Gesundheit. Was zählt - Geschäftsbericht 2020 - Weitblick - Techniker ...
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Geschäftsbericht 2020 Gesundheit. Was zählt. Weitblick Wie die TK Innovationen vorantreibt Offenheit Neue Impulse für eine bessere Versorgung Mut Wie flexibles Arbeiten flexible Lösungen schafft
2 Geschäftsbericht 2020 – Editorial „Es ist entscheidend, mit welcher Haltung wir an Lösungen arbeiten. Weitblick, Offenheit und Mut spielen dabei eine entscheidende Rolle.“ Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der TK
3 Was zählt, ist eine zentrale Frage in dieser besonderen Zeit, in der es gilt, immer wieder die eigenen Prioritäten zu reflektieren und zu fragen: Was zählt für uns als TK, um unsere Versicherten innovativ Liebe Leserinnen und Leser, und verlässlich zu versorgen und als verlässlicher Partner an ihrer Seite zu stehen? Und auch: Was zählt der TK-Geschäftsbericht blickt traditionell gleicherma- für unser Gesundheitssystem? Wie können wir ßen zurück wie in die Zukunft: Was prägte das hinter bestehende Strukturen nachhaltig verbessern oder uns liegende Jahr? Aber eben auch: Was bedeuten sinnvoll reformieren? diese Erfahrungen für vor uns liegende Entscheidun- gen? Welche Lernchancen bringen sie mit? Aus Sicht der TK ist dabei entscheidend, wie wir uns diesen Aufgaben nähern, mit welcher Haltung In diesem Jahr ist der Rückblick auf das Jahr wir an Lösungen arbeiten. Weitblick, Offenheit und 2020 vor allem durch die Coronapandemie geprägt. Mut spielen dabei eine entscheidende Rolle: Wir müssen Sie hat das gesamte Gesundheitswesen vor enorme weitsichtig sein und stets zukünftige Entwicklungen Herausforderungen gestellt und wird es weiterhin tun. im Blick haben, gleichzeitig aber mutig genug, schon Gleichzeitig stehen wir kurz vor einer Bundestagswahl heute Neues anzupacken – und manche Dinge einfach und wissen, dass in der kommenden Legislaturperiode auszuprobieren. Und wir müssen offen sein, verschie- wichtige Entscheidungen für das Gesundheitswesen dene Perspektiven einzunehmen. Wie wir das in der TK getroffen werden müssen: Die weitere Gestaltung der ganz konkret mit Leben füllen, zeigt unser Geschäfts- Digitalisierung und eine zukunftsfähige wie faire bericht 2020. Viel Freude bei der Lektüre! Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sind nur zwei der anstehenden Herausforderungen. Ihr Dr. Jens Baas Vorsitzender des Vorstands
4 Geschäftsbericht 2020 Inhalt 10 22 Weitblick Offenheit Eine zukunftsbezogene Sicht ist gefragter denn je: Wie die Im Gesundheitswesen sind innovative Ideen gefragt. TK Innovationen vorantreibt und wo sie Weitsicht fordert. Dafür braucht es Offenheit und eine Portion Neugierde. 12 Gesundheit zählt 24 Zukunft der Krankenhausversorgung Gesundheitspolitische Forderungen zur Warum Kliniken eine bedarfsgerechtere Bundestagswahl Finanzierung brauchen 15 Gesundheit im Wahljahr: Prioritäten setzen 26 Der Weg zum „eRezept Deutschland“ Kolumne von Dr. Jens Baas Wie die TK das elektronische Rezept in die Versorgung bringt 16 Start der ePA Die nächsten Schritte zu einem digitalisierten 28 Neue Wege im Dialog Gesundheitswesen Beim Thema Patientensicherheit hört die TK genau zu 18 Pflege mit Weitblick Wie Pflegende bei der Stress- und 30 Patientennutzen muss in den Fokus Traumaprävention unterstützt werden Professor Dr. Gerd Glaeske zur Zukunft der Arzneimittelpreise 19 „Pflege muss stärker Teil der Gesellschaft werden“ Interview mit dem Pflegebevollmächtigten 31 Push für digitalen Praxisbesuch der Bundesregierung Die TK-OnlineSprechstunde bietet eine komplett digitale Fernbehandlung 20 Digitale Angebote Wie Versicherte in und nach der Pandemie vom 32 Kommunikation ist das A und O Onlineangebot profitieren Wie sich der TK-Verwaltungsrat unter Pandemiebedingungen für die Versicherten einsetzt 21 Trotz Abstand jederzeit für die Versicherten da sein Kolumne von Thomas Ballast
5 Lieber digital? Unter tk.de/geschaeftsbericht 34 finden Sie die digitale Ausgabe des TK-Geschäftsberichts. Der Geschäftsbericht 2020 steht Ihnen auch als PDF zum Download unter tk.de/presse zur Verfügung. Mut Immer häufiger sind flexible Lösungen gefragt. Dafür braucht es die Entschlossenheit, „einfach mal zu machen“. 36 Schnelle Unterstützung für Unternehmen Wie der Firmenkundenservice kurzerhand sein 2020 in Daten, Angebot umstellte Fakten und Zahlen 38 Schutz in der Krise Ein Blick hinter die Kulissen im Team „Rettungsschirm“ Finanzen, Verwaltungsrat, die TK in Zahlen und weitere Meldungen des Jahres: So entwickelte 40 Vom Schreibtisch ins Pflegeheim sich das Unternehmen im Geschäftsjahr 2020. Wie ein TK-Mitarbeiter in der Pandmie unterstützte 48 Abnahmen 41 Flexibel sein und Verantwortung übernehmen Kolumne von Karen Walkenhorst 50 Die Finanzen der Krankenkasse 42 Gemeinsam gegen Cybermobbing 56 Die Finanzen der Pflegekasse Wie die TK Kinder und Jugendliche stark fürs Netz macht 57 Mitglieder- und Versichertenentwicklung 44 Die Welt ein Stück besser machen Die Initiative Weltverbesserer macht sich für 58 Kurz gemeldet Solidarität stark 60 Die Techniker in Zahlen 45 „Alles, was man braucht, sind zwei Hände“ Per App das Erste-Hilfe-Wissen auffrischen 61 Der TK-Verwaltungsrat 63 Impressum
7 D ie Coronapandemie hat das Bedarf der Versicherten, ihre Anlie- Gesundheitswesen im zurück- gen digital zu regeln, nicht „kalt er- liegenden Jahr geprägt und wischt“ hat – im Gegenteil. Seit Jah- tut es weiterhin. In diesem Jahr ren tragen wir mit unserem Service, steht zudem die Bundestagswahl an. unserem Sinn für Innovationen und Was zählt jetzt in dieser besonderen unseren Leistungsangeboten den Zeit für die TK und mit Blick auf die veränderten Alltagsgewohnheiten Gesundheitspolitik? Ein Gespräch und Bedürfnissen unserer Versicher- mit dem Vorstand der TK: Dr. Jens ten Rechnung. Viele digitale Ange- Baas, Thomas Ballast und Karen Dr. Jens Baas ist Vorsitzender bote, die im Pandemiealltag eine Walkenhorst. des Vorstands der TK. In dieser Funktion konkrete Unterstützung boten, gab ist der promovierte Arzt für die es daher bei uns schon. Ein Beispiel Unternehmensbereiche Marke und Das Jahr 2020 wird wohl als „Corona- Marketing, Finanzen und Controlling, ist unsere digitale Fernbehandlung. Jahr“ in die Geschichte eingehen, Informationstechnologie, Unternehmens- 2021 stehen dazu richtungsweisen- entwicklung, Politik und Kommunikation TK-Doc haben wir schon vor sowie Verwaltungsrat und Vorstand de Wahlen an. Was zählt gerade in verantwortlich. der Pandemie entwickelt und im ver- Sachen Gesundheit? gangenen Jahr zu einem komplett Dr. Jens Baas Die Situation im Ge- digitalen Prozess ausgebaut, von der sundheitswesen ist doppelt heraus- ärztlichen Behandlung per Video bis fordernd: Einerseits gilt es weiter- hin zum Ausstellen eines elektroni- hin, die Pandemie und ihre Folgen so schen Rezepts. So bot sich unseren gut wie möglich zu managen. Dazu Versicherten schon zur ersten Welle braucht es nicht nur gute Planung, der Pandemie eine echte Alternative sondern es müssen viele Rädchen in- zum klassischen Arztbesuch. einandergreifen. Gleichzeitig stehen jetzt viele zentrale Entscheidungen Thomas Ballast ist stellvertretender Bedeutet Krankenkasse ab der Pan- an, um das Gesundheitswesen für Vorsitzender des Vorstands der TK. Der demie also in erster Linie „Kranken- Diplom-Volkswirt verantwortet im die Zukunft aufzustellen. Die Pande- kasse digital“ – für die Versicherten Unternehmen die Bereiche Service und mie hat bestehende Schwachstellen Kanäle, Versorgungsinnovation, Versor- und für Ihre Mitarbeitenden? noch einmal besonders deutlich wer- gungssteuerung sowie Service und Baas Nein. Es geht nicht darum, Business Management. den lassen, sei es beim Stand der Di- auf Biegen und Brechen alles zu digi- gitalisierung oder auch bei den Ver- talisieren. Die Pandemie hat dazu sorgungsstrukturen mit unseren geführt, dass viele Versicherte digi- harten Sektorengrenzen und teilwei- tale Leistungen stärker nutzen, aber se ausgeprägten regionalen Unter- uns war gleichzeitig auch in dieser schieden. Die kommenden Jahre Zeit wichtig, persönlichen Austausch werden also spannend – für die Ge- zu ermöglichen, wenn die Anliegen sundheitspolitik, genauso wie für der Versicherten das erforderten. das Gesundheitswesen als Ganzes. Karen Walkenhorst Die Pandemie Karen Walkenhorst ist Mitglied des Was heißt das für die TK? Vorstands der TK. Die Diplom-Sozial- hat uns mit Nachdruck vor Augen Thomas Ballast Unsere wichtigste wissenschaftlerin ist für den geführt, wie schnell sich Rahmenbe- Unternehmensbereich Personal Aufgabe ist und bleibt natürlich, un- dingungen und Prioritäten in kürzes- verantwortlich. Außerdem ist Karen sere mehr als 10,7 Millionen Versi- Walkenhorst bei der TK für die Bereiche ter Zeit ändern können. Dafür sind cherten gut zu versorgen – und das Mitgliedschaft und Beiträge sowie die zahlreichen pandemiebezogenen Markt und Kunde zuständig. zunehmend auch durch digitale An- Gesetzesinitiativen und Verordnun- gebote. In der Pandemie hatten wir gen nur ein Beispiel. Viele hatten di- als TK den entscheidenden Vorteil, rekte Auswirkungen auf die Arbeit dass uns der enorm gestiegene unserer rund 14.000 Mitarbeitenden.
8 Geschäftsbericht 2020 – Interview „Es ist keine Option, das Thema Veränderungen und Innovationen auszusitzen. Wir wollen den Wandel im deutschen Gesundheitswesen aktiv mitgestalten und vorantreiben.“ Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der TK Diese haben völlig neue Prozesse – etwa für das Organisieren von Ret- tungsschirmen – quasi über Nacht umgesetzt. Starre Hierarchien und Strukturen stoßen bei diesen Anfor- Sicherheit. Hinzu kommt, dass wir derungen schnell an ihre Grenzen. auch nach der Pandemie stärker vir- Rückblickend können wir sehr zufrie- tuell und räumlich getrennt zusam- den sein: Wir haben oft schnelle und menarbeiten werden, als es vor Co- kreative Lösungen gefunden, dabei rona der Fall war. Umso wichtiger ist haben sich unsere Mitarbeitenden dabei eine offene, wertschätzende gegenseitig flexibel und interdiszipli- Kommunikation. när unterstützt – in einigen Bereichen ist das Arbeitsvolumen ja von heute Ballast Uns als TK hat die Pande- auf morgen stark angestiegen. Der mie gezeigt, dass wir auf dem richti- Blick geht aber auch nach vorn, denn gen Weg sind. Aber ein „Schulter- jede Krise ist eine Chance zu lernen. klopfen“ bringt uns nicht weiter. Wir Das gilt für Individuen wie auch für haben als TK viele Impulse fürs Sys- Unternehmen und natürlich auch für tem gesetzt – von der elektroni- das System als Ganzes. schen Patientenakte und der elekt- ronischen Krankschreibung bis zum elektronischen Rezept. Jetzt gilt es aber, diese Ansätze zu verstetigen und Skalierbarkeit zu ermöglichen. „Auch nach der Pandemie werden wir stärker virtuell Dafür brauchen wir eine flächende- zusammenarbeiten. Umso wichtiger ist dabei eine ckende, optimal vernetzte und be- offene, wertschätzende Kommunikation.“ lastbare digitale Infrastruktur. Hier ist auch die Politik gefragt. Vernet- Karen Walkenhorst, Mitglied des Vorstands der TK zung sowie Datenqualität und -aktu- alität sind nur einige Stichworte. Denn auch das hat die Coronapande- Welche „Learnings“ lassen sich mie gezeigt: In Sachen strukturierter denn aus der Pandemie ziehen? Gesundheitsdaten ist in Deutschland Walkenhorst Wir müssen noch wei- noch Luft nach oben, hier sind lang- ter weg von festen Strukturen und fristige Lösungen gefragt. gedanklichen „Planquadraten“ hin zu einer flexiblen Arbeitsorganisation. Das macht den Arbeitsalltag nicht unbedingt einfacher, denn Struktu- ren geben natürlich Halt und
9 Inwiefern lässt eine akute Pande- was sich in Sachen Innovationen tut. miesituation politischen Weitblick Das ist die Grundlage, um innovative überhaupt zu? Impulse zu setzen. Dazu gehört auch, Baas Die Pandemie hat – nicht nur Neues auszuprobieren. Das funktio- die Politik, sondern die allermeisten niert natürlich nur in einer Unterneh- von uns – dazu gezwungen, sich zu- menskultur, die Neugier und Innovati- nächst einmal um das Akute zu küm- onsgeist fördert. mern. Es ging darum, die aktuellsten Baustellen zu bearbeiten und dabei Baas Mut und Offenheit genau in rasch Entscheidungen zu treffen. diesem Sinne braucht es auch mit Doch auch in einer solchen Situation Blick auf die gesamte GKV. Wir als darf man das große Ganze nicht aus Krankenkasse sind nicht gut beraten, den Augen verlieren. In der Gesund- uns auf dem gesetzlich definierten heitspolitik stehen in der kommen- Status auszuruhen. Denn das Thema den Legislaturperiode gleich mehre- Gesundheit ist für internationale Un- re Themen an, die langfristig für die ternehmen ein sehr attraktiver Markt. Zukunftsfähigkeit des Systems sor- Auch deshalb ist es keine Option, das gen. Dazu gehört neben der weite- Thema Veränderungen und Innovatio- ren Gestaltung der digitalen Trans- nen auszusitzen. Wir wollen den Wan- formation auch ganz dringend, die del im deutschen Gesundheitswesen Finanzen der gesetzlichen Kranken- aktiv mitgestalten und vorantreiben. versicherung für die Zukunft aufzu- stellen. Dafür braucht es echte Strukturreformen und wir müssen es „Erfolgreich sind wir dabei nur, wenn wir genau schaffen, das System effizienter zu gestalten. Doppelt durchgeführte hinhören, was unsere Versicherten bewegt, um Untersuchungen oder unnötige Ope- ihnen mit unseren Leistungen einen konkreten rationen sind hier nur zwei Beispiele. Mehrwert zu bieten.“ Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der TK Dieser Geschäftsbericht steht auch unter den Schlagworten Mut und Offenheit. Ist es für eine Kranken- Was bedeutet das denn konkret für die TK-Versicherten? kasse und Körperschaft öffentli- Ballast Unsere Versicherten können sich darauf verlas- chen Rechts nicht in erster Linie sen, dass wir auch weiterhin hart daran arbeiten, zu defi- wichtig, dafür zu sorgen, dass Pro- nieren, was eine wirklich gute Krankenkasse ausmacht. zesse reibungslos funktionieren, Erfolgreich sind wir dabei nur, wenn wir genau hinhören, statt sich Experimente zu leisten? was unsere Versicherten bewegt, um ihnen mit unseren Walkenhorst Natürlich müssen Pro- Leistungen und unserem Service einen konkreten Mehr- zesse – wie in der Pandemie beispiels- wert zu bieten. weise das Auszahlen von Kinderkran- kengeld – reibungslos funktionieren, Dazu gehört beispielsweise auch, dass wir einen keine Frage. Das kann aber nur der eigenen Beauftragten für Patientensicherheit haben und Minimalanspruch an eine Krankenkas- unsere Versicherten dabei unterstützen, ihre digitale Ge- se sein. Wir haben mehr als 10,7 Milli- sundheitskompetenz auszubauen. Und unser Blick endet onen Versicherte, deren Alltag und nicht am sprichwörtlichen Tellerrand. Deshalb setzen wir Bedürfnisse sich permanent ändern. uns zum Beispiel auch dafür ein, das Thema Nachhaltig- Unsere Mitarbeitenden sind immer keit im Gesundheitswesen zu verankern, das einen immer nah dran, stehen in Kontakt zu unse- bedeutenderen Faktor für die Gesundheit und unsere ren Versicherten und beobachten, Ressourcen darstellt.
7 von 10 Menschen in Deutschland sehen laut einer Umfrage der TK 4,13 Millionen Pflegebedürf- tige gibt es in Deutsch- land – Tendenz steigend. an einigen Stellen des Gesundheitssystems Reformbedarf. Wie wird die Pflege zukunftsfähig und welche Möglichkei- Mehr Ergebnisse des TK-Meinungspuls und welche Schwer- ten bietet die Digitalisierung? Antworten von Andreas punkte die Gesundheitspolitik künftig setzen sollte, auf den Westerfellhaus, dem Pflegebevollmächtigten der Seiten 12 bis 15. Bundesregierung, auf Seite 18. 100.000 Nutzerinnen und Nutzer hatte die elektronische Patientenakte (ePA) der TK bereits im Frühjahr 2021, rund drei Monate nach ihrem Start. Mehr zu den Funktionen von TK-Safe und zu der Frage, was die nächsten Schritte sind, damit sich die ePA im Gesundheitswesen etabliert, auf den Seiten 16 und 17.
Weitblick Weit·blick /vaitblk, Weítblick/ Substantiv, maskulin [der] Fähigkeit, vorauszublicken, frühzeitig künftige Entwicklungen und Anforderungen zu erkennen und richtig einzuschätzen
12 Geschäftsbericht 2020 – Gesundheitspolitik Gesundheit zählt Text Kerstin Grießmeier
13 Zwischen Pandemie und Wahljahr: Selten war Und wir brauchen weiterhin Tempo in der Digitalisierung, Gesundheitspolitik so sehr aktuellere Dokumentationsdaten und digitale Prozesse als Standard statt als Ausnahme. Wichtig ist auch flä- im Fokus der öffentlichen chendeckend eine bessere Netzqualität. Debatte wie heute. Aus Sicht Vernetzt (&) besser versorgen der TK gilt es jetzt, unser Gesundheitssystem für die Wir brauchen dringend eine Reform der Notfallversor- gung. Dabei müssen auch digitale Angebote und Fernbe- Zukunft aufzustellen und handlungen als Bestandteil des Notfallmanagements ein- Themen wie die Digitali- gesetzt werden. Grundsätzlich gilt es, analoge und digitale Versorgung gemeinsam zu denken. sierung in Gesundheit und Pflege, die GKV-Finanzie- Die Nachfrage nach digitalen Angeboten ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen und hat mit rung und die Verbesserung der Pandemie weiter zugenommen. Jetzt gilt es, diese der Krankenhausstrukturen, durchdacht breit zu verankern. Digitale Behandlungsket- ten können die Versorgung verbessern – sie müssen an- aber auch die Patientensou- gemessen im Sozialgesetzbuch abgebildet werden. Apps auf Rezept sind ein guter Anfang. Jetzt müssen sie wei- veränität und Nachhaltigkeit terentwickelt werden, dazu gehört auch eine faire deutlich voranzubringen. Preisgestaltung. Worauf es ankommt, zeigt die TK in ihren gesundheitspolitischen Forderungen – aufgeteilt in sieben Themencluster – zur Bundestagswahl auf. Gesundheitspolitik im Fokus: Es gilt jetzt, Themen wie Digitalisierung und Pflege voranzubringen. Digitalisierung Für die digitale Transformation des Gesundheitssystems stehen jetzt wichtige Weichenstellungen für das kommende Jahrzehnt an – sie ent- scheiden, ob die Digitalisierung Her- ausforderung oder Chance wird. Wich- tige Schritte sind aus TK-Sicht, dass die elektronische Patientenakte zum digitalen Herzstück der Versorgung wird. Zudem brauchen wir einen zeit- gemäßen Umgang mit Daten, der Pa- tientinnen und Patienten Chancen auf eine bessere Versorgung eröffnet.
14 Geschäftsbericht 2020 – Gesundheitspolitik Zukunft der Pflege – Pflege der Zukunft Dabei sind starre Sektorengrenzen hinderlich: In strukturschwachen Regionen sollten sektorenübergrei- Immer mehr Menschen benötigen immer komplexere Pfle- fende Konzepte zum festen Teil der Versorgung werden – ge. Das macht die langfristige Finanzierung von Pflege und zum Beispiel durch Regionale Gesundheitszentren (RGZ), die Unterstützung von Pflegekräften und pflegenden An- die Angebote der stationären und der ambulanten Ver- gehörigen zu zentralen Zukunftsfragen. Deshalb braucht sorgung bündeln. Zudem muss auch in den Kliniken die die soziale Pflegeversicherung eine Reform, welche die fi- Digitalisierung konsequent weitergehen. nanziellen Lasten auf viele Schultern verteilt. Finanzierung und Wettbewerb Zudem muss die Arbeit in der Pflege für Pflege- kräfte attraktiver werden – aber auch pflegende Angehö- Die Finanzierung von Gesundheit zukunftssicher aufzustel- rige müssen ganz gezielt entlastet werden, denn sie leis- len, wird zur Kernaufgabe in der kommenden Legislaturperi- ten nach wie vor einen großen Teil der Pflege. Dafür ode, denn die Kosten für Gesundheit steigen stetig. Dabei müssen wir auch die Chancen der Digitalisierung für die bedarf es langfristiger Lösungen statt punktueller Maßnah- Pflege nutzen. men. Das Gesundheitssystem muss effizienter werden, zu- dem sind Strukturreformen unumgänglich. Außerdem Krankenhausstruktur modernisieren braucht eine zeitgemäße GKV-Finanzierung einen dynami- schen Steuerzuschuss, der sowohl versicherungsfremde Eine zeitgemäße Krankenhausstruktur ist ein Schlüssel- Leistungen als auch Pandemiefolgen berücksichtigt. Und: faktor für die Versorgung der Menschen in Deutschland. Ein fairer Wettbewerb ist eine Grundvoraussetzung für Dazu gehört auch, ihre Finanzierung weiterzudenken. eine zukunftssichere Finanzierung. Dafür ist ein Ende der Beim Thema Krankenhausfinanzierung müssen sowohl Aufsichtsvielfalt notwendig, denn: Noch immer sind in der Aspekt Qualität als auch die Gegebenheiten vor Ort Deutschland 17 unterschiedliche Behörden mit dieser berücksichtigt werden. Aufgabe betraut. Nachgefragt zum Gesundheitssystem Wie sehen die Menschen in Deutschland ihr Gesundheitssystem? Das erfragt der TK-Meinungspuls seit fast 20 Jahren. 2021 standen neben der Digitalisierung unter anderem auch die Themen Pflege und Notfallversorgung auf der Agenda der aktuellen repräsentativen Erhebung. Befragt wurden 2.001 Personen ab 18 Jahren im Januar 2021. 70 % sehen an einigen Stellen des Gesundheits- Krankenhauslandschaft: Das Prinzip Spezialisierung für mehr Qualität und weniger Kosten findet bei einer Mehrheit (53 systems Reformbedarf. 20 Prozent wollen, Prozent) der Befragten Zustim- dass alles bleibt, wie es ist, zehn Prozent mung, auch wenn das längere plädieren für umfassende und grundlegende Veränderungen. Anfahrtswege bedeutet. 89 Prozent der Menschen in Deutschland rechnen damit, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung 68 % zukünftig eher steigen. 8 Prozent rechnen mit Stabilität. Nur 16 Prozent sind die „Apps auf Rezept“ bereits ein Begriff – aber 41 Prozent halten es für Die Mehrheit (58 Prozent) geht der Menschen in Deutschland könnten sich wahrscheinlich, diese zu nutzen. davon aus, dass die Digitalisierung vorstellen, im medizinischen Notfall per Videosprechstunde Kontakt zur Ärztin oder hilft, die Herausforderungen in der zum Arzt aufzunehmen. Pflege zu lösen.
15 Versorgungsinnovationen Innovationen sind ein zentraler Faktor für eine bessere Versorgung. Damit sie zielgerichtet bei Patientinnen und Patienten ankommen, müssen sie fair finanziert werden – und optimal auf deren Bedürfnisse ausgerichtet sein. Dr. Jens Baas ist Vorsitzender des Vorstands der TK. So sind beispielsweise innovative Arz- Gesundheit im Wahljahr: neimittel für viele, teils schwerkranke Menschen eine enorme Chance. Es ist eine wichtige Aufgabe der Politik, da- für zu sorgen, dass sie auch zu einem fairen Preis zugänglich sind. Zudem brauchen Krankenkassen bessere Prioritäten setzen G Möglichkeiten, Innovation im Sinne ih- esundheit zählt – das ist ein ebenso einfaches wie zentrales Fazit rer Versicherten mitzugestalten, statt aus der Pandemie, die uns alle seit März 2020 in Atem hält. Dieses nur die Rechnung zu bezahlen. Und: Fazit bedeutet auch, dass wir unser Gesundheitssystem so aufstel- Aus TK-Sicht sollten auch Apotheken len müssen, dass es angesichts künftiger Herausforderungen nicht nur digitale Versorgungsmodelle bestehen kann, sondern weiterhin den weltweiten Vergleich nicht zu entwickeln. scheuen braucht. In Sachen Gesundheit ist im Wahljahr 2021 die Politik also gefragt wie lange nicht mehr. Patientensouveränität und Prävention „Gleichsam entscheidend wird sein, die Souveräne Entscheidungen von Finanzierung unseres Gesundheitssystems Patientinnen und Patienten sind zukunftssicher aufzustellen.“ eine Grundlage für eine gute Ge- sundheitsversorgung – und benöti- gen die richtigen Rahmenbedingun- In der auslaufenden Legislaturperiode wurden vor allem beim gen: Transparenz, Kompetenz und Thema Digitalisierung schon viele Impulse gesetzt. Hier darf eine zu- Mitbestimmung. Dazu gehört bei- künftige Gesundheitspolitik nicht nachlassen, sondern muss das Begon- spielsweise, die digitale Gesund- nene konsequent fortsetzen und dafür sorgen, dass sinnvoll vernetzte, heitskompetenz zu fördern. Sie kann belastbare Strukturen entstehen, von denen alle Menschen in Deutsch- einen wichtigen Beitrag leisten, dass land profitieren. Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, wie entschei- die digitale Transformation im Ge- dend funktionierende digitale Prozesse sind. sundheitssystem gelingt. Gleichsam entscheidend wird sein, die Finanzierung unseres Ge- Wichtig ist auch, zeitgemäße sundheitssystems zukunftssicher aufzustellen. Das gelingt nur, wenn wir Mitbestimmungsmöglichkeiten wie systematisch Effizienzreserven heben, von denen unser Gesundheitswe- die Online-Option bei den Sozialwah- sen noch immer viel zu viele aufweist. Außerdem bedarf es echter Struk- len zu etablieren – und Menschen zu turreformen, die etwa dafür sorgen, dass unsere Krankenhauslandschaft unterstützen, die möglicherweise bedarfsgerechter und qualitätsorientierter gestaltet wird. Für die Politik von Behandlungsfehlern betroffen gibt es also viel zu tun in den kommenden Jahren. sind. Aus TK-Sicht ist es zudem an der Zeit, endlich das Thema Nach- Das gilt auch für uns, denn wir als TK haben den Anspruch, die haltigkeit in der GKV-Welt fest zu Versorgung unserer mehr als 10,7 Millionen Versicherten mitzugestalten verankern. und weiterzuentwickeln. Deshalb bringen wir uns als Impulsgeber aktiv ein: Unsere gesundheitspolitischen Forderungen zeigen einerseits, wo Mehr Informationen zu den konkreter politischer Handlungsbedarf besteht. Sie eröffnen anderer- einzelnen gesundheitspolitischen seits eine Perspektive auf ein noch besseres Gesundheitssystem, das Forderungen gibt es im Internet unter nicht nur innovativ und nachhaltig finanziert, sondern auch effizient or- tk.de/bundestagswahl ganisiert ist und die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt stellt.
16 Geschäftsbericht 2020 – Elektronische Patientenakte Gestartet, um abzuheben Text und Interview Silvia Wirth A m 1. Januar 2021 ist die elek- Klar ist: Der Start der ePA ist tronische Patientenakte (ePA) nur der allererste Schritt auf der Reise bundesweit gestartet. TK-Versi- in ein digitalisiertes Gesundheitswe- cherte kennen die Akte schon seit Mai sen. Jetzt beginnt erst die eigentliche 3/4 2019. Denn der digitale Datentresor Entwicklung der Akte. Das Fundament TK-Safe ermöglicht es Versicherten der ePA auf Seiten der Krankenkas- bereits seit über zwei Jahren, ihre Ge- sen ist gesetzt. Die ePA kann jedoch sundheits- und Krankheitsdaten struk- erst das volle Potenzial für die medi- turiert und übersichtlich an einem Ort zinische Behandlung von Patientinnen der TK-Safe-Nutzerinnen und -Nutzer sind zwischen 26 und 59 Jahre alt. zu speichern und zu managen. und Patienten entfalten, wenn alle 15 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer anderen Akteure im Gesundheitswe- sind älter als 60 Jahre. „Unsere Versicherten profi- sen sich anschließen: Arztpraxen, (Stand: Februar 2021) tieren davon, dass wir seit 2016 Krankenhäuser, Apotheken, Thera- Know-how in der Entwicklung der peutinnen – alle, die in die Behand- elektronischen Patientenakte sam- lung von Patienten involviert sind. meln konnten“, sagt Sandra Hoyer, Versicherten Schritt für Schritt wei- Projektleiterin von TK-Safe. „Die He- Gesundheit weiterdenken ter auszubauen. „Wir arbeiten daran, rausforderung besteht darin, die ho- dass die ePA das zentrale Gesund- hen Datenschutzbestimmungen zu Das Ziel ist, dass Versicherte ihre heitstool für unsere Versicherten vereinbaren mit einer intuitiven Be- Gesundheit in Zukunft genauso kom- wird. Arzttermine vorbereiten, Medi- dienung, wie Nutzerinnen und Nut- fortabel am Smartphone regeln kön- kationspläne erstellen und automati- zer sie von kommerziellen Apps ge- nen wie Einkaufen oder Banking. Für siert Wechselwirkungen und Unver- wohnt sind.“ Dass das gelungen ist, den Erfolg der ePA ist es deshalb träglichkeiten anzeigen lassen, aber zeigt die positive Resonanz: Bereits wichtig, vorauszuschauen, die tech- auch der digitale Impfpass mit indi- in den ersten drei Monaten hat nischen Schnittstellen für die Anbin- viduellen Impfempfehlungen – das TK-Safe die Marke der 100.000 Nut- dung weiterer Services zu schaffen soll zukünftig alles über eine App zerinnen und Nutzer geknackt. und die Funktionen für die laufen“, so Hoyer.
17 Dr. Susanne Ozegowski und Daniel Cardinal: Wie sieht die Zukunft der ePA aus? Nutzerfreundlichkeit muss im Fokus stehen M it der ePA ist ein wichtiger helfen, müssen sie mit technologischer 50.000 Nutzerinnen und Nutzer. Das Meilenstein für die Digitalisie- Unterstützung übersetzt werden – nur zeigt uns: Die Versicherten haben ein rung des deutschen Gesund- so können Versicherte individuell zu- deutliches Interesse daran, Transpa- heitssystems gelegt. Dr. Susanne geschnitten behandelt werden. renz über ihre Daten zu bekommen. Ozegowski, Leiterin des Geschäftsbe- Der Erfolg täuscht aber nicht darüber reichs Unternehmensentwicklung, Vernetzung ist das Stichwort. Wa- hinweg, dass wir in einigen Punkten und Daniel Cardinal, Leiter des Ge- rum ist dieser Aspekt so zentral? bei den technischen Vorgaben drin- schäftsbereichs Versorgungsinnovati- Ozegowski Die Vernetzung der Leis- gend Verbesserungen brauchen. on, blicken in die Zukunft. Was sind tungserbringer ist das Herzstück der die nächsten Schritte? Digitalisierung des Gesundheitssys- Worum geht es hier konkret? tems. Die Telematikinfrastruktur er- Ozegowski Die ePA muss in der Be- Warum ist es so wichtig, dass die möglicht, dass Ärztinnen und Ärzte dienung nutzerfreundlicher werden. ePA eingeführt wurde? untereinander Informationen austau- Der Registrierungsprozess ist unnötig Daniel Cardinal Wenn mehr Infor- schen, aber auch Versicherte ihre Be- kompliziert. Wir sehen, dass die Akten mationen eines Versicherten vorlie- handlungsdaten direkt in ihre ePA ge- in anderen Ländern – trotz gleicher gen, hilft dies, schneller und erfolgrei- laden bekommen können. Datenschutzvorschriften – für die cher zu behandeln. Allerdings haben Nutzerinnen und Nutzer deutlich wir heute keinen zentralen Ablageort Cardinal Doch die ePA wird sich komfortabler gestaltet sind. Daten- für wichtige medizinische Dokumente. langfristig nur etablieren, wenn der schutz hat Priorität, aber die Benut- Das führt leider dazu, dass bei einem Datenaustausch funktioniert und zerfreundlichkeit darf darüber nicht Arztwechsel oder einer Überweisung möglichst viele Praxen und Kranken- vergessen werden. zu einer Fachärztin Untersuchungen häuser angebunden sind. Wir dürfen oftmals wiederholt werden müssen. hier keine Zeit verlieren! Die Kranken- Cardinal Benutzerfreundlich heißt kassen haben mit der Bereitstellung aus unserer Sicht auch, dass es nicht Dr. Susanne Ozegowski Daten sind der ePA das Fundament geschaffen. für jede einzelne Anwendung eine ei- der Schlüssel für eine neue Qualität in Jetzt müssen sich sämtliche Akteure gene App gibt. Wir haben ja bereits die der Medizin. Weltweit werden jeden im Gesundheitswesen anschließen – Krankenkassen-Apps. Sie ermöglichen Tag so viele neue Forschungsergebnis- allen voran die Ärztinnen und Ärzte. grundsätzlich den Zugang zu einer se publiziert, dass dies kein einzelner einheitlichen Basisinfrastruktur, auf Spezialist mehr überblicken kann. Da- Nehmen die Versicherten die Akte an? die alle Versicherten Anspruch haben mit diese Ergebnisse bei der Diagnos- Cardinal Unsere ePA TK-Safe hatte und wo die Versicherten über die Da- tik und Therapie von Krankheiten bereits im ersten Monat mehr als tennutzung entscheiden können.
18 Geschäftsbericht 2020 – Zukunft der Pflege Pflege mit Weitblick Text und Interview Laura Hassinger E ine fürsorgliche Pflege durch ge- schon seelisch herausfordernd. Kein haben, kann schon helfen“, sagt schulte Fachkräfte, die aufmerk- Wunder, dass selbst bei größtem Christian Hannig, Diplompsychologe sam sind und sich Zeit für ihre Idealismus der Gedanke wächst: Wa- am UKE und Mitglied der Projekt- Patientinnen und Patienten nehmen – rum tue ich mir das eigentlich an? gruppe „Stress- und Traumapräven- gerade im Notfall und bei schweren Deshalb ist es so wichtig, die Ge- tion“. „Ich merke, dass wir im Kollegi- Erkrankungen ist das unverzichtbar. sundheit der motivierten, aber stark um mehr aufeinander achten und Doch gut pflegen kann nur, wer auf geforderten Pflegekräfte dauerhaft schneller merken, wenn sich jemand sich selbst achtgibt. Im Klinikalltag ist gezielt zu unterstützen.“ psychisch belastet fühlt“, berichtet das oft herausfordernd. Schwer kran- ke oder sterbende Patientinnen und Patienten, emotional aufgebrachte Angehörige und Übergriffe auf das „Ich merke, dass wir im Kollegium mehr Klinikpersonal gehen auch an erfahre- aufeinander achten und schneller merken, nen Pflegenden nicht spurlos vorbei. wenn sich jemand psychisch belastet fühlt.“ Um die psychische Belastung Sonja Zotz, Krankenpflegerin am UKE der Mitarbeitenden aufzufangen, hat die AG Stress und Trauma der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Universitätsklinikum Hamburg-Ep- Über Belastendes sprechen Krankenpflegerin Sonja Zotz aus der pendorf (UKE) das Projekt „Stress- Zentralen Notaufnahme des UKE. und Traumaprävention für UKE-Be- In dem Projekt werden die Mitarbei- „Dadurch hat sich unsere gesamte schäftigte“ ins Leben gerufen. Es ist tenden dafür sensibilisiert, stressige Teamkultur positiv gewandelt.“ Mitt- eines von vier Gesundheitsprojekten und traumatische Situationen zu er- lerweile lassen sich auch Ärztinnen für die Belegschaft, die seit 2019 kennen und damit umzugehen. Sie und Ärzte am UKE zu kollegialen Be- von der TK gefördert werden. Thomas lernen, zeitnah darüber zu sprechen, raterinnen und Beratern weiterbil- Holm aus dem Gesundheitsmanage- wenn sie etwas Belastendes erlebt den. Das stärkt das Miteinander der ment der TK erklärt: „Die Anzahl der haben. Als Vertrauenspersonen ste- verschiedenen Berufsgruppen. Tho- zu betreuenden Patientinnen und hen ihnen andere Mitarbeitende zur mas Holm erzählt, dass andere Klini- Patienten wächst kontinuierlich, das Seite, die sich innerhalb des Projekts ken bereits bei der TK angefragt ha- Stresslevel steigt. Dabei ist gerade als kollegiale Beraterinnen und Bera- ben, ob sie das Projektkonzept die Arbeit in der Notaufnahme und ter ausbilden lassen. „Allein das Wis- übernehmen können. Seine Antwort: auf den Intensivstationen ohnehin sen, ein solches Auffangnetz zu „Man kann nicht nur, man sollte!“
19 Und wie steht es um die Digitalisierung in der professionellen Pflege? Westerfellhaus Vor allem in der Langzeitpflege ist von Digitalisierung leider häufig noch zu wenig zu spüren. Da- bei könnten Pflegekräfte viel mehr ihrer Zeit mit der Pflege der Menschen statt mit unnötigem Papierkram verbringen. Dazu braucht es einfache und sinnvolle Anwendungen, etwa für Anträge und Dokumentationen, die Pflegekräfte und Pflegebedürftige überzeugen. Eine Voraussetzung ist natürlich, Pflegeeinrichtungen schnell und flächendeckend an die Telematikinfrastruktur anzubinden. Andreas Westerfellhaus ist Pflegebevollmächtigter der Welche Aufgaben erwarten eine neue Bundesregierung Bundesregierung. Er tritt für die bei der Gestaltung der Pflegepolitik? Interessen der Pflegebedürftigen im politischen Raum ein. Westerfellhaus Es gilt, die bereits beschlossenen Maß- nahmen konsequent umzusetzen: ein Personalbemessungs- verfahren in der stationären Pflege einführen, pflegeferne Tätigkeiten durch das Neuausrichten der interprofessionel- len Zusammenarbeit entlasten sowie die Pflege durch den stärkeren Einsatz digitaler Medien entbürokrati- sieren. Erst wenn ein Umfeld geschaffen ist, in „Pflege muss stärker Teil dem Pflegekräfte wieder gerne arbeiten, werden Teilzeitkräfte aufstocken und Schulabgänger der Gesellschaft werden“ sich für einen Pflegeberuf entscheiden. Und Pflege muss stärker ein normaler Teil unserer Gesellschaft werden. Einrichtungen der Lang- D ie Gestaltung der Pflege ist eines der wichtigsten zeitpflege sollten in die Angebote der Kommunen eingebun- Zukunftsthemen. Was muss sich verändern und den und ehrenamtliche Mitarbeit gefördert werden. welche Rolle spielen digitale Angebote? Ein Ge- spräch mit Andreas Westerfellhaus, dem Pflegebevoll- Aber auch Pflegehaushalte brauchen zielgerichte- mächtigten der Bundesregierung. te Hilfe, etwa durch die Umsetzung eines flexibel einsetz- baren Entlastungsbudgets. Damit könnten individuelle Herr Westerfellhaus, Sie waren selbst aktiv in der Pfle- Pflegearrangements passgenau gestaltet und mit profes- ge und haben Pflegende ausgebildet. Inwiefern haben sionellen oder ehrenamtlichen Angeboten vernetzt wer- sich die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen gewandelt? den, so wie viele Pflegebedürftige es sich wünschen. Andreas Westerfellhaus Die meisten Pflegebedürfti- gen wollen möglichst lange selbstbestimmt in den eige- nen vier Wänden leben – das war schon früher so und ist es heute noch. Verändert hat sich natürlich die Lebenssi- tuation, vor allem der älteren Pflegebedürftigen, da es TK-PflegeKompakt kaum noch Mehrgenerationenhaushalte gibt oder die An- gehörigen nicht mehr nahe genug wohnen, um selbst zu Rund drei Viertel der Pflegebedürftigen in Deutsch- pflegen. Umso wichtiger sind ambulante Angebote und land werden zu Hause versorgt. Oft sind ihre Ange- digitale Unterstützung. hörigen berufstätig oder haben aufgrund der Pflege wenig Zeit, sich Fachwissen anzueignen. Doch wer Der Markt der Smart Home-Lösungen für die häusliche gut informiert ist, fühlt sich sicherer und kann mit Pflege wächst. Wie schätzen Sie das Potenzial ein? der Pflegesituation besser umgehen. Daher haben Westerfellhaus Digitale Helfer wie Sturzerkennungs- die TK und Vilua Healthcare im Austausch mit pfle- sensoren, Abschaltsysteme für Haushaltsgeräte oder genden Angehörigen und Pflegebedürftigen die App smarte Notrufsysteme können Angehörigen die Pflege TK-PflegeKompakt entwickelt. Sie bündelt alle wich- erleichtern und den Betroffenen mehr Sicherheit im All- tigen Infos und Angebote der TK – vom Online-Pfle- tag geben. Dieses Entlastungspotenzial ist enorm und geantrag bis zur Pflegekurssuche. muss viel mehr ausgeschöpft werden.
20 Geschäftsbericht 2020 – Digitale Angebote Mehr D igitale Kanäle statt Briefe, elektronische Krank- schreibung, innovative Apps und der direkte Draht Service, zur Ärztin oder zum Arzt: Schon vor der Pandemie hat die TK die Digitalisierung des Gesundheitswesens konsequent vorangetrieben, um die Kommunikation zu erleichtern und die Versorgung zu verbessern. Diese mehr Strategie hat sich im pandemiebedingt veränderten All- tag bewährt, auch im Bereich Gesundheit ist das Bedürf- nis nach digitalen Formaten enorm gestiegen. Die TK hat im vergangenen Jahr ihr Onlineangebot weiter ausge- baut, um Versicherte in der Pandemiezeit zu unterstüt- digital zen und ihnen auch mit Blick auf eine Zeit nach Corona eine innovative Versorgung zu ermöglichen. Text Anne Wunsch Therapie digital: von zu Hause aus gegen die Angst Eine App-gestützte Psychotherapie in den eigenen vier Wänden mit therapeu- tischer Begleitung und dem Einsatz von Virtual Reality – das ist Invirto. Gemein- Service digital: Rekord für TK-App sam mit dem Start-up Sympatient hat Mehr als 940.000 Mal wurde die TK-App im vergangenen die TK die digitale Therapie gegen Angst entwickelt „Corona-Jahr“ heruntergeladen und damit so häufig wie und als erste Kasse ihren Versicherten angeboten. in keinem Jahr zuvor. Seit dem Start 2017 wurde die App Zunächst war für die psychotherapeutische Erstdia- auf mehr als drei Millionen Smartphones geladen. Der gnostik ein persönlicher Termin im Universitätsklini- Vorteil für Nutzerinnen und Nutzer neben der Möglich- kum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel oder Lübeck keit, direkt eine Nachricht an die TK zu schicken: Die digi- nötig. Dieses Erstgespräch mit einer Therapeutin tale Lösung erspart allerlei Papierkram. So kann zum Bei- oder einem Therapeuten kann seit April 2020 auch spiel die Versicherungsbescheinigung heruntergeladen digital per Videotelefonie erfolgen. Somit können oder die Krankmeldung digital übermittelt werden. TK-Versicherte bundesweit Invirto nutzen. International und digital: Welcome to TK Immer mehr neue TK-Versicherte kommen aus dem Ausland. Deshalb hat die TK das englischsprachige Angebot immer weiter ausgebaut und verbessert. Im ver- gangenen Jahr kam ein neues Angebot hinzu: der TK-WelcomeGuide. Dahinter verbirgt sich ein E-Mail-Willkommensprogramm, das englischsprachige Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland in den ersten Monaten beglei- tet, dabei Hinweise zum Neuaufnahmeprozess gibt und Fragen rund um das deutsche Gesundheitssystem und die TK beantwortet.
21 Thomas Ballast ist stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der TK. Diagnose digital: digitaler Hautcheck per Foto Seit November 2020 bietet die TK ih- Trotz Abstand jederzeit für ren Versicherten eine fachärztliche Onlineberatung bei Hautproblemen die Versicherten da sein an – als erste gesetzliche Kranken- I kasse in Deutschland. Versicherte m zurückliegenden Jahr standen wir vor der Herausforderung, für die sparen sich Kontakte, Zeit und Wege: mehr als zehn Millionen TK-Versicherten trotz Abstand und völlig ver- Sie schildern in einem Fragebogen änderter Bedingungen da zu sein. Das ist uns auch gelungen: Auch in ihre Beschwerden und laden Fotos dieser außergewöhnlichen Situation haben wir unsere Versicherten bei der betroffenen Hautstellen hoch. In- ihren individuellen Anliegen bestmöglich unterstützt, unabhängig davon, nerhalb von 48 Stunden schätzt dann ob diese mit der Coronapandemie zu tun haben oder nicht. Unsere Pro- eine niedergelassene Hautärztin oder zesse haben wir trotz Pandemie aufrechterhalten und weiterentwickelt. ein niedergelassener Hautarzt die Dieser Anspruch gilt selbstverständlich immer, aber gerade in dieser Zeit Symptome ein und empfiehlt eine ist er wichtiger denn je. Therapie. Für das Angebot kooperiert die TK mit der Internetplattform On- Und wir haben auch gesehen, dass unsere Versicherten in diesem lineDoctor. außergewöhnlichen Jahr einen besonders großen Bedarf an Kommunika- tion mit uns hatten. Das unterstreicht einmal mehr die Bedeutung, jeder- zeit auf dem von unseren Kundinnen und Kunden bevorzugten Kanal er- reichbar zu sein – ob per App, Web, Telefon, aber eben auch vor Ort in den Kundenberatungen, die in der Coronapandemie für unsere Versicher- ten offen waren, wenn dringende Anliegen das erforderten. „Wir werden unseren digitalen Service weiter ausbauen, eigene innovative Angebote entwickeln und auch digitale Impulse für das Gesundheitssystem als Ganzes geben.“ Kontakt digital: Anliegen erledigen Die Pandemie brachte viele traurige Erkenntnisse – sie zeigt uns Einen Erstantrag auf Pflegeleistun- aber auch, warum es wichtig war, digitale Kommunikationskanäle und gen können TK-Versicherte oder ihre Services seit Jahren kontinuierlich, an den Bedürfnissen unserer Kundin- Vertreterinnen und Vertreter seit nen und Kunden ausgerichtet, auszubauen. Bei der TK können wir kons- vergangenem Sommer auch online tatieren, dass wir hier gut aufgestellt sind. stellen – nur eines von vielen Anlie- gen, die mittlerweile online erledigt Im Jahr 2020 nutzten mehr Versicherte denn je unsere digitalen werden können. Insgesamt wurden Angebote. Darauf können und werden wir uns nicht ausruhen, sondern im vergangenen Jahr mehr als 15,8 wir werden unseren digitalen Service weiter ausbauen, eigene innovative Millionen Anliegen von TK-Versicher- Angebote entwickeln und auch digitale Impulse für das Gesundheitssys- ten online bearbeitet, über tk.de tem als Ganzes geben, wie wir es beispielsweise mit dem elektronischen oder die TK-App. Rezept getan haben. Mehr dazu auf den Seiten 26 und 27.
5 von 10 Befragten würden sich laut einer Forsa-Umfrage im 30 Frauen und Männer engagieren sich im TK-Verwaltungsrat ehrenamtlich für die Interessen der Versicherten. Auftrag der TK per Videosprechstunde ärztlich behan- deln lassen. Die Akzeptanz stieg während der Pandemie Wie sich die Arbeit im vergangenen „Corona-Jahr“ deutlich an. Warum Versicherte das Fernbehandlungsan- verändert hat, berichten die beiden alternierenden gebot der TK nutzen, erzählen sie auf Seite 31. Vorsitzenden im Interview auf den Seiten 32 und 33. 1.914 Krankenhäuser gibt es nach Angaben der letzten Erhebung in Deutsch- land. Wie sollten die Krankenhauslandschaft und ihre Strukturen künftig gestaltet sein, damit die Versorgung zukunftsfähig bleibt? Was sollte sich verändern? Antworten zu diesen Fragen gibt es auf den Seiten 24 und 25.
Offenheit Of·fen·heit /Óffenheit/ Substantiv, feminin [die] Aufgeschlossenheit; neugierig sein; die Bereitschaft, sich mit etwas unvoreingenommen auseinanderzusetzen und die Perspektive zu wechseln
24 Geschäftsbericht 2020 – Krankenhausversorgung Kliniken brauchen bedarfsgerechtere Finanzierung 8 von 10 Text Michael Ihly Z wei Jahrzehnte nach der Einführung der Fallpauscha- len in der deutschen Krankenhausfinanzierung ist es Zeit für eine Bilanz. Die Reform war damals ein wich- Rückenoperationen sind nicht notwendig. Das zeigt das tiger Schritt für mehr Transparenz, Wirtschaftlichkeit und TK-Zweitmeinungsangebot, bei dem Versicherte mit einer Patientenorientierung in der stationären Versorgung. Doch Krankenhauseinweisung für eine Rückenoperation ihre Diagnose gleichzeitig kritisieren Fachleute auch unerwünschte Ef- in speziellen Schmerzzentren überprüfen können. fekte wie etwa eine Tendenz zu immer mehr Eingriffen und geringe Anreize für eine höhere Qualität. Die TK regt des- halb eine maßvolle Weiterentwicklung an. Leistungen sowie einem Qualitätsmodul. Die Budgets sollen die Krankenkassen analog zum Pflegebudget mit Bundesweite Versorgungsstufen einer leistungsgerechten Umlage finanzieren. Grundlage für das TK-Konzept zur Reform der Kranken- Budget für Vorhaltekosten hausfinanzierung ist eine strukturierte regionale Versor- gungsplanung anhand bundesweit einheitlich vorgege- Das modular aufgebaute Budget würde unter anderem bener Versorgungsstufen. In der Folge ist mit einem ländlichen Kliniken und Häusern mit Spezialdisziplinen Abbau der Überversorgung in Ballungsräumen zu rech- besser gerecht werden, die aktuell Probleme bei der Kos- nen. Das bedarfsgerechtere Angebot würde sich gleich- tendeckung haben. Vorhaltungen machen einen hohen zeitig entlastend auf den angespannten Arbeitsmarkt Anteil ihrer Kosten aus. Die derzeitigen Fallpauschalen für Pflegekräfte auswirken. berücksichtigten dies jedoch nicht ausreichend. Deshalb sollen Vorhaltekosten und Teile der fallfixen Kosten nicht Modulares Vergütungssystem mehr über die DRG finanziert werden. Vielmehr soll eine Klinik – sofern sie für die Versorgung notwendig ist – ei- Darauf aufbauend schlägt die TK ein modular aufgebau- nen leistungsunabhängigen Anteil des Budgets zur De- tes Vergütungssystem vor, welches in einem Gesamtbud- ckung dieser Kosten erhalten. Die DRGs decken dann nur get pro Krankenhaus mündet. Dieses besteht aus einem noch die reinen Behandlungskosten. Gleichzeitig redu- separaten Krankenhausbudget für Vorhaltekosten, Fall- ziert ein solches Budget die Anreize, aus finanziellen pauschalen zur Honorierung von medizinischen Gründen immer mehr Behandlungen vorzunehmen.
25 Inken Holldorf, Fachbereichsleiterin für stationäre Versorgung bei der TK „Die Fallpauschalen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten grundsätzlich bewährt. Aber die Kliniken müssen bei der Behandlung neben den medizinischen Bedürfnissen zunehmend auch die finanziellen Interessen ihres Hauses beachten. Hier sollten wir die Vergütung durch einen Anteil für Qualität und einen von den Fallzahlen losgelösten Anteil des Budgets für die Vorhaltekosten ergänzen. Dadurch könnten wir die verschiedenen Versor- gungsziele – beispielsweise ein effizientes und bedarfsgerechtes Angebot, eine konsequente Patientenorientierung und eine qualitativ hoch- wertige Versorgung – in einem ausgewogenen Qualitäts-Boni für besonders gute Behandlungen Verhältnis gewichten.“ Finanzielle Boni soll eine Klinik erhalten, die beispielswei- se nachweisen kann, dass sie leitliniengerecht behandelt hat und Patienten und Patientinnen besonders schnell von Spezialistinnen und Spezialisten versorgt wurden oder aber das Haus deutlich überdurchschnittliche Quali- tätsergebnisse erzielt hat. Dieser Finanzierungsbaustein setzt Anreize, dass die Kliniken innovative Konzepte auf- bauen und weiterentwickeln, mit denen sie ihre Patien- tinnen und Patienten optimal behandeln. Gleichzeitig Professor Dr. Jonas Schreyögg, Gesundheitsökonom und verschafft er ihnen die Mittel, die für solch innovative Mitglied im Sachverständigenbeirat für das Gesundheitswesen Programme notwendig sind. „Die in Deutschland oft kritisierte Krankenhausfi- nanzierung über sogenannte Fallpauschalen gibt es in fast allen Industrienationen. Besonders an Gutachten unserem System ist, dass wir die Krankenhausent- In seinem Gutachten „Bedarfsgerechte gelte fast ausschließlich von der Anzahl und der Gestaltung der Krankenhausvergütung Schwere der Eingriffe abhängig machen. Andere – Reformvorschläge unter der Berück- Länder sind etwas breiter aufgestellt. sichtigung von Ansätzen anderer Staaten“ beschreibt der Hamburger Oft gibt es weitere Kriterien – beispielsweise Gesundheitsökonom Professor Dr. Zuschläge für die Qualität eines Eingriffs oder Jonas Schreyögg die in Deutschland Zuschläge für Kliniken, die für die Versorgung bestehenden Reformnotwendigkei- benötigt werden, aber aufgrund ihrer ländlichen ten und skizziert Lösungsansätze. Lage strukturell höhere Kosten aufweisen.“ tk.de, Suchnummer 2090880
26 Geschäftsbericht 2020 – eRezept Deutschland Vom regionalen Pilotprojekt zum bundesweiten Angebot: Schritt für Schritt hat die TK das elektronische Rezept vorangetrieben und in die Versorgung gebracht. So war der Weg zum „eRezept Deutschland“. Aus Hamburg-Wandsbek zum „eRezept Deutschland“ Text Anne Wunsch 1 Rezepte digital über das Smartphone einlösen statt mit dem rosafarbenen 62 % Papierzettel, diese Idee an sich ist nicht neu. In vielen europäischen Ländern gehört dies schon zum Alltag, während in Deutschland das E-Rezept 2022 ver- pflichtend eingeführt werden soll. der Menschen in Deutschland möchten das elektronische Rezept bestimmt oder Die TK machte sich bereits 2019 wahrscheinlich nutzen. Das ist das auf den Weg und führte das E-Rezept Ergebnis einer repräsentativen Forsa- Umfrage im Auftrag der TK. im Rahmen eines Pilotprojekts im Ham- burger Stadtteil Wandsbek ein mit dem Ziel, die Vorteile genauso wie die tech- nische Umsetzbarkeit unter Beweis zu stellen – ganz nach dem Motto: offen sein und Neues wagen.
27 2 Das Pilotprojekt in Hamburg-Wands- bek zeigte: Es geht, schon bald nutz- Verordnung per E-Rezept: ten rund zehn Prozent der TK-Versi- Medikamente können in der Apotheke mit dem QR-Code cherten in der teilnehmenden abgeholt oder direkt nach Arztpraxis die digitale Verordnung. Hause geliefert werden. Im nächsten Schritt wurde das E-Rezept in die ärztliche Fernbe- handlung, die TK-OnlineSprechstunde, integriert. Durch Kooperationen mit verschiedenen Apothekendienstleis- tern wurden immer mehr Apotheken angebunden, in denen die digitalen Rezepte in Form eines QR-Codes ein- gelöst werden können. Auch eine kontaktlose Lieferung durch Boten- dienste ist möglich. 3 Im Sommer 2020 folgte mit der Kooperation der ersten beiden Praxissoftwaredienstleister medatixx und Medisoft- ware der nächste große Schritt, sodass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nun die Möglichkeit bekamen, elekt- ronische Rezepte auszustellen – und so zum digitalen Vorreiter zu werden. 4 Gleichzeitig traten die Ersatzkassen BARMER, DAK-Gesundheit, Hanseati- sche Krankenkasse (HEK) und die Innungskrankenkasse BIG direkt ge- sund dem nun größten bundesweiten E-Rezept-Projekt bei. Im vergange- nen Dezember starteten sie gemein- sam mit dem „eRezept Deutschland“ mit dem Ziel, die digitale Medika- mentenverordnung auszurollen. TK-Versicherte können über die App TK-Doc teilnehmen. Und das Projekt wächst weiter – seit dem Früh- jahr 2021 ist die AOK Bayern mit dabei. das-erezept-deutschland.de
28 Geschäftsbericht 2020 – TK-Monitor Patientensicherheit Versorgung sicherer machen: Die TK fördert mit verschiedenen Projekten die Patientensicherheit. Patientensicherheit: Neue Wege im Dialog Text Gabriele Baron D ie TK legt seit jeher Wert darauf, ihre Versicherten Hälfte der Befragten Angst, sich mit dem Coronavirus zu nach ihren Meinungen und Erfahrungen zu befragen, infizieren. Gleichzeitig haben aber mehr als zwei Drittel um daraus zu lernen. Auch bei dem Thema Patien- keine Bedenken, in der Pandemie eine Haus- oder tensicherheit hört die TK genau zu: Wie sicher fühlen sich Facharztpraxis aufzusuchen. Etwas verhaltener sind die Patientinnen und Patienten bei Behandlungen? Was kön- Menschen beim Thema Krankenhaus: Nur knapp die Hälfte nen sie selbst für mehr Sicherheit tun? Und was bedeutet hat diesbezüglich keine Bedenken, rund ein Drittel leichte die Coronapandemie für die Patientensicherheit? Das sind Bedenken und 16 Prozent große Bedenken. einige der Fragen, auf die der TK-Monitor Patientensicher- heit wichtige Antworten liefert. „Wir nehmen unsere Verantwortung als TK ernst, helfen bei der Klärung von Behandlungsfehlern und enga- Ein Viertel der Befragten vermutet demnach, in den gieren uns für die Vermeidung von Fehlern“, sagt der Be- letzten zehn Jahren schon einmal selbst einen Behand- auftragte der TK für Patientensicherheit, Hardy Müller. Für lungsfehler erlebt zu haben. Von diesen hat jedoch nur ein ihn hat der präventive Aspekt Vorrang: Fehler sind mensch- Drittel den Fehlgriff gemeldet. Fast die Hälfte der Befragten lich und werden immer passieren – wichtig ist, aus ihnen zu hält es für wahrscheinlich, dass sie durch eine Krankenhaus- lernen und damit Fehlgriffe in Zukunft gezielt zu minimieren. behandlung zu Schaden kommen könnte. Zugleich gibt es auch gute Nachrichten: Mehr als 50 Prozent fühlen sich über Erfahrungen zählen das Thema Patientensicherheit gut informiert. So hat sich die TK beispielsweise dafür eingesetzt, dass Patientensicherheit in der Pandemie Versicherte ihre Erfahrungen in der Pandemie in speziali- sierten Melde- und Lernsystemen einbringen können – In der aktuellen Pandemiezeit zeigen sich Sorgen ebenso etwa zum Thema Covid-19. Bisher waren diese Systeme wie Vertrauen in die Behandelnden. So äußert knapp die medizinischem Fachpersonal vorbehalten. Neben
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