Das Pazifikbüro des DHI Washington - an der UC Berkeley - German Historical Institute

 
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Das Pazifikbüro des DHI Washington - an der UC Berkeley - German Historical Institute
Das Pazifikbüro
des DHI Washington
an der UC Berkeley
Das Pazifikbüro des DHI Washington - an der UC Berkeley - German Historical Institute
Inhalt
Vorwort  3                               Globale und Transregionale Geschichte  32
 Prof. Dr. Jeroen Dewulf  3               Dr. Albert Manke  33
                                           Prof. Dr. Lok Siu  36
Grußwort  5
 Prof. Dr. Paul Alivisatos  5
                                          Fördern                                         40
Einführung  6                            Förderformate und -programme  41
 Prof. Dr. Simone Lässig  6
                                           Tandem-Fellows  42
Das GHI PRO Team  9                       Practitioners in Residence & Senior Fellows   45
Förderer & Strategische Partner     10
                                          Vernetzen                                       48
Programmpartner   11
                                          Kooperationen und Netzwerke  49
Forschen                            12     Bucerius Lectures  50
                                            Gerda Henkel Lecture Tours              51
                                                                                     
Forschungskonzept und -struktur  13        Deutsche und Europäische Geschichte  54
Deutsche/Europäische und Jüdische           Netzwerk Migrant Knowledge  55
Geschichte  16                             Vernetzung mit dem Asien-Pazifik-Raum  58
 Dr. Sheer Ganor  17                      Öffentliche und wissenschaftspolitische
 Dr. Rebekka Grossmann  19                 Aktivitäten  60
 Dr. Nick Underwood  21
 Dr. Florian Wagner  22                  Berichtsdokumentation                            62

Amerikanische und Transatlantische        Impressum                                      74
Geschichte  24
 Dr. des. Sarah Earnshaw  25
 Dr. Swen Steinberg  27
 Dr. Andrea Westermann  30
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Vorwort
                                       Prof. Dr. Jeroen Dewulf
                                               Leiter des Institute of
                                                   European Studies

Seit drei Jahren besteht eine produktive      ley sollte zwar das Zentrum sein, aber es
Partnerschaft zwischen dem Deutschen          gab den deutschen Stipendiat*innen un-
Historischen Institut und dem Institute of    komplizierte Möglichkeiten, sich mit den
European Studies (IES) der University of      anderen UCs, aber auch den anderen
California, Berkeley. Es ist wichtig darauf   Universitäten an der Westküste zu ver-
hinzuweisen, dass die Kooperation mit         netzen. Das wurde vom ersten Direktor,
dem DHI eine lange Vorgeschichte hat,         Gerald D. Feldman, stark vorangetrieben,
                                                                                           3
die bis zur Gründung des Centers for Ger-     der auch enge Kontakte zum Deutschen
man and European Studies (CGES), dem          Historischen Institut in Washington D.C.
Vorgänger des IES, zurückgeht. Berkeley       pflegte und mit dem er schon damals
war damals eine von drei Universitäten –      über eine mögliche Präsenz des DHI
die einzige öffentliche Universität und die   an der Westküste nachdachte. Als nach
einzige an der Westküste –, die neben         10 Jahren die finanzielle Unterstützung
Harvard und Georgetown University 1990        aus Deutschland für das CGES auslief,
von der Kohl-Regierung ausgewählt wur-        wurde es schwieriger, die zentrale Rolle,
de, um dort ein Exzellenz-Zentrum für         die das Center einst an der Westküste
Deutschlandstudien im Kontext der ver-        gespielt hatte, zu behaupten. Mit dieser
änderten geopolitischen Situation aufzu-      Vorgeschichte im Blick ist gut nachvoll-
bauen. Das entscheidende Argument da-         ziehbar, weshalb ich sofort begeistert war
mals für Berkeley, und nicht etwa Stan-       über die Möglichkeit, fast drei Jahrzehn-
ford, war die Tatsache, dass Berkeley Teil    te später diese Kooperation mit dem DHI
der University of California ist, Teil also   umzusetzen.
des staatlichen Universitätsverbandes,        Wenn ich nun auf die ersten drei Jah-
der aus zehn Standorten besteht. Berke-       re unserer Zusammenarbeit mit dem
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Pazifikbüro des DHI zurückblicke, kann         Aber auch auf dem Campus in Berkeley          International and Area Studies“ (GIAS) er-
ich ohne Zögern sagen, dass das Pres-          selbst ist das Pazifikbüro in einer Weise     öffnet den Kolleginnen und Kollegen vom
tige und der Enthusiasmus der alten Zei-       vernetzt, die durchaus einzigartig unter      DHI die Möglichkeit, sie mit Forscher*in-
ten wieder da ist. Dank des DHI haben wir      den Deutschen Historischen Instituten         nen aus den Canadian Studies, South
die Möglichkeit, prominente Redner an          ist, und dies weltweit. Als unserer Partner   Asian Studies, Latin American Studies,
unser Institut zu holen. Ich denke hier z.B.   teilt das GHI PRO nicht nur unsere Bü-        Middle Eastern Studies, African Studies,
an David Miliband, den Präsidenten des         roräume im Herzen des Campus unter-           usw. zu vernetzen. Mit dem GIAS sind
                                               halb der Campanile, es nutzt auch unse-
                                                                                                                                            4
International Rescue Committees, oder                                                        bereits jetzt über 1000 „affiliated facul-
an Theo Sommer, den ehemaligen Zeit-           re intellektuellen Netzwerke, die wir mit     ty“ verbunden. Dazu kommen noch etwa
Chefredakteur. Neben solchen promi-            verschiedenen Fakultäten und anderen          5000 „affiliated doctoral students“. Durch
nenten Figuren des öffentlichen Lebens,        Instituten an der UC Berkeley pflegen.        das Pazifikbüro steht dieses Netzwerk
die wir sonst nicht leicht an unser Institut   Dem IES sind etwa 250 „affiliated facul-      nicht nur den Wissenschaftler*innen des
holen könnten, kommen Spitzenforscher,         ty,“ angeschlossen, also Professoren,         DHI offen, sondern generell allen Wissen-
die etwa im Rahmen der Gerda Henkel            die mit uns in vielerlei Form zusammen-       schaftlern aus Deutschland, die sich über
Lecture Tours nicht nur nach Berkeley,         arbeiten. Die verschiedensten Fakultäten      das GHI PRO anbinden.
sondern auch an anderen Westküsten-            sind dabei vertreten: Geschichte, Rechts-     Ich bin stolz darauf, wie viel das Pazifik-
universitäten kommen: Dazu gehören             wissenschaften, Wirtschaftswissenschaf-       büro des DHI in diesen ersten drei Jahren
u.a. Sven Reichardt (Konstanz), Martina        ten, Germanistik und auch alle anderen        geleistet hat und wieviel wir gemeinsam
Kessel (Bielefeld) und Sebastian Conrad        sprach- und kulturwissenschaftlichen Fa-      bewirkt haben. Mir war von Anfang an
(Berlin). Die Henkel Tours sind nur ein        kultäten aus dem europäischen Raum.           klar, dass dies eine langfristige Kooperati-
Beispiel, wie das Pazifikbüro in kurzer Zeit   Zudem gehört das IES zu einem Netz-           on sein würde. Jetzt, wo eine solide Basis
ein Netzwerk mit den verschiedenen aka-        werk verschiedener Area Studies, die sich     gelegt worden ist, hoffe ich sehr, dass das
demischen Einrichtungen an der West-           gerade unter meiner kommissarischen           DHI die nötige Unterstützung bekommt,
küste aufgebaut hat - von San Diego bis        Leitung neu als Forschungszentrum or-         um diese in den nächsten Jahren weiter
Seattle und weiter bis nach Kanada.            ganisieren. Das neue „Center for Global       auszubauen.
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Grußwort
                                          Prof. Dr. Paul Alivisatos
                                            Executive Vice President
                                             and Provost, University
                                               of California Berkeley

We‘re so honored and so pleased that              faces humanity globally, that will face us
you‘ve decided to have GHI West here              over many and even coming times. It has
at Berkeley. […] I do want to say that if         been a deep feature of all of our societies
there‘s some characteristics of Berkeley, I       for as long back as we have any history
don‘t mean to say that they‘re unique, but        to know of, and certainly here in the Bay
they are certainly very clear when you‘re         Area, it has been shaped by its migration
here for a little while, you‘ll certainly expe-   patterns. It‘s led to some remarkably posi-
                                                                                                 5
rience them. […] [One] thing that I think         tive things as well as to some things that
you really will encounter as a true hall-         we still struggle on. So certainly, the en-
mark of the Berkeley spirit is a desire for       gagement around that topic of migration
that relentless questioning to push society       and knowledge is one where it really feels
to be better. I think that must be your as-       like it will help us have a deeper knowled-
piration too through the study of history.        ge of ourselves, of our societies, of where
We all know that engagement with history          we may go, and it‘s a topic where there‘s
and coming to understand what has hap-            much that remains to be discovered. So
pened in the past is one of the best ways         it‘s just wonderful that you‘ve chosen that.
that we can come to understand what‘s
happening to us in the present and to be          Aus dem Grußwort von Paul Alivisatos,
able to think through the situations that we      gehalten am 1. November 2017 im Rah-
face at any given moment. I really have to        men der Eröffnung des Pazifikbüros.
congratulate you very much for deciding
on the topics of knowledge and migration
and how they intertwine with each other.
It is one of the deepest questions that
Das Pazifikbüro des DHI Washington - an der UC Berkeley - German Historical Institute
Einführung
                                       Prof. Dr. Simone Lässig
                                               Direktorin Deutsches
                                                Historisches Institut
                                                   Washington und
                                                       PRO Berkeley

Die nordamerikanische Westküste ist seit      Dieser Bericht informiert Sie über unsere
vielen Jahrzehnten ein internationales For-   Forschungen an der Westküste wie auch
schungszentrum ersten Ranges. Deshalb         über die am PRO Berkeley entwickelten
haben deutsche wie nordamerikanische          Programme zur Förderung und Vernet-
Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen      zung deutscher und amerikanischer Wis-
– unter ihnen Erich Angermann, Gerald D.      senschaftler*innen. Das Profil, das das
Feldman und Guido Lammers – bereits in        Pazifikbüro in seiner Aufbauphase ge-
                                                                                            6
den 1980er Jahren auf die Bedeutung die-      wonnen hat, entspricht dem, was wir dem
ser Region aufmerksam gemacht. Viele          MWS-Stiftungsrat 2016 in unserem Kon-
Jahre später empfahl dann auch der Wis-       zept versprochen hatten. Und doch ist es
senschaftsrat, „der Diversität und Größe      weit mehr als nur das Ergebnis strategi-
des amerikanischen Kulturraums und der        scher Planungen. Es ist auch „von unten“
breiten Auffächerung der amerikanischen       gewachsen und in allen seinen Entwick-
historischen Forschung“ durch eine ins-       lungsphasen von unseren Partnern, Nut-
titutionelle Präsenz an der nordamerika-      zern und Förderern dies- und jenseits des
nischen Westküste Rechnung zu tragen.         Atlantiks mit geformt worden. Ihnen danke
Im Mai 2016 haben das DHI Washington          ich ebenso herzlich wie den Mitarbeiter*in-
und die Gremien der Max Weber Stiftung        nen, die vor Ort in Kalifornien, aber auch
(MWS) damit begonnen, diese Empfeh-           in Washington mit bewundernswertem
lung praktisch umzusetzen und im No-          Engagement und spürbarer Freude daran
vember 2017 konnten wir schließlich ein       arbeiten, das „Projekt Westküste“ erfolg-
Pacific Regional Office an der University     reich umzusetzen und so auch die MWS
of California, Berkeley (GHI PRO) als Au-     um ein Modell zu bereichern, das all ihren
ßenstelle des DHI Washington eröffnen.        Instituten und den Fachgemeinschaften,
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denen sie sich verpflichtet fühlen, zugute    und Vernetzen — das gehört für uns an        führen, und hierfür haben die Gremien
kommt: Die Verankerung deutscher geis-        der Ostküste wie an der Westküste eng        der MWS und das DHI Washington mit
teswissenschaftlicher Forschung an einer      zusammen und befruchtet sich immer           seinem PRO Berkeley auch strategisch
internationalen Spitzenuniversität und        wieder gegenseitig.                          geplant. Um eine fundierte Entschei-
– über das zehn Standorte umfassende          Es war nicht zuletzt dieses duale Profil,    dung über seine Zukunft zu treffen, wird
System der University of California – die     das Drittmittelgeber wie die Volkswagen-     das Pazifikbüro ebenso wie die beiden
Einbindung in Forschungsinfrastrukturen,      Stiftung, die ZEIT-Stiftung Ebelin und       anderen neuen MWS-Standorte in Chi-
die ein einzelnes Institut so nirgends bie-   Gerd Bucerius und die Gerda Henkel           na und Indien von einer externen Gut-
                                                                                                                                       7
ten kann.                                     Stiftung motiviert hat, den neuen MWS-       achtergruppe evaluiert. Sie hat sich im
Durch die Verankerung auf dem Cam-            Standort und seine innovativen Formate       Januar 2020 eingehend mit dem Bericht
pus der UC Berkeley und die Nähe zu           trans- und internationaler Karriereförde-    aus Berkeley befasst, die für den März
unserem wichtigsten Kooperationspart-         rung in erheblichem Umfang zu unterstüt-     2020 geplante Begehung vor Ort aber
ner, dem Institut of European Studies         zen. Für diese Unterstützung sind wir sehr   auf unbestimmte Zeit verschieben müs-
(IES), ist viel Vertrauen gewachsen. So       dankbar, denn ohne Drittmittel wären wir     sen. Auch dies ist eine Folge der Corona-
konnte das PRO Berkeley in recht kurzer       nicht in der Lage gewesen, unser Konzept     Pandemie, die uns als Historiker*innen in
Zeit zu einem leistungs- und zukunfts-        umzusetzen und von Berkeley aus ein in-      Erinnerung ruft, was in früheren Epochen
fähigen Ankerpunkt für verschiedenste         ternationales und transdisziplinäres For-    fast alle Menschen erfahren mussten,
wissenschaftliche Aktivitäten im west-        schungsnetzwerk zu Migrant Knowledge         heute lebenden Generationen (zumin-
lichen Teil Amerikas und im pazifischen       zu formen, das die breite wissenschaft-      dest in der westlichen Hemisphäre unse-
Raum werden und als neuer Ort der             liche Expertise und die Alltagserfahrung     rer Welt) aber selten so deutlich vor Au-
Forschung ebenso Profil gewinnen wie          im US-amerikanischen Westen fruchtbar        gen stand wie in diesem Frühjahr — das
als Akteur, der im internationalen For-       macht für die Entwicklung neuer Koope-       Leben ist kontingent und nicht immer so
schungsraum Wissenschaftler*innen aller       rationen und Forschungsfragen.               planbar, wie wir es uns wünschen.
Karrierestufen unterstützt und Wissen-        Nun aber ist es an der Zeit, das „Projekt    Die Zukunft behalten wir umso mehr im
schaftsservice leistet. Forschen, Fördern     Westküste“ in stabile Strukturen zu über-    Blick und wir hoffen, dass die Bilanz der
Das Pazifikbüro des DHI Washington - an der UC Berkeley - German Historical Institute
Aufbauphase Ihnen zeigt, welch beson-
deren Potenziale das neue PRO Berkeley
hat und welche Chancen es für die Max
Weber Stiftung, für die deutschen Geis-
tes- und Sozialwissenschaften und für
den internationalen wissenschaftlichen
Austausch bietet — auch, aber keines-                                                                                         8
wegs allein durch neue oder erweiterte
Zugänge zur Forschung in Lateinamerika
und im pazifischen Raum. Diese Poten-
ziale und Chancen zur Entfaltung zu brin-
gen, dafür arbeiten wir gemeinsam mit
unseren Partnern und allen Wissenschaft-
ler*innen, die die Angebote des GHI PRO
nutzen und ihm damit immer wieder neue
Impulse geben.

                                            Dr. Harald Rosenbach, Geschäftsführer der Max Weber Stiftung, Prof. Dr. Harriet
                                            Rudolph, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des DHI Washington, Prof. Dr.
                                            Hans van Ess, Präsident der Max Weber Stiftung und Prof. Dr. Simone Lässig
                                            (v.l.) auf der Eröffnungveranstaltung des PRO Berkeley am 1. November 2017 in
                                            der Magnes Collection of Jewish Art and Life at UC Berkeley.
Das Pazifikbüro des DHI Washington - an der UC Berkeley - German Historical Institute
Das GHI PRO Team

Heike Friedman          Dr. Albert Manke                     Dr. Andrea Westermann
Programmkoordinatorin   Wissenschaftlicher Mitarbeiter im    Wissenschaftliche Mitarbeiterin
                        MWS-Projekt „Wissen entgrenzen“      und Büroleitung                   9

                                                Moses Hall
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Förderer & Strategische Partner
Bundesministerium für Bildung und         New School for Social Research,
Forschung                                 Zolberg Institute on Migration and
Verbundprojekt der Max Weber Stiftung,    Mobility & Arnhold Foundation
„Interaktionen und Wissensströme: Ver-    Tandem Fellowship Programm “Forced
flechtungs- und Entflechtungsprozesse     Migration”, Vortragsreihe „New Narratives:
im pazifischen Raum“, mit dem Deut-       Immigration and the Peopling of America”
schen Historischen Institut Moskau, dem   (2019 – 2021)
Deutschen Institut für Japanstudien To-
kyo mit Forschungsgruppe Singapur und     VolkswagenStiftung
dem China Branch Office Peking der Max
                                          Tandem Fellowships (2017 – 2022)
Weber Stiftung (2019-2022)

                                          ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius       10
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Konferenzförderung „In Glo-               Jährliche Bucerius-Lecture und Young
bal Transit“ (2019)                       Scholar Forum (2017 – 2022);
                                          Symposium „Entangeling the Pacific and
Fritz Thyssen Stiftung                    Atlantic Worlds: Past and Present“ (2019)

Forschungsreisestipendien für
Doktorand*innen (2019 – 2021)

Gerda Henkel Stiftung
Lecture Tours (2018 – 2020)

Institute of European Studies at the
University of California, Berkeley
Programmpartner
Bayerische Amerika-Akademie (BAA)          India Branch Office der Max Weber Stif-    Universität Bielefeld, Maria Sibylla
                                           tung                                       Merian Center for Advanced Latin Ame-
University of California, Berkeley                                                    rican Studies in the Humanities and So-
                                           DFG-Internationales Graduiertenkolleg      cial Sciences (CALAS)
                                           (IGK), „Temporalities of Future“
Deutsches Generalkonsulat,
San Francisco                                                                         University of British Columbia, Vancouver
                                           Ludwig-Maximilians-Universität             University of California, Davis
Deutsches Historisches Institut London     München, Institut für Russland-Asien-
                                           Studien                                    University of California, Los Angeles
                                                                                      (UCLA)
East West Center, Honolulu, Hawaii
                                           Magnes Collection of Jewish Art and
                                           Life, University of California, Berkeley   University of California, San Diego
                                                                                                                                  11
Forum Transregionale Studien, Berlin

                                           National University of       Singapore,    University of California, Santa Barbara
Freie Universität Berlin, Lateinamerika-   Department of Geography
Institut
                                                                                      University of Colorado, Boulder
                                           Stanford University
German Studies Association (GSA)
                                                                                      University of Oregon, Eugene
                                           Thomas Mann House, Los Angeles
Goethe Institut, San Francisco
                                                                                      University of Southern California (USC),
                                           Universität Bielefeld, SFB 1288            Max Kade Institute for Austrian-German-
Hokkaido University, Sapporo, Japan,       („Praktiken des Vergleichens“)             Swiss Studies
Slavic Eurasian Research Center

Humboldt Universität zu Berlin,                                                       Wende Museum, Los Angeles
Institute of Education Studies
Forschen

 Der Sather Tower (auch Campanile), Bancroft und Doe Memorial Libraries (v.l.)
Forschungskonzept und -struktur

Dem DHI Washington war und ist es wich-        kalifornischen Quellenbestände zur Hand-     Wissensgeschichte der Migration mit
tig, sein Pazifikbüro trotz minimaler Perso-   lungsmacht von Migranten und ihrer Rol-      einem besonderen Interesse an dias-
nalausstattung forschungsgetrieben auf-        le als Produzent*innenen migrantischen       pora- und umwelthistorischen Themen
zubauen und dabei thematische und me-          Wissens sind für den akteurszentrierten      darstellt, aber auch für die räumlichen Di-
thodische Offenheit einerseits und Profil-     Ansatz des PRO von besonderem Wert.          mensionen der Forschungen. So haben
bildung andererseits in einer angemes-         Über verschiedenste wissenschaftliche        die Projekte des aktuellen Forschungs-
senen Balance zu halten. Dafür orientiert      Formate – so etwa Workshops, Konferen-       tandems ihren Ausgangspunkt in der Ge-
sich das GHI PRO an der Forschungsma-          zen und Tagungssektionen, Nachwuchs-         schichte des deutschsprachigen Juden-
trix des Gesamtinstituts. Über historisch      seminare, Akademien und programma-           tums, doch zeigen sie, dass deutsche
gewachsene Arbeitsbereiche ist es mög-         tische Publikationen, Tandemstipendien       Geschichte zunehmend globalhistorisch
lich, themenoffen zu forschen und ggf.         und Gastwissenschaftlerprogramme, Dritt-     ausgerichtet ist, und zweitens, dass die
kurzfristig neue wissenschaftliche Impulse     mittelprojekte und eigene wie assoziierte    deutsch-jüdische Geschichte (auch) als        13
aufzunehmen. Mittelfristig angelegte For-      Forschung – hat sich das neue Pazifik-       analytische Linse für übergreifende Fra-
schungsschwerpunkte, die quer zu die-          büro inzwischen als Akteur etabliert, der    gen genutzt wird. Damit tangieren sie wie-
sen Bereichen liegen, bieten dem Institut      Forscher*innen aus unterschiedlichen         derum Forschungsinteressen, die wir in
und seinem Pazifikbüro indes die Chan-         Weltregionen miteinander ins Gespräch        der Konferenzserie „In Global Transit“
ce, ein spezifisches Profil zu bilden und      bringt und sie in das multidisziplinäre      in einen Dialog gebracht haben: Zum
sichtbare wissenschaftliche Akzente zu         Netzwerk Migrant Knowledge einbin-           einen das Interesse an temporalen, ma-
setzen.                                        det, das über den gleichnamigen Blog         teriellen und lebensweltlichen Dimensio-
Ausgehend von der Spezifik der ameri-          stetig an Sichtbarkeit gewinnt.              nen von Migration, Diaspora und Wissen.
kanischen Westküste, die historisch wie        Der folgende Bericht über die Forschungs-    Und zum zweiten die Erweiterung des
aktuell in hohem Maße durch Migrations-        projekte des PRO Berkeley orientiert sich    Blicks auf Länder des globalen Südens,
bewegungen und Wissenstransfers ge-            in seiner Struktur an den drei längerfris-   die es nahe legt, die Geschichte jüdi-
prägt ist, hat sich das GHI PRO zunächst       tigen Arbeitsbereichen des Instituts, doch   scher Emigration mit Forschungen
darauf konzentriert, mit „Wissensge-           scheinen in ihm vielfältige und frucht-      zur Empire-Geschichte und postkolo-
schichte der Migration“ ein neues,             bare Verschränkungen auf. Das gilt für       nialen Fragestellungen zusammenzu-
überaus dynamisches Forschungs-                konzeptionelle Ansätze und analytische       führen.
feld zu entwickeln. Die herausragenden         Schwerpunkte, wie sie in Berkeley die
Auch in der transatlantischen und ameri-
kanischen Geschichte zeigen sich Über-
schneidungen zu anderen Arbeitsschwer-                                                  Deutsche/
punkten des Instituts – von der deutschen                                              Europäische
                                                 Migraon
                                                                                       und Jüdische
Geschichte, die der am PRO Berkeley                                                     Geschichte

                                                                                                         Strukturgebende Arbeitsbereiche
assoziierte, in Kanada forschende Histo-
riker Swen Steinberg transatlantisch er-
weitert, bis hin zur pazifischen und trans-
regionalen Geschichte, die für Andrea                           Profilgebende
Westermann eine wichtige Rolle spielt.                                               Amerikanische und
Gemeinsam ist den disziplinär sehr unter-        Wissen                               Trans|atlansche
                                                                                         Geschichte
schiedlich angelegten Projekten dieses
Bereichs das Anliegen, die Potenziale                       Forschungsschwerpunkte
einer wissenshistorisch informierten Mig-
rationsgeschichte mit umwelthistorischen
Fragestellungen auszuloten. Andrea Wes-                                                                                                    14
termann untersucht Umwelt als Pull-Fak-                                                Globale und
                                                 Digital                              Transregionale
tor für Migration, während Sarah Earns-                                                 Geschichte
haw, die als Tandem-Stipendiatin in dem
Kooperationsprogramm forscht, das
das GHI PRO mit dem Zolberg-Insti-
tut for Migration and Mobility der New        Forschungsmatrix des DHI Washington
School für Social Research etabliert
hat, am Beispiel der Karibik Umwelt und
Naturkatastrophen als Push-Faktor für
Migration analysiert.
Hier wie da wird deutlich, dass das PRO
amerikanische Geschichte in ihren viel-
fältigen Verflechtungen erforscht und
dabei sowohl dem lateinamerikani-
schen als auch dem pazifischen Raum
mehr Bedeutung beimisst, als das allein
von Washington aus der Fall sein konnte.
Albert Manke, der als erster Tandem-Fel-     seines Buchprojekts „Yiddish Culture, Je-    America Studies an amerikanischen Uni-
low ans PRO kam, heute im BMBF-geför-        wish Migration, and the Making of Post-      versitäten, aber auch die vertraglich ver-
derten MWS-Projekt „Wissen entgrenzen“       Vichy France, 1944-1958“: Das Ausmaß         einbarte Zusammenarbeit mit dem CALAS
forscht und dabei den Bereich Globale und    des französischen und europäischen Re-       in Guadalajara und dem ebenfalls in Mexi-
Transregionale Geschichte stärkt, ordnet     vivals jüdischer und jiddischer Kultur war   ko tätigen Internationalen DFG-Graduier-
sich genau hier ein: Als Lateinamerikahis-   größer als bisher angenommen und muss        tenkolleg „Temporalities of Future“.
toriker untersucht er mit einem wissens-     durch eine rechtsgeschichtliche Dimen-       Das GHI Washington hat sich über drei
historischen Ansatz interamerikanische       sion ergänzt werden.                         Jahrzehnte hinweg einen exzellenten Ruf
und transpazifische Migrations- und          Eine neue Dimension historischer Analy-      in der transatlantischen Geschichte erar-
Transferprozesse. Dabei bewegt er sich       se hat für das DHI Washington auch das       beitet. Über sein Pazifikbüro und daraus
– wie Sheer Ganor und Rebekka Gross-         erste Tandem (Albert Manke und Lok Siu)      erwachsende Kooperationen – auch
man – in der historischen Diasporafor-       eröffnet und diese bildet wiederum eine      solche mit anderen MWS-Instituten
schung und damit in einem Feld, das mit      wichtige Brücke zum zweiten Schwer-          – nimmt es nun auch Forschungsimpul-
seinem genuin globalhistorischen Kern        punkt des PRO Berkeley: Forschungen          se aus den noch relativ jungen (Trans-)
auch in Washington an Bedeutung ge-          zur interamerikanischen, lateinameri-        Pacific Studies auf. Unsere Planung ist
wonnen, für das in Berkeley entstandene      kanischen und pazifischen Geschichte.        darauf ausgerichtet, beide Forschungs-       15
Netzwerk Migrant Knowledge jedoch ein        Lok Siu (UC Berkeley) analysiert die         räume und beide Forschungsperspek-
besonderes Potenzial hat. Florian Wagner     Weltdeutungen und den Erfahrungsraum         tiven thematisch und methodisch auf-
(Universität Erfurt) und Nick Underwood,     (“Worlding“) japanischstämmiger Perua-       einander zu beziehen und über das
die in der zweiten Runde am Tandem           ner, die als Kinder während des Zweiten      Konzept Transoceanic Studies unter-
Programm teilnahmen, ordnen sich die-        Weltkriegs von der peruanischen Regie-       schiedliche Forschungsgemeinschaften
ser Perspektive einer Wissensgeschich-       rung an die USA ausgeliefert und im Crys-    so miteinander ins Gespräch zu bringen,
te der Migration von unten ebenfalls zu.     tal City Family Camp in Texas interniert     dass daraus neuartige wissenschaftliche
Wagner untersucht die Anverwandlungen        wurden.                                      Impulse, Fragehorizonte und methodi-
humanitärer Diskurse durch äthiopische       Auch in dieser Hinsicht nutzen wir den       sche Zugriffe erwachsen können.
politische Exilrebellen und Diasporajuden    genius loci und die herausragenden Res-
in den 1980er Jahren, um die Herausbil-      sourcen der Westküste, um für und mit
dung eines nicht europäisch-kolonial ge-     Historiker*innen aus Deutschland und den
prägten Rückführungsmanagements von          Amerikas neue Perspektiven, Forschungs-
Migrant*innen zu rekonstruieren. Sein        räume und Kooperationen erschließen
Partner Nick Underwood (College of Ida-      zu können. Relevant hierfür sind Kontak-
ho) reformulierte nach Einsicht aller in     te zu Vertreter*innen der Pacific Studies,
Berkeley zugänglichen Quellen die These      der China/Asian Studies oder der Latin
Deutsche/Europäische und Jüdische Geschichte
Dr. Sheer Ganor

                                                                                                           17
                  Kurzvita                                    Veröffentlichungen
                  Ab 2020                                     “Generation in-flux: Diasporic reflections
                  Assistant Professor für Geschichte an der   on the future of German-Jewishness,” in:
                  University of Minnesota, Twin Cities        Diana Franklin and Gideon Reuveni (eds.),
                                                              The Future of the German Jewish Past, Pur-
                                                              due University Press (forthcoming, 2020).
                  2019 - 2020
                  Tandem-Fellow am GHI PRO                    “To Farm a Future: The Displaced Youth of
                                                              Gross-Breesen”, German Historical Institu-
                  2013–2019                                   te Bulletin Supplement, Vol 15: “Histories
                                                              of Migrant Knowledge: Transatlantic and
                  Promotionsstudium am History Department
                                                              Global Perspectives” (2020), 19-40.
                  der University of California, Berkeley

                                                              “Forbidden Words, Banished Voices:
                                                              Jewish Refugees at the Service of BBC
                                                              Propaganda to Wartime Germany,” Journal
                                                              of Contemporary History, Vol. 55, No. 1
                                                              (2020); 97-119.
Undevised Heimats
Forced Migration from and into Germany in the Twentieth Century
As a Tandem Fellow in the History of Mi-      and until the end of the twentieth centu-    torical cases, each focusing on a specific
gration, Sheer Ganor has devoted her          ry, this study approaches displacement       population of forced migrants whose per-
fellowship year to two research projects:     as a dynamic field, illuminating the ways    ceived Otherness was particularly visible
Firstly, the further development of a book    in which diasporic communities evolve        to the majority society of the time: Eastern
manuscript that explores the global di-       across time. In its geographic reach, it     European Jews who escaped econom-
aspora of German-Jewish refugees from         explores the multifaceted responses of a     ic hardships and increasing antisemitic
Nazi Germany; secondly, the conceptual-       community bound by shared history to the     violence in the aftermath of WWI; forced
ization of a study of forced migration into   shock of near-total dispersion and to the    laborers who were removed from their
Germany throughout the twentieth cen-         cataclysmic rupture of the Holocaust.        homelands during WWII and coerced to
tury. While built around different chronol-                                                          contribute Nazi Germany’s econ-
ogies, geographic scopes and analytical                                                              omy of total war; refugees from
frameworks, both of these projects share                                                             war-ravaged Vietnam to West
their origin in Ganor’s scholarly engage-                                                            Germany in the late 1970s            18
ment with the history of displacement.                                                               and the early 1980s; and refu-
Titled In Scattered Formation: Displace-                                                             gees from the Yugoslav Wars
ment, Alignment and the German-Jewish                                                                during the 1990s, after Reunifica-
Diaspora, the first project analyzes the                                                             tion. Examining forced migration
process by which the displaced population                                                            in these historical junctures, the
of German-Jewish refugees reconstitut-                                                               project pursues an understand-
ed itself as a diaspora in the aftermath of                                                          ing of how Germany, as a host
escaping Nazi persecution. It captures the                                                           country, responded to incoming
contours of life in the aftermath of forced   Jewish refugee children on the SS President Har-       waves of forced migration, how
migration; the modalities of reorientation    ding looking out at the NYC skyline                    German society was shaped by
adopted by the displaced in their diasporic                                                          these arrivals, and how historical
communities; their efforts to preserve a      The second project undertaken during memory of prior displacements in German
cultural identity threatened by extinction;   the fellowship year analyzes the influx of history influenced these processes.
and the lived tensions that emerged as a      displaced people into Germany at pivotal
result of these developments. Encapsulat-     moments throughout the twentieth century.
ing five continents and spanning from 1933    It offers a comparative study of four his-
Dr. Rebekka
Grossmann

                                                                                                          19
              Kurzvita                                  Veröffentlichungen
              Seit 2019
                                                        “Image Transfer and Visual Friction. Staging
              Tandem-Fellow am GHI PRO                  Palestine in the National Socialist Spectacle”.
                                                        Leo Baeck Institute Yearbook 2019. 19-45.
              2014–2019
              Promotionsstudentin am History Depart-    “Negotiating Presences. Palestine and the
              ment der Hebrew University, Jerusalem     Weimar German Gaze“. Jewish Social Stu-
                                                        dies 23.2. (2018). 137-172.
              2015–2016
              George L. Mosse Program in History Fel-
              low, University of Wisconsin, Madison
Zugehörigkeit denken
Postkolonialer Widerstand und die deutsch-jüdische Erfahrung
                                                  Dieses Projekt folgt jüdischen Migrant*innen und politischen Aktivist*innen in kolonia-
                                                  le Kontexte und fragt nach dem Einfluss solcher Begegnungen auf deutsch-jüdische
                                                  Konzepte nationaler Zugehörigkeit zur Zeit des Kalten Krieges. Als solches stellt
                                                  diese Studie die neuere deutsch-jüdische Geschichte in den größeren Rahmen der
                                                  Geschichte des Kolonialismus und des Imperialismus und untersucht die globalen
                                                  Auswirkungen von Exil und Verfolgung auf das jüdische Denken und den politischen
                                                  Aktivismus. Sie ist die erste Studie ihrer Art, die einen Bogen spannt von Begegnun-
                                                  gen zwischen Juden und Jüdinnen in kolonialen Kontexten mit frühen antikolonialen
                                                  Bewegungen der 1920er Jahre bis hin zu einer Erforschung jüdischer Stimmen im
                                                  „Dritte Welt“-Diskurs der 1960er und 1970er Jahre. Für die Erforschung dieser Be-
                                                  gegnungen werden Erinnerungen von jüdischen Exilant*innen in globalen Transitsi-
                                                  tuationen mit den Arbeiten von Reisejournalist*innen und Fotograf*innen sowie den
                                                                        Kampagnen jüdischer Hilfsorganisationen in Zusammenhang
                                                                                                                                            20
                                                                        gebracht. Der Quellenkorpus stellt daher ein Prisma aus Text-
                                                                        und Bildquellen sowie Objekten dar. Bei der Erforschung dieser
Tim Gidal: Gandhi, All-India Congress, 1940
                                                                        Begegnungen geht es nicht nur um den reinen Austausch von
Dieses Porträt von Mahatma Gandhi entstand während eines In-            postimperialen Konzepten der Nationalität, sondern auch dar-
dien-Aufenthaltes des deutsch-jüdischen Fotografen Tim Gidal im
                                                                        um, wie die moderne jüdische Erfahrung von Staatenlosigkeit,
Jahre 1940. Es zeigt die politische Ikone Gandhi von einem niedri-
                                                                        Mobilität und Migration das westliche Nachkriegsdenken über
gen Winkel und erhöht ihn damit visuell. Der Fokus der Kamera liegt
                                                                        Staatlichkeit in Ländern des Globalen Südens beeinflusste. Das
auf Gandhis bestimmter Geste, die Entschlossenheit und Taten-
                                                                        Projekt befindet sich somit an der Schnittstelle der Geschich-
drang ausstrahlt. Der Rest des Raumes, insbesondere die Deko-
ration des Saales, sind unscharf und werden somit auch durch die        te des Wissenstransfers und -austausches und einer jüdischen
Kamera in den Hintergrund gedrängt. Gidals Reisebericht spricht         Kulturgeschichte der Politik.
von der Eindrücklichkeit der Begegnung mit der Leitfigur der indi-
schen Nationalbewegung. Gleichzeitig bemüht sich Gidal auch um
Begegnungen mit der indischen Bevölkerung. Seine Eindrücke und
der Kontext seiner staatenlosen Reisen durch Asien sind Teil der
Betrachtungen dieser Arbeit.
Kurzvita
                                                                                           Ab 2020
Dr. Nick                                                                                   Assistant Professor für Geschichte und
Underwood                                                                                  Berger/Neilsen Chair of Judaic Studies am
                                                                                           College of Idaho

                                                                                           2019 – 2020
                                                                                           Research Fellow am Frankel Institute for
                                                                                           Advanced Judaic Studies an der University
                                                                                           of Michigan

                                                                                           2018 – 2019
                                                                                           Tandem-Fellow am GHI PRO

                                                                                           2016
                                                                                           PhD in History an University of Colorado
                                                                                           Boulder                                       21
Veröffentlichungen
„Lending Identity: Circulating Literacy,      Yiddish Culture, Jewish Migration, and the
Current Events, Yiddish Culture, and Po-
litics in Interwar France,“ Contemporary
                                              Making of Post-Holocaust France, 1944–1962
French Civilization, scheduled for volume     This project is an exploration of how Yiddish-speaking French Jews brought their com-
45, no. 1, 2020, 71–88.                       mitment to cultural hybridity, which began during the interwar years, into the postwar
                                              years in France. The research contributes to our understanding of both the reconstruc-
„Vegetarianism as Jewish Culture and
                                              tion of daily life in France after Vichy and the Holocaust and gives us a better under-
Politics in Interwar Europe,“ in Jewish Ve-
                                              standing of how Jews in France attempted to recreate and amend their interwar Yiddish
ganism and Vegetarianism: Studies and
                                              cultural project to a postwar French (new) Republican context. This project focuses on
New Directions, eds., Jacob Ari Labendz
                                              the important period between Liberation and the end of the Algerian War in an attempt
and Shmuly Yanklowitz (Albany: State
                                              to illuminate the role that culture played in determining how Jews specifically attempt-
University of New York Press) 2019.
                                              ed to reintegrate themselves into a French society that had only years before stripped
„La France et l’Exposition internationale     them of their sense of belonging.
de 1937 au prisme de la presse yiddish,“
Archives Juives 51, no. 1, 2018, 75–92.
Dr. Florian
Wagner

                                                                                                           22
              Kurzvita                                     Veröffentlichungen
              2018–2019                                    Editor, with Cornel Zwierlein: Special Issue:
              Tandem-Fellow am GHI PRO                     „Close Distance. Social Segregation in
                                                           Trading Empires and Colonies,“ Journal of
              Seit 2017                                    Modern European History 18,2 (2020)
              Akademischer Rat auf Zeit am Lehrstuhl
              für Zeitgeschichte, Universität Erfurt       „Inventing Colonial Agronomy: Buitenzorg
                                                           and the Transition from the Western to
              2016                                         the Eastern Model of Colonial Agricultu-
              Koordinator der Forschungsstelle „Ham-       re, 1880s–1930s,“ in: Kirchberger/Bennett,
              burgs (post-)koloniales Erbe und die frühe   Environments of Empire: Networks and
              Globalisierung“                              Agents of Ecological Change, University of
                                                           North Carolina Press, 2020), p. 103-128.
Das Repatriierungsregime
Ökonomie, Völkerrecht und Handlungswissen
bei der organisierten Rückführung von Migrant*innen (1960-1990)
Anhand der Rückwanderung und Repa-           Repatriierungen trugen auch dazu bei, das
triierung von Arbeitsmigrant*innen, Asyl-    Wissensfeld des Repatriierungsregimes
suchenden und Geflüchteten untersucht        zu etablieren und zu erweitern. Während
Florian Wagner die Entstehung eines          Repatriierungen vom Globalen Norden in
“Repatriierungsregimes” zwischen den         den Globalen Süden oft den Charakter
1960er und 1990er Jahren. Die Idee der       von Abschiebungen hatten, werden im
Repatriierung fand in diesem Zeitraum        Rahmen des Forschungsprojekts auch
Eingang in die Prinzipien des Völkerrechts   Repatriierungsprozesse im Globalen Sü-
und in die Praxis des Migrationsmanage-      den untersucht, bei denen die Agency und
ments internationaler Organisationen und     die Erfahrung von Migrant*innen eine be-
Behörden einzelner Staaten. Repatriie-       deutende Rolle spielten.                  Mesa Grande refugee camp 1987   23
rungen wurden dabei als eine Art Natur-
gesetz dargestellt, das durch Behörden,
Staaten und internationale Organisatio-
nen durchgesetzt wurde. Diese brauchten
zur Durchführung von Repatriierungen
ein institutionelles Handlungswissen,
das aber auch über staatliche Strukturen
hinaus transnational erworben werden
musste. Nicht nur Internationale Orga-
nisationen und europäische Staaten er-
zeugten dieses Wissen, sondern auch Mi-
grant*innen selbst, in ihrer permanenten
Auseinandersetzung mit der Rückkehr-
frage. Schlüsselbegriffe der Migrations-
geschichte wie das Recht auf Rückkehr,
das Recht auf „Heimat“, sowie die globale
Debatte um freiwillige und erzwungene
Amerikanische und Transatlantische Geschichte

                                                24
Dr. des.
Sarah
Earnshaw

                                                                                                         25
           Kurzvita                                       Veröffentlichungen
           Seit Oktober 2019                              Entry „International Political Sociology“ in
           Postdoctoral Fellow GHI PRO/Zolberg Ins-       The Palgrave Encyclopaedia of Global Se-
           titute on Mobility and Migration, History of   curity Studies, ed. Thapa and Romaniuk
           (Forced) Migration and Environment             (Forthcoming in print, 2020) Available on-
                                                          line August 2019.
           2014–2019
           Promotionsstudentin am Amerika‑Institut        Essay Contribution „Humanitarian Strikes:
           (LMU München); Doktorarbeit zum Thema:         Interrogating the Biopolitics of US Drone
           »Freedom Will Be Defended«: The Human          Warfare“, in Work In Progress: Work On
           Rights Regime of Truth and Standards of        Progress, Doktorand_innen-Jahrbuch 2017
           Sovereignty in US Security Discourse           der Rosa Luxemburg Stiftung (Berlin: VSA
                                                          Verlag, 2018). Available online
Disaster Temporalities
Race, Return, and Resilience in Forced (Environmental) Migration from the
‘Greater Caribbean’ to the U.S.
This project considers the temporal in the       intertwined with cultural, social, racial,    climate vulnerable sites in the region, the
management of so-called climate migra-           political, and economic factors of (im)       (climate) migrant-sending states; as well
tion and in the weathering of natural di-        mobility? Earnshaw analyses sources of        as the agencies and practices of installing
sasters. Temporalities are prominent not         knowledge production in U.S. internation-     and policing U.S. borders. Temporalities
only in the futurity of climate threat, in       al relations and legal regimes and how        as a guiding research focus goes beyond
competing times of the anthropocene, but         this knowledge shapes the governing of        the sudden onset of catastrophe; the long
also in US immigration policy: the Tempo-        environmental migration, which include:       history of disasters in the Caribbean Ba-
rary Protected Status, introduced in 1990,       congressional debates in applying tem-        sin must be situated within a postcolonial,
is an anchor point of the project. Grant-        porary status, reports on affected nations,   environmental history of slow violence, of
ing temporary rights to live and work for        and political and media discourse follow-     extraction, exploitation, and accumulation.
those who cannot return (or be deported)         ing disaster; developmental projects in                                                     26
as a result of temporary extraordinary sit-
uations, the provision of conditional and
limited status due to an environmental
calamity is not unprecedented in U.S.            Colonialism, catastrophe,
immigration; the Azorean Refugee Act of          and a cry for Help: the dev-
                                                 astation of Hurricane Maria
1958 was passed in direct response to            in 2017, as captured here
a disaster, and 1965 amendments to the           (Puerto Rico) from the air,
Immigration and Naturalization act, within       was met with a slow and
                                                 severely lacking provision
a larger re-framing of the figure of the “ref-   of relief, following decades
ugee”, created a category of “conditional        of federal neglect of the un-
                                                 incorporated territory.
entries” including those uprooted by a cat-
astrophic natural calamity.
   When and why were “natural disas-
ters” introduced into U.S. immigration dis-
course; how has disaster displacement
been conceptualized within humanitari-
an and development strategies, thereby
Dr. Swen
Steinberg

                                                                                     Foto: Ethan Grandel
                                                                                                                                                          27
Kurzvita                                                                                                   Veröffentlichungen
seit 2019                                 2015–2016                                                        Anthony Grenville and Swen Steinberg,
Editor des Blogs / Netzwerks „Migrant     Forschungsstipendium (DFG und TU Dres-                           eds. „Refugees from Nazi-Occupied Euro-
Knowledge“                                den) für Archivrecherchen in den USA mit                         pe in British Overseas Territories.“ Special
                                          Anbindung an der UC Los Angeles                                  issue, Yearbook of the Research Centre
                                                                                                           for German and Austrian Exile Studies 20
seit 2018                                                                                                  (2020).
                                          2010–2018
Assoziierter Fellow am GHI PRO
                                          Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr-
                                          stuhl für Geschichte an der TU Dresden                           Simone Lässig und Swen Steinberg, eds.
seit 2018                                                                                                  “Knowledge and Migration.” Special issue,
Postdoctoral Fellow an der Queen’s Uni-                                                                    Geschichte und Gesellschaft 43 (2017).
versity in Kingston/Ontario, Assistant    2009–2011
Professor (term adjunct) und Research     Wissenschaftlicher Kurator der 3. Säch-
                                                                                                           Simone Lässig und Swen Steinberg, eds.
Ambassador des DAAD                       sischen Landesausstellung »via regia –
                                                                                                           “Knowledge and Young Migrants.” Special
                                          800 Jahre Bewegung und Begegnung«
                                                                                                           issue, Know: A Journal on the Formation of
2017                                      in Görlitz
                                                                                                           Knowledge 3 (2019).
Zweimonatiges Forschungsstipendium des
DHI in Washington/DC
Wissen über Berg und Wald
Diskurse und Transferpraktiken in den Montan- und Forstwissenschaften –
Zentraleuropa und Nordamerika im Vergleich (1860–1960)
Das Projekt untersucht mit den Ansätzen      Forschung zur deutschen Einwanderung         fessionalisierung von weiterhin praktisch
der Wissensgeschichte die Übertragung,       nach Nordamerika hielt sich bisweilen das    tätigen Berufsgruppen, das im 19. und frü-
Modifikation und Übersetzung forst- und      Bild des alleinigen ‚Exports‘ entsprechen-   hen 20. Jahrhundert zu nicht untypischen
montanbezogenen Wissens – insbeson-          der Naturnutzungskonzepte.                   Auseinandersetzungen zwischen den ‚rei-
dere auf der Ebene der praktischen und       Das Projekt beschränkt sich nicht auf        nen‘ Wissenschaftlern und den zumeist
alltäglichen Nutzung – sowie das Aus-        die im Kontext von Migration stehenden       von ihnen ausgebildeten Praktikern führte
bleiben solcher Übertragungsprozesse.        Prozesse des Wissenserwerbs oder der         – neben der horizontal-transatlantischen
Dabei wird das klassische Thema des          Modifikation von Wissen, die beispielswei-   Ebene ist das Projekt auch an solchen
transatlantischen Wissenschafts- und         se anhand von Studierenden, Mitarbei-        vertikalen Verläufen der Wissensübertra-
Wissensaustauschs kritisch hinterfragt,      tenden von staatlichen Behörden wie dem      gung und -modifikation interessiert.
um Veränderungen und Anpassungen             US Forest Service oder privaten Unter-       Der Ertrag der Studie besteht dabei im
                                                                                                                                        28
neu zu sondieren. Erfolgte anfangs eine      nehmen sowie anhand systematischer           Besonderen darin, aufzuzeigen, wie
Adaption der insbesondere an deutschen       Exkursionen und damit korrespondieren-       zumeist regional oder gar lokal entwickel-
Institutionen wie der Bergakademie Frei-     der Quellen analysiert werden können         tes Wissen über lange Distanzen migrier-
berg oder der Forstakademie Tharandt         (Field Diaries, Fotografien und Fotoalben,   te, welche Medien in diesen Migrations-
entworfenen Konzepte (bspw. Verhüt-          aus dem Reisekontext entstandene Pub-        prozessen von Bedeutung waren und
tungsmethoden, Forstbau- und Forstbe-        likationen). Vielmehr werden auch Aspek-     wie die Modifikation bzw. Adaption von
wirtschaftungsschemata), so wurden die-      te der Übersetzung und Übersetzbar-          Wissen in anderen politischen, sozialen,
se sukzessive an die natürlichen, ebenso     keit von Naturnutzungskonzepten (in forst­   ökonomischen und kulturellen Settings
aber auch an die sozialen und kulturellen    lichen und montanen Wörterbüchern sowie      verlief – oder eben unterblieb. Das Projekt
Gegebenheiten Nordamerikas angepasst.        die materielle Dimension der entspre-        lotet damit anhand umweltgeschichtlicher
Dies wurde wiederum in Europa rezipiert      chenden wissensbezogenen Austausch-          Fragestellungen die Potentiale einer Ver-
und führte zu Phasen des teils intensiven    prozesse untersucht, die sich etwa in        schränkung von Wissens- und Migrations-
wissenschaftlichen und personellen Aus-      Modell-, Samen- und Gesteinssammlun-         geschichte aus.
tauschs. Beides – die Rückwirkungen und      gen oder Xylotheken manifestierten. Ein
die Modifikationen – blieb dabei lange un-   besonderes Augenmerk gilt zudem dem
beachtet. Insbesondere im Kontext der        Konfliktfeld der wissenschaftlichen Pro-
„Dieser Wald ist ein Chaos“, schrieb Carl
                                                                                       Alwin Schenck 1895 an seine Frau, nach-
                                                                                       dem er einen ersten Rundgang durch die
                                                                                       Forsten von George Vanderbilt in Biltmore/
                                                                                       North Carolina gemacht hatte. Der deut-
                                                                                       sche Förster war gezielt angeworben wor-
                                                                                       den, um diesen Waldbesitz exemplarisch
                                                                                       nachhaltig zu bewirtschaften und zugleich
                                                                                       eine Forstschule aufzubauen – beides sa-
                                                                                       hen zentrale Protagonisten des Conser-
                                                                                       vation Movement als notwendig an, um
                                                                                       in den USA einen staatlichen Forest Ser-
                                                                                       vice nach deutschem Vorbild ins Leben
                                                                                                                                    29
                                                                                       zu rufen. Als allerdings 1908 die Biltmore
                                                                                       Forest School nach einer internen Ausein-
                                                                                       andersetzung geschlossen wurde, stellte
                                                                                       Schenck das Ausbildungskonzept um und
                                                                                       tourte mit seinen Studierenden in einem
                                                                                       gemieteten Pullmann-Wagen durch die
                                                                                       USA und Kanada. Das Winterhalbjahr
                                                                                       aber verbrachten die US-Amerikaner in
                                                                                       Darmstadt, von wo aus sie gezielt deut-
                                                                                       sche oder französische Wälder sowie die
                                                                                       entsprechenden Institutionen – etwa forst-
                                                                                       liche Versuchsanstalten – besuchten
                                                                                       Die bei diesen Exkursionen angefertigten
                                                                                       Field Diaries und Fotoalben verdeutlichen
Carl Alwin Schenck (Mitte) und Schüler der Biltmore Forest School in North Carolina,   Prozesse der Adaption und Modifikation
1905 (Forest History Society)                                                          von forstlichem Wissen durch Migration.
Dr. Andrea
Westermann

                                                                                                                                           30
Kurzvita                                      Veröffentlichungen
Seit August 2017                              Enrichment and Dilution in the Atacama Mi-     Migrations and Radical Environmental
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und           ning Desert: Imagining History as an Earthly   Change. When Social History Meets the
Büroleiterin des GHI PRO                      Science, in: Geschichte und Gesellschaft       History of Science (Review Essay, in: NTM
                                              46 (2020) (in Begutachtung).                   Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaf-
                                                                                             ten, Technik und Medizin 27 (2019) 3, 377–
Januar 2011–Juli 2017                                                                        389.
Oberassistierende am Historischen Semi-       Migrant Knowledge: Studying the Episte-
nar der Universität Zürich                    mic Dynamics That Govern the Thinking
                                              in and around Migration, Exile, and Dis-
                                              placement, in: GHI Bulletin Supplement
November 2016                                 2020, 5–16 (mit Onur Erdur).
Gastforscherin am Institute for Culture and
Society der Western Sydney University
                                              A Technofossil of the Anthropocene: Sliding
                                              up and down Temporal Scales with Plastic,
März 2015–Juli 2017                           in: Edelstein, Dan et al. (Hg), Power and
Assoziiertes Mitglied am Zentrum Ge-          Time. Temporalities in Conflict and the Ma-
schichte des Wissens der Universität          king of History. Chicago, The University of
Zürich und der ETH Zürich                     Chicago Press 2020 (Juli), 122-144.
Atacama Rohstoffwüste als Ort von Bergbau,
 Migration und Geopolitik
                                                           Anfang des 20. Jahrhunderts von der deutschen Chemieindustrie entwickelte
                                                           Ammoniaksynthese die chilenische Nitratindustrie bis Mitte der 1950er Jahre
                                                           komplett ruiniert. Es verteilen sich heute die buchstäblichen Ruinen von noch
                                                           rund 170 Salpeterwerken über die Landschaft. Neben solchen Artefakten
                                                           und ihren archivalischen Papierspuren sammelt die Wüste auch literarische
                                                           Geschichten: Gedichte über die Rohstoffwüste sind ein eigenes Genre, zu
                                                           dem sich Wüsten- und Salpeter- oder Kupferromane gesellen. Zur angedeu-
                                                           teten gespensterhaften Präsenz von vergangenem Leben ebenso wie zu
                                                           den in Atacamaquellen und -erzählungen oft thematisierten Luftspiegelungen
                                                           oder Fata Morganas passen auch vergessene oder vertuschte Geschichten
                                                           nationaler und internationaler politischer Verfolgung und Gewalt, die sich hier
                                                           abspielten. Verflechtungsphänomene dieser Art zeichnen die Geschichte
                                                           dieser Landschaft vielfach aus.                                                   31
                                                           Die doppelte Rahmung der Atacamawüste als Rohstofflager und Archiv
                                                           ermöglicht es, gesellschaftliches Handeln in extremen Umwelten zu rekonst-
                                                           ruieren. Im Zuge der von modernen Industriegesellschaften angeheizten Kli-
Luftbildaufnahme der auf knapp 3000 m hoch gelegenen       maerwärmung werden es einige Regionen in Amerika, Südosteuropa, Asien
Chuquicamata Kupfermine aus dem Jahr 1998, in: Euge-       oder Nordafrika immer häufiger mit Dürre oder Desertifikation zu tun bekom-
nio Garcès Feliu, Las ciudades del cobre. Santiago 2007.
                                                           men. Das Projekt ist daher exemplarisch angelegt. Es fragt mit den Mitteln
Die Atacamawüste in Chile ist ein Rohstofflager, das in    einer sozialgeschichtlich gewendeten Wissenschafts- und Technikforschung
jahrhundertelangen Silber-, Salpeter- und Kupferbooms      (Westermann 2019) nach dem Erdwissen, dem politischen Wissen und dem
bergmännisch geleert wurde und beschleunigt seit Jahr-     geopolitischen Wissen von Akteuren, die in der chilenischen Atacamawüste
zehnten immer weiter geleert wird. Sie ist zugleich ein    lebten, als Arbeitsmigrant*innen massenhaft dorthin einwanderten, in diesen
stetig anwachsendes Archiv, das gesellschaftliche Ver-     unwirtlichen Gegenden wirtschafteten, und/oder dort Politik machten. Das
gangenheiten sammelt und bewahrt: Der salzige Boden        Forschungsprojekt kann sich auf Studien zur chilenischen Geschichte stüt-
und die extreme Trockenheit sind zusammengenommen          zen und profitiert von den florierenden anthropologischen Mikrostudien zu
äußerst konservierungsfreundlich.                          den (Bergbau-) Gemeinden im Norden Chiles ebenso wie von deren makro-
Die Wüste ist also beides, ein Ort der Stoffanhäufung      historischen Gegenstücken, d.h. rohstofforientierten Arbeiten zu Geopolitik
und ein Ort der Geschichtsanhäufung. Tatsächlich hat die   und internationalen Beziehungen.
Globale und Transregionale Geschichte
Dr. Albert Manke

                                                                                      Foto: Britta Frenz
                                                                                                                                                         33
Kurzvita                                 Veröffentlichungen
                                                                                                           German Historical Institute Bd. 66 (Spring
Seit September 2019                      Coping with Discrimination and Exclusion:
                                                                                                           2020) [im Druck].
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im MWS-   Experiences of Free Chinese Migrants
Projekt „Wissen entgrenzen“ am GHI PRO   in the Americas in a Transregional and
                                         Diachronic Perspective. (Inter-American                           “The Impact of the 1949 Chinese Re-
2016–2019                                Studies, Bd. 32) Trier: WVT / Tempe, AZ:                          volution on a Latin American Chinese
                                         Bilingual Press, 2020 [im Druck].                                 Community: shifting power relations in
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der
Universität Bielefeld
                                                                                                           Havana’s Chinatown.” Revista Brasileira
                                         Haciendo frente a la discriminación y a la                        de Política Internacional 61:2, e007, 2018.
                                         exclusión: Las experiencias de migrantes
2017–2018                                chinos libres en las Américas desde una
Tandem-Fellow GHI PRO                    perspectiva transregional y diacrónica.
                                         (Ensayos InterAmericanos, Bd. 5) Biele-
2009–2016                                feld: Kipu, 2020 [im Druck].
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der
Universität zu Köln                      “Dynamics of Exclusion and Xenophobia
                                         against Free Chinese Migrants in the Ame-
                                         ricas in the Modern Age.” Bulletin of the
Im Angesicht der Exklusion
Strategien chinesischer Migrant*innen in den Amerikas
und im pazifischen Raum
Chinesische und andere asiatische            Migrant*innen, erfolgreiche Communities       fische Verbindungen auf signifikant ver-
Migrant*innen sahen sich seit Beginn der     aufzubauen und letztlich zu dem zu wer-       flochtene Weisen und konnten zugleich
europäischen Expansion in den Ameri-         den, was heute in den USA verklärend als      von Synergien profitieren, die aus der
kas, dem Pazifik und Asien mit diskrimi-     „model minority“ und in Kuba als Teil des     Kooperation mit anderen Akteuren und
nierenden und exkludierenden Praktiken       „nationalen Ethnos“ bezeichnet wird.          Gruppen der Gesellschaft resultierten, die
konfrontiert. Während der 250 Jahre, in      Ziel dieses Projekts ist es insbesondere,     ihre Exklusion nicht billigten. Daher wird
denen die Manila-Galeone die Verbin-         die multiplen Strategien zu identifizieren,   dieses Projekt den Aufbau dieser Netz-
dung zwischen den spanischen Kolonien        die chinesische Migrant*innen entwickel-      werke unter dem Blickwinkel von Strate-
in den Amerikas und Asien gewährleis-        ten, um mit Dynamiken der Diskriminie-        gien analysieren, um Exklusion und Dis-
tete, wurde die chinesische Migranten-       rung und Exklusion umzugehen und sich         kriminierung etwas entgegenzusetzen.
community auf den Philippinen mehrfach       gegenseitig in Zielgesellschaften zu unter-   Es schließt damit an Sören Urbanskys          34
durch schwere Pogrome und Massaker           stützen, die ihnen häufig ablehnend oder      Forschung zu anti-chinesischen Stereo-
dezimiert, konnte sich aber immer wieder     feindlich gegenüberstanden. Dies gelang       typen an und soll Aufschluss über ein
aufs Neue konstituieren. Ausgrenzungen       ihnen häufig, indem sie im konstanten Dia-    Thema geben, das sowohl in der Migra-
betrafen dann im 19. Jahrhundert auch        log miteinander und mit anderen Akteuren      tionsforschung zu den Amerikas als auch
freie chinesische Einwanderer in den         auf beiden Seiten des Pazifiks geschützte     in den Lateinamerikastudien, die sich mit
USA, Kanada und Mexiko, sowie ehema-         Räume schufen, die schließlich zu Sphä-       interkontinentaler Migration, Mobilität und
lige Kontraktarbeiter in Kuba und weiteren   ren der Akzeptanz und des sozialen Auf-       transnationaler Identitätsbildung beschäf-
Ländern Lateinamerikas und der Karibik.      stiegs heranwachsen konnten. Individuen       tigen, nur wenig beachtet wurde.
Viele dieser Migrant*innen wurden als eth-   aus einem durchaus diversen sozio-öko-
nische Gruppe zunehmend diskriminiert,       nomischen Umfeld bildeten Gruppen und
was in den USA im Chinese Exclusion          damit formale als auch informelle diaspo-
Act von 1882 kulminierte. Während des        rische Netzwerke durch Vereinigungen,
20. Jahrhunderts sollten zahlreiche weite-   die häufig der gegenseitigen Unterstüt-
re Länder der Amerikas diesem Beispiel       zung und Absicherung dienten (Lands-
folgen und ähnliche ethnisch motivier-       mannschaften, geheime Bruderschaften,
te Migrationsbeschränkungen erlassen.        Gilden und andere). Diese formten und
Nichtsdestotrotz gelang es vielen dieser     veränderten die Amerikas und transpazi-
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