DEN BODEN DER EUROPÄISCHEN STADT

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DEN
BODEN
DER
EUROPÄISCHEN
STADT
Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k
der Deutschen Akademie für Städtebau und
Landesplanung e.V. (DASL)

Mitwirkende und Mitglieder des Ausschusses:
Frauke Burgdorff
Egbert Dransfeld
Susan Grotefels
Michael Hardi
Rolf Heyer
Chris�an Holl
Mar�n Linne
Dirk Löhr
Ricarda Pätzold
Stephan Reiß-Schmidt
Stefan Re�ch
Iris Reuther
Guido Spars
Michael von der Mühlen
Hilmar von Lojewski
Julian Wékel
Mar�n zur Nedden

Februar 2019
Inhalt

  1.   WA RUM FÜH RE N W IR D IE SE DE BAT TE?
       Boden als Fundament für bessere Städte, also für das allgemeine Wohl
                                                                                          2
                                                                                          2
       Kleinteilige Reparatur oder grundlegende Reform?                                   2
       Soziale Marktwirtscha� nachjus�eren                                                3
       Individuelle Freiheit und Freizügigkeit brauchen regulierte Bodenmärkte            3
       Das Grundgesetz – ein zahnloser Tiger?                                             3

  2.   For derung en f ür eine B odenpol itis ch e We n de
       Forderung 1: Mehr Boden in kommunaler Hand – Bodenfonds au�auen
                                                                                          4
                                                                                          4
       Forderung 2: Gemeinwohlverpflichtung stärken                                        5
       Forderung 3: Boden- und Liegenscha�spoli�k als Handwerkszeug stärken               6

  3.   BLI CK ZURÜCK NACH VORN
       Einzeleigentum an Grund und Boden: nicht kons�tuierend für die Europäische Stadt
                                                                                          7
                                                                                          8
       Marktwirtscha� zwischen Privateigentum und Gemeinwohl                              8
       Auslaufmodell Daseinsvorsorge?                                                     9
       Au�ri�: die Finanzmärkte                                                           9
       Wohlstandsversprechen adé!                                                         10
       Leistungslose Bodenwertgewinne werden zum Anspruch                                 10
       „Die steigenden Quadratmeterpreise sind wie Stadtmauern“                           11
       Gestaltungs-Spielräume gehen verloren                                              11
       Au�ri�: die Zivilgesellscha�                                                       11

  4.   AU SB LICK                                                                         12
Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

1. WARUM FÜHREN WIR                                       in Stadt und Land sind ohne eine gemeinwohl-
                                                          orien�erte Bodenpoli�k nicht erreichbar. Ohne
                                                          Zugriff auf Grund und Boden können Kommu-
   DIESE DEBATTE?                                         nen auch keine Vorsorge für den Klimaschutz
                                                          durch kompakten Städtebau, pos�ossile urbane
                                                          Mobilität und die Förderung erneuerbarer
     Die Errungenscha�en der Europäischen Stadt           Energien betreiben. Auch die Anpassung an
     haben eines gemeinsam: Sie brauchen den              den Klimawandel, z.B. durch Reten�onsräu-
     Boden, auf dem sie sich entwickeln können.           me, Freihaltung von Frischlu�schneisen und
     Boden ist wie Lu� und Wasser: unverzicht-            ein kleinteiliges Netz von Grünkorridoren und
     bar und unvermehrbar. Weil er zur lukra�ven          Quar�ersparks, setzt nicht nur wirksame pla-
     Anlage für das globale Finanzkapital und zum         nungsrechtliche Instrumente sondern auch die
     Spekula�onsobjekt geworden ist, wird der             Verfügung über Grund und Boden voraus.
     Boden der Europäischen Stadt seit einiger Zeit
     im wahrsten Sinne des Wortes entzogen.               Wie können wir die Bodenfrage ausreichend
                                                          komplex disku�eren und den Fehler vermei-
     Das verknappt und verteuert das Bauland              den, sie ausschließlich als Wohnungsfrage zu
     und schlägt auf die Kosten für die Nutzungen         disku�eren?
     durch: Mieten steigen und weniger zahlungs-
     krä�ige Bewohnerinnen und Bewohner werden
     aus ihren Nachbarscha�en verdrängt; lokales
                                                          K l e i ntei l i g e Re pa ratu r ode r g run d-
     Gewerbe, Kneipen und inhabergeführte Läden
     müssen der Systemgastronomie oder den Spiel-
                                                          l e g ende Re f orm ?
                                                          Aktuell stehen vielfäl�ge Änderungen im Pla-
     hallen, Nagelstudios und Einzelhandelske�en
                                                          nungsrecht, im Steuerrecht und im Mietrecht
     weichen. Die Preise für landwirtscha�liche
                                                          zur Diskussion, z.B. in der Expertenkommission
     Böden schnellen in die Höhe und die regionale
                                                          „Nachhal�ge Baulandmobilisierung und Boden-
     Landwirtscha� s�rbt. Kommunen bekommen
                                                          poli�k“ beim Bundesministerium des Innern,
     keine bezahlbaren Grundstücke z.B. für drin-
                                                          für Bau und Heimat. Aber können kleinteilige
     gend benö�gte Kindertagesstä�en und Schulen
                                                          Korrekturen des Instrumentariums wirklich den
     mehr.
                                                          Trend umkehren und die Krä�e en�esselter
                                                          Märkte zum Wohle der Allgemeinheit umlen-
     Boden- und Wohnungsmarkt stehen also in
                                                          ken? Solange der Boden weiterhin wie eine
     vielen wachsenden Städten im Spannungsfeld
                                                          beliebige Ware und nicht als unverzichtbares
     von Anlageinteresse und Daseinsvorsorge. Aber
                                                          und unvermehrbares Gemeingut behandelt
     auch in schrumpfenden Städten und periphe-
                                                          wird, werden sich wohl die Marktmechanismen
     ren Regionen verstärkt die Logik des „Boden
                                                          weiter durchsetzen, die zur aktuellen Schieflage
     als Asset“ Desinves��on und Leerstand in den
                                                          geführt haben.
     Zentren und damit die soziale und räumliche
     Polarisierung von begehrten, teuren Lagen und
                                                          Wir dürfen es nicht bei der Behandlung von
     entwerteten, gemiedenen Standorten.
                                                          Symptomen belassen. Vielmehr brauchen wir
                                                          eine kri�sche Reflexion von Ursachen, Zusam-
     Bo d e n a l s F u n da me n t f ür be ssere         menhängen und Wirkungen und eine grund-
     S tädt e , a l s o f ü r das a l lg e m ei ne        sätzliche Deba�e über soziale, kulturelle und
     Wo h l                                               räumliche Zukun�sbilder der Europäischen
     Lebenswerte Städte, bezahlbares Wohnen,              Stadt. Nur so können wir zu Lösungen kommen,
     lebendige öffentliche Räume, nachhal�ge Bau-          die an den Ursachen ansetzen.
     kultur und ausgewogene Lebensbedingungen

                                                      3
Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

                                                                nen. Sowohl die wachsenden Metropolkerne,
                                                                Großstadtregionen und Universitätsstädte als
                                                                auch die ökonomisch schwächeren, peripheren
                                                                Regionen müssen lebenswert und bezahlbar
                                                                bleiben, damit die soziale und kulturelle Viel-
                                                                falt erhalten bleibt, die unser Land und unsere
Unser Umgang mit dem Boden ist entschei-                        Städte prägt. Und wir wollen, dass es auch
dend für die Zukun� unserer Städte. Darum                       weiterhin möglich ist, mit den Einkün�en aus
setzen wir uns als Wissenscha�lerinnen und                      eigener Arbeit selbstbes�mmt zu leben – sei es
Wissenscha�ler ebenso wie als prak�zierende                     als Mieter oder im Wohneigentum.
Stadtplanerinnen und Stadtplaner oder als in
der Wohnungswirtscha� Tä�ge in der DASL
dafür ein, den Boden für eine nachhal�ge                        Das G ru ndg e setz – e i n z a hnloser
und soziale Zukun� unserer Städte zurück zu                     Ti g er?
gewinnen. Die Diskussion darüber beginnen wir                   Der zentrale Treiber für die Verteuerung des
mit der Vorlage dieses Deba�enpapiers. Es soll                  Bodens und seiner nachgelagerten Märkte,
innerhalb der DASL und darüber hinaus intensiv                  insbesondere des Wohnungsmarktes, ist die
disku�ert und zu einem Grundsatzpapier wei-                     Renditeerwartung von Anlegern. Spekula�on
terentwickelt werden, ergänzt um einen an die                   und Vernachlässigung liegen dabei o� nahe
Poli�k adressierten Forderungskatalog.                          beieinander. Die Bürgerscha� erwartet von
                                                                „der Stadt“, dass die Wohnqualität, die Da-
                                                                seinsvorsorge und die Versorgung im Quar�er
S o z ia l e Ma r k t w i rt s c h a f t nachj u s-             durch Interven�onen verbessert werden. Für
tie r e n                                                       die Kommunen bedeutet es einen sehr hohen
Wir verstehen das Grundgesetz als Au�rag,                       personellen und finanziellen Aufwand, um über
diese Deba�e grundsätzlicher zu führen: „Eigen-                 kleinteilige Interven�onen gegenzusteuern.
tum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich                    Gleichzei�g ist der Einfluss der Städte durch die
dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ - so lau-                   strukturellen Grenzen vieler planungsrechtlicher
tet sein Art. 14 Abs. 2. Er enthält das Verspre-                Instrumente begrenzt. Denn verfassungsrecht-
chen, die Dynamik des kapitalis�schen Wirt-                     lich gab es im Grundgesetz und im Boden- und
scha�ssystems so einzuhegen, dass individuelle                  Planungsrecht von Beginn an keine wirkliche
En�altung und soziale Gerech�gkeit für alle                     Balance zwischen privatem Eigentum und dem
Bürgerinnen und Bürger gesichert sind. Damit                    Wohl der Allgemeinheit. Das mag auch daran
der Markt seine konstruk�ven Krä�e en�alten                     liegen, dass es dem Grundgesetz mit Bezug auf
kann, müssen die potenziell destruk�ven durch                   den Boden seit jeher an der notwendigen Klar-
die Einbe�ung in ein sozialstaatliches Regelwerk                heit etwa des Art. 155 der Weimarer Verfassung
gezügelt werden.                                                von 19191 fehlte (vgl. ähnliche Regelungen in
                                                                einigen Länderverfassungen, z.B. Art. 161 Abs. 2
                                                                der Bayerischen Verfassung von 1946).
I n d i vi d ue l l e F r e i h e i t und F rei z ü g i g -
ke i t b r au c h e n r e g ul i e rt e Bode n-
m är k t e
Wir wollen, dass auch kün�ige Genera�onen                       1
                                                                 „Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen
                                                                in einer Weise überwacht, die Missbrauch verhütet und dem
sich frei bewegen und niederlassen und sich                     Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung […] zu
vor allem angemessenen Wohnraum leisten                         sichern. […]
                                                                Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- oder Kapi-
können. Wir wollen, dass alle Menschen, auch                    talaufwendung auf das Grundstück entsteht, ist für die Gesamt-
                                                                heit nutzbar zu machen.“
in begehrten Städten leben und arbeiten kön-

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Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

2. Forderungen für eine                                 haushaltes au�auen. Überschüsse und Einnah-
                                                        men aus Baulandentwicklung und Erbbauzin-
                                                        sen, ggf. auch aus einzelnen Verkäufen, dürfen
Bodenpolitische Wende                                   nur für Grunderwerb und Flächenentwicklung
                                                        eingesetzt werden. Der Bodenfonds muss un-
                                                        abhängig vom kommunalen Haushalt geführt
     FOR D ERUNG 1: Mehr B oden in kommun a l e r       werden. Dadurch wird dieser (abgesehen von
     Hand – B odenfonds aufb auen                       einer Anschubfinanzierung) nicht belastet und
                                                        das Grundvermögen kann nicht zur Finanzie-
     Grundsätzlich gilt: Der Staat, vom Bund bis zu     rung anderer kommunaler Aufgaben oder zur
     den Kommunen und ihren Unternehmen und             Sanierung des Haushaltes verwendet werden.
     S��ungen, muss der besonderen Gemeinwohl-          Gesonderte Organisa�onsformen wie ein kom-
     bindung des Bodens beim Umgang mit seinem          munaler Eigenbetrieb oder eine Eigengesell-
     Immobilienvermögen Rechnung tragen. Fiskali-       scha� sollten als Op�on ebenso geprü� werden
     sche Interessen müssen dahinter zurücktreten.      wie eine Einbeziehung von Bürgerkapital in die
     Das bedeutet auch, dass öffentliches Boden-         Finanzierung des Bodenfonds.
     und Immobilieneigentum nicht gegen Höchstge-
     bot priva�siert werden darf, sondern zu mehren     Boden- und Infrastrukturfonds in der Rechts-
     und gemeinwohlorien�ert einzusetzen ist, z.B.      form eines Zweckverbandes können auch auf
     für geförderte, bezahlbare Wohnungen und           interkommunaler bzw. regionaler Ebene einge-
     soziale Infrastruktur.                             setzt werden, um einen Interessen- und Lasten-
                                                        ausgleich zwischen Kernstadt und Umlandge-
     Vor allem die Kommunen brauchen ein veritab-       meinden herzustellen. Die Baurechtschaffung
     les Vermögen an Grundstücken und Gebäuden          und Erschließung auf geeigneten Flächen in
     für eine gemeinwohlorien�erte Stadtentwick-        Umlandgemeinden kann zum Beispiel von der
     lung und um die Stadtbewohnerinnen und -be-        Kernstadt mit Zuschüssen zu Grunderwerb,
     wohner vor den Unbilden der Finanzmärkte zu        Infrastruktur und gefördertem Wohnungsbau
     schützen. Wie können sich die Städte das He�       unterstützt werden. Im Gegenzug bekommt die
     des Handelns also wieder zurückholen?              an Flächen knappe Kernstadt Belegungsrechte
                                                        für geförderte Wohnungen. In einen solchen
     Sie brauchen möglichst viel Boden in eigener       Boden- und Infrastrukturfonds könnten auch
     Hand und müssen diesen Boden intelligent           Bund und Land geeignete Grundstücke bzw.
     managen. Je mehr in kommunalem Eigentum            Konversionsflächen einbringen.
     ist und Privaten per Erbbaurecht zur sozialen
     und wirtscha�lichen Nutzung überlassen wird,       Wie können kommunale oder regionale
     desto umfassender und direkter können Leer-        Bodenfonds als Sondervermögen am besten
     stand, Fehlnutzungen, Schro�mmobilien oder         gegen eine Auflösung und Monetarisierung bei
     anderen Entwicklungen vorgebeugt werden.           kommunalen Haushaltsnotlagen gesichert wer-
     Auf diesem Weg wird die Bodenspekula�on            den? Welche Änderungen im Kommunalrecht
     sukzessive reduziert, eine gemeinwohlorien-        sind dazu erforderlich? Ist die Zivilgesellscha�
     �erte Bodennutzung auf Dauer ausgebaut und         ein geeigneter Partner für stabile, handlungs-
     abgesichert und auch der kommunale Haushalt        fähige Bodenfonds?
     nicht durch flüch�ge Einmaleffekte, sondern mit
     verste�gten Einnahmen gestärkt.                    Wie kann in den Kommunen wieder das not-
                                                        wendige Wissen zur krea�ven Anwendung des
     Dafür sollten die Kommunen einen Bodenfonds        Erbbaurechts als Königsweg einer nachhal�gen
     als Sondervermögen außerhalb des Hoheits-          kommunalen Bodenpoli�k entwickelt werden?

                                                    5
Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

                                                       BauGB), eine verbesserte Anwendbarkeit städ-
                                                       tebaulicher Gebote, eine konsequente Nutzung
                                                       des Instruments der städtebaulichen Entwick-
                                                       lungsmaßnahme sowie geschär�e Instrumente
                                                       der Raumordnung.

Wie können Hemmnisse bei der Kreditgewäh-              Ein zweiter Schri� könnte die Einführung eines
rung z.B. für Mietwohnungsbau auf Erbbau-              Planungswertausgleichs sein, mit dem durch
rechtsgrundstücken besei�gt werden?                    Planung und öffentliche Infrastrukturinves��o-
                                                       nen ausgelöste Bodenwertsteigerungen ganz
Welche (neuen) Ansätze der resilienten Fi-             oder teilweise abgeschöp� werden – ein über-
nanzierung eines marktunabhängigen Boden-              fälliges und logisches Pendant zur Entschädi-
segments für 25-40% dauerha� gesicherter,              gungspflicht bei wertmindernden planerischen
bezahlbarer Mietwohnungen sollten deba�ert             Eingriffen. Nachbarländer wie die Schweiz sind
und näher geprü� werden? (z.B. neue Kapital-           uns in dieser Hinsicht mi�lerweile weit vor-
mark�ransak�onssteuer, Beibehaltung des Soli-          aus: Seit 2014 sind dort die Kantone durch das
daritätszuschlags zur Einkommenssteuer mit             Raumplanungsgesetz verpflichtet, in ihren Bau-
entsprechender Zweckbindung, im Au�ommen               gesetzen einen mindestens zwanzigprozen�gen
deutlich erhöhte Grundsteuer, …)                       Ausgleich von Planungsvorteilen festzulegen.

                                                       Ein dri�er Schri� könnte schließlich darin be-
FOR D ERUNG 2: G EMEINWOHL STÄRKEN                     stehen, ein im Grundsatz öffentlich gehaltenes
                                                       „Verfügungseigentum“ an Grund und Boden
Das Spannungsfeld zwischen Privatnützigkeit            vom privaten Eigentum an den Gebäuden zu
und Sozialpflich�gkeit des Bodeneigentums               trennen und am Boden nur noch ein befristetes
muss neu austariert werden. Eine gerechtere,           privates „Nutzungseigentum“ zu vergeben, z.B.
rechtssichere und durchsetzungsstarke gemein-          in Form des Erbbaurechts. Dieser Weg würde
wohlorien�erte Bodenpoli�k setzt langfris�g            dem Charakter des Bodens als einem unver-
eine Neugestaltung des Eigentums voraus: Das           mehrbaren und unverzichtbaren Gemeingut am
Eigentum am Boden muss vom Eigentum am                 ehesten entsprechen. Er wird durch Art. 15 GG
Gebäude getrennt werden.                               verfassungsrechtlich ermöglicht. Damit könnte
                                                       die Bodennutzung verlässlicher und gerechter
Ein erster Schri� zu einer bodenpoli�schen             gestaltet sowie nachhal�g entwickelt werden.
Wende könnte darin bestehen, die Bodenspe-
kula�on durch eine Stärkung des Gemeinwohl-            Braucht es wirklich dieses „scharfe Schwert“?
anspruchs im Steuerrecht und im Planungsrecht          Oder können die Gemeinwohleffekte einer
einzudämmen und die Steuerungskra� der                 grundlegenden Reform der Ausgestaltung des
Kommunen für bezahlbare Wohnungen und le-              Bodeneigentums auch in anderer Weise und
benswerte Städte zu verbessern. Möglichkeiten          mit niedrigschwelligen Eingriffen erreicht wer-
hierzu bieten eine gerechte Besteuerung des            den? Zum Beispiel durch eine andere Besteue-
aktuellen Bodenwertes und leistungsfähigere            rung des Bodens - insbesondere durch eine
städtebauliche Instrumente, wie etwa ein er-           Bodenwertsteuer - oder durch Sonderabgaben
weitertes, auf einen sozialverträglichen, residual     wie Planungswertausgleich oder Bodenwert-
ermi�elten Zielwert preislimi�ertes Vorkaufs-          zuwachssteuer?
recht. Vordringlich sind auch Gemeinwohlbin-
dungen durch städtebauliche Verträge auch
bei Baugenehmigungen im Innenbereich (§34

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Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

                                                             meinwohls sein. Darum setzen wir uns dafür
                                                             ein, dass an den Universitäten und Hochschulen
                                                             Bodenpoli�k, Bodenrecht und die ökonomi-
                                                             schen Grundlagen des Bodenmarktes als Pflicht-
                                                             bestandteile in Stadtplanungsstudiengängen,
                                                             aber auch in anderen einschlägigen Studien-
FOR D ERUNG 3: B ODEN- UND L IEG ENSCH A F TS P O L I-       gängen gestärkt werden. Besonders gefordert
TI K AL S HANDWERKSZEUG STÄRKEN                              sind in dieser Hinsicht auch das städtebauliche
                                                             Referendariat und die in der praxisorien�erten
Stadtplanung kann sich nicht in Entwurf, Pla-                Fortbildung tä�gen Ins�tute.
nung und Baurechtschaffung erschöpfen,
sondern schließt immer auch die Realisierung                 Wie können wir Werte, Haltungen, Fachlichkeit,
der Planung ein, für die im Bedarfsfall die ganze            sowie souveränen Umgang mit Instrumenten
Breite bodenpoli�scher Instrumente einzu-                    für die in der Stadtentwicklung Verantwort-
setzen ist. Dafür müssen vielfach Allianzen mit              lichen so vermi�eln, dass Gemeinwohlorien�e-
anderen Disziplinen gesucht werden.                          rung selbstverständlicher Kern der Praxis bleibt
                                                             (oder wieder wird)? Wo stehen wir, wo wollen
Die Nutzung der bodenpoli�schen Möglich-                     wir hin?
keiten setzt Kenntnisse und Erfahrungen voraus
in Bereichen wie Grundstücks- und Eigentums-                 Wie können Kommunen dazu mo�viert wer-
recht (insbes. auch Erbbaurecht ), kommunale                 den, konsequenter die heute schon vorhande-
Liegenscha�spoli�k, Baulandstrategien und                    nen Gestaltungsmöglichkeiten des Boden- und
Baulandmodelle, Bodenbesteuerung, Grund-                     Planungsrechts für eine soziale und nachhal�ge
stücksbewertung und Immobilienökonomie.                      Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung
Gleiches gilt für das gesamte Besondere Städte-              zu nutzen, z.B. Vorkaufsrechte, städtebauliche
baurecht (insbesondere Sanierungs- und Ent-                  Entwicklungsmaßnahmen, Baulandmodelle/
wicklungsmaßnahmen).                                         städtebauliche Verträge, Gebote, Erhaltungs-
                                                             satzungen etc.?
Von großer Bedeutung ist, dass auf kommunaler
Ebene strategische Stadtentwicklungsplanung,
Bauleitplanung, informelle städtebauliche
Planung sowie kommunale Liegenscha�spoli�k
konsequent verzahnt werden. Nur so können
Kommunen auf Augenhöhe mit Eigentümerin-
nen und Projektentwicklern verhandeln und das
Gemeinwohlinteresse durchsetzen.

Seit ungefähr 30 Jahren nimmt die Bedeutung
der Bodenpoli�k in den Studiengängen und
im städtebaulichen Referendariat ab. Erst in
jüngster Zeit beginnt eine neue Genera�on von
Lehrenden und Studierenden, das bodenpoli-
�sche und bodenökonomische Wissen wieder
einzufordern und aufzubauen.

Stadtplanerinnen und Stadtplaner müssen die
fähigsten Bodenmanager im Dienste des Ge-

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Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

3. BLICK ZURÜCK NACH VORN                                       Aachen z. T. noch in der Kaiserzeit verstärkte
                                                                Anstrengungen beim Grunderwerb. Sie wollten
                                                                Entwicklungsperspek�ven sichern. Sie schufen
                                                                damit eine wich�ge Voraussetzung für die woh-
                                                                nungspoli�schen Ini�a�ven der Städte zwischen
                                                                den beiden Weltkriegen – und zum Teil ein Fun-
     Diese Forderungen mögen dem einen oder der                 dament, um noch heute als gestaltender Akteur
     anderen zu radikal erscheinen. Sie tragen dem              auf den Bodenmärkten aufzutreten.
     Umstand Rechnung, dass Boden ein besonderes
     Gut wie Lu� und Wasser ist: unverzichtbar und
     unvermehrbar. Diese Erkenntnis ist nicht neu,              M a rk t wi rtscha f t z wi sche n Privat-
     sie steht in der Tradi�on einer im besten Sinne            e i g e ntu m u nd G e m ei nwohl
     konserva�ven, an humanen Prinzipien und am                 In der bundesrepublikanischen Geschichte der
     Gemeinwohl orien�erten Stadtentwicklung.                   Nachkriegszeit herrschte die Leitvorstellung,
     Deshalb richten wir den Blick zurück – nach                dass die Marktwirtscha� neben dem privaten
     vorn.                                                      auch den öffentlichen Wohlstand mehren müs-
                                                                se. Der darauf basierende Grundkonsens über
     „Das Land darf nicht endgül�g verkau� wer-                 die Notwendigkeit regulierender staatlicher Ein-
     den; denn das Land gehört mir und ihr seid nur             griffe zeigte auch im Boden- und Planungsrecht
     Fremde und Halbbürger bei mir.“ Diese Aus-                 Wirkung.
     sage des Alten Testaments (Levi�cus 25) ha�e
     für viele Gesellscha�en und über einen langen              Das Bundesbaugesetz von 1960 (BBauG) legte
     Zeitraum Gül�gkeit. Alte Begriffe wie „Allmen-              dafür ein solides, wenn auch nicht perfektes
     de“ und „Nießbrauch“ dokumen�eren das und                  Fundament - insbesondere mit dem Gebot der
     kennzeichnen den Nutzungs- und Gemeinge-                   gerechten Abwägung zwischen öffentlichen
     brauchscharakter des Bodens als nicht vermehr-             und privaten Belangen. Was fehlte war eine
     bares Gut.                                                 Regelung, die 1955 in einem BBauG-Entwurf
                                                                bereits enthalten gewesen war: nämlich eine
                                                                (zumindest teilweise) Abschöpfung leistungs-
     E i n z e l e i g e nt um a n G r u n d u nd Bo-           loser, durch die Allgemeinheit bewirkter Boden-
     d e n : n i c h t ko ns t i t ui e r e nd f ü r di e       wertsteigerungen (Planungswertausgleich).
     E u r o pä i s c h e S ta dt                               Die 1971 mit dem Städtebauförderungsgesetz
     Das private Bodeneigentum ist erst seit etwas              eingeführten Instrumente des besonderen
     über 200 Jahren mit dem Code Civil und der                 Städtebaurechts dienten dazu, in bestehende
     Bodenbefreiung 1807 in Preußen elementa-                   bodenrechtlich relevante private Eigentums-
     rer Bestandteil unserer Rechtsordnung. Den                 rechte zu intervenieren und planungsbedingte
     Grundstein dafür haben unter anderem das                   Bodenwertsteigerungen abzuschöpfen, um
     erstarkende Bürgertum im 18. Jahrhundert und               im Gemeinwohlinteresse Bestandsquar�ere
     der Liberalismus auf Grundlage der Thesen von              mit Funk�onsschwächen bzw. Bausubstanz-
     John Locke geschaffen.                                      mängeln zu sanieren oder neue Stad�eile mit
                                                                ganzheitlicher Planung zu entwickeln. Der viel
     Die problema�schen Folgen einer vom Privat-                weitergehende grundsätzliche 50prozen�ge
     kapital dominierten Stadtentwicklung waren                 Planungswertausgleich auch außerhalb von Sa-
     schon im 19. Jahrhundert spürbar: Terrain-                 nierungs- und Entwicklungsgebieten wurde im
     gesellscha�en eroberten die Großstädte und                 Vorfeld einer BBauG-Novelle der sozialliberalen
     spekulierten auf rasche Gewinne beim Wieder-               Koali�on in den 1970er Jahren erneut intensiv
     verkauf von Land. Darum unternahmen einige                 disku�ert und vom Bundestag beschlossen,
     Städte wie Frankfurt, Ulm, Hamburg, Kiel oder

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Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

                                                    das Ziel, möglichst hoher Renditen aus Immo-
                                                    bilieninvestments die zentralen Treiber für die
                                                    Stadtentwicklung. Propagiert und prak�ziert
                                                    wurden riskante Finanztransak�onen (z. B.
                                                    „Sale-and-Lease-Back“-Verträge), „Public-Priva-
                                                    te-Partnership“ und der Rückzug der Städte aus
scheiterte aber 1976 an einer fehlenden Mehr-       vielen Daseinsvorsorge-Leistungen.
heit im Bundesrat.
Dabei ha�e das Bundesverfassungsgericht be-         Das ha�e weitreichende Folgen: Bildungsein-
reits in seinem Beschluss vom 12.01.1967 deut-      richtungen, Kanalsysteme, U-Bahnen und nicht
lich Handlungsbedarf reklamiert: „Die Tatsache,     zuletzt große Bestände an einst preisgebunde-
dass der Grund und Boden unvermehrbar und           nen Wohnungen wurden priva�siert. Der Markt
unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung      könne auch das Gut Wohnen effizienter anbie-
dem unübersehbaren Spiel der Krä�e und dem          ten, der Staat habe dagegen - siehe das Deba-
Belieben des Einzelnen vollständig zu überlas-      kel „Neue Heimat“ - versagt, so die allgemein
sen; eine gerechte Rechts- und Gesellscha�s-        akzep�erte Lesart.
ordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen
der Allgemeinheit in weit stärkerem Maße zur        Nach der Au�ebung des Wohnungsgemeinnüt-
Geltung zu bringen als bei anderen Vermögens-       zigkeitsgesetzes (WGG) im Jahr 1990 verkau�en
gütern“ (1 BvR 169/63, BVerfGE 21, 73). Gemes-      Kommunen, Bund und Länder sowie die ihnen
sen an dieser klaren Vorgabe kann die Geschich-     gehörenden Unternehmen immense Woh-
te des bundesdeutschen Bodenrechts auch als         nungs- und Grundstücksbestände – allein etwa
eine Ke�e von gesetzgeberischer Mutlosigkeit,       2 Mio. Wohnungen im Zeitraum 1999-2006. Der
Realitätsblinheit und verpassten Gelegenheiten      Wert, den die Grundstücke heute hä�en, wurde
gelesen werden.                                     nie bemessen. Die Erlöse flossen vor allem in
                                                    die Sanierung der öffentlichen Haushalte und
Wie können wir konstruk�v mit Ängsten und           sind verpu�. Seither tragen die Lasten der Pri-
Tabus umgehen, die bislang jede Deba�e              va�sierung entweder die Mieter, oder sie fallen
um Alterna�ven zur heu�gen Form privaten            über steigende Transferleistungen bzw. steigen-
Bodeneigentums und zur Priva�sierung leis-          de Infrastrukturkosten direkt auf die öffentliche
tungsloser Bodenwertsteigerungen rasch ins          Hand zurück.
poli�sche Abseits führten?

                                                    Au f tri t t: di e F i na nz m ä rk te
Au s l auf mo d e l l Das e i ns vorsorg e ?        Die Massenpriva�sierung trieb eine zunehmend
Viele der durch den Strukturwandel der 1970er       von realen Märkten entkoppelte, globalisierte
Jahre geschwächten Kommunen verloren rapide         Finanzwirtscha� an. Durch die Bündelung von
vor allem junge, gut ausgebildete Einwohner         Risiken des bislang kleinteilig strukturierten Im-
und schrump�en zum Teil drama�sch. Um diese         mobilienkreditmarktes wurden neue, weltweit
Entwicklung zu stoppen, sollte staatliches Han-     zugängliche Fonds und Finanzmarktprodukte
deln beschränkt werden, sich an erfolgreichen       aufgelegt. Die meisten der priva�sierten Woh-
Marktakteuren orien�eren und sich möglichst         nungen wurden in schneller Folge mehrfach in
auf die Schaffung op�maler Rahmenbedingun-           großen Por�olios gehandelt und befinden sich
gen konzentrieren.                                  heute in der Hand von nur wenigen privaten,
                                                    fondsbasierten oder börsenno�erten Woh-
Seit der zweiten Häl�e der 1980er Jahre wur-        nungsunternehmen. Auch nach der weltweiten
den „Privat vor Staat“, shareholder value und       Finanzmarktkrise von 2008 blieb der stabile

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Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

                                                     Die soziale Marktwirtscha� braucht als Basis
                                                     eine gemeinwohlorien�erte Bodenpoli�k. Ohne
                                                     sie werden alle Bemühungen für eine Integra-
                                                     �on der Gesellscha� und gegen die sozialräum-
                                                     liche Polarisierung in unseren Städten folgenlos
                                                     bleiben.
deutsche Immobilien- und Grundstücksmarkt
im Fokus der interna�onalen Anleger. Nun war         Was sind kluge, wirkungsvolle Strategien und
es die Niedrigzinspoli�k der EZB und deren Ab-       Regulierungsinstrumente, um den Auswirkun-
wertung konserva�ver Anlagemöglichkeiten, die        gen der Märkte entgegenzuwirken und dabei
die Spekula�on mit deutschen Immobilien und          die Freizügigkeit des Einzelnen und das Ge-
Grundstücken in zentralen Lagen weiter anheiz-       meinwohl gleichermaßen im Blick zu haben?
te. Insbesondere seit der vergangenen Dekade
wurden Boden und Immobilien als Alterna�ve
zu Ak�en zunehmend als abstrakte Finanzderi-         L e i stu ng slose Bodenwe rtg ewi nn e
vate gehandelt.                                      we rden z u m A nspru ch
                                                     Gerade in den erfolgreichen Großstädten kön-
Der zentrale Treiber für die Verteuerung des         nen Immobilieninvestoren einfach abwarten
Bodens und seiner nachgelagerten Märkte, ins-        und so die Renditen abschöpfen, die die Ge-
besondere des Wohnungsmarktes, ist also die          meinscha� produziert, weil sie Baurecht scha�
Renditeerwartung von Anlegern. Spekula�on            und in Parks, Plätze, U- und Straßenbahnlinien,
und Vernachlässigung liegen dabei o� nahe            Schulen und Bibliotheken, in Sicherheit und
beieinander. Angesichts des Ungleichgewichts         Zusammenleben inves�ert. Diese Priva�sie-
der Krä�e bedeutet es für Kommunen, die hier         rung von leistungslosen Bodenwertgewinnen
gegensteuern wollen, einen sehr hohen perso-         steht im deutlichen Widerspruch zu der im
nellen und finanziellen Aufwand - nicht selten        Grundgesetz verankerten Sozialpflich�gkeit des
ohne adäquate Wirkungen. Denn im Boden-              Eigentums und der im Baugesetzbuch (BauGB)
recht fehlt es vielfach an handhabbaren Instru-      geforderten „sozialgerechten Bodennutzung“
menten, die einen steuernden Zugriff auf den          .
Boden im Sinne des Gemeinwohls ermöglichen.
Durch eine Ausgestaltung der Grundsteuer als         „Di e ste i g e nden Qua dratm e terprei-
reine Bodenwertsteuer könnten die Bodenerträ-        se si nd wi e Sta dtm au e rn“ 2
ge zum Teil abgeschöp� und der Boden (bei            In wachsenden und auch in schrumpfenden
einem Steuersatz in relevanter Größenordnung)        Städten kollidieren nun wahlweise Rendite-
als Finanzanlage una�rak�v gemacht werden.           erwartungen oder Desinves��onen des Finanz-
                                                     kapitals mit den berech�gten Interessen der
                                                     Stadtbewohnerinnen und -bewohner, die im
                                                     Eigentum oder zur Miete wohnen, ein Hand-
Wo h l s ta n d s ve r s p r e c h e n a dé !        werk oder ein Gewerbe betreiben, sich frei-
Damit steht das Versprechen der Sozialen             zügig in ihrer Stadt bewegen oder auch in ihren
Marktwirtscha� in Frage, dass alle am wachsen-       bekannten Nachbarscha�en verbleiben wollen.
den Wohlstand teilhaben können. Denn Im-             Alle, die neu als Nachfrager auf dem Boden-
mobilienvermögen können nur noch diejenigen          bzw. Wohnungsmarkt au�reten - z.B. weil sie
au�auen, die mit sehr viel Eigenkapital an den       aus dem Elternhaus ausgezogen oder neu in
Märkten agieren können. Und die Einkommen            eine Stadt zugezogen sind, müssen immer
aus Immobilienvermögen wachsen sehr viel             höhere Hürden der Bezahlbarkeit überwinden.
stärker als die aus Spareinlagen oder festver-       Selbstgenutztes Wohnungseigentum wird für
zinslichen Papieren.
                                                     2
                                                         Laura Weißmüller

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Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

                                                          te Unternehmen machen aktuell im Kleinen vor,
                                                          was die Städte im Großen wieder leisten sollten:
                                                          Den Boden dauerha� für die Daseinsvorsorge,
                                                          für sicheres und bezahlbares Wohnen sowie
                                                          für eine ausgewogene soziale und ökologische
                                                          Raum- und Stadtentwicklung zu sichern. Sie sind
die junge Genera�on ohne größere Erbscha�                 damit im Kleinen und im Großen erfolgreich
in prosperierenden Stadtregionen immer mehr               und haben zum Teil sogar die Instrumente der
zur Illusion. Damit en�ällt auch ein möglicher            öffentlichen Hand (Erbbaurecht, Bodenfonds)
zusätzlicher Beitrag zur Altersversorgung. Das            weiter entwickelt, die schon vergessen schie-
gilt umgekehrt auch für die ältere Genera�on              nen.
mit entwertetem selbstgenutztem Wohneigen-
tum in schrumpfenden Regionen: sie werden zu              Wie können wir die finanziellen Krä�e, die Soli-
„Gefangenen“ ihrer Immobilie.                             darität und das Know-how der Zivilgesellscha�
                                                          für eine gemeinwohlorien�erte Immobilien-
Wie können wir Altersversorgung und Vermö-                entwicklung besser nutzbar machen und auf
gensbildung von den Bodenmärkten entkop-                  Augenhöhe mit Stadtverwaltung und -poli�k
peln oder sie so organisieren, dass der Zugang            organisieren?
zu Immobilienvermögen nicht der entscheiden-
de Baustein der Wohlstandssicherung bleibt?

Ge s ta lt ung s s p i e l r äu me g ehen ver-
lo r e n
Besonders gravierend ist der Verlust an Ge-
staltungsspielräumen für die Stadtgesellscha�,
denn die wenigen verbliebenen öffentlichen
Immobilien sind inzwischen Projek�onsfläche
für eine überbordende Zahl von Ideen und
Zukun�sträumen, die sich allerdings unter den
Bedingungen der Kapitalisierung von Grund und
Boden nur zu einem kleinen Teil verwirklichen
lassen.

Dabei ist eine am Gemeinwohl orien�erte
Bodennutzung die Voraussetzung für eine nach-
hal�ge soziale Wohnraumversorgung durch
Kleineigentümer, kommunale und sons�ge, der
örtlichen Gemeinscha� verpflichtete Unterneh-
men, Genossenscha�en und andere Akteure.
Ein gemeinwohlorien�ert regulierter Boden-
markt ist ein wich�ger Garant für die Freizügig-
keit des Einzelnen.

Au f t r i t t: d i e Zi vi lg e s e l l s cha f t
Insbesondere Wohnungsgenossenscha�en,
einige S��ungen und innova�ve sozialorien�er-

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Deba�enpapier des Ausschusses Bodenpoli�k der DASL

4. Ausblick
     Gemeinwohlorien�erte Bodenpoli�k ist un-
     verzichtbar für den gesellscha�lichen Zusam-
     menhalt, die ökologische Transforma�on, eine
     posi�ve wirtscha�liche Entwicklung sowie für
     den Erhalt und die Stärkung der Wesensmerk-
     male der Europäischen Stadt. Insbesondere für
     die Gewährleistung bezahlbaren Wohnraums
     und damit eines substan�ellen Elementes der
     Daseinsvorsorge spielt sie eine zentrale Rolle.
     Es geht also um weit mehr als um verbesserte
     Planungsinstrumente und mehr und schnelleres
     Bauen.

     Bund, Länder und Kommunen sind gefordert,
     eine integrierte, auf Kon�nuität orien�erte und
     konsequent auf das Gemeinwohl ausgerichtete
     Bodenpoli�k zu verfolgen und damit Vorbild-
     funk�on zu übernehmen. Eine so gestaltete Bo-
     denpoli�k ist unverzichtbarer Bestandteil einer
     auf Nachhal�gkeit ausgerichteten gesellscha�-
     lichen Entwicklung, bei der sich ökonomische,
     ökologische, soziale und kulturelle Faktoren im
     Gleichgewicht befinden.

     Die vom Ausschuss Bodenpoli�k der DASL an-
     gestoßene fachliche Deba�e mit ihren wissen-
     scha�lichen und handlungsorien�erten Dimen-
     sionen will einen Beitrag zur Formulierung einer
     zielführenden Agenda und zu ihrer Begründung
     liefern. Dazu stellt das vorliegende Deba�en-
     papier einen Eins�eg dar.

     Daran wird nach der Deba�enveranstaltung
     am 8./9. März 2019 weiter gearbeitet. Darüber
     hinaus wird ein Empfehlungs- und Forderungs-
     papier der DASL an die Poli�k erarbeitet, das
     der Akademieversammlung 2019 zur Verab-
     schiedung vorgelegt wird.

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