DER EIGENTUMSBEGRIFF IN DEN PARTEIPROGRAMMEN ZUR BUNDESTAGSWAHL 2021: EINE ÖKONOMISCHE ANALYSE - Familienunternehmen

 
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DER EIGENTUMSBEGRIFF IN DEN PARTEIPROGRAMMEN ZUR BUNDESTAGSWAHL 2021: EINE ÖKONOMISCHE ANALYSE - Familienunternehmen
DER EIGENTUMSBEGRIFF IN
DEN PARTEIPROGRAMMEN
ZUR BUNDESTAGSWAHL 2021:
EINE ÖKONOMISCHE ANALYSE
Julius Hinrichsen, Dörte Nitt-Drießelmann, Claudia Wellenreuther, André Wolf

 Gutachten im Auftrag der Ludwig-Erhard-Stiftung
 und des Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEHMER
INHALTSVERZEICHNIS
Executive Summary                                                                     3

1. Einführung                                                                         4

2. Eigentum aus ordnungsökonomischer Perspektive                                      5

3. Der Begriff des Eigentums in den Wahlprogrammen                                    7
3.1 Methodisches Vorgehen 7
3.2 Analyse nach Politikfeldern 8
3.2.1 Wohnungspolitik                                                                 8
3.2.2 Finanzpolitik                                                                  11
3.2.3 Unternehmenspolitik                                                            14
3.2.4 Geistiges Eigentum                                                             15
3.2.5 Klimapolitik                                                                   15

4. Ökonomische Analyse ausgewählter Regulierungsvorschläge                           18
4.1 Methodisches Vorgehen                                                            18
4.2 Analyse nach Politikfeldern                                                      19
4.2.1 Die Mietpreisbremse für das Feld der Wohnungspolitik                           19
4.2.2 Die Vermögensteuer für das Feld der Finanzpolitik                              21
4.2.3 Die Gründungsförderung für das Feld der Unternehmenspolitik                    23
4.2.4 Patentschutz für das Feld Geistiges Eigentum                                   24
4.2.5 Regulierungen zur Emissionsreduktion für das Feld der Klimapolitik             24

5. Zusammenfassende Bewertung                                                        26

6. Literaturverzeichnis                                                              28

7. Anhang                                                                            31

   IMPRESSUM/KONTAKT

   Das Gutachten wurde von HWWI Consult GmbH im Auftrag der Ludwig-Erhard-Stiftung
   und von DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V. durchgeführt.

   HWWI Consult GmbH
   Oberhafenstr. 1 | 20097 Hamburg | Tel. 040 34 05 76-665
   wolf@hwwi.org | www.hwwi.org

   DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V.
   Dr. Peer-Robin Paulus | Charlottenstraße 24 | 10117 Berlin | Tel. 030 300 65-220
   paulus@familienunternehmer.eu | www.familienunternehmer.eu

   Berlin, August 2021
EXECUTIVE SUMMARY

D
         iese Studie untersucht die Programme zur           Richtungsentscheidungen an. Eine starke Polarisierung
         Bundestagswahl 2021 im Hinblick auf Maß-           zeigt sich vor allem auf dem Gebiet der Finanzpolitik.
         nahmen, die die Rolle von privatem Eigentum in     Hauptkonfliktlinien sind hier die Fragen der Einführung
unserer Gesellschaft tangieren. Untersuchungsgegen-         einer Vermögensteuer und der steuerlichen Behandlung
stand sind die Wahlprogramme aller gegenwärtig im           von Kapitalerträgen. Auch auf dem Feld der Wohnungs-
deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Einleitend        politik zeigen sich im Hinblick auf vermieteten Wohn-
erläutern wir auf Basis des Property Rights Ansatzes        raum deutliche Diskrepanzen hinsichtlich Maßnahmen
die grundsätzlichen Funktionen von privatem Eigentum        wie der Mietpreisbremse. Dagegen sind sich die Parteien
in unserer Volkswirtschaft. Dann erfolgt der Einstieg in    im Bereich der Unternehmenspolitik weitgehend einig
die Programmanalyse. Hierfür haben wir fünf Politikfel-     über die Notwendigkeit der stärkeren Förderung von
der mit besonders engem Eigentumsbezug ausgewählt:          Existenzgründungen, wenngleich die Vorschläge in De-
Wohnungspolitik, Finanzpolitik, Unternehmenspoli-           tail und Ausrichtung differieren. Im Bereich des geistigen
tik, Geistiges Eigentum sowie Klimapolitik. Für jedes       Eigentums sind die stark gegensätzlichen Positionen
Politikfeld werden zunächst Programmvorschläge mit          der Parteien im Zusammenhang mit Impfstoffpatenten
unmittelbaren Eigentumsbezug identifiziert und in ihrer     offensichtlich. Auch im Feld der Klimapolitik zeigen sich
Wirkungsrichtung und sprachlichem Duktus zwischen           starke Konfliktlinien in eigentumsrelevanten Punkten,
den Parteien verglichen. Anschließend erfolgt eine öko-     hier insbesondere, ob bei den Maßnahmen zur Reduk-
nomische Analyse ausgewählter Regulierungsvorschlä-         tion von Treibhausgasemissionen stärker auf Einschrän-
ge. Hierzu beschränken wir uns auf einen Vorschlag je       kungen in Verfügungsrechten oder auf die Marktlösung
Politikfeld, welcher jeweils besonders eng mit der Eigen-   des Zertifikatehandels gesetzt werden soll.
tumsthematik verknüpft ist. Auf theoretischer Ebene
werden dazu zunächst die Wirkungsarten der Maßnah-          Zusammengefasst lässt sich bei Betrachtung über die
men auf private Eigentumsrechte und die daraus resul-       Politikfelder hinweg konstatieren, dass dem Schutz
tierenden ökonomischen Effekte analysiert. Dann erfolgt     von privatem Eigentum bei den untersuchten Parteien
eine Auswertung jüngerer empirischer Studien (statis-       gegenwärtig keine hohe Priorität zukommt. Zugleich
tisch-ökonometrische Untersuchungen, Fallstudien) zur       stellt unsere Analyse aber heraus, dass sich Zahl und
praktischen Relevanz dieser Effekte. Abschließend wird      Intensität eigentumsbeschränkend wirkender Vorschläge
eine zusammenfassende Bewertung zur Tendenz der             zwischen Parteien und Politikfeldern deutlich unterschei-
Parteien im Umgang mit eigentumsbezogenen Fragen            den. Bei vielen diskutierten Maßnahmen mangelt es
vorgenommen.                                                offenkundig an einem Bewusstsein für deren Auswirkun-
                                                            gen auf private Verfügungsrechte und die daraus resul-
In jedem der fünf untersuchten Politikfelder sind im        tierenden negativen Anreizeffekte auf die Volkswirtschaft
Parteienvergleich mehr oder minder stark divergierende      als Ganzes. Die Hoffnung bleibt, dass sich zukünftig
Strömungen bei den vorgeschlagenen eigentumsbezo-           wieder ein stärkerer parteiübergreifender Grundkonsens
genen Maßnahmen festzustellen. Diese nehmen teilwei-        in diesen für das Bestehen unserer Wohlstands- und
se die Form von gegensätzlichen Positionen und damit        Wirtschaftsordnung so wichtigen Fragen einstellen wird.
4   GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF

    1. EINFÜHRUNG

    I
       m Wahljahr 2021 steht die deutsche Politik vor einer      Die vorliegende Studie im Auftrag der Ludwig-Erhard-
       Flut an Herausforderungen. Das betrifft unmittelbar       Stiftung und des Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEH-
       die Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen         MER untersucht diesen Aspekt auf Grundlage der veröf-
    Folgen der Corona-Pandemie. Zugleich hat das Bedürf-         fentlichten Programme der Parteien zur Bundestagswahl
    nis nach Antworten auf die langfristigen Herausforderun-     2021. Wir fokussieren uns hierbei auf fünf Politikfelder,
    gen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, aber auch           die sowohl im Hinblick auf ihre Relevanz für die Eigen-
    den veränderten Bedürfnissen des Lebens und Arbeitens        tumsfrage als auch durch ihre Präsenz in der öffentli-
    im digitalen Zeitalter weiter zugenommen. Es geht um         chen Debatte herausstechen: Die Wohnungspolitik, die
    nichts weniger als die Frage der Wirtschaftsordnung der      Finanzpolitik, die Klimapolitik, die Unternehmenspolitik
    Zukunft und der Wahl an politischen Instrumenten, um         sowie die Behandlung geistigen Eigentums. In jedem
    den Weg dorthin zu gestalten. Einige Stimmen sehen           Politikfeld werden die programmatischen Ausführungen
    einen neuen »starken Staat« als Allheilmittel für eine       der Parteien zunächst einer vergleichenden Analyse im
    erfolgreiche Transformation. Durch Gebote, Verbote           Hinblick auf eigentumsbezogene Aspekte unterzogen.
    oder fiskalische Lenkung soll staatlicherseits ein neuer     Anschließend wird exemplarisch für jedes Politikfeld
    Stil des Lebens und Wirtschaftens erzwungen werden.          ein besonders kontrovers diskutiertes Instrument einer
    Die Gefahr der Verdrängung von privater Initiative, einer    näheren ökonomischen Bewertung unterzogen. Ab-
    wesentlichen Quelle aller erfolgreichen Transformations-     schließend erfolgt eine zusammenfassende Bewertung
    prozesse der Vergangenheit, wird dabei in der Debatte        der beobachteten Einstellungen der Parteien zu privatem
    oft übersehen. Diese Gefahr besteht vor allem dort, wo       Eigentum.
    Maßnahmen die Sicherheit von oder Verfügungsgewalt
    über privates Eigentum, der entscheidenden Triebkraft
    für private Aktivität, beeinträchtigen. Vor diesem Hinter-
    grund ist die Frage, welche Rolle privates Eigentum in
    den politischen Plänen der Gegenwart spielt, ein wichti-
    ger Indikator für den Wohlstand der Zukunft.
GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF   5

2. EIGENTUM AUS ORDNUNGS-
ÖKONOMISCHER PERSPEKTIVE

P
       rivates Eigentum, d. h. das Eigentum einer Privat-     Funktionen privaten Eigentums aus
       person, existiert nur durch durchsetzbare Eigen-
                                                              Sicht des Individuums
       tumsrechte. Eigentumsrechte bestehen aus einem
Bündel von Nutzungs- und Verfügungsrechten. Sie be-
rechtigen den Eigentümer, eine Ressource zu nutzen,           Privates Eigentum sichert das Dasein ab (Sicherungs-
zu verändern oder zu verkaufen. Darüber hinaus hat der        funktion) und ermöglicht Individuen, ein von staatlichen
Eigentümer das Recht, aus seinem Eigentum Erträge zu          Zuwendungen und Eingriffen weitgehend unabhängiges,
erzielen (Göbel, 2020). Der Schutz des privaten Eigen-        freies, eigengestaltetes Leben zu führen (Freiheitsfunk-
tums ist in Artikel 14 des Grundgesetzes garantiert. Der      tion). Dies wird dadurch verstärkt, dass dem Individuum
verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff ist weit gefasst       ermöglicht wird, Erträge aus dem privaten Eigentum zu
und umfasst neben dem Eigentum an beweglichen und             generieren. Darüber hinaus setzt es Anreize für das In-
unbeweglichen Sachen auch privatrechtliche Forde-             dividuum, das Einkommen zu vermehren und zu pflegen
rungen sowie das Anteilseigentum und das geistige             (Anreizfunktion) (siehe Abb. 1). Die Eigenschaften von
Eigentum.                                                     Privateigentum kommen jedoch nicht nur dem Indivi-
                                                              duum zugute, sondern auch der Allgemeinheit (Göbel,
                                                              2020; Shirvani, 2020).

                                                Funktionen des privaten Eigentums

                      Sicherung                             Freiheit und                           Anreiz
                   (Daseinsvorsorge)                         Entfaltung                     (Zur Förderung von...)

                                                                                                Wettbewerb

                                                                                                 Investition

                                                                                                 Innovation

                                                                                               Nachhaltigkeit

                                                  Gestaltung der Eigentumsrechte
                                                           durch Politik

                                          Einschränkung                    Ausweitung

                                                 Verfügungs- und Nutzungsrechte

                                                            Sicherung

                                                    Ökonomische Wirkungen

    Abb. 1: Funktionen des privaten Eigentums und politische Möglichkeiten der Gestaltung der Eigentumsrechte
6   GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF

    Property Rights Ansatz                                      Funktionen privaten Eigentums aus
                                                                Sicht der Allgemeinheit
    Gesicherte Eigentumsrechte sind nach der Proper-
    ty Rights Ansatz der Neuen Institutionsökonomik die
    grundlegendste Voraussetzung für ein funktionierendes       Der Property Rights Ansatz zeigt also, dass die Anreiz-
    marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem. Denn erst          funktion (siehe Abb.1) der Eigentumsrechte zu einem
    durch die Zuteilung von gesicherten Eigentumsrechten        effizienten Verhalten des Einzelnen führt und damit den
    lässt sich der Konflikt um die Nutzung knapper Güter        Wohlstand der Volkswirtschaft insgesamt erhöht. Eigen-
    auf friedliche Weise lösen (Alchian, 1965; Demsetz, 1967    tumsrechte ermöglichen die Preisbildung und bilden
    Alchian & Demsetz, 1973). Der wirtschaftliche Wert eines    damit die Grundlage für den marktwirtschaftlichen Wett-
    Gutes beruht nicht nur auf seinen physischen Eigen-         bewerb. Die Aussicht auf den Erwerb von Eigentum oder
    schaften, sondern wird durch die mit dem Gut verbun-        die Erzielung finanzieller Erträge aus Privateigentum
    denen Eigentumsrechte bestimmt. Je exklusiver die           erhöht die Investitionsbereitschaft, fördert Innovationen
    Eigentumsrechte an einem Gut sind, die einem Individu-      und damit das Wirtschaftswachstum. Darüber hinaus
    um zugewiesen werden, und je geringer die Kosten sind,      kann das Privateigentum auch als Grundlage für eine
    die dem Individuum entstehen, um diese Rechte durch-        nachhaltige Wirtschaft angesehen werden, da Men-
    zusetzen, desto höher ist der Wert des Gutes. Die voll-     schen in der Regel sorgfältiger mit privatem Eigentum
    ständige Spezifizierung durchsetzbarer Eigentumsrechte      umgehen als mit kollektiven Gütern. Durch fehlende Ei-
    bietet einen Anreiz für das Individuum, Güter effizient     gentumsrechte besteht kein Anreiz für eine nachhaltige,
    zu nutzen, und ermöglicht so eine effiziente Allokation.    sparsame Nutzung eines knappen Gutes, welches auch
    Wenn jedoch die Kosten und Erträge einer Handlung           durch andere frei genutzt werden kann (Göbel, 2020).
    nicht nur Eigentümern selbst, sondern auch Dritten zu-
    gerechnet werden (externe Effekte), führt dies zu ineffi-   Aus ökonomischer Perspektive kommt den Ausformun-
    zientem Verhalten und Wohlfahrtsverlusten. Die kosten-      gen der Verfügungs- und Nutzungsrechte durch den
    lose und freie Nutzung einer knappen Ressource führt in     Gesetzgeber daher eine bedeutende Rolle zu, da diese
    der Regel zu einer Übernutzung dieser Ressource, da es      das wirtschaftliche Verhalten Einzelner stark prägen und
    für den Einzelnen rational ist, die Ressource so viel und   beeinflussen. Der Staat hat die Möglichkeit, die ihm von
    so schnell wie möglich zu nutzen (Tragik der Allmende).     der Verfassung gegebenen Freiräume bei der Gestaltung
    Notwendige Investitionen, um den Wert der Ressource         der Eigentumsrechte zu nutzen, um gewünschte öko-
    zu erhalten, werden ebenfalls nicht getätigt, da die Er-    nomische Wirkungsketten anzustoßen, abzuschwächen
    träge mit der Gemeinschaft geteilt werden müssten. Nur      oder zu verstärken. Je nach politischer Zielrichtung kann
    eindeutige Eigentumsrechte, die eine ausschließliche        er Eigentumsrechte an privaten Gütern, Produktions-
    Nutzung durch einzelne Individuen erlauben, schaffen        mitteln oder den Erträgen ökonomischer Leistungen
    Anreize für Eigentümer, die Ressource werterhaltend mit     sichern, einschränken oder ausweiten (Shirvani, 2020).
    dem Ziel der langfristigen Nutzenmaximierung zu nutzen
    (Demsetz, 1967; Alchian & Demsetz, 1973; Bardmann,
    2014; Hentricht, 2011).
GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF   7

3. DER BEGRIFF DES EIGENTUMS
IN DEN WAHLPROGRAMMEN
3.1 Methodisches                                              schränken oder ausweiten. Die Analyse ergab, dass in

Vorgehen                                                      allen Wahlprogrammen Vorschläge zu finden sind, die
                                                              die Gestaltung der privaten Eigentumsrechte zum Inhalt
                                                              haben. Sie können in zwei Kategorien eingeteilt werden

D
        ie Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2021 der          — einerseits in Maßnahmen, die direkt und unmittelbar
        derzeit im Bundestag vertretenen Parteien wur-        auf das private Eigentum zielen und andererseits in sol-
        den dahingehend überprüft, ob sie Vorschläge          che, die nur indirekt und mittelbar das private Eigentum
für neu durchzuführende Maßnahmen oder Regelungen             tangieren. Zudem kristallisierten sich bei den Vorschlä-
enthalten, die das private Eigentum betreffen bzw. die        gen, die direkt und unmittelbar auf das private Eigentum
Auswirkungen auf die Verfügungs- und Nutzungsrechte           wirken, fünf Politikfelder heraus, die einen klaren Eigen-
über das private Eigentum nach sich ziehen würden.            tumsbezug aufweisen.
Dabei wurde entsprechend den drei Hauptfunktionen
des privaten Eigentums (Sicherung, Freiheit und Ent-          Die nachfolgende Analyse begrenzt sich daher auf die
faltung, Anreiz (siehe Abb. 1)) untersucht, ob die Wahl-      Untersuchung der Wahlprogramme 2021 der sechs
programme Vorschläge oder Hinweise darüber enthalten,         Parteien in den in Abb. 2 aufgeführten Politikfeldern.
a. wie bereits vorhandenes privates Eigentum gesichert        Im Fokus stehen direkt und unmittelbar auf das priva-
werden kann oder b. die Neubildung privaten Eigen-            te Eigentum wirkende Maßnahmen, die dahingehend
tums gefördert werden soll. Drittens wurden die Texte         unterschieden werden, ob sie der Sicherung oder der
daraufhin analysiert, ob Maßnahmen geplant sind, die          Förderung des privaten Eigentums dienen oder auf die
in die derzeitigen Verfügungs- und Nutzungsrechte über        Einschränkung oder Ausweitung der Verfügungs- und
das private Eigentum eingreifen, indem sie diese ein-         Nutzungsrechte zielen.

     Wahlprogramme 2021           Maßnahmen mit Wirkung auf            Wirkungsrichtung         Ausgewählte Politikfelder

             CDU                                                                                     Wohnungspolitik
                                         Sicherung des
                                         vorhandenen
                                      privaten Eigentums
             SPD
                                                                           indirekt/                   Finanzpolitik
                                                                           mittelbar

         BÜNDNIS 90 /
         DIE GRÜNEN
                                         Förderung der
                                          Neubildung                                               Unternehmenspolitik
                                      privaten Eigentums
             FDP
                                                                           direkt/un-
                                                                           mittelbar
                                                                                                   Geistiges Eigentum
          DIE LINKE                   Einschränkung/Aus-
                                       weitung in den Ver-
                                    fügungs- und Nutzungs-
                                        rechten über das
             AFD                        private Eigentum                                               Klimapolitik

    Abb. 2: Vorgehensweise und Abgrenzung der Analyse
8   GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF

    3.2 Analyse nach Politik-                                   Die inhaltlichen Schwerpunkte im Bereich der Woh-

    feldern                                                     nungspolitik resultieren aus den jeweiligen Grundüber-
                                                                zeugungen und Profilen der Parteien. Die Extreme in den
                                                                Positionen in Bezug auf die Eingriffe in die Eigentums-
    3.2.1 Wohnungspolitik                                       rechte im Bereich des privaten Wohneigentums bilden
                                                                FDP und AFD auf der einen Seite, die für eine Auswei-

    B
             eim privaten Wohneigentum ist der Schutz des       tung der Rechte der Eigentümerinnen und Eigentümer
             Eigentums insbesondere im Bereich des vermie-      plädieren, und DIE LINKE sowie DIE GRÜNEN auf der
             teten Wohnraums in den letzten Jahren zuneh-       anderen Seite, die deren Rechte weiter einschränken
    mend unter Druck geraten. Wachsende Engpässe an             möchte. Einig sind sich jedoch alle sechs Parteien, so-
    günstigem Mietwohnraum in Großstädten führen dazu,          bald es um selbstgenutzten Wohnraum geht. In keinem
    dass immer breitere Bevölkerungsschichten den Staat in      der sechs Wahlprogramme finden sich Vorschläge, die
    der Pflicht sehen, hier stärker Einfluss zu nehmen. Der     explizit eine Einschränkung der Verfügungs- und Nut-
    Forderungskatalog erstreckt sich von moderaten Ein-         zungsrechte bei selbstgenutztem Wohnraum fordern.
    griffen in die Verfügungs- und Nutzungsrechte von Ver-
    mieterinnen und Vermietern bis zur Verstaatlichung der      FDP und AFD legen den Schwerpunkt ihrer Forderungen
    Bestände großer Wohnungsunternehmen. Verknüpft mit          auf den Abbau einschränkender Regelungen. Sie wollen
    den Ansinnen ist die Hoffnung, durch staatliche Regulie-    die Eigentumsrechte der Vermieterinnen und Vermieter
    rungen Engpässe mildern und Einkommensbelastungen           stärken, indem sie die Mietpreisbremse abschaffen und
    von Mieterinnen und Mietern reduzieren zu können.           weitere Preisregulierungen am Mietmarkt verhindern.
                                                                Künftiges Wohneigentum soll insbesondere durch Ent-
    1982 hat der Bund als Reaktion auf diese gesellschaft-      lastungen bei der Grunderwerbsteuer (GESt) und durch
    lichen Entwicklungen eine Kappungsgrenze und 2015 zu-       Einsparungen bei den Baukosten durch Rückführungen
    sätzlich die Mietpreisbremse eingeführt, und damit in die   kostenintensiver Normen und Regelungen gefördert
    Eigentumsrechte der Eigentümer von vermietetem Wohn-        werden.
    raum eingegriffen. Der 2020 eingeführte darüberhinaus-
    gehende Mietendeckel des Berliner Senats wurde 2021         DIE LINKE erläutert die jeweiligen Zielsetzungen der von
    vom Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweis auf die        ihnen vorgeschlagenen, sehr konkret ausgearbeiteten
    ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes           Maßnahmen meist ausführlich. Die Wortwahl ist kämp-
    in diesem Bereich als verfassungswidrig eingestuft.         ferisch, im Mittelpunkt steht der vermietete Wohnraum
                                                                in urbanen Räumen. DIE LINKE will von allen Parteien
    Die Wahlprogramme im Vergleich                              am stärksten in die Verfügungs- und Nutzungsrechte der
                                                                Vermieterinnen und Vermieter an ihrem Wohneigentum
    DIE LINKE legen im Bereich der Wohnungspolitik mit          eingreifen und diese beschneiden. Die Einführung eines
    2.600 Wörtern, das entspricht 3,6 Prozent ihres gesam-      bundesweiten Mietendeckels, Umwandlungsverbote von
    ten Wahlprogramms, das umfangreichste Schriftstück          Miet- in Eigentumswohnungen, stärkere Einschränkun-
    aller sechs Parteien vor. Die AFD widmet dem Thema          gen von Kündigungen wegen Eigenbedarfs und Verbote
    nur 430 Wörter (1,5 Prozent des Programms). Bei allen       von Ferienwohnungen in angespannten Wohnlagen sind
    anderen Par-teien umfassen die Texte 2,0 Prozent (DIE       einige der im Wahlprogramm genannten Punkte. Ebenso
    GRÜNEN) bis 2,5 Prozent (CDU) der Gesamttexte.              wie DIE GRÜNEN wollen sie das Recht auf Wohnen in
                                                                gemieteten sowie eigengenutzten Wohnräumen stärken,
GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF   9

indem es ins Grundgesetz aufgenommen wird. Zudem            wie Familien mit Kindern sowie Rentnerinnen und Rent-
streben beide Parteien eine deutlich stärkere zielgerich-   ner. Sie spricht sich gegen Mietendeckel aus und setzt
tete Gemeinwohlorientierung in der Wohnungspolitik an       auf ein wachsendes Wohnungsangebot, um steigenden
und wollen verstärkt gegen Immobilienspekulationen          Mieten entgegenzuwirken. Dafür sollen Bebauungsmög-
vorgehen. DIE GRÜNEN legen wie DIE LINKE in ihrem           lichkeiten gehoben sowie Anreizsysteme zur Förderung
Programm den Fokus auf urbane Räume und vermie-             von Mietbauten geschaffen werden.
teten Wohnraum, ergänzt um diverse Maßnahmen zum
ressourcenschonenden Bauen und Sanieren. Im Bereich         In Abb. 3 werden die oben angesprochenen themati-
des vermieteten Wohneigentums schlagen sie Maß-             schen Schwerpunkte der einzelnen Parteien skizziert.
nahmen mit ähnlicher Zielrichtung wie DIE LINKE vor,        Eingeflossen sind nur die direkt auf das private Eigentum
begnügen sich jedoch mit im Vergleich leicht geringeren     zielenden Vorschläge. Die Einordnung der Maßnahmen
Eingriffen in die Eigentumsrechte der Vermieterinnen und    erfolgt in drei Kategorien — je nachdem, ob sie auf die
Vermieter. Dem Erhalt von Bestandsbauten und Aufsto-        Sicherung des jetzigen Wohneigentums, die Förderung
ckungen auf bestehende Gebäude wird höhere Priorität        künftigen Wohneigentums oder Einschränkung der
als dem Neubau eingeräumt. Zur Förderung künftigen          Verfügungs- und Nutzungsrechte über das Wohneigen-
Wohneigentums planen sie, Käufer bei den Erwerbsne-         tum abzielen. Maßnahmen, die mehrere Zielrichtungen
benkosten zu entlasten.                                     verfolgen, wurden entsprechend im Feld platziert. Eine
                                                            weitere Unterteilung zeigt an, ob sich die vorgeschlage-
Das Programm der SPD ist knapp und nüchtern ge-             nen Maßnahmen auf vermieteten und selbstgenutzten
schrieben. Auch die SPD verfolgt das Ziel, in ange-         Wohnraum oder nur auf eine der beiden Kategorien be-
spannten Wohnlagen die Rechte der Vermieterinnen und        ziehen oder Grund und Boden betreffen. Die Größe der
Vermieter zu Gunsten der Mieter-rechte einzuschränken.      Kreise gibt einen Hinweis auf Umfang und Stellenwert
Weitere Vorschläge im Wahlprogramm sind die generelle       innerhalb der Parteiprogramme. Beachtet werden muss
Abschaffung der Steuerbefreiung von Gewinnen aus der        bei der Interpretation der Ergebnisse, dass z. B. ein Ein-
Veräußerung nicht selbst genutzter Grundstücke sowie        griff in die Preisgestaltung am Mietmarkt zwar negative
die Einführung eines sogenannten »Planungswertaus-          Auswirkungen auf die Verfügungs- und Nutzungsrechte
gleichs« im Hinblick auf Zuwächse im Bodenwert. In          der Eigentümerinnen und Eigentümer nach sich zieht,
angespannten urbanen Räumen sowie in vom Leerstand          auf der anderen Seite aber positive Einkommenseffekte
betroffenen ländlichen Räumen soll laut SPD insbeson-       auf die Mieterinnen und Mieter zur Folge hat. In diesem
dere jungen Menschen und Familien der Kauf selbstge-        Fall findet durch die staatliche Regulierung der Eigen-
nutzten Wohnraums durch Förderung des Erwerbs von           tumsrechte eine Umverteilung der möglichen Erträge
Genossenschaftsanteilen oder Mietkaufmodellen erleich-      aus Vermietung vom Eigentümer zum Mieter statt. Die
tert werden. Dies befürworten in Grundzügen auch die        ökonomischen Konsequenzen dieses Eigentumseingriffs
CDU/CSU sowie DIE GRÜNEN.                                   werden in Abschnitt 4.2.1 analysiert. Eine detailliertere
                                                            Auflistung aller vorgeschlagenen Maßnahmen zur Woh-
Das Programm der CDU/CSU bedient sich eines sehr            nungspolitik differenziert nach Wirkungsrichtung ist im
erzählerischen Stils mit Nennung vieler Adjektive. Die      Anhang in Abb. 7 zu finden.
Vorschläge sind teils sehr vage, wobei ein breites The-
menspektrum bedient wird. Im Fokus stehen Fördermög-
lichkeiten für den Erwerb bzw. den Erhalt selbstgenutz-
ten Wohnraums für ausgesuchte Bevölkerungsgruppen
10   GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF

       Wirkungsrichtung                                                      Einschränkung          Ausweitung
       der Vorschläge in
                                  Sicherung             Förderung
       Bezug auf privates
                                                                                     Verfügungs- und
           Eigentum
                                                                                      Nutzungsrecht

      Wohneigentum                                                                                                   DIE LINKE
      allgemein
                                                                                                                     SPD

                                                                                                                     BÜNDNIS 90/
                                                                                                                     DIE GRÜNEN
      Nur vermietet
                                                                                                                     FDP

                                                                                                                     CDU

                                                                                                                     AFD
      Nur selbstgenutzt

      Grund und Boden

     Abb. 3: Positionierungen und Schwerpunkte der Parteien in Bezug auf das private Wohneigentum
     (eigene Darstellung auf Basis der Wahlprogramme)
     * Die Größe der Kreise deutet den Umfang / Bedeutung der Themen innerhalb der Parteiprogramme an.

     Detailpositionen zu Mietpreisregulie-                               te, rechtssichere Mietspiegel, wobei diese auf Grundlage
                                                                         der innerhalb der letzten 20 Jahre (statt derzeit sechs
     rungen durch Mietpreisbremse und                                    Jahre) geschlossenen Mietverträge berechnet werden
     Kappungsgrenze                                                      sollen. DIE LINKE will mit der Einführung bundesweiter
                                                                         Mietendeckel von allen Parteien die Verfügungs- und
     Laut FDP und AFD hemmt die Mietpreisbremse Inves-                   Nutzungsrechte der Eigentümer vermieteten Wohn-
     titionen im Wohnungsbau. Sie sollte daher abgeschafft               raums künftig am stärksten beschneiden. Konkret sollen
     werden. Die CDU/CSU äußert sich nicht zum Thema,                    jährliche Mietpreissteigerungen nicht stärker ausfallen
     sieht also keinen Änderungsbedarf an der aktuellen                  als der gleichzeitige Anstieg im allgemeinen Preisniveau,
     Gesetzeslage. Die SPD möchte die Mietpreisbremse                    maximal jedoch 2 Prozent betragen. Zugleich wird ohne
     entfristen (momentan 31.12.2025) und derzeitige Umge-               weitere Spezifizierung eine Absenkung »besonders
     hungsmöglichkeiten einschränken. Da der Festsetzung                 hoher« Mieten gefordert. Als Sofortmaßnahme schon vor
     der »ortsüblichen Vergleichsmiete« bei der Durchführung             der Einführung des vorgeschlagenen Mietendeckels sol-
     der Mietpreisregulierungen eine herausragende Bedeu-                len sämtliche Ausnahmeregelungen bei der bestehenden
     tung zukommt, will sie qualifizierte Mietspiegel nach ein-          Mietpreisbremse entfallen.
     heitlichen Kriterien rechtssicher ausgestalten. Mietspie-
     gel sollen mindestens auf den vertraglich vereinbarten              Neben der Verschärfung der Mietpreisbremse wollen
     Mieten der vergangenen acht Jahre (derzeit sechs Jahre)             SPD, DIE GRÜNEN und DIE LINKE auch die gesetzlichen
     beruhen. DIE GRÜNEN plädieren ebenfalls für eine                    Kappungsgrenzen verschärfen. Die SPD möchte in an-
     Entfristung und eine Nachschärfung des Gesetzes. Als                gespannten Wohnlagen für alle Mietwohnungen ein be-
     konkretes Beispiel wird hier die Abschaffung von Aus-               fristetes Mietenmoratorium einführen, aufgrund dessen
     nahmeregelungen beim möblierten Wohnen genannt, wie                 Mieten nicht stärker als die Inflationsrate steigen dürfen.
     sie aktuell bei Vermietungen zum vorübergehenden Ge-                DIE GRÜNEN wollen reguläre Mieterhöhungen auf 2,5
     brauch sowie bei möblierten Zimmern innerhalb von Ver-              Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzen
     mieterwohnungen bestehen. Auch sie fordern qualifizier-             und befürworten ein gesetzliches bundeseinheitliches
GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF   11

Konzept zur Gewährleistung von Mietobergrenzen im             sen an reiner Wortzahl von allen Parteien am geringsten.
Bestand. DIE LINKE strebt auch hier die weitgehends-          Generell gehen die Programme in ihrem Umfang hier
ten zusätzlichen Eingriffe in die Eigentumsrechte der         nicht so stark auseinander wie im Bereich der Woh-
Vermieterinnen und Vermieter an und fordern bundes-           nungspolitik. So treffen alle Parteien konkrete Aussagen
weit einen Mietenstopp für bestehende Mietverträge in         zu zentralen Aspekten der Steuerpolitik. Bei der Art der
angespannten Wohnlagen und die Absenkung besonders            Positionierung lassen sich jedoch gerade bei den zentra-
hoher Mieten.                                                 len Fragen deutliche Unterschiede erkennen. Dies betrifft
                                                              vor allem die Frage der Erhöhung oder Senkung bzw.
                                                              Abschaffung bestimmter Steuerarten.
3.2.2 Finanzpolitik
                                                              Die FDP positioniert sich von allen Parteien am stärks-

D
         ie Finanzpolitik ist traditionell im Hinblick auf    ten in Richtung Steuersenkung. Die Begriffswahl ist
         eigentumsrelevante Fragen eines der am stärks-       dabei betont dynamisch (»Neuen Schwung«, »Eigen-
         ten umkämpften Politikfelder. Vorschläge zur         tumsturbo«) und bezieht sich in seiner Perspektive
Reformierung des komplexen deutschen Steuersystems            stark auf »Leistungsträger«. Bei der Einkommensteuer
nehmen in den diesjährigen Programmen genau wie               werden über Detailanpassungen (Komplettabschaffung
bei vergangenen Wahlen breiten Raum ein. Dies betrifft        Solidaritätszuschlag, Verlagerung Tarifgrenzen Spitzen-
einerseits zahlreiche Ausgestaltungsaspekte der Ein-          steuersatz, Spekulationsfrist für Wertpapiererträge)
kommensteuer wie das Ehegattensplitting, die Zukunft          Entlastungen angestrebt. Die Einführung neuer Steuern
des Solidaritätszuschlags oder Anpassungen in Höhe            wird entweder abgelehnt (Vermögensteuer) oder im
und Tarifgrenze des Spitzensteuersatzes. Andererseits         Programm nicht angesprochen (Digitalsteuer, Finanz-
hat die lebhafte internationale Diskussion über eine Be-      transaktionsteuer). Auch bei der AFD liegt der Fokus
steuerung großer Vermögen auch auf nationaler Ebene           auf steuerlichen Entlastungen. Die begriffliche Argu-
die Rufe nach Wiedereinführung einer allgemeinen Ver-         mentation ist hier kämpferischer geprägt und von einem
mögensteuer in Deutschland verstärkt, eine Forderung,         scharfen Abgrenzungsbedürfnis gegenüber den Parteien
die mittlerweile von allen drei links der Mitte angesiedel-   links der Mitte durchzogen. Die finanzpolitische Posi-
ten Bundestagsparteien vertreten wird. Verteilungspoli-       tionierung von CDU/CSU lässt sich im Wesentlichen als
tische Argumente stellen in dieser Debatte den dominie-       ein Plädoyer für die Bewahrung des Status Quo cha-
renden Faktor dar. Demgegenüber tauchen Maßnahmen             rakterisieren, ergänzt um punktuelle Reformen. Diese
zur Förderung privater Vermögensbildung als alternati-        weisen ähnlich wie bei FDP und AFD in Richtung Steuer-
ves verteilungspolitisches Instrument in der öffentlichen     senkung, mit Ausnahme des Einsatzes für eine Trans-
Debatte wie auch in den meisten der Wahlprogramme             aktionsteuer. Die Ausführungen im finanzpolitischen
kaum auf. Generell lassen sich im Feld der Finanzpolitik      Teil des SPD-Programms sind knapp und sprachlich
konträre Positionen hinsichtlich eigentumsrelevanter          nüchtern gehalten. Finanzpolitik wird hier in erster Linie
Regelungen relativ klar ausmachen. Die traditionelle La-      als Instrument gesehen, um die in anderen Programm-
gerbildung ist in diesem Politikfeld deutlich zu erkennen,    teilen dargestellten Zukunftsinvestitionen finanzieren
mit einem Lager, dessen Vorschläge weitgehend konsis-         zu können (»Wie wir unsere Politik finanzieren wollen«).
tent in Richtung Schutz bzw. Förderung von Eigentum           Vor diesem Hintergrund wird auch für die Beibehaltung
zielen (CDU/CSU, FDP und AFD) und einem Lager, das            steuerlicher Regelungen (Solidaritätszuschlag) und Ein-
in diesem Feld für Einschränkungen steht (SPD, GRÜNE          führung neuer Steuern (Vermögensteuer, Digitalsteuer,
und LINKE).                                                   Finanztransaktionsteuer) argumentiert. Daneben spielt
                                                              das Streben nach gerechter Verteilung der Lasten aus
Die Wahlprogramme im Vergleich                                der Corona-Krise argumentativ eine wichtige Rolle. Auch
                                                              DIE GRÜNEN formulieren trotz genereller Knappheit in
Im Programm der FDP nimmt die Finanzpolitik sowohl            Teilen recht detaillierte Reformvorschläge. Das Streben
in absoluter Wörterzahl als auch relativ gemessen den         nach Gerechtigkeit in verschiedenen Dimensionen als
breitesten Raum ein. Die finanzpolitischen Teile der Pro-     Ziel der Finanzpolitik dominiert hier die Argumentation.
gramme von CDU/CSU und DIE LINKE sind quantitativ             Daraus werden Forderungen zur stärkeren Besteuerung
ebenfalls relativ umfangreich. Vergleichsweise knapp          vor allem großer Konzerne abgeleitet. DIE LINKE sieht
fallen die Darstellungen dagegen bei GRÜNEN, SPD und          die Steuerpolitik als ein bevorzugtes Mittel der Vertei-
AFD aus. Bei den GRÜNEN ist der relative Anteil gemes-        lungspolitik (»Mit Steuern Umsteuern«). Daraus werden
12   GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF

     Forderungen nach Steuererhöhungen (Spitzensteuersatz          spezifizierten) persönlichen Freibeträgen. Die GRÜNEN
     Einkommensteuer, Erbschaftsteuer, Unternehmenssteu-           favorisieren denselben Steuersatz. Die Vermögensteuer
     ern) und Einführungen zusätzlicher Belastungen (Vermö-        solle nach ihrem Konzept für »Vermögen oberhalb von
     gensteuer, Vermögensabgabe, Finanztransaktionsteuer)          2 Millionen Euro pro Person« gelten, was als Freigrenze
     abgeleitet.                                                   (d. h. Besteuerung des Gesamtvermögens bei einem
                                                                   Vermögenswert > 2 Millionen Euro pro Person) verstan-
     Detailpositionen zu Themen mit unmit-                         den werden kann. DIE LINKE sieht hingegen in ihrem
                                                                   Konzept einen progressiven Tarif vor, bei einem Frei-
     telbarem Eigentumsbezug                                       betrag von lediglich 1 Million Euro im Falle von Privat-
                                                                   vermögen. Der Eingangssteuersatz beträgt 1 Prozent
     Als unmittelbar eigentumsrelevante Themen der Finanz-         und steigt bis zu einem Nettovermögen von 50 Millionen
     politik lassen sich zum einen solche Steuern klassifizie-     Euro stetig an. Ab 50 Millionen Euro ist der Höchst-
     ren, die bei der Substanz des Eigentums selbst (statt bei     steuersatz von 5 Prozent erreicht. Zusätzlich fordert DIE
     dessen Erträgen) ansetzen. Dies betrifft im deutschen         LINKE eine einmalige Vermögensabgabe zur Deckung
     Steuerrecht die bestehenden Substanzsteuern Erb-              der Pandemie-Kosten für Nettovermögen oberhalb von
     schaftsteuer, Grundsteuer (A / B), Schenkungsteuer sowie      2 Millionen Euro, welche ebenfalls progressiv gestaffelt
     die Debatte um die Wiedereinführung einer Vermögen-           ist. Alle drei Parteien sehen zugleich im Interesse der
     steuer. Diese Steuern sollen zwar grundsätzlich aus           Arbeitsplatzsicherheit die Notwendigkeit von Sonderre-
     den Erträgen bestritten werden, fallen jedoch auch bei        gelungen im Hinblick auf betriebliches Vermögen. Diese
     Ertragslosigkeit an, da der Substanzwert die Bemes-           werden jedoch nur teilweise präzisiert. Die SPD möchte
     sungsgrundlage darstellt. Nach unserer übergeordneten         die »Grundlage von Betrieben« schonen, DIE GRÜNEN
     Systematik (siehe Abschnitt 2) handelt es sich also um        sehen Bedarf für Begünstigungen speziell bei mittelstän-
     eine Maßnahmenkategorie mit Bezug zur Sicherung be-           dischen und Familienunternehmen. DIE LINKE sieht für
     stehenden Eigentums. Zum anderen finden sich in den           Betriebsvermögen schließlich einen erhöhten Freibetrag
     Programmen Vorschläge für Instrumente (spezifische            von 5 Millionen Euro vor, und zwar sowohl in Bezug auf
     Steuererleichterungen, Subventionen), die Anreize zur         die Vermögensteuer als auch der einmaligen Vermögens-
     Bildung privaten Vermögens setzen wollen. Es handelt          abgabe.
     sich hier also um Maßnahmen aus der Kategorie der
     Förderung privaten Eigentums.                                 Hinsichtlich anderer Substanzsteuern zeigen sich an-
                                                                   sonsten noch bei der Erbschaftsteuer unterschiedliche
     Abb. 4 stellt die Vorschläge der betrachteten Parteien        Positionen. DIE LINKE fordert eine Erhöhung dieser
     zu diesen Themen gegenüber. Im Zentrum der Aufmerk-           Steuer auf hohe Erbschaften sowie eine Abschaffung
     samkeit steht die Frage der Vermögensteuer: Dies ist          von Sonderregelungen für Betriebsvermögen bei der
     das einzige der betrachteten Themen, zu dem sich alle         Erbschaftsteuer. Die Privilegierung möchte auch die SPD
     Parteien explizit positionieren. Zugleich zeigt es auch die   mittels einer »effektiven Mindestbesteuerung« beenden,
     stärkste inhaltliche Divergenz. CDU/CSU, FDP und AFD          sie bezieht sich hier jedoch wörtlich lediglich auf »große
     lehnen eine Wiedereinführung grundsätzlich ab. CDU/           Betriebsvermögen«. CDU/CSU sind für eine Beibehal-
     CSU und FDP verweisen als Begründung jeweils auf eine         tung der bisherigen Regelungen, die FDP fordert ledig-
     erwartete Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit           lich eine Prüfung ihres Kosten-Nutzen-Verhältnisses.
     von Unternehmen, was Arbeitsplätze gefährde. Die AFD          Die AFD sieht hingegen Raum für eine Radikalreform in
     erwähnt die Vermögensteuer lediglich im Kontext von           Gestalt der Abschaffung sämtlicher Substanzsteuern.
     Substanzsteuern generell. SPD, DIE GRÜNEN und DIE             Voraussetzung sei »eine Konzentration auf die beiden
     LINKE treten hingegen für die Wiedereinführung einer          großen Steuerarten (Umsatzsteuer und Einkommen-
     Form von Vermögensteuer ein. In Bezug auf die Details         steuer)«. Zur genauen Ausgestaltung einer solchen
     der vorgeschlagenen Ausgestaltungen zeigen sich Ge-           Konzentration finden sich im Programm jedoch keinerlei
     meinsamkeiten und Unterschiede. Das Konzept der SPD           Hinweise, vorhandene Vorschläge wie vollständige Ab-
     sieht einen einheitlichen Steuersatz von 1 Prozent auf        schaffung des Solidaritätszuschlags weisen eher in die
     sehr hohe Vermögen vor, bei hohen (aber nicht näher           Gegenrichtung.
GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF        13

                                                             BÜNDNIS 90/
     THEMA            CDU/CSU               SPD                                        FDP               DIE LINKE                AFD
                                                             DIE GRÜNEN

Erbschaftsteuer    Keine Erhöhung     Effektive Mindest-           x               Überprüfung im      Erbschaftsteuer      Könnte ersatzlos
                                       besteuerung zur                           Hinblick auf Admi-     auf hohe Erb-       entfallen (bei Fo-
                                       Abschaffung der                              nistrierbarkeit   schaften erhöhen      kus auf Umsatz-
                                      Überprivilegierung                          (Kosten-Nutzen-                           und Einkommen-
                                       von Betriebsver-                               Verhältnis)                                steuer)
                                            mögen

Grundsteuer A/B           x                   x                    x                     x                    x             Könnte ersatzlos
                                                                                                                            entfallen (bei Fo-
                                                                                                                            kus auf Umsatz-
                                                                                                                            und Einkommen-
                                                                                                                                 steuer)

Vermögensteuer        Abgelehnt        Steuersatz: 1%;      Steuersatz: 1%;          Abgelehnt           Progressiver          Abgelehnt
                                       auf »sehr hohe«       auf Vermögen                               Tarif: 1%–5%;
                                          Vermögen           > 2 Mio. Euro                             auf Vermögen >
                                                                                                       1 Mio. Euro (pri-
                                                                                                      vat) bzw. > 5 Mio.
                                                                                                      Euro (betrieblich);
                                                                                                       Zusätzlich: Ver-
                                                                                                       mögensabgabe

Steuerrechtliche          x                   x               Abschaffung        Gewinne aus Ver-        Abschaffung                x
Behandlung                                                 Abgeltungsteuer;       äußerung von        Abgeltungsteuer;
Kapitalerträge                                               Unterwerfung         Wertpapieren:         Unterwerfung
                                                            unter den indivi-    Spekulationsfrist     unter den indivi-
                                                           duellen Steuertarif   von drei Jahren      duellen Steuertarif

Sparer-                Erhöhen                x               Beibehalten            Erhöhen             Beibehalten                x
Pauschbetrag

Arbeitnehmer-          Erhöhen                x                    x                 Erhöhen                  x                     x
sparzulage

Gestaltung          Eigene Anteils-           x                    x             Besteuerung erst             x                     x
Kapital-           klasse, Harmoni-                                              bei Veräußerung;
beteiligung             sierung                                                   eigene Anteils-
Mitarbeiter                                                                           klasse

Abb. 4: Programmpositionen der Parteien im Bereich Finanzpolitik mit unmittelbarem Eigentumsbezug
(x: nicht erwähnt)

Spezifische Themen im Bereich der Maßnahmenkate-                    Der Vorschlag der FDP, das gegenwärtige System durch
gorie »Förderung von Eigentumsbildung« werden jeweils               eine Spekulationsfrist von drei Jahren für Veräußerungs-
lediglich von wenigen Parteien aufgegriffen. So plädie-             gewinne aus Wertpapierverkäufen zu ergänzen, weist
ren CDU/CSU und FDP für eine Erhöhung des Sparer-                   in die Gegenrichtung. Hinsichtlich sonstiger Förder-
Pauschbetrags bei der Einkommensteuer, DIE LINKE                    instrumente fordern CDU/CSU und FDP eine Erhöhung
möchte ihn grundsätzlich »beibehalten«, während die                 der Arbeitnehmersparzulage im Rahmen der Förderung
anderen Parteien sich hierzu nicht explizit positionieren.          vermögenswirksamer Leistungen für Angestellte mit ge-
Bezüglich der spezifischen einkommensteuerrechtlichen               ringem Jahreseinkommen. Beide Parteien wollen zudem
Behandlung von Wertpapiererträgen fordern DIE GRÜ-                  die Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am
NEN und DIE LINKE die Abschaffung der gegenwärtigen                 unternehmerischen Eigenkapital als Mittel zum Ver-
Form von Kapitalertragsteuer mit einheitlichem Steuer-              mögensaufbau stärken. Eine Auflistung der diskutierten
satz und stattdessen die Unterwerfung der Kapital-                  Maßnahmen zur Finanzpolitik differenziert nach Wir-
erträge unter den individuellen Einkommensteuertarif.               kungsrichtung ist im Anhang in Abb. 8 zu finden.
14   GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF

     3.2.3 Unternehmenspolitik                                    möchte die CDU/CSU die steuerliche Forschungs-
                                                                  zulage ver-doppeln, um Innovationsanreize zu setzen.

     D
              ie Schwerpunkte in den Wahlprogrammen hin-          Eine direkte Förderung von Eigentum postulieren auch
              sichtlich der Unternehmenspolitik sind vielfälti-   DIE GRÜNEN und die FDP. Sie möchten die Abschrei-
              ger Natur. Generell identifizieren alle in dieser   bungszeiträume für Unternehmen verkürzen, um private
     Studie untersuchten Parteien die Unternehmenspolitik         Investitionen anzuregen. Die FDP strebt zusätzlich eine
     als Kernelement ihres Wahlprogramms. Zwei wesent-            Erhöhung der Sofortabschreibungsgrenze für gering-
     liche Aspekte mit unmittelbarem privatem Eigentums-          wertige Produkte an. DIE GRÜNEN schlagen eine zeitlich
     bezug sind die Innovationspolitik sowie die Gründungs-       befristete degressive Abschreibung von mindestens 25
     förderung, wobei alle Parteien die Innovationspolitik als    Prozent für nachhaltige (klimafreundliche) Investitionen
     zentralen Baustein anerkennen, jedoch unterschiedliche       vor. DIE LINKE argumentiert allgemeiner und möchte die
     Akzente setzen. Bei der Gründungsförderung treffen           ökologische Modernisierung sowie die regionale Struk-
     DIE LINKE und die AFD keine Aussage. Die politischen         turpolitik fördern und Genossenschaften unterstützen.
     Tendenzen sind parteiübergreifend relativ konsistent.        Die AFD zielt auf Verbesserungen in den MINT-Fächern
     Im Zentrum steht die Förderung/Sicherung von zukünf-         (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik)
     tigem/jetzigem Eigentum in Form von Betriebsvermö-           und eine Förderung des »Erfindergeistes« ab. Konkrete
     gen sowie dadurch mittelfristig erzieltem individuellem      Ausgestaltungen und Maßnahmen werden nicht genannt.
     Kapital. In keinem der vorliegenden Wahlprogramme
     findet sich Vorschläge zur Einschränkung/Ausweitung          Um Gründungen zu fördern, möchten alle Parteien
     der Verfügungs- und Nutzungsrechte über das private          Zukunftsfonds oder Kreditprogramme aufsetzen oder
     Eigentum im Bereich der Unternehmenspolitik. Lediglich       ausweiten, wobei diese jedoch in ihrer Zielsetzung
     bei mittelbar eigentumsbezogenen Aspekten der Unter-         variieren. Die CDU/CSU, DIE GRÜNEN und die FDP
     nehmenspolitik finden sich Vorschläge, die in Richtung       wollen insbesondere Wagniskapital für Technologie-
     Einschränkung zielen, etwa im Hinblick auf Anpassungen       unternehmen bereitstellen und damit die Digitalisierung
     im Mindestlohn und der Forderung nach einer Tarifbin-        vorantreiben. Zusätzlich streben FDP und DIE GRÜNEN
     dung in allen Branchen.                                      einen speziell für Frauen eingerichteten Wagniskapital-
                                                                  fonds an, um Gründerinnen den Zugang zu Kapital zu
     Die Wahlprogramme im Vergleich                               erleichtern. Außerdem schlägt die FDP vor, derzeitige
                                                                  Hürden beim Eigenkapitaleinsatz von Wagniskapital
     Die Ausführungen der SPD, DIE LINKE sowie der AFD zu         aufzuweichen, damit neben staatlichen Mitteln auch
     wirtschaftspolitischen Fragestellungen sind im Vergleich     weitere Gelder bei der Unternehmensgründung zum
     zur Länge der Parteiprogramme vom Umfang her sehr            Einsatz kommen können. DIE GRÜNEN, SPD und DIE
     kurzgehalten. Die CDU/CSU, die FDP und DIE GRÜNEN            LINKE setzen, konsistent zu ihren Grundüberzeugun-
     legen quantitativ einen größeren Fokus auf den Bereich       gen, speziell auf nachhaltige Investitionen im Bereich
     der Unternehmenspolitik. Insgesamt finden Begriffe in        Umwelt und Klima. Hier konkretisieren jedoch nur DIE
     Bezug auf Zukunftsfähigkeit, Modernisierung und Förde-       GRÜNEN ihre Vorschläge. Sie fordern für an den UN-
     rung in allen Wahlprogrammen Einzug, wobei die AFD die       Nachhaltigkeitszielen ausgerichteten Unternehmen eine
     derzeitige Situation als äußerst negativ beschreibt, die     Absenkung des Gründungskapitals auf maximal 25.000
     anderen Parteien diese hingegen als Chance begreifen.        Euro. Damit soll der Personenkreis derjenigen, die ein
                                                                  Unternehmen gründen könnten, ausgeweitet werden.
                                                                  Die CDU/CSU, DIE GRÜNEN sowie die FDP sehen den
     Detailpositionen zu Themen mit unmit-
                                                                  derzeitigen bürokratischen Aufwand bei der Gründung
     telbarem Eigentumsbezug                                      eines Unternehmens als Problem an und fordern eine all-
                                                                  gemeine Entlastung und Lockerung der Meldepflichten.
     Im Bereich der Innovationspolitik schlagen alle Parteien     DIE GRÜNEN gehen dabei noch einen Schritt weiter. Sie
     eine allgemeine Förderung von Innovation vor. Die CDU/       wollen die Meldepflicht in den ersten beiden Jahren der
     CSU möchte bis 2025 3,5 Prozent des Bruttoinlands-           Gründung komplett aussetzen und die Gewinngrenze für
     produkts für Forschung und Entwicklung aufwenden.            die Berichtspflicht erhöhen, um Soloselbstständige zu
     Die SPD schlägt denselben Prozentsatz vor, gibt je-          entlasten.
     doch keinen Zeitraum zur Zielerreichung an. Zusätzlich
GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF   15

Alle oben vorgestellten Vorschläge der Parteien zur Inno-   Nutzungs- und Publikationsgebühren von Verlagen
vationspolitik und zum Gründungsgeschehen dienen der        verboten und Open-Access-Strategien für die Veröffent-
Sicherung sowie der Förderung privaten Eigentums.           lichung von Forschungsergebnissen und den Zugang
                                                            zu Forschungsdaten entwickelt werden. DIE GRÜNEN
                                                            unterstützen ebenfalls Open-Access Strategien im Um-
3.2.4 Geistiges Eigentum                                    gang mit Forschungsergebnissen.

U
       nter geistigem Eigentum wird das Recht an            Als einzige Partei kündigt die CDU/CSU an, sich für den
       Schöpfungen des menschlichen Intellekts bzw.         Schutz des geistigen Eigentums im Bereich der Hoch-
       an immateriellen Gütern verstanden, welches          technologie vor internationalen Handelspartnern wie
durch gewerbliche Schutzrechte wie Patente, Marken          China einzusetzen und möchte sich entschlossen »den
oder gewerbliche Muster oder durch Urheberrechte (z. B.     Versuchen zu feindlichen Übernahmen von Patenten und
für Kunst und Literatur) geschützt werden kann (DPMA,       Lizenzen deutscher Unternehmen« entgegenstellen.
2021).
                                                            Vor dem Hintergrund der aktuell herrschenden globalen
Die Wahlprogramme im Vergleich                              Corona-Pandemie ist ein Thema, das in allen Wahlpro-
                                                            grammen außer dem der AFD auftaucht, das Patentrecht
Geistiges Eigentum wird in den Wahlprogrammen der           im Gesundheitsbereich. Die FDP und die CDU/CSU
Parteien innerhalb der Bereiche Forschung, Kultur- und      sprechen sich in ihren Wahlprogrammen klar für den
Medienwirtschaft, Gesundheit und Umwelt knapp disku-        Schutz von Patenten auf Medikamente und Impfstoffe
tiert, findet insgesamt jedoch relativ wenig Beachtung.     aus. Die SPD äußert sich uneindeutig, deutet jedoch
                                                            an, dass in bestimmten Situationen Patente und Verfü-
Die FDP unterbreitet Vorschläge zur Lockerung des Ur-       gungsrechte über geistiges Eigentum im Zusammenhang
heberrechts im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft    mit Arzneimitteln durch den Staat ausgehebelt werden
nach dem Fair-Use-Prinzip. Die derzeitigen urheber-         könnten: »Wir sehen es als unsere Pflicht an, dafür zu
rechtlichen Beschränkun-gen sollen demnach durch eine       sorgen, dass hier entwickelte Medikamente in ärmeren
Bagatellklausel für private, nicht-kommerzielle Nutzun-     Ländern nicht überteuert und knapp sind«. Die Vorschlä-
gen, die keine wirtschaftlichen Folgen haben, gelockert     ge von DIE GRÜNEN und DIE LINKE sehen ein flexibles
werden. DIE LINKE plädiert ebenfalls dafür, dass die        Patentrecht bei Medikamenten, Schutzstoffen und Impf-
nicht-kommerzielle Vervielfältigung und Nutzung ur-         stoffen vor, sodass Medikamente und Impfstoffe in allen
heberrechtlich geschützter Software nicht kriminalisiert    Ländern »erschwinglich und zugänglich« sind. DIE LINKE
werden darf. Zudem lehnen FDP, AFD und DIE LINKE            spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Patente
den Einsatz von Upload-Filtern, die beim Hochladen          »tödlich sein« können und plädiert dafür, dass »mit öf-
von Dateien u.  a. Urheberrechtsverletzungen aufdecken      fentlichen Mitteln geförderte Forschung im Rahmen des
sollen, ab, da sie diese als Bedrohung der Meinungs-        Equitable Licensing (der sozialverträglichen Patentver-
und Kunstfreiheit im Internet sehen. DIE GRÜNEN und         wertung) zu sozialen Konditionen an ärmere Länder und
DIE LINKE setzen sich für eine Stärkung der Rahmen-         Generikaproduzenten abgegeben« werden soll.
bedingungen für Urheberinnen und Urheber in der
Kultur- und Kreativwirtschaft ein und plädieren für deren   Der Umgang mit geistigem Eigentum im Bereich Umwelt
Gewinnbeteiligung an den Verbreitungsplattformen. Die       wird in den Wahlprogrammen von DIE GRÜNEN und
AFD schlägt ebenfalls eine Korrektur der »Defizite im       DIE LINKE angesprochen. Beide Parteien unterstützen
EU-Urheberrecht« vor, nennt jedoch keine konkreten          die Abschaffung von Patenten auf Saatgut, Pflanzen
Vorschläge zur Umsetzung. DIE LINKE schlägt vor, eine       und Tiere.
Ausnahme für Bildung und Forschung im Urheberrecht
zu verankern und argumentiert, dass wissenschaftliche
Erkenntnisse, die mit Steuergeldern entwickelt wurden,      3.2.5 Klimapolitik
für alle zugänglich sein müssen. Darüber hinaus setzt

                                                            M
sich DIE LINKE für die Abschaffung der exklusiven Nut-               it Ausnahme der AFD bekennen sich alle hier
zungsrechte für Verlage an wissenschaftlichen Erkennt-               analysierten Parteien zu den Klimazielen der
nissen ein. So soll das Zweitveröffentlichungsrecht für              Bundesregierung und der EU. Während also
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gelockert,         über das Ziel – globale Reduktion von klimaschädlichen
16   GUTACHTEN ZUM EIGENTUMSBEGRIFF

     Emissionen – parteiübergreifend überwiegend Einigkeit       große Konzerne, insbesondere Energieunternehmen,
     besteht, unterscheidet sich die Art der vorgeschlagenen     entmachten und deren Produktion an sozialen und öko-
     ökonomischen Instrumente zur Erreichung der Klimaziele      logischen Zielen ausrichten. DIE LINKE verlangt zudem
     zwischen den Parteiprogrammen. Die Politik kann durch       ein striktes Nachtflugverbot, ein generelles Flugverbot
     Umweltvorschriften (Gebote und Verbote), staatliche         auf Strecken unter 500 Kilometern und einen Zusam-
     Korrekturen (Steuern und Abgaben) und marktorientierte      menschluss von Deutscher Bahn und Lufthansa, damit
     Instrumente wie beispielsweise den Emissionszertifika-      Luft- und Schienenverkehr nicht in Konkurrenz zueinan-
     tehandel klimaschädliches Handeln regulieren (Ringel,       derstehen. Klimaschutz soll nach Vorschlägen von DIE
     2021). Während Gebote und Verbote sowie Steuern             LINKE als Erweiterung der Grundrechte in die Verfas-
     und Abgaben bestehende Eigentums- oder Verfügungs-          sung aufgenommen werden. Alle politischen Entschei-
     rechte eher einschränken, wird durch die Verteilung von     dungen und die Verfügung über Eigentum müssten sich
     Verschmutzungsrechten im Emissionszertifikatehandel         damit auch am Klimaschutz orientieren.
     neues Eigentum geschaffen.
                                                                 Im Gegensatz zu DIE LINKE und DIE GRÜNEN setzt die
     Die Wahlprogramme im Vergleich                              FDP klar auf die Förderung von Innovation und Wettbe-
                                                                 werb im Klimaschutz statt auf Steuern und Verbote. Der
     Die Klimapolitik spielt im Wahlprogramm von DIE GRÜ-        Ausstoß von CO2 soll durch einen einheitlichen CO2-
     NEN im Parteienvergleich mit Abstand die größte Rolle       Preis auf Basis eines sektor- und länderübergreifenden
     und zieht sich hier durch nahezu alle Politikbereiche.      Emissionshandels reguliert werden. Der Staat soll hierbei
     DIE GRÜNEN setzen bei der Bekämpfung des Klima-             lediglich die CO2-Menge festlegen, der Preis wird allein
     wandels auf einen Instrumentenmix, der sowohl eigen-        durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage
     tumseinschränkende Umweltvorschriften, staatliche           am Markt gebildet. Umweltsteuern (EEG-Umlage und
     Korrekturen wie Steuern und Subventionen als auch den       die Stromsteuer) sollen hingegen drastisch gesenkt oder
     Emissionshandel umfasst. DIE GRÜNEN streben eine            abgeschafft werden. Auch im Verkehrsbereich lehnt die
     »Energierevolution« an, die durch einen schnellen Aus-      FDP Verbote (z. B. Tempolimit, Verbote von Verbren-
     stieg aus den fossilen Brennstoffen und eine »massive       nungsmotoren, Fahr- oder Flugverbote) explizit ab und
     Ausbauoffensive für die Erneuerbaren« gekennzeichnet        setzt hier ebenfalls auf die Anreizwirkung des Emissions-
     ist. Für die finanzielle Umsetzung schlagen DIE GRÜNEN      handels. Die FDP unterstützt zudem die Privatisierung
     eine »umfassende Steuer- und Abgabenreform« vor. Im         des Bahnbetriebs.
     Verkehrssektor setzen DIE GRÜNEN überwiegend auf
     Umweltvorschriften (z. B. nur Zulassung »emissionsfrei-     Ähnlich wie die FDP befürwortet auch die CDU/CSU die
     er« Autos ab 2030, Tempolimit von 130 km/h auf Auto-        Ausweitung des europäischen Emissi-onshandels auf
     bahnen, CO2-orientierte Maut und Flottengrenzwerte für      weitere Sektoren, wie z. B. den Verkehrs- und Wärme-
     den Lkw-Verkehr, Nachtflugverbot, Erhöhung von klima-       sektor, und strebt langfristig einen globalen Emissions-
     neutralen Kraftstoffen im Kerosin). DIE GRÜNEN wollen       handel an. Die EEG-Umlage soll abgeschafft werden und
     Bahnverkehr und öffentlichen Personennahverkehr aus-        energiebezogene Steuern, Umlagen und Entgelte stärker
     bauen und die Verantwortung des Staates dafür erhö-         auf den CO2-Ausstoß ausgerichtet werden. Darüber hin-
     hen. Nach den Vorschlägen von DIE GRÜNEN soll der           aus setzt die CDU/CSU auf Innovation und schlägt vor,
     EU-weite Emissionshandel »als Instrument von Vielen«        Investitionen in Klimatechnologien und Energieeffizienz
     reformiert und durch eine Reduzierung der Zertifikate mit   zur CO2-Reduktion künftig steuerlich attraktiver zu ge-
     den Klimazielen 2030 in Einklang gebracht werden. Der       stalten. Die CDU/CSU spricht sich gegen Dieselfahrver-
     für die Bereiche Verkehr und Wärme national erhobene        bote oder ein generelles Tempolimit auf Autobahnen aus
     CO2-Preis soll künftig erhöht werden.                       und setzt insgesamt überwiegend auf marktwirtschaft-
                                                                 liche Instrumente und deren Anreize anstatt auf Verbote.
     Im Vergleich zu DIE GRÜNEN plant DIE LINKE im Kli-
     maschutz noch stärker in die Verfügungsrechte einzu-        Ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien steht
     greifen und setzt überwiegend auf strikte Verbote und       auch im Zentrum der Klimapolitik der SPD. Die SPD
     Beschränkungen. Den Emissionshandel hält DIE LINKE          möchte die EEG-Umlage abschaffen und mit den Ein-
     für ein unwirksames Klimaschutzinstrument. Sie for-         nahmen aus der CO2-Bepreisung für günstigen Strom
     dern eine Energiewende mit 100 Prozent erneuerbaren         sorgen. Der CO2-Preis soll das Ergebnis des 2021 ein-
     Energien bis 2035. Um dies umzusetzen, will DIE LINKE       geführten nationalen Emissionshandels sein, welcher
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