DAS STADTMAGAZIN LUZERN - IM ZENTRUM - Stadt Luzern
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LUZERN Ausgabe #01, April 2019 DAS STADTMAGAZIN IM ZENTRUM Am Morgen gehört die Altstadt noch ihren 1100 Bewohnerinnen und Bewohnern.
2|3 Editorial Inhalt Franziska Bitzi Staub 4 AFR18 Finanzdirektorin Mit der Aufgaben- und Finanzreform AFR18 regelt der Kanton die Aufgaben und Finanzierungen mit den Gemeinden neu. Die Reform hat schwerwiegende Mängel. Sie wird von 12 Gemeinden bekämpft. ERLEICHTERT UND TROTZDEM BESORGT 10 ABSTIMMUNG Für die Umsetzung des Be- Was für ein Resultat: Die Stimmberechtigten hindertengleichstellungsge- lehnten am 31. März das Referendum der SVP ab setzes wollen Parlament und und stimmten mit 79 Prozent Ja dem städtischen Stadtrat 39,69 Mio. Franken Budget 2019 zu. Herzlichen Dank! Jetzt können investieren. Damit sollen wir dringend notwendige Investitionen auslösen die Bushaltestellen an Ge- und zum Beispiel die Erneuerung unserer Schul meindestrassen in der Stadt anlagen weiterführen. Ich bin froh, dass die Unsi hindernisfrei gestaltet wer- cherheit für unsere Beitragsempfänger vorbei ist den. Die Volksabstimmung und wir ihnen die Entschädigung für ihre Leistung findet am 19. Mai statt. überweisen können. Sie tragen in den Bereichen IMPRESSUM Soziales, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft 12 ABSTIMMUNG zum Erfolg unserer Stadtgemeinschaft bei. Grosser Stadtrat und Stadt- Verantwortlich Stelle für Kommunikation Sorgen macht mir eine andere politische Vorla- rat wollen unter der Bahn- Niklaus Zeier Dagmar Christen ge: die Aufgaben- und Finanzreform 18 (AFR18), hofstrasse eine Velostation über die am 19. Mai abgestimmt wird (siehe für rund 1100 Velos planen. Autorinnen / Autoren S. 4–9). Der Kanton will damit Aufgaben und Gegen den Projektierungs- Daniel Arnold (Aktuell) Pirmin Bossart deren Finanzierungen zwischen Kanton und kredit von 2,05 Mio. Fran- Dagmar Christen (DC) Gemeinden neu regeln und gleichzeitig den ken hat die SVP das Referen- Tamara Maritz (TM) dum ergriffen. kantonalen Finanzhaushalt um 20 Mio. Franken Andrea Müller (AM) Luca Wolf (LW) entlasten. Im Zentrum steht der neue Verteiler Niklaus Zeier (NZ) bei den Volksschulkosten. Das Ziel, die Mit 14 QUARTIER sprache der Gemeinden bei der «Volksschul- Wer in der Altstadt wohnt, Korrektorat typo viva Reformitis» zu erhöhen, wird mit der Vorlage teilt seinen Lebensraum aber verfehlt. mit Menschen aus aller Erscheint viermal jährlich Welt. Was aber läuft nach in einer Auflage von Die «Entlastung» der Gemeinden hat natürlich 53’000 Exemplaren Ladenschluss? Wie steht ihren Preis. 160 Mio. Franken jährlich müssen es mit der Nachbarschaft? Grafik dem Kanton gegenfinanziert werden. Die Lösung? Was reizt und was nervt im hofmann.to Ein System mit kaum verständlichen Massnah musealen Umfeld? Bilder men, die Gesetze ritzen, ja verletzen. So diktiert Franca Pedrazzetti zum Beispiel der Kanton den Gemeinden eine 17 SCHULE Steuerfusssenkung, um im Gegenzug seine eige Das neue Unterrichtsheft Kanton Luzern (5), Stadt Luzern (11, 12, 20, 21, 23 nen Steuereinnahmen erhöhen zu können. Ein «Wie verändere ich die Stadt oben), Joseph Schmidiger massiver Eingriff in die Gemeindeautonomie! Es Luzern?» will politische (22 oben), PD (22 unten), bestehen schwerwiegende verfassungsrechtliche Kantonale Denkmalpflege Prozesse anhand lokaler Luzern (23 unten) Bedenken, und wir lassen daher die Massnahme Themen erklären. Initiiert rechtlich prüfen. wurde das Lehrmittel vom Druck LZ Print, Die Stadt Luzern wird – wie sieben weitere Gemein Präsidenten des Grossen Luzerner Zeitung AG den – durch die AFR18 zu einem sogenannten Stadtrates. Gedruckt auf Recycling- Härtefall; wir würden zur Abfederung von den papier, hergestellt in der 18 PORTRÄT profitierenden Gemeinden während sechs Jahren Schweiz Manon Heeb, finanziell unterstützt. Und danach? Ist es das Ziel, Sängerin Titelbild den Kantonshauptort und attraktiven Unterneh Samstagmorgen auf dem mensstandort zu schwächen? Rathaussteg 20 AKTUELL © Stadt Luzern 24 KEHRSEITE
Nachgefragt AUF EINER SOLIDEN BASIS DIE DIGITALE STADT BAUEN Der Stadtrat will Luzern für die digitale Entwicklung gut aufstellen. Er hat seine Strategie im Parlament eingebracht und eine heftige Diskussion ausgelöst. Wo steht das Geschäft zurzeit? Projektleiter Oliver Frey gibt einen Einblick. auch seine Haltung zur GPK-Mo- tion darlegen wird. Gibt uns das Parlament die Ressourcen frei, bauen wir unsere Organisation auf und entwickeln parallel die Voraussetzungen, Bevölkerung, Wirtschaft und Wissenschaft in die Erarbeitung einer Vision und Strategie einzubeziehen. Parallel führen wir die Entwicklung vie- ler eingeleiteter Projekte, es sind rund 50, weiter. Ich rechne damit, dass wir im Frühjahr 2020 die not wendige Basisorganisation ein- geführt haben. In der öffentlichen Diskus- sion kam die Strategie des Stadtrates nicht gut weg. Welche Vorwürfe haben Sie überrascht? Wir begrüssen die kritische Auseinandersetzung. Gerade bei dieser wichtigen Herausforde- rung bringt uns die Diskussion weiter. Nur: Wir beschäftigen uns nicht mit uns selber, wie vor allem kritisch angemerkt wurde. Wir wollen in unserer Basisor ganisation gerade dafür sorgen, Oliver Frey, Projektleiter «Stadt Luzern digital». Er will die Basis schaffen, damit die Stadt Luzern digitale dass die Fokusbereiche Smart Innovationen kreiert – gemeinsam mit Bevölkerung, Kanton, Bund, Wissenschaft und Wirtschaft. City, Open Government Data und E-Government, die sich gross- In seiner Gemeindestrategie Im Februar hat der Stadt- mehrheitlich mit externen digi- schreibt der Stadtrat, dass rat seine Digitalstrategie talen Entwicklungen befassen, die Stadt Luzern mit ihrem mit den Anträgen an das gute Voraussetzungen haben. digitalen Angebot innert Parlament veröffentlicht. zehn Jahren wegweisend sein Wo steht die Behandlung Der Stadtrat betont immer, will. Was bedeutet diese dieses Geschäfts zurzeit? dass er den «Luzerner Weg», politische Aussage für Sie? Wir haben unser digitales bei der Planung der Digitali- Wenn die Stadt Luzern mit Basisprogramm im Februar ver- sierung gehen will. Wie zeigt ihren digitalen Angeboten in der öffentlicht und darüber eine sich dieser Weg? Verwaltung und im städtischen intensive Diskussion mit der Wir starten mit den Grund Raum wegweisend werden will, Geschäftsprüfungskommission lagen, bauen eine Basis auf und muss das Projektteam alles dar- (GPK) geführt. Die GPK formu- schaffen so die Voraussetzungen, ansetzen, jetzt eine tragfähige lierte danach ihre Vorstellun- gut aufgestellt Projekte zu reali- und breit abgestützte Organisa- gen in einer Motion «Vision und sieren, zum Beispiel mit Luzerner tion mit den dazu notwendigen Strategie Smart City Luzern». Da Unternehmen, wie etwa für die personellen und finanziellen Res- aus Zeitgründen das Geschäft digitale Bewirtschaftung der Tou- sourcen aufzubauen. Diese Basis am 21. März im Grossen Stadtrat ristencars. ist der Start auf dem Weg, das ge- nicht behandelt werden konnte, setzte politische Ziel in den kom- kommt es nun am 16. Mai zur Niklaus Zeier menden zehn Jahren zu erreichen. Debatte, in welcher der Stadtrat Chef Kommunikation
4|5 AFR18 VEREINT GEGEN DAS STEUERDIKTAT Mit der Aufgaben- und Finanzreform AFR18 regelt der Kanton die Aufgaben und Finanzierungen mit seinen 83 Gemeinden neu. Hauptbestandteile sind die Finan- zierungen des Wasserbaus und der Volksschulkosten. Zur notwendigen Gegen- finanzierung präsentiert der Kanton eine Reform mit schwerwiegenden Mängeln. 12 Gemeinden bekämpfen diese gemeinsam mit einem Komitee. Kanton und den Gemeinden neu regeln. Dabei füh- ren insbesondere die neue Aufgabenteilung im Wasserbau und der neue Kostenteiler für die Volks- schule zu massiven Kostenverschiebungen zwi- schen dem Kanton und den Gemeinden in der Höhe von rund 200 Mio. Franken jährlich. Allein die vom VLG immer wieder geforderte Änderung des Volks- schulkostenteilers von 75 Prozent Gemeinden und 25 Prozent Kanton zu neu je 50 Prozent verursacht beim Kanton ein Loch von 160 Mio. Franken. Zusätz- lich will der Kanton seine Finanzen sanieren und mit der AFR18 jährlich 20 Mio. Franken in seine Kasse abführen. Diese Ausgangslage liess das Gemeinde-Sextett zu einem Dutzend anwachsen. Auch Dierikon, Eich, Greppen, Neuenkirch, Rothenburg und Vitznau Ein Auslöser der Reform: die neue Aufteilung der Volksschulkosten. Neu sollen Kanton sind nun bereit, sich gegen die AFR18 zu wehren. und Gemeinden je 50 Prozent der Kosten tragen. Bei der Schlussabstimmung im Februar 2019 wurde die Reform mit 66 Ja zu 43 Nein angenommen. Den Im Juli 2018 fand Erstaunliches statt. Die Exe- Mehrheiten aus CVP, FDP und SVP standen SP, kutiven von sechs Luzerner Gemeinden luden zur Grüne und GLP entgegen sowie Abweichlerinnen Medienkonferenz. Mauensee, Meggen, Schenkon, und Abweichler aus den bürgerlichen Ja-Fraktio- Sursee, Weggis und Luzern gaben ihren Unmut über nen. Am kommenden 19. Mai sollen nun die Stimm- die vom Regierungsrat in die Vernehmlassung gege- berechtigten das letzte Wort haben. bene Aufgaben- und Finanzreform 2018 (AFR18) bekannt. Schwerwiegende Mängel Seither sorgt die AFR18 für hitzige Diskussio- Die Gegenfinanzierung der Kosten aus dem nen. Die Steuerung dieser Reform, zusammenge- Wasserbau und den Volksschulen führt in den Au- setzt aus zwei Regierungsräten und zwei Vertretern gen der 12 Gemeinden zu schwerwiegenden Män- des Verbandes Luzerner Gemeinden (VLG), legte geln, die sich langfristig für alle 83 Gemeinden im nach der Vernehmlassung ohne weitere Konsulta- Kanton negativ auswirken und aufzeigen, dass es tionen das definitive Massnahmenpaket fest. Der dem Kanton auch darum geht, seine Finanzlage auf Regierungsrat überwies das Werk an den Kantons- Kosten der Gemeinden zu sanieren. Ihre Vorbehalte rat. Dessen zuständige Kommission beschloss im basieren im Wesentlichen auf folgenden Punkten: November 2018 die Rückweisung, und der Kantons- Der Kanton will seine Steuern um eine Zehntel- rat strich im Dezember die Vorlage von der Traktan- einheit erhöhen. Damit die Belastung der Steuer- denliste. Anfang 2019 stimmte jedoch die bürgerli- pflichtigen nicht steigt, verordnet er den Gemein- che Mehrheit der Aufgaben- und Finanzreform den eine Steuersenkung in gleicher Höhe. Für die 2018 zu. 12 Gemeinden bedeutet dieser Schritt einen klaren Eingriff in die Gemeindeautonomie, der nicht ein- Was will die Reform? malig ist, sondern über das Jahr 2020 hinausgeht. Mit der AFR18 will der Kanton Aufgaben und Die Reform ist intransparent, basiert auf alten Finanzierungen in der Staatsführung zwischen dem Zahlen und rechnet Beträge ein, die noch gar nicht
2 3 1 4 5 6 7 8 9 10 11 12 8 12 Gemeinden machen sich gegen die kantonale Aufgaben- und Finanzreform 2018 stark: 1 Mauensee, 2 Sursee, 3 Schenkon, 4 Eich, 5 Neuenkirch, 6 Rothen- burg, 7 Dierikon, 8 Luzern, 9 Meggen, 10 Greppen, 11 Weggis, 12 Vitznau. politisch verankert sind oder – wenn überhaupt – eine Errungenschaft der Finanzreform 08 rückgän- Die Rolle des VLG erst zu einem späteren Zeitpunkt anfallen werden gig gemacht. Dafür weist der Kanton den Gemein- Laut seinem Leitbild ver- (z. B. Mehrwertabgaben). Gelder aus der Bundesvor- den Risikokosten wie die Ergänzungsleistungen zur steht sich der Verband lage «Steuerreform und AHV-Finanzierung» (STAF) AHV und IV zu 100 Prozent zu. Die Ergänzungsleis- Luzerner Gemeinden und aus der Steuergesetzrevision sind bereits ein- tungen werden sich aufgrund der demografischen, (VLG) als Interessen- gerechnet, obwohl beide Vorlagen noch nicht be- gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwick- vertreter der Luzerner schlossen sind bzw. noch im Parlament behandelt lungen dynamisch nach oben entwickeln, ohne Gemeinden und ver- werden müssen. dass die Gemeinden darauf Einfluss nehmen kön- tritt einen profilierten Gemeindestandpunkt nen. Dies widerspricht organisatorischen Prinzi- gegenüber der Öffent- Katze im Sack pien: Aufgabenkompetenz, Ausgabenverantwor- lichkeit. Er will durch Das Volk soll am 19. Mai 2019 über die AFR18 tung und Finanzierung sollten auf der gleichen seine Arbeit das Selbst- abstimmen, ohne dass die finanziellen Grundlagen staatlichen Ebene angesiedelt sein. bewusstsein von Ge- zu deren Umsetzung gesichert sind. So wird über Schliesslich orten die 12 Gemeinden rechtliche meindebehörden, die die für die Finanzierung der AFR18 notwendige Verstösse des Kantons. So verletzt er Bundesrecht, Gemeindesolidarität STAF am gleichen Tag abgestimmt. Das Risiko, dass indem er die neuen Erträge aus der STAF (Erhöhung und die Gemeindeau am Ende die AFR18 angenommen, die STAF aber des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer) tonomie stärken. abgelehnt wird, ist nicht tragbar. Zudem wird über ganz für sich beanspruchen will und nicht, wie das Die Stadt Luzern ist seit die für die Gegenfinanzierung der AFR18 ebenso Gesetz vorschreibt, die Gemeinden daran beteiligt. 2015 nicht mehr Mit- wichtige kantonale Steuergesetzrevision 2020 erst Im Weiteren monieren die Gemeinden wie bereits glied des VLG. Damals später entschieden. Damit werden die Stimmbe- erwähnt die Verletzung der Gemeindeautonomie beschloss der Grosse rechtigten genötigt, die Katze im Sack zu kaufen. wie auch des Prinzips der Einheit der Materie. Stadtrat, entgegen dem Der Kanton beansprucht bei den Sondersteuern, Antrag des Stadtrates, wie etwa der Erbschaftssteuer, neu 70 Prozent. Den Niklaus Zeier den Austritt aus diesem Gemeinden bleiben noch 30 Prozent. Damit wird Chef Kommunikation Verband.
– 40'000 –13'147 – 45'000 – 3'716 –226 –50'000 6 |7 Steuerfussabtausch AFR18 Sondersteuern Ergänzungsleistungen Finanzausgleich Übrige Massnahmen Schulkostenteiler Belastung netto Steuergesetzrevision 2020 DER VERSUCH, DIE KATZE AUS Auswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision 2020, Stadt Luzern: Einschätzung Stadt Belastung der Stadt Luzern Entlastung der Stadt Luzern Auswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision 2020 auf die Stadt Luzern DEM SACK ZU HOLEN Die AFR18 ist eine schwierig verständliche Ansammlung von Massnahmen. Wir wagen den Versuch, Transparenz zu schaffen und aufzuzeigen, wie verschiedenste Eingriffe das notwendige Geld zur Finanzierung der Reform erbringen sollen. in 1'000 Fr. 0 10'605 –5'000 – 4'895 –10'000 –15'000 26'388 –16'851 –20'000 –25'000 – 9'649 –30'000 –35'000 – 40'000 1'475 –13'147 – 45'000 –3'716 –50'000 Sondersteuern Finanzausgleich Schulkostenteiler Belastung netto Steuerfussabtausch Ergänzungsleistungen Übrige Massnahmen Steuergesetzrevision 2020 Auswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision 2020, Stadt Luzern: gemäss Berechnung Kanton Belastung der Stadt Luzern Entlastung der Stadt Luzern Auswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision 2020 auf die Stadt Luzern Die AFR18 regelt Aufgaben und Finanzierungen Gemeindesteuerfusses angehen muss. Daher wer- zwischen dem Kanton und seinen 83 Gemein- ten die 12 Nein-Gemeinden den verordneten Steu- den. Hauptbestandteile sind die Finanzierungen erfussabtausch als Eingriff in den Grundsatz der des Wasserbaus und der Volksschulkosten. Neu sol- Gemeindeautonomie. Erste rechtliche Klärungen len die Volksschulkosten hälftig vom Kanton und haben ergeben, dass hier schwerwiegende verfas- den Gemeinden getragen werden. Im Moment sungsrechtliche Bedenken angebracht sind. zahlen die Gemeinden einen Anteil von 75 Prozent. Dieser neue Kostenteiler führt zu einer jährlichen Sondersteuern – Kanton greift zu Gegenfinanzierung von 160 Mio. Franken durch die Zu den Sondersteuern gehören die Grundstück- Gemeinden. Die AFR18 regelt diese Finanzierung. gewinn-, die Handänderungs-, die Erbschafts- und Die Abbildungen zeigen dieses Finanzierungs- die Personalsteuern. Bis jetzt gingen je die Hälfte modell. Das linke Diagramm präsentiert die Zahlen aus diesen Steuereinnahmen an den Kanton und für die Stadt, wie sie der Kanton Luzern annimmt. an die Stadt Luzern. Der AFR18 verordnet nun, dass Das rechte zeigt, was die Stadt Luzern aufgrund der Kanton 70 Prozent der Einnahmen aus den Son- ihrer Berechnungen und Prognosen erwartet. dersteuern in seine Kasse abführt. Damit wird eine Errungenschaft der Finanzreform 08 rückgängig Steuerfussabtausch – ein Diktat gemacht. Damals wurden diese Steuern hälftig auf Zur Finanzierung der AFR18 benötigt der Kan- Kanton und Gemeinden aufgeteilt mit der Begrün- ton mehr Geld. Er erhöht seine Steuern um eine dung, dass beide Staatsebenen im gleichen Mass Zehnteleinheit, obwohl die Stimmberechtigten vor von diesen Einnahmen profitieren sollen. Zumal noch nicht allzu langer Zeit eine kantonale Steuer- der Veranlagungs- und Inkassoaufwand bei den erhöhung abgelehnt haben. Daher verordnet der Gemeinden liegt. Die Stadt Luzern trifft diese Mass- Kanton per Gesetz den Gemeinden, ihre Steuern nahme mit Ausfällen von gegen 10 Mio. Franken. um eine Zehnteleinheit zu senken. Für die Stadt Luzern bedeutet dies einen jährlichen Ausfall von Ergänzungsleistungen – grösstes Risiko fast 17 Mio. Franken. Da die Gegenfinanzierung Die Gemeindekassen schwer belasten wird die nachhaltig ist, wird auch dieses Steuerfussdiktat in der AFR18 vorgesehene Massnahme, die Ergän- andauern. Im Wissen, dass Steuerfusserhöhungen zungsleistungen zur AHV und IV zu 100 Prozent den an der Urne selten zugestimmt wird, kommt die Gemeinden zuzuweisen. Bisher übernahmen die Stadt dann in Schwierigkeiten, wenn sie aufgrund Gemeinden 70 Prozent. Für die Stadt Luzern bedeu- von strukturellen Defiziten eine Erhöhung des tet dies, dass ihre Kasse zusätzlich mit über 13 Mio.
in 1'000 Fr. 0 –5'000 –10'000 6'474 –10'727 –15'000 26'388 –16'851 –20'000 –25'000 – 9'649 –30'000 –35'000 – 40'000 –13'147 – 45'000 – 3'716 –226 –50'000 Sondersteuern Finanzausgleich Schulkostenteiler Belastung netto Steuerfussabtausch Ergänzungsleistungen Übrige Massnahmen Steuergesetzrevision 2020 Auswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision 2020, Stadt Luzern: Einschätzung Stadt Belastung der Stadt Luzern Entlastung der Stadt Luzern Auswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision 2020 auf die Stadt Luzern Franken belastet wird. Es ist wissenschaftlich erwie- tiert von dieser Massnahme mit mehr als 26 Mio. Weitere Informationen sen, dass diese Kosten aufgrund der demografi- Franken. Der Unmut der Gemeinden entstand nicht Die 12 Gemeinde- oder schen und gesellschaftlichen Entwicklungen stark nur mit der bisherigen Zahlung von 75 Prozent der Stadträte von Dierikon, wachsen werden. Diese Zuweisung ist ein klares Schulkosten. Er entfachte sich auch an der inhalt- Eich, Greppen, Luzern, Indiz, dass der Kanton die Risikokosten den Gemein- lichen Entwicklung der Schulen durch den Kanton, Mauensee, Meggen, Neuenkirch, Rothen- den überlassen will. Zudem verletzt diese Mass- welche sich letztlich auf die Kosten auswirkt. Mit in 1'000 Fr. burg, Schenkon, Sursee, nahme das AKV-Prinzip. Aufgabenkompetenz, Aus- der Überwälzung von 25 Prozent der Kosten an den 0 Weggis und Vitznau gabenverantwortung und Finanzierung sind nicht Kanton wächst nämlich dessen Einfluss. –5'000 haben beschlossen, sich 10'605 auf der gleichen staatlichen Ebene angesiedelt. Die – 4'895«Nein mit ihrem Komitee Gemeinden zahlen nur. –10'000 Steuergesetzrevision – Entscheid noch offen zur AFR18 – Gegen die –15'000 Der Kanton hat für 2020 auch eine Steuerge 26'388 Schuldenfalle für die Finanzausgleich –16'851– Härtefall Stadt setzrevision eingeleitet. Diese Vorlage wurde im Luzerner Gemeinden» –20'000 Die Stadt trägt hier Mehrkosten von rund 4,5 Mio. Kantonsrat noch nicht abschliessend behandelt gegen die Annahme –25'000 Franken. Um die grossen Verwerfungen in der Kon- und muss bei einem Referendum auch die Hürde der AFR18 an der Urne – 9'649 struktion –30'000 der AFR18 auszugleichen, wurde ein Här- der Volksabstimmung nehmen. Trotzdem hat der zu wehren. tefallausgleich –35'000 geschaffen. Die Stadt wird während Regierungsrat prognostizierte Mehreinnahmen Mehr Informationen: sechs Jahren mit rund 0,8 Mio. Franken jährlich in die AFR18 eingerechnet. Seiner Meinung nach www.afr18-nein.ch – 40'000 1'475 entlastet. –13'147 könne die Stadt Mehreinnahmen von über 10 Mio. – 45'000 –3'716 Volksabstimmung Franken erwarten. Gemäss eigenen Berechnungen Übrige Massnahmen –50'000 erwartet die Stadt aber nur rund 6,5 Mio. Franken. Die AFR18 kommt am Sondersteuern In dieser Position sind mehrere Massnahmen Finanzausgleich Schulkostenteiler 19. Mai 2019 zur Abstim- Belastung netto Steuerfussabtausch Ergänzungsleistungen Übrige Massnahmen Steuergesetzrevision mung. 2020 Am gleichen zusammengefasst: die neue Aufgabenaufteilung im Gesamtbelastung – negative Bilanz Datum wird auch über Wasserbau inklusive Gegenfinanzierung, Neurege- Die AFR18 weist für die Stadt eine Mehrbelas- folgende Bundesvorla- lungen beimAuswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision Feuerwehrpflichtersatz sowie Mehr-2020, Stadt tung vonLuzern: rundgemäss 5 Mio.Berechnung Franken aus.Kanton Gemäss den Be- gen entschieden: Bun- wertabgaben auf Um- und Aufzonungen. rechnungen der Stadt wird diese aber mehr als dop- desgesetz über die Luzern Steu- Belastung der Stadt Luzern Entlastung der Stadt Luzern Auswirkungen AFR18 und Steuergesetzrevision 2020 auf die Stadt pelt so hoch sein und bei rund 11 Mio. Franken erreform und die AHV- Schulkostenteiler – gravierende Folgen liegen. Die AFR18 führt dazu, dass besonders die Finanzierung (STAF) Von vielen Luzerner Gemeinden gefordert, über- ressourcenstarken Gemeinden, welche viel zur und Umsetzung einer nimmt der Kanton neu 25 Prozent mehr von den volkswirtschaftlichen Stärke des Kantons beitragen, Änderung der EU-Waf- Volksschulkosten. Diese Massnahme ist einer der durch die Reform unverhältnismässig stark belas- fenrichtlinie (Weiterent- Hauptpunkte in der AFR18. Die Stadt Luzern profi- tet werden. (NZ) wicklung von Schengen).
8|9 AFR18 HAURUCKÜBUNG FÜR KLAMME KANTONSFINANZEN Der politische Widerstand gegen die AFR18 brachte 12 Gemeinden aus dem urbanen und ländlichen Raum zusammen. Vier Gemeinden äussern sich zur umstrittenen Reform: Meggen, Weggis, Neuenkirch und Sursee. Urs Brücker, Gemeindepräsident Meggen Esther Pfründer, Gemeinderätin Weggis Mit der AFR18 sollen Aufgaben und Finanzie- Der Gemeinderat von Weggis spricht sich dezi- rung der Staatsaufgaben zwischen Kanton und diert gegen die Aufgaben- und Finanzreform 2018 Gemeinden neu geregelt werden. Sie führt zu einer des Kantons Luzern (AFR18) aus. Mehrbelastung des Kantons von rund 200 Mio. Die Elemente der AFR18 sind komplex: Gegen- Franken. Bei der Gegenfinanzierung dieser Mehr- finanzierung im Wasserbau, ein neuer Kostenteiler belastung hat sich die Regierung mit tatkräftiger für die Volksschule sowie Anpassungen im Finanz- Unterstützung durch den Verein Luzerner Gemein- ausgleich (siehe S. 8 und 9). Sie haben ein klares Ziel: den nun aber komplett verrannt. Der Kanton will seine Finanzen ins Lot bringen und Tiefer Eingriff in die Autonomie der Gemein- die Gemeinden stärker belasten. Die sogenannte den, welchen für 2020 ein Steuerfuss-Diktat aufer- Gegenfinanzierung belastet die ressourcenstarken legt wird, 100-prozentige Abwälzung von Soziallas- Gemeinden zu stark, was zu negativen volkswirt- ten auf die Gemeinden, höhere und willkürliche schaftlichen Auswirkungen für den ganzen Kanton Abschöpfung der Einnahmen der Gemeinden (Son- führen wird. dersteuern), Anrechnung der höchst unsicheren Zudem verletzt der vorgesehene verordnete Erträge aus der Mehrwertabgabe etc., etc. Damit die Steuerfussabtausch die Gemeindeautonomie – die Reform für die Gemeinden finanziell doch noch Gemeinden müssten für das Jahr 2020 ihren Steu- einigermassen aufgehen soll, sind in den AFR18- erfuss um eine Zehnteleinheit senken, der Kanton Bilanzen auch die Mehrerträge aus dem Bundes- würde seinen Steuerfuss erhöhen. Tatsache ist auch, gesetz über die Steuerreform und die AHV-Finan- dass der Kanton den Gemeinden die Finanzierung zierung (STAF) und die Mehrerträge aus der kanto- von Aufgaben im Sozialbereich überträgt, die demo- nalen Steuergesetzrevision 2020 eingerechnet. grafisch bedingt in den nächsten Jahren einem sehr Am 19. Mai soll das Luzerner Stimmvolk über starken Wachstum unterliegen. die AFR18 abstimmen. Am gleichen Tag wird aber Ein weiterer wichtiger Grund, weshalb sich der auch über die nationale Vorlage STAF abgestimmt. Gemeinderat Weggis gegen die AFR18 ausspricht, Über die kantonale Steuergesetzrevision 2020 hat ist deren Verknüpfung mit zwei Steuervorlagen, der Kantonsrat noch nicht einmal beraten. Die über die noch nicht entschieden ist. Es geht hier um Stimmberechtigten werden genötigt, die Katze im die eidgenössische Steuervorlage (STAF), über die Sack zu kaufen und einer Staatsreform zuzustim- auch am 19. Mai an der Urne entschieden wird, und men, bei welcher die Auswirkungen für die Gemein- um die kantonale Steuergesetzrevision 2020, die der den in den Sternen stehen. Kantonsrat noch nicht einmal behandelt hat. Die AFR18 ist keine seriöse Neuordnung der Es sind noch zu viele Fragezeichen bezüglich der Aufgaben und Finanzierung zwischen Kanton und AFR18 vorhanden, daher beurteilt der Gemeinderat Gemeinden, sondern ein Sanierungspaket für den Weggis die nötige Transparenz als nicht gegeben. Kanton. Dies nicht nur auf Kosten einzelner finanz- Ohne diese Transparenz kaufen die Stimmberech- starker, sondern auf Kosten aller Gemeinden! tigten die Katze im Sack.
Kari Huber, Gemeindepräsident Neuenkirch Michael Widmer, Stadtrat Sursee AFR18 – einfach erklärt Obwohl Neuenkirch zu den vermeintlichen Ge- Der Stadtrat von Sursee lehnt die AFR18 ab. Dies Unter www.lu.ch findet winnern der AFR18 gehört, lehnt der Gemeinderat vor allem, weil bei genauerem Hinsehen der Ver- sich ein Youtube-Video diese ab. Diese Reform ist eine finanzpolitische Vor- dacht aufkommt, es handle sich bei der AFR18 nicht mit dem Titel «Aufga- lage und bringt in einer Gesamtbetrachtung kaum um einen vernünftigen Kompromiss zwischen Kan- ben- und Finanzreform eine Verbesserung im Bereich der Verteilung von ton und Gemeinden für eine faire Aufgaben- und 2018 – einfach erklärt». Ebenso sind auf der kan- Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung. Die Finanzierungsteilung, sondern um eine Hauruck- tonalen Homepage alle Vorlage bewirkt nirgends eine Effizienzsteigerung. übung, um die klammen Kantonskassen nachhal- Dokumente zur AFR18 Somit bleibt für die gleichen Aufgaben gleich viel tig zu stützen. So überwälzt die Reform den Gemein- abrufbar. Geld zur Verfügung. Dem Stimmbürger wird sugge- den vor allem Kosten, die sich in Zukunft dynamisch riert, dass es dank AFR18 dem Kanton und den Ge- nach oben entwickeln. Dazu gehören die individu- Ja zur AFR18: meinden besser geht. Das ist Nonsens. Der Steuer- ellen Prämienverbilligungen sowie die Ergänzungs- CVP, FDP, SVP zahler wird nicht entlastet. Entweder zahlt er die leistungen. Der Kanton stellt in seiner Botschaft sel- Schliesslich findet sich Steuern dem Kanton oder der Gemeinde. Wegen ber fest: «Im Total (…) könnte sich der indirekte auch das Resultat der des erzwungenen Steuerfussabtauschs zwischen Effekt im Jahr 2030, je nach Szenario und AFR18-Va Schlussabstimmung im dem Kanton und den Gemeinden bezahlt er vorerst riante auf zwischen 16 und 24 Mio. Franken zuguns- Kantonsrat, das 66 Ja gleich viel. ten des Kantons belaufen.» Die Gemeinden müssen zu 43 Nein lautete. Die Durch die Reform werden die längerfristigen fi- sich auf schmerzhafte Mehrbelastungen einstellen. Ja-Stimmen kommen nanziellen Risiken «elegant» den Gemeinden zuge- Das alles sieht nach einer Sparübung zugunsten ausschliesslich aus den schoben. Der Kanton zieht sich aus der sozialen Ver- des Kantons aus – und offensichtlich eilt es. Oder Fraktionen der CVP, antwortung. Den zusätzlichen Finanzbedarf können wie sonst lässt sich erklären, dass der Kanton mit FDP und SVP. viele Gemeinden wohl nur mit einer Steuererhö- der Reform und damit der Umverteilung von 200 Nein zur AFR18: hung auffangen. Die Schere zwischen armen und Mio. Franken nicht warten kann, bis klar ist, ob alle SP, Grüne, GLP reichen Gemeinden wird sich weiter öffnen. Dies bereits eingerechneten Einnahmen auch fliessen? Im Nein-Lager finden kann nicht im Sinne eines starken Kantons sein! Der Kanton berücksichtigt in den Rechnungsmo- sich die Fraktionen der Ganz besonders störend ist die Strafzahlung dellen zur AFR18 die Steuergesetzrevision 2020, die SP, der Grünen und der durch die Gemeinde, wenn eine Klassengrösse un- wiederum auf der Steuer- und AHV-Vorlage des Bun- GLP sowie die Abweich- terschritten wird. Kleinere Schulorte wie zum Bei- des (STAF) basiert, über die erst am 19. Mai abge- lerinnen und Abweich- spiel unsere Ortsteile Hellbühl und Sempach stimmt wird – am gleichen Tag, wie das Luzerner ler aus den Ja-Fraktio- Station könnten dadurch gefährdet sein. Auch Stimmvolk über die AFR18 entscheiden soll. nen: CVP (6, davon alle das Zusammenlegen von Sek-Schulkreisen sowie Sursee hat in der Vergangenheit mehrfach er- CVP-Kantonsräte aus der die Reduktion auf 20 Musikschulen schiessen über klärt, eine Mehrbelastung der Stadtkasse als Zei- Stadt Luzern), FDP (2), das Ziel hinaus. In ländlichen Gegenden werden so- chen der Solidarität gegenüber dem Kanton in Kauf SVP (7). mit Schülertransporte nötig, ein ökologischer Un- zu nehmen. Die AFR18 steht indes auf einem zu sinn sondergleichen. Wir denken längerfristig und schwachen Fundament, bringt neue Systemwidrig- lehnen die hochkomplexe Vorlage klar ab. keiten und zu grosse Risiken für alle Gemeinden.
10 | 11 Abstimmung BUSFAHREN OHNE HINDERNISSE Für die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes beantragt der Stadtrat 39,69 Mio. Franken. Die Investition sei wichtig und richtig, war sich das Parlament ohne Gegenstimme einig. Die Volksabstimmung darüber findet am 19. Mai statt. Die Bushaltestellen beim Kantonsspital Luzern wurden bereits 2018 im Rahmen eines Strassenbauprojekts behindertengerecht umgestaltet. Schönbühl, Kantonsspital Luzern, St. Karli und alle Bushaltestellen so anzupassen, dass Menschen Steghof – diese Bushaltestellen entsprechen den mit Behinderungen einen autonomen und niveau- Vorgaben des Behindertengleichstellungsgeset- gleichen Zugang zum Bus erhalten. Die Stadt wird zes (BehiG). An diesen acht Bushaltekanten ist ein diese Frist nicht einhalten können: Die Bestim- niveaugleicher, autonomer Zustieg zum Bus heute mung der idealen Haltekantenhöhe hat einige Zeit möglich. Das sind aber nur 4,6 Prozent der insge- in Anspruch genommen, inzwischen konnte aber samt 175 Haltekanten, für die die Stadt Luzern ver- ein interkantonaler Standard definiert werden antwortlich ist. In den nächsten zehn Jahren will (siehe Box, S. 11). die Stadt weitere 73 Haltekanten BehiG-konform umgestalten und so einem gesetzlichen Auftrag Prioritäten und Verhältnismässigkeit nachkommen: Am 1. Januar 2004 trat das Bundes- Die 175 Bushaltekanten auf den Gemeindestras- gesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen sen der Stadt Luzern wurden systematisch über- von Menschen mit Behinderungen in Kraft. Dieses prüft und die Anpassungsarbeiten nach Notwen- Gesetz verlangt Massnahmen zur Verhinderung, digkeit und Machbarkeit triagiert und priorisiert. Verringerung oder Beseitigung von Benachteiligun- Für die Umsetzung des BehiG gilt der Grundsatz: gen, denen Menschen mit Behinderungen ausge- Wenn immer möglich, sollen Synergien zu beste- setzt sind. Menschen mit einer Behinderung sollen henden oder geplanten Projekten genutzt werden. am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Im Rahmen von Sanierungsprojekten konnten Zentral dafür ist die persönliche Mobilität. bereits die eingangs erwähnten acht Haltekanten BehiG-konform angepasst werden. Weitere 51 Hal- Umsetzung mit Verzögerung tekanten werden im Zuge von geplanten Strassensa- Für die Umsetzung des BehiG an bestehenden nierungsprojekten oder Projekten zur Aufwertung Anlagen des öffentlichen Verkehrs wurde im Gesetz des öffentlichen Raums angepasst. Sie sind nicht eine Anpassungsfrist von 20 Jahren festgelegt. Für Bestandteil der Abstimmungsvorlage. Am 19. Mai die Stadt Luzern als Eigentümerin der Bushaltestel- befinden die Stimmberechtigten über die BehiG- len auf Gemeindestrassen und für den Kanton, in konforme Gestaltung von 73 Bushaltekanten und dessen Verantwortung die Haltestellen auf Kantons- deren Umgebung (siehe «Ganzheitliche Betrach- strassen liegen, bedeutet das: Bis Ende 2023 sind tung»). Die Anpassungen werden zeitlich gestaffelt
und nach Nutzen priorisiert. Haltestellen, die stark genutzt werden, die in der Nähe von zentralen Ein- richtungen liegen oder die eine Umsteigefunktion haben, werden in erster Priorität umgebaut. Von baulichen Massnahmen ausgenommen bleiben 43 Haltekanten, deren Anpassung aktuell als unverhältnismässig beurteilt wird. Laut BehiG ist eine Anpassung unverhältnismässig, wenn der zu erwartende Nutzen für Menschen mit Behin derungen in einem Missverhältnis zu den Kosten steht, die Interessen des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes missachtet werden oder die Verkehrs- und Betriebssicherheit gefähr- det wird. Eine hindernisfreie Ausgestaltung dieser Bushaltekanten wird im Rahmen des ordentlichen Sanierungszyklus erneut geprüft. Ganzheitliche Betrachtung Die BehiG-konforme Anpassung der 73 Halte- kanten wird nicht losgelöst vom öffentlichen Raum und von weiteren städtischen Aufgaben betrachtet. Stadt und vbl zusammen Die anstehenden BehiG-Massnahmen werden des- halb zum Anlass genommen, die Personenunter- Die Stadt ist für die hindernisfreie Gestaltung der Bus- stände an den Bushaltestellen wo nötig zu ersetzen haltestellen auf ihren Gemeindestrassen verantwortlich, und das lokale Aufwertungspotenzial dieser Halte- die vbl für die Informationssysteme, Billettautomaten, stellen zu nutzen. Zusätzlich werden die Strassen- Fahrzeuge und für die präzise Anfahrt der Bushaltestellen. flächen rund um die Bushaltestellen saniert und instand gesetzt. Durch diese ganzheitliche Betrach- Damit ein ebenerdiger Ein- und Ausstieg möglich ist, tung können verschiedene Bedürfnisse befriedigt sind der Kanton auf den Kantonsstrassen und die Stadt auf und Synergien genutzt werden. Eine koordinierte den Gemeindestrassen für die behindertengerechte Ausge- Realisierung all dieser Massnahmen fällt deutlich staltung der Bushaltestellen zuständig. Ebenso wichtig ist kostengünstiger aus und reduziert die Belastun- auch das Engagement des konzessionierten Transportunter- gen für die Bevölkerung. Die qualitätsvolle Ausge nehmens, in der Stadt Luzern die Verkehrsbetriebe Luzern staltung einer hindernisfreien Haltestelle ist nicht AG (vbl). Die vbl ist für die Fahrgastinformationssysteme nur für Menschen mit Behinderungen von hoher und Billettautomaten sowie für die Fahrzeuge zuständig. Bedeutung. Sie steigert auch die Attraktivität des In den letzten Jahren hat die vbl ihre Fahrzeugflotte öffentlichen Verkehrs und unterstützt dadurch die kontinuierlich erneuert. Seit dem Fahrplanwechsel im Ziele der städtischen Mobilitätsstrategie. Die Auf- Dezember 2017 sind ausschliesslich Niederflurfahrzeuge wertung des öffentlichen Raums trägt zudem auch im Einsatz, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. zur Stärkung der Quartiere bei und leistet so einen Denn für einen Ein- und Ausstieg ohne fremde Hilfe ist Beitrag zur Stadtentwicklung. ein niveaugleicher Übergang zwischen Haltekante und Bus zentral. Debatte im Parlament Alle Fraktionen des Grossen Stadtrates unter- Interkantonaler Standard stützten die Umsetzung des Behindertengleichstel- Die Definition der Haltekantenhöhe hat einige Zeit in lungsgesetzes. Sie komme zwar spät und sei mit Anspruch genommen. Erfahrungen aus anderen Schweizer grossen Kosten verbunden. Die Investitionen seien Städten und Pilotprojekten in Luzern haben ergeben, dass aber wichtig und richtig, um möglichst allen Men- eine Kantenhöhe von 22 Zentimetern auf der ganzen Länge schen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Haltestelle ideal ist. Dieses Mass ist inzwischen als inter- zu ermöglichen. Der hindernisfreie öffentliche Ver- kantonaler Standard anerkannt. Ist dieser Standard nicht kehr sei ein zentrales Element für eine autonome realisierbar, wird auf einer möglichst grossen Länge eine Lebensgestaltung von Menschen mit einer Behin- 22 Zentimeter hohe Haltekante angestrebt, möglich ist auch derung. Auch die Vorgehensweise – die systemati- die Verschiebung der Haltestelle. sche Prüfung aller Bushaltekanten, die Triagierung nach Notwendigkeit und Machbarkeit sowie die Pri- Kontaktfahrt orisierung der Anpassungsarbeiten – überzeugte Neben der Haltekantenhöhe gibt es weitere Faktoren, das Parlament. die für den autonomen Zugang zum Bus relevant sind: die Neigung der Haltekante, die zur Verfügung stehende Fläche Empfehlung an die Stimmberechtigten bei der Bushaltekante sowie der Abstand zwischen Kante Grosser Stadtrat und Stadtrat empfehlen den und Fahrzeug. Damit dieser Abstand möglichst gering Stimmberechtigten, dem Sonderkredit von 39,69 ist, braucht es die Kontaktfahrt: Der Bus muss nahe an die Mio. Franken für die Umsetzung des Behinderten- Kante heranfahren (Kontaktfahrt) und für den Ein- und gleichstellungsgesetzes zuzustimmen. (DC) Ausstieg das Fahrzeug absenken («Kneeling»).
12 | 13 Abstimmung VELOSTATION BAHNHOFPLATZ: STREITPUNKT SIND DIE KOSTEN Unter der Bahnhofstrasse soll eine Velostation für 1100 Velos entstehen. Die Mehrheit des Parlaments hat einem Sonderkredit von 2,05 Mio. Franken für die Projektierung zugestimmt. Dagegen hat die SVP das Referendum ergriffen. Die Zu- und Wegfahrt der geplanten unterirdischen Velostation Bahnhofplatz soll über eine befahrbare Rampe erfolgen. Rund um den Bahnhof Luzern sind 2800 Velo- umgangen werden. Die Bahnhofstrasse ist zudem abstellplätze vorhanden. Diese sind stark ausge Teil von viel befahrenen nationalen und regionalen lastet und zum Teil überlastet, insbesondere im Velorouten. Bereich der Bahnhofstrasse. Die Situation wird sich weiter verschärfen: Durch die Angebotsverbesse- Abklärungen im Untergrund rungen der SBB (Halbstundentakt nach Zürich und Die Velostation könnte gleichzeitig mit der ge- S-Bahn-Verkehr) sowie die Velofördermassnahmen planten Neugestaltung der Bahnhofstrasse reali- der Mobilitätsstrategie wird die Nachfrage nach siert werden. Dadurch würden Synergien optimal Veloabstellplätzen weiter steigen. Im «Veloparkie- genutzt. Bei den Bauarbeiten gilt es, verschiedene rungskonzept Innenstadt» wird bis 2035 beim Rahmenbedingungen zu beachten: Die Nähe zum Bahnhof ein Bedarf von rund 7000 Veloabstellplät- See und zur Reuss macht eine geologische Unter- zen ausgewiesen. Angesichts dieser Prognosen und suchung des Baugrundes und die Prüfung mögli- auch, weil im Zuge der Neugestaltung der Bahnhof- cher Bauverfahren unumgänglich. Ebenso verlangt strasse eine Reduktion der 400 oberirdischen Velo- die Lage am Wasser konkrete Überlegungen zum abstellplätzen wünschenswert ist, hat der Stadtrat Hochwasserschutz. eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Es Eine Herausforderung stellt die grosse Anzahl sollte geprüft werden, wo die zusätzlich benötigten von Werkleitungen unterhalb der Bahnhofstrasse Veloabstellplätze rund um den Bahnhof geschaffen dar: Im Bereich der geplanten Velostation sind werden können. heute Entwässerungs- und Kanalisationsleitungen, Wasser- und Gasleitungen sowie Elektro- und wich- Rund 1100 neue Veloabstellplätze tige Fernmeldeleitungen vorhanden. Wie diese um- Die Machbarkeitsprüfung hat als einzige prak- gelegt und neu geführt werden können, ist bei der tikable Lösung den Bau einer unterirdischen Velo- weiteren Planung im Detail zu klären. station unterhalb der Bahnhofstrasse ergeben. Die geplante Velostation ist mit dem Durchgangsbahn- Baukredit voraussichtlich 2021 im Parlament hof kompatibel, und sie überzeugt auch aus ver- Die Baukosten der Velostation werden zurzeit kehrlicher Sicht: Mit der Zu- und Wegfahrt über die auf 11,2 Mio. Franken geschätzt. Sie werden im Rah- Bahnhofstrasse können der Unfallschwerpunkt men der Projektierung überprüft und optimiert. Bahnhofplatz und die stark von Passantinnen und Sofern die Stimmberechtigten dem vorliegenden Passanten frequentierte Zone vor dem Postgebäude Projektierungskredit zustimmen, kann das Parla-
ment voraussichtlich im Jahr 2021 über den Baukre Antrag wurde abgelehnt. Die Mehrheit des Grossen dit für die Velostation Bahnhofplatz entscheiden. Stadtrates sprach sich für den Sonderkredit von Im Grossen Stadtrat sprachen sich die SP / 2,05 Mio. Franken für die Projektierung der Velo- JUSO -, die FDP-, die G / JG- und die GLP-Fraktion station unter der Bahnhofstrasse aus. Gegen diesen für den Projektierungskredit für die unterirdische Beschluss des Parlaments hat die SVP das Referen- Velostation aus. Die vier Fraktionen unterstützten dum ergriffen. das Projekt im Sinne der nachhaltigen Mobilität und der Veloförderung. In der CVP-Fraktion waren Empfehlung an die Stimmberechtigten die Meinungen geteilt, insbesondere der hohen Grosser Stadtrat und Stadtrat empfehlen den Kosten wegen. Aus diesem Grund lehnte die SVP- Stimmberechtigten, dem Sonderkredit von 2,05 Mio. Fraktion die Velostation ab und beantragte die Franken für die Projektierung einer Velostation Rückweisung des Projektierungskredits. Der SVP- unter der Bahnhofstrasse zuzustimmen. (DC) Argumente des Referendumskomitees NEIN zur wirkungslosen Velostation Bahnhofstrasse Im Zuge der vom Volk beschlossenen Neugestaltung in der Velostation die Velos künftig zweistöckig parkiert der Bahnhofstrasse will der Stadtrat auch gleich noch werden, dann wären das sogar 10 Fahrräder. Bei 12’400 eine unterirdische Velostation erstellen, die gemäss Stadt- Franken pro Velo ergäbe das also sagenhafte 124’000 Fran- rat rund 13,5 Mio. Franken kosten wird. Nun hat der ken Erstellungskosten für einen vergleichbaren Autopark- Grosse Stadtrat dem Projektierungskredit für die Velosta- platz! Tatsache ist aber, dass ein Autoparkplatz in einer tion zugestimmt. Die Öko-Allianz verlangt viel von den Einstellhalle nur rund 30’000 Franken kostet, also gerade Luzernerinnen und Luzernern: Diese sollen die Investitio- mal einen Viertel. D ieser Vergleich zeigt, dass die Kosten nen und den gesamten Unterhalt übernehmen. Gleichzeitig für die Velostation jenseits aller Vernunft liegen. verhindern die linken Parteien ein Veloparkverbot und machen dadurch die Velostation komplett überflüssig. Alles bezahlt der Steuerzahler Dass man wenigstens teilweise für die Kosten auf- Weniger Freiräume durch Velostation kommt, die man verursacht, ist eigentlich nur fair. Ausser Als 2016 das Projekt «Take a walk on the bright side» für Velofahrer in der Stadt Luzern. Neben den Investitions- den Wettbewerb zum Umbau der Bahnhofstrasse ge- kosten sollen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler näm- wann, war die Velostation noch kein Thema. So zeigen lich auch noch den gesamten Unterhalt bezahlen. Denn denn die Visualisierungen auch eine grosse Flanierzone auch hier ist die Öko-Allianz gerne bereit, das Geld mit bei- vom Theater bis zum Bahnhofplatz. Mit der geplanten den Händen auszugeben, und hat es abgelehnt, in der Velo Velostation wäre aber schnell fertig mit den zusätzlichen station auch nur minimalste Parkgebühren zu verlangen. Freiräumen: Vor dem Swisscom/Raiffeisen-Gebäude soll fast über die gesamte Länge eine Rampe zur Velostation Wollen das die Luzernerinnen und Luzerner wirklich? erstellt werden. Direkt daneben führt die Autostrasse Bereits im Grossen Stadtrat wurde sowohl von der CVP weiterhin Richtung Bahnhofplatz, da die Bahnhofstrasse wie auch von der SVP beantragt, die Bevölkerung über für den Zubringerverkehr und Cars auch nach dem Umbau die massive und wirkungslose Investition an der Bahnhof- befahrbar sein muss. strasse abstimmen zu lassen. Doch auch hier wehrte sich die Öko-Allianz dank knapper Mehrheit im Grossen Stadt- Wirkungslose unterirdische Veloparkanlage rat erfolgreich gegen eine Volksabstimmung: Man könne Leider werden auch künftig die Velos oberirdisch ja das Referendum ergreifen, wenn man Wert auf den parkieren, denn die Öko-Allianz aus SP, Grünen und GLP Volkswillen legt. stimmte im Grossen Stadtrat gegen ein Veloparkverbot Dieser Aufforderung von links kam die SVP gerne nach auf der «attraktivierten» Bahnhofstrasse. Es stellt sich und hat deshalb das Referendum ergriffen. Ganz im Gegen- schon die Frage, wer bei schönem Wetter künftig das satz zur CVP, die es abgelehnt hat, beim Referendum mitzu- Velo in die Velostation fahren soll, wenn er es bequem machen: Offenbar akzeptiert man dort bereitwillig die wie heute einfach zwischen den Bäumen abstellen kann. Befehlsdurchgabe von links. 12’400 Franken pro Veloparkplatz! Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht Insgesamt sollen 1’082 Veloabstellplätze entstehen. Alle sind sich einig, dass der Veloverkehr in der Stadt Bei geschätzten Gesamtkosten von rund 13,5 Mio. Franken Luzern gefördert werden muss. Aber dabei sollte man im- macht das gemäss Stadtrat ca. 12’400 Franken pro Velopark- mer Lösungen mit Augenmass suchen und auf dem Boden platz. Auf der Fläche eines Autoparkplatzes haben rund der Realität bleiben. Dies ist bei der luxuriösen, sehr teuren 5 Fahrräder nebeneinander Platz. Wenn man bedenkt, dass und wirkungslosen Velostation sicher nicht der Fall.
14 | 15 Quartier «WENN MAN DIE ALTSTADT LIEBT, STÖREN DIE TOURISTEN NICHT» Tagsüber ein hektisches Gewusel mit Tausenden Gästen, abends wie ausgestorben: Nirgends in Luzern ist dieser Unterschied ausgeprägter als in der Altstadt. Wie wohnt es sich hier? Wir haben fünf Parteien befragt. Sie sind sich einig. Für viele ist die Luzerner Altstadt in erster Linie Paar sind weder die Touristenströme noch Gross- für eines da: zum Shoppen. Dann startet man viel- anlässe wie die Fasnacht ein Problem. Sie lieben die leicht auf dem Schwanenplatz, reiht sich ein in Altstadt und sagen: «Wenn man ein Problem hat die Touristenströme, lässt sich von Laden zu Laden mit dem Wohnen hier, dann liegt das nicht an der treiben, trinkt einen Kaffee an der Reuss – und geht Altstadt, sondern am Wohnenden. Wenn man die wieder nach Hause. Wenn es Abend wird, wird es Altstadt liebt und akzeptiert, dann stören die Tou- ruhig in der Altstadt. Sehr ruhig. Die Gassen wirken risten nicht.» Beide schätzen die hohe Wohnquali- dann wie ausgestorben. Nirgends in den 21 städti- tät im Quartier. Sie sind sich einig: «Die Altstadt ist schen Quartieren ist der Unterschied von Tag und wie ein Dorf, man trifft unterwegs immer jeman- Nacht wohl derart gross. den, den man kennt.» Auch der Zusammenhalt in Rund 1100 der 85’000 Stadtbewohnerinnen und der Nachbarschaft funktioniere. -bewohner leben in der Altstadt – quasi im Museum: Bei aller Liebe zur Altstadt: Störend empfindet in denkmalgeschützten Gebäuden, in einer Orts- das Paar den achtlos weggeworfenen Abfall der Pas- bildschutzzone, in der Balkone klein und Grünflä- santinnen und Passanten sowie die Wildpinkler. chen Mangelware sind. Macht es Spass, am Tag Speziell die Furrengasse und das Sepp-Ebinger- Menschen aus aller Welt und nach Sonnenunter- Gässli seien «Abfall- und Brünzli-Gassen». Susanna gang niemandem mehr in den schmalen Gassen zu M. Riklin sagt: «Seit vor ein paar Jahren ein Tor zum begegnen? Das «Stadtmagazin» hat fünf Altstadtbe- Hauseingang samt Bewegungsmelder-Beleuchtung wohnerinnen und Altstadtbewohner getroffen. installiert wurde, hat sich die Situation hier etwas gebessert.» Ein Lob auf den Zusammenhalt Susanna M. Riklin und Hans Schaller wohnen Nur der Veranstaltungslärm stört etwas seit 23 Jahren an der Furrengasse 9. Das Haus sel- Der Luzerner Neoautor («Dort») Niko Stoifberg ber ist stolze 436 Jahre alt. Es handelt sich um das wohnt schon seit vielen Jahren in der Altstadt, stets Pfarrhaus der Peterskirche, wo die beiden Pensio- an verschiedenen Adressen. Aktuell lebt er am Ka- nierten in der ehemaligen Kaplaneiwohnung leben. pellplatz 2, zusammen mit seiner Partnerin Linda «Die Aussicht ist umwerfend», sagt Hans Schaller. Wohlfarth und ihrer einjährigen Tochter Mina. Ist «Blickt man aus den Wohnzimmerfenstern, sieht die Altstadt für die junge Familie nicht etwas öde? man sowohl die Kapellbrücke als auch die Jesuiten Ein Blick in die Statistik zeigt: Hier leben weniger kirche.» Eine Postkartenidylle – von der er aber auch Kinder als in allen anderen städtischen Quartieren. andere Bilder in Erinnerung hat: aus jener August- «Wenn man sich einredet, die Altstadt sei kein gu- nacht 1993, als die Kapellbrücke brannte und die ter Platz für Kinder, wird dies zur selbsterfüllenden Wohnungsfenster bedrohlich heiss wurden. Für das Prophezeiung. Aber das Gebiet rund um die Musegg Susanna M. Riklin und Hans Schaller haben von ihren Wohnzimmerfenstern Kleiner Balkon – riesige Kulisse: Niko Stoifberg und Linda Wohlfarth mit sowohl die Kapellbrücke als auch die Jesuitenkirche im Blick. Tochter Mina. Die Familie lebt am Kapellplatz.
Ein Fest für alle Der Abschluss der Arbei- ten am Grendel und am Löwengraben wird am 18. Mai 2019 mit einem kleinen, aber feinen beispielsweise hat für Familien sehr viel zu bieten», Präsident der Pro Velo Luzern und, wie seine Part- Fest gefeiert. Organisiert gibt Niko Stoifberg zu bedenken. nerin, Mitglied des Stadtparlaments. Spannend fin- wird es von Quartier- Auch «sein» Haus steht unter Denkmalschutz – den sie die vielen Geschichten über die historischen kräften und der Stadt. es stammt aus dem 17. Jahrhundert. Das hat Vor- Altstadthäuser. «Die Menschen im Quartier erzäh- Das Fest dauert von und Nachteile. «Alles ist etwas schief und verzogen, len, wem welches Haus mal gehört hat, welche 12 bis 19 Uhr. Der Fest- die Böden senken sich, es knarzt. Doch dafür hat Berühmtheiten hier schon gelebt haben und was perimeter erstreckt sich die Wohnung sehr viel Charme», sagt er. Auch die sich darin alles ereignet hat.» Das sei sowohl lehr- entlang des Grendels unmittelbare Nähe zum Luzerner Wochenmarkt, reich als auch unterhaltend. via Falkenplatz bis zum wo Stoifberg fast all seine Lebensmittel einkauft, Der Tourismus gehört für Vetterli und van der ehemaligen Gefängnis schätzt er. «Und der Kontakt zu unseren Nachbarn Heiden zwar zur Altstadt. Manchmal sei es aber am Löwengraben. ist sehr gut.» Die vielen Touristinnen und Touristen schon etwas anstrengend, wenn man sich auf dem stören ihn nicht. Was ihn eher etwas nervt, sind die Nachhauseweg durch grosse Gästegruppen kämpfen Musik und Clowns zahlreichen Veranstaltungen tagsüber, etwa auf müsse. Gerade die Hertensteinstrasse sei manch- Auf einer Bühne auf dem Kapellplatz. Mit elektronischer Verstärkung mal völlig überlaufen. «Allgemein ist die Altstadt dem Falkenplatz treten diverse Bands auf. Ent- sei das Treiben auch noch in den umliegenden schon sehr stark auf Tourismus ausgerichtet.» lang der Festmeile sor- Wohnungen gut zu hören. «Dafür könnte hier an gen Streetdancer und den Abenden mehr los sein, dann ist es manchmal «Bewusst, auf was wir uns einlassen» eine Marchingband für schon sehr ruhig und verlassen.» Die geschäftige Hertensteinstrasse kennt Hans- Unterhaltung. Für die peter Furrer bestens. Schliesslich wohnt er bereits Kinder sind Clowns Freie Bahn für den Dreijährigen seit über 30 Jahren hier an zentralster Lage – am unterwegs, es gibt ein Etwas weniger zentral wohnen Luzia Vetterli Falkenplatz. «Meine Frau und ich waren uns be- Karussell, einen Bagger und ihr Partner Nico van der Heiden. Die beiden wusst, worauf wir uns einlassen, als wir hierherge- sowie Ballonfiguren. sind vor Kurzem zusammen mit ihrem dreijährigen zogen sind. Wir haben uns damit arrangiert, uns Foodstände, ein Glücks- Sohn Thijs in ein 118-jähriges Haus an der Cysat gefällt es sehr gut.» Der Lärm draussen auf dem rad und das grösste Alp- strasse, hinter dem ehemaligen Gefängnis, gezo- Platz ? Kein Problem. Die vielen Touristinnen und horn der Welt gehören gen. Vorher wohnten sie in der Neustadt. Dort hat Touristen? Man gewöhnt sich dran. Fasnacht? auch zum Angebot. es ihnen zwar auch gut gefallen: «Aber diese Woh- Super natürlich, als Mitglied im Tambourenverein. nung hier ist fantastisch: Vom Balkon aus hat man An sozialen Kontakten im Haus und im Quartier Ein Dankeschön eine sehr schöne Sicht in die Berge. Und in unse- fehlt es dem Ehepaar auch nicht, zumal es noch im Der Anlass ist auch ein Dankeschön an die rem Garten pflanzen wir Gemüse, Beeren und Blu- Quartierverein Altstadt aktiv ist. Dort hilft etwa Anwohnerinnen und men an, und es ist super zentral», freut sich Luzia Hanspeter Furrer mit, das Quartierfest (siehe Spalte Anwohner sowie die Vetterli. rechts) zu organisieren. «Der einzige Grund, hier Geschäftstreibenden am Dass die Altstadt für Familien mit Kindern nicht irgendwann mal wegzuziehen, sind die Treppen im Grendel und Löwengra- gerade zuoberst auf der Wunschliste steht, finden Haus. Aber solange wir da noch problemlos rauf- ben, die von den Arbei- beide etwas schade. «Es gibt hier fast keine Fami- kommen, bleiben wir ganz bestimmt hier.» ten betroffen waren. lien. Dafür kann unser Sohn dank den vielen Fuss- Mehr Infos gibt’s unter: gängerzonen an vielen Orten sicher spielen und Luca Wolf und Luzia Hämmig www.loewengraben. Fahrrad fahren», freut sich Nico van der Heiden, Co- Stelle für Kommunikation info An der Cysatstrasse: Luzia Vetterli und Sohn Thijs: «In unserem Garten pflan- Wohnt seit 30 Jahren an der geschäftigen Hertensteinstrasse und geniesst die zen wir Gemüse, Beeren und Blumen an, und es ist super zentral.» Ruhe auf dem Pausenplatz des Mariahilf-Schulhauses: Hanspeter Furrer.
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