz-Cluster, das sich dem interna-
tionalen Wettbewerb stellt.2

                                                          Abbildung 3: Crypto Valley Zug, Sonntags Bilanz
                                                          25-26 / 2015.

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4. Beispiele digitaler Innovation                       5. Regulierung des Finanzmarktes Schweiz
     Viele Fintech Dienstleistungen befinden sich noch in
     der Entwicklungsphase. Es ist ungewiss, welche von               „Innovation vs. Regulierung“
     ihnen tatsächlich zur Marktreife gelangen, denn die
     Tragweite von Fintech-Dienstleistungen kann noch        Während disruptive Technologien und Plattformen
     nicht seriös abgeschätzt werden. Genau diese Unge-      in gewissen Städten oder ganzen Ländern von der
     wissheit im Finanzmarkt, bietet Raum für Spekulati-     Regierung eingeschränkt oder ganz verboten wurden
     onen und zugleich Pionier-Leistungen jeglicher Art.     (bspw. Uber in Paris und Kanada, Airbnb in Berlin
     Die Situation lässt sich mit der Einführung des In-     usw.) gehören Sie in anderen Wirtschaftsräumen
     ternets vergleichen. Noch vor den Zeiten von Google     schon längst zum Alltag. Weil Bewährtes grundle-
     und Amazon konnte man sich die Auswirkungen auf         gend verändert wird, bringen disruptive Technolo-
     unser tägliches Leben durch das Internet nicht vor-     gien oftmals einen politischen Diskurs in Gang. Ein
     stellen. Viele Branchen haben disruptive Technologi-    weiteres Merkmal von disruptiven Technologien
     en bereits hinter sich. Die Musikbranche erlebte den    ist, dass noch gar keine entsprechende Regulierung
     digitalen Wandel mit Napster, iTunes und Spotify        vorhanden ist und die gesetzlichen Rahmenbedin-
     (Streaming), die Filmindustrie mit Blockbuster und      gungen erst geschaffen werden müssen. Ansonsten
     Netflix. Die Fahrdienstplattform Uber revolutionierte   drohen späterer Ausschluss, Einschränkungen oder
     die Taxibranche ohne eigene Autos zu besitzen. Füh-     Korrekturen der Wettbewerbskommission.3 Im
     rende Anbieter im Gastgewerbe (booking.com, hotel.      Gegensatz zu anderen Gesellschaftsbereichen und
     com, Airbnb) besitzen keine eigenen Immobilien.         Branchen, in welchen der disruptive Wandel bereits
     Sind führende Finanzdienstleister zukünftig Institute   stattgefunden hat, gehört der Finanzsektor zu den am
     ohne Banklizenz?                                        stärksten regulierten Wirtschaftszweigen.

     Was heute noch skurril klingen mag, sollte man nicht    Die Eidgenössische Finanzmarktaufsichtsbehörde
     per se negieren. Es ist durchaus denkbar, dass zu-      FINMA beaufsichtigt und kontrolliert die Akteure
     mindest gewisse Finanzdienstleistungen in Zukunft       auf dem Finanzplatz Schweiz. Um die hoheitliche
     nicht mehr alleine von Banken und Versicherungen        Funktion der Aufsicht über die Schweizer Finanz-
     betrieben werden. Während sich viele Technologien       branche wahrnehmen zu können, ist die FINMA
     noch im Entwicklungsstadium befinden, hat eine die      institutionell, funktionell und finanziell unabhängig.
     Markteinführung schon hinter sich. Blockchain, die      Wichtigste Ziele der Finanzmarktregulierung sind
     Technologie hinter der digitalen Währung Bitcoin.       der Individualschutz (Gläubiger-, Anleger- und Ver-
     Schleichend hat eine virtuelle Währung in der realen    sichertenschutz), die Systemstabilität, die Gewähr-
     Wirtschaftswelt ihren Platz eingenommen. Bitcoins       leistung der Funktionsfähigkeit und der Wettbe-
     können Online gekauft, aber auch an Geldautoma-         werbsfähigkeit der Finanzmärkte. Die Regulierung
     ten bezogen und in ausgewählten Geschäften zur          des schweizerischen Finanzmarktes (Finanzmar-
     Bezahlung verwendet werden. Die Blockchain ist          karchitektur) genügte in verschiedenen Bereichen
     eine dezentrale Datenbank für alle Arten von Trans-     nicht mehr und befindet sich zurzeit in Revision.
     aktionen. Sie hat das Potential ganze Bankdienstleis-   Einerseits ist seit dem 1. Januar 2016 das neue
     tungen in Zukunft anders abzuwickeln. Es können         Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) in Kraft.
     neue Methoden von Finanztransaktionen geschaffen        Andererseits sollen frühestens 2018 das Finanz-
     werden, welche sich ausserhalb der heute bekannten      dienstleistungsgesetz und das Finanzinstitutsgesetz
     Finanzmarktinfrastrukturen abspielen.                   (FIDLEG / FINIG) hinzukommen, die einheitliche
                                                             Wettbewerbsbedingungen für Finanzintermediäre
         „Banking is necessary, banks are not.“              schaffen und den Kundenschutz verstärken sollen.
                      (Bill Gates)                           Die Aufsicht der FINMA ist im Finanzmarktauf-
                                                             sichtsgesetz (FINMAG) geregelt. Sie ist zuständig
                                                            für den Finanzmarkt, für den insbesondere folgende
                                                             Gesetze relevant sind:

                                                             ° Pfandbriefgesetz
                                                             ° Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
                                                             ° Kollektivanlagengesetz (KAG)
                                                             ° Bankengesetz (BankG) / (ca. ab 2018 FINIG)
                                                             ° Börsengesetz (BEHG) / (fällt in Zukunft weg)
                                                             ° Geldwäschereigesetz (GwG)
                                                             ° Versicherungsaufsichtsgesetz
     Einzelne Finanzdienstleistungen der Banken könnten      ° Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG)
     somit obsolet werden und die bestehenden Fi-              (seit 1.01.2016 in Kraft)
     nanzmarktinfrastrukturen stark verändern. Diese         ° Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG)
     Entwicklung ist von Banken, Zentralbanken und             (ca. ab 2018)
     Regierungen ernst zu nehmen. Banken sind gut be-
     raten in ihrer Strategie Blockchain (und weitere noch   Die FINMA reguliert durch Verordnungen und
     unbekannte Technologien) zu berücksichtigen.            Rundschreiben. Bei der Regulierung berücksichtigt
                                                             sie die Kosten, die den Beaufsichtigten entstehen,
                                                             Auswirkungen auf die Innovations- und Wettbe-
                                                             werbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes, interna-
                                                             tionale Mindeststandards sowie die

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unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten und Risiken      Bewilligung im engeren Sinne
der Beaufsichtigten. Weitere Bestandteile der Schwei-   In die Kategorie der Bewilligungen im engeren Sinne
zer Finanzmarktarchitektur bilden Bundesratsver-        gehören:
ordnungen zu den Schweizer Finanzmarktgesetzen           ° Banken und Effektenhändler
(bspw. Eigenmittelverordnung ERV im Zusammen-            ° Versicherungen
hang mit der „too big to fail“ Problematik) sowie        ° Institute und Produkte nach KAG
das Nationalbankengesetz (NBG). Wer auf dem              ° Finanzmarktinfrastrukturen
Schweizer Finanzmarkt tätig sein möchte, benötigt
grundsätzlich eine Bewilligung der FINMA.

Die FINMA kennt vier Bewilligungsformen, die un-
terschiedlich stark überwacht werden. Dazu zählen:

° Bewilligung
° Anerkennung
° Genehmigung
° Registrierung

Bewilligung
Die Bewilligung für eine Tätigkeit im Finanzmarkt ist
die häufigste Art der Erlaubnis, die von der FINMA
vergeben wird. Banken, Versicherungen, kollektive
Kapitalanlagen und Finanzmarktinfrastrukturen           Banken
müssen hohe Anforderungen in organisatorischer,         Eine bewilligungspflichtige Banktätigkeit liegt dann
finanzieller und risikominimierender Hinsicht           vor, wenn gewerbsmässig Gelder vom Publikum ent-
erfüllen und werden von der FINMA prudenziell           gegengenommen werden oder wenn dafür öffentlich
überwacht. Einer Bewilligungspflicht unterliegen        geworben wird. Ebenfalls Banken vorbehalten ist die
auch die direkt der FINMA unterstellten Finanzin-       Entgegennahme von Geldern für den Devisenhandel.
termediäre (DUFI). Bei diesen wird anschliessend        Wer keine Banklizenz hat, darf grundsätzlich keine
nur überwacht, ob sie die Sorgfaltspflichten zur Ver-   Publikumsgelder gewerbsmässig entgegennehmen.
meidung von Geldwäscherei einhalten. Konkret geht       Gewerbsmässigkeit liegt bei jeder selbstständigen,
es darum zu prüfen, ob der DUFI die notwendigen         auf die Erzielung regelmässiger Erträge ausgerichte-
Vorkehrungen zur Verhinderung von Geldwäscherei         ten Tätigkeit vor und wird bei mehr als 20 Kunden
getroffen hat.                                          zwingend angenommen.4

Anerkennung                                             Finanzmarktinfrastrukturen
Eine weitere Bewilligungsform ist die Anerkennung.      Finanzmarktinfrastrukturen sind Börsen, multi-
So erteilt die FINMA die Anerkennung für Selbstre-      laterale Handelssysteme, zentrale Gegenparteien,
gulierungsorganisationen (SRO) und Ratingagentu-        Zentralverwahrer, Transaktionsregister und Zah-
ren. Letztere überwacht die FINMA nicht.                lungssysteme.5 Sie erlauben es, die Verarbeitungs-
                                                        schritte zu standardisieren, zu automatisieren und
Genehmigung                                             zu beschleunigen. Dies trägt dazu bei, die Kosten
In wenigen Finanzmarktbereichen genehmigt die           und die Risiken zu senken, die mit dem Handel, der
FINMA auch Produkte und Tarife. Die Produkte der        Abrechnung und der Abwicklung von Transaktionen
kollektiven Kapitalanlagen, der beruflichen Vorsorge    mit Finanzinstrumenten verbunden sind.
und der Krankenzusatzversicherungen werden von
der FINMA genehmigt. Im Versicherungsbereich            Sector regulator vs. self-regulation
überprüft die FINMA im Rahmen einer sogenannt           Selbstregulierung hat im Finanzsektor der Schwei-
„präventiven Produktekontrolle“ Allgemeine Versi-       zer Wirtschaft eine lange Tradition. Sie bildet die
cherungsbedingungen (AVB) und Tarife.                   Schnittstelle zwischen privatautonomer Regelset-
                                                        zung und staatlicher Gesetzgebung. Die FINMA
Registrierung                                           unterscheidet zwischen der freien, der als Mindest-
Die FINMA führt ein Register von zugelassenen Ver-      standard anerkannten6 und der obligatorischen
sicherungsvermittlern. Auch der Eintrag ins Register    Selbstregulierung. Bei den beiden letztgenannten
ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Nach         Selbstregulierungsformen wirkt der Staat mit, wes-
der Registrierung übt die FINMA allerdings keine        halb sie auch als Koregulierung bezeichnet werden.7
laufende Aufsicht aus.                                  Obligatorische Selbstregulierung beruht auf einem
                                                        Auftrag des Gesetzgebers an die Selbstregulatoren,
                                                        einen Sachverhalt durch Selbstregulierung zu regeln.
                                                        Vorteile der Selbstregulierung sind Praxisnähe,
                                                        Flexibilität und ein hoher Differenzierungsgrad.
                                                        Die Schweizer Banken geben sich selber (mit dem
                                                        Einverständnis der FINMA) Standesregeln in Gestalt
                                                        von Richtlinien und Vereinbarungen. Diese um-
                                                        schreiben Anforderungen an eine den guten Sitten
                                                        entsprechende, modern ausgedrückte und ethisch
                                                        korrekte Geschäftsführung.

                                           World of Business Law
                                            Ausgabe Nr° 2 2017
                                                                                                               11
Die FINMA lässt die Einhaltung der Standesregeln          verzichtet, spezifische Aufsichtsregeln für E-Geld zu
     durch die bankengesetzlichen Prüfgesellschaften           erlassen. Eine Bewilligung als E-Geld-Institut, eine
     kontrollieren. Bei Verletzungen kann die FINMA            Fintech-Verfügung oder Bankverfügung-light gibt
     Sanktionen verhängen. Standesregeln sind dort             es in der Schweiz noch nicht. Trotzdem scheinen die
     sinnvoll, wo der Gesetzgeber bewusst Raum dafür           gesetzlichen Grundlagen zumindest für die Bewilli-
     lässt oder wo es im Interesse der Banken liegt, mittels   gung und Überwachung von E-Geld in der Schweiz
     eigener Normen ihr Verhalten selber zu regeln.            klar.17 In der Schweiz unterstehen Zahlungssysteme
                                                               (Dienstleistungen im Zahlungsverkehr) dem
     6. Regulierung von Fintech                                Nationalbankgesetz18, dem FinfraG19 und dem GwG.
     Welche Fintech bezogenen Regulierungen gibt es            Finanzmarktinfrastrukturen sind nach dem neuen
     bereits und welche stehen im Bezug auf die Schweiz        FinfraG bewilligungspflichtig. Ein Zahlungssystem
     momentan zur Diskussion?                                  benötigt immer dann eine Bewilligung der FINMA,
                                                               wenn das Zahlungssystem nicht durch eine Bank
                                                               betrieben wird und wenn die Funktionsfähigkeit des
     EU Regulierung (Richtlinie 2009/110/EG)
                                                               Finanzmarkts oder der Schutz der Finanzmarktteil-
     Um Markzutrittsschranken zu beseitigen und die
                                                               nehmerinnen es erfordern. 20
     Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von elektro-
     nischem Geld zu erleichtern, wurde auf europäischer
     Ebene schon seit geraumer Zeit eine Richtlinie zur        Bisherige Massnahmen der FINMA:
     Beaufsichtigung und Tätigkeiten von E-Geld-Insti-         Die FINMA setzt sich intensiv mit Fragen betref-
     tuten erlassen. Elektronisches Geld (kurz E-Geld) ist     fend Fintech auseinander .21 Dabei geht es nicht nur
     neben dem Zentralbankgeld und dem Buchgeld der            um E-Geld, sondern um ganzheitliche und Fin-
     Geschäftsbanken eine dritte Erscheinungsform des          tech-freundliche Rahmenbedingungen. Da immer
     Geldes. Darunter fallen zum Beispiel „mobile-pay-         mehr Finanzintermediäre ihre Kunden über Internet
     ment system“. Kryptowährungen wie Bitcoin sind            und via mobile Geräte ansprechen, hat die FINMA
     vom Geltungsbereich der E-Geld Verordnung jedoch          zumindest die aufsichtsrechtlichen Rahmenbe-
     abzugrenzen. Zum Gegenstand und Geltungsbe-               dingungen in die Wege geleitet, um die Aufnahme
     reich der Richtlinie gehören neben herkömmlichen          von Geschäftsbeziehungen über digitale Kanäle zu
     Kreditinstituten auch sogenannte E-Geld-Institute.8       ermöglichen. In einem neuen Rundschreiben werden
     E-Geld-Institute unterrichten die zuständigen Behör-      Sorgfaltspflichten der Geldwäschereiregulierung
     den im Voraus über alle wesentlichen Änderungen           im Kontext von digitalen Finanzdienstleistungen
     der zur Sicherung der Gelder getroffenen Maßnah-          entsprechend dem Prinzip der Technologieneut-
     men, die für ausgegebenes E-Geld entgegengenom-           ralität ausgelegt. Im Zentrum steht die Video-und
     men wurden.9 Anfangskapital und Eigenmittelanfor-         Online-Identifikation.22 Das Rundschreiben ist seit
     derungen für E-Geld-Institute sind klar geregelt. Als     dem 18. März 2016 in Kraft. Das Projektteam der IFZ
     Tätigkeiten sind die Ausgabe von E-Geld, die Ge-          FinTech Study 2016 der Hochschule Luzern hat sich
     währung von Krediten im Zusammenhang mit dem              intensiv mit Fintech in der Schweiz auseinanderge-
     Zahlungsdienst und der Betrieb von Zahlungssyste-         setzt. Es wurde erkannt, wie wichtig eine FinTech-ad-
     men erlaubt.10 Nicht erlaubt ist die Entgegennahme        äquate Regulierung ist. Um Hürden für den digitalen
     von Einlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern           Finanzplatz abzubauen, plädiert auch die FINMA
     des Publikums. Entgegengenommene Gelder müssen            dafür, eine neue Bewilligungskategorie für einfache
     unverzüglich in E-Geld umgetauscht werden.11              Geldinstitute zu schaffen. Bezüglich Regulierung
     Personen, die keine E-Geld Emittenten sind, ist die       steht die Schweiz in einem globalen Konkurrenz-
     Ausgabe von E-Geld untersagt.12                           kampf mit anderen Standorten wie London oder
                                                               Singapur. Diese Städte sind zurzeit daran, die regu-
                                                               latorischen Hürden zu verringern, um innovative
     Regulierung in Liechtenstein
                                                               FinTech-Unternehmen anzuziehen23. In der Schweiz
     Zum Schutz der am E-Geldgeschäft Beteiligten sowie
                                                               werden somit weiterhin grosse Anstrengungen nötig
     zur Sicherung des Vertrauens in den liechtenstei-
                                                               sein, um attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen
     nischen Finanzmarkt13 wurde ein E-Geld Gesetz
                                                               und in diesem globalen Wettbewerb bestehen zu
     (EGG) und eine E-Geld Verordnung (EGV) erlassen.
                                                               können, sagt der Projektleiter der IFZ Fintech Studie
     Damit wurde die Richtlinie 2009/110/EG der EU auf
                                                               Dr. Thomas Ankenbrand. Trotz der Herausforderun-
     nationaler Ebene umgesetzt. Wer in Liechtenstein
                                                               gen gelangen die Studienautoren zum Fazit, dass der
     gewerbsmässig E-Geld ausgeben will, bedarf einer
                                                               Schweizer FinTech-Markt international kompetitiv
     Bewilligung als E-Geld Institut durch die liechten-
                                                               ist und sich für weiteres Wachstum gut positioniert
     steinische Finanzmarktaufsicht (FMA).14
                                                               hat.24

     Situation in der Schweiz
     Die Ausgabe von Zahlungsmitteln ist grundsätzlich
                                                               6.1 FINMA Vorschlag:
     eine staatliche Aufgabe. Das Geld- und Währungs-          Nicht regulierter „Sandkasten“ und eine
     wesen ist Sache des Bundes15, diesem allein steht das     neue Bewilligungskategorie
     Recht zur Ausgabe von Münzen, der Nationalbank            Will die Schweiz nachhaltig bessere Rahmenbedin-
     die Ausgabe von Banknoten zu.16 Kein Monopol be-          gungen für Fintech schaffen, muss auch die überge-
     steht für Buchgeld, welches Geschäftsbanken durch         ordnete Regulierung angepasst werden. Nicht zuletzt
     die Gewährung von Krediten schaffen können oder           aufgrund der intensiven Kontakte der FINMA mit
     Dienstleistungen im Zusammenhang mit elektroni-           der Fintech-Branche konnten verschiedene Pro-
     schem Geld. Im Unterschied zur Regulierung in der         bleme mit den rechtlichen Rahmenbedingungen
     Europäischen Union hat die Schweiz bisher darauf          identifiziert werden. Die grössten Hürden schafft die
                                                               Bankengesetzgebung.

12                                                World of Business Law
                                                   Ausgabe Nr° 2 2017
Vor diesem Hintergrund hat die FINMA ein Kon-              Das zweite Element kann als Innovationsraum
zept für zwei neue Regulierungsgefässe entwickelt:         bezeichnet werden („Sandbox“). In diesem Raum
Ein nicht regulierter „Sandkasten“ und eine neue           kann ein Anbieter unbeschränkt viele Publikum-
Bewilligungskategorie für Finanzinnovatoren. Das           seinlagen bis zu einem Gesamtwert von 1 Million
Konzept beruht auf der in der Schweiz traditionellen       Franken entgegennehmen. Diese Tätigkeiten müssen
prinzipienbasierten Regulierung und versteht sich          nicht von der FINMA bewilligt und überwacht
nicht im Sinne einer neuen Regulierung, sondern als        werden. Eine Offenlegung dieser Tatsache ist jedoch
Erleichterungen von bestehender Regulierung.               zwingend. Auch finden die geltenden Geldwäscherei-
                                                           bestimmungen bei der „Sandbox“ Anwendung.
Viele der neuen Geschäftsmodelle im Fintech-Be-
reich befinden sich noch in der Versuchsphase. Diese       Das dritte Element beinhaltet die eigentliche
Phase ist bei der Entwicklung von Innovationen ent-        Fintech-Lizenz, welche durch die FINMA erteilt
scheidend. Dafür soll ein Raum geschaffen werden,          wird. Für Institute, die sich auf das Passivgeschäft
in dem Finanzinnovatoren ihre Geschäftsmodelle             (Entgegennahme von Publikumseinlagen) beschrän-
erproben können. So kann der Markt und nicht der           ken und somit kein Aktivgeschäft mit Fristentrans-
Staat entscheiden, ob ein Geschäftsmodell zukunfts-        formation betreiben, sollen tiefere regulatorische
fähig ist. Gleichzeitig soll der potentielle Schaden für   Anforderungen gelten als für klassische Banken. So
Anleger und Gläubiger klar eingegrenzt werden. Eine        ist eine Beteiligung am Einlegerschutz-System nicht
solcher „Sandkasten“ bereichert die Innovationsför-        vorgesehen. Die von Anbietern mit Fintech-Lizenz
derung in der Schweiz.25                                   entgegengenommenen Publikumseinlagen dürfen
                                                           insgesamt den Wert von 100 Millionen nicht über-
Die neue Bewilligungskategorie für Finanzin-               schreiten. Sofern der Schutz des einzelnen Kunden
novatoren soll offen formuliert und die Regeln             durch besondere Auflagen gewährleistet ist, kann die
prinzipienbasiert definiert werden, so dass sie auf        FINMA einen höheren Schwellenwert zulassen. Für
verschiedene Geschäftsmodelle passt (auch auf              Institute mit der neuen Lizenz soll das Mindestkapi-
solche, die heute noch gar nicht erfunden sind). Die       tal fünf Prozent der entgegengenommenen Publi-
neue Bewilligungskategorie soll anwendbar sein auf         kumseinlagen betragen, mindestens aber 300‘000
Geschäftsmodelle, die kein bankentypisches Geschäft        Franken.
betreiben, aber gewisse Elemente der Bankentätig-
keit benötigen. Solche Geschäftsmodelle beinhalten
per Definition weniger Risiken als das klassische
                                                           7. Level playing field?
Bankgeschäft. Die Bewilligungsvoraussetzungen sind
hier folglich weit weniger umfangreich als bei einer        „If you have ten thousand regulations you
Bankenlizenz. Damit können wesentliche Marktein-                  destroy all respect for the law. “
trittsschranken abgebaut werden, ohne beim Schutz-                     (Winston Churchill)
niveau Kompromisse machen zu müssen. Dies dürfte
für die Attraktivität des Schweizer Finanzplatzes ein      Ist die Bevorzugung gerechtfertigt? Die Vernehmlas-
positives Signal aussenden.                                sungsvorlage des Bundes geht in eine wettbewerbs-
                                                           fördernde Richtung. Die gesetzlichen Erleichterun-
6.2 Vernehmlassungsvorlage (Bund)26                        gen der neuen Bewilligung sind für Institute gedacht,
Entlang dem von der FINMA entwickelten Konzept,            welche keine typische Bankgeschäfte im klassischen
soll nun ein Regulierungsvorschlag ausgearbeitet           Sinn betreiben, sondern nur gewisse Elemente einer
werden. Der Bundesrat hat sich an seiner Sitzung           Banktätigkeit anbieten. Solche bergen per se ein ge-
vom 2. November 2016 für Erleichterungen bei den           ringeres Risiko und rechtfertigen einen erleichterten
regulatorischen Rahmenbedingungen für Anbieter             Marktzugang. Demzufolge sind die Regulierungs-
von innovativen Finanztechnologien ausgespro-              vorschläge nicht als zusätzliche Regulierungen zu
chen.27 Ein dynamisches Fintech-System kann                verstehen, sondern als Erleichterung von bestehen-
wesentlich zur Qualität des Schweizer Finanzplatzes        den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Regulierte
beitragen und dessen Wettbewerbsfähigkeit stärken.         Fintech-Unternehmen stärken das Vertrauen der
Die Erleichterungen sollen Markteintrittshürden            Gesellschaft in digitale Dienstleistungen und E-Geld.
für Anbieter im Fintech-Bereich verringern und die
Rechtssicherheit für die Branche insgesamt erhö-           Die Kunst der angemessenen Regulierung besteht aus
hen. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD)            einer Mischung von staatlicher Regulierung (sand-
wurde beauftragt, eine entsprechende Vernehmlas-           box und neue Fintech-Bewilligung) sowie freier, als
sungsvorlage auszuarbeiten. Der Bundesrat strebt           Mindeststandard anerkannter oder obligatorischer
eine möglichst umfassende, aber auch zukunftsfähige        Selbstregulierung. Das Crypto-Valley Zug hat einen
Lösung an und schlägt deshalb einen Ansatz mit drei        eigenen, spezialisierten Regulator für Kryptowährun-
sich ergänzenden Elementen vor:                            gen und blockchain-basierte Geschäftsmodelle. Mit
                                                           hoher Kompetenz sorgt er für Transparenz, Fairness
Das erste Element legt eine Frist von 60 Tagen             und Stabilität. Fintech-Firmen können sich auf frei-
für das Halten von Geldern auf Abwicklungskonten           williger Basis dieser Regulierung unterstellen.
fest, was insbesondere für Anbieter von Crowdfun-
ding-Dienstleistungen relevant ist. Die Mittelbe-          Banken vs. Fintech? Fintegration!
schaffung für ein Crowdfunding-Projekt kann damit          Fintech-Unternehmen sind mit dem Plan angetre-
erleichtert werden. Diese Anpassung wäre nicht auf         ten, Banken und Versicherungen verschwinden zu
Fintech-Unternehmen beschränkt, sondern würde              lassen. Aber Sie haben gemerkt, dass sie die Banken
allgemein gelten.                                          als Kunden (noch) brauchen. Gleichzeitig brauchen

                                              World of Business Law
                                               Ausgabe Nr° 2 2017
                                                                                                                   13
die Banken die Technologie. Gemäss Deloitte-Exper-
     te Jan Seffinga entsteht am Ende eine Abhängigkeit
     und bestenfalls eine Win-Win-Situation.28 Banken
     sind gut beraten Blockchain und andere innovative
     Finanztechnologien in ihrer Strategie miteinzube-
     ziehen. Es ist an der Zeit die bestehenden Strukturen
     und Prozess zu überdenken und anzupassen. Dabei
     sollte man sich mit Fintech Unternehmen koopera-
     tionsbereit zeigen. Gepaart mit den neuen regulato-
     rischen Vorschriften, könnte die Fintegration in der
     Schweiz klappen. Während der Wettlauf zwischen
     alteingesessenen Finanzinstitutionen und Start-ups
     noch im Gang ist, steht zumindest der Konsument
     als Gewinner fest. Der kann sich über Angebote
     freuen, die einfacher zu bedienen sind und dazu mit
     niedrigeren Kosten einhergehen.29

     8. Cash is king oder bye-bye Bargeld?
     Eine Welt ganz ohne Bargeld ist zurzeit noch nicht
     in Sicht. Bargeld dient weiterhin als Zahlungs- und
     Wertaufbewahrungsmittel. Einen Vorteil von Bargeld
     ist, dass bei der Bezahlung keine Transaktionskos-
     ten (Gebühren) verlangt werden. Auch besteht bei
     ausschliesslichen Online-Geschäften im Gegensatz
     zur „Wirklichkeit“ immer eine gewisse Abhängigkeit
     zu den Geschäftsbedingungen der Anbieter. Weiter
     gewährleistet Bargeld die Anonymität der Zahlen-
     den. Dies kann sowohl positiv, wie auch negativ
     ausgelegt werden.

     Zumindest grosse Noten werden immer häufiger
     in ihrer Existenz hinterfragt30 und teilweise bereits
     heute aus dem Verkehr gezogen. In Indien hat die
     Regierung die beiden grössten Banknoten 500 und
     1000 Rupien am 9. November 2016 völlig überra-
     schend für ungültig erklärt und sorgte mit der damit
     verbundenen Umtauschaktion für einen absoluten
     Ausnahmezustand. In Europa soll per Ende 2018 die
     500 EUR Note aus dem Verkehr gezogen werden. In
     den USA wird über die Abschaffung des 100 USD
     Scheins diskutiert. In Schweden gibt es bereits heute
     Lokale, in denen ausschliesslich per Karte bezahlt
     werden kann. Schweden wird auch als jenes Land
     gehandelt, welches in ferner Zukunft als erstes Land
     komplett bargeldlos funktionieren könnte.

     Schlussendlich entscheiden die Kunden mit ihrem
     Nutzenverhalten, wie sie in Zukunft bezahlen wollen.
     Wahrscheinlich wird das Smartphone eines Tages
     komplett zur digitalen Geldbörse. Dann sollten
     wir als Konsumenten aufpassen, dass der Akku nie
     ausgeht und wir immer über eine leistungsfähige
     Internetverbindung verfügen.                            Thomas Stillhart

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                                                  Ausgabe Nr° 2 2017
Schweizer Universitäten vernetzen Wissenschaft, Wirtschaft und Regulatoren in
Blockchain[X]-Konsortium

Blockchain hat das Potential, verschiedene Industrien umzukrempeln – darin sind sich
Experten einig. Noch Uneinigkeit herrscht über den Zeitpunkt und das Ausmass. Aus
diesem Grund wurde unter dem Motto SEE – ACT – LEAD die Plattform
Blockchain[X] von ETH Zürich und der Hochschule St. Gallen (HSG) gegründet. Die
Mitglieder aus Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden haben innerhalb des Konsortiums
direkt Zugriff auf die neusten Forschungsergebnisse und Wirksamkeitsstudien und
können mit Experten und Branchenkollegen in Kontakt treten. Blockchain[X] wirkt bei
der Entwicklung von Prototypen und Pilot-Projekten mit.

Blockchain[X]      fokussiert   auf
spezifische Fachbereiche, die für
den gesellschaftlichen, technischen
und ökonomischen Erfolg dieser
noch sehr jungen Technologie von
entscheidender Bedeutung sein
werden.     Darin    werden     die
Subgruppen Finance, Government &
Legaltech, Energy & Cleantech und
TransTech identifiziert. Für World
of Business Law möchten wir die
Subgruppe LegalTech näher be--        Blockchain[X] Workshop 9. Mai 2017 E-Identity / KYC an der ETH Zürich
leuchten.

Was versteht man unter Goverment & LegalTech?
Zu dieser Frage herrschen verschiedene Auffassungen. Bei Blockchain[X] geht es darum,
welche Technologien es dem historisch sehr traditionellen Rechtssektor erlauben
werden, die neue Welt der Blockchain mit den dem Gesetzgeber bekannten
Rechtsinstitutionen zu verbinden. Zum Beispiel bedürfen 'Smart contracts', wie sie im
Blockchain Umfeld verstanden werden, neuer Codierungen, Gesetze und
Rechtspraktiken, damit sie nützlich und rechtskräftig werden.

Was will die Blockchain LegalTech Fokusgruppe erreichen?
Die Gruppe will engagierte LegalTech Firmen, Experten, Regulatoren und Forscher an
einen virtuellen oder realen Tisch bringen, um die noch ausstehenden Hürden zu
identifizieren und verschiedene Projektgruppen zu formieren. In diesen sollen
Problemstellungen artikuliert und Lösungen in Pilotprojekten umgesetzt werden, um
konkrete wegweisende Resultate zu produzieren.

Wir stehen ganz am Anfang dieser Bewegung und haben hier die einmalige Chance, einen
wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung von Technologie im Rechtsbereich zu
leisten.

http://www.blockchainx.ch                                   info@blockchainx.ch
vi e    w
Inter

     Der Weg zum
     Steuerberater
     ° Ein Interview mit Fabio Stauffer,
     Steuerberater in Winterthur.
      - Das Interview wurde schriftlich geführt von Pascal von Ah.

           F   abio Stauffer arbeitet als Steuer-
           berater für PwC in Winterthur. Er hat
           das WR-Studium an der ZHAW absol-
           viert und widmet sich momentan der
           Ausbildung zum eidgenössisch diplo-
           mierten Steuerexperten.                                            Fabio Stuaffer

                      Guten Tag Herr Stauffer, bitte stellen Sie             Würden Sie sich nochmals für den Studi-
                      sich den Lesern vor.                                   engang Wirtschaftsrecht entscheiden?
                      Mein Name ist Fabio Stauffer, ich bin 35 Jahre         Das interdisziplinäre und praxisorientierte Wirt-
                      alt, verheiratet und habe zwei Kinder. Ich komme       schaftsrechtsstudium hat für meine Steuerberatungs-
                      aus Wil und habe mein Teilzeitstudium in Wirt-         tätigkeit sowohl aus fachlicher als auch aus methodi-
                      schaftsrecht an der ZHAW 2013 abgeschlossen. Seit      scher Sicht eine ideale Grundlage geschaffen. Zudem
                      Dezember 2012 arbeite ich bei PwC Winterthur in        habe ich in dieser Zeit viele Dinge gelernt, die auch
                      der Steuerberatung, wo wir in einem kleinen Team       im Privaten nützlich und wichtig sind. Aus diesen
                      Dienstleistungen zugunsten juristischer Personen       Gründen ist mein Fazit klar: Ich würde mich sofort
                      erbringen. Meine Freizeit verbringe ich am liebs-      wieder für diesen Studiengang entscheiden.
                      ten mit meiner Familie und meinen Freunden. Als
                      Ausgleich zu meiner sitzenden Bürotätigkeit bin ich    Bei welchem Unternehmen haben Sie wäh-
                      gerne sportlich in der Natur unterwegs.
                                                                             rend ihrer Studienzeit gearbeitet?
                                                                             Ich habe während der gesamten Studienzeit zu 60%
                      Warum haben Sie sich damals für ein                    als Aussendienstmitarbeiter beim Unternehmen
                      Wirtschaftsrechtsstudium entschieden?                  Polar gearbeitet, welches im Bereich der Produktion
                      Der hauptsächliche Beweggrund für die Studienwahl      und des Vertriebs von Herzfrequenzmessern tätig ist.
                      lag bei mir im Interesse am Fachgebiet Recht. Der      Was ist für Sie der Vorteil eines Teilzeitstudiums?
                      Studiengang Wirtschaftsrecht brachte den grossen       Im Vergleich zu einem Vollzeitstudium bedeutet das
                      Vorteil mit sich, dass ich meinem damaligen Job        Teilzeitstudium mit begleitender Arbeitstätigkeit
                      im Teilzeitpensum weiterhin nachgehen konnte.          ganz klar einen zusätzlichen Effort. Teilweise kam es
                      Dies war insbesondere aufgrund des geregelten          bei mir zu stressigen Zeiten. Ich habe jedoch gelernt,
                      Unterrichts an der ZHAW möglich, der während           mit solchen Situation umzugehen. Effizientes Arbei-
                      der gesamten Studienzeit jeweils am Mittwoch und       ten und gute Planung sind der Schlüssel zum Erfolg.
                      Donnerstag stattfand.                                  Zudem ist die Berufserfahrung im späteren Bewer-
                                                                             bungsprozess ein klarer Pluspunkt.

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                                                                  Ausgabe Nr° 2 2017
Was ist Ihnen positiv in Erinnerung                      Ich kann Studierenden eine Teilnahme an solchen
geblieben, wenn Sie an Ihre Studienzeit                  Anlässen nur empfehlen. Man erhält wertvolle Er-
                                                         fahrungen und Informationen. Ausserdem kann man
zurückdenken?                                            aus erster Hand einfacher herausfinden, ob einem
Als positiver Punkt kommen mir spontan die vielen
                                                         ein gewisser Fachbereich sowie das Unternehmen
interessanten Vorlesungen und die neuen Kontakte,
                                                         als Ganzes überhaupt zusagen oder eher nicht. Das
die ich knüpfen konnte, in den Sinn. Zu einigen
                                                         Knüpfen von Kontakten und dabei einen positiven
Mitstudenten pflege ich noch heute regelmässigen
                                                         Eindruck zu hinterlassen, ist sehr wichtig.
Kontakt. Auch die Prüfungsvorbereitungen habe ich
                                                         Wann konnten Sie die Stelle bei PwC antreten?
positiv in Erinnerung. Es galt, innert kürzester Zeit
                                                         Rund ein halbes Jahr vor Studienabschluss habe ich
viel Stoff zu verarbeiten. Jedoch konnte ich mich zwei
                                                         meine Arbeitstätigkeit als Steuerberater bei PwC
bis drei Wochen voll auf den Lernstoff konzentrieren.
                                                         aufgenommen.
Des Weiteren konnte ich mir die Zeit selber einteilen,
das hat mir gut gefallen.
                                                         Waren Sie gut auf diese Stelle vorbereitet?
                                                         Aufgrund der vielen Steuerrechtsvorlesungen und
Was sind die Stärken und Schwächen die-                  der juristischen Arbeitsweise, die an der ZHAW ver-
ses Studienganges?                                       mittelt wird, war ich für diesen Berufseinstieg meines
Als Stärke sehe ich den praxisorientierten und per-      Erachtens sehr gut vorbereitet. Viele Dinge kannte
sönlichen Unterricht. Auch die vermittelte Methodik      ich zwar erst aus der Theorie und ich musste zuerst
in Bezug auf das juristische Arbeiten erachte ich als    lernen, wie diese in der Praxis überhaupt umgesetzt
Pluspunkt.                                               werden. Beispielsweise war mir das Ausarbeiten einer
In der Regel wird ein Absolvent des Studiums Wirt-       Steuererklärung für natürliche Personen bestens be-
schaftsrecht noch eine Folgeausbildung machen müs-       kannt, ich hatte jedoch noch nie eine Steuererklärung
sen. Falls man eine klassische juristische Laufbahn      für eine juristische Person ausgefüllt.
anstrebt und nach dem Bachelor noch den Master
machen möchte, ist ein Bachelor an einer Univer-
                                                         Waren Ihre Noten wichtig bei der Bewer-
sität wohl vorteilhafter. In diesem Fall muss keine
Passerellenprüfung absolviert werden und man hat         bung?
dadurch bei der Auswahl der Universität viel mehr        Ich denke, dass ein Bachelordiplom und gute Noten
Optionen.                                                vor allem für den ersten Eindruck einer Bewerbung
                                                         und für die Einladung zum Vorstellungsgespräch
                                                         wichtig sind. Wenn man aber erst einmal eine Zusage
Sie konnten einige Jahre Berufserfahrung                 erhalten hat, interessieren deine Noten niemanden
sammeln. Was sollte Ihrer Meinung nach                   mehr. Dann zählt nur noch, dass der Job gut erledigt
verbessert werden im Studiengang Wirt-                   wird.
schaftsrecht?
Meiner Ansicht nach ging man im Bereich des ZGB          Absolvieren Sie zurzeit eine Weiterbil-
zu wenig in die Tiefe. Im Gegenzug hätte für mich        dung?
beispielsweise das Fach Anglo-American Law etwas         Ja. Ich bilde mich seit dem Studium an der ZHAW
weniger umfangreich gestaltet werden können.             fortlaufend weiter. Einerseits führt PwC für ihre
Wie kamen Sie mit den Big Four in Berührung?             Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interne Kurse
Ich war während des Studiums an einem sogenann-          durch. Die längsten Kurse dauern bis zu einer Woche
ten Career Dinner einer Big Four im Restaurant           und finden extern in einem Hotel statt. Andererseits
Krone in Winterthur. An diesem Anlass haben nur          habe ich Ende 2014 mit der berufsbegleitenden
wenige Studierende teilgenommen. Ich habe die Ge-        Ausbildung zum dipl. Steuerexperten begonnen.
legenheit genutzt, um mich in lockerer Atmosphäre        Der Unterricht umfasst rund 600 Lektionen und
mit acht Mitarbeitern aus verschiedenen Unterneh-        findet jeweils am Freitagnachmittag/-abend statt. Die
mensbereichen auszutauschen. Entsprechend konnte         abschliessenden Diplomprüfungen werde ich diesen
ich viele Informationen über das Unternehmen und         Spätsommer in Angriff nehmen.
dessen verschiedene Bereiche gewinnen.
                                                         Wie verlief Ihre weitere Karriere nach
Was für Möglichkeiten bestehen, um als                   dem Berufseinstieg?
Student mit PwC in Kontakt zu treten?                    Zu Beginn meiner Tätigkeit bei PwC umfasste mein
PwC bietet mit dem sogenannten WELLcome                  Aufgabengebiet grösstenteils Compliance-Aufgaben,
Day einen ähnlichen Anlass für Studierende an.           die insbesondere die Ausarbeitung von Steuererklä-
PwC-Mitarbeiter aus den Geschäftsbereichen Wirt-         rungen, das Prüfen von Steuerveranlagungen und
schaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung berich-       Steuerrechnungen sowie den Review von Steuerrück-
ten von ihren persönlichen Erfahrungen und stellen       stellungen beinhalteten. Mit zunehmender Erfahrung
das Unternehmen vor. Beim anschliessenden Apéro          hat sich mein Aufgabengebiet in den Bereich der
hat man zudem die Möglichkeit, in ungezwungener          Steuerberatung verschoben. Die Verschiebung des
Atmosphäre mit verschiedenen PwC-Mitarbeitern            Aufgabenbereichs und die Zunahme des Schwierig-
ein paar Worte zu wechseln.                              keitsgrads der Arbeiten führen dazu, dass die Arbeit
                                                         stets spannend bleibt.

                                            World of Business Law
                                             Ausgabe Nr° 2 2017
                                                                                                                  17
Können Sie uns den Beruf des Steuerbera-                   Auch nach dem Bestehen der Steuerexpertenprüfung
     ters etwas näherbringen?                                   werde ich nicht ausgelernt haben. Es ist zentral, sich
     Ich bin aktuell als Assistant Manager für PwC tätig.       über die neusten Entwicklungen und Änderungen
     Am Standort Winterthur erbringen wir primär Steu-          stets auf dem Laufenden zu halten.
     erberatungsdienstleistungen zugunsten juristischer         Als dipl. Steuerexperte stehen einem bei PwC
     und vereinzelt auch natürlicher Personen. Das Auf-         grundsätzlich die Türen offen, um Mandats- und
     gabengebiet ist sehr breit und umfasst beispielsweise      Führungsverantwortung zu übernehmen und sich in
     das Ausarbeiten von Steuergutachten oder Rulings,          diesen Bereichen weiterzuentwickeln. Ganz generell
     die steuerliche Begleitung von Umstrukturierungen,         sind Steuerexperten gefragte Personen und man
     Immobilientransaktionen oder Unternehmensnach-             hat gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Als
     folgen sowie Verhandlungen mit den Steuerbehörden          Alternative zur Beratungstätigkeit bieten sich bei-
     oder das Verfassen von Einsprachen. Häufig sind Tä-        spielsweise auch Stellen im Bereich der öffentlichen
     tigkeiten bereichsübergreifend und man arbeitet eng        Verwaltung oder in der Finanz- und Steuerabteilung
     mit Spezialisten oder mit Kollegen aus den Bereichen       von Konzernen an.
     Revision oder Legal zusammen.
                                                                Noch eine letzte Frage: Haben Sie einen
     Was gefällt Ihnen an diesem Beruf?                         Tipp für zukünftige Absolventen?
     Den Beruf des Steuerberaters finde ich deshalb             Macht euch frühzeitig Gedanken, in welchem
     besonders interessant, weil er sich an der Schnittstel-    Bereich ihr später einmal tätig sein möchtet. Richtet
     le von Recht und Betriebswirtschaft bewegt. Nebst          euern Fokus an Jobmessen und Events danach aus.
     den juristischen Fähigkeiten ist auch ein Flair für        Bei der Berufswahl solltet ihr unbedingt eure Interes-
     Zahlen erforderlich. Zudem ist die Steuerberatungs-        sen berücksichtigen, da dies eine wichtige Grundlage
     tätigkeit extrem vielfältig und gebietsübergreifend.       für den späteren Erfolg im Berufsleben ist. Häufig
     Dadurch erhält man immer wieder Einblicke in neue          sind die Schulnoten ein guter Indikator. Neben den
     Fachgebiete. Ich konnte und kann mir fortlaufend           Interessen empfehle ich zukünftigen Wirtschafts-
     zusätzliches Wissen aneignen und neue Erfahrungen          rechtsabsolventen zudem, bei der Berufswahl auch
     sammeln.                                                   die Berufschancen in einem Tätigkeitsbereich zu
                                                                berücksichtigen.
     Welche Fähigkeiten sollte ein WR-Absol-
     vent mitbringen, um sich als Steuerberater
     zu bewerben?
     Bei der Steuerberatung handelt es sich um ein inter-
     disziplinäres Tätigkeitsgebiet. Wir haben Mitarbeiter
     mit juristischem wie auch betriebswirtschaftlichem
     Hintergrund. Mit dem Studium in Wirtschaftsrecht
     bringt man somit die idealen Voraussetzungen für
                                                                „Neben den
     diese Tätigkeit mit. Gerade für Juristen ist es wichtig,
     dass sie neben dem Flair für rechtliche Fragestel-
                                                                Interessen empfeh-
     lungen auch über ein Flair für Zahlen und betriebs-
     wirtschaftliche Zusammenhänge verfügen. Zudem              le ich zukünftigen
                                                                Wirtschaftsrecht-
     muss man flexibel und offen für immer wieder neue
     herausfordernde und komplexe Situationen sein.

                                                                absolventen zudem,
     Eine hohe Lernbereitschaft, Freude am Kontakt mit
     Kunden und den Steuerbehörden ist eine Grundvor-
     aussetzung.

     Mussten Sie sich zusätzliches Fachwissen
                                                                bei der Berufs-
     aneignen?
     Wenn man im Bereich der Steuerberatung tätig sein
                                                                wahl auch die
     möchte, bringt man mit dem Wirtschaftsrechtsstu-
     dium eine gute Grundlage mit. Ich musste mir aber
                                                                Berufschancen in
     noch eine Menge an Zusatzwissen aneignen. Neben
     dem Lernen on the job absolviere ich momentan die          einem allfälligen
     Ausbildung zum dipl. Steuerexperten.
                                                                Tätigkeitsbereich zu
     Wie sieht Ihre nahe Zukunft aus?
     Ich stehe kurz vor dem Abschluss zum Steuerex-             berücksichtigen.“
     perten. Für mich war bereits gegen Ende meines
     Studiums klar, dass ich noch den Steuerexperten
     machen möchte. Ein grosser Vorteil für mich besteht
     darin, dass mein Arbeitgeber die Ausbildung in
     vielseitiger Weise unterstützt. Beispielsweise finden
     vor den Prüfungen jeweils interne Vorbereitungskur-
     se statt, welche einen bei der Prüfungsvorbereitung
     unterstützen.

18                                                 World of Business Law
                                                    Ausgabe Nr° 2 2017
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