Das gute Bewerbungsgespräch - Axel Prokop, Roland Liebig
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FORTBILDUNG Das gute Bewerbungsgespräch Axel Prokop, Roland Liebig Angebot und Nachfrage in der Medizin haben sich in den letzten zehn Jahren A ngebot und Nachfrage in der Medizin haben sich in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert. Von den 78 000 Medizinstudenten jedes dramatisch verändert. Von Jahr arbeiten aber nur 60 Prozent nach ihrem Staats- den 78 000 Medizinstuden- examen in klinischen Fächern. Nur fünf bis zehn ten jedes Jahr arbeiten aber Prozent der Studenten interessieren sich für ein chir- nur 60 Prozent nach ihrem urgisches Fachgebiet. Bei einem alljährlichen Bedarf Staatsexamen in klinischen an 1000 Chirurgen finden sich nur noch 400 Ärzte, Fächern. Bei einem alljähr- die bereit sind in diesem Berufszweig tätig zu wer- lichen Bedarf an 1000 Chi- den. Somit besteht eine jährliche Unterdeckung von rurgen finden sich nur noch etwa 600 Chirurgen. Allein das Deutsche Ärzteblatt 400 Ärzte, die bereit sind in als Jobbörse für Mediziner hat mittlerweile einen diesem Berufszweig tätig zu Anzeigenteil von über 100 Seiten Stärke. Mit zum werden. Wem es jedoch um Teil ganzseitigen bunten Anzeigen wird nicht nur für mehr geht, als „irgendeine“ Chefärzte, sondern in weit größerem Umfang um Position zu bekommen, wer Ausbildungsassistenten, Fachärzte und Oberärzte seinen eigenen Weg selbst geworben. Eine gut strukturierte Weiterbildung in in die Hand nimmt und sei- einem netten Team, im Farbdruck freundlich prä- ne Ziele nicht dem „Ange- sentiert, verspricht ein angenehmes und den Arbeits- sprochenwerden“ überlässt, zeitgesetzen angepasstes Arbeitsklima. © bilderbox.de der sollte sich aktiv um eine passende Position in einer I n s t r u k t u rschwachen Gegenden für ihn passenden Klinik d ro h t z w i schenzeitlich kleineren bewerben – und sich mit H ä u s ern die Schließung Das hat fatale Folgen: In ländlichen Gebieten in seiner Bewerbung Mühe ge- Ostdeutschland und anderen strukturschwachen ben. Schließlich geht es um Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Ärzte um die Gegenden droht zwischenzeitlich kleineren Häusern die eigene Zukunft. Und die Stellen in den Krankenhäusern buhlten – Zeiten, in die Schließung, nicht weil sie nicht kostendeckend wirklich interessanten Positi- denen sie eine Vielzahl an Bewerbungsmappen ver- arbeiten können oder zu wenig Patienten haben, onen sind nach wie vor be- schickten und schon glücklich sein durften, wenn sie sondern weil sie keine Mitarbeiter mehr finden. gehrt – Führungspositionen überhaupt eingeladen wurden – und sich als Bewer- Auch in Baden Württemberg geriet kürzlich ein sowieso. ber in den Vorstellungsgesprächen wie ein Bittsteller Krankenhaus im Schwarzwald in eine bedrohliche vorkamen. Heutzutage scheint es hingegen fast, Schieflage, weil nach Kündigung von zwei Kollegen, als seien die Krankenhäuser selbst die Bewerber: trotz intensiver Werbemaßnahmen keine Nachfolge- Krankenhäuser „bewerben sich“ um gute Ärzte. kräfte gefunden wurden. Vielfach können Kranken- Nur die Abteilungen bekommen heute genügend häuser ihren Betrieb in dieser Situation überhaupt Nachwuchs, die diese Situation realisiert haben. nur mit Leihärzten aufrechterhalten – eine Situa- Hinzu kommt die Standortfrage. Für eine ärztliche tion, die in einigen Häusern heute schon zu einem Karriere muss man heute kaum noch umziehen. „Dauer-Provisorium“ zu werden droht [2]. Vereinfacht gesagt kann der/die junge Arzt/Ärztin Junge Ärzte und Ärztinnen, die ihren Weiterbil- einfach abwarten, welche Stellenangebote sich im dungsweg vor sich haben, erwarten heute verbind- Umkreis ergeben, nach dem Motto: Wenn über- liche Perspektiven für ihre Laufbahn: Längst geht all Bedarf ist, dann sicher auch in meiner Nähe. es den Mitarbeitern nicht mehr nur ums Geld, 1 CHAZ • 11. Jahrgang • 10. Heft • 2010
b e w e rbungsg e s p r ä c h sondern um eine gut strukturierte Ausbildung in fest Informationen über die Wissenschaftliche Ausrich- definiertem Zeitrahmen. Logbücher, Ablaufpläne tung der Abteilung lassen sich bei der Deutschen und Erfahrungsberichte, auf der eigenen Internet- Zentralbibliothek für Medizin im Internet unter seite präsentiert, machen einen Standort interessant www.zbmed.de erhalten. (www.klinikverbund-suedwest.de/2413.0.html). Wenn es um eine Chefarztposition geht, ist die Be- schäftigung mit der Klinik, für die man sich bewirbt E i n e B e w e rbung ist wie eine gute umso wichtiger, um nicht zu sagen: unverzichtbar. S p e i s e k a r te, die Appetit auf den Zum einen, weil von den Auswahlgremien häufig K a n d i d a t en selbst machen soll Fragen nach „Konzepten“ und Ideen für die künf- tige Weiterentwicklung der betreffenden Abteilung Wenn es heute so leicht ist, eine Stelle im ärztlichen gestellt werden. Von diesen Fragen wird nur der Bereich zu bekommen – warum sich dann noch Ge- Unvorbereitete wirklich überrascht. Zum anderen, danken zum Bewerbungsgespräch machen? Sollten weil der Schritt in die Chefarztposition Sorgfalt die Häuser nicht froh sein, wenn man überhaupt zu verlangt, da er langfristig angelegt ist. Auch wenn dem Termin erscheint – den man als Bewerber/in heute eine Chefarztposition nicht mehr zwingend natürlich selbst vorgeschlagen hat? Und wenn man die Lebensstelle sein muss, sollte jeder Bewerber erscheint – kann man sich als Bewerber/in nicht initial davon ausgehen, dass es bei dem Schritt in die einfach zurücklehnen und fragen: „Was habt ihr Leitungsposition möglichst um eine Dauerposition mir denn zu bieten?!?“ (Leider ist dies nicht von den geht – schließlich wird man viel Energie in den Auf- Autoren erfunden, sondern inzwischen ein häufig bau der Abteilung und in das Bekanntwerden an ge- gewordenes Zitat.) Muss man sich heute überhaupt nau dieser Klinik und genau diesem Ort verwenden. noch um eine Stelle kümmern oder wartet man Eine gute schriftliche Bewerbung lässt sich im Grun- einfach, bis man angesprochen oder abgeworben de ohne großen Aufwand erstellen und erleichtert wird? So zu denken und sich auf ein hohes Ross zu den Erstkontakt sehr, wenn man einige Aspekte setzen, ist ebenso naheliegend wie zu kurz gesprun- beachtet: gen. Denn wem es um mehr geht, als „irgendeine“ K Das Anschreiben sollte auch bei noch so umfang- Position zu bekommen, wer seinen Weg selbst in die reicher Berufserfahrung nicht das gesamte (Berufs-) Hand nimmt und seine Ziele nicht dem „Angespro- Leben enthalten. In der Kürze liegt die Würze. Wer chenwerden“ überlässt, der sollte sich aktiv um eine bin ich, wo komme ich her, was mache ich (am passende Position in einer für ihn passenden Klinik liebsten), was kann ich, was interessiert/motiviert bewerben – und sich mit seiner Bewerbung Mühe ge- mich? Das reicht im Grunde schon. Hilfreich ist es, ben. Schließlich geht es um die eigene Zukunft. Und sich vorzustellen, dass man bereits mit den ersten die wirklich interessanten Positionen sind nach wie Zeilen seiner Bewerbung in einen „unsichtbaren vor begehrt – Führungspositionen sowieso. Daher Dialog“ mit dem Leser tritt. Wer dem Leser viel Text sollte bei einer guten Bewerbung nicht schlampig zumutet, riskiert, als Zumutung wahrgenommen zu und unvorbereitet vorgegangen werden. Ein allzu werden. lässiger Umgang eignet sich nicht. K Wer mehr herausstellen möchte, als es in einem Eine Bewerbung, die außer bei Chefarztpositionen kurzen Anschreiben und der tabellarischen Vita auch durchaus als Initiativbewerbung erfolgen möglich ist, kann ein gesondertes Kapitel „Beruf- kann, ist wie eine gute Speisekarte, die Appetit liche Erfahrungen“/„Qualifikationsprofil“ o.ä. ein- auf den Kandidaten selbst machen soll. Bereits im fügen. Hier kann man etwa auf eine besondere Anschreiben sollte zudem auf die Abteilung und operative Expertise, organisatorische/administrative das Krankenhaus spezifisch eingegangen werden: Erfahrungen und/oder eigene Projekte eingehen, Warum bewirbt sich der Kandidat ausgerechnet trifft aber auf einen Leser, der bereits einige Sei- in diesem Haus? Hier kann auf die Ausbildung, ten gelesen hat – ein enormer Unterschied in der das Spektrum oder der Ruf der Abteilung Bezug Wirkung. Im Vorteil ist, wer bereits von eigenen genommen werden. Solche Informationen lassen Aufbau- und Gestaltungserfahrungen in einem klei- sich heute leicht aus dem Internet bekommen. Un- neren Bereich hinweisen kann (z.B. Darmzentrum, ter der Internet-Adresse www.qualitaetsberichte.de ambulantes OP-Zentrum, Spezialsprechstunden, können eine Vielzahl an Daten und Fakten über die Zertifizierung o.ä.). Das wird üblicherweise sehr Abteilung inklusive des strukturierten Qualitätsbe- wertgeschätzt als Vorbereitung auf die „große“ Ge- richtes mit den Leistungszahlen gewonnen werden. staltungsaufgabe einer Chefarztposition. 2 CHAZ • 11. Jahrgang • 10. Heft • 2010
b e w e rbungsg e s p r ä c h K Der Dialog mit dem Adressaten geht im Erschei- Das Bewerbungsgespräch nungsbild weiter: Ein gutes Bewerbungsfoto ist soll Interesse wecken und wichtig, es gibt der Bewerbung „ein Gesicht“ und aktiv geführ t werden wird in der Wirkung gern unterschätzt, nicht ah- nend, dass hier bereits so manches Mal die Sekretä- Bei dem persönlichen Vorstellungsgespräch wird der rinnen die erste Spreu vom Weizen trennen. Dialog, der mit der Bewerbungsmappe begonnen K Auf ein gutes Papier und eine gute Mappe sollte hat, gleichsam „sichtbar“ weitergeführt. Auf den vor allem bei Chefarztpositionen ebenfalls geachtet Ersten Blick sieht die Situation allerdings recht ein- werden, in der die wesentlichen Unterlagen (CV, dimensional aus: Der Bewerber wird vornehmlich Qualifikationsnachweise, Zeugnisse, OP-Katalog, beobachtet, während er sich präsentiert. Auf den Veröffentlichungsliste) enthalten sind. Nach wie vor zweiten Blick ist aber auch das „Vorsingen“ eine kann man davon ausgehen, dass Bewerbungen für Dialogsituation. Ein Bewerbungsgespräch sollte eine Leitungsposition per Email eher hinderlich als kein Monolog sein, sondern wie ein Spiel betrachtet schnell verschickt sind. Auch die Abgabe der Bewer- werden, bei dem Bälle zugespielt und wieder zurück- bung via Fax hat sich bei einer Bewerbungsrunde zu gepasst werden. Langatmige Monologe ähneln eher einem Chefarztposten als sofortiges Ausschlusskri- einer „Ballkanone“ und erschlagen die Zuhörer. terium ergeben, da es nicht den absoluten Willen des Und eine passive Haltung nach dem Motto: „Be- Kandidaten erkennen ließ, wie wichtig ihm genau spiel mich!“ mag angesichts des Bewusstseins um diese Stelle war. den engen Ärztemarkt verlockend sein, führt aber nicht zu einem guten „Spiel“. Ein gutes Testspiel Ei n p f i f f i g e r B e w e r b e r f ü r e i n e n ist immer ein guter Einstieg für das „Turnier“ einer Chefarztposten ist immer künftigen Zusammenarbeit. einige Stunden früher vor Ort Das Auftreten und die Körpersprache sind ebenfalls wichtige Komponenten dieses Dialoges: Die Klei- Die Einladung zum Vorstellungsgespräch liegt im dung sollte gut gewählt sein, Anzug und Krawatte Briefkasten. Damit tritt die Bewerbung in eine ent- abgestimmt zueinander passen. Die Begrüßung mit scheidende Phase. Eine gute Vorbereitung auf das kräftigem Handschlag zeigt Entschlossenheit und erste persönliche Gespräch ist Gold wert. Das Stu- gute Erziehung. Madel brachte 2008 in einem Arti- dium der Tageszeitung, etwa via Internet, ermög- kel im Deutschen Ärzteblatt mit dem Titel „Wieviel licht vielleicht im Gespräch eine Bemerkung zur Manieren braucht der Arzt?“ die Situation auf den Lokalsituation und zeigt das besondere Interesse. Punkt: Wer das ABC der Umgangsformen beachtet Ein pfiffiger Bewerber für einen Chefarztposten und sich vom gesunden Menschenverstand leiten ist immer einige Stunden früher vor Ort und fährt lässt, punktet bei Patienten und Kollegen [1]. Ein beispielsweise mit einem Taxi durch die Stadt, lässt gutes Benehmen bei den Ärzten wird vorausgesetzt. sich vom Fahrer berichten was in der Stadt passiert, Dazu gehören auch die Tischmanieren. Immer häu- welche Vereine in welchen Ligen spielen oder was figer gehen Klinikchefs oder Krankenhausmanager man über das Krankenhaus so erzählt. Selbstver- mit Ihren ärztlichen Bewerbern zum Essen, um den ständlich sollte man sich vorher als Besucher immer Umgang zu studieren. Ein Chirurg, der nicht mit das Krankenhaus ansehen. Bilder und Namen even- Messer und Gabel essen kann, wird nur schwer da- tueller Teilnehmer am Bewerbungsgespräch können bei überzeugen können. zumeist im Internet nachgelesen werden. Zur Vorbe- Das Gespräch soll Interesse wecken und aktiv ge- reitung des ersten Gespräches gehört auch eine ge- führt werden. Wer den Dialog-Aspekt berücksich- wisse Selbstreflektion: Wie sehe ich mein fachliches tigt, wird in seinen Antworten nicht zu lang und Profil und wie sehe ich mich (und wie sehen mich nicht zu kurz sein. Und er wird in seinen Antworten andere) als Persönlichkeit? Und schließlich gehört bereits Hinweise für die Dialogpartner geben – ihm zur Vorbereitung eine Reflektion der besonderen gleichsam „Bälle“ zuspielen, die zu weiteren Fragen Situation, in die man sich begibt: Man hat maximal führen. Im Vorstellungsgespräch ist der „modus eine Stunde Zeit, „seine PS auf die Straße zu brin- praesentandum“ ebenso wichtig wie der Inhalt des gen“. Ein kleines Zeitfenster in einer besonderen Gespräches: Wer sich zurückgelehnt und mit ver- Gesprächsverfassung in der viele Fußangeln lauern. schränkten Armen zur Aussage herablässt, er sein ein offener und kollegialer Mensch, dem wird man schlicht nicht glauben. Er wird aber in Erinnerung 3 CHAZ • 11. Jahrgang • 10. Heft • 2010
b e w e rbungsg e s p r ä c h bleiben – als der mit den verschränkten Armen … jenem Bereich zu engagieren …“ oder „meine Vor- Gesten mit geöffneten sichtbaren Armen und zuge- schläge wurden berücksichtigt …“, „ich konnte den wandten Handbewegung und nicht überschlagenen Kollegen beim Umgang mit der Krankenhaussoft- Beinen strahlen dagegen Freundlichkeit und Offen- ware helfen …“, „man lobt immer wieder meine …“, heit aus. Die Hände gehören nicht in Tasche, es sein „stolz bin auf die medizinische Vereinsbetreuung denn man leidet an einer juckenden Leistenmyko- …“ oder „ich konnte Seminare und Weiterbildungen se. Das Gegenüber sollte im Gespräch angesehen besuchen …“ sind nur wenige Beispiele wie man werden, ausweichende Blicke zeigen Unsicherheit zurückhaltend, das heißt: beschreibend auf eigene und Führungsschwäche. Achseln zucken oder weg- Stärken hinweisen kann, ohne in eine Aufzählung werfende oder nestelnde Handbewegung sollten von Floskeln zu geraten. vermieden werden. Wer sich selbstkritisch reflektier t, D e r B e w e r ber sollte glaubwürdig wird sehen, dass „Schwächen“ ü b e r e i g e n e E r fahrungen berichten häufig die Kehrseiten der eigenen Stärken sind Fragen nach fachlichen Dingen sind nicht immer das Gesprächsthema, das zeitlich den größten Befragt nach Schwächen, sollte man nie mehr als Raum einnimmt – fachliche Kompetenz wird häu- eine angeben und versuchen diese auch direkt wieder fig schlicht vorausgesetzt. Besondere Beachtung positiv einzubetten. Die Wörter „manchmal“, „sel- finden dagegen so genannte Soft Skills, wie etwa ten“ oder „hin und wieder“ lindern etwaige Schwä- Durchsetzungsstärke, Führungsstil, Teamfähigkeit, chen ab. Mögliche Antworten können ebenfalls im Leistungsmotivation, Lernbereitschaft, Flexibilität Vorfeld überlegt werden, in der Art: „Es fällt mir und Engagement. Eigene Stärken können an Bei- manchmal auf, dass ich zu selten lobe, aber ich habe spielen aus dem Alltag herausgestellt werden, wobei inzwischen gelernt, dass man Lob genau wie Kritik Phrasen unbedingt zu vermeiden sind. gut einsetzen muss“. Selbstkritische Reflektion als Hier mag es hilfreich sein, sich zu vergegenwärtigen, solche ist bereits eine Stärke! Und wer sich selbstkri- dass man als Bewerber/in mehr überzeugt, wenn tisch reflektiert, wird sehen, dass „Schwächen“ häu- man „von“ den Dingen berichtet, als wenn man fig die Kehrseiten der eigenen Stärken sind. Beispiel: „über“ die Dinge philosophiert. Ein Beispiel: Nach Wer Zielstrebigkeit und Effizienz zu seinen Stärken dem Führungsstil befragt, kann man sich auf die zählt, wird keine Probleme haben, beispielsweise einschlägige Literatur und die Stil-Typologien bezie- Ungeduld als Schwäche einzuräumen – nicht in dem hen. Das wirkt jedoch schematisch. Viel glaubwürdi- Sinne, dass er sie sich „ankreiden“ muss, sondern als ger ist es, wenn man „von“ einem konkreten Beispiel reflektierte Eigenschaft, der man sich bewusst sein berichten kann, etwa von einer Situation, in dem die sollte und an der man auch „arbeiten“ kann. wohlwollende Förderung und Unterstützung eines/r Bei vielen Chefarztbewerbungen verlangt man von Mitarbeiters/in nicht ausreichte und eine deutli- den Kandidaten konzeptionelle Ideen, „Leucht- che Kritik erforderlich war. Dadurch wird Ihrem türme“, fachliche Schwerpunkte und Visionen, Gegenüber Ihr „Stil“ viel eher deutlich als durch mit denen man den Patientenzufluss verträglich eine plakative Benennung. „Klassiker“ in dieser mit den Nachbardisziplinen verbessern kann. Die Kategorie sind immer wieder Fragen nach Stärken Leuchttürme sollten beschrieben werden, aber die und Schwächen. Wer sich dazu nicht im Vorfeld Bewertung und positiven Rückschlüsse dem Zu- Gedanken gemacht hat, steigt in ein Wildwasser- hörer überlassen werden. Eine gute Kenntnis des Kajak ohne Schwimmweste – das kann gut gehen, Umfeldes vor dem Gespräch hilft dabei im Vorhin- muss es aber nicht. ein. Die Schwerpunkte lassen sich vorher bedenken Positivbeispiele zu den eigenen Stärken, können und formulieren. Die Inzidenzen von wichtigen bereits vor einem Gespräch bedacht und formuliert Erkrankungen gepaart mit den Einwohnerzahlen werden. Spezialkenntnisse, besonderer Umgang in des Einzuggebietes ermöglichen klare Daten zur einem großen oder auch kleinen Team (wir mussten Versorgungsstruktur und zukünftigen Potentialen. immer füreinander einstehen), bisherige Führungs- Inzwischen sind solche Daten auch professionell oder Sonderaufgaben oder die Möglichkeiten zur automatisiert berechenbar (www.trinovis.com). Die Patientenakquise können hier erwähnt werden. Sät- Anzahl der Zuweiser und deren Standorte lassen ze wie: „Ich hatte die Chance, mich in diesem oder sich durch ein Branchenbuch ermitteln. 4 CHAZ • 11. Jahrgang • 10. Heft • 2010
b e w e rbungsg e s p r ä c h Wer das Vorstellungsgespräch als Dialog begreift, Auf manche C hefar ztposten wird im Blick behalten, dass es in der Gesprächssitu- bewerben sich in bis zur Hälfte ation – wie auch später in der Arbeitssituation – um der Fälle gestandene C hefs ein gemeinsames Ziel geht. Daher wird er im Ge- spräch keine Kampfesstimmung aufbauen. Gereizt, Die meisten Fragen, die sich auf den Lebenslauf „eingeschnappt“ oder rechtfertigend wirkende Sätze beziehen, sind Fragen nach Übergängen: Wechsel wie: „das habe ich doch schon gesagt“, „verlassen von einer Stelle zu einer anderen sollten immer Sie sich darauf“ oder „die haben da nie mitgezogen“ aktiv erklärt und aus dem Gesamt-Kontext des be- o.ä. sind zu vermeiden. Das gilt insbesondere für ruflichen Weges heraus betrachtet werden: Welcher das Gespräch über den eigenen Lebenslauf. Viele Linie folgen die einzelnen Schritte, ging es immer Bewerber gehen davon aus, dass das Gegenüber den weiter nach vorn oder wurden Schlenker gemacht? eigenen Weg genauso gut kennt wie man selbst. Und Mögliche Begründungen für Wechsel können in ei- wenn dann Fragen gestellt werden, die „eigentlich“ ner Weiterbildung begründet sein, oder darin neue schon durch die schriftliche Bewerbung beantwortet Operationen zu erlernen und Projekte zu vertiefen sein sollten, drohen Gesprächs-Schlenker wie „... oder weitere Aufgaben und Leitungsfunktionen zu das hatte ich bereits geschrieben ...“ oder „Sie ken- übernehmen. Wichtig ist, hier das Ziel der eigenen nen ja meine Unterlagen ...“. Selbst wenn man sein beruflichen Geschichte im Blick zu behalten: Der Gegenüber „entlarvt“ als oberflächlichen Leser, was bisherige Weg führte in der Summe zu Erfahrungen, hat man damit gewonnen? Nichts. Man leistet sich die genau für diese Position prädestinieren sollten. nur einen Affront – keine gute Basis für den Dialog. Eine geradezu paradoxe Situation ergibt sich, wenn sich ein amtierender Chefarzt oder Chefärztin auf eine neue Chefarztposition bewirbt: Wer eigentlich keine Gründe hat, sich beruflich zu verändern (weil er schlicht erfolgreich und zufrieden ist), hat (hätte) die beste „Visitenkarte“ und die besten Chancen auf einen Wechsel. Umgekehrt: Wer viele Gründe zu einem Wechsel hat (womöglich haben sich Differen- 5 CHAZ • 11. Jahrgang • 10. Heft • 2010
FORTBILDUNG zen mit dem Arbeitgeber hochgeschaukelt bis zum warum man überzeugt ist, der beste Kandidat zu Auflösungsvertrag?), dessen Chancen sind deutlich sein. geringer, weil er in der Not ist, das Ausscheiden oder Da wir hier die Perspektive des „Dialoges“ vertreten Nicht-erfolgreich-gewesen-Sein zu begründen. haben, wäre an dieser Stelle zu ergänzen: In guten Heute haben allerdings Bewerber/innen aus einer Bewerbungsgesprächen wird diese Frage nicht ganz Chefarztfunktion heraus durchaus gute Chancen, am Ende rhetorisch gestellt, wenn schon der nächs- noch einmal zu wechseln – wenn deutlich gemacht te Kandidat draußen wartet, sondern etwa in der werden kann, dass mit dem Wechsel eine Verbesse- Mitte – und ist dann ernst gemeint. Ein gutes Indiz rung verbunden ist. Was früher noch als makelhaft für einen echten „Dialog auf Augenhöhe“. Dass galt, ist heute geübte Wirklichkeit. Auf manche die eigenen Fragen des Bewerbers auch etwas über Chefarztposten bewerben sich in bis zur Hälfte der ihn, seine Prioritäten sagen, versteht sich von allein. Fälle gestandene Chefs – und im engsten Bewerber- Auch hier gilt: Der vorbereitete Bewerber hat die kreis ist die Quote nicht selten höher. Die Gründe wichtigsten Fragen zu dieser speziellen Position im dafür liegen auf der Hand: Gerne werden eine Kopf – und bitte nicht in der Tasche oder auf einem bereits erfolgreiche Aufbauarbeit einer Abteilung, Knitter-Zettel. der bekannte Umgang mit Organisations- und Ab- Fettnäpfchen lauern auch bei Fragen nach den Ge- rechnungsabläufen und ein professioneller Umgang haltsvorstellungen. Im Gegensatz zu anderen Be- mit der Geschäftsführung sowie eine geübte Füh- rufen, wo sie eine zentrale Bedeutung eines Bewer- rungserfahrung gesehen. bungsgespräches haben, sind sie in der Medizin Unzulässige Fragen in einer Bewerbungsrunde sind ungewohnt und gehören normalerweise in eine an- bei Frauen über den Kinderwunsch, die rechtlich ge- dere Gesprächssituation. In der Regel reicht es, bei sehen auch nicht wahrheitsgemäß beantwortet wer- Fragen nach den Gehaltsvorstellungen, herauszu- den müssen. Eine mögliche Antwort wie „ich habe stellen, dass man mehr verdienen möchte als aktuell. das mit meinem Partner schon besprochen, aber wir Verhandlungen im eigentlichen Sinne werden in sind uns einig, dass die Klinik für uns wichtiger ist“ Bewerbungsgesprächen nicht geführt. Diskussionen entschärft die Situation. sind eindeutig fehl am Platz. Und Begründungen, dass man ja mehr Verantwortung übernehme, viele F e t t n ä p f c h e n lauern auch bei Fragen Kinder habe, Verpflichtungen, einen Hund, ein Ei- n a c h d e n Gehaltsvorstellungen genheim und ähnliche Argumente sind überflüssig und wirken meist unangenehm. Souveräne Bewer- Am Ende eines „klassischen“ Vorstellungsgesprä- ber meistern diese Situation in einer humorvollen ches wird dem/der Bewerber/in die Möglichkeit Weise – etwa ein Bewerber, der darauf hinweist, angeboten, eigene Fragen zu stellen. Dies vor al- seine Töchter hätten ihm ganz viel Glück bei seinem lem, wenn es sich um eine Vorstellung vor großen Bewerbungsgespräch gewünscht, da er ihnen ver- Gremien handelt. Hier gilt besondere Vorsicht vor sprochen habe, dass sie bei einem Wohnortwechsel einem Parcours aus Fettnäpfen. Schon manche gute das lange ersehnte Pony bekämen. Oder das Beispiel und engagierte Bewerber haben sich hier mit Aus- eines Autofreundes, der sich selbst das Versprechen schweifungen „aus dem Rennen“ katapultiert. Diese gegeben hatte, bei einem Wechsel in eine Chefarzt- rhetorisch gemeinte Bitte bedeutet in Wirklichkeit position seinen seltenen, in Teilen zerlegten Oldti- nur, dass die Zeit rum ist. Sie sollte auf keinen Fall mer in der Garage endlich fertigzustellen – weil der überstrapaziert werden und zu maximal einer Fra- eines Chefarztes würdig sei. ge führen (z.B. „Wann kann ich anfangen?“ oder: „Wie geht es im Auswahlverfahren weiter?“) oder Bei aller Vorbereitung sollte zu der Feststellung, dass sich die eigenen Fragen auf man nicht aus dem Blick verlieren, Details beziehen und sich sicherlich in vertiefenden dass in der Übe r vorbereitung späteren Gesprächen klären lassen. Ganz unange- eine Gefahr liegt nehm ist es, wenn Bewerber versuchen, „den Spieß rumzudrehen“, nach dem Motto: Was erwarten Sie Ein guter Abgang ist – wie auf jeder Bühne – auch denn eigentlich von einem Chefarzt? Oder wenn ein im Bewerbungsgespräch unverzichtbar für eine Feedback eingefordert wird („Wie war ich?“) oder nachhaltige Wirkung: Ein Dankeschön für das Ge- wenn diese Frage als Aufforderung missverstanden spräch hat noch nie geschadet. Reichen der Raum wird, noch einmal zusammenfassend zu begründen, und die Größe des Gremiums für eine Verabschie- 6 CHAZ • 11. Jahrgang • 10. Heft • 2010
FORTBILDUNG dung mit Handschlag? Wird angeboten, noch einen Die Erfahrungen der Autoren sprechen sehr deutlich Rundgang durch das Haus zu machen? Das sollte dafür, dass zumeist viel lieber ein engagierter Bewer- man annehmen, denn es ist auf jeden Fall ein Si- ber „mit Ecken und Kanten“, der aber natürlich, gnal des Willkommens! Viele der hier reflektierten aufrichtig und für seine Gesprächspartner begreif- Aspekte sind relativ üblich und gängig für den, bar erscheint, gewählt wird. Jedenfalls viel eher als der häufig Bewerbungsgespräche führt oder beglei- der Kandidat, bei dem man den Eindruck gewinnt, tet, aber natürlich nicht für den Bewerber selbst. dass er einen glatten Selbstpräsentations-Ratgeber Daher bietet es sich gegebenenfalls an, sich durch „abspult“. Und es wird derjenige gewählt, der glaub- Vorbereitungsseminare mit der Situation Bewer- haft machen kann, dass er mit Spaß, mit gestalteri- bungsgespräch auseinanderzusetzen – nicht, um schem Schwung und Identifikationsbereitschaft für den „goldenen Tipp“ zu bekommen, sondern um das Unternehmen in die angestrebte Position gehen unliebsamen Überraschungen vorzubeugen. Solche möchte. Diese atmosphärischen „Seismographen“ Seminare werden beispielsweise vom BDC angebo- – Spaß, Schwung und Identifikationsbereitschaft – ten. Erfahrungsberichte können im Internet nach- zeigen sich auf beiden Seiten des Dialoges bereits in gelesen werden. Auch Personalberater, die Bewer- dem Bewerbungsgespräch selbst: Ein gutes Bewer- bungsgespräche im Gesundheitswesen professionell bungsgespräch führt nicht zu selten zu dem berühm- begleiten, sind – gerade in der heutigen Zeit der ten „Funken“, der auf beiden Seiten „überspringt“. knappen Ressource Arzt – (Reflektions-)Partner Ein „Funke“ der nichts anderes bedeutet, als dass für die Bewerber/innen, Lotsen durch das Auswahl- man spürt, wie gut man sich wechselseitig die Bälle verfahren und kritische Feedback-Geber nach den zugespielt hat. Und dass das Ganze – um im Bild zu Gesprächen. bleiben – auf ein gemeinsames Tor zuläuft. Bei aller Sorgfalt in der Vorbereitung einer Bewer- bung sollte man nicht aus dem Blick verlieren, dass Literatur auch eine Gefahr in der Übervorbereitung liegt. 1. Madel M (2008) Umgangsformen: Wie viel Manieren Die eigentliche, vielfach wahlentscheidende Über- braucht der Arzt? Dtsch Ärztebl 105: 143 zeugungskraft entfaltet nicht die einzelne perfekte 2. Der Spiegel 53/2009, 28.12.2009 Antwort auf eine Frage oder die geübte Körper- haltung – sondern etwas ganz Einfaches, was doch Prof. Dr. med. Axel Prokop durch die Aufregung der Situation (schließlich geht Klinik für Unfall-, Hand- und Wirbelsäulenchirurgie es um etwas!) schnell vergessen wird: Die eigene Klinikverbund Südwest, Kliniken Sindelfingen Authentizität, die letztlich Vertrauen schafft und Arthur-Gruber-Straße 70 71065 Sindelfingen die Identifikationsbereitschaft mit dem (künftigen) verletzt@klinikverbund-suedwest.de Unternehmen als Ausdruck der Motivation. Roland Liebig liebig.eisentraut, Personalberater im Gesundheitswesen Centroallee 263a 46047 Oberhausen rl@liebig-eisentraut.de 7 CHAZ • 11. Jahrgang • 10. Heft • 2010
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