Chancengerechtigkeit im Klimawandel - Ines Weller, Ulrike Röhr, Karin Fischer, Melanie Böckmann, Nanna Birk - Genanet
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EINE HANDREICHUNG Ines Weller, Ulrike Röhr, Karin Fischer, Melanie Böckmann, Nanna Birk Chancengerechtigkeit im Klimawandel
Einführung Das von der internationalen Staatengemein- Mit der nun vorliegenden Handreichung »Chan- schaft beschlossene Klimaabkommen von Paris cengerechtigkeit im Klimawandel« wollen wir hat eine eindeutige Botschaft: die globale Akteuren und Akteurinnen aus den Feldern Erderwärmung soll auf »weit unter 2°C«, besser Klimawandel und Chancengerechtigkeit Impul- noch auf 1,5°C begrenzt werden. Die entschei- se zur Verknüpfung von Klima und Gender 1 dende Frage ist jetzt, mit welchen Maßnahmen geben. Dabei erheben wir keinen Anspruch auf das erreicht werden soll und vor allem, wie das Vollständigkeit, noch wollen wir den Wissens- – auch in Deutschland – umgesetzt wird. stand zu Gender und Klima aufarbeiten, son- dern verstehen die Ausführungen als erste Mehrheitlich setzen Wirtschaft und Politik Ideen, die zum Weiterdenken anregen können. Inhalt dafür stark auf technische Entwicklungen und Effizienz. Die deutlich mühsamer zu erreichen- Dazu stellen wir zunächst die Hauptergebnisse den gesellschaftlichen Veränderungen werden des Projektes in Form von zwölf »Kernbotschaf- allenfalls am Rande behandelt. Ohne genau ten« vor und erläutern sie. Die Kernbotschaf- Einführung in die Handreichung 3 diese Veränderungen aber, und dazu gehört ten basieren zum einen auf Erkenntnissen der unbedingt die Gerechtigkeit, wird der Klima- Geschlechterforschung über die Beziehungen wandel voranschreiten. zwischen Gender und Klimawandel. Zum ande- Gender+Klima: Kernbotschaften auf einen Blick 4 ren fassen sie Ergebnisse von Wissenschafts- Aus der Perspektive der (Klima-) Gerechtigkeit Praxis-Dialogen zusammen, die wir in zwei Impressum spielt neben der Nord-Süd- und der Generatio- Regionen mit Akteur_innen aus den Bereichen Kernbotschaften im Detail nengerechtigkeit die Geschlechtergerechtigkeit Klima und Gleichstellung durchgeführt haben. Erläuterungen und Hintergründe 6 eine wesentliche Rolle. Untersuchungen zeigen, Darüber hinaus fließen die Anregungen aus Herausgeber_innen: dass beispielsweise die Wahrnehmung der Risi- den Diskussionen ein, die auf der bundesweiten artec Forschungszentrum Nachhaltigkeit ken des Klimawandels, die Präferenzen für Fachtagung »Klima braucht Wandel« geführt Universität Bremen Gender+Klima integrieren: Handlungsfelder 13 Lösungsansätze und auch die Höhe des CO2- wurden. Enrique-Schmidt-Str. 7 Fußabdrucks von gesellschaftlichen Rollen- Energie 14 28359 Bremen zuschreibungen und geschlechtsspezifischer Im darauf folgenden Abschnitt stellen wir zu Bauen 15 Arbeitsteilung bestimmt werden. ausgewählten Handlungsfeldern im Kontext GenderCC – Women for Climate Justice e.V. Klimaschutz und Klimaanpassung beispielhaft Raumplanung 16 Anklamer Str. 38 Es geht also darum, durch die Berücksichtigung Leitfragen und Praxisbeispiele vor, die zur Ver- 10115 Berlin Ernährung 17 von Genderaspekten in Forschung und Praxis knüpfung von Klima und Gender anregen sol- die sozialen Dimensionen der Klimapolitik auf- len. Als Handlungsfelder thematisiert werden Unser Dank für die Pro- Gesundheit 18 zudecken, und die Verknüpfung von techni- Energie, Bauen, Raumplanung, Ernährung, jektbegleitung gilt dem Gestaltung: designbüro drillich Mobilität 19 schen und sozialen Lösungsstrategien für den Gesundheit und Mobilität. Zusätzlich werden wissenschaftlichen Bei- Klimaschutz und die Anpassung an den Klima- die Genderbezüge zu den klimapolitisch rele- rat, der wertvolle Hin- Bildnachweis: LIFE e.V., 123comics, wandel anzuregen. vanten Querschnittsthemen Arbeit, Kommuni- weise und Anregungen Thaut Images/fotolia.de Gender+Klima integrieren: Querschnittsthemen 21 kation und Partizipation erläutert. gegeben und somit zum Das vom BMBF geförderte Projekt »Kompetenz- Gelingen des Projektes Kommunikation 22 Druck: Druckerei der Universität Bremen netzwerk Chancengerechtigkeit im Klimawan- Die Handreichung endet mit Hinweisen zum beigetragen hat: Arbeit 24 del (GenderNETCLIM)«, das vom artec For- Forschungsbedarf sowie weiteren Empfehlun- Prof. Dr. Klaus Eisenack, ISBN 978-3-00-053082-1 schungszentrum Nachhaltigkeit der Universität gen, die sich aus den Projektergebnissen und Doris Freer, Arn Sauer, Partizipation 26 Bremen in Kooperation mit GenderCC – Women den Diskussionen bei den Workshops und der Dr. Angelika Saupe und for Climate Justice e.V. durchgeführt wurde, bundesweiten Fachtagung ableiten lassen. Dr. Irmgard Schultz. hatte zum Ziel, Wissen über die Bedeutung Ausblick von Genderdimensionen für Klimaschutz und Forschungsbedarf und Empfehlungen für die Klimaanpassung weiter zu verbreiten und so Das Projektteam Bremen/Berlin, Mai 2016 politische und praktische Umsetzung 27 dazu beizutragen, dass Maßnahmen und Kon- Bremen / Berlin, Mai 2016 zepte geschlechtergerechter gestaltet werden Das Vorhaben wurde mit Mitteln des können. Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 1 »Gender« verstanden als sozial konstruiertes Geschlecht, dessen Verknüpfung mit weiteren sozialen Faktoren wie z.B. 01FP1425 gefördert. Einkommen, Alter, ethnischem Hintergrund oder Lebensform zu berücksichtigen ist. 3
6. Gender+Klima: Werden Genderperspektiven bei der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutz- Kernbotschaften und Klimaanpassungsmaßnahmen mit berücksichtigt, geraten die gesellschaftli- chen Rollen- und Verantwortungszuschreibungen und damit auch die unbezahlte Arbeit in den Fokus. Die Auswirkungen der Maßnahmen werden nicht nur in Bezug auf einen Blick auf die bezahlte Erwerbsarbeit, sondern auch in Bezug auf die Versorgungsarbeit betrachtet. Damit stellt sich die Frage nach einer Neubewertung und Neuverteilung aller Formen von Arbeit (Erwerbs- und Versorgungsarbeit). 7. Die Berücksichtigung von Genderperspektiven in Deutschland lenkt auch den Die folgenden Kernbotschaften fassen Ergebnisse des Transferprojekts Gender NET- Blick auf die Verantwortung unseres Handelns und dessen Auswirkungen auf Länder des Globalen Südens, z.B. indem die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung CLIM zusammen und sprechen dabei verschiedene Ebenen an: Die Kernbotschaften und die Arbeitsbedingungen in den globalen Wertschöpfungs- und Produktions- 1, 3, 5 und 7 beziehen sich auf die normative Ebene, die Botschaften 6, 10 und 12 ketten oder die Auswirkungen unseres hohen Ressourcenverbrauchs auf die Über- lebenssicherung in monetär armen Weltregionen thematisiert werden. auf die analytische sowie die Kernbotschaften 2, 4, 8, 9 und 11 auf die strategisch- gestaltungsorientierte Ebene. Entsprechend unterscheiden sich die Zielgruppen der 8. Die Klimapolitik erhält eine emanzipatorische Dimension, wenn Geschlechterver- Botschaften und reichen von der Politik über die Forschung bis hin zu den Prakti- hältnisse – und damit verbunden Ungerechtigkeiten und ungleiche Machtverhält- ker_innen der Umsetzung. Im Anschluss an den hier folgenden Überblick finden nisse – adressiert werden. Dadurch wird eine grundlegende und weitreichende gesellschaftliche Transformation unterstützt, die wiederum Voraussetzung ist für sich Erläuterungen und Daten zu den einzelnen Botschaften. eine post-fossile Gesellschaft. 9. Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sollten mit vielfältigen Benefits 1. verbunden sein, also quantitative (z.B. Reduzierung von Treibhausgasen) UND Die Integration von Genderperspektiven rückt das Problemlösungspotenzial gesell- qualitative Ziele (z.B. Gesundheit, Lebensqualität, Gleichstellung) verfolgen. schaftlicher Auseinandersetzungen für den Klimawandel in den Mittelpunkt, stellt Durch die Einbeziehung von Genderperspektiven wird die eindimensionale Aus- einen Bezug zum Alltag und zu den Interessen und Bedürfnissen der Menschen her richtung von Klimaschutzmaßnahmen erweitert, wodurch vielfältige positive und füllt die Visionen einer klimagerechten Welt mit Leben. gesellschaftliche Effekte erzielt werden können. 2. 10. Die Verknüpfung klimapolitischer Maßnahmen mit sozialen und gleichstellungsori- Die Auswirkungen des Klimawandels und die notwendige Anpassung werden Ver- entierten Zielen erhöht die Legitimität der Maßnahme und ihre Akzeptanz in der teilungskonflikte hervorbringen, die wiederum Gerechtigkeitswirkungen haben Bevölkerung. Beides trägt zu einem besseren Umsetzungsgrad und zu einer effekti- werden. Durch die Einbeziehung von Genderperspektiven werden diese frühzeitig veren Umsetzung bei. antizipiert und Gegensteuern möglich. 3. 11. Geschlechtergerechtigkeit/Chancengerechtigkeit ist als gesetzlich verankertes Ziel Der Austausch zwischen Expert_innen aus dem Klimaschutzbereich und dem auch durch die Klimapolitik zu unterstützen. Entsprechend sind die fördernden Gleichstellungsbereich macht deutlich, dass sich Organisationsstrukturen (z.B. oder behindernden Wirkungen klimapolitischer Maßnahmen zu untersuchen und die anhaltenden sektoralen Zuschnitte von Politikfeldern) verändern können entsprechend zu berücksichtigen. und müssen. Und er zeigt, dass für den Wandel neue Formen der Zusammenarbeit, zusätzliche Räume sowie Veränderungen in der Verteilung von Zeit und Geld be- 4. nötigt werden, die zugleich als Anreize für diesen wechselseitigen Lernprozess Durch die Berücksichtigung von Genderaspekten in Forschung und Praxis werden wirken können. auch die sozialen Dimensionen der Klimapolitik aufgedeckt und die Verknüpfung von technischen und sozialen Lösungsstrategien angeregt. 12. Die kritische Perspektive der Geschlechterforschung fragt nach vermeintlichen 5. Selbstverständlichkeiten und impliziten Annahmen, die als unhinterfragte Voraus- Die Einbeziehung von Genderperspektiven in die Klimapolitik ist ein wesentlicher setzungen in die Gestaltung von Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaan- Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit und damit gleichzeitig ein Beitrag zu Klimage- passung eingehen und ihre Umsetzungsfähigkeit behindern können. Sie trägt rechtigkeit (climate justice). damit zu ihrer Qualitätsverbesserung bei. 4 5
Kernbotschaften im Detail: 3. Geschlechtergerechtigkeit/Chancengerechtigkeit ist als gesetzlich verankertes Ziel auch durch die Erläuterungen Klimapolitik zu unterstützen. Entsprechend sind die fördernden oder behindernden Wirkungen klimapolitischer Maßnahmen zu untersuchen und zu berücksichtigen. und Hintergründe Maßgebliche rechtliche Rahmenbedingungen für die Integration von Gender: n Auf internationaler Ebene wurde 1979 das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) verabschiedet. n Im bundesdeutschen Recht wurde 1994 Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz des Gleichberechtigungsgebots ergänzt: »Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin«. n 1. Die Integration von Genderperspektiven rückt das Problemlösungspotenzial gesellschaftlicher Auseinander- Auf Beschluss des Europäischen Rates wurde die Strategie Gender Main- setzungen für den Klimawandel in den Mittelpunkt, stellt einen Bezug zum Alltag und zu den Interessen und streaming 1997 in Artikel 2 und 3 EG-Vertrag (Amsterdamer Vertrag) fest- Bedürfnissen der Menschen her und füllt die Visionen einer klimagerechten Welt mit Leben. geschrieben, mit der Zielsetzung der Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern bei allen politischen Entscheidungen und Maßnahmen. Die erste Kernbotschaft ist als normative Zielsetzung zu verstehen. Sie greift die Beobachtung auf, dass mit der Einnahme der Genderperspektive die auf gesell- n Auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen schaftliche Fragen bezogenen Aspekte der Klimapolitik stärker ins Zentrum rücken. (Sustainable Development Goals – SDGs), die 2015 verabschiedet wurden, ist die Gleichstellung der Geschlechter und Befähigung aller Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung ein eigenständiges Ziel (SDG 5). 2. Die Verknüpfung klimapolitischer Maßnahmen mit sozialen und gleichstellungsorientierten Zielen erhöht die Legitimität der Maßnahme und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung. Beides trägt zu einem besseren 4. Durch die Berücksichtigung von Genderaspekten in Forschung und Praxis werden auch die sozialen Umsetzungsgrad und zu einer effektiveren Umsetzung bei. Dimensionen der Klimapolitik aufgedeckt und die Verknüpfung von technischen und sozialen Lösungsstrategien angeregt. Verschiedene Studien zur Akzeptanz Erneuerbarer Energien (EE) zeigen, dass »Fair- ness Effizienz schlägt« (BMF 2010) und auch »für den Erfolg von Anpassungsmaß- nahmen ausschlaggebend ist, die Last der Anpassung gerecht zu verteilen und Aus- Als ein Beispiel lässt sich auf den Forschungsverbund »nordwest2050« zu klima- wirkungen auf die Arbeitsplätze und die Lebensqualität niederer Einkommensgrup- angepassten Innovationsprozessen im Nordwesten verweisen. Er umfasste auch pen zu berücksichtigten« (KOM 2009, S. 10). Den signifikanten Einfluss der wahr- ein Teilprojekt zu Gender Mainstreaming (GM). Während der Hauptfokus des For- genommenen Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit auf die Akzeptanz von schungsverbundes auf technischen und institutionellen Innovationen lag, erhiel- Erneuerbaren Energien belegen verschiedene empirische Studien. In den Befragun- ten durch das GM-Teilprojekt soziale Aspekte, Fragen sozialer Gerechtigkeit und gen stieß die Einschätzung, dass Kosten und Nutzen der EE nicht fair verteilt seien, insbesondere das Thema Arbeit in seiner Bedeutung als Erwerbsarbeit und Carear- vielfach auf Zustimmung (Schweizer-Ries et al. 2010; Dütschke & Wesche 2015 beit mehr Aufmerksamkeit. Herausgearbeitet wurde, dass für eine klimaangepasste sowie Schiellerup et al. 2009). und resiliente Nordwestregion auch die geschlechtergerechte Verteilung und Neu- Bewertung von Arbeit sowie Chancengleichheit im Zugang zu neuen Berufen und Nach Braun & Knapp erhöht regionale Wertschöpfung die Akzeptanz von Wind- die Bildung neuer Kompetenzen relevant sind. Darüber hinaus wurde durch die kraftanlagen, zumal wenn regionale bzw. lokale Firmen vom Bau profitierten, die Gender Mainstreaming-Prozesse der Blick auf Ungleichheiten in den gesellschaft- Ausgaben für Energie dabei in der Region blieben (Braun & Knapp 2015) und ziel- lichen Macht- und Einflussverhältnissen auch im Bereich der Klimaanpassung gruppenspezifisch eingesetzt werden. Durch den Fokus auf Gender in Kombination gelenkt. Zudem konnten Akteur_innen eingebunden werden, die bislang nicht an mit weiteren sozialen Faktoren (Intersektionalität) werden die Anforderungen, regionalen Klimaanpassungsprozessen beteiligt waren, wodurch die Themen soziale Interessen und Einflussmöglichkeiten unterschiedlicher gesellschaftlicher, häufig Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Lebensqualität in dem partizipativen Prozess marginalisierter und vulnerabler Gruppen, z.B. Alleinerziehende, Ältere, Einkom- des Forschungsverbundes gestärkt wurden. mensschwache etc., berücksichtigt. 6 7
5. Die Einbeziehung von Genderperspektiven in die Klimapolitik ist ein wesentlicher Beitrag zu sozialer 7. Die Berücksichtigung von Genderperspektiven in Deutschland lenkt auch den Blick auf die Verantwortung Gerechtigkeit und damit gleichzeitig ein Beitrag zu Klimagerechtigkeit (climate justice). unseres Handelns und dessen Auswirkungen auf Länder des Globalen Südens, z.B. indem die geschlechts- spezifische Arbeitsteilung und die Arbeitsbedingungen in den globalen Wertschöpfungs- und Produktionsketten oder die Auswirkungen unseres hohen Ressourcenverbrauchs auf die Überlebenssicherung in monetär armen Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse unterscheiden sich erheblich zwi- Weltregionen thematisiert werden. schen den Geschlechtern, daraus folgen auch Unterschiede in den Möglichkeiten, Anpassungs- bzw. Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen. 2012 belief sich das Ein Beispiel ist die globale Wertschöpfungskette von Bekleidung. Werden die individuelle Nettovermögen von Männern in Deutschland im Durchschnitt auf Geschlechterverhältnisse entlang der textilen Kette betrachtet, zeigen sich globale 97.000 Euro, 27.000 Euro mehr als bei Frauen (Grabka & Wesermeier 2014). Das Ungleichheiten und es werden die Folgen unseres Wirtschaftens und Handelns für spiegelt sich auch im Wohneigentum wider. Nur 27 Prozent der Vollzeit arbeitenden den Globalen Süden deutlich: So decken die Löhne in der Bekleidungsbranche im Frauen leben in einer eigenen Wohnung oder einem eigenen Haus, bei den Männern Globalen Süden häufig nicht einmal den Mindestbedarf der Beschäftigten. Da- sind es dagegen 40 Prozent. Als Mieter_innen haben sie keinen Einfluss auf die durch erzielen multinationale Unternehmen und globale Marken mit Sitz in den energetische Situation und Versor- Industrieländern den Hauptanteil der Gewinne. gung des Wohngebäudes. Frauen, die Hinzu kommt, dass durch die globalisierten Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Individuelles Nettovermögen Energiekonsum für durchschnittliche in einer traditionellen Versorgerehe Die textile Kette Herstellungsprozesse von Kleidung Umwelt- Rohstoffgewinnung Naturfaser nach Geschlecht Frauen-/Männer-Single-Haushalte in leben, leben dagegen zu 48 Prozent belastungen und Ressourcenverbrauch in die verschiedenen Europäischen Ländern (in MJ) in einer familieneigenen Immobilie ➥ n Anbau (Düngung/Pflanzenschutz) Länder des Globalen Südens verlagert werden. 100 (immowelt.de 2011). n Ernte 350 Als übergreifendes Merkmal der textilen Wert- 300 80 Die Einkommens- bzw. Vermögens- Produktion Chemiefaser schöpfungskette zeigt sich der hohe Frauenan- n Gewinnung der Grundchemikalien teil bei den Beschäftigten, er liegt bei rund 2⁄3 250 unterschiede führen ebenso wie 60 200 die gesellschaftlichen Rollenzu- n Veredelung der Monomere/Polymere von knapp 30 Mio. Beschäftigten. Dieser hohe Transport schreibungen zu unterschiedlichen Entsorgung Frauenanteil ist weltweit verbunden mit einem 150 Handel 40 CO2-Ausstößen sowohl in der Höhe im Vergleich zu anderen Branchen unterdurch- ➥ Vertrieb ➦ 100 als auch bei den Verursachungs- schnittlichen Einkommen, dazu kommen noch ➦ ➦ 20 zwecken (Räty & Carlsson-Kanyama diskriminierende Arbeitsbedingungen für die 50 2009). Veredelung Gebrauch überwiegend weiblichen Beschäftigten. 0 0 (Vorbehandlung, Farben, 2002 2007 2012 chl and hweden henland orwegen Druck, Ausrüstung) Deuts Sc Griec N Konfektionierung Abb. 1 Quelle: Grabka & Wesermeier 2014 n Männer n Frauen n Männer n Frauen Abb. 2 Quelle: Räty & Carlsson-Kanyama 2009 Abb. 3 Quelle: Südwind-Institut 2015 6. Werden Genderperspektiven bei der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungs- 8. Die Klimapolitik erhält eine emanzipatorische Dimension, wenn Geschlechterverhältnisse – und damit maßnahmen mit berücksichtigt, geraten die gesellschaftlichen Rollen- und Verantwortungszuschreibungen verbunden Ungerechtigkeiten und ungleiche Machtverhältnisse – adressiert werden. Dadurch wird eine und damit auch die unbezahlte Arbeit in den Fokus. Die Auswirkungen der Maßnahmen werden nicht nur grundlegende und weitreichende gesellschaftliche Transformation unterstützt, die wiederum Voraussetzung in Bezug auf die bezahlte Erwerbsarbeit, sondern auch in Bezug auf die Versorgungsarbeit betrachtet. ist für eine post-fossile Gesellschaft. Damit stellt sich die Frage nach einer Neubewertung und Neuverteilung aller Formen von Arbeit (Erwerbs- und Versorgungsarbeit). Emanzipatorische Bewegungen setzen sich für die Freiheit und Gleichheit von Gruppen ein, die aufgrund von Ethnizität, Geschlecht, sexueller Orientierung, Wie wichtig es ist, auch unsichtbare Versorgungsarbeit mit in den Blick zu nehmen, ökonomischem Status etc. diskriminiert und nicht oder nicht gleichberechtigt zeigen Ergebnisse einer Studie aus Schweden: Annika Carlsson-Kanyama und Anna- an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Historisch gesehen wurden gesell- Lisa Linden (2007) berichten, dass in ihrer Forschung zu Energieeffizienz in Privat- schaftliche Transformationen häufig von emanzipatorischen Bewegungen ange- haushalten der Zusatzaufwand, der aus energiesparendem Verhalten resultiert, stoßen. überwiegend von Frauen übernommen wurde. Insofern hängt die Umsetzbarkeit von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen auch davon ab, inwiefern die Die Frauen- und Genderbewegung als emanzipatorische Bewegung hat somit das hierfür erforderlichen Zeit- und ökonomischen Ressourcen bei unterschiedlichen Potenzial, der Klimadebatte den nötigen Impuls für eine Transformation in Rich- gesellschaftlichen Gruppen zur Verfügung stehen. Diese können nicht als selbst- tung einer post-fossilen Gesellschaft zu geben. verständlich gegeben vorausgesetzt werden. Hierfür sind Erkenntnisse und Daten über die Auswirkungen von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen auf Zeitverwendung, Arbeitsteilung und Verantwortlichkeiten zwischen den Geschlech- tern in ihrem Alltag erforderlich. 8 9
9. Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sollten mit vielfältigen Benefits verbunden sein, also 11 . Der Austausch zwischen Expert_innen aus dem Klimaschutzbereich und dem Gleichstellungsbereich macht quantitative (z.B. Reduzierung von Treibhausgasen) UND qualitative Ziele (z.B. Gesundheit, Lebensqualität, deutlich, dass sich Organisationsstrukturen (z.B. die anhaltenden sektoralen Zuschnitte von Politikfeldern) Gleichstellung) verfolgen. Durch die Einbeziehung von Genderperspektiven wird die eindimensionale verändern können und müssen. Und er zeigt, dass für den Wandel neue Formen der Zusammenarbeit, Ausrichtung von Klimaschutzmaßnahmen erweitert, wodurch vielfältige positive gesellschaftliche Effekte zusätzliche Räume sowie Veränderungen in der Verteilung von Zeit und Geld benötigt werden, die zugleich erzielt werden können. als Anreize für diesen wechselseitigen Lernprozess wirken können. Beispiele für positive gesellschaftliche Auswirkungen von Klimaschutzstrategien Diesen Lernprozess zwischen unterschiedlichen Bereichen beschreibt eine Studie für die menschliche Gesundheit verdeutlichen beispielsweise Haines et al. (2009). von Stiess (2013), die Synergien zwischen Umwelt- und Sozialpolitik unter ande- So zeigten diese Forschungsergebnisse, dass zukünftige CO2-Einsparungen in den rem als Folge geeigneter Kooperationsstrukturen versteht. Gerade Kommunikation Bereichen Haushalt, Transport, Ernährung und Landwirtschaft sowie Energieerzeu- über Sektoren hinweg und längerfristige Kontakte zwischen Fachkulturen können gung potenziell mit Reduktionen an kardiovaskulären Erkrankungen (z.B. durch laut Stiess eine erfolgreiche Zusammenarbeit stärken. Die Notwendigkeit eines verstärktes Radfahren und Gehen als Fortbewegungsmittel) oder bestimmten Krebs- solchen Austauschs betonten auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den risiken (z.B. durch verringerten Konsum von Fleisch) einhergehen können. Einen Bereichen Gleichstellung und Klima auf zwei Workshops im Rahmen des Projektes weiteren Hinweis auf den Nutzen von mehrdimensionalen Klimaschutzmaßnamen GenderNETCLIM. gibt Stiess (2013): dessen Studie über eine verbesserte Nutzung von Synergien zwischen Umwelt- und Sozialpolitik zeigte, dass umweltpolitische Maßnahmen dazu beitragen können, die Lebensqualität und Alltagsgestaltung sozial benach- teiligter Bevölkerungsgruppen (z.B. Geringverdiener_innen) zu verbessern bzw. 12 . Die kritische Perspektive der Geschlechterforschung fragt nach vermeintlichen Selbstverständlichkeiten und zu erleichtern. impliziten Annahmen, die als unhinterfragte Voraussetzungen in die Gestaltung von Maßnahmen zum Klima- schutz und zur Klimaanpassung eingehen und ihre Umsetzungsfähigkeit behindern können. Sie trägt damit zu ihrer Qualitätsverbesserung bei. 10 . Die Auswirkungen des Klimawandels und die notwendige Anpassung werden Verteilungskonflikte hervorbringen, die wiederum Gerechtigkeitswirkungen haben werden. Durch die Einbeziehung von Genderperspektiven werden diese frühzeitig antizipiert und Gegensteuern möglich. Dies zeigt beispielsweise eine Studie, die sich aus Genderperspektive mit Kaufent- scheidungen und Nutzungsmustern von mit Erneuerbaren Energien betriebenen Heizanlagen befasste (Offenberger & Nentwich 2011). Sie identifizierte dabei zwei Ein Element des Klimaschutzes ist die – steuerlich begünstigte – energetische Funktionen dieser Heizanlagen: zum einen die mit Technik und Funktionalität Sanierung von Wohngebäuden. Vor dem Hintergrund sozialer und Geschlechterge- (und männlich kodierte) verbundene Funktion »Facility Management« und zum rechtigkeit stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche gesellschaftli- anderen die mit Behaglichkeit und Emotionalität (und weiblich kodierte) verbun- chen Gruppen von diesen Fördermaßnahmen eher profitieren und Zugang zu ener- dene Funktion »Home Making«. Insofern ist nicht nur – wie häufig angenommen gieeffizientem Wohnen haben bzw. welche Gruppen davon eher ausgeschlossen – die Funktionalität von mit Erneuerbaren Energien betriebenen Heizungsanlagen sind. Um soziale Schieflagen zu vermeiden oder mindestens zu dämpfen, sind Maß- für ihre Kaufentscheidung und Nutzung bedeutsam. Vielmehr sollten auch die nahmen zu entwickeln, die auch einkommensschwachen Gruppen wie z.B. Alleiner- Anforderungen des »Home Making« bei den Entwicklungs- und Designprozessen ziehenden oder Rentnerinnen mit einem überdurchschnittlich hohen Armutsrisiko von Heizungsanlagen berücksichtigt werden, um ihre Akzeptanz und Nutzung zu energieeffizientes Wohnen ermöglichen. In ähnlicher Weise stellt sich diese Frage erhöhen. für den Zugang zu Wohnlagen mit einem höheren oder geringeren Risiko, von Extremwetterereignissen wie Starkregen und Überflutungen betroffen zu werden, Zweites Beispiel ist eine Studie über die Informationsbedürfnisse, die bei der sowie für die Verteilung von daraus resultierenden steigenden Versicherungskosten. Beratung zur energetischen Sanierung von Wohngebäuden berücksichtigt werden sollten (Fischer 2011). In einer geschlechterdifferenzierten Untersuchung wurde Solche mit Klimaschutz und Klimaanpassung verbundenen Un/Gerechtigkeits- herausgearbeitet, dass die Annahme, die vielen Beratungsangeboten zugrunde wirkungen werden bereits in Befragungen formuliert: So brachten in einer empiri- liegt, wonach sich der Beratungsbedarf vor allem auf technisch-ökonomische schen Studie insbesondere Befragte aus Familien, die von Armut bedroht sind, Fragen (z.B. Kosten-Nutzen-Analysen, Energieverluste, Wärmedurchgangskoeffi- ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass klimafreundlichere Technologien soziale zienten) richtet, insbesondere auf Interessierte mit Vorinformation zur energeti- Ungleichheiten und die gesellschaftliche Spaltung in ›privilegiert‹, die sich diese schen Sanierung zutrifft. Interessierte, die dagegen noch keinen expliziten Bezug leisten können, und ›alle anderen‹, verstärken könnte (Weller 2015, S. 151). zur energetischen Sanierung haben, haben darüber hinausgehende Informations- bedürfnisse, z.B. zu gesundheitlichen Risiken von Dämmmaterialien oder zu All- tagserfahrungen (Zeitaufwand, Baustellensituation, geeignete Handwerker u.a.). Diese Aspekte mit zu berücksichtigen trägt somit zur Qualitätsverbesserung ent- sprechender Beratungsangebote und ihrer Umsetzungsfähigkeit bei. 10 11
Im folgenden Abschnitt wird am Beispiel von insgesamt sechs Literatur zu den Kernbotschaften Handlungsfeldern aufgezeigt, wie das Zusammendenken und die Ver- B RAUN , F LORIAN ; K NAPP, M ARTI n (2015). Der O FFENBERGER , U RSULA ; N ENTWICH , J ULIA (2011). knüpfung von Klima und Gender bei der Umsetzung von Maßnahmen ländliche Raum als Schauplatz der Energie- Soziokulturelle Bedeutungen von Wärme- wende. Multidisziplinäre Perspektiven auf energiekonsum in Privathaushalten. In: zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel gelingen einen komplexen soziotechnischen Transfor- Rico Defila, et al. (Hrsg.). Wesen und Wege kann. mationsprozess. Technikfolgenabschätzung – nachhaltigen Konsums. Ergebnisse aus dem Theorie und Praxis 24 (1): 106 – 110. Themenschwerpunkt »Vom Wissen zum Handeln – Neue Wege zum nachhaltigen B UNDESFINANZMINISTERIUM (BMF) (2010). Gerech- Konsum«. München: oekom, 313 – 329. tigkeitswahrnehmung von Steuer- und Sozialsystemreformen. R ÄTY, R IITA ; C ARLSSON -K ANYAMA , A NNIKA (2009). http://kurzlink.de/Gerechtigkeit Energy consumption by gender in some European countries. Energy Policy 38(1) C ARLSSON -K ANYAMA , A NNIKA ; L INDEN , A NNA -L ISA 646 – 649. (2007). Energy efficiency in residences – Challenges for women and men in the North. S CHIELLERUP, P ERNILLE ; C HIAVARI , J OANA ; Energy Policy 35 (4): 2163 – 2172. B AULER , J OHN ; G RANCAGNOLO, M ARCO (2009). Climate Change, Mitigation Policies and D ÜTSCHKE , E LISABETH ; W ESCHE , J ULIUS P. (2015). Social Justice in Europe. Discussion Paper. Gender+Klima integrieren: Status quo of social acceptance strategies Brüssel: King Baudouin Foundation (Hrsg.). und practices in the wind industry. WISEPower Bericht. Berlin: Fraunhofer ISI. S CHWEIZER -R IES , P ETRA ; R AU , I RINA ; N OLTING , www.wisepower-project.eu K ATRIN ; K EPPLER , D OROTHEE (2010). F ISCHER , K ARIN ; W ELLER , I NES (2015). Geschlech- tergerechtigkeit als Querschnittsdimension in einem regionalen Klimaanpassungspro- Aktivität und Teilhabe – Akzeptanz Erneuerbarer Energien durch Beteiligung steigern. Projektabschlussbericht. http://fg-umwelt.de/index.php?id=158 Handlungsfelder zess. In: Arnim von Gleich, Bernd Sieben- hüner (Hrsg.). Regionale Klimaanpassung S TIESS , I MMANUEL (2013). Synergien von Umwelt- im Küstenraum. Marburg: Metropolis-Verlag, und Sozialpolitik – Soziale Innovationen Die sechs Handlungsfelder beziehen sich jeweils auf Bereiche, die 109–127. an der Schnittstelle von Umweltschutz, Lebensqualität und sozialer Teilhabe. im Kontext Klima(wandel) eine wichtige Rolle spielen. Beispielhaft F ISCHER , K ARIN (2011). Genderaspekte der In: Jana Rückert-John (Hrsg.). Gebäudekerndämmung aus erneuerbaren/ Soziale Innovation und Nachhaltigkeit. haben wir hierfür die Handlungsfelder Energie, Bauen, Raumplanung, wiederverwerteten Rohstoffen. Wiesbaden: Springer, 33 – 49. artec-paper Nr. 176. Bremen: artec. Ernährung, Gesundheit und Mobilität ausgewählt. Die Ausführungen S ÜDWIND I NSTITUT (2015). Vom fehlenden Nutzen für die Handlungsfelder folgen einer einheitlichen Struktur: Zunächst G RABKA , M. M ARKUS ; W ESERMEIER , C HRISTIAN der Freiwilligkeit. Soziale und ökologische (2014). Anhaltend hohe Vermögensvertei- Probleme in der globalen Bekleidungs- werden die Relevanz für die Klimapolitik und deren Umsetzung dar- lung in Deutschland. In: DIW Wochenbericht produktion und Ansätze zu ihrer Lösung. 9/2014: Vermögensverteilung, 151 – 164. http://kurzlink.de/Suedwind gestellt und die Genderaspekte für das jeweilige Handlungsfeld bzw. H AINES , A NDY ; M C M ICHAEL , A NTHONY J.; S MITH , W ELLER , I NES (2015). Klimafreundlicher Konsum. Querschnittsthema erläutert. Daran anknüpfend geben Leitfragen K IRK R.; R OBERTS , I AN ; W OODCOCK , J AMES ; In: Sybille Bauriedl (Hrsg.). Wörterbuch Anregungen für eine Genderanalyse, die auf eine gendersensible M ARKANDYA , A NIL , et al. (2009). Public health Klimadebatte. Bielefeld: Transcript, benefits of strategies to reduce greenhouse- 149 –155. Planung und Umsetzung von Maßnahmen abzielt. Zusätzlich werden gas emissions: overview and implications for policy makers. Lancet 374: 2104 – 2114. W ICK , I NGEBORG (2009). Soziale Folgen des einige Themen durch konkrete Beispiele in die Praxis übersetzt. liberalisierten Weltmarktes für Textil I MMOWELT. DE (2011). Wohneigentum: Frauen und Bekleidung. Strategien von Gewerk- leben seltener in einer eigenen Immobilie schaften und Frauenorganisationen. als Männer. Eine Studie im Auftrag der Otto Brenner http://kurzlink.de/Immo Stiftung. Frankfurt/Main: OBS-Arbeits- heft 62. K OMMISSION DER E UROPÄISCHEN G EMEINSCHAFTEN (2009). Weissbuch – Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktions- rahmen. KOM/2009/0147 endg. http://kurzlink.de/Weissbuch 12 13
Handlungsfeld Energie Handlungsfeld Bauen Die Energieproduktion und der entsprechende direkte und indirekte Energiekonsum – Praxisbeispiel: Das Handlungsfeld Bauen ist sowohl für den Klimaschutz als auch für die Anpassung also die Energie, die zur Herstellung von Produkten verwendet wird – sind Hauptver- Cariteam-Energiesparservice an den Klimawandel von Relevanz. Beispielsweise spart der Schutz vor Wärme (oder ursacher des CO2-Ausstoßes und damit auch maßgebliche Ansatzpunkte zum Klima- Kälte) durch Dämmung gleichzeitig Energie für Heizung oder Kühlung. Und der Schutz schutz. Einstellungen zur Energieproduktion und zur Energiewende, aber auch Ursa- Mit dem Projekt schult der Caritasver- vor Hochwasser ist nicht nur eine Frage des Standorts, sondern auch der Kapazitäten chen und Höhe des Energiebedarfs und des Energieverbrauchs sind determiniert durch band Frankfurt am Main e.V. Langzeit- von Entwässerungssystemen. Betroffen davon sind Hauseigentümer_innen ebenso wie gesellschaftliche Rollenzuschreibungen, Verantwortlichkeiten und Geschlechteridenti- arbeitslose zu »Serviceberatern Energie- Mieter_innen. Ob und wie sie in der Lage sind, sich vor den Auswirkungen des Klima- täten. Versorgungsarbeit erhöht den Energiebedarf, ebenso wie beispielsweise die in- und Wassertechnik«, die im Anschluss wandels zu schützen und Klimaschutzmaßnahmen baulich umzusetzen, ist vor allem tensive Nutzung des Internets oder von Computerspielen. Eine weitere wichtige Deter- Haushalten mit geringem Einkommen abhängig vom sozio-ökonomischen Status. Bauleitplanung und Raumordnung geben minante für den Energieverbrauch ist das Einkommen. Je höher das Einkommen, desto eine kostenlose Energie- und Wasser- dabei den Rahmen vor und bieten auch den Hebel für die Politik, klimaschützendes höher der »Carbon-Footprint«: größere Wohnungen, größere und leistungsstärkere sparberatung – verbunden mit einem und klimaangepasstes Bauen zu forcieren. Autos, mehr elektronische Produkte sind unter anderem dafür verantwortlich. Auch Starterkit – anbieten. Dieses Projekt, beim Einkommen spielen die Geschlechterverhältnisse eine nicht unerhebliche Rolle das arbeitsmarkt-, sozial- und klimapoli- Auch im Gebäudebestand können zahlreiche Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaß- und können auf der einen Seite zu hohem Energieverbrauch, auf der anderen Seite tische Ziele verbindet, ist so erfolgreich, nahmen umgesetzt werden, wie z.B. energetische Sanierungsmaßnahmen, Nutzung zu Energiearmut, unter anderem hervorgerufen durch energetisch veraltete Gebäude dass es inzwischen bundesweit umge- von Solarenergie für die Wassererwärmung und Stromerzeugung sowie Regenwasser- Praxisbeispiel: (Wärmedämmung, Heizung, Warmwasserversorgung) oder ineffiziente Haushaltsge- setzt wird. nutzung. Ob und wie diese umgesetzt werden, hängt zum einen von der unterstützen- räte, führen. den Gesetzgebung, wie z.B. der Energieeinsparverordnung EnEV ab, mit der die bau- Die Verbraucherzentralen verfolgen im Damit Klimaschutzmaßnahmen ihre bestmögliche Wirkung entfalten können, ist eine Eine Evaluation (durchgeführt 2009– technischen Anforderungen für Energieeffizienz bei Sanierungs- und Neubaumaßnah- Rahmen ihrer Energieberatung auch die geschlechterdifferenzierte Betrachtung unter Berücksichtigung der genannten sozio- 2010) sowohl der Seite der Berater_innen men geregelt werden, zum anderen von den Präferenzen der Entscheidenden, z.B. für Aufgabe, einen Beitrag zur Erreichung der ökonomischen Faktoren notwendig. als auch der Nutzer_innen brachte neben technische Einzellösungen oder eher umfassendere Konzepte. Hierbei sind auch Gen- nationalen Klimaziele zu leisten. Vor dem den guten Ergebnissen bei der späteren deraspekte von Bedeutung. Diese können insbesondere in der Planungsphase eine Hintergrund der zunehmenden Anzahl Integration in den Arbeitsmarkt und der wichtige Rolle spielen und die Entscheidung für Klimaschutz- und Klimaanpassungs- alleinstehender Hausbesitzerinnen bietet Bei der Planung und Gestaltung von Maßnahmen im Energiebereich können Einsparung von Energie zwei erstaunliche maßnahmen beeinflussen. Die Kommunikation von Erfahrungen mit und konkrete die Verbraucherzentrale (VZ) Bremen seit beispielsweise folgende Fragen zielführend sein: Ergebnisse zu Tage: während an den Informationen über die Durchführung von Maßnahmen sind dabei für den Entschei- 2014 gezielt Beratungsangebote für Frau- Schulungen der Anteil von Frauen bei dungsprozess für oder gegen einzelne Klimaschutz- oder Klimaanpassungsmaßnahmen en an. Diese Angebote erzielen nach den n Wendet sich die Maßnahme an Privat- n Werden die möglicherweise unter- unter 10 Prozent lag, wurde die Energie- von Relevanz. Erfahrungen der VZ Bremen eine gute Re- sparberatung überproportional häufig sonanz. Das Besondere dieses Angebots haushalte? schiedlichen Prioritäten zur Energie- von Frauen angefragt (60 Prozent). mit dem Titel »Vorgehen bei der Altbau- ◗ Wenn ja, wird dabei berücksichtigt, einsparung von Personen unterschied- Auch die Motivation war unterschiedlich: Um diesen Prozess zu unterstützen, können folgende Fragen hilfreich sein: sanierung – Schritt für Schritt« liegt lichen Geschlechts, kulturellen Hin- dass Haushalte selbst keine Akteure Frauen waren an Energiespartipps und nach den Beobachtungen der VZ Bremen n Welche Zielgruppen sollen durch n Wird ein Erfahrungsaustausch ermög- tergrunds, Alters, unterschiedlicher sind, sondern die darin lebenden Beiträgen zum Klimaschutz interessiert, in der Atmosphäre sowie den Themen Bildungs- und Einkommenssituation Personen unterschiedlichen Ge- Männern ging es eher um die ökonomi- die geplanten Maßnahmen erreicht licht zwischen Eigenheimbesitzern und Fragen, die von den Teilnehmerinnen etc. berücksichtigt? Z.B. indem abge- schlechts, Alters, kulturellen Hin- sche Seite und um das Starterkit mit werden? Welche Erkenntnisse liegen und Eigenheimbesitzerinnen mit eingebracht werden. Im Unterschied zu wogen wird, ob und wann technische tergrundes? Energiesparlampen, Wasserperlatoren und über deren Motive, Informationsbe- und ohne Erfahrungen an baulichen gemischtgeschlechtlichen Veranstaltun- Ansätze sinnvoll sind, wann und wie ◗ Werden die einzelnen Haushaltsmit- Wassersparduschköpfen, TV-Abschaltern dürfnisse und Handlungsmöglichkei- Klimaschutzmaßnahmen sowie Fach- gen beteiligten sich in der Frauengruppe Lebensstiländerungen diese ergänzen oder schaltbaren Steckerleisten. Erfahren ten vor? expert_innen und auch Handwer- die Teilnehmerinnen intensiver und die glieder angesprochen und dabei müssen oder gar zielführender sind? ◗ Werden z.B. mögliche Unterschiede haben 50 Prozent der Männer von dem ker_innen aus dem entsprechenden Fragen bezögen sich neben den Energie- ◗ Wie werden die unterschiedlichen Rollenzuschreibungen, Verantwort- Projekt über die Jobcenter der Arbeits- Bereich? effizienzwerten auch auf Alltagsfragen lichkeiten und Geschlechterstereo- zwischen Interessent_innen in Hin- Prioritäten jeweils bewertet und ämter, aber nur 25 Prozent der Frauen. der Durchführung der Sanierung und Er- n Welche Themen können mit Klima- type reflektiert? blick auf ihr technisch-ökonomi- unterstützt? fahrungen mit Handwerker_innen und sches Vorwissen, in der Risikowahr- n Adressiert die Maßnahme die aus der Dieses hier sehr verkürzt dargestellte schutz- und Klimaanpassungsmaß- einzelnen Gewerken. Durch eine zielgrup- nehmung gesundheitlicher Implika- n Sind finanzielle Unterstützungs- oder Beispiel zeigt wie wichtig es ist, die nahmen verknüpft werden? Für wel- penbezogene Kommunikation sowie die Versorgungsarbeit resultierenden tionen von Dämmmaßnahmen oder unter anderem auf Grund von Geschlecht, che Zielgruppen sind diese besonders Berücksichtigung unterschiedlicher Inter- Energiebedarfe? Beteiligungsmaßnahmen (z.B. Bür- -materialien sowie in Hinblick auf ethnischem Hintergrund und Bildungs- interessant? Beispiele für einen sol- essen und Bedürfnisse unterschiedlicher ◗ Wenn ja, gehen die Einsparmaß- ger_innenanlagen Erneuerbare Ener- die im Alltag zu erwartenden Be- stand unterschiedlichen Ausgangssitua- chen ›Multi-Benefits‹-Ansatz sind Gruppen von Frauen und Männern können gie) vorgesehen? lastungen geprüft und durch ent- nahmen oder Energieeffizienzmaß- tionen, Interessen und Motivationslagen u.a. Sicherheit im Zusammenhang daher bisher ungenutzte Energieeinspar- ◗ Wenn ja, sind die Beteiligungsmög- sprechende Informationsangebote nahmen zu Lasten derjenigen, die der Zielgruppe bei der Planung von mit neuen Fenstern, Gesundheit mit potenziale aktiviert und Klimaschutz- adressiert? diese Arbeiten (unsichtbar und lichkeiten bzw. Finanzierungen so Maßnahmen zu berücksichtigen, um ökologischen Baustoffen und nicht maßnahmen weiter verbreitet werden. unbezahlt) ausführen? Wie kann konzipiert, dass auch Personen mit eine gerechte Verteilung des Nutzens ◗ In welcher Sprache wird über zuletzt kalkulierbare ökonomische das verhindert oder zumindest ein geringerem Einkommen Zugang für die Zielgruppe und für das Klima zu Klimaschutz/Klimaanpassung Einsparungen bei energetischen (Vgl. Verbraucherzentrale Bremen: Ausgleich geschaffen werden? haben und profitieren können? erreichen. informiert? Maßnahmen. www.verbraucherzentrale-bremen.de) 14 15
Handlungsfeld Raumplanung Handlungsfeld Ernährung Der Bereich Ernährung bietet eben- falls Möglichkeiten, Strategien der Klimaanpassung zu unterstützen, Im Rahmen der Raumplanung werden Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen Der Bereich Ernährung verursacht insbesondere durch die Herstellung und den Konsum z.B. durch städtisches Gärtnern in räumliche Maßstäbe übersetzt, konkret geplant und umgesetzt. Auch Maßnahmen von tierischen Lebensmitteln (Milch- und Fleischprodukte) Treibhausgase in hohem (Urban Gardening). Dies kann sowohl zur Anpassung an den Klimawandel wie z.B. der Ausbau von Deichen oder die Schaf- Maß. Außerdem ist die Menge an Lebensmitteln, die produziert, konsumiert und weg- einen Beitrag zur Klimaanpassung fung von Retentionsflächen werden im Rahmen der Raumplanung verhandelt. Das geworfen wird, vergleichsweise hoch. Dazu kommt, dass es zwischen verschiedenen in Städten als auch einen Beitrag zu Bundesbaugesetz sieht seit 2011 die Prüfung von Klimaaspekten im Rahmen der gesellschaftlichen Gruppen – in Abhängigkeit von z.B. Alter, Geschlecht, Einkommen, Eigenversorgung leisten. sogenannten »Relevanzprüfung« vor, bereits seit 2002 sind die Anforderungen von Nationalität, Ethnizität und Gesundheit – erhebliche Unterschiede in den Präferenzen, Gender Mainstreaming verankert und damit Rechtsgrundlage für die Integration in in der Zusammensetzung und Menge der konsumierten Lebensmittel gibt. Die Wirksamkeit und Geschlechterge- die Raumplanung. rechtigkeit solcher Maßnahmen kann Um wirksame Maßnahmen zur Förderung von Klimaschutz im Bereich Ernährung zu beispielsweise durch die Berücksichti- Das Handlungsfeld Raumplanung ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass Vor- entwickeln, ist es hilfreich, die möglichen ernährungsbezogenen Unterschiede zwi- gung folgender Fragen und Ansatz- stellungen über Gesellschaft räumlich abgebildet und Lebenswelten aktiv geordnet schen verschiedenen Gruppen zu kennen und zu berücksichtigen. Als »Eye-Opener« punkte berücksichtigt werden: werden. Die Formung räumlicher Strukturen basiert dabei auf gesellschaftlichen hierfür können z.B. folgende Fragen dienen: (Macht-)Verhältnissen, die reproduziert oder verändert werden können. Hierbei kommt es auch zu Wechselwirkungen mit den Geschlechterverhältnissen, die in Räumen auf n Auf welchen Annahmen über den Verbrauch an Lebensmitteln und deren Ressour- n Wie sind in Städten Urban Gardening- vielfältige Art und Weise wirksam sind, z.B. durch die Unterscheidung öffentlicher und cenverbrauch basieren die Konzepte? Aktivitäten räumlich verteilt? Wer privater Sphären und Tätigkeiten oder die ungleiche Priorisierung von Erwerbs- und bzw. welche gesellschaftlichen Grup- Familienarbeit durch die Raumplanung. Diese Aspekte spielen auch im Zusammenhang ◗ Inwiefern werden Unterschiede zwischen verschiedenen gesellschaftlichen pen haben Zugang und beteiligen mit Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen eine Rolle. Werden sie bereits in Gruppen in Hinblick auf ihren Verbrauch an Nahrungsmitteln und deren Ressour- sich daran? Welche nicht? Wie lassen der Planungsphase berücksichtigt, kann dies zu einer chancen- und geschlechterge- cenverbrauch bzw. Klimagasausstoß berücksichtigt? sich diese in Hinsicht auf die Dimen- rechten Raumplanung beitragen. Grundlegend für die Einnahme der Geschlechterper- sionen Alter, Geschlecht, Einkommen spektive ist, scheinbar unumstößliche gesellschaftliche Gegebenheiten zu hinterfra- ◗ Welche Daten stehen hierüber zur Verfügung? oder Versorgungssituation charakteri- gen und herauszufinden, wie unterschiedliche Lebens- und Arbeitssituationen durch sieren? die Raumplanung besser berücksichtigt werden können. Beispielsweise geht es um die n Lassen sich Gruppen identifizieren, deren Lebensmittelkonsum mit einem über- Frage, wie negative Auswirkungen der Trennung von Wohnen und Arbeiten überwun- durchschnittlich hohen bzw. besonders niedrigen Ressourcenverbrauch und n Lassen sich Quartiere oder gesell- den oder Erwerbs- und Versorgungsarbeiten leichter miteinander verbunden werden entsprechenden Treibhausgasemissionen verbunden ist? Werden für diese jeweils schaftliche Gruppen identifizieren, können. spezifische Maßnahmen entwickelt? die nur eingeschränkt Zugang zu Urban Gardening haben? Worauf n Welche Besonderheiten charakterisieren diese Gruppen z.B. in Hinblick auf lässt sich dies zurückführen? Zeit/Knappheiten, Einkommens- und kulturelle Unterschiede, Zugang zu n An welche Akteur_innen und gesell- Hilfreiche Fragen für die Berücksichtigung von Gender im Kontext klima- Lebensmitteln, Wissen über Lebensmittel? freundlicher Raumplanung können sein: schaftliche Gruppen richten sich ◗ Wie können diese bei der Entwicklung von Strukturen und Strategien für eine politische Strategien und Konzepte n Werden bei der Entwicklung von inte- n Werden durch differenzierte Beteili- klimafreundlichere Ernährung berücksichtigt werden? der Klimaanpassung im Bereich grierten Konzepten der Raumplanung gungsprozesse unterschiedliche Be- Ernährung? n Welche Angebote und Versorgungsstrukturen sind geeignet, um die individuelle ◗ Wie kann gewährleistet werden, mit Bezug auf Klimaschutz und völkerungsgruppen in Planungen und Klimaanpassung auch mögliche Ge- Konzepterarbeitung sowie Konkreti- Ernährungsverantwortung zu entlasten und nicht ungewollt zu einem Mehr an dass unterschiedliche gesellschaft- schlechterunterschiede z.B. in Hin- sierungen und Umsetzungen einge- Verantwortung bei den für Ernährung Verantwortlichen beizutragen? Zu prüfen liche Gruppen und divers zusam- blick auf ihre Handlungsmöglichkei- bunden? wäre hier beispielsweise die Einbindung von Kantinen, Mensen, Gastronomie u.a. mengesetzte Quartiere erreicht ten, Anforderungen und Wirkungen bei der Entwicklung von Konzepten für mehr Klimaschutz im Ernährungsbereich. n Wie können vorhandenen Daten so ge- werden? berücksichtigt? nutzt werden, dass eine geschlechter- ◗ Führen diese zu einem Empower- n Wie wird Transparenz in den Planungs- gerechte und zielgruppenspezifische ment der beteiligten Akteurinnen prozessen gewährleistet? Umsetzung von Klimaschutz- und und Akteure? Klimaanpassungsmaßnahmen gewähr- n Werden Gender-Expert_innen verbind- leistet ist? (siehe dazu: Milbert et al. n Für welche Akteur_innen und gesell- lich und regelmäßig in Planungen und 2015) schaftlichen Gruppen sind diese Kli- Aktivitäten zu Klimaschutz und Kli- maanpassungsaktivitäten möglicher- maanpassung im Rahmen von Stadt- weise mit Nachteilen verbunden? entwicklung und Regionalentwicklung eingebunden? 16 17
Handlungsfeld Gesundheit Handlungsfeld Mobilität Die menschliche Gesundheit ist Hilfreiche Fragen für die Berück- Mobilität spielt sowohl für Klimaschutz als auch für die soziale Teilhabe eine ent- sowohl von den Auswirkungen sichtigung von Gender im Bereich scheidende Rolle. Der Verkehrssektor macht aktuell ca. 20 Prozent der energiebeding- des Klimawandels als auch von von Klima und Gesundheit können ten CO2-Emissionen in Deutschland aus und ist darüber hinaus erheblich an Luftver- Maßnahmen des Klimaschutzes sein: schmutzung und Flächenversiegelung beteiligt (BMUB 2016). Damit Deutschland und der Klimaanpassung betrof- n seine Klimaziele erreichen kann, ist daher eine grundsätzliche Umgestaltung der fen. Der Gesundheitszustand Auf welcher Datenbasis wird eine Ent- Verkehrssysteme hin zu einer klimafreundlicheren Mobilität zwingend. Für die erfor- wird unter anderem von indivi- scheidung zugunsten der Maßnahme derliche Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs sind attraktive Angebote duellen (z.B. Verhalten), sozialen getroffen? Liegen gesundheitsbe- an öffentlich zugänglichen und gemeinschaftlich nutzbaren Mobilitätsformen zu (z.B. soziale Netzwerke), ökonomi- zogene Daten für alle Geschlechter entwickeln sowie Fahrrad- und Fußwege weiter auszubauen und zu verbessern. schen (z.B. Einkommen) und auch getrennt vor? Neue Konzepte ebenso wie der Ausbau vorhandener müssen sich an den Zielen einer umweltbezogenen Einflüssen (z.B. Luft- nachhaltigen Entwicklung und damit auch an (Geschlechter)Gerechtigkeit orientieren. verschmutzung oder Wohnbedingungen) n Erfolgt eine Prüfung möglicher ge- Dies bedeutet u.a. die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer_innen, einschließlich bestimmt. Darüber hinaus beeinflusst auch sundheitlicher Folgen der Maßnah- Fußgänger_innen und Fahrradfahrer_innen, gleichberechtigt zu behandeln. Bereits Geschlecht Gesundheitsrisiken: sowohl der Einfluss von men, auch geschlechterdifferenziert? bei der Planung sind daher unterschiedliche Prioritäten und Anforderungen an Mo- Genetik und Biologie auf die Krankheitsentwicklung als auch die Folgen von sozialer Wird dies sowohl vor Beginn der Maß- bilität zu bestimmen und zu berücksichtigen, und sich von der immer noch häufigen Ungleichbehandlung und unterschiedlichem Risikoverhalten können den Gesundheits- nahme als auch als Teil einer Evalua- Orientierung am (männlichen) Berufspendler ohne Versorgungsalltag zu lösen. Praxisbeispiel: zustand, den Zugang zur Gesundheitsversorgung oder eine angemessene Behandlung tion berücksichtigt? von Krankheiten beeinträchtigen. Mobilitätsbedürfnisse und -muster stehen in engem Zusammenhang mit den jeweili- Für die Erstellung des Nahverkehrsplans n Ist die Ansprache von Warnhinweisen gen Lebens-, Arbeits- und Wohnsituationen. Sie werden von den strukturellen Unter- 2008 der Region Hannover wurden diffe- Im Kontext von Klimawandel ist die Gesundheit von Frauen und Männern besonders oder Informationsmaterial passend schieden zwischen ländlichem Raum und urbanem Umfeld, von Unterschieden in Ein- renzierte Analysen (Heineking 2002) durch Auswirkungen von Extremwetterereignissen oder Infektionskrankheiten durch für diejenigen, die sie benutzen und kommen und Umwelteinstellungen sowie den gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen durchgeführt, um die Mobilitätsbedürf- veränderte Lebensräume von Infektionsträgern gefährdet. Geschlecht und Geschlech- befolgen sollen? Liegt das Material in und Verantwortlichkeiten beeinflusst. So erklärt sich, dass Männer im Durchschnitt nisse verschiedener Nutzer_innengruppen terverhältnisse beeinflussen dabei die Verwundbarkeit von Personen unterschiedlich. den Muttersprachen der Zielgruppen länger unterwegs sind, größere Strecken zurücklegen und dabei meist als klaren zu erfassen. Wichtiges methodisches Ele- Studien in Europa haben gezeigt, dass ältere Frauen mit kardiovaskulären Vorerkran- vor? Hauptwegezweck den Weg zur Arbeit verfolgen. Frauen hingegen legen durchschnitt- ment war die Erstellung von Wege-Proto- kungen ein größeres Risiko haben, an den Folgen von extremer Hitze zu sterben. lich kürzere Strecken zurück und bilden dabei auf Grund von Versorgungsarbeiten kollen von Haushalten und ihren Mitglie- Personen, die bei Hitze draußen körperlich arbeiten, stehen unter einem größeren n Sind Maßnahmen, die auf eine Verhal- häufiger komplexere Wegeketten. Auch bei der Wahl der Verkehrsmittel zeigen sich dern, um detailliert die Anzahl, Länge, Hitzschlag-Risiko, und Schwangere sind anfälliger gegenüber bestimmten Infektionen tensänderung hinsteuern, mit Kosten Unterschiede: Frauen nutzen weniger das Auto, Männer sind seltener zu Fuß, mit Zweck der Wege und benutztes Verkehrs- wie Malaria. Sozio-ökonomisch beeinflusste Faktoren, wie das Wohnen in schlecht verbunden? Hierzu gehört Geld, zum dem Rad oder dem ÖPNV unterwegs. mittel zu ermitteln. Dabei wurden Aspek- isolierten Räumen, können ebenfalls gesundheitliche Risiken bei Schimmelbildung Beispiel für Strom bei der Nutzung te aufgedeckt, die in solchen Befragun- im Winter oder starker Hitzeentwicklung im Sommer bedeuten. von Ventilatoren bei Hitze, aber auch Um die Alltagstauglichkeit und Alltagsqualitäten von Mobilitätsangeboten zu ge- gen sonst eher unsichtbar bleiben, zu- Zeit, zum Beispiel wenn Familienan- währleisten, sind bei der Entwicklung klimafreundlicherer Verkehrskonzepte mögliche dem zeigten sich Unterschiede zwischen Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen sollten immer auf ihre möglichen Aus- gehörige ältere Verwandte bei Hitze Unterschiede in den Anforderungen, Bedürfnissen und Lebensmodellen verschiedener den Geschlechtern in ihren Mobilitäts- wirkungen auf Gesundheitsrisiken geprüft werden, um ungewollte »Nebenwirkungen« besuchen und sie versorgen. Sind Gruppen von Frauen und Männern sowie der lokale Kontext zu berücksichtigen. mustern und Mobilitätsbedürfnissen. von Strategien zu vermeiden und positive Folgen von Maßnahmen zu stärken. Dabei diese Kosten zwischen den Ge- Beispielsweise konnte nachgewiesen können gleichzeitig unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesundheit von verschie- schlechtern und zwischen gesell- werden, dass Frauen deutlich mehr Wege denen Gruppen von Männern und Frauen in den Blick genommen werden. schaftlichen Gruppen gerecht ver- außerhalb der Erwerbstätigkeit zurück- teilt? Folgende Fragen können dabei eine unterstützende Rolle spielen: legen als Männer und sich zudem die Ta- geszeiten, zu denen sie unterwegs waren, n Welche Rolle können Gesundheits- n Wie bewerten unterschiedliche Grup- n Gibt es Daten über die verschiedenen unterscheiden. Am deutlichsten waren einrichtungen und Gesundheitsberufe pen von Nutzer_innen die Alltags- komplexen lokalen Mobilitätsmuster? die Unterschiede in Familienhaushalten bei der Umsetzung der Maßnahmen tauglichkeit der Verkehrsangebote? Welche Wege(ketten) werden auf mit Kindern. Aus den empirischen Ergeb- spielen? Stadtteil- bzw. Ortsebene von wel- nissen wurden konkrete Empfehlungen n Wird die Ist-Situation für diejenigen, chen Gruppen zurückgelegt? für die Gestaltung des Nahverkehrs ab- n Werden die von den Maßnahmen be- die Versorgungsarbeit leisten (und geleitet, z.B. in Hinblick auf die Fahr- troffenen Zielgruppen bereits beim diese mit Erwerbsarbeit kombinieren), n Wird der Aspekt der Sicherheit aus- plangestaltung, die Verteilung von Design von Strategien einbezogen? verbessert? reichend berücksichtigt (sichere Rad- Haltestellen in Wohngebieten sowie und Fußwege für Kinder oder Nacht- die Entwicklung eines breiten Spektrums n Wessen Interessen und Anforderungen busse für Jugendliche können zu an Maßnahmen zur Verbesserung der setzen sich bei der Entwicklung von einer erheblichen Reduktion von Sicherheit und des Sicherheitsgefühls Verkehrskonzepten durch? Begleitwegen für Eltern führen)? von Nutzer_innen. 18 19
Sie können auch lesen