Der Beitrag der deutschen Versicherer zum Klimaschutz - Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V - GDV
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Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Nachhaltigkeitsbericht 20 1 Der Beitrag der deutschen Versicherer zum Klimaschutz
02 Inhalt Editorial 03 Executive Summary 04 1 Einleitung 05 1.1 Dimensionen von Nachhaltigkeit: Fokus auf Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel 05 1.2 Aufbau und Quellen des Berichts 06 2 Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den Unternehmen 07 2.1 Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken 08 2.2 Umgang mit Risiken 08 2.3 Verantwortung für die Umsetzung 10 2.4 Zusammenfassung 11 3 Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse 12 3.1 CO2-Fußabdruck und Ressourcenschonung 13 3.2 Frauen in Führung und Diversity - Initiativen des Arbeitgeberverbandes 17 4 Kapitalanlagen 19 4.1 Ausrichtung der Investitionen an Nachhaltigkeitskonzepten 20 4.2 Unterstützende Aktivitäten 21 5 Nachhaltige und klimafreundliche Versicherung von Risiken 22 5.1 Förderung nachhaltigen Handelns 23 5.2 Vermeidung negativer Nachhaltigkeitswirkungen durch ESG-Underwriting 24 5.3 Förderung von N achhaltigkeit und K limafolgenanpassung durch Produkte und Schadenregulierung 26 5.4 Unterstützende Aktivitäten 28 6 Transparenz, Forschung und Wissenstransfer 30 Quellen 32 N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Editorial 03 Editorial N och nie sind die Folgen des Klimawandels für uns → die Kapitalanlage der Versicherer von aktuell 1,8 Billionen in Deutschland sichtbarer geworden als in diesem Euro bis 2050 klimaneutral zu gestalten; bereits bis 2025 Jahr. Tief „Bernd“ und die dem Regen folgenden Flu- und dann fortlaufend sollen CO2-Reduktionen in den Port- ten haben eine Schneise der Verwüstung durch die Täler von folios realisiert werden. Ahr, Erft, Wupper und anderen Flüssen gezogen. Die Bilder → langfristig keine gewerblichen und industriellen Risiken der Zerstörung durch die schlimmste Naturkatastrophe seit mehr ins Portfeuille zu nehmen, wenn Kunden und Geschäfts- dem Zweiten Weltkrieg machen viele Menschen immer noch partner keine eigenen Anstrengungen hin zu einer nachhal- fassungslos. Es geht um zahllose persönliche Schicksale, um tigen Wirtschaft unternehmen. Schäden in Milliardenhöhe. Die Versicherer stehen dabei an → bis 2025 in unseren eigenen Liegenschaften in Deutsch- der Seite der Menschen und helfen Versicherten natürlich land klimaneutral zu arbeiten. mit Zahlungen und zum Teil auch mit Rat und Tat. Nach allen Prognosen führt der Klimawandel dazu, dass wir in Deutsch- Über die Umsetzung der Ziele informieren wir in einem jähr- land zukünftig häufiger und heftiger von extremen Wetter- lichen Nachhaltigkeitsbericht, dessen erste Ausgabe jetzt lagen getroffen werden als bisher. Global gehören Bilder von vor Ihnen liegt. Die nüchternen Zahlen und Analysen des Be- Überschwemmungen, extremer Trockenheit, Waldbränden richts werden die Grundlage bilden für unsere eigene Weiter- und Wirbelstürmen leider ja schon zur traurigen Realität. entwicklung. Wo stehen wir? Wo können wir besser werden? Klar ist: Wir können das nicht einfach so hinnehmen. Auch in den Dialog mit unseren Stakeholdern – Politik, NGOs, Wenn wir nichts tun, wird uns das teuer zu stehen kommen. Verbraucherschützern, Kundinnen und Kunden sowie den Eine +4-Grad-Welt ist nach herkömmlichen Maßstäben nicht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – werden die Ergebnisse mehr versicherbar, hat die Weltbank schon 2012 festgestellt. einfließen. Denn nur wenn alle Beteiligten an einem Strang Der Versicherungssektor unterstützt daher die Ziele des Pa- ziehen, kann der Kurswechsel gelingen. Packen wir es an. riser Klimaschutzabkommens und orientiert sich dabei an den 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nati- onen. Anfang 2021 haben wir uns in einer Nachhaltigkeits- positionierung zum Ziel gesetzt: Wolfgang Weiler und Jörg Asmussen, Berlin, November 2021 N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
04 Executive Summary Executive Summary Dies ist der erste Nachhaltigkeitsbericht der deutschen um nicht lediglich Emissionen von einer auf eine ande- Versicherer. Es handelt sich damit gleichzeitig um die re Quelle zu übertragen. erste Bestandsaufnahme für die im Januar 2021 verab- Rund 80 % der direkt oder indirekt gehaltenen Ka- schiedete Nachhaltigkeitspositionierung. Die Positio- pitalanlagen werden bereits nach ESG-Kriterien gema- nierung und der Bericht fokussieren auf den Beitrag der nagt. Nahezu alle Versicherer arbeiten mit Ausschluss- Versicherer zur Eindämmung der Klimaerwärmung und kriterien. Im nächsten Jahr wird der CO2-Fußabdruck Anpassung an die Folgen des Klimawandels. für erste Bestandteile des Portfolios zur Verfügung ste- Als Datenbasis dienen mehrere Erhebungen bei hen. Der Anteil dezidiert nachhaltiger Kapitalanlagen GDV-Mitgliedern: drei Fragebögen, die der Verband ge- ist noch äußerst gering – zu gering nach Ansicht al- meinsam mit Unternehmensvertretern entwickelt hat, ler befragten Versicherer. Sie wollen ihre Investitionen sowie eine Abfrage der BaFin, deren Antworten die Ver- in Green, Social und/oder Sustainability Bonds aufsto- sicherer parallel dem GDV zur Verfügung gestellt haben. cken, finden jedoch zu wenig Anlagemöglichkeiten. Ver- Mit den Erhebungen wurden sehr hohe Anteile des Ver- sicherer investieren verstärkt in Projekte für erneuerba- sicherungsmarktes abgedeckt, sodass sich ein aussage- re Energien. Mit dem erzeugten Strom könnten sie fast kräftiges Bild ergibt. ganz Berlin für ein Jahr versorgen. Der GDV ist 2021 den Die Ergebnisse zeigen eine Branche, die sich auf den UN-Principles for Responsible Investment (PRI) und der Weg in Richtung Nachhaltigkeit gemacht hat und schon Net-Zero Asset Owner Alliance (AOA) als Unterstützer unterschiedlich weite Wegstrecken in den einzelnen Ge- beigetreten. Zahlreiche Versicherer sind in diesen frei- schäftsbereichen zurückgelegt hat. Die Auseinander- willigen Initiativen bereits aktiv. setzung mit Nachhaltigkeitsaspekten im gesamten Ge- Bei der Versicherung von Risiken achtet mehr als schäftsmodell schafft Synergieeffekte und ermöglicht ein Drittel des Marktes gemessen an den Beitragsein- einen schnellen Zuwachs an Wissen und Know-how. nahmen auf ESG-Aspekte. Auf über 60 % würde der An- Ein generelles Hindernis ist derzeit in sehr vielen Be- teil bis 2025 steigen, wenn die Versicherer ihre Pläne reichen noch die Datenverfügbarkeit. Die Bestandsauf- in die Tat umsetzen. 43 % wenden derzeit Ausschluss- nahme schafft die Basis, um die weitere Umsetzung der kriterien aus Nachhaltigkeitsgründen an. Der Bericht Positionierung systematisch anzugehen. zeigt Beispiele für Versicherungsprodukte, die durch Die Nachhaltigkeitsgovernance in den Unterneh- ihre Produktmerkmale oder die Schadenbearbeitung men wurde trotz der Herausforderungen durch die Co- einen Beitrag zur nachhaltigen Transformation leisten rona-Pandemie aufgebaut. Nahezu alle Unternehmen können. Es wird deutlich, dass die Diskussionen hier berücksichtigen Nachhaltigkeitsrisiken (ökologische, noch am Anfang stehen und mit Wissenschaft, Stake- soziale und Governance-Risiken) und integrieren sie in holdern und auf internationaler Ebene weiterentwi- ihre Geschäftsstrategie. Die konsistente und durchgän- ckelt werden müssen. Der Verband ist auch deswegen gige Umsetzung in Leitlinien und Prozessen steht noch den UN-Principles for Sustainable Insurance (PSI) als an, ebenso die Entwicklung von Methoden der Risiko- Unterstützer beigetreten. Auch hier sind bereits zahl- analyse bis hin zu Szenarien. reiche Versicherer aktiv. Zum Angebot nachhaltiger Al- Bei den eigenen Geschäftsprozessen zeigt sich die tersvorsorgeprodukte liegen noch keine Daten vor, weil langjährige Erfahrung mit dem betrieblichen Umwelt- die europäischen Vorgaben zu deren Definition noch schutz. Erstmals wurde der CO2-Fußabdruck in „Scope 1 nicht fertiggestellt wurden. und 2“ für die gesamte Branche ermittelt. Im Corona-Jahr Zu mehr Wissen und Transparenz hat der Ver- betrug er 166.000 t CO2-Äquivalente, in den Jahren zuvor band insbesondere über die Veröffentlichung des all- über 200.000 t. 87 % des Stromverbrauchs stammen be- jährlichen Naturgefahrenreports beigetragen. Über ein reits aus Grünstrom. Über 90 % der Versicherer wollen Zonierungssystem für Starkregen können Versicherer im Einklang mit der Positionierung bis 2025 CO2-neu- und Gebäudeeigentümer Risiken besser einschätzen. tral arbeiten. Die Schritte dahin werden anspruchsvoll sein. Ein wichtiger Hebel, um auch die Emissionen im sog. Scope 3 zu verringern, ist die Umstellung auf digi- tale Prozesse und Kommunikation in fast allen Berei- chen. Gleichzeitig muss die IT ebenfalls grüner werden, N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Einleitung 05 1 Einleitung Erkennbar grüner und nachhaltiger wollen Versiche- Klimaschutz und Klimaanpassung liegt an der Dring- rer werden – die Nachhaltigkeitspositionierung1 hat lichkeit des Themas und den gewaltigen Herausforde- Anfang 2021 konkretisiert, was das bedeutet. Die Ziele rungen, die für die Dekarbonisierung der Wirtschaft und und Entwicklungsschritte umfassen die Geschäftspro- die Anpassung an die bereits absehbaren Folgen des Kli- zesse, Kapitalanlagen, Zeichnung von Risiken und Pro- mawandels vor uns liegen. duktentwicklung sowie die Verbreiterung der Wissens- Aus dem Klimawandel und dessen Folgen erwach- basis und Transparenz. In zahlreichen Verbandsgremien sen Risiken für Versicherer, die zu managen sind, so- und Arbeitsgruppen im GDV wurden und werden Maß- wie Chancen, die sie nutzen wollen. Die Anforderung, nahmen entwickelt, um die Zielsetzungen zu erreichen Nachhaltigkeitsrisiken zu managen, stellen die Euro- und die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirt- päische Versicherungsaufsicht EIOPA sowie die deut- schaftsweise zu unterstützen. Die Positionierung wurde sche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Webinaren und internen Veranstaltungen des GDV BaFin seit einigen Jahren. Versicherer sind also schon vorgestellt und erläutert. Zahlreiche Versicherer nutzen aufsichtsrechtlich gefordert, das Thema aus einer Ri- die Positionierung als Orientierung für ihre eigenen Be- sikoperspektive anzugehen. Künftig müssen die Risi- strebungen, sich nachhaltiger aufzustellen. ken verstärkt gegenüber Kundinnen und Kunden so- Dieser erste Nachhaltigkeitsbericht der deutschen wie gegenüber Geschäftspartnern transparent gemacht Versicherer bildet den Startpunkt, von dem aus künftig werden, z. B. durch die Transparenz-Verordnung, die die Fortschritte transparent gemacht werden. Er legt da- neue EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsak- mit auch die Basis, um die Positionierung weiterzuent- tivitäten und eine Überarbeitung der Vorgaben zur wickeln und künftige Schwerpunkte für die Anstrengun- Unternehmens-Berichterstattung. gen des Versicherungssektors zu identifizieren. Er ist ein Die Positionierung adressiert den Beitrag der Versi- Instrument für den Dialog und die Zusammenarbeit der cherer über das aufsichtsrechtlich gebotene Risikoma- Versicherer mit Politik, Verbänden, Zivilgesellschaft und nagement hinaus – schon allein deshalb, weil das Risiko Wissenschaft, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln. durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen gemindert Als erster Bericht stand er vor der Herausforderung, werden kann. Zudem ist EIOPA der Auffassung, dass sich dass es eines gemeinsamen Verständnisses von Nachhal- das Risikomanagement der Versicherer verbessert, wenn tigkeit in den einzelnen Bereichen bedarf. Bei den Unter- sie Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die Nach- nehmen mit ihren jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategien haltigkeitsrisiken verringern und ESG-Faktoren positiv und bei den drei Zieldimensionen Geschäftsprozesse, Ka- beeinflussen (siehe EIOPA 2019 „Opinion on Sustainabi- pitalanlagen sowie Zeichnung von Risiken sind die Defi- lity in Solvency II“). nitionen oder gar Messzahlen unterschiedlich weit ent- Über die Klimaziele hinaus leisten Versicherer zu wickelt. Im folgenden Abschnitt werden die relevanten zahlreichen weiteren SDG bzw. zu den Faktoren „Sozi- Dimensionen von Nachhaltigkeit für diesen Bericht dar- ales“ und „Gute Unternehmensführung“ einen positi- gestellt sowie die Quellen, anhand derer berichtet wird. ven Beitrag. 1.1 Dimensionen von Nachhaltigkeit: Fokus Soziale Faktoren auf Klimaschutz und Anpassung an den Versicherungsprodukte sichern Menschen gegen zahl- Klimawandel reiche Lebensrisiken finanziell ab; sie helfen in Notla- gen mit Unterstützung und weiteren Dienstleistungen. Die Nachhaltigkeitspositionierung orientiert sich an den Dadurch vermeiden sie Armut (SDG 1), tragen zum so- Sustainable Development Goals der Vereinten Natio- zialen Ausgleich (SDG 10) und zu besserer Gesundheit nen (SDG), fokussiert dabei jedoch primär darauf, wie (SDG 3) bei. Viele Versicherer engagieren sich zudem Versicherer mit ihren gesamten Aktivitäten aktiv zum seit Jahren sozial in ihrer Region und leisten ihren Bei- Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel trag als „Corporate Citizens“ (SDG 17). beitragen können (SDG 13). In der auf Finanzmärkten Hinsichtlich ihrer eigenen Geschäftsprozesse stehen ebenfalls üblichen ESG-Kategorisierung legen wir den Versicherer, wie viele Wirtschaftszweige in Deutschland, Schwerpunkt auf „Ecology“. Der weitgehende Fokus auf vor der Aufgabe, dass ihre Führungsgremien die Vielfalt N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
06 Einleitung der Gesellschaft noch nicht ausreichend widerspiegeln. → Gründung des Versicherungsombudsmanns zur neu- Frauen sind mit einem Anteil von 11,8 % an den Vorstän- tralen und kostenfreien außergerichtlichen Streitbeile- den der Versicherer im Verhältnis zu ihrem Anteil an den gung im Jahr 2001. Beschäftigten unterrepräsentiert (Top 200-Unterneh- → Datenschutzkodex („Code of Conduct“) für einen ver- men ohne Finanzsektor 11,5 %; Quelle: DIW-Mangerin- antwortungsvollen Umgang mit Kundendaten 2012. Der nenbarometer2). In ihrer Nachhaltigkeitspositionierung Kodex wird von Unternehmen mit fast 95 % Marktab haben sich Versicherer daher zur Erhöhung des Frau- deckung befolgt. enanteils sowie zur Förderung von Vielfalt und Chancen- → Verhaltenskodex für den Vertrieb 2013 und Aktualisie- gleichheit verpflichtet. Auf diese Weise wollen sie ihren rung 2018, um eine hohe Qualität der Kundenberatung Beitrag zur Erfüllung des SDG 5 leisten. Der Nachhaltig- sicherzustellen. Der Kodex wird von Unternehmen mit keitsbericht enthält daher Angaben zum Status quo und fast 90 % Marktabdeckung befolgt. den Aktivitäten des Arbeitgeberverbandes der Versicherer → Differenziertes Verbraucherleitbild für Verbraucher- (AGV) zu Frauenförderung und Diversity Management. freundlichkeit 2017. Generell sind Versicherer als Arbeitgeber in hohem Die Nachhaltigkeitspositionierung des GDV setzt auf Maße tarifvertraglich gebunden und bieten sehr gute Ar- diesen Maßnahmen auf und umfasst keine zusätzlichen beitsbedingungen: Rund 90 % der Beschäftigten arbeiten Ziele zur guten Unternehmensführung. Die Jahresbe- in Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes richte der BaFin sowie des Versicherungsombudmanns sind. Kennzahlen und Information zu den Anstrengun- geben Auskunft, inwieweit Versicherer den Prinzipien gen bei sozialen Faktoren bietet der AGV. guter Unternehmensführung gerecht werden. In der Kapitalanlage sind die Faktoren Ökologie und Soziales eng verbunden: ökologisch sinnvolle Investiti- onen müssen auch im Einklang mit sozialen Belangen 1.2 Aufbau und Quellen des Berichts stehen. Die Vorgaben der Transparenz-Verordnung und der Taxonomie verweisen daher auch auf soziale Min- Der Bericht folgt dem Aufbau der Nachhaltigkeitspo- deststandards, wie den UN Global Compact. sitionierung. Die Darstellung des Status quo verweist auf die jeweiligen Abschnitte in der Positionierung. Als Quellen dienen drei Umfragen, die der GDV im Som- Gute Unternehmensführung mer 2021 bei seinen Mitgliedern durchgeführt hat. Die Gute Unternehmensführung ist eine Grundvoraus- Umfragen bezogen sich auf die eigenen Geschäftspro- setzung, um als Versicherer wirtschaftlich nachhaltig zesse, Kapitalanlagen und die Versicherung von Risiken zu bestehen. Das Angebot von Versicherungen ist sehr sowie Produktentwicklung. Darüber hinaus hat die Ba- engmaschig reguliert, um die Belange der Versicher- Fin im Frühjahr eine umfangreiche Abfrage bei Versi- ten rechtlich und finanziell zu schützen. Das Versiche- cherern, Banken und Kapitalverwaltungsgesellschaf- rungsvertragsrecht bildet die gesetzliche Grundlage für ten durchgeführt, wie die Unternehmen das "Merkblatt die Produktgestaltung und das Aufsichtsrecht gibt den zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken" aus dem Jahr Rahmen für die Geschäftsorganisation und Kapitalan- 2019 umsetzen. Viele Versicherer haben dem GDV ihre forderungen vor. Versicherer müssen bei der Regulie- Antworten an die BaFin zur Verfügung gestellt, sodass rung von Schäden und Auszahlung von Leistungen da- dieser Bericht auch Angaben zum Umgang mit Nach- für Sorge tragen, die Interessen einzelner Versicherter haltigkeitsrisiken enthält. mit denen des gesamten Versichertenkollektivs zum Details zu den Umfragen sind in den jeweiligen Ka- Ausgleich zu bringen. Ein weiteres wichtiges Ziel der piteln zu finden. Den Entwurf der Fragebögen haben Regulierung ist die Stabilität des Finanzmarktes. Darü- viele Unternehmen und Projektgruppen im GDV unter- ber hinaus unterliegen Versicherer unter anderem Vor- stützt und dadurch eine gehaltvolle Berichterstattung er- schriften zum Datenschutz, Geldwäscheprävention und möglicht. Ihnen sei an dieser Stelle besonders gedankt. Steuertransparenz. Versicherer haben als Sektor, der auf ein hohes Ver- trauen der Kundinnen und Kunden angewiesen ist, zahl- reiche freiwillige Maßnahmen ergriffen, um gute Un- ternehmensführung sicherzustellen: N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Einleitung 07 2 Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den Unternehmen N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
08 Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den Unternehmen In ihrer Nachhaltigkeitspositionie- Lebensversicherern (gemessen an ten. Nur sehr wenige Versicherer rung verweisen Versicherer auf die versicherungstechnischen Brutto- schätzen die Risiken als „nicht we- Einrichtung angemessener Gover- Rückstellungen 2019). sentlich“ ein, sodass sich die Branche nancestrukturen und eines opti- insgesamt intensiv mit Nachhaltig- mierten Risikomanagements von keitsaspekten befasst. Nachhaltigkeitsrisiken (Ziffer 7). 2.1 Berücksichtigung von Dies ist allein schon aus aufsichts- Nachhaltigkeitsrisiken rechtlichen Gründen erforderlich. 2.2 Umgang mit Risiken Die BaFin hat Ende 2019 in ihrem Nahezu alle Versicherer, die ihre Ant- „Merkblatt zum Umgang mit Nach- worten mit dem GDV geteilt haben, Die Mehrheit der Versicherer integ- haltigkeitsrisiken“ ihre Erwartun- betrachten Risiken aus den Berei- riert die Betrachtung von Nachhal- gen dargelegt, dass sich Finanz- chen Umwelt, Soziales und Gover- tigkeitsrisiken in ihre Geschäfts- dienstleister in Deutschland mit den nance. Soziale Risiken werden ge- und Risikostrategien. Die Alternati- Risiken auseinandersetzen und dies ringfügig seltener berücksichtigt. ve, die Aufstellung einer separaten dokumentieren. Betrachtet man allein die Lebensver- Strategie, haben nur 15 % der befrag- Die BaFin hat im Frühjahr 2021 sicherer (LV) und Schaden- und Un- ten Unternehmen gewählt. Separate mit einer Umfrage den Status quo fallversicherer (SUV), berücksichti- Strategien sollten laut Bafin konsis- der Umsetzung dieser Anforderun- gen fast alle die genannten Risikoar- tent zu den allgemeinen Geschäfts- gen überprüft. Rund 130 Unterneh- und Risikostrategien sein. men haben ihre Antworten parallel Konkret erfolgt die Integration an den GDV übermittelt. Die folgen- * Die BaFin-Ergebnisse wurden in einem in die Geschäftsstrategie bei 61 % de Darstellung beruht auf der Aus- Übersichtsartikel veröffentlicht3, ein der befragten Unternehmen über ausführlicher Bericht für die Versicherungs- wertung der dem GDV vorliegenden wirtschaft wurde für Ende 2021 angekün- Nachhaltigkeitsziele, anhand de- Daten.* Die Ergebnisse repräsentie- digt. Unterschiede der Ergebnisse in diesem rer die Strategie ausgerichtet wird. ren die Hälfte des Marktes bei den Nachhaltigkeitsbericht zum Ergebnisbericht Besonders Lebensversicherer ha- Schaden- und Unfallsversicherern der BaFin ergeben sich daraus, dass die ben diesen Ansatz gewählt. Weitere BaFin Versicherer und Einrichtungen und bei den Rückversicherern (ge- der betrieblichen Altersvorsorge (EbAV) wichtige strategische Elemente sind messen an den Bruttobeitragsein- zusammen betrachtet. EbAV sind jedoch Engagement, Stimmrechtsausübun- nahmen 2019) sowie 80 % bei den nicht notwendigerweise GDV-Mitglieder. gen als Investoren sowie die Defini- Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken durch Versicherer Abbildung 1 · Antworten* in % der VU Klima- und Umweltrisiken (physische Risiken) 95 Klima- und Umweltrisiken (transistorische Risiken) 95 Nachhaltigkeitsrisiken in Bezug auf soziale Faktoren 86 Nachhaltigkeitsrisiken in Bezug auf Governance-Faktoren 92 * Mehrfachantworten möglich Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den Unternehmen 09 tion von Anforderungen an Kunden Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken... oder Dritte. Die strategische Einstel- lung von Geschäftsfeldern ist hin- gegen weniger verbreitet. Das kann ... in der Geschäftsstrategie vielfältige Gründe haben, wie die Abbildung 2 · in % der VU* GDV-Befragung zur Versicherung Nachhaltigkeitsziele / 61 von Risiken zeigt (siehe Abschnitt 5). Alignment 71 53 Die konkreten Maßnahmen in der 45 Sonstiges Engagement 52 Risikostrategie umfassen vorrangig 32 ESG-spezifische oder sektorspezifi- Stimmrechtsausübung 36 45 sche Ausschlüsse oder Limits. 25 Anforderung an Kunden / 36 Sehr allgemein danach gefragt, Dritte 42 32 ob die Unternehmen bereits kon- Einschränkung von 34 42 krete Leitlinien und Dokumentati- Geschäftsfeldern 25 onen zur Umsetzung der strategi- Sonstige Festlegung 23 23 23 Gesamt schen Festlegungen eingeführt ha- Einstellung von 17 LV ben, bejahen dies 41 % der Versiche- Geschäftsfeldern 23 8 SUV rer. Werden einzelne Bereiche der Geschäftsorganisation genauer be- trachtet, gibt ein sehr viel größerer ... in der Risikostrategie Anteil der Versicherer an, bereits Abbildung 3 · in % der VU* Festlegungen zu Nachhaltigkeitsri- siken in Leitlinien und Prozesse in- 52 tegriert zu haben: ESG-spezifische Aus- 58 schlüsse / Limits 43 → Kapitalanlagen: 74 % in Leitlinien 49 Sektorspez. Ausschlüsse und 75 % in Prozesse / Limits 55 → Risikomanagement: 59 % in Leitli- 37 nien und 64 % in Prozesse. 35 Im Risikoappetit 32 27 Statt die Risiken in die bestehen- den Leitlinien zu integrieren, kön- 28 Gesamt Regional- bzw. länderspez. nen auch separate Nachhaltigkeits- Ausschlüsse / Limits 32 LV 22 SUV leitlinien erarbeitet werden. Diesen Weg haben 18 % der befragten Ver- sicherer gewählt. Die Ergebnisse Eigene Nachhaltigkeitswirkungen werden deuten darauf hin, dass die umfas- sende Umsetzung von Strategien in berücksichtigt konkreten Leitlinien und Prozessen Abbildung 4 · in % der VU* noch aussteht, aber in einzelnen Ge- 73 schäftsbereichen bereits weit fortge- Investitions- 77 schritten ist. entscheidungen 63 Die BaFin stellt in ihrer Über- blicksauswertung der Umfrage fest, 36 Gesamt dass Versicherer im Vergleich mit Zeichnung von 32 LV Versicherungsrisiken den anderen Finanzdienstleistern 37 SUV häufiger über Methoden zur Identi- fikation, Bewertung und Steuerung 83 von Nachhaltigkeitsrisiken verfü- eigener Geschäftsbetrieb 84 77 gen. Zudem setzen Versicherer laut BaFin bereits häufiger Nachhaltig- * Mehrfachantworten möglich keits-Stresstests ein. Allerdings sieht Quelle Abb. 2-4: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
10 Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den Unternehmen Berücksichtigung freiwilliger Nachhaltigkeitsstandards Abbildung 5 · in % der VU* PRI 58 UN Global Compact 33 PSI 28 DNK 24 Keine Befolgung 20 * Mehrfachantworten möglich Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) die BaFin Nachholbedarf bei der Me- 2.3 Verantwortung für die tifikation und Bewertung von Risi- thodenentwicklung. Nicht alle Un- Umsetzung ken obliegt dann überwiegend den ternehmen, die die Risiken erken- operativen Einheiten (bei 57 % der nen und bewerten wollen, verfügen Nachhaltigkeit ist Sache der Ge- Unternehmen), d. h. die Berücksich- bereits über die dafür notwendigen schäftsleitung: Bei 95 % der befrag- tigung von Nachhaltigkeitsrisiken Methoden. ten Unternehmen ist die gesam- ist in die bestehenden Prozesse inte- Neben dem Management der Ri- te Geschäftsleitung für die Umset- griert. Eine Alternative wäre, eine ei- siken, denen Versicherer ausgesetzt zung der Strategie verantwortlich. gene Einheit damit zu betrauen, die sein können, berücksichtigen Unter- Die BaFin sieht ebenfalls die Strate- dann aber in die bestehenden Pro- nehmen zunehmend auch die Aus- gieverantwortung bei der Geschäfts- zesse integriert werden müsste. wirkungen des unternehmerischen leitung und wertet es als Fortschritt, Handelns auf Nachhaltigkeitsfakto- dass nicht mehr nur wenige Nach- ren. Die befragten Versicherer ach- haltigkeitsexperten mit dem The- ten am häufigsten beim eigenen Ge- ma betraut sind. Risiko- und Finanz- * Die BaFin weist in ihrer Auswertung darauf hin, dass sie Vorteile in einer klaren schäftsbetrieb darauf, gefolgt von In- funktionen oder der CEO sind in vie- Verantwortungszuweisung zu einzelnen vestitionsentscheidungen. Bei der len Unternehmen (zusätzlich) in der Personen sieht, allerding bei Beachtung des Zeichnung von Versicherungsrisi- Verantwortung.* Die konkrete Iden- Grundsatzes der Funktionstrennung. ken spielt die Betrachtung der eige- nen Auswirkungen der Unterneh- men hingegen noch eine geringere Rolle. Bei der Auseinandersetzung Verantwortung für die Umsetzung der Strategie mit den Risiken und eigenen Wir- Abbildung 6 · in % der VU* kungen dürfte sicherlich eine Rolle Gesamte spielen, dass 80 % der Unternehmen Geschäftsleitung 95 bereits auf Basis freiwilliger Nach- CRO 31 haltigkeitsstandards arbeitet und CEO 30 z. B. den Principles for Responsible CFO 29 Investments (PRI) oder Principles Gremium von for Sustainable Insurance (PSI) folgt. Geschäftsleitern 20 Auch die Berichterstattung anhand CCO 17 des Deutschen Nachhaltigkeitsko- Anderer GL 14 dex DNK ist bereits verbreitet. Kein GL 5 * Mehrfachantworten möglich Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den Unternehmen 11 2.4 Zusammenfassung sowie bei strategischen und organi- wissenschaftlichen Klimamodellen satorischen Festlegungen. und den Anforderungen an Modelle Die Umfrageergebnisse zeigen, dass Für Nachhaltigkeitsrisiken gibt für Finanzmarktrisiken, die zu Feh- Versicherer bereits auf einem guten es noch keine Standards, physische leinschätzungen4 führen könnten. Weg der Umsetzung sind und trotz und transitorische Risiken aus dem Die Versicherer werden eine wichti- der Herausforderungen durch die Klimawandel formen sich in hoch- ge Rolle dabei spielen müssen, Risi- Corona-Krise 2020 ihre Nachhaltig- dynamischen Prozessen und können ko-Modelle mitzuentwickeln (siehe keitsgovernance aufbauen. Die Risi- mit sozialen und Governance-Risi- z. B. die Task Force on Climate Ch- ken werden identifiziert, Strategien ken interagieren. Je nach Geschäfts- ange Risk Assessment der Geneva erarbeitet, Strukturen und Prozesse feld oder auch Region, in denen ein Association5). Insofern ist es nach- sind schon oder werden gerade auf- Versicherer aktiv ist, können sie un- vollziehbar, dass viele Unternehmen gebaut und implementiert. Die Ba- terschiedlich auf die Unternehmen derzeit noch ihren Weg suchen, das Fin hatte mit ihrem Merkblatt be- wirken. Auch unterschiedliche Un- Management von Nachhaltigkeits- wusst keine Vorgaben gemacht, wie ternehmensgrößen erfordern diffe- risiken in die Unternehmensprozes- eine „richtige“ Governance aussehen renzierte Herangehensweisen. Noch se zu integrieren. Die Umfragedaten sollte. Jedoch sieht sie generell bei al- fehlen viele Daten und mathema- der BaFin dokumentieren insofern len von ihr beaufsichtigten Unter- tisch erfassbare Risikomodelle wer- den Aufbruch. nehmen Nachholbedarf bei der Ver- den erst entwickelt. Die Klimafor- wendung von internen Stresstests schung sieht Lücken zwischen den N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
12 Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse 3 Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse 13 3.1 CO2-Fußabdruck und Alle Ergebnisse sind aggregiert, pe 1 und 2. Bezogen auf die Vollzeit- Ressourcenschonung wobei jeweils eine Mindestzahl beschäftigten (Full-time Equivalent) von Einzelwerten für die betreffen- im Innen- und angestellten Außen- In der Nachhaltigkeitspositionie- de Kennzahl vorliegen musste. Ver- dienst sind das 0,89 Tonnen. Der rung bekennen sich die Versicherer einzelt wurden Glättungen für fun- Wert in den Vorjahren liegt im Mit- zu verantwortungsvollen, res- dierte Vergleiche durchgeführt. In- tel bei über einer Tonne. Der Verband sourcenschonenden Geschäfts- nerhalb der Zeitreihen kann es zu der Schweizer Versicherer8 weist ver- prozessen, z. B. in ihren Bürogebäu- Schwankungen kommen, weil nicht gleichbare Werte aus. Die Reduktion den und der Infrastruktur. Bis 2025 jedes Unternehmen für jeden Zeit- im Jahr 2020 ist zum einen dem ge- streben sie die Klimaneutralität ih- punkt Daten ermitteln konnte. ringeren Stromverbrauch in den Ge- rer eigenen Geschäftsprozesse (Sco- schäftsstellen durch Homeoffice zu pe 1 und 2) mindestens in den deut- verdanken. Gleichzeitig ist auch der schen Liegenschaften an. Viele Ver- Ergebnisse der Befragung Anteil von Grünstrom gestiegen. So sicherer arbeiten zudem daran, ihre Fast die Hälfte der befragten Unter- kamen 87 % des Stroms aus grüner Scope 3-Emissionen zu verringern. nehmen arbeitet bereits klimaneu- Produktion, in den Vorjahren waren Mit einer Datenabfrage unter tral (Scope 1 und 2). Bis zum Jahr es 78 %. Für die Umfrage wurden die GDV-Mitgliedern, die ca. 75 % des 2025, dem Zieljahr in der Nachhal- Standards für Grünstrom vorab defi- Versicherungsmarktes repräsentie- tigkeitspositionierung, soll die Zahl niert. Nur 0,2 % des Stroms stammen ren, wird erstmalig für den gesam- laut Planungen der Unternehmen aus selbst an den Standorten produ- ten Sektor der CO2-Fußabdruck der auf 93 % ansteigen. Die verbleiben- zierten erneuerbaren Energien. eigenen Geschäftsprozesse gemäß den 7 % wollen bis 2030 klimaneu- Die Wärme-Emissionen, beste- GHG-Protokoll6 in Scope 1 und 27 er- tral arbeiten. Der Verband unter- hend aus der Fernwärme und den hoben. Ergänzend dazu wurden wei- stützt die Unternehmen dabei, die stationären Anlagen, zeigen eine tere Nachhaltigkeitsaspekte betrach- Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Seitwärtsbewegung. Trotz Abwesen- tet. Betrieblicher Umweltschutz und Auf die Gesamtbranche hoch- heit von Teilen der Belegschaft müs- Umweltmanagementsysteme gehö- gerechnet erzeugten die deutschen sen die Gebäude in gleichem Maße ren in vielen Unternehmen seit lan- Versicherer 2020 noch 166.000 Ton- beheizt werden. Schwankungen sind gem zum Alltag und die Ökobilanzen nen CO2-Äquivalent (CO2e) in Sco- – wie generell im Gebäudesektor – werden in Nachhaltigkeitsberichten ausgewiesen. Eine auf Branchene- bene standardisierte Erhebung des CO2-Fußabdrucks ist hingegen Neu- land. Gemeinsam mit Unterneh- Mehrheit der Unternehmen plant Klimaneutra- mensvertretern wurde im Vorfeld er- lität bis 2025 arbeitet, wie und auf welche Einrich- Abbildung 7 · Kumulierter Anteil der Unternehmen, die bis Jahr X klimaneutral tungen die Kategorien des GHG-Pro- (Scope 1 und 2) sind oder werden wollen * tokolls angewendet werden sollen. Die Ergebnisse geben insofern 100 % – auch hier – eine erste Indikation 100 % 93 % zur Lage bei den Versicherern. Mit 80 % Weiterentwicklungen an den Kenn- zahlen und der Methodik soll in Fol- 60 % geerhebungen ein nuancierteres Bild ermittelt werden, z. B. in Hin- 40 % 47 % blick auf die Emissionen aus Scope 3. Im Corona-Jahr 2020 waren zeitwei- se 80 bis 90 % der Beschäftigten im 20 % Homeoffice. Dienstreisen waren kaum möglich. Dieser Sondereffekt 0% schlägt sich selbstverständlich auf bis 2021 bis 2025 bis 2030 den Ressourcenverbrauch der Unter- * Prozentuale Angaben basierend auf den Nennungen der Unternehmen ohne Gewichtung nach Größenklasse nehmen nieder. Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
14 Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse CO2-Fußabdruck der Versicherer in Deutschland (Scope 1 und 2) Abbildung 8 · Entwicklung der CO2e-Emissionen in Tonnen Eingekaufte Stromenergie (market-based) Eingekaufte Fernwärme und Dampf (market-based) Direkte Emissionen flüchtiger Gase Direkte Emissionen aus Verbrennungsprozessen stationärer Anlagen Direkte Emissionen aus Verbrennungsprozessen mobiler Anlagen Tsd. 1,04 1,12 0,89 Tonnen CO2e je Vollzeitbeschäftigtem* 250 205 209 200 166 Noch 166t Tonnen CO2e müssen bis 2025 reduziert 150 oder kompensiert werden 100 50 0 0 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) * Innendienst und angestellter Außendienst eher von der Witterung abhängig. Gebäude und Mobilität: Hier wollen Versicherer Coronabedingt wurden zudem die eigenen Fuhrparks der Versicherer Emissionen einsparen Abbildung 9 · Angaben der Versicherer zu den TOP-3-Handlungsfeldern seltener genutzt, sodass die direkten Emissionen daraus ebenfalls sanken. Sollen bis 2025 klimaneutra- Bürogebäude und Anlagen le Geschäftsprozesse erzielt wer- (außer IT-Rechenzentrum) den, müssen die Unternehmen ihre Emissionen pro Jahr um 33.000 Ton- nen reduzieren oder die Emissionen Sonstige Dienstreisen anderweitig kompensieren. Größter Hebel sind Emissionen aus stationä- ren Anlagen, gefolgt von Fernwärme und dem Fuhrpark. Endgeräte der Nutzer (PC, Pendelverkehr Notebook, der Belegschaft Smartphone) zum Arbeitsort Handlungsfelder der Unternehmen Den Emissionen aus den Klimabi- lanzen entsprechend sehen die be- fragten Unternehmen selbst die Externer Bezug von nachhaltige Anpassung der Büroge- Outsourcing- und Weitere Umweltfaktoren (Papier, Wasser, Abfall) bäude als prioritäres Handlungsfeld Cloud-Leistungen für ihre weiteren Aktivitäten. Dazu Unternehmens- oder konzerneigenes gehören beispielsweise Sanierun- IT-Rechenzentrum gen, energetische Optimierungen und die Reduktion von Büroflächen. Weitere Handlungsfelder betref- fen die Emissionen in Scope 3: Die Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse 15 Verringerung von Dienstreisen Dienstliche Fahrten und Reisen und Pendeln zum Arbeitsplatz. Die Abbildung 10 · Zurückgelegte Kilometer in Millionen Unternehmen stellen hier zuneh- mend auf E-Mobilität um, verrin- gern Dienstreisen oder bieten Mo- 800 Davon klimaneutrale oder kompensierte Kilometer: bilitätsalternativen an. In den Jahren 2018 und 2019 32 % 36 % 38 % wurden von den Beschäftigten im 700 Innen- und im angestellten Außen- dienst 682 bzw. 656 Millionen Kilo- Bahn meter für dienstliche Fahrten und 600 Flugzeug Reisen zurückgelegt. 60 % der Stre- PKW cke entfielen auf den Pkw – mehr als 2000 Kilometer je Vollzeitbeschäf- 500 tigten. Von 2018 auf 2019 verschob sich das Gewicht leicht zur Fahrt 400 mit der Bahn. Bei insgesamt deut- lich eingeschränkten Dienstreisen dominierten im Jahr 2020 weiterhin 300 die Pkw-Fahrten, da viele Beschäf- tigte aufgrund von Covid-19 öffentli- che Verkehrsmittel gemieden haben. 200 Zugenommen hat in den be- trachteten drei Jahren erfreulicher- weise der Anteil der klimaneutral 100 z. B. mit dem Zug zurückgelegten Strecke oder mit CO2-Kompensation. Ein weiteres Handlungsfeld der 0 2018 2019 2020 Unternehmen betrifft den Papier- Auf die Branche hochgerechnete Werte verbrauch: 19.000 t oder 105 kg je Hinweis: Nicht alle Unternehmen konnten die Pkw-km des angestellten Außendienstes ermitteln, weshalb diese in den Vollzeitstelle im Innendienst waren Zahlen unterrepräsentiert sind. es 2020 hochgerechnet auf alle Ver- Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) Betriebsökologie der Versicherer Tabelle 1 · Kennzahlen bezogen auf Vollzeitkräfte (Full-time Equivalents - FTE) Merkmal Einheit Art 2018 2019 2020 Scope 1-2 market-based tCO2e Hochgerechnet 204.941 208.518 166.287 Scope 1-2 market-based tCO2e pro FTE Mittelwert 1,04 1,12 0,89 Stromverbrauch kwh pro ID-FTE Mittelwert 3.477 3.524 3.142 Abfallaufkommen t pro ID-FTE Mittelwert 0,24 0,22 0,20 Wasserverbrauch m³ pro ID-FTE Mittelwert 14,39 13,99 11,42 Gesamtpapierverbrauch kg pro ID-FTE Mittelwert 134 117 105 PKW km pro FTE Mittelwert 2.353 2.136 1.405 Bahn km pro FTE Mittelwert 632 716 193 Flugzeug km pro FTE Mittelwert 888 810 169 Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
16 Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse sicherer. Darunter fallen sowohl das Effiziente Rechenzentren Büropapier als auch das Material für Abbildung 11 · "Power Usage Effectiveness" -Skala Broschüren, vorvertragliche Infor- mationen oder Versicherungsbedin- 3,0 sehr ineffizient zunehmend digital an ihre Versi- cherer, traditionelle Eingangskanä- Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) le wie Post oder Fax fallen zurück. Beim Versand von Vertragsunterla- gen und Informationsblättern sind aber nicht allein ein verändertes Ver- So soll die Versicherer-IT grüner werden halten der Kundinnen und Kunden Abbildung 12 · Praktische Relevanz von Maßnahmen in % der befragten VU ausschlaggebend, sondern auch ge- Hoch mittel niedrig keine setzliche Anforderungen (Erforder- nis der Schriftform). Daher werden weiterhin zahlreiche Informations- Rechenzentrum Software blätter und Vertragsunterlagen ge- druckt und versandt. Green-IT Der Einsatz von IT und Digitalisie- rung sollte Emissionen nicht einfach Kühleffizienz Abwärme Nachhaltiges Prozessorenlast erhöhen nutzen Software reduzieren nur verschieben oder gar zu neuen Engineering Umweltbelastungen führen. Rechen- zentren müssen insgesamt klima- freundlich arbeiten. Eine gebräuch- liche Kennzahl ist die „Power Usage Effectiveness (PUE)“, die den Energie- verbrauch des gesamten Rechenzen- trums im Verhältnis zum Verbrauch Hardware und Output der IT-Komponenten darstellt. Das Endgeräte erlaubt Aussagen über die Effizienz der Infrastruktur des Rechenzent- rums. Die Rechenzentren der Ver- sicherer weisen derzeit einen PUE- Wert von 1,8 auf, der als effizient gilt. Sie liegen damit im deutschen Durch- Umweltgerechte Lebensdauer Nachhaltige Druckoutput Entsorgung verlängern IT-Beschaffung verringern schnitt. Die Weiterentwicklung der Technik wird die Messlatte aber über kurz oder lang verschieben. Über die gesamten Umweltwir- kungen von Rechenzentren gibt es je- doch noch wenig Transparenz. Viele Versicherer nutzen verstärkt externe Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse 17 IT-Dienstleister und Cloud-Services. 3.2 Frauen in Führung und Hoher Frauenanteil in Dabei besteht die Herausforderung Diversity - Initiativen des darin, klimabewusste Entscheidun- Arbeitgeberverbandes der Branche Abbildung 13 · In % der gen zu treffen, um Emissionen auch Gesamtbelegschaft an dieser Stelle nicht lediglich zu ex- Diversity und Chancengleichheit ternalisieren. Derzeit erhalten aber sind wichtige strategische und kul- 47,6 % nur ein Drittel der Versicherer von turelle Ziele, die von den Versiche- ihren Dienstleistern eine Umwelt- rern als Arbeitgeber mit hoher Pri- bilanz. Mehr Transparenz durch orität vorangetrieben werden. Vor Energielabel für Rechenzentren und dem Hintergrund des hohen Frau- Weibliche Mitarbeiter Cloud-Anbieter ist insofern wichtig. enanteils in der Branche (knapp Männliche Mitarbeiter Die Bewertung der Energieeffizienz 50 %) einerseits und der starken Un- von Rechenzentren ist derzeit in der terrepräsentanz von Frauen in den Diskussion, u. a. in Form eines frei- Führungsgremien der Branche an- willigen Energielabels. Das Umwelt- dererseits, hat sich der AGV bereits 52,4 % bundesamt arbeitet an Methoden zur im Jahre 2012 auf das Thema Frau- Quelle: AGV Flexible Personalstatistik, ganzheitlichen Beurteilung der Um- en in Führung fokussiert. Zum da- Stand 31.12.2020 weltwirkungen von Rechenzentren9 maligen Zeitpunkt lag der Frauenan- und Cloud-Computing10. teil in den Vorständen bei gerade mal Unter dem Stichwort „Green-IT“ 5,7 % (Quelle: DIW 20212) sowie auf Über den AGV Branchenbei- ergreifen die Unternehmen zudem der 1. Führungsebene im Innen- rat wurden zahlreiche erfolgreiche Maßnahmen bei Hard- und Soft- dienst bei 10,6 % (Quelle: AGV, flexi- Projekte initiiert, unter anderem die ware, die über den ganzen Lebens- ble Personalstatistik). Um die Erhö- alle zwei Jahre stattfindende AGV zyklus hinweg Umwelt und Ressour- hung des Frauenanteils in Führung Top-Managerinnen Konferenz, die cen schonen. Bei den befragten Un- in der gesamten Branche weiter vo- es Top-Managerinnen der Branche ternehmen haben höhere Kühleffi- ranzutreiben, hat der Arbeitgeber- ermöglicht, sich unternehmensüber- zienz, umweltgerechte Entsorgung verband der Versicherungsunter- greifend persönlich und fachlich mit und Beschaffung der Hardware so- nehmen (AGV) im Jahre 2013 einen Kolleginnen auszutauschen. Ziel der wie die Verringerung des Druckout- Branchenbeirat Frauen in Führung11 Tagung ist es, weibliche Vorbilder zu puts hohe Relevanz. gegründet, der als hochkarätig be- vernetzen, sichtbar zu machen und setzte Netzwerkplattform die be- diese dafür zu sensibilisieren, Poten- sondere Bedeutung des Themas in zialkandidatinnen aus den eigenen den Mitgliedsunternehmen veran- Häusern zu fördern. Mit „Fit for Lea- kert. Zu seinen Mitgliedern zählen dership“ wurde 2017 zudem ein wei- zahlreiche männliche und weibli- teres Projekt ins Leben gerufen. Für che Vorstände bzw. Führungskräfte Häuser, die wenig Kapazitäten ha- der 1. Ebene aus der Branche, die das ben, eigene Diversity-Maßnahmen Thema Top-Down treiben. aufzusetzen, wurde mit Hilfe eines Entwicklung des Frauenanteils nach Führungsebenen im Innendienst Tabelle 2 · Werte in % Führungsebenen Führungsebene 1 Führungsebene 2 Führungsebene 3 Führungsebene 4 1 bis 4 2005 8,6 17,8 28,5 29,3 21,8 2010 10,2 21,5 28,8 24,6 23,3 2015 14,5 22,5 32,5 31,8 26,4 2020 17,5 25,0 35,1 39,2 29,2 Stand: jeweils 31.12. Quelle: AGV - Flexible Personenstatistik N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
18 Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftsprozesse gefragten externen Dienstleisters ein Führungscoaching für weibliche Po- tenzialkandidatinnen entwickelt. In 2021 neu gelauncht wurde der digita- le Mentortalk „Inspiring female Lea- dership“, in dem Vorständinnen aus der Branche über ihren eigenen Kar- riereweg, lessons learned und sons- tige Karrieretipps berichten und auf diese Weise andere Frauen inspirie- ren, die nächsten Karriereschritte zu gehen. Mit über 600 Teilnehmerin- nen und Teilnehmern pro Talk ist das Format sehr nachgefragt. Mittlerweile werden erste (kleine) Erfolge auch in den Zah- len sichtbar. Auf Vorstandsebene beträgt der Frauenanteil aktuell laut den DIW-Zahlen 2020 knapp 12 % und auf der ersten Führungs- ebene knapp 18 % (AGV, flexible Personalstatistik). Auch wenn das Thema Frauen in Führung weiterhin in vielen Häu- sern auf oberster Priorität steht, so sind die Versicherungsunterneh- men auch bei den anderen Diver- sity Dimensionen sehr aktiv. Über den AGV-Expertenkreis Diversi- ty tauschen sich viele interessier- te Häuser alle drei Monate zu Best- Practice Maßnahmen im Bereich Di- versity aus. Für 2021 ist zudem eine umfangreiche AGV Branchenerhe- bung zu Diversity geplant. N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Kapitalanlagen 19 4 Kapitalanlagen N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
20 Kapitalanlagen Versicherer verfügen über 1,8 Billio- chende Risiken zu mindern. Es ga- volumens nach Nachhaltigkeitskri- nen Euro Kapitalanlagen, mit denen ben aber auch fast drei Viertel der terien. Für 56,8 % der Anlagen nut- sie die Leistungsversprechen gegen- Versicherer an, dass sie ihre eige- zen sie externe ESG-Rating- oder Re- über ihren Kundinnen und Kunden nen Nachhaltigkeitsauswirkungen searchagenturen. Die starke Diver- absichern. Mit dieser Summe gehö- in den Investitionsentscheidungen sifizierung der Kapitalanlagen der ren Versicherer zu den größten ins- beachten. Für die vorliegende Be- Versicherer bringt es mit sich, dass titutionellen Investoren in Deutsch- standsaufnahme wurden im Som- nicht alle Kapitalanlagen von exter- land. Bei einer durchschnittlichen mer 2021 durch den GDV Daten bei nen Experten gemonitored werden Restlaufzeit ihrer Kapitalanlagen Versicherern erhoben, die rund 75 % können (z. B. nicht gehandelte As- von deutlich mehr als zehn Jahren der Kapitalanlagen repräsentieren. sets, Derivate). Daher spielen auch verfügen sie über großes Potenzi- Mit der Erhebung wurde konkreti- eigene Ansätze eine bedeutende Rol- al, den Übergang zu einer nachhal- siert, bei welchem Anteil der Kapital- le. Rund 25 % der gesamten Kapital- tigen und kohlenstoffarmen Wirt- anlagen bereits Nachhaltigkeitskri- anlagen werden nach eigenen Ansät- schaft voranzubringen. terien und welche ESG-Faktoren in zen gemanagt. Mit der Nachhaltigkeitspositi- Betracht gezogen werden. Ein posi- Praktisch alle Versicherer nut- onierung streben Versicherer – im tiver Beitrag der Versicherer besteht zen Ausschlüsse (Negativlisten). Der Einklang mit dem Pariser Klima- in der Kapitalbereitstellung für die Anteil von nach Negativlisten gema- schutzvertrag – ein klimaneutrales Energiewende, wozu ebenfalls Da- nagten Kapitalanlagen (direkt/indi- Portfolio bis 2050 an (Ziffer 9 der Po- ten erhoben wurden. Die Ergebnis- rekt) beträgt 63 %. In Prozent der sitionierung). Bereits bis 2025 sollen se werden nachfolgend jeweils an- nach Ausschlüssen gemanagten deutliche Reduktionen in den Port- hand der Kapitalanlage gewichtet Kapitalanlagen gerechnet schließen folios realisiert werden. Derzeit wer- dargestellt. 99,1 % der Versicherer die Herstel- den die Prozesse aufgesetzt, um ab Im Anschluss gibt der Bericht ei- lung und den Verkauf von kontro- 2022 den CO2-Fußabdruck der Port- nen Überblick über das Engagement versen Waffen aus. 87,7 % schließen folien ermitteln zu können. Die Ver- der Versicherer in freiwilligen Initi- die Exploration, Förderung, Verar- sicherer beginnen mit ihren Anlagen ativen und Unterstützungsangebo- beitung, Transport und Verkauf von in Aktien und börsennotierten An- te des Verbandes. Kohle aus und 59,4 % die Explorati- leihen und werden die Berechnung on, Förderung, Verarbeitung, Trans- sukzessive auf weitere Anlageklas- port und Verkauf von Öl und Teer- sen ausweiten. 4.1 Ausrichtung der Inves- sanden. Verstöße gegen Arbeits- und Die Kapitalanlagen sollen zu- titionen an Nachhaltig- Menschenrechte sowie Kinderarbeit dem noch stärker an Nachhaltig- keitskonzepten werden von 44,6 % ausgeschlossen. keitsaspekten ausgerichtet werden Neben klassischen Ausschlüs- (Ziffer 10). Kapitel 2 hat gezeigt, dass Die deutschen Erstversicherer ma- sen spielen ESG-Integration-An- Nachhaltigkeitsaspekte bereits be- nagen bereits 81,7 % ihres direkt und sätze (48,0 %) und normbasiertes rücksichtigt werden, um entspre- indirekt gehaltenen Kapitalanlage- Screening (45,7 %) eine bedeutende Auf der Negativliste für Kapitalanlagen Abbildung 14 · in % der nach Ausschlüssen gemanagten Kapitalanlagen kontroverse Waffen (Herstellung, Verkauf) 99 Kohle (Exploration, Förderung, Verarbeitung, Transport, Verkauf) 88 Öl und Teersande (Exploration, Förderung, Verarbeitung, Transport, Verkauf) 59 Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte 45 Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Kapitalanlagen 21 Rolle bei der Berücksichtigung von und Social Bonds entwickelt wer- eine Handreichung zu internationa- Nachhaltigkeitskonzepten. Der den und vor allem Staaten und Un- len Sozial-Standards sowie Hinweise Anteil von nach Engagement-An- ternehmen mehr solche Anleihen zur Berücksichtigung von Nachhal- satz gemanagten Kapitalanlagen emittieren. tigkeitsaspekten in der Kapitalanla- beträgt 22,1 %. Der Anteil von Investitionen in ge zur Verfügung gestellt. Versicherer möchten in Zu- erneuerbare Energien beträgt 0,6 %. kunft noch stärker ESG-Kriterien Durch die Anlagetätigkeit der deut- in der Kapitalanlage berücksichti- schen Versicherer wurden mehr als gen. Auf die Frage nach den Grün- 750 Projekte im Bereich der Wind- den für die Nichtberücksichtigung und Solarenergie realisiert. Jährlich von ESG-Kriterien in der Anlage- werden über von Versicherern fi- entscheidung gaben besonders vie- nanzierte Projekte in erneuerbare le Versicherer das Fehlen von Da- Energien 12,6 Mrd. kWh Strom pro- ten und Research an. Mit etwas Ab- duziert. Dies entspricht fast dem stand folgten die Faktoren Kosten Stromverbrauch Berlins12 im Jahr sowie keine angemessenen Me- 2020. thodiken oder Modelle. Eine gerin- ge Rolle bei der Nichtberücksichti- gung von ESG-Kriterien in der An- 4.2 Unterstützende lageentscheidung spielt hingegen Aktivitäten das Fehlen von Expertise/Erfahrung. Hier macht sich positiv bemerkbar, Auf dem Weg zu nachhaltigeren dass die Branche in den vergange- Portfolios unterstützen die Versi- nen Jahren erheblich an Ressour- cherer den Aufbau von Know-how cen und Know-how in diesem Feld in Deutschland und den Austausch aufgebaut hat. Der Verband unter- auf internationaler Ebene. Aus die- stützt diese Entwicklung über eige- sem Grund fördert der Verband die ne Informationsangebote (siehe Ab- Verbreitung freiwilliger Unterneh- schnitt 4.2). mensinitiativen (Ziffer 11 der Nach- haltigkeitspositionierung). Der GDV ist als Unterstützer den PRI beige- Investitionen in nachhaltige treten und als erster Versichererver- Kapitalanlagen band auch der Net-Zero Asset Ow- Versicherer möchten mehr in nach- ner Alliance (AOA). Die AOA ist ein haltige Kapitalanlagen investie- Zusammenschluss von großen Ka- ren. 100 % der vom Verband befrag- pitalanlegern, die sich zu konkreten ten Versicherer äußerten diesen Emissions-Reduktionspfaden in ih- Wunsch. Als Hindernisse für ver- ren Portfolios verpflichten. Die Me- mehrte Investitionen in nachhalti- thoden und Erkenntnisse, die in der ge Kapitalanlagen gaben die meis- AOA entwickelt werden, können auf ten Versicherer das mangelnde An- diese Weise den GDV-Mitgliedern gebot und fehlende Definitionen an. einfacher zugänglich gemacht wer- Entsprechend klein ist bisher den. Der GDV unterstützt zudem der Anteil dezidiert nachhaltiger den Erfahrungsaustausch und Un- Kapitalanlagen in den Bilanzen der ternehmen, die sich ebenfalls bei der Versicherer. Der Anteil von Investi- AOA engagieren möchten. tionen in Green Bonds beträgt 0,7 %, Darüber hinaus hat der Verband der Anteil von Investitionen in Soci- eine Untersuchung von mehreren al Bonds, Sustainability Bonds oder Meta-Studien13 zum Zusammen- Sustainability-linked Bonds beträgt hang von Nachhaltigkeitsfaktoren 0,3 %. Deshalb ist es wichtig, dass und Rendite-Risiko-Aspekten durch- einheitliche Standards für Green geführt. Den Unternehmen wurden N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
22 Nachhaltige und klimafreundliche Versicherung von Risiken 5 Nachhaltige und klimafreundliche Versicherung von Risiken N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
Nachhaltige und klimafreundliche Versicherung von Risiken 23 Bei ihrer Kernaufgabe, der Absiche- abgefragt und können quantifiziert die Kommunikation mit den Kun- rung von Risiken, haben Versiche- werden. In den Ergebnissen werden den, sondern gerade auch die Scha- rer zahlreiche Möglichkeiten, nach- jeweils der Marktanteil und die An- denbearbeitung (Belege, Gutachten, haltige Veränderungen zu bewirken. zahl der Unternehmen ausgewiesen. Video-Sachverständige). In diesem Abschnitt werden vor al- Daraus wird ersichtlich, inwieweit lem die Schaden- und Unfallver- sich eine gängige Marktpraxis her- → Mit Zahlungen an Umwelt- und sicherer in den Blick genommen. ausbildet. Die Erkenntnisse zur För- Aufforstungsprojekte tragen Versi- Schäden sollten aber am besten gar derung des nachhaltigen Bewusst- cherer ebenfalls dazu bei, nachhalti- nicht erst entstehen, deshalb ist die seins und Produktgestaltung beru- ges Handeln stärker ins Bewusstsein Beratung zu Präventionsmaßnah- hen weitestgehend auf offenen Fra- zu rücken. Als alleinige Maßnahme men so wichtig und wird weiter in- gen und hat explorativen Charakter. würde dies aber zu kurz greifen. tensiviert. Wenn schwere Schäden an Gebäuden oder langlebigen Gü- Ein weiterer Aspekt von nachhalti- tern entstehen, gelten bei Neubau 5.1 Förderung nachhaltigen gem Handeln ist die Inklusion und oder einer Neuanschaffung häufig Handelns Geschlechtergerechtigkeit beim Zu- höhere Umweltstandards als am ur- gang zu Versicherung. Eine alle Ge- sprünglich versicherten Gut, z. B. bei Mit einer Belegschaft sowie Kundin- schlechter integrierende (diversity- der Wärmedämmung. Diese verbes- nen und Kunden, die ein Bewusst- sensible) Sprache trägt dazu bei. Un- serten Umwelteigenschaften sind sein für Nachhaltigkeitsaspekte bei ternehmen, die 78 % des Marktvolu- übers „gleitende Neuwertverspre- Versicherungen entwickelt haben, mens repräsentieren, gaben in der chen“ automatisch mitversichert. steigen die Chancen auf innovative Umfrage an, für Teile ihrer Außen- So tragen viele Versicherungsleis- und/oder ressourcensparende Pro- kommunikation diversitysensib- tungen zur nachhaltigen Erneue- dukte und Prozesse. Außerdem ist le Sprache zu verwenden. Ein Pro- rung bei. die Wahrscheinlichkeit höher, dass zent des Marktes verwendet sie be- Nachhaltigkeitsrisiken erkannt reits durchgängig. Am häufigsten Darüber hinaus werden drei Aspek- und ggf. vermieden oder verringert nutzen die Unternehmen sensible te betrachtet: werden. Sprache für Internetauftritte und A die Förderung von nachhaltigem Medienkontakte, am wenigsten Handeln in den Unternehmen, → In der GDV-Umfrage gaben einige bei Informationen für Verbrauche- B die ESG-bewusste Zeichnung von Schaden- und Unfallversicherer an, rinnen und Verbraucher sowie bei Risiken, um negative Nachhaltig- dass sie grundsätzlich bei der Pro- Versicherungsbedingungen. keitswirkungen zu vermindern, duktentwicklung darauf achten, Offensichtlich wird eine sensible C die Gestaltung von Produkten, die dass die Produkte ökologischen oder und integrierende Ansprache für Ver- positive Nachhaltigkeitswirkun- sozialen Mehrwert erbringen. sicherer schwieriger, sobald die An- gen entfalten. forderungen an die Rechtssicherheit → Weitere Versicherer sensibilisie- der Texte steigen. Das Bundesverfas- Mit einer Umfrage unter allen Scha- ren und qualifizieren die Beschäftig- sungsgericht hat 2018 den Rechtsan- den- und Unfallversicherern ist die ten hinsichtlich eines nachhaltigen spruch festgestellt, dass bei Eintra- erste Bestandsaufnahme zu diesen Schadenmanagements. gungen ins Personenstandsregister Aspekten erfolgt. 114 Unternehmen die individuelle Geschlechtsidentität haben den Fragebogen ausgefüllt, → Um die Emissionen durch Ge- berücksichtigt werden muss, wenn das umfasst etwa 90 % des Markt- schäftsfahrten und Papierver- sich Menschen nicht dem männli- volumens gemessen an den Bei- brauch zu verringern, digitalisie- chen oder weiblichen Geschlecht tragseinnahmen. Einige Nachhal- ren und verschlanken Versicherer zuordnen. Die deutsche Sprache tigkeitsaspekte, wie z. B. zum Zeich- ihre Prozesse umfassend (siehe Ab- kennt jedoch keine Bezeichnun- nungsprozess, wurden sehr konkret schnitt 3). Dies betrifft nicht nur gen, die über männliche und weib- N a c h h a l t i g k e i t s b e r i c h t d e r d e u t s c h e n Ve r s i c h e r e r 2 0 2 1
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