Kein Mythos! 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien
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I M PR E SSUM Herausgeberin: Für alle Augenroll-Einsendungen ein großes Dankeschön – Abteilung Gleichstellung und Diversität der Universität Wien insbesondere für die veröffentlichten Beiträge und Fotos von: Meike Lauggas, Birgit Sauer, Easter Sauberer-Ouma, Anna Babka, Für den Inhalt verantwortlich: Eva Kuntschner und anonymen Einsender*innen Lena Lisa Vogelmann Nina Krebs Grafische Gestaltung und Layout: Waltraud Schlögl Barbara Weingartshofer, www.nau-design.at Sylwia Bukowska Kastalia-Fotos: Joseph Krpelan, derknopfdruecker.com Augenroll-Fotos: privat Für den Beitrag Dank an: Druck: Druckerei Janetschek Renée Schroeder Wien, Juni 2021 © 2021 alle Rechte vorbehalten
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · ·3· Zwischen Mythos und Realität davon zu geben, was in den 20 Jahren seit der Sylwia Bukowska Gründung der Abteilung Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien die Arbeit in Jubiläen haben eine wichtige Funktion: Sie diesem Bereich geprägt hat. Ein Bild von dem geben Gelegenheit für einen Rückblick (auf zu geben, was Freude macht und davon, was Vergangenes), einen Einblick (in Gegen- weniger Freude macht. wärtiges) und einen Ausblick (auf Angedachtes, Gewünschtes und Geplantes). Sie können aber auch ganz schön langweilen, weil Bekanntes Freudvoll in verschiedenen Formaten geboten wird. Eine der größten Quellen an Freude und Und so habe ich beschlossen, hier weniger Motivation für Menschen, die sich mit Gleich- trockene Fakten zum Thema Gleichstellung in stellung beschäftigen, ist die Tatsache, dass es den Vordergrund zu stellen, als Ihnen ein Bild dabei um das Mit-Gestalten gesellschaftlicher ▶
· 4· · · · K E I N M YT H O S ! · · · Rahmenbedingungen für unser Miteinander voll-humorvolle Zugang und die Reflexions- geht. Es ist ein kraftvoller Auftrag, diese Kraft kultur der Team-Mitglieder sind ein ent- ist im Tun spürbar und erlebbar. scheidender Bestandteil meiner Freude. Die Vorstellungen bezüglich des »wie und was« dieser Mit-Gestaltung werden immer wieder Von Freude geprägt ist die Arbeit für mich neu gedacht, diskutiert und entwickelt. Auch meist auch, weil und wenn wir auf ver- das ein weiterer Aspekt der Freude: Die Idee/n schiedenen Ebenen der Organisation, in der Gleichstellung entwickeln sich verschiedenen Zusammenhängen und weiter, sie wachsen, verändern Konstellationen – mit der Universitäts- Sylwia Bukowska ist sich, bleiben nicht stehen. Jede*r, leitung, mit den Kolleg*innen in der Dienst- promovierte Juristin und der*die sich darauf einlässt, be leistungseinrichtung, deren Teil wir sind, leitet die Abteilung Gleich kommt immer wieder die Ge- mit den Kolleg*innen in anderen Bereichen stellung und D iversität legenheit mitzuerleben, wie neue der Universität Wien, so auch an den seit ihrer Gründung Gedanken entstehen und neue Fakultäten und Zentren – gemeinsame Ziele im Jahr 2000. Sie ist Wege beschritten werden können. entwickeln, Neues auf den Weg bringen und außerdem seit 2018 stell Es ist ein lebendiges, dynamisches Entwicklungen mittragen. vertretende L eiterin der und oft auch herausforderndes DLE Personalwesen und Thema. Das macht Freude. Frauenf örderung. Seit Ebenso wie die Tatsache, dass Mühevoll der Geburtsstunde der jene, die sich darauf einlassen, Was weitaus weniger Freude macht: Abteilung engagiert sie sich meist ausgesprochen gern, Dass Gleichstellung immer wieder mit Freude und Ausdauer um nicht zu sagen: mit Leiden- … aufs Neue um Raum und Zeit ringen muss, für Themen der Gleich schaft, Dinge weiter denken, … sich »erklären«, die Notwendigkeiten und stellung und Diversität. kritisch hinterfragen und in einen Dringlichkeiten erläutern muss, größeren, gesellschaftlichen Kon- … um Anerkennung von ganz Grundlegendem text stellen. werben muss. So ist es für mich eine große Freude, seit der Das manchmal stärker, manchmal subtiler Gründung der Abteilung mit vielen s pannenden spürbare (innere) Augenrollen beim und bereichernden Menschen zu arbeiten. Die Gegenüber. erste Hälfte der 20 Jahre seit der Gründung Die gesellschaftlichen Rückschritte und habe ich die Abteilung gemeinsam mit Evi Retraditionalisierungen unserer Zeit. Genetti geleitet. Es war eine arbeitsintensive und qualitätsvolle Aufbauphase, die den Boden geschaffen hat für die Entwicklungen der nach- Synthese folgenden Jahre. Es ist mir eine große Freude, Das Freudvolle und das Mühevolle – welcher dass wir 10 Jahre lang diesen Weg gemeinsam Arbeitsbereich ist nicht von dieser Ambivalenz gegangen sind. geprägt? Die Gleichstellung ist jedenfalls Das Team der Abteilung hat sich über die Jahre ein Auftrag, bei dem die Akteur*innen meist immer wieder verändert, manche Kolleginnen freudvoll und immer wieder auch mühe- waren bzw. sind viele Jahre dabei, andere voll an etwas Großem »dran« sind, zu etwas kürzer. Jede Person hat unsere Inhalte und Grundlegendem beitragen. Die vergangenen unsere Themen ein Stück weit geprägt und 20 Jahre haben mir gezeigt: Das ist kein lässt sie wachsen. Die Expertise, der respekt- Mythos, das ist Gleichstellung! •
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · ·5· muv on! Offene Türen für Studierende zu haben, damit Renée S chroeder, sie sehen, was man den ganzen Tag macht, und Mentorin mit Leidenschaft! sie daran teilhaben lassen, ist die beste Lehr- methode. Der Beruf einer Universitätsprofessorin In den letzten 30 Jahren habe ich »Mentoring« ist sehr vielseitig und man muss sich viele in der Rolle der Mentorin sehr schätzen gelernt Spezialitäten aneignen. Aber was mir während und dessen Notwendigkeit ist mir bewusst ge- der 40 Jahre an der Universität am besten ge- worden. Vor allem das »peer mentoring« – wie fallen hat, war, dass man immer es an der Uni Wien praktiziert wurde – ist sehr von jungen Menschen umgeben wertvoll, weil es professionelle Beziehungen ist und sie einen wichtigen Teil in Renée Schröder ist fürs Leben entstehen lässt. In der Konstella- ihrem Leben begleiten kann. Diesen emeritierte Professorin tion Mentorin & 3 bis 4 Mentees ist Mentoring Aspekt möchte ich nicht missen. am Zentrum für Mole deswegen so besonders und notwendig, weil Was ich jungen angehenden kulare Biologie. Sie ist seit man im Leben selten mit Menschen zusammen- Wissenschafterinnen rate, ist, das Beginn des Mentoring- kommt, mit denen man Dinge besprechen kann, Leben nicht zu sehr zu planen, Programms »muv« im Jahr die sehr entscheidend für ein erfolgreiches um nicht blind zu werden für 2001 als Mentorin an der Berufsleben und ein ausgewogenes Privatleben eventuelle Gelegenheiten, die sich Universität Wien tätig. sind. Man kann seine Träume und Wünsche aus- unerwartet anbieten. Wer zu sehr Mit ihrer Leidenschaft sprechen und mit Gleichgesinnten Wege dorthin mit fixem Plan einem Ziel zustrebt, als Wissenschafterin besprechen. Und das auf eine konstruktive, dessen Eintreffen ungewiss ist, und ihrem E ngagement kreative und wohlwollende Art. verpasst vielleicht spannende für Nachwuchswissen Möglichkeiten, die viel lohnender schafterinnen verkörpert Ich persönlich hatte das Glück, eine Chefin sein könnten. Daher mag ich die sie »muv on«, das Motto gehabt zu haben, die mir auch den Weg in die Frage »Wo sehen Sie sich in fünf des Mentoring-Programms! Planung meines Berufslebens gezeigt hat. Jahren?« überhaupt nicht. So eine Mein fünfter »Chef« war eine Chefin. Das war dumme Frage. Wenn man das be- eine Erfahrung, die mir Tür und Tor geöffnet reits festlegt, was in fünf Jahren sein soll, ist man hat, um berufliche Beziehungen zu definieren. auf Überraschungen nicht vorbereitet und lernt Bei meinen früheren Chefs wusste ich nicht, auch nichts dazu. Daher rate ich allen, Augen was sie hinter ihren Türen gemacht haben, und Ohren offen zu halten für Gelegenheiten, außer, dass es sehr wichtig war. Von meiner die man nicht planen kann. Mein Leben ist viel Chefin jedoch lernte ich, wie man ein Labor besser und aufregender als meine Phantasie leitet, Studierende anleitet, eigene Ideen und anfangs war. Das hätte ich nie planen können. Fragen zu entwickeln, wie man Wissenschaft macht, wie man das Geld dafür beantragt und Ich danke der Universität Wien und dem eben auch, wie man eine Familie mit Kindern Mentoring Team für ihr nachhaltiges mit dem Beruf kombinieren kann. Erst Jahre Engagement, viele spannende Ideen und dafür, später wird einem bewusst, wie einfluss- dass ich immer so tolle Mentees kennenlernen reich eine Person im Leben war. Wenn man durfte. Ich wünsche weiterhin viel Erfolg und mitten drinnen steckt, hat man nicht den vor allem, dass eines Tages ein gesundes Überblick und erkennt nicht, was wichtig ist. Geschlechterverhältnis Realität wird und Frauen Dazu braucht man eine Mentorin, die ähnliche ihren Beitrag für Forschung und Bildung leisten Erfahrungen gemacht hat. können, ohne unnötige, künstliche Hürden. •
· 6· · · · K E I N M YT H O S ! · · · Mythen der Gleichstellung Kastalia bricht ihr Schweigen und gibt ein Interview zum 20-jährigen Jubiläum der Abteilung Gleichstellung und Diversität K astalia zog 1910 die beiden sich: Wann ist es so- Schatten zu werfen, einen Schat- in den Arkaden- weit? Wann kommt die nächste ten, an dessen Ende eine geball- hof der Universi- Frau in den Arkadenhof? Denn te Faust darauf hinweist, dass es tät Wien ein. Fast zu zweit ging ihnen langsam der der Muse reicht. Denn es reichte 100 Jahre lang saß Gesprächsstoff aus. ihr tatsächlich. Es war die Zeit sie dort stoisch als allegorische So ging das viele, viele Jahre, in gekommen, darauf hinzuweisen, Quelle der Weisheit und ent- denen Kastalia müder und mü- dass Weisheit kein Privileg von hielt sich jeglichen Kommentars. der wurde und sich immer grö- Männern ist. Doch spät in der Nacht, wenn sie ßere Spinnweben um ihren Kopf sich unbeobachtet fühlte, streck- bildeten. Doch das neue Jahr- Und so kam es, dass 2016, exakt te sie manchmal die Glieder, tausend sollte die Wende brin- 132 Jahre nach Eröffnung des stand auf und ging quer durch gen: Immer öfter mischten sich Universitätsgebäudes, sieben den Hof zu Marie Ebner-Eschen- kritische Wissenschafterinnen, Wissenschafterinnen zu den bach, um kurz zu plaudern. Über Mitarbeiterinnen und Studentin- mehr als 150 Wissenschaftern ihre bewegte Vergangenheit als nen unter die Besucher*innen in den Arkadenhof einzogen: griechische Nymphe, über die des Arkadenhofs und forderten Charlotte Bühler, Marie Jahoda, Flucht vor den Zudringlichkeiten lautstark mehr Sichtbarkeit ein. Berta Karlik, Lise Meitner, Grete des Gottes Apollo und ihren Sturz 2009 beschloss Kastalia gemein- Mostny, Elise Richter und Olga in die Quelle. Und immer wieder, sam mit der Künstlerin Iris An- Taussky-Todd. Nicht viele, aber am Ende des Gesprächs, fragten draschek, ab sofort einen langen immerhin – ein Anfang.
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · ·7· Gemeinsames Augenrollen Schon wieder keine Rampe? Schon und sie immer wieder nur zwei Geschlechts- wieder mit den- optionen am Anmeldeformular? selben Widerständen Schon wieder gefragt worden, konfrontiert sind, wenn sie Ver- woher du wirklich kommst? Nicht änderung erreichen wollen? schon wieder ein augenrollendes Wir haben das 20-jährige Jubiläum Gegenüber, wenn du dich gegen der Abteilung Gleichstellung und Diskriminierung einsetzt! Die- Diversität zum Anlass genommen, ses Phänomen stellt auch die um einmal die Rollen zu tauschen Wissenschafterin und Autorin und gemeinsam mit den Augen Sara Ahmed in ihrem Buch zurückzurollen. Kastalia hat dabei → Feministisch leben! Mani- den Anfang gemacht und das Eis fest für Spaßverderber*innen gebrochen. Doch auch Studierende, (heißer Lesetipp!) fest: »Über- Mitarbeiter*innen und Freund*innen all scheinen Menschen mit der Universität Wien wurden ein- Kastalia aber war auf den Ge- den Augen zu rollen, wo auch geladen, sich zu fotografieren und schmack gekommen und be- immer du hingehst, was auch ihre Augenroll-Momente mit uns zu schloss, weiterhin aktiv zu blei- immer du sagst. […] Es mag teilen. Wir wollten wissen, wann sie ben, damit keine weiteren 100 den Anschein haben, als sei im Alltag bei Gleichstellungsthemen Jahre vergehen würden, bevor Augenrollen ein Ausdruck für auf Widerstand stoßen und was sich wieder etwas bewegte. Und eine kollektive Verbitterung ihnen für Gleichstellung und Diversi- da kamen ihr die Mitarbeiterin- darüber, dass du Feminist*in tät an der Universität Wien wichtig nen der Abteilung Gleichstellung bist.« Ahmed beschreibt hier wäre. Zugegeben: Es hat vielleicht und Diversität gerade recht, die eindrücklich, wie antidis- ein paar Anläufe gebraucht, um eine sich anlässlich des 20-jährigen Ju- kriminatorischem Engage- passable Augenroll-Aufnahme im biläums ihrer Abteilung auf die ment mit einer gewissen Kasten zu haben. Doch wir freuen Suche nach einer geeigneten Inter- Entnervtheit begegnet wird. uns deshalb umso mehr, dass uns viewpartnerin gemacht hatten. Das zwingt die engagierte einige Fotos und Statements erreicht Kastalia beschloss, ihr Schweigen Person oft in eine defensive haben und Eingang in diese Fest- zu brechen und Frage und Antwort Position. Doch sollten nicht schrift finden konnten. zu stehen. In einer Reihe von Inter- Feminist*innen genervt Vielen Dank fürs Mitmachen und views räumt sie, die Mythenexpertin, sein, weil Ungerechtig- viel Spaß beim Lesen! mit dem einen oder anderen Mythos keiten weiterhin bestehen Das Jubiläumsteam rund um Gleichstellung und Diversi- tät auf. Alle mit → gekennzeichneten Verweise finden Sie bei den Link- und Lesetipps (S. 29)
· 8· · · · K E I N M YT H O S ! · · · GLEICHSTELLUNG IST SCHON ERREICHT Für Gleichstellung haben wir noch viel zu tun Kastalia, vielen Dank, dass Sie ten im Thema Mythen. Erstens: stellung sind Gesetze oft zu grobe sich für das Gespräch bereit Gleichberechtigung ist nicht Werkzeuge, um die spezifischen erklärt haben. Gleichstellung. Im Gesetz sind Probleme gut lösen zu können. Kastalia: Hin und wieder müssen Frauen in vielen Dingen gleichbe- Wir haben aus meiner Sicht die wir den Sterblichen unter die Arme rechtigt mit Männern. Aber auch Gleichberechtigung nicht erreicht, greifen, das ist schon in Ordnung. hier gibt es noch Lücken – abge- geschweige denn Gleichstellung. sehen davon, dass schon im anti- Sie konnten die Dinge an ken Griechenland klar war, dass Werfen wir einen Blick in den der Universität Wien lange es auch Menschen gibt, die weder Bildungsbereich: In vielen beobachten. Im historischen Männer noch Frauen sind. Zwei- Studiengängen erleben wir, Vergleich drängt sich die tens: Nur, weil etwas im Gesetz dass mehr Frauen als Männer Frage auf: Sind Frauen nicht steht, heißt das noch nicht, dass es vertreten sind … inzwischen gleichberechtigt? auch so gelebt wird. Insbesondere Kastalia: Das stimmt, wenn ich mir Kastalia: Da sind wir schon mit- in Bezug auf das Thema Gleich- die erwartungsvollen Erstsemes-
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · ·9· trigen jedes Jahr im Arkadenhof Vollzeit ausgeschrieben und sind Frauen seltener erkannt und sind ansehe, dann sind deutlich mehr damit für Männer attraktiver. As- deswegen häufiger tödlich, weil sie Frauen als Männer dabei. Aber je sistenzstellen sind dafür Teilzeit anders aussehen als bei Männern. weiter die Karrieren voranschrei- und für Frauen interessanter, weil Andererseits stecken auch im Kli- ten, desto weniger Frauen bleiben sie weiterhin die meiste private mawandel oder im Coronavirus übrig. Ich sehe hier zwei Drittel Betreuungsarbeit machen. Wenn Geschlechterfaktoren. Gerade bei weibliche Studierende, aber nur man das angehen will, fühlen sich Corona haben wir gesehen, dass ein Drittel Professorinnen. Das hat viele angegriffen, weil sie nicht Schlüsselkräfte, welche die ge- viel damit zu tun, welches Bild wir diskriminieren wollen. Das Wol- sellschaftliche Grundversorgung von Männern und Frauen haben. len hat nur leider nicht immer et- erhalten, meist weiblich sind – Buben sind in unseren Köpfen wild was mit dem Ergebnis zu tun. Da Pflegekräfte, Supermarktmitarbei- und ziehen ihr eigenes Ding durch, spielt der Gender Bias eine große terinnen, Sozialarbeiterinnen. Das für die Schule schwierig. Mädchen Rolle – eine Voreingenommenheit sind noch dazu vergleichsweise sehen wir als brav und fleißig, ideal gegenüber Personen aufgrund ih- schlecht bezahlte Berufe. Zusätz- für die Schule. Wenn sie dann älter res Geschlechts, die bewusst oder lich waren es vor allem Frauen, die werden, dreht sich der Spieß um: unbewusst sein kann und auch in die Kinderbetreuung aufgefangen Wilde Männer sind geniale Inno- institutionellen Strukturen veran- haben, was teilweise zu einer ver- vatoren und die fleißigen Frauen kert ist. alteten Rollenverteilung zurück- sind eh ganz nett. Aber bitte, im- geführt bzw. diese verstärkt hat. merhin dürfen Frauen inzwischen Eine vielleicht etwas provokante Und die häusliche Gewalt, die vor zur Schule gehen und studieren! Frage: Ist Gleichstellung in allem von Männern gegen Frauen Tatsächlich ist es schön zu sehen, Zeiten von Klimakatastrophe ausgeht, hat während der sozia- dass in den letzten Jahren viele und Coronavirus nicht ein len Distanzierung zugenommen. Professorinnen dazugekommen Luxusproblem? Klingt für mich nicht nach Luxus- sind, auch wenn die Verhältnisse Kastalia: Nein, und zwar aus zwei problemen. noch nicht ausgewogen sind. Gründen: Einerseits ist Gleichstel- lung ein existenzielles Thema. Es Also ist es ein Mythos, dass Insgesamt höre ich aber eine geht um Lebensgrundlagen wie wir uns nicht mehr um gewisse Ungeduld heraus, oder? ökonomische Absicherung und Gleichstellung kümmern Kastalia: Ich schau mir das jetzt Gesundheit. Frauen werden bei- müssen? schon seit langer Zeit an und ich spielsweise immer noch schlech- Kastalia: Als Mythenexpertin kann sehe das ehrliche Bemühen vieler ter bezahlt als Männer – in Ös- ich nur sagen: ja! Auch außer- Menschen, gerecht zu sein. Aber terreich im Schnitt etwa um ein halb der Philologien halten sich es dauert alles ewig. Da steckt viel Fünftel. Das führt zu einem er- manche Mythen hartnäckig. Für in den Strukturen, zum Beispiel höhten Armutsrisiko von Frauen. Gleichstellung haben wir noch werden technische Jobs oft nur Oder: Herzinfarkte werden bei viel zu tun.
· 10 · · · · K E I N M YT H O S ! · · · BEI GLEICHSTELLUNG GEHT’S NUR UM GESCHLECHT Gleichstellung ist mehr als Geschlechtergleichstellung Wir haben jetzt über Frauen des-Gleichbehandlungsgesetzes auch Koordinationsstellen für anteile und Gender Bias (B-GlBG) gespielt, das ein Gleich- Frauenförderung und Geschlech- gesprochen. Heißt das, bei behandlungsgebot von Frauen terforschung vorgeschrieben. Gleichstellungarbeit geht es und Männern und ein Frauenför- Daraus sind zu Beginn der 2000er vor allem darum, Unterschiede derungsgebot vorschreibt. Auch Jahre die Vorläufer vom → »Re- zwischen Männern und Frauen an der Uni Wien gibt es seit 2005 ferat Genderforschung« und der auszubügeln? einen Frauenförderungsplan, der → »Abteilung Gleichstellung und Kastalia: Nein, Gleichstellung ist 2019 in Frauenförderungs- und Diversität« entstanden. Auch die mehr als Geschlechtergleichstel- Gleichstellungsplan umbenannt verschiedenen Referate der Öster- lung. Aber im letzten Jahrhundert wurde und noch umfangreicher reichischen Hochschüler*innen- ist es vor allem gelungen, die Dis- geworden ist. Das B-GlBG legt schaft unterstützen Studierende kriminierung von Frauen deutlich zudem fest, dass Menschen mit vielseitig bei Gleichstellungsfra- zu verringern. Deshalb können unterschiedlicher ethnischer Zu- gen. Es gibt inzwischen wirklich wir in diesem Bereich schon auf gehörigkeit, Religion, Weltan- viele Anlaufstellen, an die sich viele rechtliche Errungenschaf- schauung, sexueller Orientierung Universitätsangehörige im Falle ten zurückblicken und Frauen- oder unterschiedlichem Alter einer Diskriminierung wenden förderung ist in der Arbeitswelt gleichbehandelt werden müssen. können. Ich kann hier gar nicht angekommen. Eine wichtige Rolle alle aufzählen. Schaut doch auf hat dabei die Einführung des Bun- Und was hat das Gesetz konkret die → Diversitätshomepage! an der Uni Wien bewirkt? Kastalia: Abseits der offiziellen Und warum wird jetzt von Ihnen Der → Arbeitskreis für Gleich Stellen gab und gibt es immer nicht die Gleichstellung von behandlungsfragen berät und schon Einzelkämpfer*innen für Behinderten genannt? unterstützt zum einen bei Gleichstellungsthemen. Das Ge- Kastalia: Also, ich sage lieber be- Diskriminierung, Mobbing oder setz hat die institutionelle Veran- hinderte Menschen oder Men- sexueller Belästigung. kerung bewirkt. Die ist – für mei- schen mit Behinderung und/oder Zum anderen ist es seine A ufgabe, nen Blick auf die Zeit – nur einen chronischer Erkrankung. Denn Personaleinstellungs- oder Wimpernschlag her. Anfang der Menschen werden zwar behindert Habilitationsverfahren auf 1990er-Jahre wurde zum Beispiel durch Barrieren, wie nicht-roll- Chancengleichheit zu prüfen. der »Arbeitskreis für Gleichbe- stuhlgerechte Gebäude oder Prü- Die → Beratungsstelle Sexuelle handlungsfragen« eingeführt, der fungsformate, die für blinde oder Belästigung & Mobbing bietet bei Diskriminierung, Mobbing hörbehinderte Studierende nicht psychologische Beratung für oder sexueller Belästigung aktiv passend sind, aber eine Behinde- Mitarbeitende und Studierende an. wird oder Personalentscheidun- rung ist ja keine Charaktereigen- gen auf Chancengleichheit prüft. schaft. Zurück zu Ihrer Frage: Für Das Universitätsgesetz 2002 hat die Gleichbehandlung von Men-
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · · 11 · Ich stoße auf Augenrollen (oder Schimpftiraden), wenn ich mich dagegen wehre, dass Frauen in ein bestimmtes Eck gestellt werden. Wenn ich darauf aufmerksam mache, dass das Männliche nicht die Norm ist. Oder wenn ich mich dafür einsetze, dass Texte – auch interne – g eschlechterinklusiv schen mit Behinderung und/oder gesehen werden. Für sogenann- formuliert werden. Ich rolle chronischer Erkrankung gibt es ei- te Mehrfachdiskriminierung hat selbst mit den Augen, wenn ich gene → wichtige Gesetze, die zum Crenshaw den Begriff »Intersekt- in der Präambel zum Frauen Teil schon älter als das B -GlBG ionalität« (→ Crenshaw 1989) ge- förderungs- und Gleichstellungs- sind. Daraus sind u. a. die Behin- prägt. Intersektionale Gesetze plan der Universität Wien lesen dertenvertrauenspersonen für das oder Förderungsmaßnahmen wer- muss: »Die Universität Wien Universitätspersonal entstanden, den wohl noch Thema bleiben. bekennt sich [...] zu einer aktiven oder das → »Team Barrierefrei«, Gleichstellung von Frauen und das Studierende mit Behinderung Kann man also zusammen Männern«. S päter im Text steht und generell bei der Umsetzung fassend sagen, dass bei dem auch etwas von »einem respekt- von Barrierefreiheit unterstützt. Wort »Gleichstellung« oft zuerst vollen Umgang mit Trans-, an jene zwischen Männer und intergeschlechtlichen und Lassen sich Gesetze oder Frauen gedacht wird, aber nichtbinären P ersonen«. Aber Gründe, aus denen ich potenziell eigentlich geht es um mehr? gleichgestellt sollen nur Män- ungleich behandelt werde, denn Kastalia: Ja, da stimme ich zu. ner und Frauen sein. Warum so voneinander trennen? Was Diese erste Assoziation hat damit bekennt sich die Uni Wien ist, wenn ich eine Muslima mit zu tun, dass, wie gesagt, auf dem noch immer nicht zur Gleich- Behinderung bin? Gebiet der Geschlechtergleich- stellung aller M enschen? Kastalia: Das ist eine gute Frage. Die stellung schon sehr viel passiert Anonym, Mitarbeiter*in US-amerikanische Juristin Kim- ist. Es ist auch eine Frage der Be- berlé Crenshaw, die an der UCLA deutung von »Gleichstellung«. und der Columbia University lehrt, Geschlechtergleichstellung be- dem ist es wichtig, dass ihre Per- hat das am Beispiel von Gerichts- inhaltet ja häufig die Forderung spektive eingebracht wird und sie fällen von schwarzen Frauen ver- nach Geschlechterparität, also bei Entscheidungen mitsprechen anschaulicht, die aufgrund ihres zahlenmäßiger Gleichheit – sagen können. Gleichstellung heißt Geschlechts und ihrer Hautfarbe wir auf Führungsebene oder auf dann zum Beispiel: gleicher Zu- am Arbeitsplatz diskriminiert wor- einem Podium. Bei anderen Grup- gang zu Universitätsgebäuden, das den sind. Sie sagt, aus mehreren pen verhält sich die Zusammen- Recht auf das richtige Geschlecht Gründen diskriminiert zu werden, setzung der Bevölkerung aber im Zeugnis oder das Recht darauf, ergibt eine eigene Form von Dis- nicht 50:50. Beispielsweise stellen nicht rassistisch diskriminiert zu kriminierungserfahrung, die als behinderte, intergeschlechtliche werden. Da ist noch ein weiter solche auch anerkannt werden oder Schwarze Menschen in Öster- Weg zu gehen, denn im Vergleich muss. Es kann also nicht einfach reich eine zahlenmäßige Minder- zur Geschlechtergleichstellung eine Diskriminierung zur ande- heit dar. Da geht es dann weniger fangen wir in einigen Bereichen ren hinzuaddiert werden, sondern um eine ausgewogene Besetzung überhaupt erst an, etwas an Un- muss in ihrem Zusammenspiel von Kommissionen, aber trotz- gleichheitsstrukturen zu ändern.
· 12 · · · · K E I N M YT H O S ! · · · GLEICHSTELLUNGSPROGRAMME SIND NUTZLOS Gleichstellungsprogramme zeigen Wirkung Mich wundert es immer wieder, wie gereizt Menschen reagieren, wenn man über Gleichstellung spricht. Schließ- lich geht es doch darum, die Welt ein bisschen gerechter zu machen – Bleiben wir noch einen Moment Wirken Gleichstellungs und ich habe noch beim Geschlecht. Es gibt doch programme überhaupt? niemanden getroffen, schon so viele Gleichstellungs- Kastalia: Nachweislich. Im Gro- der eine gerechte programme, wie kann es sein, ben können wir zwei Arten von Welt nicht auch besser findet als dass nicht schon alles erreicht Programmen unterscheiden: eine ungerechte. Ich würde mir wurde? Maßnahmen, die auf die Verän- wünschen, dass Gleichstellung so Kastalia: Gleichstellung lässt sich derung der diskriminierenden verstanden wird, wie sie gemeint nicht von heute auf morgen erle- Strukturen abzielen und Maß- ist: nicht ein nerviger Nachtrag, digen. Dazu wirkt sie auf zu vielen nahmen, die einzelnen Men- sondern ein essentieller Auftrag für Ebenen, die alle miteinander ver- schen in den betroffenen Grup- uns alle. Dafür setze ich mich an schränkt und verwoben sind. Lei- pen auf einer individuellen Ebene der Universität Wien ein. der hat bisher noch niemand den helfen. Beide Arten stützen sich Lena Lisa Vogelmann, Gleichstellungsknopf gefunden, gegenseitig und nur zusammen Mitarbeiterin der Abteilung der sich drücken lässt und alles ist können sie Gleichstellung wirk- Gleichstellung und Diversität gut. lich langfristig verankern. Haben und Lehrende
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · · 13 · Als Coach in Frauen*förderprogrammen an Universitäten rolle ich mit den Augen, wenn minimaler Nachteilsausgleich z. B. für Frauen* an Universitäten verdreht wird in eine vermeintliche Be- vorzugung. Mich nerven die Kommentare jener Menschen, wir nur individuelle Maßnahmen, res Beispiel: Männer gehen die auf ihrem Weg mit großer besteht das Risiko, dass die profi- mittlerweile häufiger, wenn Wahrscheinlichkeit auf gewisse tierenden Menschen zum Beispiel auch nach wie vor kurz, in Hindernisse nicht stoßen (weil sie als »Quotenfrauen« oder »diversity Elternkarenz. → Im wissen- aus einem entsprechenden Haushalt hires« abgetan und nicht ernst ge- schaftlichen Personal lag der kommen, keine rassistische Abwertung nommen werden. Haben wir nur Männeranteil unter den El- erleben, nicht antisemitisch ausgegrenzt strukturelle Maßnahmen, fehlt es ternkarenzen 2018 schon bei oder sexistisch eingeschüchtert werden an den qualifizierten Personen, die 40 Prozent, im allgemeinen uvm.) und daraus schließen, allen diese neugestalteten Strukturen in Personal bei 25 Prozent. Da ginge es so. Und dann gehen sie davon Anspruch nehmen können. sehen wir, dass Männern ihre aus, sie selbst würden benachteiligt Vaterrolle wichtiger geworden und ignorieren, auf welcher Basis Und lassen sich in beiden ist und dass es nicht mehr als solche Förderprogramme überhaupt Bereichen Fortschritte erkennen? unüberwindbares Karrierehin notwendig wurden. Ich wünsche mir Kastalia: Wenn wir auf die Zahlen dernis gesehen wird, wenn die Öffnung der Universitäten für die schauen, zeigt sich sehr schnell, man(n) in Karenz geht. Wissensproduktion von den vielen dass sich vor allem in den letzten verschiedenen Menschen in unserer beiden Jahrzehnten viel getan hat. Das ist jetzt aber nur Gesellschaft. 2003 hatten von insgesamt 302 Pro- die Wirksamkeit auf der Meike Lauggas, fessuren nur 34 Frauen inne, 268 strukturellen Ebene. Wie Lehrende und Coach hingegen Männer. 17 Jahre später schaut es denn mit den indivi haben wir 160 Professorinnen und duellen Förderungen aus? 345 Professoren. Der Frauenanteil Kastalia: Individuelle Förderung an den Professuren hat sich alleine gibt es auf ganz unterschiedliche Verlauf ihrer Karriere – ob an der zwischen 2008 und 2018 fast ver- Arten. Die Abteilung Gleichstel- Universität Wien oder anderswo. doppelt. Bei den Fakultäts- und lung und Diversität bietet zum Zentrumsleitungen springt der Beispiel seit vielen Jahren Men- Also, Gleichstellungsprogramme Frauenanteil im selben Zeitraum toringprogramme für Wissen- verändern etwas? von sechs Prozent auf 42 Prozent. schafterinnen an. Die Evaluierung Kastalia: Ganz offensichtlich. Sie Da zeigt sich sehr deutlich, dass dieser Programme zeigt, dass die reichen nur nicht alleine aus. Es die Menschen lernen umzudenken Teilnehmerinnen lernen, ihre Kar- braucht einen Kulturwandel, der und inzwischen mehr Frauen in rierechancen besser einzuschät- von der gesamten Organisation ihrer Karriere weiterkommen als zen und berufliche Ziele klarer zu und auch der Gesellschaft mitzu- früher. Aber es zeigt sich auch, dass setzen, aber auch, dass sie Selbst- tragen ist. Ohne dieses Commit- noch ein Stückchen des Weges vor vertrauen gewinnen und selbst- ment, wie man inzwischen so uns liegt, bis wir wirklich ausgewo- sicherer auftreten. Davon profitie- schön sagt, bleibt Gleichstellung gene Verhältnisse haben. Ein ande- ren sie natürlich auch im weiteren ohne Breitenwirkung.
· 14 · · · · K E I N M YT H O S ! · · · FRAUEN WOLLEN KEINE KARRIERE MACHEN Frauen wollen Karriere machen Kastalia, jetzt mal ehrlich: Hat je höher die Positionen sind – wie dieser Kulturwandel nicht schon aus einem tropfenden Rohr ver- längst stattgefunden? Sind schwinden die Frauen langsam, Frauen nicht tatsächlich schon aber stetig. Das ist übrigens auch gleichberechtigt, aber viele in der Wissenschaft allgemein und wollen einfach keine Karriere an der Universität Wien so. machen? Kastalia: Ein weiterer Mythos, mit Und woran liegt das? dem gerne argumentiert wird, Kastalia: Das kommt zum Beispiel dass es jetzt mal genug ist mit durch einen Gender Bias in Per- den Forderungen nach Gleich- sonalentscheidungen zustande, stellung! Aber wir müssen uns oder dadurch, dass Frauen in den nur das Phänomen der gläsernen eher männlich dominierten Netz- Decke genauer anschauen. Die- werken an der Spitze eine Außen- ses Bild beschreibt, dass Frauen seiter*innenposition haben. Aber zwar auf dem Papier alle Karriere ein großer Brocken ist immer noch die Frage nach Kindern und wie Familien organisiert sind. Es 2020 waren lt. → Statistik wird nach wie vor selbstverständ- Austria 72 % der 25 – 49-jährigen lich davon ausgegangen, dass sich erwerbstätigen Frauen, aber nur daheim eher die Frauen um die 7 % der gleichaltrigen erwerbs Kinder kümmern. Frauen müs- tätigen Männer mit Kindern sen sich also zumeist immer noch unter 15 Jahren teilzeitb eschäftigt. entscheiden, ob sie Kinder oder Ohne Kinder bzw. mit Kindern Karriere haben wollen. Beides be- über 15 Jahren waren in der deutet in der Regel eine enorme gleichen A ltersgruppe 38 Prozent Doppelbelastung und ein Aufge- der e rwerbstätigen Frauen und riebenwerden zwischen den un- Es sollte aber doch auch 11 Prozent der erwerbstätigen terschiedlichen Anforderungen. jeder Frau freistehen, mit den Männer teilzeitbeschäftigt. Auch wenn immer mehr Väter Kindern zuhause zu bleiben, in Karenz gehen, tun sie das nor- und anschließend Teilzeit zu malerweise sehr kurz – nur etwa arbeiten, oder? möglichkeiten haben, aber an → fünf Prozent der Kinderbetreu- Kastalia: Natürlich. Es geht hier einem Punkt auf ihrem Weg nach ungstage werden in Österreich nicht um einzelne Frauen, die oben an eine gläserne Decke sto- von Vätern in Anspruch genom- ihre individuellen Entscheidun- ßen: Diese hindert Frauen häufig men. Und anschließend arbeiten gen treffen, sondern darum, wie daran, weiter aufzusteigen. Damit Männer Vollzeit weiter, während die Strukturen beschaffen sind. verwandt ist die sogenannte Leaky Frauen in Teilzeit wechseln und Und wenn wir hier einen genau- Pipeline. Die beschreibt, dass die damit auf Karrieremöglichkeiten eren Blick darauf werfen, sehen Frauenanteile geringer werden, verzichten. wir, dass Frauen oft in einer Ent-
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · · 15 · Wenn ich erkläre, dass ich mich für Gleichstellung einsetze, begegne ich immer wieder einem Augen- rollen mit dem Zusatz, dass wir doch »eh schon lange in der auch in der Wissenschaft dazu, Gleichberechtigung angekommen dass Frauen ihre ursprünglichen sind«, »Frauenförderung Männern Karrierepläne im Laufe der Zeit gegenüber ungerecht ist« und es ändern. an der Uni »die Besten sowieso ganz nach oben schaffen, egal Dann wollen Frauen also doch welchen Geschlechts«. Ich finde, Karriere machen? dabei wird übersehen, dass Kastalia: Davon bin ich über- Benachteiligungen zeugt. Viele Frauen wollen in ih- aufgrund von Ge- rem Beruf aufgehen. Wir haben schlecht – aber auch an der Universität Wien Maßnah- von anderen sozialen men entwickelt, um Strukturen Kategorien – nach wie aufzuweichen, die Frauen am vor in die Strukturen des Systems Karrieremachen hindern. Dafür »Wissenschaft« eingeschrieben gibt es zum Beispiel Karriereför- sind. Ich würde mir wünschen, derungsmaßnahmen, die extra dass das Hinterfragen dieser für Wissenschafterinnen ange- Normen und Strukturen selbstver- boten werden. Die sind nicht ständlich und OHNE Augenrollen dazu da, um Defizite von Frau- von allen Akteur*innen im Wissen- en auszugleichen, sondern schaftsbetrieb mitgetragen wird. die für Männer günstigere Kerstin Tiefenbacher, Ausgangslage: Mentoringpro- Mitarbeiterin der Abteilung gramme, Trainings für Habi- Gleichstellung und Diversität litation, Berufung oder auch die Stärkung von Führungs- kompetenzen, um die wich- weder-oder-Entscheidung ste- halt verbessert sich somit auch tigsten zu nennen. Außerdem cken. Das fängt damit an, dass nicht. Da beißt sich die Katze in gibt es Möglichkeiten, die sowohl Frauen im Schnitt ja immer noch den Schwanz. Aber es kommen dem wissenschaftlichen als auch weniger verdienen als Männer. auch noch andere, eher kultu- dem allgemeinen Universitäts- Das heißt, Familien entscheiden relle Umstände dazu, die nicht personal offenstehen, wie flexib- oft aus ökonomischen Gründen, in Zahlen zu fassen sind. Frau- le Arbeitszeiten oder das Hand- dass besser die Frau mit den Kin- en, die Karriere machen, wer- buch Karenzmanagement, dass dern zuhause bleibt und nicht den genauso wie Mütter oft sehr dafür sorgen soll, dass eine Ka- der Mann. Damit wird natür- streng beurteilt und können es renz möglichst komplikationslos lich die Annahme, dass Frauen kaum richtig machen – schon für alle Beteiligten funktioniert. ihre Karriere unterbrechen, um gar nicht, wenn sie versuchen, So trägt die Universität Wien hof- sich um Kinder zu kümmern, beides zu vereinen. Auch das hat fentlich einen Teil dazu bei, dass wieder bestätigt. Sie steigen in Einfluss auf die Entscheidungen Frauen aus dem Entweder-oder der Arbeit nicht auf und ihr Ge- von Frauen und führt gerade herauskommen.
· 16 · · · · K E I N M YT H O S ! · · · ES GIBT KEINE GEHALTSUNTERSCHIEDE ZWISCHEN MÄNNERN UND FRAUEN, UND WENN, DANN SIND SIE ERKLÄRBAR Männer erhalten mehr Lohn als Frauen Beim Karriere machen geht’s ja Männer erhalten bei uns durch- Kastalia: In Österreich lag der (un- nicht zuletzt auch ums Geld- schnittlich immer noch mehr bereinigte) Gender Pay Gap 2019 → verdienen. Kastalia, Sie haben Lohn für gleiche oder gleichwer- bei knapp 20 Prozent. Das heißt, vorhin erwähnt, dass Frauen im tige Arbeit als Frauen, das heißt, Frauen verdienen im Schnitt pro Durchschnitt weniger verdienen hier gibt es eine Differenz. Der Stunde brutto um ein Fünftel we- als Männer. Können Sie uns dazu Gender Pay Gap (GPG) drückt aus, niger als Männer. Damit liegt Ös- noch mehr erzählen? wie groß diese Differenz ist. terreich fast fünf Prozentpunkte Kastalia: Der Gender Pay Gap führt Der unbereinigte GPG gibt die über dem europäischen Gender dazu, dass Frauen im Laufe ihres Differenz der Stundenlöhne ohne Pay Gap. Anders ausgedrückt Erwerbslebens einkommensmä- weitere Differenzierung zum Bei- arbeiten Frauen im Vergleich zu ßig immer weiter hinter Männer spiel nach nach Berufsgruppen Männern mehr als zwei Monate zurückfallen und deshalb deutlich oder Bildungsstand an. Der be- im Jahr unbezahlt. Immerhin se- stärker armutsgefährdet sind als reinigte GPG hingegen berück- hen wir aber eine → Reduktion des Männer. sichtigt auch Branchen- und Hie- Unterschiedes in den letzten zwei rarchieunterschiede und andere Jahrzehnten. Was genau ist eigentlich der Variablen, die nur indirekt mit Gender Pay Gap? dem Geschlecht zu tun haben. Frauen arbeiten doch auch viel Kastalia: Der Gender Pay Gap ist öfter Teilzeit als Männer. der Unterschied in der Bezah- Und wie groß ist der Gender Pay Kastalia: Richtig. Aber wir haben lung zwischen den Geschlechtern. Gap jetzt bei uns? bisher vom Stundenlohn gespro- chen, da ist es egal ob Teilzeit oder Vollzeit gearbeitet wird. Entsprechend der letzten in Der → Equal Pay Day wird jedes Würden wir das Beschäftigungs- Österreich von der → Statistik Jahr berechnet und b ezeichnet ausmaß gar nicht berücksichti- Austria durchgeführten Zeit den Tag im Jahr, bis zu dem gen, dann läge der Gender Pay verwendungserhebung (2008/2009) Frauen – im Vergleich zu Gap 2019 sogar bei → 36 Prozent arbeiten Frauen zwei D rittel Männern – unbezahlt arbeiten. (im Median). unbezahlt und ein Drittel 2021 war das der 21. Februar b ezahlt, bei Männern ist es (nur bezogen auf die Vollzeit Frauen arbeiten aber auch genau umgekehrt. beschäftigten). öfter in schlechter bezahlten Branchen und niedrigeren
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · · 17 · Positionen. In der IT wird zum wohl aktuell gerade sichtbar wird, Männer weniger fürsorglich Beispiel besser bezahlt als im dass viele davon nicht nur wich- sind. In Wahrheit ist es so, dass Sozialbereich. Löst sich der tig, sondern sogar systemrelevant wir alle das so lange gesagt be- Gender Pay Gap nicht auf, wenn sind. kommen, bis wir es glauben. wir nicht Äpfel mit Birnen Dann kommt noch dazu, dass vergleichen? Haben Sie Theorien dazu? Arbeitsfelder, die von Frauen er- Kastalia: Nein, auch wenn man Kastalia: Vieles ist schon erklärt: obert werden, oft ziemlich rasch den Gender Pay Gap um diese Frauen sind bei uns immer noch an Einkommen und Ansehen ver- Faktoren bereinigt, ist er weiter- diejenigen, die hauptsächlich für lieren. Wenn wir auf den Sekretär hin da, wenn auch ein bisschen Kinderbetreuung und Haushalt zurückschauen, sehen wir, dass kleiner: → 2018 lag dieser Unter- zuständig sind. Daneben geht es eine wichtige Position war. Ein schied in Österreich bei 14 Pro- sich einfach oft kein Vollzeitjob kleiner Rest davon ist noch beim zent. Das heißt, Frauen verdienen aus. Selbst wenn Frauen Vollzeit Status von Generalsekretären für gleiche Arbeit weiterhin weni- arbeiten: Männerdominierte und Staatssekretären zu finden. ger als Männer. Ganz abgesehen Branchen sind besser bezahlt Je mehr Frauen aber angefangen davon sollten wir uns die Frage und gerade dort haben es Frauen haben, als Sekretärin zu arbeiten, stellen, warum Frauen eigentlich besonders schwer. Es gibt einfach desto geringer wurden Ansehen mehr Teilzeit arbeiten als Männer. immer noch zu viele Stereotype und Bezahlung. Oder umgekehrt: Oder warum sie die Jobs machen, in unseren Köpfen: dass Frauen Anfangs war das Programmieren die schlechter bezahlt werden, ob- weniger technisch begabt oder von Computern Frauenarbeit,
· 18 · · · · K E I N M YT H O S ! · · · Ich rolle meine Augen laut und offensichtlich, wenn ich wieder mal in einer Berufungskommission darauf hinweisen muss, dass die weib- lichen Kandidatinnen auch gleich qualifiziert sind. Ich rolle meine Augen, wenn ich so wäre, dass Frauen für Und wie ist es an der Universität in Berufungskommissionen die gleichen Jobs gleich Wien? darauf hinweisen muss, dass bezahlt werden wie Män- Kastalia: An der Universität Wien Geschlechterforschung State ner, blieben doch diese haben alle Mitarbeiter*innen die of the Art und kein Seiten- Tatsachen: Frauen ma- Möglichkeit, Einsicht in die Ge- strang der Forschung ist. Ich chen mehr Teilzeitjobs, haltsunterschiede in ihrer Ge- muss mit den Augen rollen, arbeiten in schlechter haltsgruppe zu nehmen. Außer- wenn ich erfahre, dass es an bezahlten Branchen und dem wird der Gender Pay Gap der Universität Wien bei der sind seltener in höheren bei den kollektivvertraglichen Bestellung von Professuren Positionen zu finden. Professuren veröffentlicht. Dieser einen Gender Pay Gap gibt. Das bedeutet, dass Frau- lag 2019 bei neun Prozent – also Augenrollend verfolge ich en in absoluten Zahlen schon besser als der österreichi- paternalistische Besserwisserei einfach weniger im Bör- sche Durchschnitt, aber leider ist in Habilitationskommissionen. serl haben als Männer, dennoch ein Gehaltsunterschied Birgit S auer, obwohl sie insgesamt vorhanden. Da müssen wir noch Professorin für Politikwissen- gleich viel Arbeit ver- dranbleiben! schaft mit dem Schwerpunkt richten, nur eben deut- auf Governance und G eschlecht lich mehr unbezahlte Das klingt allerdings nach Arbeit. Das klingt für viel Arbeit, die hier noch mich nicht besonders zu tun ist … gerecht. In weiterer Kastalia: Da haben Sie recht. Der Folge heißt das auch, Gender Pay Gap ist ein Parade- auch weil es als rein unterstüt- dass sie immer noch von den Ge- beispiel dafür, dass Gleichbe- zende Tätigkeit wahrgenommen hältern ihrer Männer abhängig rechtigung nicht automatisch wurde. Inzwischen ist es eine an- sind oder dass Frauen geringere zu Gleichstellung führt, weil be- gesehene – und sehr gut bezahl- Pensionen bekommen – weswe- stimmte Ungleichheitsstrukturen te – Tätigkeit, die von Männern gen sie auch deutlich öfter von Al- sehr beständig sind. Und diese dominiert wird. tersarmut betroffen sind als Män- Strukturen sind auch deshalb so ner. Im Schnitt erhalten Frauen beständig, weil die Bilder und Es gibt also viele Erklärungen in Österreich knapp → 40 Prozent Vorurteile in unseren Köpfen für den Gender Pay Gap … weniger Pension als Männer, wir dazu führen, dass wir auch selbst Kastalia: Ja, Erklärungen gibt es. liegen damit an viertletzter Stelle immer wieder diskriminieren, Aber selbst, wenn wir alle Erklä- im EU-Vergleich. (→ Mayrhuber auch wenn uns das gar nicht be- rungen berücksichtigen und es u. Mairhuber 2020) wusst ist.
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · · 19 · ICH HAB’S NICHT SO GEMEINT, DESHALB IST DAS KEINE DISKRIMINIERUNG Diskriminierung passiert auch unabsichtlich Aber Kastalia, wenn Menschen dass Menschen auf der Basis von etwas Technisches studieren und nicht bewusst diskriminieren ganz wenigen ähnlichen Momen- daraus schließe, dass alle Männer wollen – wieso passiert es ten sehr schnell verallgemeinern gerne etwas Technisches studie- trotzdem? können. Ein banales Beispiel: ren. Ergo: Alle Männer sind tech- Kastalia: Zum Teil liegt es daran, Wenn man in drei verschiedenen nikaffin! Und weil wir Geschlecht wie der Mensch psychologisch Supermärkten gewesen ist, dann gesellschaftlich als sehr gegen- funktioniert. Menschen sind erwartet man auch im vierten Su- sätzlich denken, legt das auch den grandios darin, Muster zu finden. permarkt, dass das Gemüse gleich Umkehrschluss nahe, dass Frauen Sie erkennen sehr schnell, wo sich nach dem Eingang kommt. Diese dann eben nicht technikaffin sind. Dinge entsprechen und es Ähn- Fähigkeit, Muster zu finden und So schnell sind wir bei Stereoty- lichkeiten gibt. Diese Fähigkeit zu verallgemeinern, kann aber pen, die schon ab dem Kleinkind- hilft ihnen, Situationen einzu- auch nach hinten losgehen. So alter greifen, und die dann in der schätzen und Entscheidungen zu kann es passieren, dass ich zum Folge zu Diskriminierung führen treffen. Im Endeffekt heißt das, Beispiel viele Männer sehe, die können.
· 20 · · · · K E I N M YT H O S ! · · · Viele Leute glauben Haus. Die Feuerwehr kommt nicht zu bei »Black Lives allen, weil es nicht überall brennt. Daher Matter«, dass Gleich- sagen wir in diesem Kontext nicht »All stellung zwischen Houses Matter«, sondern »My House Weißen und Schwarzen Matters«. Keine Angst, dein Haus ist bedeutet, dass Schwarze höher- genauso viel wert, nur in dem Augen- gestellt werden als Weiße. Die blick braucht mein brennendes Haus Sie haben gesagt, dass es Schwarzen wollen nicht höher als Unterstützung, denn das Feuer kann zum Teil daran liegt. die Weißen gestellt werden. Nein, sich sehr schnell verbreiten. Daher Woran liegt es noch? sie wollen gleichgestellt wer- solltest du auch gleich mithelfen. Kastalia: Zu diesem psycho- den, auf der gleichen Stufe, mit Die weißen Menschen brauchen keine logischen Element kommt gleichen Chancen und Rechten. Angst vor der »Black Lives Matter«- ein eher soziologisches. Wir Denn in »All Lives Matter« ist das Bewegung haben. Sie können nur leben in einer Gesellschaft Schwarze Leben nicht inkludiert. davon profitieren. Keiner nimmt voll sozialer Ungleichheit. Es gibt immer noch Menschen, ihnen die Macht weg. Der Weiße kann Das erscheint uns oft so nor- die umgebracht werden, die seine weißen Privilegien einsetzen, mal, dass uns diese Ungerech- täglich rassistisch beleidigt um Rassismus Seite an Seite mit den tigkeit gar nicht auffällt. Wir werden, denen Bildung oder Schwarzen zu bekämpfen. sind also an eine diskriminie- eine Wohnung verweigert wird – Rassismus geht uns alle an, ob weiß, rende Welt gewöhnt und ha- nur, weil sie Schwarz sind. Eine blau, grün oder schwarz. Zuhören, ben sie bis zu einem gewissen Hautfarbe, die sie sich nicht lernen und mithelfen. Grad verinnerlicht. Dann sagen ausgesucht haben. Mögen wir lernen, mit dem Herzen zuzu- oder tun wir Dinge, von denen Ein Beispiel: wenn mein Haus hören, zu respektieren und zu lieben. wir gar nicht merken, dass sie brennt, kommt die Feuerwehr Easter S auberer-Ouma , diskriminieren. Das heißt, Dis- nur zu mir und löscht mein Freundin der Universität Wien kriminierung passiert auch un- absichtlich – aber nicht nur! Es gibt auch Menschen, die bewusst diskriminieren und die sich die- se Diskriminierung mit wissen- Also, selbst wenn jeder einzelne Österreich gefragt werden, wo- schaftlich bereits lang widerleg- Mensch nicht diskriminiert, ist her sie kommen. Und wenn sie ten Begründungen wie »Männer damit Diskriminierung in unse- antworten, dass sie aus Öster- sind von Natur aus die besseren rer Gesellschaft noch nicht ab- reich sind, wird nachgehakt: Mathematiker, natürlich haben geschafft. Nein, woher sie wirklich kom- sie deswegen mehr Erfolg in men. Das ist normalerweise der Mathematik« schönreden. Können Sie das noch ein nett gemeint, aber damit wird Dazu kommt noch, dass ein gu- bisschen genauer erklären? nahegelegt, dass sie als nicht- ter Teil der Diskriminierung, Kastalia: Nehmen wir Rassismus Weiße keine «richtigen» Öster- die tagtäglich passiert, gar nicht als Beispiel. Es gibt auch eine reicher*innen sein können. Das von individuellen Einstellun- subtile Form – zum Beispiel, ist individuelle Diskriminierung. gen oder Handlungen abhängt. wenn nicht-weiße Menschen in Aber es gibt auch die sogenann-
· · · 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien · · · · 21 · te strukturelle Diskriminierung. dierte Konsequenzen und diese Was kann ich mir darunter Da geht es darum, dass Regeln, sollten dann im Vordergrund ste- vorstellen? die für alle gelten, so gemacht hen – weniger das Beteuern der Kastalia: Sprache prägt unsere sind, dass manche Menschen guten Absicht. Fehler (dürfen) Vorstellungen von der Welt und davon benachteiligt werden und passieren. Und dann sind wir von unseren Beziehungen. Wenn andere nicht. Ein Beispiel dafür alle in der Pflicht zu lernen. In ich bestimmte Begriffe verwen- ist die automatische Gesichts- den meisten Fällen unabsichtli- de, die als diskriminierend er- erkennung: Die Programme cher Diskriminierung geht es vor kannt wurden, verweise ich die funktionieren nach demselben allem darum, sich zu entschuldi- so bezeichneten Menschen im- Schema, um ein weißes oder gen und zu lernen, wie man es mer wieder auf ihren marginali- Schwarzes Gesicht zu erkennen. beim nächsten Mal besser ma- sierten und abgewerteten Platz. Aber weil diese Programme chen kann, um diese nicht-in- Und wenn immer nur ein Teil überwiegend mit Weißen getes- tendierten Konsequenzen in Zu- der Menschheit, nämlich Män- tet werden, ist es bei der Erken- kunft zu vermeiden. ner, in der Sprache vorkommt, nung von Schwarzen Gesichtern dann bleiben alle anderen Ge- fehleranfälliger. Das führt dazu, Wir hören ja in letzter Zeit schlechter unsichtbar. Das ist dass innovative Techniken für auch immer wieder, dass über diskriminierend und festigt Schwarze oft kaum verwendbar Sprache diskriminiert wird. Machtstrukturen. sind. Aber, wenn ich nicht iskriminieren will und es d trotzdem so schnell passieren Ich stoße auf Augenrollen, wenn ender S G tudies und -Forschung kann, wie merke ich das dann ich Leuten erzähle, dass ich verstärkt gefördert wird. Im Sinne überhaupt und was kann ich Gender Studies studiert habe: der Third Mission sollte das tun? »Lernt man da G endern?« Wissen daraus auch viel Kastalia: Ganz wichtig ist erst Für viele ist das Wort mehr in die Gesellschaft mal, dass den Betroffenen zu- »Gender« schon ein rotes kommuniziert werden, gehört wird – sie wissen am Tuch und sie n ehmen um den Mythos »Gender allerbesten, was diskriminie- das Fach nicht als Wissen- Studies = subjektiv und rend wirkt und was nicht. Ob schaft ernst bzw. wahr. ideologisch« zu bekämpfen. etwas gut gemeint war, ist nicht Für Gleichstellung & Diversität Nina Krebs, mehr relevant. Unsere Hand- an der Universität Wien wäre Mitarbeiterin der Abteilung lungen haben oft nicht-inten- wichtig, dass intersektionale Gleichstellung und Diversität
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