Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako

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Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
02|2021

                                                DATA DRIVEN GOVERNMENT

                                              Datenbasiertes
                                               Verwaltungs-
                                                 handeln
                                                            VOR DEM ERSTEN KLICK
                                                  Datenschätze in Kommunen bergen

                                                        EUROPÄISCHE DATENSTRATEGIE
                                                         Im Mittelpunkt die Daten

                                                           DAS VIER-SÄULEN-MODELL
                                                       OZG-Umsetzung erfolgreich
                                                              gestalten

Zeitschrift der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V.     www.vitako.de
Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Bild: Westend61 | GettyImages

   
   
 

  
        
Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Editorial

                                                                                                        ▲ Dr. Ralf Resch ist
                                                                                                        Vitako-Geschäftsführer.

                 Liebe Leserinnen
                 und Leser,
stellen Sie sich vor, Sie kaufen oder leasen ein    immer smarter werden und sie halten alle recht-
Auto und erhalten automatisch zur Kfz-Anmel-        lichen Instrumente für die Planung und Gestal-
dung den Anwohnerparkausweis für Ihre Park-         tung in der Hand. Gleichzeitig entstehen in Kom-
zone. Oder Sie werden morgens per Smartphone        munen immer mehr Daten, die gesammelt, auf-
über Staus auf dem Arbeitsweg und Parkmög-          bereitet und ausgewertet werden können. Diese
lichkeiten am Ziel informiert. Bei der Geburt       Daten generieren nicht nur neue Geschäftsmo-
Ihres Kindes erhalten Sie Eltern- oder Kindergeld   delle, sondern bieten auch ganz neue Möglich-
ohne große Antragsorgien – natürlich nur, wenn      keiten für die Gestaltung und Steuerung des
Sie einer Datenfreigabe zustimmen. Zukunfts-        Gemeinwesens – mehr Effizienz und Souveräni-
musik? Nein, datenbasiertes Verwaltungshan-         tät unter Wahrung des Datenschutzes.
deln ist eine weitere Stufe der Verwaltungsdi-
gitalisierung, die augenblicklich von verschie-     Vitako setzt sich mit seinen Mitgliedern für eine
denen Akteuren – auch im Zuge des Onlinezu-         sichere, leistungsstarke und resiliente öffentli-
gangsgesetzes – vorbereitet wird. Dass die kom-     che Dateninfrastruktur im Sinne der digitalen
munale Ebene und kommunale IT-Dienstleister         Daseinsvorsorge ein. Machine Learning, künstli-
dabei eine wichtige Rolle spielen, davon können     che Intelligenz und Big Data werden künftig eine
Sie sich in dieser Ausgabe von „Vitako aktuell“     große Rolle spielen. Sowohl die EU als auch die
überzeugen.                                         Bundesregierung haben in ihren Datenstrategien
                                                    auf die Bedeutung einer datengestützten Gesell-
Zunächst ist hervorzuheben, dass eine datenba-      schaft und gemeinsamer Datenräume hingewie-
sierte Verwaltungsmodernisierung im Zusam-          sen. An der Umsetzung der neuen Datenökono-
menspiel mit weiteren kommunalen Akteuren           mie müssen nun alle Akteure gemeinsam mit-
wie Nahverkehrsunternehmen, Energieversor-          wirken und dürfen nie aus dem Blick verlieren,
gern, Wasserwirtschaft oder auch Startups zu        dass die Menschen, die in ihrem Berufsalltag
erheblichen Qualitätssprüngen bei der digita-       davon betroffen sind, mitgenommen werden
len Daseinsvorsorge führt. Kommunen wollen          wollen.

                                                                                                02|2021 Vitako aktuell            3
Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Impressum                                         Inhalt

Herausgeber:
Bundes-Arbeitsgemeinschaft der
Kommunalen IT-Dienstleister e. V.
Charlottenstr. 65
10117 Berlin
Tel. 030/20 63 15 60
E-Mail: aktuell@vitako.de
www.vitako.de

V. i. S. d. P.: Dr. Ralf Resch

Redaktion und Gestaltung: drei | Medien
Merschmann Mühlke Jaschinski GbR
www.drei-medien.de
Grafik: Axel Meintker

Die Redaktion behält sich vor, ­eingesandte
­Berichte auch ohne vorherige Absprache zu
 ­kürzen. Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in
  ­jedem Fall die Meinung des Herausgebers
   ­wieder. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck
    oder elektronische Verbreitung nur mit Zu­
    stimmung des Herausgebers.

Korrektorat: Henrike Doerr, Textwelten

Druck: triggermedien, Berlin

Erscheinungsweise: 4 Ausgaben im Jahr
Auflage: 5.000; Papier: 115g/m² Profibulk

Autoren und Mitwirkende dieser Ausgabe:
Dr. Ralf Resch, Vitako; Dr. Rolf Beyer, KDO;

                                                  Schwerpunkt: Data Driven Government
Dieter Rehfeld, regio iT und govdigital;
Christian Pfromm, Stadt Hamburg; Sabine
Verheyen, Europäisches Parlament; Ingbert
Liebing, VKU; Dr.-Ing. Alanus von Radecki,
DKSR; Philipp Lämmel, Fraunhofer FOKUS;
Dr.-Ing. Nikolay Tcholtchev, Fraunhofer
FOKUS; Bernhard Barz, regio iT; Stephan           6    Leitartikel: Leistungen schon vor dem ersten Klick
Löbel, Stein-Hardenberg Institut; Dr. Ursula
Köhler und Tanja Krins, GI; Michael Diepold,      Eine datenbasierte Verwaltungsdigitalisierung verspricht erhebliche Fort­
AKDB; Dr. Timon Hölle, AKDB; Thomas
Werner, citeq; Julian Einhaus, Vitako; Sibylle    schritte für die Effizienz und Effektivität von öffentlichen Leistungen.
Mühlke, drei | Medien; Helmut Merschmann,
drei | Medien; Jana Plomin, Fraunhofer Fokus;
Hiestermann & Frömchen GmbH
                                                  8    Datenraum in                              14 Offene Plattformen
Bildnachweise:
Titel: Gorodenkoff - stock.adobe.com                   kommunaler Hand                              für Städte
S. 3 Porträt Resch: Robert Schlesinger;
S. 4 contrastwerkstatt - stock.adobe.com
S. 5 BullRun - stock.adobe.com                    Die Neue Leipzig-Charta setzt auf die          Das Datenkompetenzzentrum für Städte
S. 7 Gorodenkoff - stock.adobe.com
S. 9 iStock.com/metamorworks
                                                  transformative Kraft der Städte und            und Regionen hilft Kommunen bei der
Porträt Dieter Rehfeld: Robert Poorten            ­Regionen.                                     digitalen Transformation.
S. 11 nirutft - stock.adobe.com
Porträt Christian Pfromm: Roland Magunia
S. 12 Porträt Sabine Verheyen: FKPH
S. 15 iStock.com/staticnak1983
S. 17 Gorodenkoff - stock.adobe.com               10 Digitaler Doppelgänger                      16 Effizient und sicher
S. 21 Monkey Business - stock.adobe.com
S. 23 Jan Kranendonk - stock.adobe.com            Das Modellprojekt „Connected Urban             Betriebsdaten in Rechenzentren bieten
S. 25 Porträt Thomas Werner: Studio Wiegel,
Münster                                           Twins“ eröffnet neue Möglichkeiten der         vielfältige, ungenutzte Entwicklungs- und
S. 28-30 Ikons: istock.com/Esra Sen Kula;
S. 30 phonlamaiphoto - stock.adobe.com,           integrierten Stadtentwicklung.                 Servicepotenziale.
Belogorodov - stock.adobe.com
S. 34 Porträt Julian Einhaus: Dirk Hasskarl/
Fotografie

Hinweis: Vitako aktuell erscheint zusätzlich      12 Im Mittelpunkt die Daten                    18 Die Technik ist dem
mit drei Regional­ausgaben: krz, Lecos,
regio iT. Der Vertrieb erfolgt durch das          Die europäische Datenstrategie sieht              Denken voraus
jeweilige Vitako-­Mitglied.
                                                  eine Weiterverwendung von Daten zu-
                                                                                                 Das Nationale E-Government Kompetenz­
ISSN 2194-1165                                    gunsten der Allgemeinheit vor.
                                                                                                 zentrum veröffentlicht eine Studie über
Wird innerhalb der Zeitschrift auf fremde
Links oder externe Informationsangebote
                                                                                                 Potenziale und Herausforderungen einer
hingewiesen, so macht sich Vitako diese                                                          Datenorientierung im Kontext der öffentli-
Inhalte nicht zu eigen und kann für sie keine     13 Fairness schafft Nutzen                     chen Aufgabenwahrnehmung.
Haftung übernehmen.
                                                  Die Gleichbehandlung von öffentlichen
                                                  und privaten Unternehmen in der
                                                  Datenökonomie setzt noch rechtliche
                                                  ­Anpassungen voraus.

4    Vitako aktuell 02|2021
Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Inhalt

Digitale Kommune                                                                        Netztalk

20 Serie Teil 2: Interesse                  24 Gemeinsam für                            28 Durchhören
   ­wecken und erhalten                        Open S
                                                    ­ ource
                                            Das Open-Data-Portal DKAN in Münster
Zahlreiche Initiativen und Kampagnen                                                    29 Durchstarten
versuchen, mehr Mädchen und Frauen          zeigt anschaulich, wie Kommunen
für IT-Berufe zu interessieren. Doch die    und IT-Dienstleister als Akteure bei der
                                            Nutzung von Open-Source-Software
­Zahlen zeigen, dass das anfängliche                                                    30 Durchrufen
 ­Interesse während der Schul- und Hoch-    auf­treten können.
  schullaufbahn oft wieder abnimmt.
                                                                                        32 OZG-Check
                                            27 Pilotierung für ­Open
22 Das Vier-Säulen-Modell                      ­Source Repository
Um die digitale Verwaltung und insbeson-    Das Bundesinnenministerium testet mit       33 Umfrage
dere die Umsetzung des Onlinezugangs-       den Ländern Nordrhein-Westfalen und
gesetzes erfolgreich zu gestalten, müssen   Baden-­Württemberg sowie dem kommu-
auch Querschnitts- und Infrastruktur­       nalen IT-Dienstleister Komm.ONE die         34 Spotlight
themen wie Nutzerkonten inklusive           erste Ausbaustufe einer Open-­Source-
Identitätsmanagement, Features wie der      Plattform.
Postkorb und die Verknüpfung zu einem
Portalverbund oder die Registermoderni-
sierung angegangen werden.

                                                                                       02|2021 Vitako aktuell   5
Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Leitartikel

Leistungen schon vor
dem ersten Klick
Kommunale Datenräume sind Ausgangspunkt
einer datenbasierten digitalen Daseinsvorsorge

Eine datenbasierte Verwaltungsdigitalisierung verspricht erhebliche
Fortschritte für die Effizienz und Effektivität von öffentlichen Leistungen:
Kommunen können vorhandene Daten so miteinander verknüpfen, dass
einfachere und ebenso neue Services für Bürgerinnen und Bürger entstehen.
Um passende Dienste anbieten zu können, müssen nicht nur Daten aus
kommunalen Ämtern und Registern einbezogen, sondern auch die „Schätze“
aus kommunalen Betrieben und s­ mar­ten Infrastrukturen, wo täglich
unzählige Verbrauchs- und Mobilitätsdaten entstehen, geborgen werden.

Bekanntlich stehen bis zur offiziellen Zielmarke der Umset-     auch innerhalb vieler Kommunen beim Bewohnerparkaus-
zung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und des „Einer für         weis: Schon bei der Anmeldung in einer Gemeinde hätte das
alle“-Prinzips (EfA) Ende 2022 noch viele Aufgaben an und       Bürgerbüro die Möglichkeit, den neu Zugezogenen einen
bloß noch anderthalb Jahre zur Verfügung. Doch schon jetzt      (vorausgefüllten) Antrag anzubieten, der nur noch signiert
können Projekte angestoßen werden, die über die geplanten       werden muss – doch wo passiert das bisher? Es sind vor allem
Maßgaben hinausgehen und auf eine proaktive öffentliche         diese „Low Hanging Fruits“, die schnell positive Erfahrungen
Leistungserbringung abzielen. Die Technik und passenden         und plausible Referenzen hervorbringen würden.
Technologien für das sogenannte Data Driven Government
sind ebenso vorhanden wie vielfältige kommunale Daten –
sie müssen nur noch zusammengebracht werden. Ziel sollte        Über das OZG hinaus probieren
es sein, Bürgerinnen und Bürgern mittelfristig mehr vor- oder   Ein proaktives Vorgehen der Kommunalverwaltung erfor-
teilausgefüllte Formulare beziehungsweise digitale Anwen-       dert den Zugriff auf viele Informationen, die außerhalb der
dungen anzubieten.                                              Zuständigkeit einzelner Ämter oder gar in anderen Gebiets-
                                                                körperschaften, beim Land oder Bund liegen. Ein großer
                                                                Schritt wäre es hier, die Verwaltungsabläufe von Grund auf
Immer noch Ausnahmen                                            anders zu denken und zu organisieren. Im Kleinen heißt das,
Das funktioniert bereits bei der Steuererklärung über das       die zumeist bereits vorhandenen technischen Schnittstellen
ELSTER-Verfahren, in dem das Dokument automatisch mit           zwischen Fachverfahren und Registern weiter zu vereinheit-
den Daten aus dem Vorjahr verwendet werden kann. Bes-           lichen – die gemeinsame Sprache ist auch eine maßgebliche
tenfalls müssen nur noch kleine Anpassungen vorgenom-           Voraussetzung für die OZG-Umsetzung. Während der Fokus
men werden. Das Bremer Projekt ELFE („Einfach Leistun-          aktuell aber darauf liegt, Frontend- mit Backend-Diensten
gen für Eltern“) ermöglicht es Eltern, sowohl Geburtsur-        und Fachverfahren zu verknüpfen, müssen Schnittstellen
kunde als auch Kinder- und Elterngeld gebündelt und online      künftig auch Statusinformationen zurückspielen können. Nur
zu beantragen – die Formulare sind in einem digitalen Kombi-­   so werden Systeme in die Lage versetzt, Informationen den
Antrag zusammengefasst. Mit dem Einverständnis der Eltern       Bürgerinnen und Bürgern von sich aus anzubieten.
tauschen das Standesamt und die Elterngeldstelle Daten zur
Geburt elektronisch untereinander aus, denn sämtliche           Ein weiterer Baustein für die datenbasierte Verwaltung ist
Daten liegen schon vor. Denkbar wäre eine solche Lösung         ein einfaches Erlaubnismanagement. Das System der Self-­

6   Vitako aktuell 02|2021
Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Data Driven Government

Sovereign Identity (SSI) versetzt Nutzerinnen und      Hier kommt es auf ein besonders hohes Maß an
Nutzer in die Lage, ihre Identität selbst zu verwal-   Datenschutz und -sicherheit an.
ten, um zu bestimmen, welche Daten sie gegen-
über Dritten freigeben. Neben einem mobilen
Endgerät ist dafür nur eine Authentifizierung bei      Verwaltung – effizient und
einer kommunalen Stelle notwendig. Über ein            persönlich
Dashboard kann die Kommune Möglichkeiten               Gerade zeigt uns die Coronapandemie, welchen
schaffen, den Zugriff auf Stammdaten zu regeln         Herausforderungen der demokratische Rechts-
beziehungsweise berechtigte Zugriffe nachzu-           staat hierzulande gegenübersteht und wie wich-
vollziehen – und damit Transparenz zu schaffen.        tig die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand
                                                       ist. Eine stärker datengeleitete Verwaltung samt
                                                       automatischen Prozessen würde Staat und Kom-
Gesamtkommunales Angebot                               munen an geeigneten Stellen die Möglichkeit
machen                                                 geben, ihre Exekutivfunktion allein dadurch zu
Die Arbeitsfelder der kommunalen IT-Dienst­            stärken, dass Ressourcen nicht erst aufgebaut,
leister liegen in erster Linie bei den klassischen     sondern schlicht besser eingesetzt werden könn-      ▲ Dr. Rolf Beyer ist Vor-
Kommunalverwaltungen. Viele tägliche Leis-             ten. Langfristig ermöglicht das, zahlreiche Leis-    standsvorsitzender von
tungen der Daseinsvorsorge, darunter die Was-          tungen standardisiert und zugleich effektiv abzu-    Vitako und Verbandsge-
ser-, Strom- und Energieversorgung, beziehen           bilden und dabei die Personalressourcen bewusst      schäftsführer der Kommu-
                                                                                                            nalen Datenverarbeitung
die Bürgerinnen und Bürger durch ausgelagerte          auf komplexe Einzelfälle zu richten. Das verbes-
                                                                                                            Oldenburg.
kommunale Betriebe und Unternehmen. Auch in            sert nicht nur die Leistungsbilanz, sondern gibt
Verkehrsleitsystemen, in Parkhäusern und natür-        der Verwaltung da, wo es inhaltlich knifflig wird,
lich im öffentlichen Personennahverkehr fallen         persönliche Zeit, Einfühlungsvermögen und ein
unzählige Daten an – die jeweils weitestgehend         menschliches Gesicht in Gestalt ihrer Mitarbeite-
nur in ihren Silos genutzt werden. Als Eigentü-        rinnen und Mitarbeiter.
mer und Träger ihrer Gesellschaften haben Kom-
munen jedoch die Möglichkeit, diese Daten stra-Die Gelegenheit dafür erscheint günstig. Sowohl
tegisch zu nutzen. Was ihnen bislang fehlt, ist ein
                                               der derzeitige Digitalisierungsboom und das
Angebot für eine Treuhandstelle.               Konjunkturpaket zur Verwaltungsdigitalisierung
                                               des Bundes als auch das jüngst verabschiedete
Um die Digitalisierung zwischen den verschie- Registermodernisierungsgesetz aus dem Bun-
denen Ebenen und Dienststellen der öffentli- desinnenministerium sowie die Vorstöße aus
chen Verwaltung zu gestalten, müssen Daten dem Bundeskanzleramt zur Entwicklung von
ausgetauscht werden, wenn die Dienstleistung SSI-Lösungen sollten auch die kommunale Ebene
erbracht wird. Das gilt immer, wenn Bürgerin- stärker auf den Plan rufen. Die kommunalen
nen und Bürger Daten mit öffentlichen Stel- IT-Dienstleister könnten dabei einen maßgebli-
len direkt austauschen, aktuell etwa mit Kran- chen Beitrag leisten, sichere digitale Erprobungs-
kenkassen, Apotheken und Ärzten, um Corona-­ räume zu schaffen – und damit den Weg für die
Testergebnisse und Impfnachweise zu erhalten. digitale Daseinsvorsorge von morgen ebnen.

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Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Schwerpunkt

      Datenraum in kommunaler Hand
      Die Neue Leipzig-Charta setzt auf die
      transformative Kraft der Städte und Regionen

      Viele Gemeinden, Städte und Landkreise wollen smart werden.
      Die Neue Leipzig-Charta setzt auf datenbasiertes Handeln.
      Das Rahmenwerk wurde Ende 2020 von den EU-Ministern für
      Stadtentwicklung und Raumordnung verabschiedet.

Die Leipzig-Charta bietet eine neue        rung in einer Smart City im Sinne der     Dateninfrastruktur und -verwaltung ist
integrative, gemeinwohlorientierte         Leipzig-Charta zu prägen.                 notwendig. Städte brauchen Zugriff auf
Sicht auf die Stadt- und Regionalent-                                                Daten, die Relevanz für die Wahrneh-
wicklung und die Chance, die klassi-                                                 mung öffentlicher Aufgaben haben.“
sche Daseinsvorsorge als eine zentrale     Datenbasierte
Aufgabe der Kommunen neu zu denken         Daseinsvorsorge                           Diese Postulate der Charta adressie-
und zu gestalten. „Stadtentwicklung        Die Digitalisierung einer Stadt hin zur   ren die Fragen: Wo liegen die Daten
zu einer Sache aller zu machen, Pro-       Smart City bedeutet auch, die Umwelt      und wer hat die Hand darauf? Wer
jekte und Programme sollen gemein-         und das Leben in der Stadt digital in     managt sie im Auftrag der Kommu-
sam mit den Bürgerinnen und Bür-           Daten abzubilden und diese zu nutzen.     nen? Und wer stellt die entsprechen-
gern entwickelt werden. Dies drückt        Im Kern geht es immer darum, Daten        den ­Instrumente zur Analyse und Auf-
sich in der konsequenten Ausrichtung       aufzubereiten, auszuwerten, zu verglei-   bereitung bereit?
auf das Gemeinwohl sowie die Verant-       chen und dann Signale und Informatio-
wortung von Städten im Bereich des         nen zu geben, damit technische Geräte     Prädestiniert für diese Aufgabe sind die
Klima­schutzes und der Umweltgerech-       von Ampeln, Gebäuden, Fahrzeugen          kommunalen öffentlichen IT-Dienst­
tigkeit aus“, erklärt das Bundesinnen-     bis zu beleuchteten Zäunen reagieren      leister. Sie können ihren Kommunen,
ministerium den zentralen Anspruch         oder Menschen ihr Verhalten ändern        ihren Gesellschaftern und Trägern in
der Charta.                                und anpassen. Deshalb haben Daten in      der neuen datenbasierten Daseinsvor-
                                           der Neuen Leipzig-Charta auch einen       sorge dienen. Sie können einen star-
Die Kommunen haben die Instrumente         besonderen Stellenwert: „Wie Städte       ken gestaltenden und innovativen Bei-
für die Stadtgestaltung und für die        Prozesse digitalisieren, diese verwal-    trag zur integrativen, gemeinwohl­
Daseinsvorsorge in ihren Händen. Sie       ten und wie sie mit gewaltigen, schnell   orientierten Stadtentwicklung leisten,
verfügen über das bedeutende Instru-       anwachsenden Datenmengen umge-            wenn sie die technischen Betreiber
ment des örtlichen Planungs-, Gestal-      hen, sind heutzutage entscheidende        der Smart-City-Datenplattformen und
tungs- und Satzungsrechts. Gleichzei-      Faktoren für eine integrierte Stadtent-   Hubs sind. Und wenn es eine gemein-
tig sind sie oft auch Gesellschafter und   wicklung. Daten sollten im Sinne des      same Datenstrategie für die Kommu-
Träger kommunaler Unternehmen              Gemeinwohls zum Einsatz kommen            nen und ihre kommunalen Unterneh-
und Einrichtungen. Und diese Unter-        und nach ethischen Grundsätzen sowie      men gibt, auf deren Basis sie ihre Kom-
nehmen – Energieversorger, Nahver-         sozial verantwortungsvoll zugänglich      petenzen einbringen können.
kehrsunternehmen, Abfallentsorgung,        sein und verwendet, geteilt und verwal-
                                                                                      Die govdigital eG ist im April 2021 zur „Genos-
Wasserwerke und Trinkwasserversor-         tet werden. Gleichzeitig ist diese Nut-    senschaft des Monats“ avanciert, über 7.500
gung, Abwasserentsorgung – sind alle-      zung von Daten sorgfältig nach Daten-      Genossenschaften und genossenschaftliche
samt wichtige Instrumente der Städte       schutzaspekten abzuwägen. Die Ein-         Unternehmen gibt es derzeit in Deutschland.
und Landkreise. Sie können entschei-       führung einer umfassenden, leistungs-      Ausgewählt hat sie der Deutsche Genossen-
                                                                                      schafts- und Raiffeisenverband e. V.
dend dazu beitragen, die Digitalisie-      starken und resilienten öffentlichen

8   Vitako aktuell 02|2021
Datenbasiertes Verwaltungs-handeln - DATA DRIVEN GOVERNMENT - Vitako
Data Driven Government

Die vernetzte Kommune
Smart City bedeutet auch, mit vielen Akteuren
zusammenzuarbeiten. Mit Startups genauso
wie mit etablierten privaten Unternehmen. Die
Zusammenarbeit zwischen den kommunalen
IT-Dienstleistern und den IT-Dienstleistern der
kommunalen Unternehmen auszubauen, wäre
ein weiterer Beitrag zur smarten Stadtentwick-
lung. Dabei macht es einen strategischen Unter-
schied, ob sich eine Kommune der Bedeutung
der Daten bewusst ist, mit ihren Unternehmen
eine gemeinsame Datenstrategie formuliert und
umsetzt oder, ob sie sich hier von außen gestal-
ten lässt.

Für Anwendungen und Lösungen wie zum Bei-
spiel künstliche Intelligenz (KI) mit Deep Lear-
ning, Data Analytics und Data Mining werden
große Datenmengen benötigt. Die Bundesre-
gierung hat mit ihrer Anfang Januar 2021 veröf-
fentlichen Datenstrategie auf die Bedeutung von
gemeinsamen Datenräumen ausführlich hinge-
wiesen und sie als einen wichtigen Hebel darge-
stellt, damit Deutschland und Europa nicht den
Anschluss im Technologiewettbewerb verlieren.
Wer, wenn nicht die Kommunen und kommu-                   tor organisieren. Und zwar in Form einer Genos-
nalen Unternehmen, soll diese gemeinsamen                 senschaft in öffentlich-kommunaler Hand, dazu
Datenräume schaffen? Ein bundesweiter Daten-              noch föderal übergreifend mit Mitgliedern aus
raum Wasser oder Datenraum Entsorgung, in                 der kommunalen Familie, aus den Bundeslän-
dem nicht personenbezogene Daten aus den                  dern und mit der Bundesdruckerei. Das macht
Betriebs- und Arbeits­prozessen von zahlreichen           die govdigital eG zu einem starken Instrument
Sensoren zur Verfügung stehen, um darauf zum              der neuen datenbasierten Daseinsvorsorge von
­Beispiel KI-Lösungen zu bauen, wäre ein wichti-          Smart Citys.
 ger Schritt in Richtung der neuen Stadtentwick-
 lung. Ein ­erstes Projekt zum Datenraum Mobili-          Manchmal entsteht der Eindruck, dass wir in
 tät wurde bereits gestartet.                             Deutschland gute Strategien formulieren, uns
                                                          aber in der konkreten Umsetzung schwertun,
 Stichwort: Datenökonomie
 Bei der Bundeszentrale für politische Bildung ist ein
                                                          viel Zeit brauchen oder gar scheitern. Auf Bun-
 Sammelheft mit Aufsätzen zur Datenökonomie erschie-      desebene gibt es eine KI-Strategie und eine
 nen. Die Beiträge beschäftigen sich mit Chancen und      Blockchain-Strategie, es gibt eine Datenstrate-
 Herausforderungen der Datenökonomie, Datenverwer-        gie und auch die GAIA-X-Strategie. Hinzu kom-
 tung und Datenethik, mit Regulierungsansätzen, Selbst-
                                                          men die Smart-Citys-Strategien der Kommunen
 bestimmung und dem Datenschutz. Online zu lesen
 oder als Heft zu bestellen unter:
                                                          – ebenso gut wie zahlreich. Was fehlt, ist das
 ▶ https://bit.ly/3hkc0fh                                 Bewusstsein darüber, dass es Instrumente zur
                                                          Umsetzung bereits heute schon gibt: Die Ent-
                                                          scheider im öffentlichen Sektor, die Politike-
Gestaltungshoheit behalten                                rinnen und ­Politiker, die (Ober-)Bürgermeiste-
Um solche Datenräume zu schaffen und zu                   rinnen und Bürgermeister, Landrätinnen und
managen, braucht es eine unternehmerische                 ­Landräte halten diese Instrumente zur Umset-
Organisation. Wie die govdigital eG: Sie könnte            zung der smarten Stadt in ihren Händen. Sie soll-   ▲ Dieter Rehfeld ist Vor-
                                                                                                               sitzender der Geschäfts-
den Aufbau eines bundesweiten gemeinsamen                  ten sie auch nutzen.                                leitung regio iT und
Netzes von Urban-Plattformen sowie den Auf-                                                                    Aufsichtsratsvorsitzender
bau und Betrieb der Datenräume im Public Sec-             ▶ Link zur Charta: https://bit.ly/3aqe696            von govdigital eG.

                                                                                                      02|2021 Vitako aktuell               9
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Schwerpunkt

      Digitaler Doppelgänger
      Hamburg, Leipzig und München kooperieren
      bei „Connected Urban Twins“

      Zu Beginn dieses Jahres ist das Kooperationsprojekt „Connected
      Urban Twins – Urbane Datenplattformen und Digitale Zwillinge
      für integrierte Stadtentwicklung“ gestartet. Das Modellprojekt
      der Kooperationsstädte wird vom Bundesinnenministerium mit
      rund 21 Millionen Euro gefördert. Auf Grundlage von urbanen
      Datenplattformen soll die Idee eines digitalen Zwillings für Städte
      erprobt und entwickelt werden.

Ursprünglich bekannt sind digitale         Urbane Datendrehscheiben                   digitalen Zwillinge vielmehr über die
Zwillinge als digitale Replikationen von   Der fachliche Schwerpunkt des Koope-       gemeinsam entwickelte Architektur,
Wirtschaftsgütern etwa in der Indus­       rationsprojekts liegt auf der integrier-   Standards und die tägliche Projektzu-
trie, anhand derer Produkteigenschaf-      ten Stadtentwicklung. Auf Grundlage        sammenarbeit in einer übergreifenden
ten abgebildet und zugehörige Prozesse     bestehender 3-D-Stadtmodelle sollen        Matrixstruktur.
modellhaft betrachtet werden können.       innovative Use Cases entwickelt wer-
Dieser Gedanke soll auch für das städ-     den, die komplexe Sachverhalte der
tische Leben in einem urbanen digita-      Stadtentwicklung digital nachbilden.       Vielfältige Use Cases
len Zwilling genutzt werden. Den einen     Jede Stadt bringt dabei ihre bereits       Die möglichen Use Cases sind auf-
digitalen Zwilling gibt es dabei nicht.    bestehende Expertise zu Datenplatt-        grund der vielen noch unerschlosse-
Vielmehr wird es für viele verschiedene    formen, Zwillingstechnologien und          nen Datenquellen und damit einher-
Fachrichtungen und Domänen digitale        Stadtentwicklung mit ein. Technische       gehenden Kombinationsmöglichkeiten
Zwillinge mit unterschiedlichen Blick-     Grundlage des Zwillings werden inner-      vielfältig. Neben der Darstellung von
winkeln geben.                             halb jeder Stadt urbane Datenplattfor-     Gebäuden, Verkehrswegen und Grün-
                                           men sein.                                  flächen und somit der bereits heute
Bei der Förderung der zweiten Staffel                                                 praktizierten Analyse des Ist-Zustan-
der Smart-City-Modellprojekte hat das      Diese stellen als Datendrehscheibe         des verspricht der digitale urbane Zwil-
Bundesinnenministerium ein klares          benötigte Fachinformationen, Echtzeit-     ling durch intelligente Algorithmen zur
Ziel vor Augen: Das Projekt soll nicht     daten und Sensordaten bereit und lie-      Simulation insbesondere zusätzlich
nur von Hamburg, Leipzig und Mün-          fern somit das notwendige Datenmate-       auch die Prognose des Neu-Zustands in
chen als Leuchtturm aufgezogen wer-        rial, das für die Berechnungen und Dar-    verschiedenen Szenarien. Dadurch bie-
den, sondern als mögliches Modell          stellungen im digitalen Zwilling benö-     tet er einen frischen und veränderten
für die ganze Bundesrepublik dienen.       tigt wird. Aufbauend auf einer einheit-    Blick auf bekannte Sachverhalte und
Aus diesem Grund soll das Vorhaben         lichen Daten-Governance wird jede          geht somit über existierende datenba-
gemeinsame technische Lösungen             Stadt allerdings ihre eigenen Daten nut-   sierte, digitale 3-D-Modelle hinaus.
und Anwendungsfälle entwickeln, die        zen. Eine zentrale gemeinsame Daten-
für alle Kooperationspartner und auch      plattform, in der die Daten aller Städte   Denkbar ist etwa, dass es durch digi-
andere Städte und Kommunen über-           verbunden werden, ist nicht geplant.       tale urbane Zwillinge ermöglicht wird,
nahmefähig sind.                           „Connected“ sind die Städte und ihre       die Energienutzung in ­Quartieren mit

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Data Driven Government

verschiedenen neuen Datenquellen vielseiti-          Informationsaustausch und Wissenstransfer,
ger und präziser zu erfassen, um so zielgerich-      sondern, wo immer es geht, auf Open-­Source-
teter Sanierungsbedarfe für den Klimaschutz zu       Software und offene Standards. Das entwickelte
ermitteln und durchzuspielen. Auch die sozi-         replizierbare System und die erarbeiteten Bau-
alen Infrastrukturen (beispielsweise Kranken-        steine sollen für alle drei Projektpartner und im
häuser, Kitas) einer Stadt ließen sich besser        Anschluss ebenso für andere Kommunen mit
und für die Bevölkerung nachvollziehbarer pla-       vergleichbaren Datenquellen und Sachverhal-
nen. Neben dem hierdurch erzielten Mehrwert          ten nutzbar sein.
für ­Entscheidungsträger aus Politik und Verwal-
tung ist daher vor allem auch eine verbesserte       Aktuell wird der Personalaufbau intensiviert, um
Bürgerbeteiligung und die Einbindung weite-          die über die Partnerstädte verteilten Projektstel-
rer Akteure der Stadtgesellschaft ein wichtiger      len mit circa 50 Mitarbeitenden vollständig zu
­Baustein. Bürgerinnen und Bürgern sowie Stake-      besetzen. Dadurch sollen als nachhaltig positi­
 holder aus Wissenschaft und Wirtschaft können       ver Effekt des Projekts auch langfristig zusätzli­
 in die Stadtentwicklung interaktiver, verständli-   che Digitalkompetenz in den städtischen Ver­
 cher und transparenter einbezogen werden.           wal­tungen aufgebaut werden und die Connected
                                                     Urban Twins über das Projekt hinaus einen Bei-
                                                     trag zur Digitalisierung der Verwaltung leisten.
Übertragbarkeit erwünscht                                                                                          ▲ Christian Pfromm ist
Das Modellprojekt orientiert sich dabei stets an                                                                   Chief Digital Officer (CDO)
                                                                                                                   der Freien und Hansestadt
dem übergeordneten Ziel, das erlangte Wissen
                                                      Das Konsortium: Christian Pfromm sitzt für die Freie ­­und   Hamburg.
aus den Teilprojekten zu den technischen Stan-        Hansestadt Hamburg als federführende Projektpart­
dards, den Use Cases aus der Stadtentwicklung,        nerin dem CUT-Steuerungsgremium vor. Dr. Beate ­Ginzel
den neuen Formen der Bürgerbeteiligung sowie          (Leitung des Referats Digitale Stadt in Leipzig) sowie der
zur experimentellen Begleitforschung für andere       CDO der Landeshauptstadt München, Thomas Boenig,
                                                      vertreten hierin die Partnerstädte des Kooperations­
Städte und Kommunen nutzbar zu machen. Die
                                                      projekts.
Modellstädte setzen daher nicht nur auf engen

                                                                                                          02|2021 Vitako aktuell           11
Schwerpunkt

Im Mittelpunkt die Daten
Die europäische Datenstrategie sieht eine
­Weiterverwendung von Daten zugunsten der
 Allgemeinheit vor

                             Die Digitalisierung ist eine der wichtigsten Her-    der wissenschaftlichen Forschung erleichtert.
                             ausforderungen unserer Zeit, gleichzeitig auch       Daten können wichtige Erkenntnisse liefern, mit
                             eine der größten Chancen. In Deutschland hat        deren Hilfe Notstände bekämpft, unsere Städte
                             die Coronapandemie uns deutlich gezeigt, dass        zukunftsorientiert gestaltet werden und Men-
                             wir in diesem Bereich noch Nachholbedarf             schen länger und bei besserer Gesundheit leben
                             haben. Deswegen müssen Deutschland, aber            können.
                             auch die Europäische Union insgesamt, jetzt
                             tätig werden, damit wir im internationalen Ver-
                             gleich nicht abgehängt werden.                      Relevanz für Kommunen
                                                                                  Mit der bestehenden Richtlinie über offene
                             Im Mittelpunkt dieses digitalen Wandels ste-         Daten werden bereits große Datenmengen zur
                             hen Daten. Aus diesem Grund hat die EU-Kom-          Weiterverwendung zugunsten der Allgemein-
                             mission 2020 die europäische Datenstrategie         heit zur Verfügung gestellt. Besonders relevant
                             veröffentlicht. Sie soll die Nutzung von Daten      für Kommunen ist, dass auch hochwertige Daten
                             erhöhen. Außerdem will die EU die Führungs-        des öffentlichen Sektors für die Weiterverwen-
                             rolle in einer immer stärker datengestützten       dung verfügbar gemacht werden und deren Nut-
                             Gesellschaft übernehmen. Die Menge der welt-        zung gefördert wird. In der Vergangenheit hat
                             weit produzierten Daten nimmt rasant zu. In          es in dem Bereich bereits spannende Koopera-
                             einer Gesellschaft, in der jeder Einzelne immer      tionen zwischen Unternehmen und Kommunen
                             größere Datenmengen produziert, muss die            gegeben. Aber auch viele Unternehmen erhe-
                             Sammlung und Verwertung der Daten mit den            ben große Datenmengen mit gesellschaftlichem
                             europäischen Werten, Grundrechten und Vor-          Nutzen. Würde man gewisse Daten des privaten
                             schriften vereinbar sein und dem Interesse des       Sektors für den öffentlichen Sektor zugänglich
                             Einzelnen entsprechen. Deswegen ist es notwen-       machen und dürfte er diese weiterverwenden,
                             dig, dass wir jetzt tätig werden und einen siche-   könnte er dadurch öffentliche Dienstleistungen
                             ren Rahmen schaffen.                                 und die Politikgestaltung weiter verbessern.

                             Mit der Datenstrategie sollen nun mehr vorhan-       Dies würde zum Wohl der Allgemeinheit beitra-
                             dene Daten auf privater und öffentlicher Seite      gen. In dem Sinne sollte Datenaustausch nicht
                             zur Verfügung gestellt werden. Nicht personen-      als Risiko, sondern als Chance gesehen wer-
                             bezogene Daten sollen dabei nur unter strenger       den. Richtig gemacht kann die europäische
                             Einhaltung der Datenschutzvorschriften wei-          Datenstrategie auch für unsere Kommunen eine
                             tergegeben werden. Außerdem sollen die Men-          gute Sache werden, mit der sie sich effektiv für
                             schen über persönliche Datenräume mehr Ent-       die Zukunft aufstellen können. Kommunen müs-
                             scheidungskompetenz erhalten, wer auf die von        sen allerdings selbst entscheiden dürfen, inwie-
                             ihnen generierten Daten zugreifen kann und wie       fern sie Daten nutzen und zur Verfügung stel-
▲ Sabine Verheyen ist Mit-
glied des Europäischen      sie verwendet werden. So wird der Zugang zu          len. Wir dürfen hier die kommunale Selbstver-
Parlaments für die CDU in    und die Weiterverwendung von sensiblen Daten,        waltung nicht aushebeln. Deswegen kommt es
der evp-Fraktion.            etwa mit Bezug auf Gesundheit, zum Zwecke            nun auf die Ausarbeitung an.

12   Vitako aktuell 02|2021
Data Driven Government

Fairness schafft Nutzen
Die Gleichbehandlung von öffentlichen und
privaten ­Unternehmen in der Datenökonomie
setzt noch rechtliche Anpassungen voraus

Derzeit gibt es sowohl auf europäischer    Landkreis von einem privaten, in           Gleichzeitig ist es wichtig, die Vorga-
als auch auf nationaler Ebene mehrere      einem anderen von einem kommuna-           ben planungssicher zu gestalten. Der
Initiativen, die Lösungen für eine neue    len Unternehmen abgeholt. Zudem ste-       derzeitige Entwurf des Datennutzungs-
Datenökonomie im öffentlichen Sek-         hen kommunale Unternehmen in vie-          gesetzes lässt vieles offen, was sich für
tor anstreben. Das ist gut und richtig,    len Bereichen der Daseinsvorsorge wie      kommunale Unternehmen als enor-
denn in den datenbasierten Dienst-         im Energie- oder Verkehrsbereich im        mes Hemmnis für Innovationen her-
leistungen liegen große Chancen für        Wettbewerb zu privaten Unternehmen         ausstellen dürfte: Konkret stehen etwa
die Daseinsvorsorge. Die entsprechen-      und finanzieren sich dabei im Regelfall    Fragen im Raum, wie Stadtwerke mit
den gesetzlichen Entscheidungen, die       über private Entgelte. Wir benötigen       Daten umgehen müssen, die sie mit
nun getroffen werden, sind von gro-        also Gesetze, die sowohl öffentliche als   kommunalen Schwesterunternehmen
ßer Tragweite, denn sie berühren zen-      auch private Unternehmen adressie-         teilen oder – etwa aus betriebswirt-
trale gesellschaftliche Fragen wie: Wie    ren und ein „Level Playing Field“ für      schaftlichen Gründen – in eine Cloud
gehen wir als Gesellschaft souverän mit    alle Akteure definieren. Die relevanten    auslagern. Auch hier bedarf es Klar-
unseren Daten um? Wie können wir           Daten müssen zur Verfügung stehen –        stellungen, damit sich die Unterneh-
bürgerfreundliche Innovationen ansto-      unabhängig davon, ob sie von privaten      men auf die wirklich wichtigen Fragen
ßen? Und mit welchem Gegenmodell           oder kommunalen Unternehmen erho-          konzen­trieren können: wie sie Daseins-
zu den großen privaten Tech-Monopo-        ben werden.                                vorsorge mit dem größtmöglichen Bür-
len einerseits und einem staatlich kon-                                               gernutzen auch im Datenzeitalter aus-
trollierten Modell andererseits positio-                                              gestalten können. Dafür und für faire
niert sich Europa?                         Asymmetrie vermeiden                       und ausgewogene Wettbewerbsverhält-
                                           Dies spiegelt sich jedoch nicht im aktu-   nisse zwischen kommunalen und pri-
Daten gewinnen an Wert, wenn sie           ellen Entwurf des nationalen Datennut-     vaten Unternehmen wird sich der Ver-
geteilt und intelligent aufbereitet wer-   zungsgesetzes wider: Im Grunde sieht       band kommunaler Unternehmen wei-
den. Eine Voraussetzung für informa-       es derzeit vor, dass öffentliche Unter-    ter mit Nachdruck einsetzen.
tionsbasierte Wertschöpfung ist, auf       nehmen ihre Daten teilen sollen – pri-
möglichst viele Daten zugreifen zu         vate, die im selben Bereich tätig sind,
können. Welche Unternehmen also            hingegen nicht. Dabei hat die EU in
sollten ihre Daten teilen, um die Leis-    der der Gesetzesinitiative zugrunde
tungen der Daseinsvorsorge zu verbes-      liegenden EU-Richtlinie den Mitglieds-
sern? Die zunächst naheliegende Ant-       staaten ausdrücklich offengelassen,
wort ist: die öffentlichen. Doch wenn      auch gleich private Unternehmen in
man sich die Strukturen auf kommu-         die Regelungen einzubeziehen. Und
naler Ebene genauer ansieht, wird          auch in der Datenstrategie der Bun-
man schnell feststellen, dass es dabei     desregierung schlägt man zumindest
nicht bleiben kann. Eine trennscharfe      vor, dass eine solche Gleichbehand-                               ◀ Ingbert Liebing
                                                                                                             ist Hauptgeschäfts-
Unterteilung der Arbeitsbereiche zwi-      lung geprüft werden sollte. Der Gesetz-
                                                                                                             führer des Verban-
schen öffentlichen und privaten Unter-     geber wäre gut beraten, genau dies zu                             des kommunaler
nehmen ist nicht so einfach möglich.       tun, um Informationsasymmetrien zu                                Unternehmen e. V. ­
So etwa wird der Müll in dem einen         vermeiden.                                                        in Berlin.

                                                                                              02|2021 Vitako aktuell         13
Schwerpunkt

Offene Plattformen für Städte
Das Datenkompetenzzentrum für Städte
und Regionen hilft Kommunen bei der digitalen
Transformation

Städte und Regionen sollen im Rahmen einer offenen urbanen Plattform
die Technologie, das Know-how und die Tools erhalten, um Daten in wert­
schöpfende Anwendungen für Bürger, Verwaltung und Unternehmen zu
überführen.

Schon heute setzen Kommunen eine           strukturen in Smart Citys herausgebil-        ­ e Plattform muss daher die integra­tive
                                                                                         n
Vielzahl digitaler Systeme, Tools und      det. Im OUP-Konzept werden, wie es in         Erstellung von Smart-City-Lösun­gen
Hilfsmittel in allen Bereichen urbaner     der Europäischen Innovationspartner-          ermöglichen und die grundlegen­de und
Stadtverwaltung und -gestaltung ein.       schaft für Smart Citys und Kommunen           abstrakte IKT-Struktur bereitstellen.
Doch die Zukunftsvision einer smar-        (EIP SCC) und in der entsprechenden
ten, intelligenten Stadt gründet nicht     deutschen DIN SPEC 91357 „Referenz-
nur auf Klimaneutralität, Wachstum,        architekturmodell Offene Urbane Platt-        Standardisierung und
Wohlstand und guter Lebensqualität         form (OUP)“ definiert ist, eine Vielzahl      Herstellerunabhängigkeit
für alle Bevölkerungsschichten. Eine       bedeutender Aspekte für die städtische        2015 hat die EIP SCC eine IKT-Referenz­
funktionierende Smart City braucht         IKT erfasst:                                  architektur für Smart Citys in Europa
auch eine übergeordnete Intelligenz,                                                     erarbeitet und somit die Grundstruk-
ein Datenmanagementsystem, mit dem         ▶ die Definition einer abstrakten             tur definiert, die durch konkrete tech-
die Datensätze aus u  ­ nterschiedlichen     Blaupause für IKT in Smart Citys,           nische Architekturen innerhalb einer
Bereichen aggregiert, harmonisiert         ▶ die Nutzung offener Standards,              Stadt erweitert werden kann. Diese
und sicher für passgenaue Lösun-           ▶ die Nutzung offener Schnittstellen          Grundstruktur ermöglicht die Schaf-
gen genutzt werden können. Auf diese         auf Basis offener Standards,                fung eines Ökosystems (einschließlich
Weise lassen sich nicht nur städtische     ▶ die Schaffung urbaner IKT-Öko‑              Großindustrie, KMU, Wissenschaft und
Leistungen exakt auf den aktuellen           systeme auf Basis von                       Open-Source-Initiativen), das auf der
Bedarf aussteuern – beispielsweise die     ▶ Interoperabilität und                       Integration von Einzellösungen in kom-
Müllentsorgung oder die Ampeln an          ▶ die Vermeidung von Hersteller­              plexe Service-Architekturen basiert und
neuralgischen Verkehrsknotenpunkten.         abhängigkeit.                               auf die Bedürfnisse der Bürger und der
Es lassen sich auch immense Ressour-                                                     öffentlichen Verwaltung ausgerichtet
cen einsparen, etwa beim Wasserbe-         Von besonderer Bedeutung für zukünf-          ist. Der integrative Ansatz, der offene
darf der städtischen Grünanlagen oder      ti­ge, nachhaltige Smart Citys ist die Ver-   Schnittstellen und Standards verfolgt,
bei der Wiederverwendung von Roh-          meidung einer Herstellerabhängig­keit.        ermöglicht somit eine erhöhte Inter­
stoffen in innerstädtischen Kreisläufen.   Nur so kann ein tragfähiges, offenes          operabilität zwischen den verschiede-
                                           Ökosystem entstehen, das aus Indus-           nen Interessengruppen und vermeidet
Offene Urbane Plattformen                  trie, lokalen kleinen und mittleren           Herstellerabhängigkeit.
Hierfür haben sich in den letzten Jahren   Un­ter­nehmen (KMU), Wissenschaft
Offene Urbane Plattformen (OUP) als        und anderen IKT-bezogenen Interes­            Das EIP-SCC-Konzept wurde auf Basis
übergeordnetes Konzept für IKT-Infra­      sen­­gruppen besteht. Eine Offene Ur­ba­      von Expertendiskussionen ­innerhalb

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Data Driven Government

                                                                                                        ▲ Dr.-Ing. Alanus von
                                                                                                        ­ adecki ist CEO beim Da-
                                                                                                        R
                                                                                                        ten Kompetenzzentrum
                                                                                                        für Städte und Regionen
                                                                                                        und war vorher ­Leiter der
                                                                                                        Morgenstadt-­Initiative
                                                                                                        von Fraunhofer.

einer DIN-­Spezifikationsarbeitsgruppe, an der     stieg in die digitale Zukunft unabhängig vom Rei-
verschiede­ne deutsche Kommunen und Indus-         fegrad des bestehenden Datenmanagements. Die
triepartner beteiligt waren, an die Bedürfnisse    skalierbaren Einstiegslösungen können genau
des deutschen Smart-City-Markts angepasst.         auf den aktuellen Bedarf abgestimmt werden.
                                                   Eine Analyse, Qualifizierung und Kuratierung
                                                   des vorhandenen Datenschatzes bietet gerade
Digitales Empowerment                              für kleinere Städte ein sinnvolles Einstiegsszena-
Klimawandel, Verkehrswende oder ­regionales        rio, mit dem sich kostengünstig effektive Struk-
Energie- und Ressourcenmanagement sind             turen aufbauen und Potenziale für eine wert-
längst zum Alltag von Verwaltungen und Stadt-      schöpfende Datennutzung identifizieren lassen.
planern geworden. Diese Aufgaben können
ohne eine zukunftsweisende Dateninfrastruk-                                                             ▲ Philipp Lämmel ist
tur kaum mehr zufriedenstellend bewältigt wer-     Austausch in der Community                           ­wissenschaftlicher Mitar-
                                                                                                        beiter und Projektleiter
den. Das Daten Kompetenzzentrum für Städte         Auf dieser Basis können Kommunen über die            bei Fraunhofer FOKUS.
und Regionen (DKSR) hat im Frühjahr 2021 eine      Open-Source-Plattform unkompliziert und
auf Open-Source-Technologie basierende urbane      sicher ihr eigenes Datenmanagement betreiben.
Datenplattform auf den Markt gebracht und hilft    Die Morgenstadt Urban Data Community sorgt
Kommunen dabei, ihre Daten nicht nur profes­       darüber hinaus für Austausch unter allen betei-
sionell zu managen, sondern für ­Wert­schöpfung,   ligten Kommunen und für gegenseitiges Lernen
Ressourcen­einsparung und das digitale Em­­        anhand von Best Practices und gemeinsamen
powerment ihrer Bevölkerung zu nutzen.             Herausforderungen. Vielversprechende Modelle
                                                   und Anwendungen anderer G    ­ emeinwesen kön-
Deutsche Kommunen verfügen meist über viele        nen so von den Teilnehmenden einfach via Plug-
relevante Daten. Doch oft behindern bestehende     and-Play übernommen werden. Damit das auch
Systeme und Organisationsformen des Datenma-       technisch funktioniert, setzt das DKSR auf den
nagements eine erfolgreiche und systematische      FIWARE-basierten NGSI-LD-Standard, um Kon-
digitale Transformation. Genau hier setzt das      textinformationen urbaner Daten einheitlich zu
DKSR mit seinem Open-Source-Modell für das         managen. Hiermit schließt die DKSR-Plattform         ▲ Dr.-Ing. Nikolay
                                                                                                        ­Tcholtchev leitet die Grup-
Datenmanagement von Städten und Gemeinden          eine wichtige Lücke, die die Skalier- und Trans­     pe „Quality Engineering for
an. Die Plattform und die angeschlossenen Leis-    ferierbarkeit datenbasierter Lösungen in der         Urban ICT“ bei ­Fraunhofer
tungen ermöglichen den Kommunen den Ein-           Vergangenheit oft behindert hat.                     FOKUS.

                                                                                              02|2021 Vitako aktuell            15
Schwerpunkt

Effizient und sicher
Den Datenschatz von Rechenzentren heben

Mit der Zielsetzung der Europäischen Union, bis 2030 allen EU-Haus-
halten eine Gigabit-Anbindung zur Verfügung zu stellen, ist auch der
Aufbau von 10.000 verteilten, doch vernetzten Randknoten verbunden.
Damit will die EU Entwicklungen schneller vorantreiben und die Anfor-
derungen zur Datenkontrolle besser umsetzen. Das dahinterliegende
Edge-Computing-Konzept macht deutlich, dass trotz Cloud-Tendenzen
zahlreiche klimaneutrale Rechenzentren entstehen.

Rechenzentren (RZ) sind ein bedeu-        nen um Datenökonomie und die intelli-     den. Somit ist die Kälteerzeugung und
tender Wirtschaftszweig. Das spie-        gente Nutzung einmal erzeugter Daten      -verteilung enger an den tatsächlichen
gelt sich auch im Strombedarf. Gemäß      muss deutlich gemacht werden, wel-        Bedarf gebunden.
Sachstandsbericht des Deutschen Bun-      cher Datenschatz hier eigentlich gege-
destags verbrauchten RZ im Jahr 2020      ben ist. Neben den Daten der Anwen-       Selbstredend ist, dass in einem solchen
rund 14 Milliarden Kilowattstunden        dungsebene können anfallende Daten        Szenario eine Erfassung und Berück-
– mehr als der gesamte Verkehrssek-       verschiedenen Systemebenen der RZ         sichtigung der sogenannten Hot­spots
tor in Deutschland. Die Entwicklung       zugeordnet werden. Darunter fallen die    integriert ist, was zu einer höheren
und Umsetzung von Maßnahmen zur           Infrastruktur wie etwa Energiesysteme     Betriebsstabilität beitragen kann. Auch
Green-IT- und CO₂-Neutralität sind seit   und Kühlsysteme, die IT-Hardware –        würden Änderungen von Rack-Bele-
Längerem fester Bestandteil bei der       im Wesentlichen Verarbeitung, Vernet-     gungen oder ein Technologiewech-
Planung und dem Betrieb der Rechen-       zung und Datenhaltung – sowie physi-      sel zu energiehungrigen High-Perfor-
zentren. Doch noch immer fallen etwa      kalische und logische Architekturen.      mance-Systemen automatisiert erfasst.
0,2 Tonnen CO₂ pro 1 Terabyte gespei-                                               Neue Technologien und Datennutzun-
cherten Nutzdaten an. Allein bei mit-     Diese Daten werden meist in unter-        gen führen somit neben der Dynami-
telgroßen Rechenzentren wie der regio     schiedlichen Systemen erfasst und         sierung zu einer Stabilisierung von
iT beträgt das Volumen gespeicher-        durch Betriebsverantwortliche für ver-    Betriebsbedingungen in einem insge-
ter Daten 2.000 Terabyte und mehr.        schiedene Aufgabenstellungen ge­nutzt.    samt atmenden Rechenzentrum.
Ansatzpunkte zur Optimierung gäbe         Bereits hier sind Optimierungsansätze
es. So kam die EnergieAgentur.NRW         durch den Einsatz von Smart-Data-Me-
bereits im Jahr 2016 zu dem Schluss,      thoden möglich. Ein Beispiel aus dem      Vielfältiger Nutzen
dass gezielte Maßnahmen eine Redu-        Bereich der RZ-Kühlung macht das          Bei einer Ausweitung und Integration
zierung des Strombedarfs um 35 Pro-       deutlich: Während Green-IT-Maßnah-        der Datennutzung über den eigenen
zent bewirken könnten. Mögliche Maß-      men zur Kühleffizienz meist durch die     Betriebsblick hinaus eröffnen sich wei-
nahmen sind RZ-Konsolidierungen,          Optimierung von Kaltgang- und Warm-       tere Potenziale. Auch für Systemher-
Virtualisierung und der Einsatz von       gangtemperaturen realisiert werden,       steller bieten RZ-Daten Entwicklungs-
Cloud-Technologien.                       ist durch die Berücksichtigung realer     und Servicepotenziale. Die in einem
                                          Betriebstemperaturen der IT-Systeme       produktiven Rechenzentrum erzeug-
                                          eine weitere Dynamisierung möglich.       ten Betriebsdaten können neben der
Smarte Betriebsdaten                      Werden beispielsweise zusätzlich Sys-     Bestimmung und Optimierung von Ser-
Betriebsdaten in Rechenzentren wer-       temtemperaturen von Servern, Spei-        viceleistungen – Stichwort: Predictive
den derzeit vor allem zur Bearbei-        chersystemen oder Netzwerkkompo-          Maintenance – auch dazu dienen, auf-
tung von Störungen und der Steue-         nenten erfasst und intelligent bewer-     wendige Abschätzungen der Lebens-
rung von Energieeffizienzmaßnah-          tet, kann eine Kopplung zwischen Kühl-    dauer mit Life-Daten zu verifizieren
men genutzt. Im Zuge der Diskussio-       technik und IT-Technik hergestellt wer-   oder sogar zu ersetzen. Üblicherweise

16   Vitako aktuell 02|2021
Data Driven Government

wird die Lebensdauer von Systemen anhand von         ­ ffizienzkennzahlen für Power Usage Ef­fective­
                                                     E
­Klimakammerversuchen ermittelt. Die Nutzung         ness zu einer erhöhten Transparenz der
 eines Rechenzentrums als Real­labor könnte dif-     Betriebs­zustände. Mittelfristig kann die Steue-
 ferenziertere Risikoabschätzungen zu Gewähr-        rungsfähigkeit der komplexen Betriebsführung
 leistungszusagen in Abhängig­keit von Betriebs­     durch intelligente Nutzung der Daten im Sinne
 profilen und E  ­insatzumgebungen ermögli-          einer Predictive Operation verbessert werden.
 chen. Das käme Systemherstellern ebenso wie         Langfristig wären so selbstregulierende Steue-
 RZ-Betreibern zugute. Grundsätzlich können          rungsmechanismen zwischen den Systemebe-
 durch den Einsatz smarter, algorithmenbasier-       nen und Systemelementen des RZ denkbar. Auf
 ter Datenverarbeitungsmethoden Potenziale auf       der Betriebsebene kann das zu einer Optimie-
 unterschiedlichen Handlungsebenen aufgezeigt        rung und einem Paradigmenwechsel von Soft-
 werden. Das erlaubt die gezielte Optimierung        ware-defined Anything (SDx) hin zu Self-de-
 ebenso wie die Sicherstellung der grundlegen-       signed Architectures (SDA) führen. Doch das
 den und interdependenten Betriebsziele, die in      geht nur gemeinsam: Die Prüfung der Mach-
 Form eines Ökonomiedreiecks durch die Krite-        barkeit erweiterter Nutzungsansätze für den
 rien Effektivität/Effizienz, Stabilität und Dyna-   Datenschatz der Rechenzentren macht einen
 mik gekennzeichnet sind.                            Zusammenschluss von RZ-Betreibern, Herstel-
                                                     lern und ­Machine-Learning- beziehungsweise
                                                     Algorithmic-Intelligence-Entwicklern erforder-
Ressourcen bündeln                                   lich. Für eine weitere Optimierung des „Ökosys-
Smart Data, Machine Learning und algorithmi­         tems“ RZ sind Tests der Anwendungsszenarien
                                                                                                        ▲ Bernhard Barz ist bei
sche Intelligenz bieten zahlreiche Vorteile          in Realumgebungen notwendig. Dazu sollten
                                                                                                        regio iT im Bereich Tech-
und Entwicklungsmöglichkeiten. Kurzfristig           Kräfte und ­Ressourcen über Kooperationen und      nisches Management und
führt deren Anwendung zur Vorhersage von             Verbände hinweg ge­bündelt werden.                 ­Prozess tätig.

                                                                                              02|2021 Vitako aktuell              17
Schwerpunkt

Die Technik ist dem Denken voraus
Studie des Nationalen E-Government Kompetenz-
zentrums über Potenziale und Herausforderungen
einer Datenorientierung im Kontext der öffentlichen
Aufgabenwahrnehmung

                              Die öffentliche Verwaltung produziert kontinu-     Einige der erarbeiteteten Thesen der Studie sind:
                              ierlich Daten – die zunehmend auch digital ver-
                              fügbar sind. Zur Erschließung der damit verbun-    ▶ Verwaltungshandeln ist schon immer Daten-
                              denen Effizienz- und Gestaltungspotenziale gibt      verarbeitung, deren organisatorisches Gestal-
                              es einige frühe Vorarbeiten der Verwaltungsin-       tungspotenzial jedoch vom Stand der Technik,
                              formatik. So prognostizierte Heinrich Reiner-        von verfügbaren Kompetenzen sowie der Ver-
                              mann bereits Mitte der 1980er-Jahre eine „Daten-     waltungskultur abhängt.
                              wirtschaft öffentlicher Verwaltungen“ und eine     ▶ Die steigende Verfügbarkeit, Aktualität, Qua-
                              entsprechende „kooperativ nutzbare Infrastruk-       lität, Interoperabilität und maschinelle Verar-
                              tur“ für das Verwaltungshandeln.                     beitungsfähigkeit vernetzter Datenbestände
                                                                                   wird (insbesondere im Zusammenwirken mit
                              In den letzten Jahren hat die Datenorientie-         künstlicher Intelligenz) die Organisation der
                              rung in der öffentlichen Verwaltung eine neue        öffentlichen Aufgabenwahrnehmung nachhal-
                              Aufmerksamkeit erhalten. Im Zusammenhang             tig verändern.
                              mit der Nutzung neuer Informationstechniken        ▶ Die Erschließung der Potenziale einer daten­
                              haben die Datenmenge und Datenqualität zuge-         zentrierten Verwaltungsinformatik erfor-
                              nommen, was gleichzeitig auch neue Automati-         dert mehr als die Beachtung von Prinzipien
                              sierungsfantasien über die Anwendung für die         wie „Once only“ oder „Digital first“. Im Kern
                              öffentliche Leistungserbringung geweckt hat.         geht es um das Neudenken der arbeitsteili-
                              Dennoch hat die heutige Datenorientierung            gen Zusammenarbeit aus der Perspektive der
▲ Stephan Löbel ist Initia­   einige neue Dimensionen aufzuweisen, deren           angestrebten gesellschaftlichen Wirkungen,
tor und Geschäftsführer       Potenziale noch kaum erschlossen sind – poin-        einschließlich der Berücksichtigung automa-
des Stein-Hardenberg
                              tiert lässt sich sagen: In den 1980er-Jahren war     tisierbarer Prozesse.
Instituts.
                              das Denken der Technik und heute ist die Tech-     ▶ Bei der Einführung von Algorithmen sollten
                              nik dem Denken voraus.                               konkrete Anwendungsszenarien vorher genau
                                                                                   durchgespielt und auf eine behutsame, eher
                                                                                   partizipative Einführung gesetzt werden. Eine
                              Neudenken der Zusammenarbeit                         sogenannte Vorfahrtsregel, wie „Human first“,
                              Daher wurde in der Kurzstudie „Potenziale und        verbessert die Akzeptanz in der Organisation
                              Herausforderungen einer neuen Datenorien-            und auch die Wirkung insgesamt.
                              tierung im Kontext öffentlicher Aufgabenwahr-      ▶ Politisch muss das Risiko berücksichtigt
                              nehmung“ des Nationalen E-Gorvernment Kom-           ­werden, dass eine Algorithmisierung in der
                              petenzzentrums (NEGZ) aufgearbeitet, wo Mög-          Praxis nicht zu mehr Aufgaben, mehr Re-
                              lichkeiten und Chancen für eine Verbesserung          gulierung, weitgehenderer Verhaltensbe-
                              öffentlicher Aufgabenerledigung liegen und wel-       einflussung und so weiter führt, weil eine
                              che konkreten Verbesserungen im Kontext von           entsprechend reflektive Gestaltung ausbleibt.
                              Algorithmisierung möglich sind. Gleichzeitig          Zusammenfassend: Algorithmen können we-
                              wurde herausgearbeitet, wie mit Risiken in der        der das Denken ersetzen, noch lösen sie d  ­ ie
                              Verwaltungspraxis umgegangen werden kann.             Menschen ab.

18    Vitako aktuell 02|2021
Data Driven Government

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