Genossenschaften für Geschlechter-gleichheit - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 5-2021 - Genossenschaftsverband
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GEN AL DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 5-2021 Genossenschaften für Geschlechter- gleichheit
Unter Leistungsfähigkeit verstehen wir, gemeinsam mit unseren Kunden aus Heraus- forderungen Verbesserungen zu machen. Was zunächst wie ein Verlust erscheint, ist manchmal der Anfang von etwas Neuem. Das japanische Handwerk Kintsugi beweist das eindrucksvoll. Es ver- körpert den Glauben, dass erst die kunstvolle Reparatur ein Objekt vollendet. Auch für uns von der DZ BANK bedeuten Umbrüche Chancen. Denn wenn wir Herausforderungen heute partnerschaftlich begegnen, gehen wir mit noch besseren Lösungen in die Zukunft. Erfahren Sie mehr über unsere Haltung unter: dzbank.de/haltung
EDITORIAL Nachhaltigkeitsziel Nr. 5: Genossenschaften für Geschlechtergleichheit Liebe Leser*innen! die verheerende Flutkatastrophe, die im Juli Teile Deutschlands traf, ist aus den Medien bereits verschwunden. In den Hochwasserge- bieten, bei vielen Menschen vor Ort bestimmt sie jedoch noch im- mer den Alltag. Zahlreiche genossenschaftliche Initiativen und Spen- denaktionen wurden ins Leben gerufen, um den Wiederaufbau zu unterstützen. Auch der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. und seine Mitgliedsgenossenschaften haben eine Spendenaktion initiiert. Bis Mitte September konnten hier bereits rund 1,6 Millionen Euro gesammelt werden, die über die Genossen- schaftsstiftung an Empfänger*innen in den betroffenen Gebieten übergeben werden. Für Ihre Unterstützung danken wir an dieser Stel- le ganz herzlich! Ob Crowdfunding oder Flutwein: Lesen Sie auf den Seiten 6–9 mehr über die Initiativen vor Ort. Liebe Leser*innen, auch die vorliegende Ausgabe von GENiAL widmet sich mit der Überschrift „Geschlechtergleichheit“ einem Ziel der UN-Nachhaltigkeitsagenda. In unserem Schwerpunkt (S.18–36) haben unsere Autor*innen Interviews und Storys zu starken Frauen und starken Männern zu- sammengetragen. Mit Eva Wunsch-Weber, Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Volksbank, sprachen wir beispielsweise über ihren eige- nen Karriereweg und Frauen in Führungspositionen (S. 24–25). Auch die Volksbank Mittelhessen setzt mit der Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ ein starkes Zeichen für Diversität. „Wir werden uns täg- lich aufs Neue dafür engagieren, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen und geprägt von Respekt ist“, sagt Dr. Lars Wit- teck, Vorstandsmitglied bei der Volksbank Mittelhessen (S. 34–35). Dass in Sachen Geschlechtergleichheit noch viel Luft nach oben ist, darin sind sich auch die Chefinnen verschiedener Genossenschaften einig. Wir haben mit einigen von ihnen über ihre Erfahrungen gespro- Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. chen (S. 29–31). Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen! Ihre Lisa König-Topf Lisa König-Topf Abteilungsleiterin Presse- und Foto.Genossenschaftsverband Öffentlichkeitsarbeit, Bereich Kommunikation & Change, PS: Über Lob, Anregung und Kritik freuen wir uns jederzeit unter Genossenschaftsverband – genial@genossenschaftsverband.de Verband der Regionen e.V. Foto: 5-2021 | GENIAL | 3
6 8 16 Im Fokus: Genossenschaften für Geschlechter- gleichheit In Kürze Fluthilfe in RLP und NRW Aus dem Verband Whistleblower besser schützen – Im Fokus 18 Schwerpunkt Geschlechtergleichheit Fotos: Matthias Baltes/Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr eG, Jan Pfülb/privat, Volksbank RheinAhrEifel eG, Interview mit Christian M. Düssel, Volksbank RheinAhrEifel: AWADO-Rechtsanwaltsgesellschaft, Digitalisierung geschlechtergerecht „Ahrtal findet zu seiner und Dirk Dietrich, gestalten – Interview mit alten Stärke zurück“ 6 Genossenschaftsverband 10 der Soziologin Dr. Caroline Richter 20 Winzergenossenschaft AWADO-Gruppe: Deutschlands erste Bankdirektorin 22 Mayschoß-Altenahr: Projekt Fusionsmanagement 360 12 „Es sieht hier aus wie nach dem Frauen Mut machen, Kosovo-Krieg“ 8 Genossenschaft macht Schule 14 Frauen Verantwortung übertragen – Interview mit Eva Wunsch-Weber, AWADO vereinfacht das Frankfurter Volksbank 24 Compliance-Management 15 WeiberWirtschaft eG: Nachhaltigkeit beim Fondssparen – Neue Gründerinnen braucht das Land 26 Interview mit Dr. Henrik Pontzen, Mitglied des Personalvorstand Marco Schulz: Union Investment, gerasimov174/adobe.com Nachhaltigkeitsrats im „Der Erfolg gibt der Diversität recht“ 28 Genossenschaftsverband 16 Geschlechtergleichheit – noch viel Luft nach oben Statements von Vorständinnen der genossenschaftlichen Wirtschaft 29 Die Wohlstandsgenossenschaft: Finanzfitness für Frauen 32 4 | GENIAL | 5-2021
INHALT Genossenschaften in Regionen Köln Volksbank Mittelhessen: Klare Kante 34 Frauennetzwerke – die Fondsfrauen & Co. 36 Aus den Regionen Der IT-Partner des Vertrauens – die Hostsharing eG 38 40 Aus der Reihe GENiAL war in der „diversen“ Stadt Köln, hat die Journalistenpreis Blaue Boje – Beginenhof eG besucht, für Pressefreiheit und ist auf dem Christopher Street Qualitätsjournalismus 47 Day mitmarschiert und hat die aktuelle „Emma“ gelesen. Impressum 46 5-2021 | GENIAL | 5
Mitarbeiter*innen der Volksbank RheinAhrEifel packen mit an und räumen Schlamm und Geröll aus den überfluteten Bankgebäuden. 6 | GENIAL | 5-2021
IN KÜRZE steht in dieser Ausgabe unter dem Thema Fluthilfe in RLP und NRW IN KÜRZE „Ahrtal findet zu seiner alten Stärke zurück“ Sascha Monschauer, Vorstandsvorsitzender der Volksbank RheinAhrEifel eG, berichtet über den Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe. Die Volksbank hat ihr Geschäftsgebiet Helfen unter anderem im Kreis Ahrweiler, vor allem das Ahrtal wurde stark zerstört. GENiAl führte das Interview Mitte August. Herr Monschauer, wird sich das Ahr- Sie mit – spenden tal von der Flutkatastrophe erholen können? SASCHA MONSCHAUER: Davon bin ich Sie für die fest überzeugt. Das Ahrtal wird zu seiner al- ten Stärke zurückfinden und wieder so attrak- tiv werden wie vor der Hochwasserkatastro- Flutopfer phe. Das wird heute noch nicht abschätzbare Kapitalmittel erfordern – und das über Jahre. Wir stehen da aber fest an der Seite unserer Ihre Bank hat – wie auch der genos- Kund*innen sowie der Menschen im Ahrtal senschaftliche Verbund – Hilfspakete wie auch in anderen betroffenen Städten und für die Region geschnürt und Spen- Über hundert Tote, zerstörte Infrastruk- turen und Landschaften. Viele Men- Gemeinden unseres Geschäftsgebietes. den in großer Höhe eingeworben … schen stehen nach der Hochwasserka- Ja, wir haben Spenden aus ganz Deutschland tastrophe in Nordrhein-Westfalen und Sind Ihre Mitarbeiter*innen unver- erhalten – von Privatpersonen und Unterneh- Rheinland-Pfalz vor dem Nichts. Des- letzt geblieben? men. So hat auch unsere Bank 650.000 Euro halb haben neben vielen anderen ge- Von unseren 700 Mitarbeiter*innen sind für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt. nossenschaftlichen Initiativen auch der rund 50 von der Naturkatastrophe betroffen. Zusätzlich haben wir über die Crowdfunding- Genossenschaftsverband – Verband der Sie haben Glück gehabt, dass sie unversehrt Plattform „Viele schaffen mehr“ Spenden Regionen e.V. und seine Mitgliedsge- geblieben sind. Schlimm ist jedoch, dass eini- in Höhe von 1,4 Millionen Euro eingesam- nossenschaften eine Spendenaktion ins ge von ihnen Todesfälle im näheren Umfeld melt. Darüber hinaus wurden bislang rund Leben gerufen. Die gesammelten Spen- beklagen müssen. Darüber hinaus können zwei Millionen Euro auf das Spendenkon- den werden über die gemeinnützige fast 30 unserer Mitarbeiter*innen ihre Woh- to unserer Bürgerstiftung eingezahlt. Knapp Genossenschaftsstiftung ausschließlich nungen und Häuser vorübergehend oder gar zwei Millionen Euro wurden bereits über die an die Empfänger*innnen in den betrof- nicht mehr bewohnen. Bürgermeister*innen der jeweiligen Städte fenen Flutgebieten vergeben. So sind und Gemeinden an die Flutopfer ausgezahlt. bis Mitte September rund 1,6 Millionen Fotos: Volksbank RheinAhrEifel eG, Edith Billigmann, Christian/Adobe Und wie sieht es mit Ihrer Bank aus? Zusätzlich haben wir 250.000 Euro bereitge- Euro eingegangen. Bei uns sind fünf Filialen und vier SB-Stellen stellt, um Elektromaterial zu beschaffen, um von der Flut stark beschädigt worden, am die Wohngebäude wieder mit Strom zu ver- schlimmsten hat es unseren Verwaltungssitz sorgen. 150.000 Euro gingen an die IHK, um Empfänger: Genossenschaftsstiftung in Bad Neuenahr sowie unsere Geschäfts- Mitgliedsbetriebe zu unterstützen. Betroffene Kennwort: Fluthilfe NRW, RLP stelle am Ahrweiler Marktplatz getroffen. Feuerwehren im Kreis Ahrweiler erhielten – Kreditinstitut: DZ Bank Frankfurt Beide Gebäude sind so beschädigt, dass über eine Aktion der R+V Versicherung bzw. IBAN: DE92 5006 0000 0010 0292 54 sie renoviert und deshalb erstmal geschlos- der R+V Stiftung – 150.000 Euro. Außerdem BIC: GENODE55XXX sen bleiben müssen. Stark getroffen wurden werden wir noch Schulen und Kindergärten auch unsere SB-Stellen entlang der Ahr, vor mit rund 260.000 Euro bedenken. allem in Mayschoß und Altenahr. Hier stel- Für unsere Privat- und Firmenkunden ha- len wir jetzt erstmal mobile Geldausgabeau- ben wir ein Sonderkreditprogramm in Höhe tomaten auf, um die finanzielle Versorgung von 50 Millionen Euro aufgelegt. Hinzu kom- der Bevölkerung zu sichern. Unsere SB-Stelle men schnelle Liquiditätshilfen, um zum Bei- in Dernau und die Filiale Ahrbrück an der Ahr spiel Versicherungsleistungen vorzufinanzie- konnten wir schon wieder öffnen. ren. Sabine Bömmer 5-2021 | GENIAL | 7
Geschäftsführer Matthias Baltes „Es sieht hier aus wie nach dem Kosovo-Krieg“ Ein Großteil der Winzerbetriebe und Rebflächen an der Ahr ist von der Hochwasser- katastrophe am 14. Juli zerstört worden: Viele Menschen stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. GENiAL sprach in der ersten Augustwoche mit Matthias Baltes, Vorstand und Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr, über die Lage vor Ort. E s sieht hier aus wie nach dem Ko- Fast alle Einwohner des Ahrtals leben 200 Weinfässer aus den Lesen seit 2018 sovo-Krieg“, sagt Matthias Baltes, vom Wein und vom Tourismus. Viele haben waren in den Gebäuden und Kellern gelagert, Chef der ältesten Winzergenos- durch das Hochwasser ihre Existenzen ver- außerdem rund 1,6 Millionen Flaschen mit senschaft in Mayschoß, die vor al- loren. Auch die Winzergenossenschaft, ihre Rotwein, Weißwein und Sekt. Was und wie lem Rotweine produziert. Das Unternehmen Mitarbeiter*innen und die 460 Winzer-Mit- viel davon übrig geblieben ist? Baltes weiß hat seinen Sitz mitten im Flutkatastrophen- gliedsbetriebe, davon 250, die bei der Ge- es noch nicht. „Zig Weinpaletten schwim- gebiet, dem Ahrtal, mit Standorten in May- nossenschaft Trauben anliefern, hat es hart men jetzt wohl durch die Nordsee“, fürchtet schoß, Altenahr und Walporzheim. Drei Wo- getroffen. „75 Prozent von ihnen hat die Flut er. Große Sorge machen ihm auch die Wein- chen nach der Flutkatastrophe wirkt der Ge- Häuser und Wirtschaftsgebäude, Maschi- fässer, die irgendwo unter den Schlammla- schäftsführer immer noch stark mitgenom- nen, Geräte wie auch Rebflächen wegge- winen, einem Gemisch aus Müll, Heizöl und men. „Alles hier ist kaputt“, sagt er. „Straßen, rissen. Unsere drei Verkaufsstellen sind zer- Abwässern, liegen. „Keine Ahnung, wie viele Gebäude, Landschaften.“ Und das Schlimms- stört, ebenso das Verwaltungsgebäude und davon noch da sind und unbeschädigt geblie- te für ihn ist: „Viele Menschen sind gestor- die beiden Restaurants“, listet Baltes auf. ben sind.“ Weinflaschen und Fässer müssen ben, viele werden immer noch vermisst. Ob „Unsere Mitarbeiter*innen sind unversehrt nun erst gesucht, händisch geborgen, vom sie von der gigantischen Hochwasser-Druck- geblieben, müssen sich nun aber um ihre Fa- Schlamm befreit und auf ihre Qualität geprüft welle mitgerissen wurden oder noch irgend- milien und zerstörten Häuser kümmern, wir werden. „Das wird Monate dauern“, schätzt wo unter den Trümmern liegen: Wir wissen arbeiten mit kleiner Notbesetzung.“ Baltes. Mitgerissen von den Fluten wurden es nicht.“ neben der kompletten Infrastruktur auch vie- Neues aus dem Ahrtal Die durch die Flutwelle im Juli beschädigte Traubenannahmestation der Winzergenossenschaft konnte rechtzeitig zur Weinlese ab dem 17. September repariert werden. Geschäftsführer Matt- hias Baltes rechnet unter anderem durch die Wetterkatastrophe, aber auch durch Pilzkrankhei- ten mit einem Ernteausfall von insgesamt 35 bis 40 Prozent. Die positive Nachricht in diesem Zusammenhang: Für die Lese standen ausreichend freiwillige Erntehelfer*innen zur Verfügung. Fotos: Matthias Baltes, Jan Pfülb/pivat 8 | GENIAL | 5-2021
IN KÜRZE Bildqualität: Alle Fotos wurden mit dem Handy aufgenom- men und nach Wiederherstellung des Mobilfunknetzes später per Whatsapp an die Redaktion geschickt. Der Wiederaufbau beginnt und der Flutwein wird geborgen. le Rebflächen entlang der Ahr. Die Winzerbe- Steillagen des Ahrtals. Da ist die Flutwelle Ist die Genossenschaft eigentlich von ir- triebe der Genossenschaften bewirtschaften nicht hingekommen.“ Baltes oberste Priorität gendeiner offiziellen Stelle vor dem Hoch- 150 Hektar Rebfläche, 15 Prozent sind Was- ist es nun, die Ernte, die ab September be- wasser gewarnt worden? „Uns hat nie- ser und Schlamm zum Opfer gefallen. „Eine ginnt, zu retten: „Sonst sind die Verluste noch mand aktiv informiert“, sagt Baltes. Die Ge- volle Ernte können wir dieses Jahr verges- größer.“ Er ist sich sicher: „Das schaffen wir!“, nossenschaft hatte schon Erfahrungen mit sen“, sagt Baltes, dessen Genossenschaft und lobt die Solidarität und die Tatkraft der dem Hochwasser im Jahr 2016. Er habe des- im Schnitt 1,2 Millionen Liter Wein, vor allem Bürger*innen im Ahrtal. „Alle Winzer*innen halb schon Tage zuvor den Deutschen Wet- Rotwein wie Spätburgunder, aber auch zu 25 des Ahrtals packen ebenfalls mit an, stellen terdienst verfolgt, der Starkregen mit Über- Prozent Weißwein produziert. uns ihre Arbeitskraft, Maschinen und Gerä- schwemmungen vorhergesagt habe, und für Bei allem Unglück hat die Winzergenos- te zur Verfügung.“ Auch von außen erreichen seine Winzergenossenschaft Vorsorge ge- senschaft noch ein wenig Glück gehabt: „60 immer mehr Helfer*innen das Katastrophen- troffen. „Wir haben uns auf einen Wasserpe- Prozent unserer Rebflächen liegen in den gebiet. Alle Kraft setzt Baltes deshalb dar- gel von knapp vier Metern vorbereitet“, sagt an, die elektronische Traubenpresse in May- er. „Doch mit dieser riesigen Druckwelle von schoß wieder in Gang zu setzen, die durch neun Metern, die sich nachts innerhalb ei- das Wasser funktionsuntüchtig geworden ner Stunde aufgebaut hatte, haben wir nicht ist. „Das müssen wir unbedingt bis zur Lese gerechnet.“ schaffen“, sagt er. Sabine Bömmer Spendenaktion für das Ahrtal Wie viele andere Winzerbetriebe beteiligt sich auch die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr an der Spendenaktion mit Flutwein. So können gemischte „Hochwasser Schlammweinpakete“ mit sechs Flaschen Wein bei der Genossenschaft per E-Mail an info@wgmayschoss.de bestellt werden. Der Versand dauert vier bis sechs Wochen. Zahlungen gehen bitte per Vorkasse an: Volksbank RheinAhrEifel BIC GENODED1BNA, IBAN DE19 5776 1591 0550 0821 01, WG Mayschoß-Altenahr, Stichwort: Hochwasserpaket 5-2021 | GENIAL | 9
Herr Düssel, was genau steckt hinter der EU- Richtlinie 2019/1937? Für eine starke CHRISTIAN M. DÜSSEL: Wir sehen immer wieder Fäl- le von Fehlverhalten und Rechtsverstößen in Unterneh- Compliance-Kultur – men. Sie verursachen häufig enorme materielle und im- materielle Schäden. Wirecard ist sicher der aktuellste Fall. Whistleblower besser Aber auch der Verbund ist vor solchen Vorkommnissen nicht sicher. Ein Großteil der Fälle kann vermieden wer- den, wenn ein wirksames Hinweisgebersystem besteht. schützen Dies setzt jedoch voraus, dass Hinweisgeber*innen ano- nym und wirksam entsprechende Hinweise melden kön- nen. Die EU-Richtlinie setzt hier an und schafft in allen Mitgliedstaaten einheitlich hohe Schutzstandards für in- und externe Hinweisgeber*innen. Sie muss bis 17. De- Die neue EU-Whistleblower-Richtlinie fordert für alle zember 2021 in nationales Recht umgewandelt werden. Unternehmen ab 50 Mitarbeiter*innen sichere Melde- kanäle für in- und externe Hinweisgeber*innen. Der Wer ist künftig wozu genau verpflichtet? Alle Unternehmen und Behörden mit mehr als 50 Be- Genossenschaftsverband nutzt das Hinweisgeber- schäftigten müssen künftig sichere interne Meldekanä- system 360 der AWADO Rechtsanwaltsgesellschaft le für in- und externe Hinweisgeber*innen bereitstellen (RAG). Darüber sprachen wir mit Christian M. Düssel, – also auch Genossenschaften. Für alle ist dies mit einem enormen Aufwand verbunden. Denn sie müssen nicht Geschäftsführer der AWADO RAG, und Dirk Dietrich, nur die Möglichkeit der Meldung von Missständen sicher- Leiter der Stabsabteilung „Integriertes Risikomanage- stellen, sondern auch deren Dokumentation und mögli- che Folgemaßnahmen durch unabhängige und kompe- ment“ des Genossenschaftsverbandes. tente Expert*innen. Und: Die Hinweisgeber*innen müs- sen absolut darauf vertrauen können, dass ihre Identität geschützt ist. 10 | GENIAL | 5-2021
AUS DEM VERBAND www.hinweisgebersystem360.de Christian M. Düssel Dirk Dietrich Gibt es so etwas nicht schon in den Steckt dahinter mehr als eine techni- Kartellrecht oder zivilrechtliche Fragen geht, Genossenschaften? sche Lösung? ist die Einschaltung von Expert*innen für uns Viele Banken haben bereits Hinweisgeberka- Auf jeden Fall. Dem System liegt die Techno- gewinnbringend. Die AWADO RAG hat hier näle, weil dies im Geldwäschegesetz (GWG) logie eines Marktführers zugrunde. Aber wir eine breite Expertise und auch die erforderli- oder Kreditwesengesetz (KWG) vorgeschrie- machen deutlich mehr: Wir richten den Kanal chen Ressourcen sowie entsprechend stan- ben wird. Die Qualität dieser Kanäle variiert ein, betreuen ihn und stellen das Reporting, dardisierte Prozesse und Reportings. Somit jedoch sehr stark und nicht jeder Kanal erfüllt die saubere, fristgerechte und rechtliche Be- sind wir in der Bearbeitung deutlich schneller die Anforderungen der Richtlinie. Ein Brief- arbeitung der Hinweise sowie die Anonymi- und effektiver, wenn die Hinweise gleich bei kasten an der Tür des Compliance-Beauf- tät der Hinweisgeber*innen sicher. Dadurch der AWADO RAG eingehen. tragten oder eine Mailadresse reichen nicht sparen Unternehmen immense Ressourcen – schon aus Gründen der Anonymität und Er- sowie Zeit- und Personalaufwand ein. Vie- Wo sehen Sie weitere Vorteile? reichbarkeit für Externe. Zudem richtet sich le Unternehmen haben übrigens weder das Ich bin hier bei den Aussagen von Herrn Düs- der Blick bei bestehenden Kanälen bisher Know-how noch die zeitlichen und personel- sel. Denn wir wollen, dass das Hinweisge- nur auf banktypische Themen. Die Richtlinie len Kapazitäten, um die neuen Vorgaben um- bersystem von unseren Mitarbeiter*innen, geht jedoch weit hierüber hinaus und fördert zusetzen. Mitgliedern, Vertragspartner*innen und al- jeden Hinweis, egal von wem und egal zu len, mit denen wir in geschäftlichem Kontakt welchem Verstoß – ob Mobbing, Diskriminie- Herr Dietrich, warum nutzt der Ge- stehen, akzeptiert, genutzt und positiv wahr- rung, Datenschutz oder Kartellrecht. nossenschaftsverband das Hinweis- genommen wird. Für uns ist dies kein Fei- Entscheidend ist aber noch ein ganz an- gebersystem 360 der AWADO RAG? genblatt, sondern ein wesentlicher Baustein derer Punkt: Ich bin der festen Überzeu- Können Sie dies nicht intern lösen? für die aktive Gestaltung einer Risiko- und gung, dass jedes Unternehmen heute eine DIRK DIETRICH: Diese Frage haben wir Compliance-Kultur. starke Compliance-Kultur benötigt. Die- uns natürlich auch gestellt. Aber letztlich ist Deshalb ist es für uns wichtig, dass sys- Fotos: AWADO RAG, Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. se erreicht man nur, wenn man die Richtli- die Antwort klar. Zuallererst: Wir hätten auch temseitig und prozessual im Hinblick auf Ver- nie nicht als Regulierungsdruck, sondern als ohne die rechtliche Verpflichtung durch die traulichkeit ein höchstmöglicher Standard ge- Chance begreift und sich mit einem wirksa- Richtlinie ein Hinweisgebersystem einge- wahrt wird. Der Schutz des Hinweisgebers men Hinweisgebersystem gegenüber den führt. Unser Ziel ist es, ein wirksames Risi- oder der Hinweisgeberin spielt hierbei eine eigenen Mitarbeiter*innen, Kund*innen und komanagement für den Genossenschafts- herausragende Rolle. Bei rein intern bereit- Vertragspartner*innen klar zu einer trans- verband sicherzustellen. Dies umfasst auch gestellten Meldewegen bleibt immer das be- parenten und starken Compliancekultur be- das Management von Compliance-Risiken. wusste oder unterbewusste Misstrauen der kennt. Unser Managed Legal Service „Hin- In diesem Zusammenhang spielen das Mel- potenziellen Hinweisgeber*innen, dass die weisgebersystem 360“ schafft das. den potenziellen Fehlverhaltens und damit so eminent wichtige Anonymität nicht ge- ein wirksames Hinweisgebersystem eine wahrt bleibt. Oder dass der Hinweis nicht wichtige Rolle. Aber zu Ihrer Frage: Natür- gehört, nicht mit der nötigen Intensität be- lich können wir einzelne Hinweise auch sel- handelt oder gar unter den Tisch fallen gelas- „Jedes Unternehmen benötigt heute ber bearbeiten, solange sie unsere Kernthe- sen wird. So ist es ja bei Wirecard gesche- eine starke Compliance-Kultur.“ men wie zum Beispiel das Berufsrecht oder hen. Hier wollen wir als Verband ganz klar mit Christian M. Düssel GWG betreffen. Spätestens aber, wenn es gutem Beispiel vorangehen. um andere Themen wie das Arbeits- oder 5-2021 | GENIAL | 11
Projektwilligkeit und -fähigkeit führen zum Fusionserfolg Seit April berichtet GENiAL über das Projekt Fusionsmanagement 360, in dem die AWADO Gruppe Unterstützungsleistungen für Transformationsprozesse bündelt. GENiAL sprach mit Alexander May, Manager in der AWADO Services, über das Projektmanagement als „Transmissionsriemen“ einer Fusion. Her May, welche Bedeutung hat Welche Anforderungen gibt es gene- das Projektmanagement bei einer rell an das Projektmanagement? Fusion? Das sind drei Dinge: ALEXANDER MAY: Eine Fusion gehört für • Das Projektmanagement muss es durch die beteiligten Banken mit zu den komple- methodische Exzellenz schaffen, dass sich xesten Projekten ihrer Unternehmensge- die Projektbeteiligten auf die Inhalte fokus- schichte – vielleicht noch vor der Umstellung sieren können. Hier ist wenig Platz für Expe- von bank21 auf agree21. Die Banken müssen rimente. die unterschiedlichsten Aktivitäten umset- satorische Fusion sowie die technische Fu- • Die Projektleitung muss umfassende Erfah- zen. Das gilt selbst im „einfachen Fall“, wenn sion. Darunter subsummieren sich weitere rung im Management großer Projekte mit- eine sehr große Bank mit einer deutlich klei- Themen wie steuerliche oder aufsichtsrecht- bringen. Wer nur rein theoretisches Wissen Foto: AWADO Services neren Bank fusioniert und die Prozesse der liche Fragen. Das stellt vor allem Institute, die hat, lässt in der Anwendung bei Projekten großen Bank im Grunde häufig „nur“ über- noch keine oder nur aus ferner Vergangen- dieser Größe häufig Federn. nommen werden müssen. heit Fusionserfahrung besitzen, vor Heraus- • Das Projektmanagement muss eine ent- Dabei lassen sich drei zentrale Bereiche forderungen – neben dem Umfang kommt sprechende Professionalität haben. Projekt- skizzieren: die juristische Fusion, die organi- noch das Neue dieses Prozesses hinzu. pläne in Excel sind hier definitiv fehl am Platz. 12 | GENIAL | 5-2021
AUS DEM VERBAND Was ist der Mehrwert durch den Ansatz Fusionsmanagement 360 und insbesondere des Projektmanage- ments? Das Projektmanagement verkörpert die 360 Grad, also die Betrachtung einer Fusion aus allen Perspektiven. Dabei hat das Projekt- management sinnbildlich die Rolle eines Or- chesterdirigenten inne: Es antizipiert Ände- rungen im Rhythmus des Projekts, steuert zeitgerecht Aktivitäten und den Einsatz von Beteiligten, organisiert Übergangsphasen und ändert, wenn nötig, Instrumente oder Methoden. Das Projektmanagement behält – mit wechselndem Fokus – beständig alles im Blick. Der gemeinsame Auftritt der AWADO Gruppe, der GenoAkademie und der Geno- PersonalConsult mit ihren Spezialist*innen hat den großen Vorteil, dass jeder den an- deren und seine Spielweise kennt. So funk- Was sind typische Fehler im Pro- tioniert das Zusammenspiel für eine erfolg- jektmanagement einer Fusion? reiche Fusion ohne zusätzliche Proben oder Klassische Fehler sind, zu viel zu schnell Diskussionen. mit zu wenig Ressourcen bewerkstelli- Alexander May Aber auch „Gastspieler“ – wie der jewei- gen wollen. Gerade bei einer Fusion mit lige Prüfungsverband, die Atruvia oder an- den aufsichtsrechtlichen Vorgaben, die ei- dere Dienstleister der Bank – werden durch nem Zeitplan mit verschiedenen Meilenstei- das Projektmanagement so dirigiert, dass nen folgen sollte, ist eine umfassende Pla- sie ohne Dissonanzen zusammenarbei- nung mit einer realistischen Einschätzung Dies wird insbesondere bei dem häu- ten können. Ein gutes Projektmanagement der notwendigen Zeiten und potenzieller Puf- fig ersten Schritt des Projektmanagements muss auf allen Ebenen wirken: von den fer zwingend notwendig. Insbesondere un- deutlich: einer funktionalen Projektorganisati- Entscheider*innen über die Manager*innen erfahrene Banken, die sich entscheiden, eine on. Ihr primäres Ziel ist es, im Projektverlauf bis hin zur operativen Ebene. Fusion ohne externe Unterstützung durchzu- effektiv und effizient Entscheidungen zu tref- führen, laufen hier Gefahr, die Anforderun- fen. Diese Projektorganisation bietet dann Was ist das wichtigste Element des gen zu unterschätzen. auch die benötigte Struktur, um die Aktivitä- Projektmanagements? ten der juristischen, organisatorischen und A und O einer Fusion ist neben einer voraus- Wie sieht Ihr Ansatz im Projektma- technischen Fusion abzuarbeiten. schauenden Planung eine effektive und effizi- nagement aus? ente Kommunikation mit den Stakeholdern, Unser Projektmanagementansatz steht auf Um welche Phasen handelt es sich also allen am Projekt Beteiligten. Eine regel- den zwei Pfeilern Projektwilligkeit und Pro- dabei? basierte und schlanke Projektkommunikati- jektfähigkeit. Fehlt eine dieser beiden Voraus- Wir unterteilen die Aktivitäten grundsätzlich on unterstützt die Projektorganisation dabei setzungen, ist das Projekt bereits zum Schei- in sechs Phasen: 1. Sondierung, 2. Vorberei- nachhaltig und dient den Projektleiter*innnen tern verurteilt. tung, 3. Konzeption Zielbild, 4. Ausarbeitung als ständiger „Pulsmesser“ des Projekts. So Während die Projektwilligkeit bei den Konzeption, 5. Umsetzung und 6. Post-Mer- hat die Projektleitung einen guten Überblick handelnden Personen meistens gegeben ist ger, also die Integrationsphase nach einer Fu- aller Aktivitäten und kann Probleme oder (unterlegt mit den entsprechenden Ressour- sion. Der strategische Fokus nimmt mit jeder Schwächen frühzeitig identifizieren. Auf die- cen), ist die Projektfähigkeit immer wieder Phase ab, während die operative Arbeit zu- se Weise werden alle direkt und indirekt am ein Problem. nimmt. In der Praxis sind die Phasen jedoch Projekt Beteiligten regelmäßig abgeholt – nicht „hart“ voneinander getrennt, denn vie- das Commitment für die Fusion steigt. le Aktivitäten überlappen sich. Dr. Volker Hetterich 5-2021 | GENIAL | 13
#GENOFORSCHOOL Genossenschaft macht Schule Was es bisher ausschließlich in Deutschland gab, hat nun auch in Österreich seinen Anfang genommen: Un- ter dem Motto „Genossenschaft macht Schule“ haben Schüler*innen der HBLA (Höhere Bundeslehranstalt) für Forstwirtschaft, der „Försterschule“ aus Bruck/Mur in der Steiermark, und der HLBLA (Höhere landwirtschaftliche Bundeslehranstalt) St. Florian in Oberösterreich jeweils eine Schülergenossenschaft gegründet, um kooperatives Wirtschaften in der Praxis zu erlernen. I n der Schülergenossenschaft der HBLA Försterschule in Bruck/Mur kümmern sich die jungen Genoss*innen um Einkauf und Vertrieb von Funktionskleidung für den Schulbetrieb mit dem eigens kreierten Logo ihrer Genossenschaft. Die Schüler*innen der HLBLA St. Florian widmen sich der Tierhaltung und werden künftig nicht nur die Schuljause betreuen, sondern zudem mit einem mobilen Hühner- stall die Versorgung mit Eiern sicherstellen. Beide Schülergenossenschaften gehen auf ein vom Österreichischen Raiffeisenver- band (ÖRV) initiiertes Pilotprojekt zurück, das gemeinsam mit den zuständigen Ministe- rien für Bildung und für Landwirtschaft sowie dem Österreichischen Genossenschafts- verband Schulze-Delitzsch (ÖGV) und dem Wohnbauverband (GBV) entwickelt wurde. Als Unterstützer und für den Praxisbezug mit an Bord sind jeweils Partnergenossen- schaften aus der Region sowie für die Gründungsbegleitung und die jährliche Revision der Schülergenossenschaft der jeweilige Landesrevisionsverband. Auch der Genossen- schaftsverband – Verband der Regionen war unterstützend tätig. Dominik Kitzinger, Be- reichsleiter Prüfung und Betreuung Genossenschaften Süd/West, freut sich, dass er sei- ne Erfahrung bei der Gründung und Betreuung von mittlerweile annähernd 200 Schü- lergenossenschaften in Deutschland einbringen konnte. Derzeit gibt es an österreichischen Schulen bereits 850 Übungsfirmen und 350 so- genannte Junior Companies. Mit den Schülergenossenschaften kommt nun eine neue Form dazu, die der österreichische Bundesbildungsminister Heinz Faßmann sogar als „Königsdisziplin der Schülerfirmen“ bezeichnet, weil in ihnen viele wichtige Aspekte im Fotos: HLBLA St. Florian, Försterschule Bruck/Mur Mittelpunkt stehen, „wie etwa nachhaltiges Wirtschaften in der Region, Finanzbildung, die vier Ks der 21st Century Skills – Kritisches Denken, Kreativität, Kooperation und Bild oben: Mobiler Hühner- stall der HLBLA St. Florian Kommunikation – und effektives Projektmanagement“, so der Minister, der Genossen- schaften insgesamt als „Rechtsform der Zukunft“ sieht. Bild unten: Vorstand und Für die Pilotphase wurden insgesamt vier Schulen in Österreich ausgewählt – neben Aufsichtsrat der Schülerge- der Försterschule Bruck und der HLBLA St. Florian sind das die Praxis-HAK in Völker- nossenschaft Försterschule markt und das Josephinum in Wieselburg, wo die Gründungsversammlungen noch an- stehen und jeweils im Herbst 2021 geplant sind. Brigitte Ott 14 | GENIAL | 5-2021
AUS DEM VERBAND AWADO vereinfacht das Compliance- Management Die stetig steigenden Anforderungen beim Thema Finanzmarkt- regulierung machen vor Genossenschaftsbanken nicht halt. Sie wirken sich unter anderem auch auf Aufgaben im Bereich Com- pliance aus und sind in den vergangenen Jahren immer viel- fältiger, umfangreicher und komplizierter geworden. Ein neues Angebot der AWADO GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (WPG StBG) schafft nun Abhilfe. B isher ist das Thema Compliance an • Alle anderen Aktivitäten werden eventu- verschiedenen Stellen in der Bank ell in Projektunterlagen, Mails oder Papier- verortet. Die meisten haben kein form abgelegt und einheitliches Compliance-Manage- • der Jahresbericht wird dann mühsam ma- ment-System. „Die Daten liegen in der Bank nuell erstellt, was insgesamt sehr kosten- Peter Uherr ist zertifizierter Experte für oft an vielen verschiedenen Stellen. Die Ver- und zeitintensiv, aber auch fehleranfällig, Compliance bei der AWADO WPG StBG. knüpfung der einzelnenThemen ist meist nicht ist. gegeben und eventuell notwendige Aktuali- Zusammen mit der FORUM Gesellschaft „MaRisk-Compliance“ bereits in diesen Ta- sierungen erfolgen nicht im entsprechenden für Informationssicherheit mbH entwickelt gen nach der abgeschlossenen Pilotphase Umfang“, erklärt Peter Uherr, Gesamtbank- die AWADO GmbH WPG StBG ein modu- mit ersten Banken. Danach folgen die Module Compliance-Manager bei der AWADO GmbH lares Compliance-Management-System, Tax-Compliance, WpHG-Compliance, Geldwä- WPG StBG. Als Beispiele nennt er: das unterschiedliche Compliance-Themen sche- und Betrugsprävention (zentrale Stelle) • Die Risikoanalyse wird zum Beispiel in und -Funktionen zusammenführt. „Dies er- und ein Gesamtbank-Modul über alle Com- Word oder Excel erstellt, meist einmal im möglicht Synergien, vermeidet Doppelarbei- pliance-Bestandteile (unter anderem eine Ge- Jahr, evtl. notwendige unterjährige Aktua- ten, fördert Transparenz und steigert letzten samtbank-Risikoanalyse). „Selbstverständlich lisierungen erfolgen selten. Endes den Nutzen für den Kunden“, erläu- begleiten wir die Banken auf Wunsch bei der • Ein rechtliches Monitoring wird oft ver- tert unser Compliance-Experte. Er ergänzt: Umsetzung – beratend, aber auch aktiv un- sucht über Notes darzustellen oder extern „Banken können es modular erwerben und terstützend, zum Beispiel bei der Erstellung eingekauft. bankindividuell an die jeweiligen Bedürfnisse von bankindividuellen Risikoanalysen, dem • Der Jahresüberwachungsplan wird manu- anpassen.“ Aufbau von rechtlichen Monitorings oder von ell in einem weiteren Medium aufwendig Jahresüberwachungsplänen sowie bei der Foto: AWADO WPG StBG zusammengestellt. Die dafür notwendige „MaRisk-Compliance“ ist startklar Durchführung von Kontrollhandlungen“, erklärt Herleitung ist oft nicht nachvollziehbar. Uherr. Wichtig sei vor allem, dass den Kunden • Kontrollhandlungen werden wiederum Die einzelnen Module werden jetzt nach und ein System zur Verfügung stehe, dass sie ei- in einem weiteren Medium isoliert doku- nach für die Banken angeboten. Ab 2023 ste- genständig nutzen können, bei dem alle Da- mentiert, die Ergebnisse werden aber oft hen dann alle Module für Compliance-The- ten im direkten Zugriff sind und dass sie in ih- nicht in die Risikoanalyse integriert. men zur Verfügung. Das Erste startet mit rer täglichen Arbeit unterstützt. 5-2021 | GENIAL | 15
„Wir beeinflussen bereits heute entscheidend die Lebensqualität der Generationen von morgen“ Dr. Henrik Pontzen, Leiter ESG (Environmental Social Governance) bei Union Investment, ist Mitglied im Nachhaltigkeitsrat des Genossenschaftsverbandes. GENiAL hat nachgefragt, was die genossenschaftlichen Fondsexpert*innen unter Nachhaltigkeit verstehen, was das alles mit Investmentfonds und Sparen zu tun hat und wie er sich im nachhaltigen Netzwerk des Verbandes einbringen möchte. Was verstehen Sie unter Nachhaltig- Was können Sie als Assetmanager dite zu verzichten, wie unsere Befragungen keit? beim Thema Nachhaltigkeit tun, und zeigen. Das ist aber gar nicht nötig, im Ge- DR. HENRIK PONTZEN: Bei Union Invest- was tun Sie bereits? genteil. Die Berücksichtigung von Nachhal- ment beschäftigen wir uns seit gut 30 Jahren Wir berücksichtigen bereits beim über- tigkeitskriterien kann dazu beitragen, Risi- mit nachhaltigen Kapitalanlagen. Nachhal- wiegenden Teil des von uns verwalteten ken bei Investments frühzeitig zu erkennen. tigkeit umfasst für uns sowohl ökologische Vermögens ESG-Kriterien, nicht nur bei Handeln Unternehmen ohne Rücksicht auf (englisch: environmental) und soziale (social) den Nachhaltigkeitsfonds. Wir engagie- Gesellschaft und Umwelt, drohen ihnen er- Aspekte als auch eine verantwortungsvolle ren uns zudem als aktiver Aktionär. Unse- hebliche Reputationsschäden und finanzielle Unternehmensführung (governance), wofür re Fondsmanager*innen führen rund 4.000 Verluste. Werden Investments in Wertpapie- die englische Abkürzung „ESG“ steht. Viele Unternehmensgespräche im Jahr, bei de- re solcher Unternehmen vermieden, lassen Menschen verbinden Nachhaltigkeit bei der nen auch die Nachhaltigkeit eine große Rolle sich Risiken reduzieren und das Portfolio wird Geldanlage bisher in erster Linie mit Ökolo- spielt. Im Dialog mit den Unternehmen for- stabiler. Umgekehrt sollte es sich auszahlen, gie. Doch nur wer alle drei Säulen der Nach- dern wir Veränderungsprozesse ein. Natür- wenn sie auf nachhaltige Unternehmen set- haltigkeit berücksichtigt, investiert nachhaltig. lich arbeiten wir auch intensiv daran, unse- zen. Allerdings nicht nur auf solche, die be- re eigene Nachhaltigkeitsleistung zu verbes- reits sehr nachhaltig und daher oft teuer sind, sern. Unser unternehmensweites Nachhal- sondern auch auf Unternehmen, die auf dem tigkeitsprogramm wird jährlich geprüft und Weg sind, nachhaltiger zu werden. Gelingt kontinuierlich weiterentwickelt. diesen eine solche Transformation, fördert das den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft Was nutzt dies alles Ihren und kommt gleichzeitig den Sparer*innen zu- Kund*innen, was hat Sparen mit gute. Nachhaltigkeit zu tun? Sparen und Nachhaltigkeit sind ei- Nachhaltigkeit wird auch bei der nander ähnlich. Denn wer spart, Geldanlage zunehmend ein Thema, handelt vorausschauend – und weil Anleger*innen künftig dazu im wer vorausschauend handelt, Beratungsgespräch befragt werden handelt auch nachhaltig. Zuguns- müssen. Was sind hier die größten ten der Nachhaltigkeit wären vie- Herausforderungen? le Sparer*innen sogar bereit, Wir haben Berater*innen aus Genossen- bei der Geldanlage auf Ren- schaftsbanken und weiteren Geldinstitu- ten zum Thema Nachhaltigkeit befragt. Sie gehen davon aus, dass die nachhalti- ge Geldanlage stark an Bedeutung gewin- nen wird. Als Herausforderung haben sie „Nachhaltige Geldanlage wird stark an Bedeutung gewinnen.“ 16 | GENIAL | 5-2021
AUS DEM VERBAND Dr. Henrik Pontzen von Union Investment „Dank der Initiative des jedoch gleichzeitig die hohe Komplexität Genossenschaftsverbandes Durch den gesellschaftlichen Wertewandel des Themas und das Fehlen einer ein- ist eine Plattform geschaf- sowie neue Technologien gewinnt Nachhal- heitlichen Definition von Nachhaltigkeit tigkeit immer weiter an Bedeutung. Dabei genannt. Außerdem war vielen noch nicht fen worden, die bei der sollten sich Sparer*innen allerdings bewusst bewusst, dass sie zukünftig verpflichtet Nachhaltigkeit einen Blick sein, dass es keine Antwort auf die Herausfor- sein werden, Privatkund*innnen zu ihren derungen der Zukunft sein kann, ausschließ- Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. über den Tellerrand lich in besonders nachhaltige Branchen zu in- Der Informationsbedarf ist hier entspre- ermöglicht.“ vestieren. Vielmehr gilt es, den Wandel wich- chend hoch und nimmt noch weiter zu, je tiger Wirtschaftssektoren wie der Automo- mehr regulatorische Vorgaben zum Tragen bil- oder der Stahlindustrie zu begleiten und kommen. Wir haben in Zusammenarbeit kern statt, die beim Thema Nachhaltigkeit mit innovative Technologien gezielt zu fördern. mit unseren Partnerbanken bereits modu- ganz unterschiedlichen Herausforderungen Über die Geldanlage hinaus sollten wir uns als lar aufgebaute Schulungen rund um das konfrontiert werden. Als Vertreter von Uni- Konsument*innen natürlich alle die Frage stel- Thema Nachhaltigkeit durchgeführt. Darü- on Investment mit eigenem Nachhaltigkeits- len, welchen individuellen Beitrag wir für eine ber hinaus erhalten die Berater*innen von team und Nachhaltigkeits-Research kann ich lebenswerte Zukunft leisten können. Denn uns umfangreiche Materialien, damit sie unsere neuesten Erkenntnisse mit in die Dis- wir beeinflussen bereits heute entscheidend ihren Kund*innen die nachhaltige Geldan- kussion einbringen. Im Gegenzug erfahre die Lebensqualität der Generationen von mor- lage und entsprechende Produkte näher- ich, was die Kolleg*innen in der Verbandsfa- gen. bringen können. milie beim Thema Nachhaltigkeit aktuell be- Fotos: Union Investment, Jan Will/adobe.com wegt und auf welche Lösungen sie setzen. Wie nachhaltig leben Sie selbst Wie können Sie mit Ihrer Expertise Vor allem im Hinblick auf die Entwicklung privat? den Nachhaltigkeitsrat des Genos- neuer Ansätze und Konzepte ist eine solche Beruflich fahre ich meist mit dem Zug und senschaftsverbandes unterstützen? Vernetzung im Nachhaltigkeitsrat sehr hilf- privat mit dem Rad, ohne jedoch ganz auf Dank der Initiative des Genossenschaftsver- reich, um die verschiedenen Bedürfnisse be- ein Auto zu verzichten. Lebensmittel kaufe bandes ist eine Plattform geschaffen wor- rücksichtigen zu können. ich überwiegend auf dem Wochenmarkt und den, die bei der Nachhaltigkeit einen Blick baue neuerdings auch Gemüse in einem Ge- über den Tellerrand ermöglicht. Im Nachhal- Was können und müssen wir tun, um wächshaus im eigenen Garten an. Und bei tigkeitsrat findet mit wissenschaftlicher Be- die Welt für heutige und zukünftige der Geldanlage setze ich natürlich vor allem teiligung ein intensiver Austausch von Prakti- Generationen zu gestalten? auf nachhaltige Investments. 5-2021 | GENIAL | 17
Genossenschaften für Geschlechter- gleichheit Der „Im Fokus“-Themenplan von GENiAL 2021 entlang der UN-Nachhaltigkeitsagenda und was dies für Genossenschaften bedeutet: Ausgabe 1: Wirtschaft, Innovation und Infrastruktur (UN-Ziel 9) Ausgabe 2: Gesundheit und Wohlergehen (UN-Ziel 3) Ausgabe 3: Hochwertige Bildung (UN-Ziel 4) Ausgabe 4: Nachhaltige Städte und Gemeinden (UN-Ziel 11) Aktuell: Geschlechtergleichheit (UN-Ziel 5) Ausgabe 6: Bezahlbare und saubere Energie (UN-Ziel 7) Foto: gerasimov174/adobe.com; Quellen: Bundesregierung, Statistisches Bundesamt 18 | GENIAL | 5-2021
SCHWERPUNKT GESCHLECHTERGLEICHHEIT 1919: Deutschland führt das Frauen-Wahlrecht ein. 1957: Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts wird verabschiedet. 1958: Frauen dürfen von nun an ein eigenes Konto eröffnen und über ihr eigenes Geld entscheiden. 1977: Reform des Ehe- und Familienrechts im Juni 1994: Der Paragraf 175 des deutschen BGB. Bisher durften Frauen Strafgesetzbuches wird abgeschafft. Er stellte bis nur arbeiten, solange sie dahin sexuelle Handlungen zwischen Personen die Familie und Ehe nicht männlichen Geschlechts unter Strafe. vernachlässigten. 12. August 2021: Das 2. Führungspositionengesetz tritt in Kraft. Es enthält verbindliche Vorgaben für die Wirtschaft und den öffentlichen Dienst bei der Besetzung von Frauen in Führungspositionen. „Tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern haben wir in Deutschland noch nicht erreicht. Es bleibt noch viel zu tun.“ Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (16. August 2021) Die Bundesregierung schließt sich deshalb dem 5. Ziel Geschlechtergleichheit der UN-Nachhaltigkeitsagenda an, das vor allem die Benachteiligung von Frauen und Mädchen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik aufheben will. Auch GENiAL konzentriert sich in dieser Ausgabe auf das Thema und berichtet über starke Män- Frauenanteile: Bundestag 31 Prozent, auf kommunaler ner und Frauen in Ebene in Führungspositionen ebenso starken 30 Prozent, in den Verwaltungs- Genossenschaften. spitzen von Städten und Gemeinden 11 Prozent, bei Universitätsprofessuren 24,7 Prozent 5-2021 | GENIAL | 19
Digitalisierung geschlechtergerecht Dr. Caroline Richter ist Soziologin am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Welche Rolle spielt dabei die Künstli- che Intelligenz? Die Künstliche Intelligenz (KI) ist ja nicht von sich aus neutraler oder objektiver. Sie wird von Menschen, vorwiegend Männern, ge- staltet, die von sich und ihrer Lebens- und Arbeitswelt ausgehen. Softwaresysteme für Personalauswahlverfahren verbreiten sich in- zwischen auch in Europa. Lebensläufe wer- den von algorithmischen Systemen gescannt und bewertet. Durch Videospiele und Analysen von Ton- und Videoaufnahmen in Bewerbungsgesprä- chen werden Soft-Skills-Profile erstellt und damit die Eignung der Kandidat*innen für einen Job berechnet. Oft basieren die Sys- teme auf Tausenden Vergleichsdatensätzen GENiAL sprach mit der aus Lebensläufen oder Spielergebnissen er- folgreicher Mitarbeiter*innen. Werden die Soziologin Dr. Caroline Lebensläufe einer vorwiegend männlichen Richter, die der Sach- Belegschaft oder Führungsetage zugrunde Das Gutachten zum 3. Gleichstel- verständigenkommission gelegt, schneiden Bewerberinnen prinzipiell lungsbericht der Bundesregierung schlechter ab. Amazon verzichtete deshalb stellt fest: Die digitale Welt ist immer zum 3. Gleichstellungs- 2016 auf eine solche Software zur Führungs- noch männlich, also nicht geschlech- bericht der Bundesregierung kräfteauswahl. Auch viele andere Digitalisie- tergerecht. Können Sie Beispiele angehört. rungsansätze haben große Diskriminierungs- nennen? potenziale, natürlich auch in allen anderen DR. CAROLINE RICHTER: In der digitalen Lebenswelten. Lebens- und Arbeitswelt ist es grundsätz- lich nicht anders als in der analogen. Auch dien geschlechterneutral oder geschlechter- Woran liegt es, dass Frauen in der di- hier gibt es Diskriminierungen, Ungleichhei- gerecht, wie geschlechterbezogene Gewalt gitalen Welt so wenig präsent sind? ten oder Ausgrenzungen. In der Sachver- und „Hate Speech“ zeigen. Gibt es Zugangsbarrieren? ständigenkommission haben wir diskutiert, Bei algorithmischen Zugangssystemen Ja, viele. Einige sind davon unmittelbar ge- was eigentlich das „Neue“ für Geschlech- aus den USA kann es passieren, dass einer schlechtsbezogen, andere überschneiden terperspektiven durch Digitalisierung ist. Frau mit Doktortitel der elektronische Zugang sich mit anderen Diskriminierungskategorien Unser Fazit: Die Erscheinungsformen sind zu einer Frauenumkleidekabine in einem Fit- und das über den gesamten Lebensverlauf anders, und es entstehen neue Gelegenhei- nessstudio verwehrt wird. Es ordnet den hinweg. Neben Zugangs- führen aber auch ten, Ungleichheiten sichtbar zu machen. Wir Doktortitel nur Männern zu. „Frau Dr.“ wäre Nutzungs- und Gestaltungsbarrieren dazu, sprechen deshalb gerne von „altem Wein in also in die männliche Umkleidekabine hinein- dass Frauen potenziell weniger beteiligt, un- schnelleren Schläuchen“. gekommen. Und Sprachassistenzsysteme sichtbarer und machtloser sind. Und ja, es gibt zahlreiche Beispiele für wie Siri oder Alexa haben weibliche Namen Der Digitalbranche fehlt die Beteiligung eine nicht geschlechtergerechte digitale und Stimmen und wussten anfänglich in ih- von Frauen wie auch die Diversität. Das muss Welt: Mädchen finden nach wie vor schwe- ren direkt programmierten Antworten zwar, sich dringend ändern. Nicht Frauen müssen rer den Zugang zu MINT-Fächern, der Drop- wie die Sextarife für heterosexuelle Männer fit für die Digitalbranche gemacht werden, out von Frauen aus der Informations- und sind und wo es Kondome gibt. Sie wussten sondern die herrschende Arbeits-, Organi- Kommunikationstechnik-Branche ist ange- aber nicht, wo es die Pille gibt, was ein Tam- sations- und Ausbildungskultur muss ge- sichts der ohnehin geringen Repräsentanz pon ist oder wo Frau Hilfe bei ehelicher Ge- schlechtergerecht gestaltet werden. Das gilt immens hoch. Auch das mobile Arbeiten ist walt findet. auch für andere Branchen wie zum Beispiel nicht automatisch ein Selbstläufer für ge- die Plattformökonomie, die Arbeitskräfte für Foto: Privat schlechtergerechte Vereinbarkeit oder Er- Essenslieferung oder Reinigungsarbeiten on- werbsarbeit, ebenso wenig sind soziale Me- line vermittelt. Frauen haben hier höhere Risi- 20 | GENIAL | 5-2021
SCHWERPUNKT GESCHLECHTERGLEICHHEIT gestalten Das Gutachten sowie weitere Empfehlungen der Sachverständigenkommission sind zu finden unter: www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/topic/61.veroeffentlichungen.html „Der Digitalbranche fehlt die Beteiligung von Frauen wie auch die Diversität. Das muss sich dringend ändern.“ ken. Sie haben zwar in ihrer Arbeit mehr Fle- xibilität und Regionalität, andererseits ist der rechtliche Status der hier arbeitenden Men- schen zu klären. Außerdem müssen die hier möglichkeiten staatlicher Institutionen, Un- Ansätze müssen deshalb weiter ausgebaut erworbenen Erfahrungen und Kompetenzen ternehmen und anderer Organisationen wie werden. sichtbar sein, damit die Übergänge im Le- auch aus den Wertvorstellungen der beteilig- Sehr wichtig ist auch das Thema Bildung bensverlauf erleichtert werden. ten Akteur*innen eingewoben. Bei der Ent- und Weiterbildung. Die Weiterbildungsbetei- wicklung von Technik und speziell der von Al- ligung steigt insgesamt, aber die Geschlech- Was empfiehlt die Sachverständigen- gorithmen orientieren sich Entwickler*innen terungleichheiten bleiben. Digitale Angebo- kommission, um mehr Geschlechter- und Entscheider*innen noch zu oft an sich te könnten für Menschen mit Sorgeverant- gerechtigkeit zu erreichen? selbst und ihrer eigenen Erfahrungswelt. Die wortung oder Beeinträchtigungen leichter Wir haben 101 konkrete Handlungsempfeh- Bedürfnisse der Nutzer*innen werden da- zugänglich sein. Nur brauchen sie dann auch lungen erarbeitet, für die wir die Digitalbran- bei nicht genügend berücksichtigt. Und weil digitale Kompetenzen, um diese Materialien che, die digitale Wirtschaft, die digitalisierte Frauen in der KT kaum repräsentiert sind, nutzen zu können. Diese Kompetenzen müs- Wirtschaft und die digitalisierte Gesellschaft fehlen ihre Perspektiven. Dabei wäre es sen schon im Kindergarten und in der Grund- analysiert haben. wichtig, für lebensnahe Tests von Konzepten schule vermittelt werden. Geschlechterge- Technik und ihre Entwicklung sind nicht und Prototypen Beteiligte und Kontexte so rechtigkeit im digitalen Bereich braucht also neutral. Sie sind immer in einen sozialen divers wie nur möglich auszuwählen. In der eine Lebensverlaufsperspektive. und kulturellen Kontext aus politischen Rah- Arbeitswelt müssen Hierarchien und Macht- Sabine Bömmer menbedingungen, Interessen und Einfluss- gefüge berücksichtigt werden. Partizipative Wir verbinden. Füreinander. Aus Fiducia & GAD wird Atruvia. Damit wir die Zukunft besser machen, bilden wir eine starke Gemeinschaft. Denn wir glauben daran, dass man gemeinsam weiter kommt als alleine. Zusammen übersetzen wir Ideen, Technologien und Daten in ein fache, sichere Angebote und zukunftsfähiges Banking. Füreinander – in einer digitalisierten Gesellschaft, die atruvia.de ein menschlicheres Miteinander schafft.
Deutschlands erste Bankdirektorin Emmeline Stegmann war nicht nur die erste genossenschaftli- che, sondern Deutschlands erste Bankdirektorin überhaupt. W ar Hermann Schulze-De- genossenschaftliche, sondern generell die litzsch, der Gründer des erste Bankdirektorin Deutschlands. Steg- deutschen Genossen- mann wurde am 23. Juli 1865 in Schönlan- schaftswesens und Verfas- ke in der preußischen Provinz Posen (heute ser des Genossenschaftsgesetzes, ein Fe- Polen) geboren. Ein Jahr zuvor hatten neun minist? Dann hat ihm Emmeline Stegmann Personen, darunter auch Stegmanns Vater, in im Jahre 1907 ihren Aufstieg zur Chefin des der etwa 4.000 Einwohner großen Stadt eine Spar- und Vorschussverein zu Schönlanke örtliche Genossenschaftsbank gegründet. eGmbH, der späteren Volksbank Schönlanke, Mit 21 Jahren absolvierte Emmeline Steg- zu verdanken. mann dort eine Lehre und arbeitete dann Denn Schulze-Delitzsch unterschied in mit ihrem Vater zusammen, der als Kassierer seinem Gesetz von 1867 nicht zwischen dem Bankvorstand angehörte. weiblichen und männlichen Genossen- schaftsmitgliedern. Damit leistete er be- Außergewöhnliche Karriere wusst oder unbewusst einen wichtigen Bei- trag zur Gleichstellung von Mann und Frau. Als die junge Frau zur Direktorin gewählt Doch es sollte noch einige Gerichtsverfahren wurde, hatte die Genossenschaft etwa 900 und Jahre dauern, bis der Jurist und Publi- Mitglieder, einen Umsatz von 65 Millionen zist Ludolf Parisius, ein enger Mitstreiter von Mark und ein Eigenkapital von rund 500.000 Schulze-Delitzsch in der Verbandszeitschrift Mark. 1908 konnte Emmeline Stegmann mit „Blätter für das Genossenschaftswesen“ ihren Mitarbeitern das neu erbaute Bankhaus öffentlich feststellte: „Wir würden uns […] beziehen. Aus diesem Anlass stiftete sie nicht graulen, eine Volksbank unter weibli- ein Medaillon, auf dem ein von Bienen um- Emmeline Stegmann: Deutschlands erste chem Zepter zu erblicken.“ Und weiter: „Eine schwärmter Bienenkorb – als Symbol für das Bankdirektorin Volksbank-Direktrice ist heute schon gesetz- Sparen – dargestellt war. Dieses hatte die In- lich möglich“. schrift: „Nur ernste Arbeit sichert den Erfolg“. 28 Jahre später (1895) berichtetete die Die Karriere von Stegmann war so außer- Verbandszeitschrift, dass nur eine Kreditge- gewöhnlich für die Zeit, dass verschiedene nossenschaft ein weibliches Vorstandsmit- große Familien- und Frauenzeitschriften aus- glied habe: ein westpreußischer Vorschuss- führlich über sie berichteten. Dadurch wurde verein, in dem „seit einer Reihe von Jahren Emmeline Stegmann in ganz Deutschland infolge von Wahl und Wiederwahl als ein- bekannt. getragenes Vorstandsmitglied ein Fräulein Über 25 Jahre führte die Vorständin ihre zu allgemeiner Zufriedenheit die Stelle des Bank erfolgreich – unter anderem durch den Hochanerkannt und vielfach ausgezeichnet: Buchhalters“ ausübte. Ersten Weltkrieg, die Inflationszeit und die Emmeline Stegmann Es vergingen weitere zwölf Jahre, bis am Weltwirtschaftskrise. Innerhalb des Deut- an ihrem 70. Geburtstag 19. Juni 1907 Emmeline Stegmann einstim- schen Genossenschaftsverbandes war sie mig zum ersten Vorstandsmitglied der Spar- eine anerkannte Persönlichkeit, die auf den und Vorschussverein zu Schönlanke eGmbH, Verbandstagen oft das Wort ergriff. Auch in der späteren Volksbank Schönlanke, gewählt ihrem Heimatort wurde sie geschätzt und zur wurde. Damit wurde sie nicht nur die erste ersten weiblichen Geschworenen gewählt. Fotos: Kreisarchiv-Nordfriesland, Fotoalbum N-F 21. Die Bildrechte konnten nicht ermittelt werden, Rechteinhaber mögen sich gegebenenfalls melden. 22 | GENIAL | 5-2021
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