Demut vor deinen Taten Baby - Theaterpädagogische Materialmappe LANDESTHEATER SCHWABEN
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LANDESTH EATER SCH WABEN Theaterpädagogische Materialmappe Demut vor deinen Taten Baby Von Laura Neumann Claudia Hoyer (Theaterpädagogin) TEL: 08331 94 59 14 FAX: 08331 94 59 33 MAIL: claudia.hoyer@landestheater-schwaben.de
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER SCH WABEN INHALT Laura Naumann............................................................................................................................................ 3 Besetzung ..................................................................................................................................................... 4 Termine.......................................................................................................................................................... 4 Terror.............................................................................................................................................................. 5 Manipulation und Propaganda .................................................................................................................. 6 Augusto Boal - Unsichtbares Theater ................................................................................................... 7 Politische Aktionskunst: Das Zentrum für politische Schönheit ...................................................... 10 Berühmtheiten, Filme, Girl Bands usw. ................................................................................................. 13 Inszenierungsbilder ................................................................................................................................... 13 Zur Vor- uund Nachbereitung ................................................................................................................. 16 2
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER SCH WABEN ★★★ Laura Naumanns Satire DEMUT VOR DEINEN TATEN BABY gibt drei Frauen den brisanten Auftrag, alle Menschen glücklich zu machen, indem sie sie vor vorgetäuschten Terroranschlägen retten. Das Stück stellt die hochaktuelle, politisch oft instrumentalisierte Frage, wovor die Menschen ständig Angst haben. Humorvoll und bösartig wird gezeigt, wie verzweifelt jeder nach der besten Version des eigenen Lebens sucht und bereit ist, allen möglichen Utopien der Weltverbesserung nachzulaufen – selbst wenn die Erlösung im Terroranschlagssimulator steckt. Bettie, Mia und Lore sind auf dem Damenklo eines Flughafens, als ein zurückgelassener Koffer Terroralarm auslöst. Die Toilette wird abgeriegelt, der Flughafen evakuiert, und die drei bleiben hilflos in ihren Kabinen zurück. Die gemeinsam zu überstehende Todesangst schweißt die eben noch unbekannten Frauen zu Freundinnen fürs Leben zusammen. Als die Entwarnung kommt, bemerken sie, dass alle Lebenskrisen ausgelöscht wurden durch das wohlige Gefühl, gerade noch einmal davongekommen zu sein. Und plötzlich ist die Idee da: Ein weibliches Überfallkommando bilden und Anschläge in Diskos und Supermärkten vortäuschen, um den vermeintlichen Opfern das gleiche Glücksgefühl zu bescheren! Pussy Riot, Drei Engel für Charlie, Thelma & Louise haben abgedankt – jetzt kommen Bettie, Mia und Lore! Da das Konzept aufgeht, kauft die Regierung ihnen die Idee ab. Die drei expandieren; die Stimmung im Land steigt, die Geburtenrate wächst und der Leichtsinn macht sich breit. Als das Wirtschaftssystem zu kollabieren droht, soll das Trio, diesmal mit einem echten Anschlag, die Menschen an den Ernst des Lebens, Versicherungen und Rücklagen erinnern... Laura Naumann1 wurde 1989 in Leipzig geboren und wuchs im Kreis Chemnitz auf. Sie absolvierte ein freies kulturelles Jahr am Theater Junge Generation Dresden, und studierte anschließend an der Universität Hildesheim Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus. 2006 und 2008 war sie Preisträgerin beim „Treffen Junger Autoren“ der Berliner Festspiele. Sie erhielt 2008 ein Stipendium von „Interplay Europe e.V.“ zur Förderung junger Dramatiker und nahm 2009 am Nachwuchsdramatikerfestival „World Interplay“ (Australien) teil. Mit ihrem Stück meerrauschenhören wurde sie 2008 zum Dramatikerworkshop beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen. In der Spielzeit 2009/2010 war sie Stipendiatin des Autorenlabors am Düsseldorfer Schauspielhaus, 2011 nahm sie an den Werkstatttagen des Burgtheaters Wien teil. 2014 erhielt Laura Naumann das Literaturstipendium der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen. süßer vogel undsoweiter erhielt den Münchner Förderpreis für neue deutschsprachige Dramatik und wurde 2010 in einer Werkstattinszenierung bei den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin präsentiert. 2016 gewann Zwischen den Dingen sind wir sicher den Autorenwettbewerb Der zerstörte Ort des Düsseldorfer Schauspielhauses. Laura Naumann war bis 2014 Mitglied von machina eX und ist Teil des Theaterkollektivs Henrike Iglesias. 1 http://www.rowohlt-theaterverlag.de/tvalias/autor/2838951 3
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER SCH WABEN Besetzung Inszenierung Anne Verena Freybott Bühne und Kostüm Franziska Isensee Dramaturgie Thomas Gipfel Regieassistenz Finn Bühr / Katharina Vana Inspizienz Michael Schöffel Mit Lore Josephine Bönsch Bettie Anke Fonferek Mia Franziska Roth Termine Di 24 Sep 2019 20 Uhr Do 21 Nov 2019 20 Uhr Mi 27 Nov 2019 20 Uhr Do 28 Nov 2019 20 Uhr Mi 04 Dez 2019 20 Uhr Do 05 Dez 2019 20 Uhr Sa 21 Dez 2019 20 Uhr Sa 28 Dez 2019 20 Uhr Sa 04 Jan 2020 20 Uhr Di 03 März 2020 20 Uhr Kartenreservierung: 08331 – 9459 16 Mo-Fr 11-18 Uhr vorverkauf@landestheater-schwaben.de Sa 10-14 Uhr Schulvorstellungen Fr 11 Okt 2019 Do 07 Nov 2019 Do 06 Feb 2020 Fr 07 Feb 2020 Kartenreservierung für Schulvorstellungen: Anja Eibl anja.eibl@landestheater-schwaben.de Mo-Do 8 -16 Uhr 08331-9459 23 Fr 8-12 Uhr Spielort: Studio Spieldauer: ca. 60 Minuten 4
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER SCH WABEN Terror 2 ★ Was ist Terrorismus? „Terroristen“, „Terroranschlag“ und „Krieg gegen den Terror“ – in letzter Zeit war oft von „Terror“ die Rede. Das Wort „Terror“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Schrecken“. TerroristInnen versuchen, ihre politischen Ziele mit gewaltsamen Mitteln zu erreichen. Dazu gehören Anschläge mit Bomben und Waffen sowie Entführungen und gewalttätige Einschüchterungen. TerroristInnen wollen mit ihren Taten Aufmerksamkeit erregen und Angst und Unsicherheit bei den Menschen auslösen. Nachgefragt: Befinden sich Staaten „im Krieg gegen den Terrorismus“? In einem Krieg stehen sich zumeist Staaten mit bewaffneten Soldaten gegenüber. Es gibt verschiedene Kriegsparteien und Territorien. Beim „Kampf“ gegen den Terrorismus ist das nicht der Fall: Einzelne Staaten „kämpfen“ gegen Gruppen von TerroristInnen, nicht gegen andere Länder. Es gibt verschiedene Gründe, mit denen TerroristInnen ihre Taten rechtfertigen: Wunsch nach politischer Unabhängigkeit und Veränderung der politischen Verhältnisse sowie der Durchsetzung der eigenen Ideologie(n). Auf den Punkt gebracht: TerroristInnen üben Gewalt aus, um Aufmerksamkeit zu erregen und Angst zu verbreiten. Terroranschläge sind nicht vorhersehbar, Opfer sind oft unbeteiligte Menschen. TerroristInnen sind zumeist keine einheitliche Gruppe (wie z.B. eine Armee) und deshalb schwer zu bekämpfen. ★ Arten von Terrorismus Bei den Arten des Terrorismus kann man zwei Merkmale unterscheiden: Wo tritt Terrorismus auf und welche Hintergründe und Ziele hat er? Terroristische Aktionen können sich auf einen Staat beschränken (nationaler Terrorismus) oder darüber hinausgehen (internationaler Terrorismus). Die Hintergründe und Ziele von terroristischen Organisationen sind sehr verschieden: Sie können politisch, ideologisch, ethnisch oder religiös motiviert sein. Oftmals können sich diese Motive auch vermischen. Linksterrorismus Ausrichtung: politisch-ideologisch Hintergrund/Ziele: Kampf gegen demokratische Staatsordnung, Besitzverhältnisse Beispiele: Rote Armee Fraktion (Deutschland) und Roten Brigaden (Italien) in den 1970er Jahren, heute vereinzelt in Südamerika und Südostasien Rechtsterrorismus Ausrichtung: politisch-ideologisch Hintergrund/Ziele: Nationalismus, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit Beispiele: Nationalsozialistischer Untergrund (DEU/2011), Anders Breivik (Norwegen/2011) Ethnisch-nationalistischer Terrorismus Ausrichtung: ethnisch-nationalistisch 2 https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-demokratie-gegen-terror/was-ist-terrorismus/ 5
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER Hintergrund/Ziele: Kampf um Minderheitenrechte, Autonomie, Unabhängigkeit SCH WABEN Beispiele: PKK (Türkei), ETA (Spanien), IRA (Nordirland) Religiöser Terrorismus Ausrichtung: religiös Hintergrund /Ziele: radikale Interpretation von Religion; Religion zumeist nur „Vorwand“ für andere Motive Beispiele: Islamistischer Extremismus: „IS“ in Syrien/Irak, al-Qaida, Hamas Christlicher Extremismus: „Lords Resistance Army“, Uganda Radikaler Buddhismus: Sri Lanka, Burma/Myanmar Manipulation und Propaganda ★ Manipulation 3 Starke Beeinflussung Wenn ich will, dass andere Menschen etwas ganz Bestimmtes tun, versuche ich, sie so zu beeinflussen, dass sie nach meinem Willen handeln. Wenn ich es so geschickt mache, dass sie gar nicht merken, dass ich sie in eine bestimmte Richtung beeinflusse, dann manipuliere ich sie. In der Werbung wird oft Manipulation betrieben. Da heißt es dann zum Beispiel, dass das Waschmittel W weißer wäscht oder das Auto A schneller fährt. Und wer diese Reklame oft genug sieht, glaubt die Behauptung vielleicht und kauft das Waschmittel oder das Auto, ohne die angepriesenen Eigenschaften wirklich überprüft zu haben. Unterschiedliche Methoden Die Menschen können auf ganz unterschiedliche Weise manipuliert werden: Es können zum Beispiel falsche Dinge erzählt werden. Wenn also jemand sagt, dass eine bestimmte Eisdiele nur schlechtes Eis verkauft, dann kaufen die Leute dort nicht mehr. Oder man erzählt nicht die ganze Wahrheit. So werden manchmal in der Presse einige Politiker oder Politikerinnen immer nur sehr gut dargestellt, andere kommen ganz schlecht weg. Dahinter steckt meistens der Wunsch, die Leser in eine ganz bestimmte Richtung zu beeinflussen. ★ Manipulation oder Propaganda? 4 Eine Trennlinie zwischen Propaganda und Manipulation ist schwierig zu ziehen. Der Begriff "Propaganda" lässt sich von dem der "Manipulation", in der Bedeutung "Beeinflussung von Meinungen, kaum unterscheiden. Anders aber als "Manipulation" wird "Propaganda" hauptsächlich im politischen Sinne verwendet und meint in der Regel komplexere Formen von Beeinflussung. Das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander ist nicht klar. Man kann sagen: "Saddam Hussein setzte Propaganda ein, um das irakische Volk zu manipulieren", wobei Propaganda als Mittel und Manipulation (Beeinflussung) als Zweck gemeint sind. Häufiger aber ist das Verhältnis umgekehrt: "Propagandafilme sind stets in irgendeiner Weise manipuliert", lässt die Propaganda als Ziel und die Manipulation (Veränderung) als Mittel erscheinen. Allerdings ist Manipulation bei weitem nicht das einzige Mittel, mit dem Propaganda operiert. 3 https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politik-lexikon/161389/manipulation 4 http://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/bilder-in-geschichte-und-politik/73234/manipulation-und-propaganda?p=0 6
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER SCH WABEN Augusto Boal - Unsichtbares Theater Augusto Boal war ein brasilianischer Theatermacher, der in den 1950er und 60er Jahren eine neue Theaterform, das „Theater der Unterdrückten“ entwickelte. Diese Form des politischen Theaters wollte die herrschenden Macht- und Hierarchieverhältnisse und die Auswirkungen auf die Menschen sichtbar machen und Veränderung bewirken. Eine Methode ist das Unsichtbare Theater. Boal beschrieb dies in seinem Buch THEATER DER UNTERDRÜCKTEN: Unsichtbares Theater 5 Es wurde schon viel unternommen, um die erstarrten Theaterrituale zu zerbrechen, um die Mauern zwischen Publikum und Schauspielern niederzureißen. Freilich, ob nun das Publikum auf- gefordert wird, auf die Bühne zu kommen und mitzutanzen wie in Hair, mit den Requisiten zu spielen wie in den Vorstellungen des »Great magic circus«, ob es mit den Akteuren in unmittelbaren, fast orgiastischen Kontakt tritt wie beim Living Theatre (Paradise now) — von wirklicher Gleichberechtigung kann in allen diesen Fällen keine Rede sein. Das Wort behält der Schauspieler, der den Zuschauer dann wieder ins Parkett schickt: »Nun ist’s genug.« Jeder hat seine Rolle, seinen vorbestimmten Platz. Auch in der »Theatergeographie«, mit dem Bühnenbild, wurden zahlreiche Versuche gemacht, die örtliche Trennung zwischen Schauspieler und Publikum aufzuheben. Von der italienischen Bühne, die Spielfläche und Zuschauerraum streng scheidet, der elisabethanischen Bühne, die in den Zuschauerraum hineinragt, der japanischen Kabuki-Bühne, die rund um den Zuschauerraum verläuft, bis zur Rundbühne und sogar zur Verschmelzung von Bühne und Zuschauerraum reichen die Experimente. Dennoch blieb die Trennung zwischen Agierendem und Betrachtendem erhalten. Anders das »Unsichtbare Theater«. Hier wissen die Zuschauer nicht, daß sie Zuschauer sind, und sind daher, gleichzeitig, auch Akteure. Sie agieren gleichberechtigt mit den Schauspielern, die ihnen nur eins voraushaben: Sie wissen, was gespielt wird. Zu- gleich werden die Schauspieler hier zu Zuschauern. Dieses Theater, das sich von seinen traditionellen Ritualen befreit, braucht nicht die Bühne als Schauplatz: Jeder Schauplatz wird zur Bühne für die Dauer der Handlung. Das Unsichtbare Theater darf nicht mit dem Happening verwechselt werden, das Chaos und Anarchie zum Prinzip erhebt. Es hat auch nicht mit dem Guerilla-Theater zu tun. Bei beiden ist von vornherein klar, daß es sich um Theater handelt, und es tritt sofort der alte Mechanismus in Kraft: die Scheidung in Zuschauer und Schauspieler. Der Zuschauer ist wie immer zur Handlungsunfähigkeit verurteilt. Das Unsichtbare Theater geht von einem geschriebenen Text aus, einer festumrissenen Konfliktsituation. Es muß bis ins Detail genau vorbereitet werden, nicht nur, was die Szene selbst und das Zusammenspiel der Schauspieler betrifft, sondern auch hinsichtlich der möglichen Mitwirkung der »Zuschauer«. Die Schauspieler müssen darauf vorbereitet sein, alle denkbaren Stichworte der Zuschauer in ihr Spiel aufzunehmen. Dieses denkbare Eingreifen muß, soweit möglich, während der Proben vorausgesehen und berücksichtigt werden, sozusagen als wahlfreier Text. Das Unsichtbare Theater ist Kunst, da es eine bestimmte Erkenntnis der Wirklichkeit sinnlich ausdrückt, Es will eine Erfahrung vermitteln, es will etwas anschaulich machen und rekurriert dazu auf sinnliche Mittel. Im Gegensatz zum Happening beharrt es auf einer strukturierten Deutung der Realität. Es verfolgt nicht die Freisetzung von Energie als Selbstzweck, sondern um sie auf bestimmte Ziele zu lenken. 5 Boal, Augusto:Theater der Unterdrückten. Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1989, S. 34 ff. 7
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER Das Unsichtbare Theater muß sich an einem Ort mit vielen Menschen entladen. Der Schock dieser Explosion wirkt oft SCH WABEN lange nach. Wie das Unsichtbare Theater funktioniert, veranschaulichen am besten einige Beispiele. Premierenabend »Die Ohnmacht« Ein hagerer Schauspieler, bescheiden gekleidet, geht langsam durchs Foyer und schaut die eleganten Damen und Herren traurig an. Andere Schauspieler stehen unauffällig dabei. Kurz vor Beginn der Vorstellung, wenn sich das Premierenpublikum zu den Logen in Bewegung setzt, bricht der hagere Mann zusammen. Die Ohnmacht ereignet sich in Zeitlupe: Der Schauspieler mimt Unwohlsein, tut ein paar unsichere Schritte, sucht Halt an der Wand, bittet eine Dame um Hilfe, und erst nachdem er die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hat, sinkt er gelassen in Ohnmacht. (Stanislawskijs Konzept hat nichts an Gültigkeit verloren.) Natürlich werden ihm einige Zuschauer, vielleicht sogar der Portier, zu Hilfe eilen. Stimmengewirr. Ein »Arzt« ist zur Stelle. Während andere Schauspieler sich über Elendsreportagen unterhalten, die sie in den Tageszeitungen gelesen haben, über Hungersnöte in Afrika und die UNESCO in Paris, stellt der »Arzt« seine Diagnose: »Das ist bloß ein Schwächeanfall. Der Mann hat wohl tagelang nichts gegessen.« Sofort bitten einige Schauspieler die Umstehenden, ihre Eintrittskarten zur Verfügung zu stellen, damit dem armen Mann etwas zu essen gekauft werden könne, Sie zählen auf, was man für eine Premierenkarte alles kaufen kann, wieviel Fleisch, Salat, Eier, Milch usw. Einige Schauspieler bieten ihre Karten an. Es werden Eintrittskarten oder Geld zum Kauf von Lebensmitteln gesammelt. Jeder einzelne Zuschauer wird gefragt, ob er wirklich meint, daß sein Vergnügen, zum hundertsten Male dieselben Arien zu hören, soundso viel Kilo Mehl, Eier usw. aufwiege, die einen Armen und seine Familie, ja, zehn Familien ernähren könnten. Es muß erreicht werden, daß jeder einzelne den Preis einer Premierenkarte in Mehl, Eier und Fleisch umrechnet. Eine Dame bietet ihr Perlenkollier an. Es wird laut berechnet, wie viele Säcke Reis man dafür kaufen kann. Die Mehrzahl der Anwesenden spenden nichts, aber wenigstens sehen sie sich bloßgestellt. Es ist wichtig, den Preis für eine Eintrittskarte, d. h. den Preis für zwei Stunden »kolonisiertes« und ästhetisch fragwürdiges Vergnügen, in einen Zusammenhang zu bringen mit dem Preis für eine Mahlzeit, mit dem Lohn eines Arbeiters. Wie viele Stunden harter Arbeit wiegen die Arien der Traviata auf? Wie viele Eintrittskarten können vom Lohn des Portiers gekauft werden? Oder vom Gehalt eines Polizisten? Oder dem des Chauffeurs der gnädigen Frau? »Wer ist schuld« Die Schauspieler betreten ein großes Zugabteil und setzen sich auf auseinander liegende Plätze. Der Zug fährt ab. Bis er die zweite Station erreicht, kümmern sich die Schauspieler um die Vorbereitung der Aktion. Sie schließen die Fenster und treffen Sicherheitsvorkehrungen (in Ländern mit massiver Polizeigewalt muß man auch mit unsichtbaren Polizisten rechnen). Dann beginnen sie ein Gespräch mit den Fahrgästen, sozusagen zum »Aufwärmen«. Sobald die richtigen Bedingungen geschaffen sind, tut einer der Schauspieler so, als hätte er einen Bekannten entdeckt. Es entspinnt sich eine freundschaftliche Unterhaltung über Familie, Beruf usw. Der erste Schauspieler erzählt, daß er bei der Standard Oil arbeite; er habe um Lohnerhöhung gebeten und sie auch gewährt bekommen. Das Leben werde aber von Tag zu Tag teurer. Man müsse sich fragen, wer schuld ist an diesem endlosen Wettlauf zwischen Lebenshaltungskosten und Lohnerhöhung. Der erste meint: die Gemüsehändler, man lebe ja in einem fleischexportierenden Land (Argentinien), doch da man kein Fleisch bekomme, also auf Gemüse angewiesen sei, könnten die Gemüsehändler ständig die Preise erhöhen. Die Schauspieler, die sich nicht direkt an der Unterhaltung beteiligen, lenken die Aufmerksamkeit der Fahrgäste auf das Gespräch. Das ist sehr wichtig. Die erste Szene soll nicht zu lang dauern. Die Schauspieler entscheiden von Fall zu Fall, ob sie weitermachen oder die Szene abbrechen (das Ein- und Aussteigen von Fahrgästen kann die Konzentration beeinträchtigen). Wenn wieder Ruhe im Abteil herrscht, wiederholt der Schauspieler, daß die Gemüsehändler schuld sind. Eine Schauspielerin, die weiter entfernt sitzt, dreht sich um und protestiert - ihr Mann sei Gemüsehändler, sie könne nicht 8
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER zulassen, daß man ihm die Teuerung in die Schuhe schiebe. Er habe zwar die Preise heraufgesetzt, mache aber keinen SCH WABEN größeren Gewinn. Aufgrund der steigenden Transportkosten sei er zur Erhöhung der Preise gezwungen gewesen. Ein Fahrgast mischt sich ein. Er sei Spediteur. Auch er habe seine Preise anheben müssen, und zwar wegen der ständig steigenden Benzinkosten. Darauf wirft ein anderer Fahrgast die Frage ein, ob man denn die Standard Oil für die Treibstoffverteuerung verantwortlich machen wolle. Schließlich sei der Konzern durch die Lohnforderung der Arbeitnehmer dazu gezwungen worden. Zum Beispiel durch den Herrn da, der zu Anfang gesprochen habe. Wenn jemand schuld habe an der Teuerung, dann die Arbeiter. Der Angestellte der Standard Oil verteidigt sich. Er habe nur deshalb ein höheres Gehalt verlangt, weil seine Frau ihm täglich in den Ohren liege, das Geld würde hinten und vorn nicht reichen. Wenn also jemand schuld sei, dann doch wohl seine Frau, sie habe den ganzen Inflationsprozeß ausgelöst. Die Frau sitzt neben ihm, »hochschwanger«. Sie schaltet sich erregt ein: Wenn sie ihren Mann gedrängt hat, mehr Lohn zu verlangen, dann deshalb, weil das Geld kaum für zwei Personen reicht, geschweige denn für drei, jetzt, wo das Kind unterwegs ist. Alle Mitwirkenden an der Szene sind sich darin einig, daß das Kind, das noch nicht auf der Welt ist, schuld hat und bereits jetzt den ganzen Staatshaushalt zerrüttet. Nach dieser Schlußfolgerung steigen die Hauptakteure bei der nächsten Station aus. Es ist aber wichtig, daß einige Schauspieler im Zug bleiben, um die Diskussionen zu beobachten, die sich anschließen, und wenn irgend möglich sich daran beteiligen. Eine einfache Variante des Unsichtbaren Theaters besteht darin, vorzugsweise im Zug, Reisebus usw. heikle Themen ins Gespräch zu bringen, um eine Diskussion auszulösen und Denkanstöße zu geben. Wir nannten diese Form den »Auslöser« oder die »Zeitzünderbombe«. Die politische Wirkung dieser Spielform hängt ab von der Wahl des Gesprächsstoffs und einer geschickten Gesprächsführung. Widerstand gegen Unterdrückung Offen oder versteckt, Unterdrückung findet täglich und überall statt. Eine Rasse unterdrückt die andere, eine Klasse die andere, der Mann unterdrückt die Frau, die Alten unterdrücken die Jungen. Jedermann kann sich an einen Augenblick in seinem Leben erinnern, da er sich unterdrückt fühlte und gegen seine eigenen Interessen handelte. Und jedermann kann lernen, Widerstand gegen Unterdrückung zu leisten. In der Praxis sieht das so aus, daß einer aus der Gruppe sich an eine konkrete Situation aus seinem Leben erinnert, in Schule, Familie, Beruf, in der er Unterdrückung akzeptiert hat. Er soll diese Situation in einer kurzen Szene mit möglichst vielen Einzelheiten so rekonstruieren, wie sie sich tatsächlich abgespielt hat. Dabei ist er selbst der Protagonist, der die Unterdrückung erfährt; andere aus der Gruppe stellen seine Mit- und Gegenspieler dar. Nach der Rekonstruktion der ursprünglichen Situation wird die Szene ein zweites Mal durchgespielt, mit dem Unterschied, daß der Protagonist die Unterdrückung nicht mehr hinnimmt, sondern versucht, ihr standzuhalten. Seine Gegner improvisieren mit und verstärken den Druck. Die Szene wird noch ein drittes Mal gespielt, jetzt im Rollentausch, wobei der Unterdrückte die Rolle seines ärgsten Unterdrückers übernimmt. Widerstand gegen Unterdrückung ist eine Technik, die den Teilnehmern bewußt machen soll, daß Unterdrückung nur dann zum Zuge kommen kann, wenn man sich unterdrücken läßt, mehr noch, wenn man dem Unterdrücker behilflich ist gegen sich selbst, und daß Widerstand gegen Unterdrückung immer möglich ist, ja, daß man Widerstand leisten muß. Ausgegangen wird stets von einem konkreten Einzelfall, den jeder einzelne Teilnehmer nachvollziehen und auf sich beziehen kann, an dem er allgemeingültige Unterdrückungsmechanismen entschlüsseln lernt. 9
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER Politische Aktionskunst: SCH WABEN Das Zentrum für politische Schönheit ★ Aus dem Text von DEMUT VOR DEINEN TATEN BABY: ja lasst uns das machen lasst uns einen Anschlagsimulator bauen wie diese Simulatoren auf dem Rummel die einen so schütteln und man denkt man erlebt gefährliche Abenteuer auf fremden Planeten wisst ihr was ich meine sowas nur für Terror einen Terroranschlagsimulator mit dem wir durchs Land fahren und die Leute können an Terror teilnehmen und dadurch Menschen finden so wie das bei uns war LORE dafür müssen wir nicht mal was bauen wir können das machen wir gehen an die Orte wir sind die Terroristen wir machen die Leute erleben MIA ist das nicht Performance BETTIE es ist die Rettung LORE was brauchen wir dafür Das Stück selbst bezeichnet die Aktionen der drei Frauen als Performance, die die Welt retten kann. Wenn auch weniger „terroristisch “geprägt, weniger gewalttätig und wesentlich absichtsvoller und geplanter, weisen die Aktionen eine gewisse Ähnlichkeit zu den Projekten des Zentrums für politische Schönheit auf. Die ZPS ist eine politische Aktionskunst-Gruppe, deren Mitglieder durch künstlerische Intervention im öffentlichen Raum auf Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen wollen. Die Gruppe ist seit ca. 2009 aktiv. Ein Wiedererkennungsmerkmal der Gruppenmitglieder ist ihr durch Asche geschwärztes Gesicht, das an den Untergang der Hochkultur erinnern soll. Große Aufmerksamkeit erreichte die ZPS durch eine Aktion in der Nachbarschaft des AFD-Politikers Björn Höcke, wo sie eine Kopie des Holocaust Denkmales in Berlin erstellten. ★ Reaktion auf Kunstaktion in Bornhagen "Dreckspack, lasst den Höcke in Ruhe!" 6 Aktivisten haben in einem thüringischen Dorf einen Ableger des Berliner Holocaust-Mahnmals errichtet - direkt vor dem Haus des AfD-Mannes Björn Höcke. Das Dorf steht Kopf, Tumulte inklusive. Es dauert vier Stunden, bis das akribisch vorbereitete Spektakel die erwünschte Wucht entfaltet. Um 9.55 Uhr rollen zwei Streifenwagen auf den Kirchplatz von Bornhagen, einen Schotterweg im Süden des malerischen Dörfchens. "Das ist nicht 6 https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/bjoern-hoecke-was-in-bornhagen-nach-der-mahnmal-aktion-los-ist-a- 1179792.html 10
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER rechtens", ruft ein Beamter dem Kamerateam zu, das sich SCH dort WABENgerade positioniert. "Jetzt machense ma die Kamera aus und löschen das Material." Reporter und Polizisten liefern sich daraufhin ein hitziges Wortgefecht - es soll nicht das letzte bleiben an diesem Vormittag. Bornhagen, ein 270-Seelen-Idyll im thüringischen Eichsfeld, ist der Wohnort des AfD-Politikers Björn Höcke. Und es ist der Schauplatz einer politischen Kunstaktion, wie sie das betuliche Eichsfeld wohl noch nie erlebt hat. Im Garten der Nachbarn von Familie Höcke ist in den vergangenen Tagen klammheimlich ein Ableger des Berliner Holocaust-Mahnmals entstanden. 24 Nachbildungen der bekannten Betonstelen stehen nun in Bornhagen, errichtet für nur einen einzigen Betrachter: Björn Höcke. Der Chef der Thüringer AfD, der dem strammrechten Parteiflügel zugerechnet wird, schaut seit diesem Morgen beim Blick aus dem Fenster auf das Mahnmal. Geplant, gegossen, heimlich angekarrt und errichtet wurden die Stelen von Aktivisten des Zentrums für politische Schönheit, kurz ZPS. Die Künstler haben für diesen Zweck extra das Nachbarhaus angemietet. Das Ziel: Provokation. Der Plan geht auf. Um kurz nach zehn kommt ein älterer Herr auf den Kirchplatz gehastet, er schnaubt vor Wut. "Die sollen sich wegmachen, das Dreckspack", ruft er den Journalisten zu, "macht euch weg, lasst doch den Höcke in Ruhe!" Der Wüterich, ein kleiner Herr in Trainingsjacke, gibt sich als Rentner aus dem Ort zu erkennen. Die Familie des AfD- Politikers kenne er gut, sagt er, "der Höcke ist mein bester Freund." Was ihn so aufrege? "Dass immer alle um den Höcke herumschwirren", sagt er. Das Mahnmal der Aktivisten interessiere ihn gar nicht, die Familie des Politikers solle nur einfach in Ruhe gelassen werden. "Wir sind froh, dass wir so einen Kerl haben", legt er nach. "Weil er gute Politik macht." "Es ist wirklich groß geworden" Die Initiatoren des Höcke-Mahnmals sehen das natürlich anders. Das Mahnmal sei eine Reaktion auf dessen berüchtigte Dresdner Rede aus dem Januar. Damals hatte der AfD-Mann vor Gesinnungsgenossen unter anderem gesagt: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Das Bornhagener Mahnmal sei eine Reaktion auf diese Rede, sagt Morius Enden vom ZPS, der an diesem Morgen lächelnd zwischen den Stelen wandelt. Und es sei offenbar gelungen, Höcke damit wirklich zu überraschen - der habe am frühen Morgen ziemlich gestaunt: "Irgendwann standen drei Leute im Fenster", sagt Enden, "und haben so geguckt." Der 26-Jährige reißt die Augen und den Mund auf und wiegt leicht den Kopf. Die Aktion erschöpft sich nicht in Betonquadern: In einem unaufgeräumten Raum des ZPS-Unterschlupfs, der ursprünglich mal als Küche geplant war, hängt ein Plakat voller Namen und Linien an der Wand. In der Mitte steht "Björn Höcke", drumherum schwirren Begriffe wie "Deutsches Kolleg", "Bund Deutscher Unitarier", "Republikaner". Draußen bauten die Aktivisten "den erinnerungspolitischsten Beton aller Zeiten", drinnen analysierten sie das Gebaren ihres Nachbarn. Höcke habe von alldem nichts mitbekommen, da ist sich Aktivist Enden sicher. Wie es gelungen sei, 24 Betonquader unbemerkt neben dem Haus des AfD-Mannes aufzustellen? "Mit einem absolut tollen Team und Präzisionsarbeit", sagt Enden - die Kosten spielte ein Crowdfunding, unterstützt von einer aufwendigen Kampagne, an diesem Tag binnen vier Stunden ein. Mehr Details wolle er über die Vorbereitungen nicht verraten, sagt Enden, nur das noch: "Es ist wirklich groß geworden." Gegen 10.15 Uhr klingelt es an der Tür. Es sind die beiden Polizisten; sie haben es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, das kuriose Treiben im Dorf irgendwie zu sortieren. "Haben Sie die Parkplatzsituation mal bedacht?", fragt der eine, "die 11
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER Leute parken ja schon auf dem Gehweg." Sein Kollege gibt sich diplomatischer. "Sprechen Sie vielleicht mal mit dem SCH WABEN Bürgermeister, damit es keinen Ärger gibt", sagt er - und schiebt noch eine Frage hinterher: "Gibt es hier feste Öffnungszeiten?" Die Antwort: "Nö." Die Aktivisten wollen kein Holocaust-Museum und erst recht keinen Publikumsverkehr - denn das würde bei einem Teil ihrer Arbeit ziemlich stören: An mehreren Bäumen im Garten hinterm Haus sind Kameras installiert - mit Blickrichtung zum alten Pfarrhaus, in dem die Höckes wohnen. Im ZPS-Unterschlupf gibt es auch ein Zimmer, rechts neben der Haustür, das sie "Überwachungsraum" nennen. Sechs Bildschirme sind darin auf- und nebeneinander gestapelt, auf dem Tisch liegen zwei angebissene Waffeln auf einem Teller. Künstler, die Politiker überwachen? Allerdings, und das laut ZPS schon seit zehn Monaten. Die Aktivisten gründeten einen "Zivilgesellschaftlichen Verfassungsschutz", der Höcke bespitzelte. Angeblich wissen sie nun, wann ihr ungeliebter Nachbar sein Holz hackt, welche Verlage ihm Broschüren schicken, wie es seinen Schafen geht. All das wollen sie öffentlich machen - es sei denn, der AfD-Mann leistet Abbitte und kniet vor dem Bornhagener Holocaust-Mahnmal nieder. "Ich muss jetzt mal 'nen Knüppel herholen" Keine Frage, Björn Höcke ist ein streitbarer und umstrittener Politiker, seine Nähe zu ultrarechten und auch rassistischen Ideen lässt sich nicht leugnen, selbst seine eigene Partei wollte ihn loswerden - vergeblich. Aber rechtfertigt das Schnüffelmethoden und eine Erpressung mit Details aus seinem privaten Umfeld? "Gegen Nazis wenden wir Nazimethoden an", sagt Enden. Das klingt kernig - aber es beantwortet nicht die Frage, ob die Lage in Deutschland tatsächlich so ernst ist, dass im politischen Gefecht auch das Privatleben angegriffen werden darf. Und ist es nicht am Ende Höcke selbst, der sich als Opfer einer linksgrünen Schmutzkampagne inszenieren kann - und von der Aktion womöglich noch profitiert? In Bornhagen gibt es Unterstützung für Höcke. "Das hat was mit Pietät zu tun", sagt kopfschüttelnd einer der Bauarbeiter, die neben der Kirche vor Höckes Haus gerade einen Behindertenparkplatz pflastern. "Die sollen bei ihm auf der Arbeit einfallen und nicht hier", sagt ein anderer, und ein dritter: "Das ist doch hier seine Privatsphäre, mit Familie und so." Dass Höcke in Bornhagen keine Revolte gegen sich fürchten muss, war schon vorher klar. Bei der Thüringer Landtagswahl vor drei Jahren, lange vor dem bundesweiten Durchbruch der AfD, erreichte er in seinem Dorf beachtliche Zahlen: 36,5 Prozent der Bornhagener Zweitstimmen entfielen auf seine Partei, der Direktkandidat selbst bekam sogar mehr als 38 Prozent. Am Mittag wird der Auflauf vor dem Haus der Höckes immer größer. Ein halbes Dutzend Einsatzwagen stehen inzwischen da, das Ordnungsamt ist vor Ort, überall laufen Reporter und Kameramänner umher. Vor dem Haus der Aktivisten rottet sich am Nachmittag ein aufgebrachter Mob zusammen, ein Polizist rechnet sie der AfD zu. Die Gruppe stellt sich in die Einfahrt zum Haus, das die Künstler angemietet haben - und versucht, Journalisten den Zugang zu verwehren. Es kommt zu einer Rangelei, Tätlichkeiten, Schläge gegen Kameras - auch ein Team von SPIEGEL TV wird attackiert. Wenig später greift die Polizei ein und schickt die bürgerwehrähnliche Truppe heim: Die brausen wenig später in acht Autos davon. ★ Video zum Nachgebauten Holocaust Denkmal: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/bjoern-hoecke-was-in-bornhagen-nach-der-mahnmal-aktion-los-ist-a- 1179792.html 12
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER Berühmtheiten, Filme, Girl SCH WABENBands usw. Im Text von Laura Nauman werden folgende bekannte Gruppen, Menschen, Film u.ä. genannt, die vor allem in den 2000er Jahren oder vorher bekannt waren. ★Girlbands: TicTacToe Monrose Dixi Chicks Atomic Kitten Jakob Sitters Destiny´s Child David Bowie ★Filme: 3 Engel für Charlie –Actionkomödie aus dem Jahr 2000 ( basiert auf der Serie aus den 70er Jahren) Die Hexen von Eastwick – Horrorkomödie aus dem Jahr 1987 (Mit: Cher, Susan Sarandon, Michelle Pfeiffer, Veronica Cartwright) Powerpufft Girls, Figur: Buttercup - Anime Serie, 1998-2005 ★Ehemalige Fußballer: Bastian Schweinsteiger ( Schweini) Mesut Özil – Nationalspieler Rene Adler –Nationaltorhüter Inszenierungsbilder Foto: Forster 13
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LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER ZUR VOR- UND NACHBEREITUNG SCH WABEN Anregungen und Fragen für ein Gespräch mit Schüler*innen ★ Gibt es Szenen/Momente/Figuren die Euch besonders gut gefallen haben, im Gedächtnis geblieben sind oder berührt haben? Beschreibt warum. ★ Habt Ihr etwas nicht verstanden oder fandet etwas seltsam? ★ Wie sah der Raum aus? Wie hat sich das Bühnenbild im Laufe der Vorstellung verändert? Welche Orte sind dadurch entstanden? ★ Wie sahen die Kostüme aus (Farbgebung, Stil, etc.)? Wie haben die Kostüme auf Euch gewirkt? ★ Sammeln Sie gemeinsam mit den Schüler*innen: Welche Themen, losgelöst von der Geschichte, fanden sich in der Inszenierung? Welche Aspekte der Themen werden behandelt? ★ Geben Sie den Schüler*innen einen Moment zum Nachdenken. Jeder/e soll überlegen, welche Besonderheiten bei der Inszenierungen aufgefallen sind. Dann soll jeder/e reihum einen Satz sagen, der beginnt mit: „Mir ist aufgefallen...“. Wichtig, das Genannte sollte sich möglichst nicht wiederholen. Notieren Sie die Aussagen. Diskutieren Sie relevante Punkte mit der Gruppe. Versuchen Sie mit der Gruppe, die Aussagen in „Kategorien“ zu sortieren. Mögliche „Kategorien“: Kostüm, Darstellung der Schauspieler, Erzählweise, Theaterform, Text, Musik, Maske, Bühnenbild/Raum, Beleuchtung, Requisite ★ Besprechen Sie gemeinsam mit den Schüler*innen Möglichkeiten, 1) wie unterschiedlich Menschen in extrem Situationen reagieren können 2) welche Auswirkung durchlebte Extremsituationen auf Menschen und ihr weiteres Leben haben könne Welchen Weg schlagen die drei Frauen in dem Stück ein? ★ Die Aktionen der drei Frauen erinnert an das unsichtbare Theater von August Boal und/oder an politische Aktionskunst wie dem Zentrum für politische Schönheit. (Siehe Texte S. 9 und S. 12 und Video-Link S.15) Sprechen Sie mit der Klasse über den Theatermacher bzw. die Performance-Gruppe. Zur Erarbeitung könne auch die Texte verwendet werden. Lassen Sie die Schüler*innen in Kleingruppen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausfinden und sammeln sie diese im Plenum. 16
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER Spiele und Übungen SCH WABEN ★ Unsichtbares Theater Wichtig: Die Übung dauert länger und sollte nicht unter Zeitdruck ausgeführt werden! Die ersten Anschläge der drei Frauen, die sie kurz nach ihrem Erlebnis auf der Flughafen Toilette verüben, sind eine Art verstecke Inszenierung. Die anwesenden Personen wissen nicht, das die Anschläge nur gespielt sind. Dies erinnert in der Form an das unsichtbare Theater von Augusto Boal. (Siehe S. 9) Mit den beiden folgenden Übungen (die jeweils auch alleine durchgeführt werden können). Kann das Erleben von der Spielerseit her erprobt werden. Mögliche Vorübung: 1. Die Schüler*innen sollen sich einen kleinen Charakter oder Figur ausdenken. Vielleicht hat die Figur einen Tick oder eine besondere Eigenheit (hinken, schlimmer Schluckauf, ständige Niesanfälle o.ä.) 2. Lassen Sie die Schüler*innen diese üben. Z.B. in einem Raumlauf. Alle gehen durch den Raum und probieren erst vorsichtig ihre Figur/Charakter, den Tick usw. aus. Dann steigern sie (im Weitergehen) die Ticks und Eigenheiten, bis sie völlig übertrieben wirken. Nachdem keine Steigerung mehr möglich ist, werden sie wieder kleiner und leiser, bis sie eine „natürlich“ Form annehmen. 3. Danach probieren die Schüler*innen die Figur mit ihren Eigenheiten in der Öffentlcihkeit, z.B. an einer Bushaltestelle, am Bahnhof oder auch auf dem Pausenhof. 4. Besprechen Sie danach, was sie erlebt haben, wie die Reaktionen der Passanten waren und wie es für die Schüler*innen selbst war. Übung: 1. Die Schüler*innen gehen in 3er-Gruppen (max. 5er Gruppen) zusammen. 2. Sie sollen ein Thema oder Problem o.ä. aussuchen, auf das man in der Öffentlichkeit Aufmerksam machen könnte (das können auch kleine Dinge sein und müssen nicht immer die großem gesellschaftlichen Themen umfassen) 3. Dann sollen die Schüler*innen sich eine Szene überlegen, die dies zum Ausdruck bringt. Die Szenen muss geübt werden. 4. Dann werden die Szenen der Klasse präsentiert, die den Gruppen Feedback gibt. 5. Die Gruppen gehen noch mal in die Arbeit und können Anregungen aus dem Feedback in die Szenen einarbeiteten. 6. Die Szenen werden an entsprechenden Orten als „unsichtbares“ Theater aufgeführt. 5. Diskutieren Sie mit den Schüler*innen im Anschluss, was sie erlebt haben, wie die Reaktionen der Passanten waren und wie es für die Schüler*innen selbst war. 17
LANDESTH EATER SCH WABEN LANDESTH EATER ★ Gebärdendolmetschen SCH WABEN Die Spielweise der Inszenierung ist häufig sehr große, Posen artig und arbeitet mit überzogener Gestik. Sehr deutlich zeigt sich das in einer Szenen, in der ein Ansage-Text rein körperlich-mimetisch mitgespielt wird. Textauszug: sehr geehrte Damen und Herren bitte verlassen sie das Gebäude bitte begeben sie sich umgehend zu den nächstliegenden Notausgängen der gesamte Flughafen muss auf Grund eines Bombenverdachtes evakuiert werden In der Übung Gebärdendolmetschen können die Schüler*innen eigene Erfahrungen sammeln mit dieser Art der deutlichen, überzogenen und zeichenhaften Darstellung. 1. Sie benötigen kleine Mitteilungs- oder Ankündigungstexte. Sie können kleine Zeitungsartikel nehmen oder die Schüler*innen selbst z.B. Durchsage-Texte am Bahnhof, Flughafen o.ä. schreiben lassen. 2. Teilen Sie Gruppen von max. 3-4 Personen ein. 3. Die Gruppen bestimmen eine Person, die den Text wie ein Nachrichtensprecher liest. 4. Die anderen Personen sollen den Textinhalt, wie ein simultan Gebärdendolmetscher in den Nachricht, körperlich-mimetisch ohne jede Sprache darstellen. Die Darstellungen dürfen lustig und absurd sein, ähnlich wie beim Scharade-Spiel. 5. Geben Sie den Gruppen Zeit zu üben. (ca. 10-15 Minuten, nicht zu lange es soll „frisch“ bleiben). 6. Anschließend werden die Texte und Gebärdenübersetzungen der Klasse vorgelesen und -gespielt. ★ Ein gemeinsames Erlebnis nachspielen Die Grundbehauptung des Stückes ist, dass die Ereignisse in der Vergangenheit passiert sind. Die drei Frauen diese immer wieder erzählen und nachspielen. Daraus ergibt sich eine Form des Erzähltheaters, bei dem die Figuren uns die eigenen Erlebnisse als Erinnerung in einer Mischung aus Erzählung und Nach-Spiel präsentieren. Diese Erzähl- und Darstellungsweise, kann durch eine Übung verdeutlicht und selbst erprobt werden. 1. Die Schüler*innen bilden 3er-Gruppen. 2. In der Gruppe sollen sie sich entweder eine kleine Geschichte ausdenken oder ein echtes Erlebnis auswählen. 3. Dann sollen sich die Gruppe überlegen, wie sie die Geschichte als eine szenische Erzählung zeigen können a. Was sind die zentralen Momente des Ereignisses b. c. in welcher Reihenfolge soll das Ereignis erzählt werden d. welche Teile eigenen sich zum Nachspielen, welche eher zum Erzählen 4. Dann sollen die Gruppen ihre Erzähltheaterszenen proben und anschließend werden sie in der Klasse gezeigt. 5. Sprechen Sie gemeinsam mit den Schüler*innen über die einzelnen Szenen. Was ist ihnen aufgefallen, welche Wirkung entstand durch die Wechsel. 18
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