Das multinationale und multireligiöse Team - seine Bedeutung für die interkulturelle psychologische Beratungsarbeit
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1 Das multinationale und multireligiöse Team – seine Bedeutung für die interkulturelle psychologische Beratungsarbeit (Norbert Kunze 2003) Zur Geschichte und der Stellung des Teams Die alltägliche Beratungsarbeit geschieht zwischen den Ratsuchenden und ihren Beratern. Diese Arbeitsbeziehungen stehen nicht für sich allein, sie sind eingebettet in den Beziehungs- und Handlungsraum eines Teams von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Team hat sich dabei zu einem strukturellen Gütemerkmal für die psychologische Beratungsarbeit entwickelt. In diesem Gütezeichen spiegelt sich ein Stück Beratungsgeschichte wieder, in der mit dem Entstehen der Eheberatungsstellen nach dem 1. Weltkrieg sozialarbeiterische, seelsorgerliche und medizinische Orientierungen Pate gestanden hatten und in der mit dem erneuten Aufbau der Beratungsstellen nach dem 2. Weltkrieg die Beratungsarbeit ein zunehmendes psychologisches Profil erhalten hatte. In diesem Profil haben sich Einsichten und Erfahrungen aus tiefenpsychologischen, gesprächstherapeutischen, verhaltenstherapeutischen und systemischen Ansätzen niedergeschlagen. Die Entwicklung einer eigenen Ausbildung für diesen Beratungsbereich und die gleichzeitigen Bereitschaft der Träger, die Ausbildung und Anstellung neben Psychologen, auch Sozialpädagogen, Theologen und Medizinern offen zuhalten, hat in den letzten Jahrzehnten zu interdisziplinären Teams geführt. In den vergangenen Jahrzehnten haben die psychologischen Beratungsstellen mit ihren Teams eine eigene Reflexionskultur entwickeln können, in der über die Zusammenschau unterschiedlicher disziplinärer Blickwinkel die Beratungsprozesse zwischen Beratern und Ratsuchenden sehr effektiv begleitet wurden. Diese Zusammenschau zielt zum einen auf ein ganzheitliches und sehr differenziertes Verstehen der Leidens- und Konfliktsituation des Ratsuchenden, seiner inneren und äußeren Konfliktbedingungen, diese Zusammenschau – als Intervision oder Supervision - dient und unterstützt aber auch die Verstehens- und Handlungsprozesse des jeweiligen Beraters. Das Team ist so zu einem sehr effektiven fachlichen Instrument eines beraterischen Systems geworden (M. Selvini, M. S. Selvini Palazzoli 1992, S. 167) Darüber hinaus hat sich das Team über seine zusätzlichen betrieblichen und organisatorischen Funktionen zum Dreh- und Angelpunkt für die fachlichen, betrieblichen und organisatorischen Abläufe entwickelt.(Fachstelle für Psychologische Beratung in der Diözese Rottenburg Stuttgart, 1998, S. 10) Eine fachliche und strukturelle Weiterentwicklung - das multinationale und multireligiöse Team Die Bundesrepublik Deutschland hat sich seit Jahrzehnten zu einer europäischen Region entwickelt, die Ziel und Durchgangsstation vieler Migrationsbewegungen wurde. Flüchtlinge, Vertriebene, Asylsuchende, Arbeitsmigranten und ihre Familien, neue Mobilitäten im Rahmen der europäischen Einigungsbewegungen und die Zunahme bikultureller Eheschließungen haben die demographische Entwicklung in Deutschland nachhaltig geprägt. So haben sich in den letzten Jahrzehnten eine Vielfalt von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, von ethischen Positionen, von sozialer
2 Zugehörigkeit und von Formen der Lebensgestaltung der Menschen in Deutschland entwickelt, deren Vielfalt und deren Prozesse über bloße ethnische Differenzierungen längst nicht mehr erfasst werden können. Dies hat neben der Internationalisierung des Klientels auch zu neuen Konfliktmustern und damit zu neuen Herausforderungen in der psychologischen Beratungsarbeit geführt. Infolge dieser Entwicklung ist es in einigen Beratungsstellen zu einer fachlichen und strukturellen Weiterentwicklung einer interkulturell angelegten psychologischen Beratungsarbeit mit multinationalen und multireligiösen Teams gekommen (N. Kunze, 1998, S. 202). Manche dieser internationalen Teams sind aus der Zusammenlegung unterschiedlicher muttersprachlicher Beraterteams hervorgegangen, andere waren von Anfang an auf die interkulturelle psychologische Beratungsarbeit multinational und multireligiös konzipiert. Diese Entwicklungen hatten dabei auch das Ziel, die Distanzierungen und Ausgrenzungen von Menschen wegen ethnischer und weltanschaulicher Verschiedenheit in der psychosozialen und psychotherapeutischen Versorgung zu überwinden (G. Pavkovic, 2001, S. 215). Die Stellen- und die Teamentwicklung an unserer Stelle steht schon seit über 20 Jahren in der Perspektive der interkulturellen psychologischen Beratungsarbeit. Die fachliche Bedeutung des multinationalen und multireligiösen Teams Die interkulturelle Orientierung psychologischer Beratungsarbeit wird als Fähigkeit definiert, die Regeln des psychologischen fachlichen Könnens in der Beratung unter den Bedingungen der kulturellen Differenz und unterschiedlicher gesellschaftlicher Positionierungen der am Beratungsgeschehen Beteiligten anzuwenden und zu vollziehen. In dieser interkulturellen Zielsetzung erfährt das multinationale und multireligiöse Team gegenüber dem bisherigen Teamverständnis einen wichtigen Bedeutungszuwachs. Es wird zusätzlich zum Reflexions-, Verständigungs- und Verstehensraum von Erfahrungen, die im Kontext von interkultureller Beratungsarbeit gemacht werden, d. h. in der Arbeit zwischen deutschen Beratern und ausländischen Ratsuchenden, ausländischen Beratern und deutschen Ratsuchenden, ausländischen Beratern und ausländischen Ratsuchenden wie auch deutschen Beratern und deutschen Ratsuchenden. Das Team arbeitet nicht nur innerhalb einer ganzheitlichen interdisziplinären Perspektive für die jeweilige Beratungssituation, sondern befasst sich zusätzlich mit den unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftsbezogenen Sichtweisen von Beratern und Ratsuchenden, wie sie in das Konfliktverständnis, in die Konfliktreaktionen und auch in das Beratungsverständnis von Beratern und Ratsuchenden selbst Einlass finden. Die ethnische, kulturelle, konfessionelle und religiöse Heterogenität der Mitglieder im Team ist von herausragender fachlicher Bedeutung. Sie erhöht die Fähigkeit der Mitarbeiter, auftretende kulturelle, konfessionelle und religiöse Unterschiede im Beratungsgeschehen wahrzunehmen und zu thematisieren. Sie schärft das Bewusstein für die jeweilig eigenen kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Verankerungen, Überzeugungen und Befangenheiten der verschiedenen Mitglieder im Team. Sie ermöglicht dabei ein größeres Maß authentischer kultureller, konfessioneller und religiöser Standpunktäußerungen im Team und auf die Beratungsarbeit selbst.
3 Sie fördert nicht zuletzt die Sensibilität aller Teammitglieder bezüglich den gesellschaftlichen Dynamiken zwischen Mehrheitsbevölkerung und Minderheiten (z.B. Ausgrenzung vs Integration, Diskriminierung/Rassimus vs. Achtung der Menschenwürde) und deren Einfluss auf das Beratungsgeschehen. Schließlich ist die Arbeit in einem multinationalen Team auf eine eigene fachliche Verständigungskultur angewiesen, die der interkulturellen Kommunikation und der sie tragenden Haltungen. Diese Verständigung wird für die Zweierbeziehung als ein Prozess beschrieben des Von-sich-Weggehens, des auf den Anderen Zukommens, des den anderen Weg Mitgehens, des zu sich selbst Zurückkommens, und des wieder in einer neuen Erfahrung auf den anderen Zugehens (T. Diallo, 2000, Jahrestagung der Psychologischen Beratungsstellen). Diese Verständigung erfolgt im Raum der Gruppe und beinhaltet damit einen größeren Begegnungs- und Erfahrungsraum. Verständigung vollzieht sich in besonderer Weise über die Sprache. Sprachen sind Wege zu den Herzen der Menschen, sie sind Vehikel für kulturelle Bedeutungen und fungieren zuweilen als Nadelöhr für wichtige Güter einer Gesellschaft. In der interkulturellen Beratungssituation sehen sich die Berater und Beraterinnen mit besonderen sprachlichen Herausforderungen konfrontiert, sich angesichts sprachlicher Begrenzungen oder auch der sprachlichen Vielfalt einander verständlich zu machen. Ein multinationales Team bringt in die interkulturelle Verständigung über die verschiedenen Muttersprachen und den zusätzlichen Fremdsprachenkenntnissen der Mitarbeiter besondere sprachliche Kompetenzen und Sensibilitäten ein, die die sprachlichen Möglichkeiten der Beratung erweitern und erleichtern. Diese Form der kommunikativen Aus-einander-setzung bei bewusster Wahrnehmung der in der interkulturellen Situation gegebenen kulturellen Verschiedenheit und der unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionierungen der Beteiligten öffnet den Verstehensprozess für die eigentliche psychologische Dimension des Verstehens und Beratungshandelns auf die vorhandenen konkreten Leidens- und Konfliktmuster der Ratsuchenden hin (M. R. Moro, 1999, S. 168) Interkulturelle Kompetenz in der Beratung gliedert sich in Wissens-, Erfahrungs- und Fertigkeitskompetenzen. Das multinationale und multireligiöse Team aktualisiert diese Kompetenzen und entwickelt sie als Gruppe und im Einzelnen weiter. Zur theologisch-kirchlichen und ethischen Dimension interkultureller psychologischer Beratungsarbeit und multinationaler und multireligiöser Teams Psychologische Beratung gilt als eine Form heilender Seelsorge und stellt darin ein spezifisches pastorales Angebot der Diözese Rottenburg-Stuttgart dar. Sie wird als eine zeitgemäße Weise kirchlichen Handelns definiert, die durch die Anwendung psychotherapeutischen Erfahrungen und Methoden eine eigenständige Gestalt hat; „ein Dienst der Kirche, der allen Menschen offensteht, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Nationalität, Religionszugehörigkeit und Weltanschauung.“ „Sie versteht ihre Tätigkeit als ein Mitwirken am Aufbau des Reiches Gottes und nimmt am Heilungsauftrag der Kirche teil“.(Profil der psychologischen Beratungsarbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart, 1998). In diese Aussagen geht eine alte biblische Sichtweise über die Beziehung von Einheimischen zu Fremden ein:
4 „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev. 19,33f) Diese Weise der Zuwendung erhebt das Neue Testament zum grenzüberschreitenden Gebot für eine neue Form und Qualität von Gemeinschaft. In ihr „gibt es nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau“.(Gal 3,28) Diese Offenheit ist in der theologischen Heilsperspektive grundsätzlich auf Nichtchristen angelegt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies in „Lumen Gentium“ und in „Nostra Aetate“ eindeutig und in besonderer Weise auch auf die Muslime hin formuliert. Der Heilswille Gottes umfaßt auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tage richten wird“ (Lumen Gentium,Nr. 16). „Da es im Laufe der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güte und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“ (Nostra Aetate,Nr. 3). Auch für die ökumenische innerchristliche Bewegung sind die Themenstellungen, wie sie interkulturellen Ehe-, Familien- und Lebensberatung gegeben sind, von besonderer Bedeutung. Die gemeinsamen Anstrengungen dazu sind für die ökumenische Zukunft von besonderer Relevanz für die Kirchen, weil sie ihre Glaubwürdigkeit füreinander und in der Welt betreffen. „Im Zusammenhang des Themas ´Gemeinsames Zeugnis´ treten ethische Fragen – Fragen um Ehe und Familie, Abtreibung, homosexuelle Praxis, Euthanasie, Gerechtigkeit und Frieden, Kampf gegen Rassismus und Gewalt – in den Vordergrund“ (Kardinal Kasper, Situation und Zukunft der Ökumene, ThQ, 2001,3, S. 187) Interkulturelles Handeln ist so von einem eigenen theologisch-kirchlichen Standpunkt getragen. In diesem Standpunkt sind gleichzeitig die grundsätzlichen Offenheit auf andere hin wie auch gemeinsame Aufgabenfelder mit anderen formuliert. Interkulturelles Handeln verliert sich in dieser Begründung nicht im Synkretismus von Überzeugungen. Interkulturelles Arbeiten und insbesondere die Arbeit in einem multinationalen, multikonfessionellen und multireligiösem Team sind somit auch Praxis und Handlungsebene des ökumenischen und interreligiösen Dialogs. Diese Arbeit findet unter den globalen gesellschaftlichen Bedingungen der Globalisierung statt. Sie bedarf deshalb einer ethischen Haltung, die über die Loyalität zu einem partikularen Standpunkt – wie z.B. der arbeitsrechtlichen Loyalität zu einem kirchlichen Träger und seinem Leitbild - hinausgeht, die um die Verschiedenheit der Standpunkte der am Dialog Beteiligten und ihrer Verankerungen weiß. Die Frage nach einem gemeinsamen ethischen Code um der universalen menschlichen Werte willen hat auch Papst Johannes Paul II. aufgegriffen. „Da sich die Menschheit auf den Weg der Globalisierung gemacht hat, kann sie nicht länger ohne einen gemeinsamen ethischen Code auskommen. Damit ist nicht ein einziges dominantes sozio-ökonomisches System oder eine Kultur gemeint, die ihre Werte und Kriterien dem ethischen Diskurs aufdrängt. Im Menschen als solchen, in der universalen Menschheit, wie sie aus der Hand des Schöpfers hervorging,
5 müssen die Normen des sozialen Lebens gesucht werden. Solch eine Suche ist unumgänglich, wenn Globalisierung nicht nur ein anderer Name für die Relativierung von Werten und die Homogenisierung von Lebensstil und Kulturen sein soll. In all der Vielfalt kultureller Formen existieren universale menschliche Werte, und diese Werte müssen ans Licht gebracht und als leitende Kraft für jegliche Entwicklung und allen Fortschritt betont werden“.(Ansprache an die „Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften, 27. April 2001, zit. nach K-J, Kuschel, ThQ, 2001, S. 273) Die interkulturelle psychologische Beratungsarbeit und insbesondere die Arbeit in multinationalen und multireligiösen Teams sehen sich kirchlich-theologischen Standpunkten verpflichtet, sie reduzieren sich aber nicht darin. Diese Arbeit lebt von der grundsätzlichen Offenheit auf andere Standpunkte hin, sei es innerhalb der Ökumene, sei es innerhalb des interkulturellen Dialogs, sei es angesichts der gesellschaftlichen Bedingungen der Globalisierung. Um diese Offenheit in der Praxis zu gewährleisten, ist sie auf die Orientierung an einen gemeinsamen ethischen Code angewiesen. Nur dadurch können Vereinnahmungen, Nivellierungen, Verleugnungen von Überzeugungen und Standpunkte vermieden werden. Diese Arbeit steht somit unter einem besonderen theologisch-kirchlichen wie auch einen darüber hinausgehenden ethischen Anspruch. Zur kirchlichen Trägerschaft von interkultureller psychologischer Beratungsarbeit und multinationalen und multireligiösen Teams – eine besondere politische Verantwortung Es ist nicht nur eine Erfahrung an der Psychologischen Beratungsstelle in Reutlingen, dass mit der Option der interkulturellen Orientierung von psychologischer Beratungsarbeit auch die Teamentwicklung in Richtung multinationaler und multireligiöser Teamarbeit gegeben ist, dies entspricht auch den fachlichen Erfahrungen internationaler Beratungszentren im In- und Ausland. Es ist Ausdruck einer besonderen Professionalität in der interkulturell angelegten psychologischen Beratungsarbeit. Die psychologische Beratungsstelle in Reutlingen kann in ihrer Teamentwicklung auf eine über zwanzigjährige interkulturelle Tradition zurückblicken. Diese Tradition hat sich für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und ihre fachliche Arbeit sehr bewährt, dies hat sich über die vergangenen Jahre hinweg auch im Echo unserer in- und ausländischen Ratsuchenden niedergeschlagen. Dass dieses Fazit nicht auf den Binnenraum unserer Stelle beschränkt ist, zeigen die zunehmenden Anfragen zu unseren interkulturellen psychologischen Beratungs- und Teamerfahrungen aus dem kirchlichen und nichtkirchlichen Beratungsbereich. Reduzierungen der Heterogenität (z. B. der religiösen) in der Teamzusammensetzung, wie sie durch Personalveränderungen eintreten können, werden inzwischen an unserer Stelle sofort als Defizit und fachliche Einschränkung in der Beratungsarbeit spürbar. Eine interkulturelle Orientierung bei gleichzeitiger Ausgrenzung der religiösen Dimension und Vermeiden religiöser Heterogenität in Konzeption und in der Teamstruktur wären ein Widerspruch. Der kirchlichen Trägerschaft kommt in Deutschland eine besondere politische Bedeutung zu. Die Kirchen haben sich in den letzten Jahrzehnten in besonderer Weise für ein besseres Zusammenleben der hiesigen Bevölkerung mit den zugewanderten Migranten, Flüchtlingen, Vertriebenen und Asylsuchenden eingesetzt und Integrationsentwürfe befürwortet, die gleichzeitig die ethnische und religiöse Verschiedenheit achtet. Die katholische Kirche ist im Bereich der psychologischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung zusammen mit den evangelischen Kirchen zum wichtigsten
6 gesellschaftlichen Anbieter geworden. Sie haben sich mit der grundsätzlichen Offenheit ihrer Dienste auf alle Menschen in unserer Gesellschaft hin einen großen Anspruch auferlegt. Sie tragen deshalb für die Weiterentwicklung dieses Beratungsdienstes in Richtung einer interkulturellen Orientierung und entsprechender Teamentwicklung eine besondere fachliche und politische Verantwortung (N. Kunze, 2002, S. 57). Angesichts einer gesellschaftlichen Situation in Deutschland wie auch im Ausland, in der über religiöse Zuschreibungen soziale und politische Stigmatisierungen erzeugt werden, ist es umso wichtiger, Wege des Zusammenlebens und des Zusammenarbeitens zwischen In- und Ausländern, Christen und Angehörigen anderer religiöser Überzeugungen zu fördern, die dem gesellschaftlichen Gemeinwohl dienen. Das Nichthandeln der kirchlichen Träger in diesem Bereich würde die offenen und latenten Ausgrenzungserscheinungen und Stigmatisierungen eher fördern und zementieren. Die psychologische Beratungsarbeit ist auf einen besonderen „Schutzraum“ angewiesen. Dieser Schutzraum ist für die interkulturelle Arbeit mit den dabei auftretenden Konfliktstellungen für alle Beteiligten noch notwendiger. Interkulturelle Arbeit gedeiht zusätzlich in einem eigenen „Gastraum“, in der der Fremde sich öffnen kann, ohne sein Anderssein aufgeben zu müssen. Für die Freiheit der interkulturellen Beratungsarbeit, des dafür notwendigen Schutz- und Gastraums bedarf es einer starken und entschiedenen politischen Trägerverantwortung. Literatur: Fachstelle für psychologische Beratung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart Profil der psychologischen Beratungsarbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart, 1998 Walter Kasper Situation und Zukunft der Ökumene, in: ThQ 2001,3, S. 175-190 Norbert Kunze Interkulturelle psychologische Beratung, in: Wege Menschen, 4, 1998, S. 195-205 Zur Bedeutung des Teams und der Teamkultur für die psychologische Beratungsarbeit, in: Blickpunkt – EFL-Beratung, Oktober, 2002, S. 52-57 Karl-Josef Kuschel Perspektiven des christlich-muslimischen Dialogs heute, in: ThQ 2001, 4, S. 266-274 Marie Rose Moro Aufwachsen im Exil: Ethnopsychoanalyse mit Eltern und Kindern, in: Fernanda Pedrina, Vera Saller et. al., Kultur, Migration, Psychoanalyse. Therapeutische Konsequenzen theoretischer Konzepte, 1999, S. 149-188
7 Gari Pavkovic Interkulturelle Teamarbeit, in: Thomas Hegemann, Ramazan Salman, Transkulturelle Psychiatrie, 2001, S. 206-220 Maria Selvini, M. Selvini Palazzoli Team-Konsultationen: ein unentbehrliches Instrument für den Wissensfortschritt, in: A. Retzer, Systemische Praxis und Postmoderne, 1992, S. 164ff Norbert Kunze
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