Trialog Wandel mit Struktur - Beteiligungsformate zur Gestaltung der Transformation in der Lausitz - HUMBOLDT-VIADRINA ...
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Trialog® Wandel mit Struktur Beteiligungsformate zur Gestaltung der Transformation in der Lausitz Prof. Dr. Gesine Schwan, Katja Treichel und Raffael Barth
Die Lausitz und ihre Landkreise LDS Landkreis Dahme-Spreewald SPN Spree-Neiße EE Elbe-Elster BZ Bautzen OSL Oberspreewald-Lausitz GR Görlitz C Cottbus Bergbaugebiet 2
Inhalt 1. Hintergrund des Projekts und Trialogs S. 4 1.1 Einbettung und Aufbau des Projekts S. 4 1.2 Der Trialog S. 5 1.3 Auswahl der Inputgebenden S. 6 1.4 Agenda S. 7 2. Analyse des Trialogs S. 8 2.1 Auswertungsmethode und Überblick S. 8 2.2 Herausforderungen der Transformation S. 9 2.3 Chancen der Transformation S. 12 2.4 Kultur und Identität S. 14 2.5 Partizipation zur Gestaltung des Wandels S. 17 2.5.1 Grundlegendes S. 17 2.5.2 Partizipation Ja! – aber Wie? S. 19 2.5.3 Beispiele für Partizipationsansätze S. 20 2.5.4 Zusammenfassung Partizipation S. 29 2.6 Transformationsnotwendigkeiten S. 31 2.7 Zusammenfassung, offene Fragen und Handlungsempfehlungen S. 33 3. Ausblick auf Folgeaktivitäten S. 36 4. Stakeholder-Auswertung S. 37 Annex I: Z usammenfassung der beiden Workshops S. 40 für den Trialog Annex II: Über die HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform S. 46 und die Trialoge 3
1. Hintergrund des Projekts und Trialogs 1.1 Einbettung und Aufbau des Projekts Der Kohleausstieg ist beschlossen: die Kommis und Wissenschaft wesentliche Erfolgsfaktoren sion Wachstum, Strukturwandel und Beschäfti- für einen gelungenen Transformationsprozess gung legte vor einem Jahr, am 26. Januar 2019 darstellen. ihren Abschlussbericht vor mit der Empfeh lung, bis spätestens 2038 aus der Kohlenener gie auszusteigen und die betroffenen Regio „Was ist sinnvoll, wo soll nen mit Strukturhilfen zu unterstützen. Mit den Gesetzen zur Strukturstärkung und dem was hingehen, wo soll Kohleausstieg sollen diese Empfehlungen um gesetzt werden. Dennoch bleibt manches aus was nicht hingehen? [...] Sicht vieler beteiligter Akteure umstritten, an deres unklar. Die Diskussionen zwischen den all diese Fragen stehen am gesellschaftlichen Akteuren befassen sich mit energie- und klimapolitischen Fragen, mit Beginn des Prozesses.“ wirtschaftlichen Auswirkungen und möglichen Politik und Verwaltung Gegenmaßnahmen sowie finanziellen, sozia len und kulturellen Aspekten der Beendigung der Kohleverstromung. Ziel des Projektes Partizipatorische Entwick- lungsstrategie für die Lausitz ist es, Fragen der Das vom Bundesministerium für Umwelt, Na Kultur und Identität in den Strukturwandelpro turschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ge zess zu integrieren sowie Vertrauen durch Teil förderte Projekt Partizipatorische Entwick- habe und damit Mut und Zuversicht zu för lungsstrategie für die Lausitz fokussierte sich dern. Das Projekt möchte den Umgang mit auf die Frage, wie der Kohleausstieg in der Perspektivenvielfalt sowie mit Argumenten Lausitz von den Bürgerinnen und Bürgern vor und Begründungen als Grundlage der Koope Ort zunehmend als Chance wahrgenommen ration und Zukunftsgestaltung unterstützen. werden könnte. Denn gerade in der struktur Im Rahmen des neunmonatigen Projekts ha schwachen Lausitz leistet Kohle seit langem ben neben dem Trialog in Berlin zwei Work einen wesentlichen Beitrag zur regionalen shops in der Lausitz stattgefunden, auf denen Wertschöpfung und ist aufgrund der histori insgesamt ca. 70 Akteure aus Politik und Ver schen Bedeutung für den wirtschaftlichen waltung, Wirtschaft, organisierter Zivilgesell Aufschwung auch identitätsstiftender Faktor. schaft und Wissenschaft sowie Kulturschaffen Dabei geht das Projekt davon aus, dass neben de anwesend waren. Die große Mehrheit der wirtschaftlichen Alternativen zur Kohleindust Teilnehmenden kam aus der Lausitz. Es wurden rie der Ausbau der Infrastrukturen, klug an aber auch explizit externe Akteure hinzugela gelegte Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger den, um auch die überregionale Expertise und aller Altersgruppen vor Ort und das Zusam Perspektive als Impulsgeber und Reflexionsflä menwirken mit Unternehmen, lokaler Politik che einzubringen. 4
Auf dem ersten Workshop wurde diskutiert, zu unterstützen. Dabei ging es sowohl um die was aus Sicht der Teilnehmer für eine gelunge technische Umsetzung der Formate als auch ne Transformation notwendig ist, was die Kri um Fragen von Kultur, Selbstverständnis, Selbst terien des Gelingens sind und welche Bedeu wertgefühl, Selbstwirksamkeit, Bürgernähe, tung Kultur und Identität in bisherigen Vertrauen, Mut zu Veränderungen und bishe Prozessen gespielt haben und in zukünftigen rige Erfahrungen und Enttäuschungen. Die Entwicklungen spielen sollten. Außerdem wur Teilnehmenden der beiden Workshops waren de betrachtet, welche Ideen zur Teilhabe an sich unter anderem darüber einig, dass nach Transformationsprozessen in der Lausitz be haltige Ermöglichungsstrukturen zu schaffen reits vorhanden sind, welche Akteure beteiligt seien und finanzielle Mittel auch kleineren Ins werden und wer darüber hinaus beteiligt wer titutionen zugute kommen sollten – nicht nur den könnte und sollte. Es wurden Beispiele denjenigen, die sowieso zumeist Zugang dazu wirtschaftlichen Unternehmertums aus der haben. Jedoch reiche Geld allein nicht aus, Lausitz vorgestellt, die in ihrer Kombination sondern auch weiche Faktoren wie Identität, mit kulturellen und sozialpsychologischen As Selbstwirksamkeit, Kultur und Gemeinschaft pekten Mut machen. Im zweiten Workshop seien wichtig für einen gelingenden Struktur gab es einen Austausch darüber, welche Betei wandel. Diese Faktoren müssen in die ver ligungsformate derzeit in der Lausitz und an schiedenen Verfahren auf kommunaler Ebene deren Regionen konkret genutzt werden, um systematisch integriert werden. gesellschaftspolitische Transformationsprozesse 1.2 Der Trialog Der Trialog Wandel mit Struktur: Beteiligungs- 1. Was sind gute Beispiele und Beteiligungs- formate zur Gestaltung der Transformation in formate einer Transformation? der Lausitz war die abschließende Veranstal tung im Rahmen des Projekts und fand am 2. Welche Kriterien spielen eine bedeutende 16. Januar 2020 in Berlin statt. Im Mittelpunkt Rolle? Wie können Akteure der Transforma- der Diskussionen stand, bereits bestehende tion beteiligt und erreicht werden? Wer partizipatorische Ansätze zusammenzuführen, sind die Akteure der Transformation? gegebenenfalls mit weiteren zu verbinden und ihre Übertragbarkeit auf oder ihre Anpassung 3. Welche Rolle spielt Kultur in Transformati- für die Lausitz zu diskutieren. onsprozessen? Ausgangspunkt der Diskussion bildeten die Er 4. Inwieweit mobilisieren einzelne Formate gebnisse der ersten beiden Workshops in der und schaffen Win-Win-Situationen – und Lausitz (siehe auch Annex I) sowie sich daraus welche Voraussetzungen braucht es dazu? ergebende Leitfragen, die im Vorfeld abge stimmt wurden: 5
1.3 Auswahl der Inputgebenden Im Allgemeinen erfolgt die Auswahl und Einla kratie e. V., stellte nach der Mittagspause die dung der Inputgeber*innen entlang der Stake Ergebnisse des Bürgerrats Demokratie vor und holderzuordnung1 des Trialog-Formats Politik diskutierte, inwiefern ein derartiges Beteili und Verwaltung, Wirtschaft, organisierte Zivil gungsformat auf den Strukturwandel in der gesellschaft und Wissenschaft (siehe Annex II). Lausitz übertragbar wäre. Außerdem sprach Bei diesem Trialog standen hingegen die un Dr. Juliane Stückrad über ostdeutsche Trans terschiedliche Beteiligungsformate im Vorder formationserfahrungen und wie diese Partizi grund und deren Diskussion im Rahmen der pationsprozesse beeinflussen können. Im letz Erfahrungen aus der Lausitz, sodass Vertre ten Input stellte Dr. Malisa Zobel mit den ter*innen verschiedener Beteiligungsformate Multi-Stakeholder-Beiräten ein weiteres Betei sowie der Lausitz aus den Stakeholdergruppen ligungsformat vor, welches für die zukünftige Politik und Verwaltung, organisierte Zivilge Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz sellschaft und Wissenschaft kurze Inputs ga gewinnbringend sein könnte. ben. Die Einladung der Teilnehmenden erfolgte wie gehabt breit über die Stakeholdergruppen Die Begrüßung und Moderation des Trialogs er verteilt und ermöglichte somit eine vielfältige folgte durch Prof. Gesine Schwan, HUMBOLDT- Plenumsdiskussion. VIADRINA Governance Platform. Die Begrüßung des Trialogs erfolgte von Seiten Sowohl die Ergebnisse des Projekts als auch des BMU durch den Ministerialdirektor Diet die Diskussionen des Trialogs finden Eingang mar Horn, Abteilungsleiter Grundsätzliche und in die Überlegungen des BMU, die Struktur übergreifende Angelegenheiten der Umwelt wandelprozesse politisch weiter zu entwi politik, Nachhaltigkeit, gesellschaftspolitische ckeln. Das auf Grundlage der Kommission Grundsatzfragen. Anschließend stellte Ralf Wachstum, Strukturwandel und Beschäfti- Brehmer, Bürgermeister der Gemeinde Riet gung und des entsprechenden Gesetzes zur schen, die kommunalpolitische Perspektive Verfügung zu stellende Budget für die nächs des Strukturwandels in der Lausitz vor. ten 20 Jahre muss klug eingesetzt werden. Prozesse wie die in diesem Projekt helfen zu Danach folgten Impulsvorträge aus der Sicht entscheiden, „wie sind die Verfahren, nach weiterer Akteure: Zunächst erläuterte Evelyn denen verteilt wird. Was ist sinnvoll, wo soll Bodenmeier von der Zukunftswerkstatt, Wirt was hingehen, wo soll was nicht hingehen? schaftsregion Lausitz, die Erfahrungen aus Wie kriegt man das an die Kommunen über dem Prozess Leitbild für die Lausitz. Im An die Länder [...] all diese Fragen stehen am Be- schluss schilderte Dirk Neubauer, Bürgermeis ginn des Prozesses“ (Politik und Verwaltung). ter Stadt Augustusburg, wie Bürgerbeteiligung Sie werden in der Bundesregierung beraten, durch Bürgerprojekte praktisch umgesetzt mit den Ländern, den Kommunen und weite werden kann. Claudine Nierth, Mehr Demo ren Stakeholdern. 1 Diese formale Unterteilung hat selbstverständlich ihre Grenzen: Ein*e Unternehmer*in ist bspw. auch Teil der organisierten Zivilgesellschaft, genauso wie auch ein*e Politiker*in usw. Gleichwohl bestehen dominierende Rollenwahrnehmungen, die über diese Unterteilung abgebildet werden. 6
1.4 Agenda 08:30 Anmeldung und Kaffee 13:00 Mittagspause 09:00 Begrüßung und Einführung 14:00 Ergebnisse des „Bürgerrat Demo Gesine Schwan, HUMOBLDT-VIADRINA kratie“ – ein Fall für die Lausitz? Governance Platform Claudine Nierth, Mehr Demokratie e. V. 09:15 I mpulse zum Kohleausstieg in der 14:20 Ostdeutsche Transformations Lausitz – Teilhabe und Transformation erfahrungen – Lokale Krisen und Dietmar Horn, Bundesministerium für deren Überwindung Umwelt, Naturschutz und nukleare Juliane Stückrad, Universität Jena Sicherheit, Abteilungsleiter Ralf Brehmer, Bürgermeister 14:40 Multi-Stakeholder-Beiräte für die Gemeinde Rietschen Lausitz? Malisa Zobel, HUMBOLDT-VIADRINA 09:45 Diskussion zwischen allen Governance Platform Teilnehmenden 15:00 Diskussion zwischen allen 10:30 Kaffeepause Teilnehmenden 11:00 Erfahrungen aus dem Prozess 16:00 Kaffeepause „Leitbild für die Lausitz“ Evelyn Bodenmeier, Zukunftswerkstatt, 16:30 Abschlussdiskussion und Wirtschaftsregion Lausitz Zusammenfassung Gesine Schwan, HUMBOLDT-VIADRINA 11:15 Augustusburg – durch Bürgerprojekte Governance Platform Teilhabe ermöglichen Dirk Neubauer, Bürgermeister 17:00 Ausklang der Veranstaltung Augustusburg 11:30 Diskussion zwischen allen Teilnehmenden 7
2. Analyse des Trialogs 2.1 Auswertungsmethode und Überblick Die qualitative Auswertung der transkribier erreichen wir eine tiefergehende Interpreta ten Diskussion erfolgte angelehnt an die do- tion des Materials als es bei einer Interpreta kumentarische Methode nach Ralf Bohnsack, tion ausschließlich entlang des Diskussions eine etablierte Methode der qualitativen So verlaufs möglich ist. Die diskutierten Themen zialforschung, die insbesondere für die Aus werden schließlich gebündelt dargestellt und wertung von Gesprächen mit mehreren Per prägnante Aussagen zitiert. sonen angewandt wird. Mit diesem Verfahren In der Auswertung des Transkriptmaterials • Rolle von Kultur und Identität erwiesen sich folgende Themen als diskussi onsleitend: • Beteiligung und Formate – Beispiele, Anfor derungen, Möglichkeiten • Herausforderungen der Transformation • Transformationsnotwendigkeiten • Chancen der Transformation – gemeinsam gestalten Es handelt sich bei der dokumentarischen Me Im ersten Schritt wird herausgearbeitet, wel thode um ein verstehendes Verfahren, das sich che Themen und Unterthemen im Interview für die Rekonstruktion und Interpretation im oder der Gruppendiskussion angesprochen manenter Sinngehalte von Erzähl- und Diskurs werden. Im zweiten Interpretationsschritt er verläufen eignet. Leitgedanke des Begründers folgt eine Rekonstruktion und Explikation des des Verfahrens, Ralf Bohnsack, ist, dass ein Rahmens, innerhalb dessen das Thema abge Unterschied zwischen Verstehen und Interpre handelt wird. Diese Identifizierung von Bedeu tieren existiert, der durch die Rekonstruktion tungszusammenhängen wird als reflektieren- überwunden werden soll. de Interpretation bezeichnet. Nachdem der Diskursverlauf im Zuge der formulierenden und der reflektierenden Interpretation in seine Komponenten zergliedert wurde, wird in der Verstehen Interpretation so genannten Fallbeschreibung all dies wieder zusammengesetzt und eingebunden. An die ser Stelle entwickelt man eine Art Nacherzäh lung der Diskussion. Dabei werden ausgewähl te Textpassagen als Zitate eingefügt. Rekonstruktion Weitere Informationen bspw. auf https://blogs.uni-paderborn.de/fips/2014/11/26/ dokumentarische-methode/ 8
Diese Themen wurden mit den dazugehörigen Sie zeigen, wie aus Sicht der vertretenen Sta Beiträgen näher beleuchtet und ausgewertet. keholder weitere Entwicklungsprozesse ange Aus den Ergebnissen ergibt sich ein Stand der gangen werden sollten und welche offenen Diskussion, aus dem sich Korridore eines gesell Fragen und Gesichtspunkte der weiteren Ver schaftlichen Grundkonsenses ableiten lassen. tiefung bedürfen. 2.2 Herausforderungen der Transformation Die Herausforderungen des Strukturwandelpro Transformationshindernis dar – und zwar auf zesses wurden im Trialog von verschiedenen sämtlichen Ebenen. Es fehle in vielen Bereichen Seiten beleuchtet. Allgemein kommen den The geordnetes Wissen, wie wir Menschen, auch men politische Strukturen, Finanzierung von aus anderen Ländern, dafür gewinnen, in den Strukturwandelprozessen, deren Nachhaltigkeit ländlichen Raum (zurück) zu ziehen und dauer sowie soziale und kulturelle Hintergründe der haft dort zu bleiben und Entwicklungen vor Ort Regionen eine besondere Bedeutung hinzu. Die mit voranzutreiben. Noch stochert „jeder so Teilnehmenden verwiesen darauf, dass der ein bisschen mit der Stange im Nebel, aber wir Strukturwandel in der Lausitz nicht isoliert ge kommen zu keinen strukturierten Lösungen. schieht. „Die Lausitz hat die gleichen Heraus- Die Vielfalt der Lösungen, die lokal gefunden forderungen wie alle anderen ländlichen Regio- wurden und angemessen sind, können so über- nen in Europa“ (Politik und Verwaltung). Der haupt nicht multipliziert und weiterentwickelt Kohleausstieg sei nur eine Initialzündung für die werden“ (Wissenschaft). Eine besondere regio Diskussionen über Transformationserfordernis nale Herausforderung ist, dass sich die Lausitz se, die alle Regionen berühren. Selbst in der über zwei Bundesländer erstreckt, die seit Lausitz betrifft die Kohle nur manche Kommu 30 Jahren unterschiedlich regiert werden und nen besonders stark. Grundsätzlich seien die in denen sich auch die Förderphilosophien un Gesellschaft und die dazugehörigen Rahmenbe terscheiden. So verläuft die Ländergrenze z. B. dingungen stets im Wandel. Dennoch müssen durch das Gebiet „Schwarze Pumpe“. Hinzu wir uns aktuell klar machen, wie groß die Her kommt, dass die Lausitz für Brandenburg ein ausforderungen sind. „Ansonsten führen wir ei wirtschaftlich relevantes Gebiet ist, während nen Diskussionsprozess, in dem die Rahmenda sie in Sachsen eine geringere Rolle spielt. ten nicht stimmen“, so ein Teilnehmer. Dazu gehöre aber auch zu erkennen: Strukturwandel sei nicht nur Verlust, Strukturwandel heiße auch positive Entwicklungsmöglichkeiten. Dabei rei „Die Lausitz hat chen weder Geld noch Arbeitsplätze allein aus, um die Chancen der Veränderung glaubwürdig die gleichen zu vermitteln und zu realisieren. Herausforderungen Vor diesem Hintergrund betonte eine Teilneh wie alle anderen ländlichen Regionen merin, dass in der Vergangenheit bereits viele Erfahrungen mit Strukturbrüchen und Struktur wandel gemacht wurden und ausreichend Ideen und Ansätze existieren, wie mit Transfor in Europa.“ mation umgegangen werden kann. Allerdings Politik und Verwaltung gibt es in „vielen Ministerien und Referaten Zugriffsprobleme auf diese Werkzeugkoffer“ (Wissenschaft). Informationsdefizite stellen ein 9
Eine weitere Teilnehmerin aus der Wissen Bürger nicht das Gefühl bekommen, sie setzen schaft betonte Defizite, die sie im Forschungs nur Fremdinteressen durch. Es brauche Owner bereich beobachte: transdisziplinäre Zusam ship und Verständnis für die Größe der Her menarbeit sei anspruchsvoll und oft nicht dort ausforderungen und entsprechende Visionen. zu finden, wo man sie am nötigsten braucht: Die Wahlergebnisse in den entsprechenden nämlich zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Bundesländern, Landkreisen und Kommunen Zivilgesellschaft. Damit wird die Deutungsho zeige, wie die Bürger*innen die Funktionalität heit „zwischen Akteuren [behindert], die teil- des Systems bewerten. Dies sei ein deutlicher weise schon seit 30 Jahren versuchen im länd- Hinweis, den wir ernst nehmen müssen. lichen Raum nicht als die Abgehängten zu gelten, sondern zu sagen, wir wollen hier noch was erreichen“ (Wissenschaft). Auch im wissen „Viele bisherigen schaftlichen Bereich fehle es an nachhaltigen Strukturen: Kommunen gehen skeptisch damit Beteiligungsansätze und um und vermuten hinter interessierten wis senschaftlichen Projekten, dass diese nicht Diskussionen in der langfristig angelegt sind und nach ein bis zwei Jahren Projektlaufzeit beendet werden. Es fehle Lausitz springen in vielen Bereichen an Vertrauen und Konti eigentlich zu kurz.“ nuität. Erschwerend kommt hinzu, schnell handeln zu müssen, aber zugleich gemeinsa Politik und Verwaltung me Entscheidungen zu treffen. Erfolgreiche Beteiligungsansätze zeigen, dass diese Zeit brauchen: „am Anfang kommen zwei, dann Hier setzt der Ansatz einer gemeinsamen, kommen fünf, am Ende kommen ein paar Dut- partizipativen Entwicklungsstrategie an. Dazu zend Leute. Das heißt auch, dass viele von den wurde angemerkt, dass es auch an Personal in Beteiligungsansätzen und Diskussionen, die den Kommunen fehle, die die Transformation wir in den letzten Monaten und Jahren in der partizipativ umsetzen können: Zwar gibt es Lausitz gefahren haben, eigentlich viel zu kurz fachlich gut ausgebildetes Personal, aber im springen. Da kann man sich im Grunde nur Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern Frust darüber abholen, dass das viel zu spät mangele es an geeigneten Aus- oder Fortbil kommt, dass das nicht themenangemessen dungen. Ziel sollte sein, Interessen abzufragen ist, dass die Ergebnisse nirgendwo hinfließen. und abzuwägen, um Prozesse schnell und ef Ich glaube, wir müssen uns mehr darüber Ge- fektiv anzulegen und Meinungen der Bür danken machen auf welcher Ebene, welche ger*innen angemessen in Entscheidungen zu Fragen auch von wem verhandelt werden und berücksichtigen. Dafür fehlt es an Werkzeu dann auch ein bisschen Geld und Zeit laufen gen, Instrumenten, Ressourcen, Mut und Er lassen, damit etwas entsteht“ (Wissenschaft). fahrungen. Auch in der Zivilgesellschaft man gelt es in der Lausitz an Ressourcen. So gibt es Andererseits wurde angemahnt, dass der Struk zwar Aktive, zivilgesellschaftliche Vereine und turwandel Menschen überfordern könne: ins Initiativen, aber oft stehen keine Ressourcen besondere, wenn Prozesse nur schleppend zur Verfügung, mit denen ihre Arbeit weiter vorankommen und nicht sichtbar ist, welche entwickelt werden und sich größere Wirkung positiven Entwicklungen erreicht wurden oder entfalten kann. Auf Landesebene gibt es häu langfristig angestrebt werden. Bisher wurde fig zu wenig Kenntnisse über die zivilgesell bereits zwei, drei Jahre über den Kohleaus schaftlichen Akteure vor Ort. Das gilt es zu be stieg politisch verhandelt ohne dass sich vor denken, wenn Prozesse mit unterschiedlichen Ort viel verändert hat. Wichtig sei in diesem Akteuren durchgeführt werden, die Vertrauen Zusammenhang auch, dass Bürgerinnen und voraussetzen. 10
Beide Herausforderungen – fehlendes Personal te bleiben und sich besser aus- und fortbilden in den Kommunen und fehlende Ressourcen in können in Schulen, Fachhochschulen, Berufs der organisierten Zivilgesellschaft sind eng akademien usw.. Die Frage sei aber auch, wie verknüpft mit allgemein fehlenden frei zu gewinne man Arbeitskräfte zurück, vor allem gänglichen Fördertöpfen: Es mangelt in den auch aus Westdeutschland, die vor 10, 20 Jah Kommunen an Personalmitteln, die im größe ren dort hingegangen sind. „Wir haben aber, ren Umfang meist nicht aus Bundesmitteln zur und das hat der Kollege gerade gesagt, ein gro Verfügung gestellt, sondern aus den Landes- ßes Fachkräfte-Problem auch jetzt schon. Also und Kommunalhaushalten gestemmt werden. die Vorstellung, da soll doch mal ein Großun Das wiederum ist im Rahmen der Schulden ternehmen sich in der Lausitz in Senftenberg bremse schwer zu ändern. Fördergelder müs ansiedeln, wird natürlich nicht kommen, weil sen leichter zugänglicher sein und es müsse ich dafür die Arbeitskräfte nicht habe“ (Politik mehr Vertrauen in die Kommunalverwaltung und Verwaltung). und deren Mittelvergabe gesetzt werden, an statt sie am „goldenen Zügel“ zu halten (Politik und Verwaltung). Vor dem Hintergrund der so „Wir haben aber ein ziokulturellen Bedeutung von Transformation sowie den Möglichkeiten, über Kultur und großes Fachkräfte- Kunst den Transformationsprozess positiv zu beeinflussen, wurden auch fehlende freie Res Problem, auch jetzt schon.“ sourcen für Kunst und Theater moniert: Diese Politik und Verwaltung dürfen nicht nur in größere Städte fließen. Auch dezentral müssen Lösungen gefunden werden, wie Laientheater, Scheunenkino, Lesungen, die Insbesondere in ländlichen Regionen werden dauerhaft finanziert werden können. die Herausforderungen der Transformation verschärft durch demografische Veränderun Ein sehr großer Teil der Diskussion während gen. Ein grundsätzliches Problem ist dabei die des Trialogs widmete sich dem Thema Arbeits Mittelzuweisung Pro-Kopf der Bevölkerung, kräfteentwicklung. Dieses komme noch zu die dazu führt, dass Infrastrukturen wie Kin kurz in der Debatte und wird nicht tief genug dergärten, Schulen, Feuerwehren etc. im länd angegangen. Es herrscht bereits jetzt in vielen lichen Raum verschwinden, sodass auch ein Regionen Ostdeutschlands ein Arbeits- und Zuzug ausbleibt, da gerade junge Familien da Fachkräftemangel und auch die durch den rauf angewiesen sind. Auch der Neubau von Kohleausstieg frei werdenden Arbeitskräfte Infrastrukturen ist in demografisch betroffe können den Bedarf nicht decken: „so viele nen Kommunen schwierig: die administrative kommen aus der Kohle nicht auf den Markt, Argumentation bezieht sich in ihrer Ablehnung das ist etwa die Hälfte der jetzigen, das sind von neuen Projekten wie bspw. Sportplätzen 8.500 derzeit, davon die Hälfte bleibt bis dahin auf den Status-Quo der alternden Bevölke noch in Dienst. Die können ohne weiteres un rung. Neue Projekte, die eher junge Familien tergebracht werden [...] nach der Umfrage, die als Zielgruppen haben, lohnen sich in den so wir gestartet haben, das wird nicht reichen, wieso schon engen kommunalen Haushalten auch schon jetzt reicht es nicht und es ist die demnach nicht. Wenn aber weiterhin so argu Frage, wie komm ich an zusätzliche Arbeits mentiert wird, ist garantiert, dass der Zuzug kräfte, um diese Region insgesamt zu dem zu ausbleibt und die Kommunalverwaltung zu bringen, wo wir alle hinwollen“ (Wirtschaft). viel Zeit aufwenden muss, um sich für eben Wenn sich neue Industrien ansiedeln sollen, solche Projekte einzusetzen. Hier besteht die stehen sie vor diesem Problem. Es müsse das Frage, inwieweit das durch interministerielle Image der gesamten Region aufgebessert wer und interdisziplinäre Zusammenarbeit neu ge den, um Anreize zu schaffen, dass Arbeitskräf ordnet werden könnte? 11
Im Hinblick auf die Europäische Dimension ist wie der Glas- oder Textilindustrie in der Lausitz es nicht immer leicht zu vermitteln, warum zur Wende passiert ist und der Braunkohlein bspw. das Bundesministerium für Umwelt, dustrie heute. Nach der Wende gab es nichts Naturschutz und Reaktorsicherheit über EUKI- für die absterbende Industrie, heute gibt es Europäisch Klimaschutzinitiative noch Gelder Ausgleichszahlungen. Darüber hinaus ist die in andere Kohleregionen fließen lässt. Der Braunkohleindustrie ein Kernindustriezweig Austausch zwischen den 42 in Europa betrof der Lausitz, in dem die Arbeitnehmer verhält fenen Kohleregionen ist aber wichtig und die nismäßig gut verdienen, was von hoher Be Herausforderungen Deutschlands werden ein deutung ist. stückweit relativiert. „Aber das Problem darü- ber zu streiten, wie man in insgesamt 20 Jah- Auch das Selbstverständnis der kommunalen ren, 40 Milliarden unterbringen soll: Das hät- Selbstverwaltung ist in den ostdeutschen Bun ten die Menschen in Polen, die Tschechien, desländern immer noch ein anderes als in den Rumänien oder Bulgarien auch gern“ (Politik alten Bundesländern. Der in der DDR gelernte und Verwaltung). Es bestehe auch eine Chan Blick nach oben ist noch immer da, wie ein ce und gegebenenfalls Notwendigkeit darin, Teilnehmer aus der Region betonte. Deshalb qualifizierte Arbeitskräfte aus dem östlichen müsse auf lokale Begebenheiten eingegangen Europa in die Region zu bringen. Aber gerade werden und dazu gehört in den ostdeutschen in der Lausitz mit der Grenze zu Polen ist Ak Kommunen auch ein Verständnis für 40 Jahre zeptanz von Zuwanderern ein Problem, was DDR und deren Auswirkung. sich auch im Wahlverhalten widerspiegelt. Es herrsche eine unbewusste Furcht, dass Es dürfen nicht zu hohe Erwartungen an ein die Region mit Zuwanderern überschwemmt zelne Transformationsprojekte gestellt wer werde. den: So ist die Erwartungshaltung an die Zu kunftswerkstatt sehr hoch als sei sie eine Art Diese unbewusste Furcht, aber auch andere „deus ex machina, die alles richten, alles bün- Emotionen der Bürger*innen vor Ort, die im deln, alle vernetzen wird. Abstimmungspro- Zusammenhang mit den Wandlungsprozessen zesse, die Dekaden nicht funktionierten, wird stehen, müssen ernst genommen werden: die Zukunftswerkstatt regeln, sie wird zu- Veränderungen lösen häufig Angst aus. Wie kunftsfähige Entwicklungspfade aufzeigen. kann diese aufgefangen werden? Die Skepsis Sie wird die Visionen und die Leitideen festle- vieler Akteure im Hinblick auf Transformation gen, und sie wird natürlich Projektideen, die ist eben auch auf ihre jahrelangen Erfahrun mannigfaltig vorhanden sind, herausgreifen gen zurückzuführen. Es muss zunächst ein Ver und zur Entwicklungsreife bringen“ (Politik trauen in innovatives Querdenken und neue und Verwaltung). Wir müssen realistisch blei demokratische Prozesse etabliert werden. Bei ben und schauen, wie die einzelnen Projekte de Aspekte sind bisher weniger in der Region zu einer Entwicklungsstrategie der Lausitz ver verankert. Hinzu kommt, dass in Ostdeutsch netzt werden können. Dazu gehört auch zu ak land in gewisser Weise eine Diskrepanz zwi zeptieren, dass auch Fehler im Transformati schen dem besteht, was mit vielen Industrien onsprozess passieren können. 2.3 Chancen der Transformation Es gab in der Geschichte immer Strukturbrü ten. Insbesondere der Alarmismus bezüglich che – diese zogen stets Entwicklungsprozesse der durch den Kohleaussteig wegfallenden nach sich. Deshalb sollten wir nicht in Panik Arbeitsplätze sei nicht zielführend. Dieser Ver verfallen, wie einige Teilnehmer*innen beton lust wäre im Vergleich zu den Chancen gering. 12
Die eine Millionen Einwohner*innen der Lau Beteiligung vor Ort konkret umzusetzen, aber sitz stellen ein Potential für die Region dar. auch Erkenntnisgewinne zu generieren, die „Im Wandel steckt Chance, das kommt mir in verallgemeinerbar und skalierbar sind. Auch diesen ganzen Diskussionen zu wenig vor“ die Erfahrungen anderer Kohlereviere sind (Politik und Verwaltung). Es bestehen Chan eine Chance neue Ideen aufzugreifen, zu mo cen in neuen Kooperationsformaten zwischen difizieren und Erfahrungen zu vergleichen. den Stakeholdergruppen und durch den Zu gang zu neuen Geldern. Diese Potenziale soll ten genutzt werden, um neue Wege zu finden, „Gemeinsam an einem den gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen und gemeinsame Lösungsansätzen Werk zu arbeiten, zu finden. Plattformen und Formate, sich ein zubringen und auseinanderzusetzen mit den schweißt zusammen.“ Herausforderungen und Optionen der Trans organisierte Zivilgesellschaft formation, konträre Interessen auszuhandeln und Entscheidungen zu treffen, seien als Weg zu verstehen. Die Erkenntnisse der deutschen Kinder- und Jugendstiftung könnten hierbei auch wertvoll „Im Wandel steckt Chance, sein: Kinder und Jugendliche aktiv mit ihren Ideen zum Wandel zu beteiligen, da sie oft das kommt mir in diesen mals kein festgefahrenes, sondern integriertes Denken einbringen. Dadurch können Lösun ganzen Diskussionen zu gen entstehen, „die auch anderen zugute- kommen, die vielleicht sonst nicht zu Wort wenig vor.“ kommen“ (organisierte Zivilgesellschaft). Das bedeutet auch eine große Chance, die Genera Politik und Verwaltung tionengerechtigkeit tatsächlich mit Leben zu füllen und einen Generationenmix zu erzeu Der Mitmach-Fonds im Freistaat Sachsen2 (sie gen, „der [...] grundlegend ist, für das, was he auch Kapitel 2.5.3) wurde als positives Bei langfristig die Herausforderung ist, nämlich, spiel genannt, um Menschen zu motivieren, dass wir in einer Welt zusammenleben, die zu- eigene Ideen einzubringen – ohne große Ver kunftsfähig ist“ (organisierte Zivilgesellschaft). waltungsbürokratie. Es wurden viele Projekte mit dem Mitmach-Fonds umgesetzt – alles Mit der Gestaltung des Kohleausstiegs vor Ort keine Ideen, die die wirtschaftliche Tätigkeit in den Kommunen wird deutlich, wie dringli der Region voranbringen. Aber der Fonds „ist che globale Probleme auf lokaler Ebene ange ein Instrument, um Menschen vor Ort ankom- gangen werden können. Es gibt eine Reihe men zu lassen, in einer Demokratie ankom- transnationaler Herausforderungen, die direkt men zu lassen“ und zu erfahren, dass ihre Teil- vor Ort spürbar sind: z. B. „… dass es eine Fi- habe und Idee zählt (Politik und Verwaltung). nanzkrise gibt, weil das Schwimmbad ge- schlossen wird, weil der Sparkommissar in der Auch von Seiten der Wissenschaft wurde her Kommune ist. Sie merken den Klimanotstand vorgehoben, dass der Transformationsprozess vor Ort [...] aber oft sind Lösungen dann nicht neue Ansätze ermöglicht, transdisziplinäre angeboten und dann kommt so ein Gefühl Arbeitsweisen zwischen Verwaltung, Wirtschaft, von Machtlosigkeit, dass man keine eigenen Zivilgesellschaft im ländlichen Raum stärker Selbstwirksamkeit hat [...] Die Kommune ist auszuprobieren. Das würde helfen, einerseits also eine Chance für die Wiederbelebung 2 https://www.mitmachfonds-sachsen.de/ 13
demokratischer Politik, weil sie diesen prag- Zuwanderung und Digitalisierung wurden für matischen Problemlösungswillen hat. Man Regionen wie die Lausitz als Chancen gese kann hier, wenn man sie mit einer Partizipati- hen. Letztere ermöglicht eine Dezentralisie onsinitiative ausstattet, die Selbstwirksamkeit rung von Arbeit und Dienstleistungen. „Regi- den Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben onen, die nicht unmittelbar im urbanen indem man sie eben zur Mitgestaltung ein- Bereich sind, haben so Möglichkeiten an die- lädt“ (organisierte Zivilgesellschaft). ser Transformation teil zu haben, sie aktiv mitzugestalten, ohne dass man da große Wege hin und her gehen muss. Oder ohne, „Die Kommune ist also dass man seinen Wohnsitz und seine ganze eine Chance für die Familie dann gleich nach Berlin transferieren muss. Sowas ist tatsächlich durch Digitalisie- Wiederbelebung rung möglich und wird in Teilen auch schon gemacht“ (Politik und Verwaltung). Zuwan demokratischer Politik, derung kann einen Ausgleich zum Fachkräfte mangel beitragen, sofern sie strukturiert er weil sie diesen prag folgt und Bevölkerung vor Ort beteiligt. matischen Problem Konkret wurde im Trialog erfragt, was aus lösungswillen hat.“ der Idee zur Schaffung eines europäischen Katastrophenschutzzentrums mit einer Lösch flugzeugstaffel und einem Wasserlandeplatz organisierte Zivilgesellschaft auf dem Sedlitzer See für den Standort Wel zow geworden ist. Im September 2019 hatte Beteiligung in der Transformation schafft dem sich Christos Stylianides, EU-Kommissar für zufolge breite und tiefe Lernerfahrungen und Katastrophenschutz, den Welzower Verkehrs ermöglicht die Verbindung von globalen Her landeplatz angeschaut und in einer Konferenz ausforderungen mit lokalen Fragen. Dabei soll über die Möglichkeiten eines Katastrophen ten wir auch Fehler im Transformationsprozess schutzzentrums in der Lausitz gesprochen. als Chance sehen lernen. Eine neue Fehlerkul Damit würden 600 Arbeitsplätze in der Regi tur müsse im Rahmen der Lernprozesse ange on geschaffen. Wenn der Klimawandel weiter stoßen werden. So könnten längerfristig voranschreite, so wird es auch weiter Brände Haltungsänderungen anstoßen, dass man ge geben, wie eine Teilnehmerin betonte. Aller meinsam etwas erreichen kann. „Dieses Ge- dings fehle derzeit die Unterstützung der Lan meinsame, das ist ein alter Gedanke seit der desregierung, was auf Unverständnis bei eini Antike. Gemeinsam an einem Werk zu arbei- gen lokalen Akteuren treffe. Denn das Projekt ten, schweißt zusammen" (organisierte Zivil- würde allgemein für gut befunden und gelte gesellschaft). als Chance für neue Arbeitsplätze. 2.4 Kultur und Identität „Die Herausforderung in der Lausitz hat einen Selbstverständlich beeinflussen Transformati Lausitzfaktor. Der Lausitzer der ist nämlich onsprozesse Menschen auf unterschiedliche nicht so einfach hinter dem Ofen hervor zu ho- Weise, je nachdem welche Gewinne und Ver len [...] Es braucht eine Kultur des Wandels.“ luste entstehen, was der soziokulturelle Rah (Politik und Wirtschaft) men ist und welche Erfahrungen prägend wa ren. Für den Kohleausstieg muss auch hinter 14
die ökonomischen Kennzahlen geschaut wer „Das, was wir in der den. Fragen der Kultur und Identität werden sich nicht über ökonomische Faktoren lösen Lausitz erlebt haben lassen. Aber diese Fragen sind wichtig und dürfen nicht unterschätzt werden. So sind 30 Jahre, ist Bergleute ein stolzes Volk, wie ein Teilnehmer betonte. „Zur Barbarafeier wird der Schutz- Transformation by göttin gehuldigt [...], da wird gemeinsam das Steigerlied gesungen und da steht man Seite Desaster. Das ist auch an Seite. Und man ist eigentlich auch stolz auf die Arbeit, die man tut, sowohl in den Kraft- das, was die Stimmung werken als auch in den Braunkohletagebauen. in der Region ausmacht.“ Nicht nur darin spiegelt sich das wider, son- dern unsere meisten Sportvereine in der Ge- Wirtschaft gend heißen Turbine oder Energie, wie der FC Energie Cottbus zum Beispiel. Man merkt, die Leute identifizieren sich da mit etwas und Kultur prägt die Prozesse. So sei Sachsen bei genau darum geht es. Das soll weggenommen spielweise nicht unbedingt Symbol für inno werden“ (Politik und Verwaltung). Diese Ver vatives Querdenken und unproblematisches lustangst ist auch in den Erfahrungen der Lausit Demokratiegeschehen, wie ein Teilnehmer an zer begründet, die sich seit vielen Jahrzehnten merkte. in einem steten Wandel befinden. In Transfor mationsprozessen gibt es im Grunde genom Lokale Verwaltungsstrukturen und die in der men zwei Möglichkeiten: Transformation by Vergangenheit durchgeführten Gebietsrefor Design oder Transformation by Desaster. „Das, men hatten einen massiven Einfluss auf die was wir in der Lausitz erlebt haben 30 Jahre, lokalen Entwicklungen. Durch die Zusammen ist Transformation by Desaster. Das ist auch legung verschiedener Kommunen und eine das, was die Stimmung in der Region aus- stärkere Zentralisierung der Verwaltungszu macht“ (Wirtschaft). Dennoch dürfen Wende ständigkeiten sind einige Aktivitäten, darunter und Kohleausstieg nicht gleichgesetzt werden, auch kulturelle Aktivitäten, unnötig kompli wie ein Teilnehmer einwandte. Die meisten ziert geworden. Eine Teilnehmerin berichtete der LEAG-Mitarbeiter werden ohne Abschlä von einem Dorf in Sachsen, in dem der Hei ge in die Rente kommen und bis dahin sind matverein den Umzug zum Dorffest früher noch 18 Jahre Zeit. Der Kohleausstieg ist nicht mit dem Bürgermeister absprechen konnte. gleichzusetzen mit der Wende 1990, woran Durch die Gebietsreform müsse dafür nun ein aber immer wieder viele anknüpfen. schriftlicher Antrag mit einer Verwaltungsge bühr gestellt werden „nur um eine Kleinigkeit Nichtdestotrotz stößt man, wenn man sich mit zu organisieren“ (Wissenschaft). Das hemme der Identität der Menschen vor Ort auseinan die Dynamik in niedrigschwelligen kulturellen dersetzt, auf soziokulturelle Verwurzelungen in Aktivitäten und ehrenamtlichen Tätigkeiten. der DDR – insbesondere in Bezug auf die Kom munikation. Während in der DDR mit einem Ein weiteres Beispiel betrifft ein Verwaltungs falschen Wort eine ganze Karriere ruiniert wer gebäude, welches nach der Gebietsreform den konnte, kann man heute zwar fast alles nicht mehr benötigt wurde, was aber auch Ort sagen „aber es interessiert keinen mehr. Dann der Begegnung war. Das Gebäude wurde für ist das Gegenteil zu dieser sehr starken Ver- 1 Euro an einen Investor verkauft, der sich bindlichkeit ein zu großes Maß an Beliebig- aber darum nicht gekümmert hat, sodass das keit. Hier müssen wir eine Balance wieder Gebäude nun als Schandfleck mitten im Dorf finden...“ (Wissenschaft). Auch die politische steht. Es gebe unzählige solcher Geschichten 15
in strukturschwachen ländlichen Regionen. über die Herausforderungen wichtige Stell Zwar kämen nun Projekte hinzu, welche mit schrauben sind. Sie bieten den Menschen vor finanziellen Mitteln kulturelle Orte und Begeg Ort eine Projektionsfläche und Identifikations nungsstätten im ländlichen Raum wieder er potential. Solche Angebote müssen auch lang schaffen (bspw. das Trafo-Programm3). „Par- fristig finanziert werden und dürfen nicht nach allel dazu ist die Kommunalaufsicht hinterher, ein- oder zweijährigen Projekten wieder ver dass überflüssige Verwaltungsgebäude ab- schwinden. Oftmals gibt es in den Dörfern ei gestoßen werden“ (Wissenschaft). Eine inte nen großen Pool an Ehrenamt und Dynamik, grierte Sicht auf die Strukturen, Bedarfe und um kulturelle Gemeinschaftsaktivitäten am Möglichkeiten und eine entsprechendes ko Leben zu halten. Aber dazu muss verstanden operatives politisches Zusammenwirken könn werden, dass nicht nur ein großes Konzert im ten dem an manchen Stellen entgegenwirken. Schlosspark oder ähnliches, sondern eben auch das Feuerwehrfest oder das Schulkonzert „Man merkt, die Leute zur Sinnstiftung vor Ort beiträgt und Unter stützung finden müssen. Wie können Finanz identifizieren sich da mittel bereitgestellt werden, die nicht nur in kulturelle Institutionen von größeren Städten mit etwas und genau fließen? darum geht es.“ Konkret wurde das Stück vom Lausitzer Schrift steller Lukas Rietzschel Mit der Faust in die Politik und Verwaltung Welt schlagen als ein Theaterstück genannt, um den Bewohner*innen der Lausitz eine Re flexionsmöglichkeit zu geben. Bisher wurde es Positiv hervorgehoben wurde, dass die Ober nur in Dresden und wenigen anderen größe lausitz ein Kulturraum auf Basis des sächsi- ren Städte aufgeführt, aber nicht in der Lau schen Kulturraumgesetzes4 ist. Das sei einzigartig sitz. Es fehlt an finanziellen Mitteln dafür. Auch in Deutschland. Denn das Kulturraumgesetz das Licht- und Klangfestival transNATURALE verankert Kulturpflege als kommunale Pflicht zwischen der Industriekulisse des Kraftwerk aufgaben und regelt die Finanzierung nicht Boxbergs und dem Bärwalder See findet nicht staatlicher Kultureinrichtungen in Sachsen mit mehr statt. Es wurde aber als ein spannender dem Ziel auch Kultur in ländlichen Regionen Ansatz genannt, den Transformationsprozess aufrecht zu erhalten. Es enthält zudem Struk der Region kulturell zu bearbeiten und zu be turen aktiver Bürgerbeteiligung und demokra gleiten. tischer Mitbestimmung. Es wurde gefragt, ob die dort verankerten Prozesse ggf. auch für die Auch die Zukunftswerkstatt Lausitz hat eine Herausforderungen des Strukturwandels An Kulturstrategie in Angriff genommen und mit knüpfungspunkte beinhalten. 400 Kulturverantwortlichen in der Ober- und Niederlausitz gesprochen. Die Ergebnisse wer Kultur versteht sich als ein „Transmitter im den im Frühjahr 2020 zusammengefasst. Ein Transformationsprozess“ (Politik und Verwal- Teilergebnis ist, dass sich Kultureinrichtungen tung). Auch viele der Teilnehmenden hoben und Kommunen, die mit Kultur zu tun haben, hervor, dass selbst niedrigschwellige kulturelle eine stärkere Vernetzung, Wissensaustausch, Angebote wie gemeinsame Theaterstücke Koordinierung und einen leichteren Zugang zu 3 Das Programm „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“ ist eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes. Es unterstützt Regionen dabei, ihre Kulturorte und ihr Kulturangebot dauerhaft zu stärken. Beteiligt sind bislang das Oderbruch, Südniedersachsen, die Saarpfalz und die Schwäbische Alb. Ab 2020 kommen die Regionen Altenburger Land, Köthen, Kusel, Mestlin, Rendsburg-Eckernförde, Uecker-Randow und Vogelsberg hinzu. https://www.trafo-programm.de/ 4 https://revosax.sachsen.de/vorschrift/3215-Saechsisches-Kulturraumgesetz 16
Fördermitteln wünschen. Es reiche nicht, Kul schwierig, wie von außen über die Lausitz ge tur nur auf die Agenda zu setzen: Kultur ist sprochen wird. Wenn man aber dort lebt, kann chronisch unterfinanziert. Fördertöpfe könn man die Schwermut der Region verstehen, die ten geöffnet und eine Brücke zur Agenda 2030 auch auf „mannigfaltige Entwurzelungser- geschlagen werden. Kultur und Nachhaltigkeit fahrungen“ zurückgeht (organisierte Zivil können sich gegenseitig befruchten. Auch gesellschaft). könne eine Vernetzung mit anderen Kohlere vieren interessante Ansätze generieren wie In den schrumpfenden Kleinstädten gibt es bspw. mit dem Rheinland und der dortigen In nach den Erfahrungen einiger Teilnehmer*in dustrie- und Baukultur. Baukultur kann als nen jedoch viele spannende Gründungsge Bleibe- und Wiederkehrfaktor eine wichtige schichten, aber auch Arbeitslosenbiografien, Rolle spielen, so dass auch Architekten in ei aus denen die Menschen vor Ort sich auch nem inter- und transdisziplinären Transforma immer wieder herausgearbeitet haben wie tionsprozess beteiligt werden sollten. Schließ „Stehaufmännchen“ (Wissenschaft). In diesen lich kommt hinzu, dass es zwar um den Kommunen findet seit 30 Jahren stete Trans Lausitzer Kohleausstieg geht, aber die Lausitz formation statt und die Menschen reagieren eher ein künstlicher Verwaltungsbegriff ist. empfindlich auf das Wort. Sie wünschen sich Die Lausitz ist kein Kulturraum, mit dem sich auch ein Stück weit Beständigkeit. Anderer alle Bürgerinnen und Bürger identifizieren. Es seits gibt es dort auch jüngere Generationen gibt Teilidentitäten, die auch historisch ge mit Visionen, die etwas gestalten wollen. Bei wachsen sind. Das ist kein Hindernis. Aber es des müsse zusammengebracht werden. Wie ist ein kultureller Rahmen, der im Transforma kann kultureller, regionaler Besitzstand be tionsprozess respektiert werden sollte. wahrt und gleichzeitig an neue gesellschaftli che Bedingungen angepasst und erneuert Neben den Wende-Erfahrungen und Hinder werden? Es müssen Zeit und Raum ermöglicht nissen, die Kultur der Region wieder stärker werden, um Geschichte und kulturelle Erb aufleben zu lassen, haftet an der Lausitz aktu schaften aufzuarbeiten und in neuen kreati ell auch ein negatives Image. Es ist mitunter ven Ideen und Ansätzen einfließen zu lassen. 2.5 Partizipation zur Gestaltung des Wandels 2.5.1 Grundlegendes „Transformation und Partizipation gehören Augustusburg). Dennoch haben sich qualitativ zusammen“ (organisierte Zivilgesellschaft). gute Beteiligungsprozesse für den Wandel noch Transformation könne nicht bedeuten, dass nicht breitflächig durchgesetzt. etwas top-down mit der Erwartung umgesetzt wird, dass es im Anschluss einfach von allen akzeptiert werde. Vielmehr müsse Transfor „Transformation und mation aktiv und breit initiiert, unterstützt und mitgetragen werden, damit sie nachhaltig ge Partizipation gehen lingt. Obwohl die Mehrheit der Teilnehmen den dem zustimmte, gehöre diese Erkenntnis Hand in Hand.“ noch nicht zum Gemeingut. Es gebe zwar viele organisierte Zivilgesellschaft erfolgreiche Beispiele, wie Transformation durch Beteiligung gelänge und zudem neue digitale Beteiligungsmöglichkeiten (siehe z. B. 17
In der Lausitz gibt es 235 Gemeinden mit ins che Entwicklungen sein, aber auch Bewahrer. gesamt 1,2 Millionen Einwohnern, die mitein Oft genieße sie eine hohe Glaubwürdigkeit ander ihre Zukunft nachhaltig gestalten kön und thematisiere öffentlich Zusammenhänge nen. Qualitativ gute Beteiligung bedeutet zum und gesellschaftliche Anliegen politischer Ent einen, möglichst viele verschiedenen Perspek scheidungen oder wirtschaftlichen Handelns. tiven im Prozess dabei zu haben, aus verschie Wissenschaft bringe ihre Erkenntnisse in die denen Stakeholdergruppen wie Politik und gesellschaftspolitischen Debatten ein, verbin Verwaltung, Wirtschaft, organisierte Zivilge det unterschiedliches Wissen und schärft im sellschaft, Wissenschaft. Des Weiteren solle in Austausch mit der Gesellschaft ihre Forschung Beteiligungsprozessen die Möglichkeit veran und fundiert so auch Entscheidungen. kert sein, Positionen nicht nur postulieren zu dürfen, sondern auch auszuhandeln. So könne Wir können folglich nicht davon ausgehen, am Ende ein Art Grundkonsenskorridor zwi dass der Zusammenhalt, die gemeinsame schen den beteiligten Akteuren entstehen, in Handlungsfähigkeit, die Verwirklichung ge dem weitere Entwicklungen stattfinden können. meinsamer Ziele von Städten, Kommunen und Im Austausch zwischen verschiedenen Pers Ländern von ganz allein kommt. Sie muss un pektiven – sei es im Trialog, in einer Bürgerver terstützt werden. Dazu gehöre auch zu ver sammlung oder im Multi-Stakeholder-Beirat stehen, dass „Bürgerbeteiligung nicht zum (siehe dazu Kapitel 2.5.3) – ist es bedeutsam, Nulltarif zu haben ist, genauso wie Parla- sich auf andere Perspektiven zu beziehen und mente nicht zum Nulltarif zu haben sind“ seine eigene Position zu begründen. (organisierte Zivilgesellschaft). Es brauche Ressourcen, um die gesellschaftlichen Aus „Bürgerbeteiligung ist tauschprozesse zu ermöglichen – personell, finanziell, zeitlich. Neben Ermöglichungsräu nicht zum Nulltarif zu men gehören dazu auch Befähigungsaktivitä ten. Inwieweit brauchen wir mehr Bildung auch haben.“ im Erwachsenenalter darüber, wie Deutschland funktioniert, wie kommunale Strukturen funk organisierte Zivilgesellschaft tionieren? Wer darf oder sollte was entschei den? Und wie können sich Bürgerinnen und So hänge die Transformation in der Lausitz Bürger in der Entscheidung über ihre gemein nicht allein von Ideen ab, die in Berlin auf Re samen Angelegenheiten beteiligen? gierungsebene entworfen und kommuniziert werden. Politik müsse auch zuhören – wie ein Ebenfalls müsse bedacht werden, dass Politik Teilnehmer aus Politik und Verwaltung beton überall geschieht, in den Kommunen, Städten, te. Aber auch Unternehmen müssen partizi national, europäisch, international. Es gebe be pieren: Sie haben zwar keine demokratische Le reits – wenn auch unsystematisch und nicht gitimation, wirken aber in viele Ebenen hinein überall – Dialogprozesse mit diversen Stakehol – von lokal bis global. Mit dieser Macht geht dern. Dabei läuft vieles parallel und nicht alles Verantwortung für die Folgen des unterneh kongruent. Es werden am Ende nicht alle Inter merischen Handels einher, d. h. es gilt nicht essensgegensätze aufgelöst. Aber es bleibt im mehr „the business of business is business“, mer die Chance voneinander zu lernen und (organisierte Zivilgesellschaft) wie der Öko sich gemeinsam zu entwickeln. Hierbei spielen nom Milton Friedman postulierte. Unterneh Kommunen eine herausragende Rolle für das men müssen zu einem befähigenden Umfeld Überleben der Demokratie. Wenn das bejaht ihres wirtschaftlichen Handelns selbst beitra wird, brauchen wir einen grundlegenden Sys gen. Die organisierte Zivilgesellschaft ist „der temwandel. Dann müssen wir wegkommen Kitt der Gesellschaft“ (organisierte Zivilgesell- von Geldern, die hinter einem „Wust von För- schaft): Sie kann Speerspitze für gesellschaftli derinstrumenten stecken … und da müssen 18
Dinge, die in Kommunen geregelt werden kön- verständlich sei, dass Bund und Länder die nen, auch dort geregelt werden dürfen“ (Poli- Kommunen auch als Dialogbrücken für Beteili tik und Verwaltung). Aus der Wissenschaft gung gewinnen; aber es sei wichtig für das Ge wurde angemerkt, dass es noch nicht selbst lingen der Prozesse. 2.5.2 Partizipation Ja! – aber Wie? Die Diskussion im Trialog zeigte, dass Betei Beteiligungsprozesse in der Lausitz, die auch ligung nicht gleich Beteiligung ist! „Es ist ein mit öffentlichen Geldern bezahlt wurden? Handwerk, gute Partizipation zu machen. Näm- „Bräuchten wir nicht eine Bündelung dieser lich zu überlegen, wen beteilige ich denn, mit Ergebnisse? Würde das nicht einen Mehrwert welchen Fragen, in welcher Form. Welche Me- generieren? Auch für diejenigen, die befragt thodenansätze nehme ich? Zu welchen Anläs- worden sind?“ (Politik und Verwaltung). sen überhaupt? Und wer koordiniert und steu- ert diesen Prozess?“ (Politik und Verwaltung) Des Weiteren darf Beteiligung Menschen nicht aussortieren. Gerade auf kommunaler Ebene Seit dem Bekanntwerden des Kohleausstiegs sollte die Möglichkeit genutzt werden, sich mit gab es viele, auch von extern initiierte Beteili wirklich jedem auseinanderzusetzen. Damit gungsprozesse – von EU-Ebene, Bund, Län haben auch Nörgler keine Chance, eine wohl dern, Kommunen, Think-Tanks, Gewerkschaf wollende Gemeinschaftsatmosphäre als Nähr ten. Aber oftmals wurden immer wieder die boden für Veränderung zu verunglimpfen. gleichen, bekannten Akteure befragt, wie eine Menschen gehen unterschiedlich mit Verände Teilnehmerin anmerkte: „keiner hatte eigent- rungen um. Es gibt diejenigen, die gern Gele lich wirklich Lust mit den Einwohner*innen genheiten zu Veränderung nutzen, es gibt aber der Lausitz in Kontakt zu treten, sondern man auch solche, die eher abwarten oder grund befragte meist lieber Intermediäre“ (Politik sätzlich Veränderungen ablehnend gegen und Verwaltung). überstehen. Wir brauchen aber alle Stimmen im Prozess, um sich auch gegenseitig zu unter „Es ist ein Handwerk, gute stützen und zu verständigen. „Denn je mehr Leute das Gefühl haben, [...] in ihrer Kommu- Partizipation zu machen.“ ne, ich kann mitmachen, ich werde gehört, ich kann meine Meinung sagen, ich kann mich Politik und Verwaltung einbringen, dann stellen Sie auch die kalt, die ständig um die Ecke kommen und alles stän- dig besser wissen“ (Politik und Verwaltung). Auch wurde mitunter beklagt, dass sich seit dem noch nicht viel Greifbares entwickelt hat. Wenn man die Bürgerinnen und Bürger aus Vielfach ist ein Gefühl entstanden, dass man der Kommune involviert in lokale Gestaltungs die befragten Akteure abgeschöpft hat und prozesse, ist es wahrscheinlicher, dass die sich darüber hinaus die unterschiedlichen Pro Menschen, die von politischen Entscheidun zesse hier und da gegenseitig ausgebremst ha gen final betroffen sind, diese auch selbst ben. Beteiligung dürfe aber nicht heißen: ein mittragen und als legitim und gerecht wahr paar Information und ein bisschen Diskussion! nehmen. Dazu zählt auch, dass Projekte, die Beteiligung muss mit Gestaltungsmacht ein als Umsetzungspartner Organisationen direkt hergehen, ansonsten kommt es nur zur Ver vor Ort gewinnen, wie die Kirche oder die Feu drossenheit. Es müsse kritisch hinterfragt wer erwehr, eine bessere Chance haben, relevante den, wer Eigentümer von einer Beteiligung ist. Probleme aufzugreifen, örtliche Begebenhei Wer stößt an? Was passiert mit den Ergeb ten zu erkennen und allgemein akzeptierbare nissen, der vielen bereits stattgefundenen Lösungen zu finden als ferne Behörden. 19
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