Codas erkennen einander am Blick
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reze n sio n e n Codas erkennen einander am Blick Persönliche Reflexionen zu Helmut Oehrings Autobiografie „Mit anderen Augen. Vom Kind gehörloser Eltern zum Komponisten“ Helmut Oehring: Von regina leven „Vom Kind gehörloser Eltern zum sche Umsetzung seiner Ideen. Er und Mit anderen Au- Komponisten“. Fangen wir von hin- seine Mitstreiter leisten Pionierarbeit. gen. Vom Kind ge- ten an, mit dem Komponisten. Oeh- Oehring versteht sich bei all dem hörloser Eltern ring ist inzwischen hochdekoriert, als politisch engagierter Mensch, zum Komponis- einer der bekanntesten Komponisten wobei die von ihm betonte Aussa- ten. München: btb zeitgenössischer Musik mit einem ge „Revolutionen haben bisher nur Verlag 2011 • 256 umfangreichen Werk. Ausschnitte in der Kunst stattgefunden“ (S. 23; Seiten • € 19,99 • seiner Werke habe ich nur im TV oder Herv. i. Orig.) sicherlich etwas plaka- ISBN 978-3-442- auf DVD gesehen. Und ich war fas- tiv ist. Später schränkt er ein: „Nein, 75296-6 ziniert! Da ich mich selbst aber als ich glaube nicht, dass Musik die unmusikalisch erachte und musika- Welt verändern kann. [...] Musik hat lisch ungebildet bin (vielleicht nicht die Kraft und Stärke, einzelne Men- zuletzt, weil meine Eltern mir den schen zu verwandeln“ (S. 33 f.). Dafür Zugang zu Musik weitgehend ver- ist Oehring das beste Beispiel. Musik wehrten, eine von meiner Oma ge- hat ihn nicht nur verwandelt – wenn 218 DZ 90 12 erbte Musiktruhe musste bei unserer man ihm Glauben schenkt, hat Musik Nachbarin unterkommen), kann ich ihm das (emotionale und vielleicht die Qualität seiner Musik nicht be- auch physische) Überleben gesichert, werten und ich verzichte auch darauf, im Alter von 14 Jahren war es „Bohe- in dieser Rezension die von Oehring mian Rhapsody“ – „Freddie Mercury Foto: btb Verlag zwischendurch immer wieder einge- war mein Beschützer“ (S. 39). Oehring schobenen kleinen Erzählungen über hat bei seinem Wirken immer auch Komponisten, Dirigenten und Musi- ein gesellschaftskritisches Anliegen, ker (über alle Sparten hinweg) einzu- er greift Tagesnachrichten auf, um schätzen. Ich habe jedoch alle gerne menschenverachtende Geschehnisse gelesen, da ihm lebendige, spannen- und Kommentare durch seine Musik de und z. T. gefühlsmäßig eindrückli- anzuprangern, er widmete z. B. eine Helmut Oehring übertreibt, wenn che Schilderungen gelungen sind! Er Arbeit dem in einer Dessauer Polizei- er sagt: „CODA-Kinder erkennen muss viele Biografien gelesen haben, zelle verbrannten Oury Jalloh. Unge- einander auf der Straße am Blick“ scheint die unterschiedlichen Mu- rechtigkeit bewegt ihn. Sein Selbst- (S. 21), aber ich (selbst Coda1) beziehe sikschaffenden gut zu kennen und verständnis und seine Verpflichtung: aus diesem Zitat einfach mal die Be- präsentiert diese und andere Kultur- „Ich werde nur nicht zulassen, dass rechtigung, sein Buch ganz subjek- schaffende (Maler, Schriftsteller, Phi- ich bei dem, was ich tue, egal was, tiv zu rezensieren. Persönlich ken- losophen) durch Zitate bzw. Liedtex- abgekoppelt bin von dem Leben und ne ich Oehring nicht, aber seitdem er te. Man erfährt viel in Oehrings Buch Sterben hier auf dieser Welt“ (S. 241). 1997 zu Gast bei Alfred Biolek (Bou- über Komponisten, ihre Werke und Mit 27 Jahren komponierte Oeh- levard Bio in der ARD) war, habe ich deren Wirkung auf ihn und Inspira- ring Musik auf ein Zitat von Franz Jo- gelegentlich – immer freudig – et- tion für ihn. Auch bringt er dem Le- sef Strauß: „Ein Volk, das diese wirt- was von seiner (öffentlichen) Ent- ser/der Leserin die Musik, die er selbst schaftlichen Leistungen vollbracht wicklung und Wertschätzung – z. B. macht – Neue Musik – zur Kenntnis hat, hat ein Recht darauf, von Ausch- durch ihm verliehene Preise – wahr- und mehr als das. Oehring ist an- witz nichts mehr hören zu wollen“ genommen. Auf so einen Coda ist spruchsvoll, bis hinein in die techni- (S. 48). Er wirkt gegen das Vergessen. man schließlich auch ein bisschen stolz. Und nachdem mich meine 1 „Coda“ ist eine Abkürzung aus dem Amerikanischen für Children of Deaf adults (Kinder liebste Coda mit seiner Autobiogra- gehörloser Eltern). Mehr zur CODA-Organisation erfährt man bei Dirk Tabbert in Das Zei- fie überraschte, habe ich das Buch chen 89/2011: „COberlinDA 2011 oder: Warum gehe ich zu CODA?“ (602 ff.). (Erläuterung gleich in zwei Tagen durchgelesen. zur Schreibweise: „Coda“ steht für die Menschen, „CODA“ für die Organisation.) Beitrag aus: DAS ZEICHEN 90/2012 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
rez ensi onen Auch von seinen anderen Werken ein Schlüsselerlebnis, als er das ers- ist, Übersetzer geblieben“ (S. 21). Mit (z. B. Koma) erfährt man, wodurch te Mal Schönberg hört, er beschreibt dem Unterschied, dass Oehring nicht sie inspiriert wurden, oft durch tra- sich als bis ins Innerste aufgewühlt. mehr übersetzt, was Hörende zu Ge- gische Ereignisse oder Kuriositäten, Er gewann Zugang zu neuen Klän- hörlosen oder Gehörlose zu Hörenden von denen Oehring durch die Me- gen und neuen Strukturen, die ihm sagen. Sondern er setzt das, was er in dien erfahren hat. Immer entdeckt eine neue Welt bedeuteten. Noten- seinem Inneren an Gebärdensprache er einen tieferen Sinn, den er mit sei- schrift zu lesen lernt er mit 25 Jah- erkennt, nach allen Regeln der Kunst ner Musik greift und vertieft, den er ren. Amüsierend und anrührend ist in Musik um. in musikalische Form fasst und damit die Szene zu lesen, in der er – noch Di- „Es sind die Menschen selbst, die transformiert. Es geht um Augenbli- lettant – Professor André Asriel (Kom- einander Hölle sind“ (S. 88), will er als cke und ihre z. T. gravierenden Folgen, ponist, für den jungen Oehring der Komponist festhalten. Homo homini um Existenz oder Nichtsein. „Wie sich „Frankfurtertorprofessorweihnachts- lupus. Hat dieses Weltbild etwas mit das Leben von einer Sekunde auf die mann“, S. 46) sein erstes unbedarft seinen gehörlosen Eltern zu tun? Hat andere verändern kann“ (S. 118). Es geschriebenes Streichkonzert vorlegt. er unter seinen gehörlosen Eltern ge- geht ihm nicht um Schönheit, son- Es klingt tatsächlich wie ein Weih- litten? Darauf gibt es keine Hinwei- dern um Verlusterfahrungen. Er lässt nachtsmärchen, denn er wird von se. Aber bei der Lektüre seines Buchs DZ 90 12 219 sich von Trauer und Wut bestimmen ihm an seinen späteren Lehrer Georg gewinne ich den Eindruck, er ist einer und baut dann eine überlebenswich- Katzer vermittelt. Oehring dreht ir- der Codas, die unter dem schwieri- tige Distanz auf, indem er für diese gendwann ein Musikvideo und am gen (Nicht-)Miteinander der Gehörlo- Gefühle einen eigenen Raum in der Gehörlosenzentrum Schönhauser Al- senkultur und der hörenden Umwelt Musik schafft, sie sozusagen verpackt lee in Berlin verbindet sich erstmalig Schaden genommen haben: „Meine (eine auch in der Psychotherapie an- seine Musik mit der Gebärdenspra- ganze Kindheit war indirekt von der gewandte Methode). „Extremstes che. „Es geht um nichts weniger, als Behinderung betroffen. Auffälligkei- Musizieren, existentiell hart dreckig zum ersten Mal in der Geschichte der ten und Helferundmittlersyndrom verzweifelt eingeschlossen ausbre- Musik und in der Geschichte der Ge- prägten meinen sozialen Umgangs- chend“ (S. 53). Oehring hat den Mut, bärdensprachkultur ein gemeinsa- horizont. Überall Scherben durch das seine Welt selbst zu gestalten. Auch mes Projekt auf die Bühne zu stellen“ lautlose Aufeinanderknallen der Hö- wenn vieles ursprünglich eine Reak- (S. 63 f.). Seinen arrogant anmuten- renden und Nichthörenden“ (S. 185). tion auf prägende Kindheitserlebnis- den Unterton mag man ihm nachse- Immer wieder spricht Oehring von se gewesen sein mag, darüber ist er hen: „Aber ich bin ja nicht blöd. Kein den Ängsten und Phantasien, die inzwischen weit hinaus, das ist of- Gedanke daran, die Isolation dieser seine Jugendzeit durchzogen haben fensichtlich, wenn man sein jetziges beiden Welten mit Kulturarbeit auf- und von denen er trotz aller Erfolge Eingebundensein in die – über Ber- lösen zu können. Ist das Kunst? Oder und eines beschaulichen Familien- lin weit hinausgehende – Kultursze- kann das schon weg?“ (S. 64). Was lebens in der schönen Märkischen ne betrachtet. Seine Begabung kam meint er hier? Gebärdenlieder? Oder Schweiz noch heute gelegentlich ein- ihm zugute, seine Disziplin nötigt Re- sollte er etwa zweifeln, ob seine eige- geholt wird. Schonungslos berichtet spekt ab.2 nen Werke den Anspruch an Kunst er von selbstverletzendem Verhal- Musik war ihm nicht in die Wie- erfüllen? Nicht nur an dieser Stelle ten als Jugendlicher, um durch eige- ge gelegt. Oehring schildert seine Ent- bleibt er kryptisch. Seine Kompositio- nes Tun die Angst und den Schmerz deckung der Musik als Jugendlicher, nen seien direkte Übersetzungen aus der Verlassenheit und Nichtzugehö- sein Fasziniertsein von ihm bis dato der Gebärdensprache: „Ich bin, wie rigkeit zu übertünchen. Selbst die Ag- unbekannter Neuer Musik. Mehr als es oft bei CODA-Kindern [...] der Fall gressionen der anderen ihm gegen- über brachten eine gewisse Erleich- 2 terung. So härtete er sich ab. Und lab- Auch die bemerkenswerte Vermarktung seiner Geschichte („Vom Kind gehörloser Eltern te sich an Gewalt- und Rachephanta- zum Komponisten“) gelingt, saß er doch nach Erscheinen seines Buches fast jede Woche in einem anderen Fernsehstudio, und aufmerksame Kollegen legten diverse Zeitungsaus- sien – sowie am genussvollen Töten schnitte mit Besprechungen seines Buches in mein Hochschulfach. von Tieren. Für mich war es schwer Beitrag aus: DAS ZEICHEN 90/2012 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
reze n sio n e n zu ertragen, von seiner Tierquälerei stoff“ meint, aber auf „Sauerkraut“ ersten Lesen fand ich es übrigens ein zu lesen: Wie er mit einem Luftge- beharrt. Es geht also wieder um Spra- wenig befremdlich, dass Oehring in wehr auf Tauben schießt, sie ins Hirn che. Sonst schweigt er über sein Pri- einem Buch für Hörende (ja, auch trifft und dann seziert. Aus „Lange- vatleben, geht ja auch niemanden ich unterliege dieser zweigeteilten weile“ und „Angst vor dem nächs- etwas an. Außer, wenn es um sei- Wahrnehmung) die Aussprache sei- ten Tag“ (S. 162) schießt er dann mit ne Herkunft geht, um sein Codasein. ner gehörlosen Eltern schriftlich feil- dem Luftgewehr auch auf Menschen. Vieles davon kommt mir und ande- bietet, doch gleich im nächsten Mo- Dazu passt: „Hier in dieser Zwischen- ren Codas natürlich bekannt vor. Ge- ment entfaltet sich die befreiende welt weiß jeder, dass ich ein Wolf im radezu klassisch: deaf voice. Seine El- Wirkung, besonders wenn Oehring Hasen bin“ (S. 72). Lupus. Eine Phase tern riefen ihn „Almune“, „Höolmue“ schreibt: „Eigentlich sind meine El- des Drogenkonsums beendet Oehring bzw. „Höolmune“, wunderbar! Oder, tern Freaks. [...] Meine Vorbilder im durch Willensstärke und Sport, Tri- als er ein Mädchen mit nach Hause Aufrechtsein“ (S. 21). Genau. athlon, Boxen, er verehrt Tyson und bringt: „Haaaaluw shoöen uton tg“ Aber es geht noch um anderes als Clay. Und er macht Musik. Verstörter (S. 18), für geübte Ohren unschwer um Peinlichkeiten. Zum Beispiel da- Junge komponiert verstörende Musik. zu verstehen: Hallo, schönen guten rum, als Dreijähriger zu spüren, wie 220 DZ 90 12 Das ist eine große Leistung. Nicht die Tag. Es kümmert Oehring nicht, dass Ärzte mit den Eltern nicht richtig einzige: Oehring verweigert sich in anderes für seine Leser, seine Leserin- kommunizieren können. Dieses Ge- der DDR dem Militärdienst. Total. nen schwerer oder gar nicht zu ent- fühl hat Oehring in der Oper WRONG Kurze unterhaltsame Erzählun- ziffern ist. Die gepressten Laute ste- aufgenommen. Als grauenhaft emp- gen wie über die „Kubaorange“ stel- hen für sich. Er ist eben nicht der die- findet er seinen Schulweg, auf dem er len Zeitgeist und Atmosphäre in der nende Dolmetscher. Von der Artiku- von Mitschülern regelmäßig drang- DDR vor. Aber Oehring zementiert lation seiner Eltern gesteht er: „Mir saliert wird, Helmi, der Looser, das keine Vorurteile: „[O]b Kapitalismus war das immer wahnsinnig peinlich“ Opfer. Er beschreibt die Demütigun- Sozialismus Kommunismus: Immer (S. 186) und „Meine Eltern kannten gen und Schikanen, die er von Mit- noch entscheiden Menschen über an- das Angestarrtwerden ihr Leben lang. schülern und Lehrern über sich er- dere Menschen, die politisch, wirt- Für mich als kleiner Junge war die- gehen lassen musste, ohne sich zu schaftlich und vor allem kulturell un- ses ungewollt Immittelpunktstehen wehren. Und: „Habe mit nieman- gebildet sind“ (S. 155). Aus dem Un- nicht gerade angenehm“ (S. 187). Das dem gesprochen. Mit wem auch? Ich gebildetsein hat Oehring sich her- kann ich nachvollziehen, habe ich kannte keine Gebärden dafür“ (S. 69). ausgekämpft, aus anderen Widrig- aus diesem Grund doch manchmal Wie wahr, viele von uns Codas kön- keiten auch: „Mittlerweile bin ich in versucht, meine Eltern zu überzeu- nen diese Hilflosigkeit nachempfin- Ordnung. Und nett. Was fürs Auge“ gen, auch Hörenden gegenüber ohne den. Unsere gehörlosen Eltern hatten (S. 169). Rachegedanken hat er jetzt Stimme zu gebärden. Aber das wäre schließlich damals eher versucht, mit nicht mehr nötig. ja auch komisch gewesen ... Schön ihren hörenden Kindern zu sprechen, Seine jetzige Familie lässt Oeh- das Wort „Leum“ für Linoleum. Ach, als konsequent mit ihnen in Gebär- ring in seinem Buch weitgehend wie viele wunderschöne Wörter ken- densprache zu kommunizieren. Da- außen vor. Man erfährt, dass der da- nen wir Codas! Die machen uns heut- bei ging vieles verloren. Frustrierend: mals prominente Anwalt Schnur ihm zutage Spaß. Damals habe ich mich „Wie soll ich das alles meinen Eltern im Zusammenhang mit seiner Mi- geärgert, als ich mit „Orisee“ bei dem gebärden?“ (S. 73). litärdienstverweigerung riet, seine Spiel „Stadt, Land, Fluss, Blume“ ge- Die knappe Erzählung über den Freundin Sabine zu heiraten. Oeh- scheitert bin (dabei waren Orchideen Tod seines Vaters geht zu Herzen. Be- ring beschreibt es kurz und schmerz- die Lieblingsblumen meiner Mut- sonders ans Herz derjenigen, die Ähn- los: „Aus Helmut Weber wurde Hel- ter!). Das Sprechen mit Hörenden, liches erlebt haben. Ohne Elternteil – mut Oehring“ (S. 152). Liebevoll deu- so glaubt Oehring, sei für Gehörlose für das man eben noch dolmetschte, tet er seine Beziehung zu seinen bei- „reinste Schinderei und Pein“ (S. 79). was der Arzt relativ Harmloses an- den Kindern an und erzählt die Anek- Ich erinnere mich: auch Pein für das gekündigt hat – nur mit einer Tüte dote über seine Tochter, die „Sauer- hörende Kind gehörloser Eltern. Beim voller Kleidung nach Hause zu fah- Beitrag aus: DAS ZEICHEN 90/2012 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
rez ensi onen ren (ich weiß noch gut, wie ich mit rigkeiten herausgedolmetscht hat. Komplexität besteht darin, verletzt Stock und Hut ins Taxi stieg). Das Un- Hörende im Fernsehstudio jauchzen zu werden. Vor den Augen aller. Al- fassbare kann man nicht mit Worten dann auf vor Belustigung, aber ich lein zu sein“ (S. 104). Es steht der Re- beschreiben. Eingewebt in Kunst, in lese das mit leisem Zweifel – als ob zensentin keine Deutung zu, es bleibt dem Stück Spalt 7IEBEN, stelle ich mir seine Eltern weder Mundbild noch eine Frage: Sind es die Schuldgefüh- vor, Oehrings Mutter zu hören: „Fra- Mimik hätten einschätzen und kei- le, hörend zu sein und mehr Chan- ge: Was ist Todesursache? Oder was nen Kontext interpretieren können … cen als die gehörlosen Eltern zu ha- andere?“ (S. 139). Welche Gedanken Beschreibt er doch selbst, „was für ben, die ihn nach strafender Pein und treiben uns um? „Gehörlose gehen in eine Beobachtungsleistung zu die- (Selbst-)Verletzung drängen? Es ist einem Krankenhauskonzernbetrieb sem Alltag gehört. Ständig wie ein nicht einfach, gar bedrohlich, zu den unter wie ein Kieselstein im Atlan- Adler oder ein Luchs auf die Lippen- Hörenden zu gehören, wenn man in tik“ (S. 124). Das kann ich bestätigen. bewegungen zu achten und sie zu einer Zeit aufgewachsen ist, in der Gleichzeitig meine Gedanken, dass entschlüsseln. Permanentes Scannen Gehörlose von Hörenden nicht res- andere, d.h. hörende Patienten im der Gesichtsausdrücke anderer, um pektiert wurden, ihre Sprache unver- Krankenhausbetrieb auch oft unter- darin zu lesen“ (S. 188). Ich wäre mit standen war und geschmäht wurde. gehen. Doch vielleicht fühlen sich einem solchen Schwindel bestimmt Schließlich will man von den eige- DZ 90 12 221 deren Kinder dafür nicht so verant- nicht durchgekommen, und etwas nen Eltern nicht dem Feindeslager wortlich? Hätten wir nicht – wenn so komplett anderes zu dolmet- zugerechnet werden. Ich plädiere auf wir klüger, durchsetzungsfähiger, schen, hätte ich – zu treudoof oder unschuldig. eleganter gekleidet, anders aufgetre- bereits als Kind einem bestimmten In seinem Werk Der Spalt the- ten wären – das Unglaubliche verhin- Ethos verpflichtet (allein „Du sollst matisiert Oehring sein – wie er es dern können? Ist da nicht wieder der nicht lügen!“) – eh nicht über mich nennt – Aufwachsen in einem Riss Hauch des Schuldgefühls? Oder sind gebracht. Aber in Folgendem trifft „genau zwischen der hörenden und die Hörenden schuld, geben sie sich Oehring auch mein Empfinden: „Im der nichthörenden Welt [...]. Und ge- bei Gehörlosen nicht genug Mühe? Grunde waren die meisten Zusam- nau um diesen Riss geht es bei al- Vielleicht nur die Fantasie der Trau- mentreffen zwischen meinen Eltern lem, was ich tue und lasse“ (S. 136). ernden, nicht nur Codas vorbehalten. und den Hörenden wie [...] Gruppen- Oehrings Kindheitserfahrungen, ver- Und dann kommt auch auf Oehring sitzungen in der Nervenheilanstalt“ stärkt durch tausend Echos. Er deutet die Organisation der Beerdigung zu. (S. 168). Und klar, wir sind stark, Coda auch potenziell traumatisierende Si- Der Pflicht entkommt man nicht. kann alles. Als Junge guckt Oehring tuationen an: „Wie lange werde ich Oehring beschreibt den hören- mit seinem Vater nachts Boxkämp- geschrien haben, als Baby [...]. Ohne den Ehemann der tauben Künstle- fe. Den siegreichen Cassius Clay (Mo- dass mich meine Eltern hörten?“ rin Christina Schönfeld, Uwe Schön- hammed Ali) beobachtend und be- (S. 138). Das war zu Zeiten, als es feld (ebenfalls Coda), als einen, der wundernd, spürt er selbst den Hauch noch keine Babyschrei-Lichtsignale „in der Welt der Gehörlosen verwur- der Unsterblichkeit. Wir gehören der gab. Und ich glaube, hier weist Oeh- zelt bleibt, vielleicht aus Kummer gleichen Generation an und so stell- ring auf etwas Wichtiges hin: Das un- oder Trotz, vielleicht aus Kampfgeist te ich mir damals als Mädchen vor, gehörte Baby, das ungeschützte, das und Fürsorge oder aus Angst, aber gegen Cassius Clay im Boxkampf zu unbefriedigte, das von Todesangst ganz sicher aus Liebe“ (S. 127). Das siegen. Mit Pippi Langstrumpf als gepeinigte Baby fällt in diesen Spalt trifft nicht nur auf Uwe Schönfeld Vorbild war das kein Problem! Ein- des mangelnden (Selbst-)Vertrauens zu, unserer gibt es so einige. Und vie- same Fantasien, unausgesprochen, – und es ist ein weiter Weg heraus aus le von uns arbeiten als Dolmetscher. wurden von den gehörlosen Eltern diesem Spalt, bis man einigermaßen Oehring nicht. Aber er berichtet, wie nicht korrigiert. Das ist nicht nur vertrauensvoll auf eigenen Beinen er als Jugendlicher die Situation ge- Größenwahn, das kann auch freie steht. „Es dauert Jahrzehnte, bis ich nutzt hat und sich z. B. im Gespräch Bahn schaffen, wie man am Beispiel vertraue“ (S. 244). Hält Oehring an zwischen der Lehrerin und den El- Oehring sieht. Aber Oehring geht in Traumata fest, friert er das Trauma tern fein aus den heftigsten Schwie- seinem Selbstzeugnis weiter: „Die ein, um es kultivieren zu können? Beitrag aus: DAS ZEICHEN 90/2012 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
reze n sio n e n Was erfahren wir noch? Der äl- gessen allein in der Wohnung. Ge- genten Roland Kluttig sagt „[T]oll, wie tere Halbbruder Alexander ist gehör- schichten, wie sie auch von meinen selbstverständlich er als Dirigent mit los. Oehring zählt die typischen My- Eltern und anderen Gehörlosen die- gehörlosen Solisten umging“ (S. 66)? then gehörloser Familien (auch ihrer ser Generation immer wieder erzählt Oder in Umbrien: „Unsere drei gehör- hörenden Verwandten) auf, die in der wurden. Gerade noch dem Tode ent- losen Solistinnen verstehen sich mit Zeit vor der Gehörlosenemanzipa- kommen, rechts und links die Lei- allen Italienern blendend. [...] Da ist tion bzw. während der Nazizeit leb- chen. Oehring weiß um die von einer einfach gar kein Unterschied [...] zwi- ten und z. T. selbst wieder gehörlose Generation zur nächsten weitergege- schen Hörenden und Gehörlosen. Ich Kinder bekamen: vom Tisch gefallen, benen Traumata. Er musste sich mit sitze einfach nur da und staune: Wie an Scharlach oder Röteln erkrankt vielem auseinandersetzen. einfach alles sein kann“ (S. 127). etc. Ich vermute, es ist nicht nur so, Oehring benutzt die Welten-Me- Manches lese ich mit Skepsis, z. B. dass in diesen Fällen tatsächlich nie- tapher (Welt der Gehörlosen, Welt der dass seine Eltern nicht die Vibratio- mand die jeweilige wahre Ursache Hörenden), wobei er von „sich aus- nen spürten, als ein ganzer Schrank der Gehörlosigkeit kannte, sondern schließenden Welten“ (S. 22) spricht. umstürzte und angeblich alle im Um- dass man sie auch nicht kennen durf- Er bringt in seiner Kunst diese bei- kreis von 1.500 Metern dies hören 222 DZ 90 12 te, wenn es Hinweise auf erblich be- den Welten zusammen, ohne sie in konnten. Typisch ist das nicht, aber dingte Gehörlosigkeit gab. Diese Le- ihrem Innern zusammenbringen zu im Einzelfall kann es ja mal so ge- genden waren überlebenswichtig – wollen. Oehring sagt es schlicht: „Ich wesen sein. Und dass er erst mit vier sonst wären vielleicht weder Oehring möchte nicht, dass als Ergebnis einer bis fünf Jahren Kontakt zu Hörenden noch ich geboren worden. Oehring Arbeit herauskommt, dass Hörende hatte und dann erstmalig der Laut- beschreibt seinen Bruder als selbst- und Gehörlose zusammengehören sprache ausgesetzt war? Ich denke, er bewussten schönen, tauben König. Ja, und alles irgendwie geht. Sondern ist in Berlin aufgewachsen? Aber so es gibt Menschen mit einem bewun- ich will zeigen, dass es nicht geht [...]. klingt es eben ein bisschen geheim- dernswerten Naturell, die sich nicht Für mich gibt es kaum etwas Verlet- nisumwitterter: „Heute erscheint mir mit selbstzerstörerischem Leiden ab- zenderes, als wenn Taube plötzlich die Lautsprache wie eine interessan- geben. Doch trotz aller Kraft meint es beginnen zu sprechen. Oder Hören- te, in meinem damaligen Kulturkreis das Schicksal nicht gut mit Alexander. de gebärden. Ich suche nach genau der Gehörlosen ausgestorbene exo- Er, der Mutige, verunglückt tödlich. dieser Sprache, die das Leiden weder tische Vogelart, deren Semantik mir Wie überwindet man die Schuld des glättet noch mildert“ (S. 25). Und des- verborgen bleibt“ (S. 37). Vielleicht Lebens, wenn die Nächsten sterben? halb müssen seine Solisten und Cho- hat er auch einen Hang zur Übertrei- Mit Arbeit, Engagement und Fleiß? risten genau das tun: Hörende gebär- bung, wenn er den Geräuschpegel Wenn es doch nur so einfach wäre. den, Gehörlose sprechen/singen. Eine im Alltag Gehörloser „brutal“ (S. 38) Oehring stellt keine direkten Zusam- starke Idee und ein für mich nach- nennt. Aber er erhebt ja auch an kei- menhänge her. Die Komplexität des vollziehbares Empfinden. Es steht die ner Stelle den Anspruch, sachliche In- Erlebten spiegelt sich in der Komple- Frage im Raum: Verstehen Hörende formationen vermitteln zu wollen. xität seiner Werke wider. und (kulturell) Gehörlose einander? Oehring schildert sein Inners- Und es geht weiter: Oehrings Va- Ermöglichen Dolmetscher/Überset- tes aus Kindheits- und Jugendtagen ter Gottfried hatte einen jüngeren zer Verstehen oder legen sie gar mit schonungslos: „Hätte ich Schusswaf- hörenden Bruder (namens Helmut), ihren Bemühungen das Nichtverste- fen besessen, wäre ich zum Amok der während eines Fußballspiels, hen bloß? Man könnte diese Grübe- terroristen geworden. Massaker woll- bei dem Gottfried im Tor stand, in leien letztlich auf die philosophische te ich in die katholischen Kindergär- der Elbe ertrank. Das muss für den Frage reduzieren, ob je ein Mensch ten und Friedrichshainer Oberschulen jungen gehörlosen Gottfried trau- den anderen versteht. Müßig. tragen. [...] Blutbäche [...] Ich musste matisch gewesen sein. Und es steht Aber dann doch Licht am Hori- euch Hackfressen jahrelang ertra- Oehrings gehörlose Mutter Annema- zont. Sieht Oehring nicht selbst ein gen“ (S. 12). Auch an späteren Stel- rie vor unserem geistigen Auge, wäh- Aufbrechen der Isolation dieser bei- len schont er sich nicht: Kotzen und rend eines Bombenangriffs fast ver- den Welten, wenn er von dem Diri- Nasenbluten. Gelegentlich scheint er Beitrag aus: DAS ZEICHEN 90/2012 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
rez ensi onen sich in diesen Schilderungen zu suh- men. Ich tippe bei Folgendem auf sei- der Schilderung einer Friedhofsszene. len. Mit kathartischer Wirkung? Sein ne Mutter: „Vielen Dank, leider habe Er selbst hat das Grab nicht tief genug Lamento über Politiker, die u. a. nichts ich gestern Nachmittag sehr Kopf- ausgehoben: „Die Witwe verzwei- von neu komponierten Opern wis- schmerzen, wegen kein gutes Wetter, felt. Ihr Mann will nicht weg“ (S. 123). sen, oder sein Spott über politisch jetzt fühle mich sehr wohl gut und Oehring gelingt es durch seine z. T. la- unambitionierte Menschen wirkt ja, es regnet wieder viel, ach immer konische Erzählweise sehr gut, Bilder für einen Fünfzigjährigen etwas pu- wird viel Regen, es ist garnicht schön, im Kopf des Lesers zu erzeugen, z. B. bertär-idealistisch. Vielleicht kann ach Siebenschläfer, was alles machen, das Bild, wie er bei der Westberliner man Oehring aber einfach zugute- bitte ja was alles lassen und viel Ner- Premiere seines Gitarrenduos alleine halten, dass er sich ein Unrechtsbe- venruhe, viele Menschen müssen auf der ostdeutschen Seite der Mauer wusstsein bewahrt hat und sich nicht langsam laufen. POLAROIDS. Melo- stand. Und schön, wie er seine eige- scheut, es z. B. auf diese Weise auszu- dram“ (S. 158; Herv. i. Orig.). Vielleicht ne englische Aussprache in phoneti- drücken: „Ein Prosit der Gemütlich- ein bisschen mit fremden Federn ge- scher Schrift darstellt, ähnlich, wie keit. [...] kein Kindersterben keine Na- schmückt? Nein, es ist schließlich die ich es meinen Eltern vor ihrem USA- zis kein Öl im Ozean kein Artenster- Muttersprache, seine Muttersprache. Besuch aufgeschrieben hatte, meine ben kein Giftmüll [...]. Idylle. Sieben- Auch in Spalt findet man den typi- Mutter hat es damit versucht: mai DZ 90 12 223 hunderttausend verkaufte Exempla- schen schriftsprachlichen Ausdruck hasbänd. re vom Gartenundgemüseblatt Land- Gehörloser (ohne dass Oehring direkt Oehrings Vortrag ist nicht chro- lust. [...] Gurkenphilosophie“ (S. 156 f.; darauf hinweist): „Ach, dass schon zu nologisch. Es ist ein Danach und Da- Herv. i. Orig.). Naja, Philosophie ist Frühherbstwetter [...]. Aber bitte al- vor und dazwischen gibt es genau auch nicht gerade seine Stärke. Trotz- les wieder vorbei. [...] Und das Büch- datierte Ereignisse. Wie lange hat er dem: Oehring wägt nicht alles ab bis lein andere Seite Fremdsprache. Viel- auf dem Bau gearbeitet? Wie lange zur Sprachlosigkeit. Bemüht sich leicht Romsprache? [...] Aber beiden war er obdachlos? Wie lange nahm nicht um alle möglichen Perspektiven, sehr Hartkämpfe“ (S. 137). Als könnte er Drogen und Neuroleptika? Wie bis es ihm den Mund verschließt. Er ich meine eigene Mutter hören oder lange hat er als Friedhofsgärtner ge- reflektiert Ereignisse oder Sätze nicht als sei es ein Brief von ihr. Schriftspra- arbeitet? Aber vermutlich kommt es intellektuell, sondern in seiner Mu- che Gehörloser geht unter die Haut. ihm nicht auf Quantitäten an, son- sik, und nicht zuletzt, indem er in sei- Von Gehörlosen oft als Makel emp- dern darauf, dass er es überhaupt ge- nem Buch ohne Filter spricht. Oehring funden, von Hörenden als Zeichen tan hat, dass es ihm widerfahren ist. macht was draus, bleibt keine Mario- von Minderbegabung interpretiert, Und dass er sich daraus befreit hat. nette, gestaltet selbst. können wir Codas kreativ davon pro- Ebenfalls wird klar, wie sehr Oeh- Oehring besticht auch durch eine fitieren. Wohltuende Heimatklänge. ring sich in seinem Leben an (über- unerschütterliche, mitunter – um sein Codasprache. wiegend männlichen) Vorbildern Vokabular zu benutzen – „scheiße Oehring ist ein geschickter Kons- orientiert hat und wie empfänglich krasse“ Sprache, mit einer Tendenz trukteur sowohl in seiner Neuen Mu- er für deren Worte und Erfahrungen zu kurzen (Halb-)Sätzen. Man muss sik als auch in seinen Geschichten. ist. Denn das ist etwas, was Oehring aufpassen, sich von seiner Sprache Dabei springt er von zurückliegen- – auch bei seinen Fernsehauftritten – nicht anstecken zu lassen. Kostpro- den Lebensereignissen über erhal- deutlich macht: Es waren immer wie- ben seiner Dichtkünste, oft frei assozi- tene Preise und Ehrungen zu aktuel- der Menschen, die in entscheiden- iert wirkende Aneinanderreihungen, len Gedanken, manchmal scheint es, den Momenten bzw. Phasen unvor- sagen nicht jedem etwas, sind auch er würde frei assoziieren („fällt mir eingenommenes Zutrauen zu ihm nicht unbedingt verständlich, müs- gerade ein“, S. 13), mit einer Sprache, hatten und es ihm damit ermöglich- sen sie ja auch nicht. Bei manchem die der Mündlichkeit verhaftet bleibt ten, ungeahnte Potenziale zu entwi- könnte ich wetten, Oehring hat sei- bzw. die er sich als spontane Rede er- ckeln: „Nach meinen fünfzig Jahren ne Dichtung nahezu eins zu eins (ab- hält. Oft spricht er den Leser direkt an: liest es sich ab und an so, als hätte gesehen von der Interpunktion) dem „naja Sie wissen schon“ (S. 14). Sinn mich da immer jemand mit Sinn für Geschriebenen Gehörloser entnom- für Humor beweist Oehring u. a. bei skurrilen Humor und poetische Satire Beitrag aus: DAS ZEICHEN 90/2012 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
reze n sio n e n lich können sie ja hören ...). Verste- hende, erklärende und schützende Dritte können dann nahezu überle- benswichtig sein. Ich kann dieses Buch jedem empfeh- len, der sich auf ein unglattes, weit- gehend ohne aufklärerischen Duk- tus, manchmal atemlos geschriebe- nes Buch einlassen möchte. Und ich werde alles daran setzen, endlich eine von Oehrings nächsten Auf- führungen zu besuchen! Und ich bin sicher, ja, Oehring, um deine Frage Foto: Regina Leven auf S. 203 zu beantworten, dein Va- 224 DZ 90 12 ter wäre stolz auf dich! Und noch ein Letztes für heute: Ein Werk von Oeh- ring, VERLORENWASSER, wurde ins- piriert durch den gleichnamigen Ort, operativ gelenkt“ (S. 13). Tierhändler le. Selbstredend eine wichtige Erfah- der als Mittelpunkt der DDR ermit- Mürke vertraut ihm, gibt ihm Kraft, rung, ernst genommen, als Person ge- telt wurde. Ich bin vor einigen Mona- Rückendeckung und Selbstvertrau- achtet zu werden! Und Schutz zu er- ten mit einer anderen Coda hingera- en, mutet ihm Verantwortung zu: „Er halten. Das Gefühl der Schutzlosig- delt. Und was haben wir dort, in einer sprach mit mir wie niemals jemand keit vieler Gehörloser, welches sich Hütte am Mittelpunkt der ehema- vor ihm“ (S. 82). So auch Schwimm- auf ihre Kinder überträgt. Wer sich ligen DDR, gelesen? Herbstein wur- lehrerin Rosendhal und später Pfar- selbst einer undurchschaubaren Ge- de als Mittelpunkt der alten BRD er- rer Bauer. In der 10. Klasse ein neuer sellschaft ausgeliefert fühlt, kann mittelt – und dort, hallo Helmut, fan- Klassenlehrer, der ihm Achtung und anderen nur begrenzt Schutz geben. den schon einige Coda-Treffen statt! Vertrauen entgegenbringt – und Oeh- Nicht von ungefähr versuchen Codas Komm doch auch mal zu einem unse- ring schwänzt nicht mehr die Schu- oft, ihre Eltern zu schützen (schließ- rer Treffen, da triffst du noch auf an- dere Kreative. Coda äxklußiff! i Prof. Dr. Regina Leven ist stu- dierte Sonderpädagogin, ap- probierte Psychotherapeutin, gerichtliche Gutachterin und arbeitet seit 1997 als Professo- rin für Gebärdensprachdolmet- schen an der Hochschule Mag- deburg-Stendal. E-Mail: regina.leven@hs- magdeburg.de Beitrag aus: DAS ZEICHEN 90/2012 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
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