Der Einfluss der Rumpfstabilität auf die Schnell- und Reaktivkraft der Beine im Eishockey - Uni Salzburg ...
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Interfakultärer Fachbereich für Sport- und Bewegungswissenschaft / USI Paris Lodron-Universität Salzburg Der Einfluss der Rumpfstabilität auf die Schnell- und Reaktivkraft der Beine im Eishockey Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades MSc. Sports Physiotherapy Universitätslehrgang Msc. Sports Physiotherapy eingereicht von Janine Dietsch am 19.01.2020 Gutachter: Assoz.- Prof. Dr. Josef Kröll
Eidesstattliche Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig ver- fasst, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die benutzten Quellen beziehungsweise wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Zürich, den 19.01.2020 Janine Dietsch Janine Dietsch 1
Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen Personen bedanken, die mich bei der Verfassung dieser Masterthesis unterstützt haben. Ein grosser Dank gilt dem EV-Zug. Dort insbesondere dem Sportchef Reto Kläy, den Athletik Coaches Mike Slongo, Cyrill Gerber und Aylin Kügüc, welche mich in der Planung und Durchführung dieser Studie unterstützt haben und mir die Testwerkzeuge des Vereins und die Mannschaften zur Verfügung stellten. Weiterhin der Junioren Elite Mannschaft des EV-Zug, welche sich als Probanden zur Verfügung gestellt haben und das Rumpftraining durchgeführt haben. Sowie den Trainern Fabio Schuhmacher und Marcel Jenni, welche die Intervention konsequent unterstützt und in das Training integriert haben. Ebenso bedanke ich mich bei meinem Arbeitgeber dem Zuger Kantonsspital für die Unterstützung und Befürwortung in der Durchführung dieser Weiterbil- dung. Mein besonderer Dank gilt meinem Ehemann, für seinen Rückhalt, seine Ge- duld während dieser Zeit und seine Unterstützung im immer wieder Gegenle- sen und Korrigieren. Abschliessend bedanke ich mich bei Assoz.- Prof. Dr. Josef Kröll für die Be- treuung, Begutachtung und Unterstützung zur Erstellung dieser Masterthesis. Janine Dietsch 2
Inhalt Abstract .............................................................................................. 5 Einleitung ............................................................................................ 7 1 Theoretische Grundlagen............................................................ 10 1.1 Belastungen / Anforderungen / Fähigkeiten im Eishockey ... 10 1.2 Modelle / Definitionen / Aussagen zur Rumpfstabilität.......... 12 1.2.1 Rumpfstabilität nach Panjabi .......................................... 12 1.2.2 Rumpfstabilität nach Bergmann ..................................... 14 1.2.3 Rumpfstabilität nach Kibler............................................. 17 1.2.4 Rumpfstabilität nach McGill ............................................ 18 1.2.5 Aussagen zur Rumpfstabilität nach Ledermann ............. 21 1.2.6 Zusammenfassung der Modelle und Aussagen ............. 22 1.3 Muskuläre Verbindung zwischen Rumpf unteren Extremität 23 1.4 Definition von Schnell-und Reaktivkraft ................................ 25 2 Forschungsstand ........................................................................ 27 2.1 Zusammenhang Verletzungen unterer Extremität und Rumpfstabilität ....................................................................... 28 2.2 Zusammenhang Rumpfstabilität und sportliche Leistungen . 31 2.3 Forschungsdefizit ................................................................. 34 3 Zentrale Forschungsfrage und Hypothesen ................................ 36 3.1 Fragestellungen.................................................................... 36 3.2 Hypothesen .......................................................................... 36 3.2.1 Hypothese 1 ................................................................... 36 3.2.2 Hypothese 2 ................................................................... 36 4 Methodik ..................................................................................... 37 4.1 Stichprobe ............................................................................ 37 Janine Dietsch 3
4.2 Versuchsplan........................................................................ 38 4.3 Messungen und Testinstrumente ......................................... 40 4.3.1 Counter-Movement-Jump (CMJ) .................................... 41 4.3.2 Drop Jump (DJ) .............................................................. 42 4.3.3 20-Meter Kurzsprint ........................................................ 43 4.3.4 Rumpfkrafttestung .......................................................... 44 4.4 Intervention........................................................................... 47 4.4.1 Übungsprogramm........................................................... 48 4.5 statistische Auswertung ........................................................ 51 5 Ergebnisse .................................................................................. 52 5.1 Counter-Movement-Jump ..................................................... 52 5.2 Drop Jump ............................................................................ 54 5.3 20-Meter Kurzsprint .............................................................. 57 5.4 Rumpfextension ................................................................... 59 5.5 Rumpfflexion ........................................................................ 61 5.6 Zusammenfassende Tabelle ................................................ 63 6 Diskussion................................................................................... 64 7 Schlussfolgerung ........................................................................ 73 8 Abbildungsverzeichnis ................................................................ 74 9 Tabellenverzeichnis .................................................................... 76 10 Literaturverzeichnis.................................................................. 77 11 Anhang .................................................................................... 82 Janine Dietsch 4
Abstract Abstract Ziel der vorliegenden Masterarbeit ist es herauszufinden, ob ein Rumpfstabilitätsprogramm Einfluss auf die Schnell- und Reaktivkraft der Beine im Eishockey hat. Weiterhin soll die Frage beantwortet werden, ob und in welchem Ausmass dadurch ein Effekt auf die Rumpfkraft selbst entsteht. Hierzu wird eine experimentelle Studie (Random Control Trial) mit einer Inter- ventions- und Kontrollgruppe durchgeführt. Zwanzig männliche Elite Junioren Eishockeyspieler werden dafür vom Eishockeyverein EV-Zug rekrutiert. Diese werden zufällig und in ausgewogener Verteilung der Jahrgänge in eine Inter- ventions- und Kontrollgruppe eingeteilt. Die Interventionsgruppe führt während eines Zeitraums von acht Wochen im Training ein Rumpfstabilisationsprogramm in Form eines Rumpfzirkeltrainings mit statischen Übungen durch. Die Kontrollgruppe führt ihr normales Training ohne zusätzliche Übungen durch. Die Rumpfkraft wird in einem Eingangs- und Ausgangstest anhand zweier Tests aus der McGill-Testbatterie zur Erfassung der Kraftausdauer der Rumpfflexoren und -extensoren in der absoluten Haltezeit ermittelt. Die Schnell- und Reaktivkraft der Beine wird in einem Eingangs- und Aus- gangstest durch den Counter Movement Jump, den Drop-Jump und einem 20-Meter Kurzsprint ermittelt und überprüft. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen zwischen den Gruppen über die Zeit keine signifikanten Interaktionseffekten zwischen Kontroll-und Interventions- gruppe auf die Schnell- und Reaktivkraft der Beine sowie auf die Rumpfkraft- selbst durch ein Rumpfkrafttraining auf. Um abschliessende und gesicherte Antworten und Ergebnisse aus dieser ex- perimentellen Studie ableiten zu können, müsste in einer weiterführenden Stu- die das Rumpfstabilisationsprogramm in der Übungsauswahl angepasst wer- den. Für Athleten, die sich bereits auf einem hohen Ausgangsniveau des Trai- ningszustands befinden, sollten Volumen und Intensität des Rumpftrainings erhöht werden. Ob funktionelle Übungen im Unterschied zu den hier unter- suchten statischen Übungen einen Effekt haben, müsste in einer eigenen Stu- die untersucht werden. Janine Dietsch 5
Abstract Spielsportarten stellen in ihren Belastungen unterschiedliche Anforderungen an die Muskulatur und damit an die Rumpfstabilität dar. Daher ist anzuneh- men, dass im Training sowohl im Low-Load-Bereich, als auch im High-Load- Bereich, trainiert werden sollte. Dies lässt die Vermutung zu, dass ein variables Rumpfkrafttraining, welches unter anderem dynamische und schnelle Bewegungen beinhaltet, möglicher- weise einen grösseren Effekt bewirken könnte. Die sowohl in der Literatur als auch in der Praxis nicht eindeutige Differenzie- rung zwischen Rumpfkraft und Rumpfstabilität erschwert zusätzlich klare Aus- sagen darüber. Es bedarf daher der Entwicklung von aussagekräftigeren Test- batterien. Die durchgeführte Studie zeigt auf, dass der angenommene Transfer auf die Leistungssteigerung der Extremitäten durch ein statisches Training des Rumpfes überschätz wird. Diese Masterarbeit ist sowohl für Physiotherapeu- ten, Ärzte sowie Athletiktrainer und Sportverbände im Eishockey und andere Spielsportarten interessant. Janine Dietsch 6
Einleitung Einleitung In der Literatur werden viele Begrifflichkeiten wie Rumpfstabilität, Rumpfkraft, Core Muskulatur, Core, Core Training verwendet und es sind viele nicht einheitliche Definitionen und Aussagen dazu zu finden. Welche Faktoren genau die Rumpfstabilität definieren, bzw. welche für eine gute Stabilität des Rumpfes wichtig und entscheidend sind, ist nicht einheitlich benannt. Weiterhin werden die Begrifflichkeiten Rumpfstabilität und Rumpf- kraft in der Literatur und in der Praxis nicht eindeutig und nicht differenziert verwendet. Während es im Bereich Therapie verschiedene Forschungsarbeiten gibt, wel- che den Einfluss der Funktionsfähigkeit des Rumpfes auf Dysfunktionen, Symptome und Schmerzen an der Wirbelsäule nachweisen, mangelt es im Bereich Sport an Studien bzgl. des Einflusses eines gut funktionierenden «Cores» und seiner positiven Auswirkung auf die Leistung der Extremitäten im Sport und somit beim gesunden Mensch. In diesem Zusammenhang sagt Rogan (2013), dass die Rumpfkraft mit ihren verschiedenen Kraftarten wie Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer eine wichtige Grundvoraussetzung für die «Kontaktsportart» Eishockey ist. Weiterhin sagt er, dass die Kraftausdauer des Rumpfes im Eishockey im mehrjährigen Verlauf im Gegensatz zu der Beinkraft keinen Kraftzuwachs auf- weist (Rogan, Blasimann, Nyffenegger, Zimmerli, & Radlinger, 2013). Laut Bourban (2001) ist die Stabilität des Rumpfes nicht nur in der Verlet- zungsprävention, sondern auch in der Kraftübertragung und Kraftverteilung auf die Extremitäten wichtig (Bourban, Hubner, Tschopp, & Marti, 2001). Eine Mindestkraft des Rumpfes stellt für ihn die Voraussetzung für die Über- tragung grosser Kräfte auf die Beine dar. Eine mangelnde Rumpfkraft kann demnach zu Einbussen in der sportlichen Leistung und zu gesundheitlichen Problemen führen. Er stellt in 43 Sportarten unterschiedliche Rumpfkraftni- veaus fest, wobei Eishockey zusammen mit Fussball das tiefste Resultat er- zielt (Bourban et al., 2001). Dies führt er unter anderem darauf zurück, dass sich das Wissen über die Rumpfkraft als konditionelle Leistungsvoraussetzung dort noch nicht Janine Dietsch 7
Einleitung durchgesetzt hat und es häufig noch an einer Sensibilisierung der Athleten bzgl. der Bedeutung der Grundkraft des Rumpfes fehlt (Bourban et al., 2001). Aus diesen Aussagen lässt sich schliessen, dass im Zuwachs der Kraftaus- dauer des Rumpfes noch Potentiale zur Verbesserung liegen. Dies in der Kraft des Rumpfes selbst als auch in der daraus resultierenden Wirkung auf die Funktion der Beine im Eishockey und in anderen Sportarten. Trotz all dieser Überzeugungen liefert die Wissenschaft wenig gesicherte Be- weise zur Beziehung zwischen der Rumpfstabilität und deren Auswirkung auf die Funktion der Extremitäten im Sport. Dabei bleibt oft die Frage offen, ob «Core Training» Leistungen im Sport stei- gern kann und somit sinnvoll ist? Diese Arbeit versucht, eine Antwort auf die Frage, ob ein statisches Rumpfsta- bilisationstraining Einfluss auf die Schnell- und Reaktionskraft der Beine im Eishockey hat, zu finden. Zusätzlich soll beantwortet werden, ob und welcher Effekt sich nach einem achtwöchigen Rumpfstabilisationstraining am Rumpf selbst zeigt. Der theoretische Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit den Belastungen wel- che im Eishockey auf den Athleten treffen und welchen Anforderungen dieser standhalten muss. Danach werden unterschiedliche Modelle, Definitionen und Aussagen aus der Literatur zum Thema Rumpfstabilität aufgeführt und gegenübergestellt. Weiterhin werden die muskulären Verbindungen zwischen Rumpf und unterer Extremität erläutert, sowie die Schnell- und Reaktivkraft definiert. Der zweite Abschnitt setzt sich mit dem Forschungsstand bzw. mit verschie- denen Studien aus der Literatur, welche sich erstens mit der Prävention bzw. dem Zusammenhang von Verletzungen der unteren Extremität und der Rumpfstabilität im Sport beschäftigen auseinander. Zweitens mit der Frage der Rumpfstabilität und ihrer Auswirkung auf die Leistung der Extremitäten im Sport. Die sich aus dem Forschungsstand ergebenden Defizite bilden die Grundlage für die durchgeführte Studie. Janine Dietsch 8
Einleitung Im dritten Abschnitt wird die empirische Studie dieser Masterarbeit mit den Parametern Stichprobe, Versuchsplan, Messung, Intervention und der statis- tischen Auswertung vorgestellt. Weiterhin werden die Ergebnisse präsentiert, diskutiert und Schlussfolgerungen daraus gezogen. Janine Dietsch 9
Theoretische Grundlagen 1 Theoretische Grundlagen 1.1 Belastungen / Anforderungen / Fähigkeiten im Eishockey Eishockey ist eine sehr körperbetonte Mannschaftssportart und bein- haltet bzw. verlangt als Spielsportart dem Athleten und dessen Körper eine Vielzahl an Anforderungen ab. Es gilt als eine der schnellsten, aber auch ver- letzungsträchtigsten Teamsportarten (Weisskopf, 2010). Vergleicht man laut Montgomery (2006) die kanadischen Eishockeyspieler aus den 1920er und 1930er Jahren mit den heutigen Spielern, sind diese durchschnittlich 17 kg schwerer, 10 cm größer und haben einen 2,3 kg/m2 erhöhten BMI (Abbildung 1). Diese Zunahme an Körpermasse ist laut ihm klar mit dem Zuwachs an Kraft des Oberkörpers in Verbindung zu bringen. Wei- terhin wurde festgestellt, dass die Athleten in dieser Zeit nicht nur grösser, sondern auch stärker und schneller geworden sind. Diese körperliche Ent- wicklung hat bei Verletzungen durch Kollisionen mit anderen Spielern, durch die erhöhte Masse und Geschwindigkeit, sowohl negative als positive Folgen (Montgomery, 2006). Abbildung 1: körperliche Entwicklung kanadischer Eishockeyspieler (Montgomery, 2006) Gröger (2001) vermutet, dass vor allem im Juniorenbereich unter anderem die körperliche Überlegenheit entscheidend für den Erfolg sein kann (Gröger, Oettl, & Tusker, 2001). Primär werden laut Potteiger (2010) im Einsatz explosiv-schnelle sowie maxi- male Kräfte benötigt und dies unter der zusätzlichen Schwierigkeit einer Un- terlage aus Eis (Potteiger, Smith, Maier, & Foster, 2010). Es müssen maxi- male Leistung (= Kraft x Geschwindigkeit) unter Wahrung des Gleichgewichts Janine Dietsch 10
Theoretische Grundlagen und der Stabilität realisiert werden. Dies alles im Offensiv- und Abwehrspiel und unter Einbezug der Bewegungen und Attacken des Gegenspielers. Eine Ausgewogenheit und ein optimales Niveau der Fähigkeiten, Schnelligkeit, Kraft, Beweglichkeit, aeroben und anaerobe Leistungsfähigkeiten können im Eishockey für den Erfolg entscheidend sein (Potteiger et al., 2010). Insgesamt kann gesagt werden, dass der Körper des Athleten im Eishockey sehr grossen Belastungen ausgesetzt ist, auf welche er gezielt und spezifisch vorbereitet werden muss. Beweglichkeit, Wendigkeit, Schnelligkeit und ver- schiedene Kraftformen des Rumpfes sowie der Extremitäten sind nur einige sportartspezifische Belastungen und Anforderungen im Eishockey. Profispieler laufen nicht selten bis zu 15 Kilometer pro Spiel, beim Skating werden Geschwindigkeiten von bis zu 45 km/h erreicht und im Zweikampf kommt es sehr häufig zu Bodychecks. Der Spieler muss in der Lage sein, ein dauerhaft hohes Lauftempo und immer wieder explosive Sprints zu absolvie- ren (Rogan et al., 2013; Weisskopf, 2010). Die Sprints werden laut Gröger (2001) in Form von Power Skatings absolviert, welche durch schnelle Wechsel in Schnelligkeit und Richtung gekennzeichnet sind (Gröger et al., 2001). In diesem Zusammenhang sagt Rogan (2013), dass die Rumpfkraft mit ihren verschiedenen Kraftarten wie Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer eine wichtige Grundvoraussetzung für diese «Kontaktsportart» ist (Rogan et al., 2013). Weiterhin sagt er, dass die Kraftausdauer des Rumpfes im Eisho- ckey im mehrjährigen Verlauf im Gegensatz zu der Beinkraft keinen Kraftzu- wachs aufweist (Rogan et al., 2013). Daraus lässt sich schliessen, dass im Zuwachs der Kraftausdauer des Rump- fes noch Potentiale zur Verbesserung liegen. Dies in der Kraft des Rumpfes selbst als auch in der daraus resultierenden Wirkung auf die Funktion der Beine. Beides wird in dieser Arbeit untersucht. Janine Dietsch 11
Theoretische Grundlagen 1.2 Modelle / Definitionen / Aussagen zur Rumpfstabilität Wie bereits angesprochen, werden in der Literatur viele Begrifflichkei- ten und nicht einheitliche Definitionen und Aussagen für die Rumpfstabilität verwendet. Welche Faktoren genau die Rumpfstabilität definieren, bzw. wel- che für eine gute Stabilität des Rumpfes wichtig und entscheidend sind, ist nicht einheitlich benannt. In diesem Abschnitt werden einige Modelle, Defini- tionen und Aussagen dazu aufgeführt bzw. gegenübergestellt. 1.2.1 Rumpfstabilität nach Panjabi Grundlegende biomechanische Funktionen der Wirbelsäule sind laut Panjabi (1992) das Ermöglichen von Bewegung zwischen Körperteilen, das Tragen von Lasten und der Schutz des Rückenmarks und der Nervenwurzel. Somit ist die mechanische Stabilität der Wirbelsäule in der Ausübung dieser Funktionen darin von sehr grosser Bedeutung (Panjabi, 1992). Panjabi unterteilt dabei das stabilisierende System in drei Subsysteme: das passive System, das aktive System und das Kontroll - und Steuerungssystem (Abbildung 2). Abbildung 2: Modell des Stabilisationssystem der Wirbelsäulen nach Panjabi Janine Dietsch 12
Theoretische Grundlagen Dem passiven System werden dabei die knöchernen Gelenkpartner, die Bandscheiben, die Bänder, die passiv mechanischen Eigenschaften der Mus- kulatur und die Gelenkkapsel zugeordnet. Van den Berg (2001) beschreibt zum Modell von Panjabi, dass daraus eine mehr oder weniger grosse stabilisierende Wirkung in der elastischen Zone der Bewegung entsteht. Das heisst vor allem am Ende einer angulären und trans- latorischen Bewegung. Zusätzlich wird den passiven Strukturen durch ihre Propriozeptoren eine wichtige Funktion für die Stabilität zugewiesen (Berg, 2001). Damit sind die passiven Strukturen nur begrenzt passiv, sondern neh- men aktiv über die Rezeptoren an dynamischen Bewegungen teil. Dabei sta- bilisieren sie Bewegungen via Informationsweiterleitung ans Steuerungssys- tem, welches dann das aktive System optimal einstellt (Berg, 2001; Panjabi, 1992). Das aktive System besteht laut Panjabi (1992) aus der umliegenden Musku- latur und den Sehnen. Die Muskeln erzeugen dabei laut ihm, Kräfte und geben der Wirbelsäule damit eine aktive Stabilität und kontrollieren das Bewegungs- ausmass der Wirbelsegmente. Eine gute Abstimmung der umliegende Wirbel- säulenmuskulatur ermöglicht eine Wirbelsäulenstabilität auch bei der Bewäl- tigung von grossen Belastungen in der Bewegung und dem Tragen von Las- ten. Die Sehnen können Energien speichern und abgeben und sind als Kraft- aufnehmer - und Messer auch Teil des neuronalen Kontrollsystems (Panjabi, 1992). Van den Berg (2001) bezieht sich in der Unterteilung der Muskulatur auf Jull et al. (1996), der die Muskeln dabei in vorrangig stabilisierende (Bsp. M. Transversus abdominis und Mm. Multifidii) und bewegende Muskeln (Bsp. Glutealmuskulatur und M. Rectus femoris) einteilt (Berg, 2001; Hides, Richardson, & Jull, 1996). Das Kontroll- und Steuerungssystem besteht aus den peripheren und zentra- len Nerven sowie den Propriozeptoren. Die Rezeptoren nennt Panjabi (1992) auch Kraft -und Bewegungswandler, welche sich in den Bändern, Kapseln, Sehnen und Muskeln befinden. Sie nehmen die verschiedenen Informationen über die Gelenkstellung, die Lage, von Spannungen und von Kräften auf und Janine Dietsch 13
Theoretische Grundlagen stellen das aktive System darauf ein, die erforderliche und nötige Stabilität als Gelenkschutz zu erreichen. Das neuronale Subsystem hat somit die Aufgabe, aufgrund des Feedbacks aus den Sensoren und Rezeptoren, die Muskelkräfte und die Bewegung kontinuierlich zu überwachen, zu steuern und auf Belas- tungen anzupassen (Panjabi, 1992). Somit ist das passive, das aktive und das neuronale Kontrollsystem laut Pan- jabi (1992) strukturell voneinander getrennt aber funktionell voneinander ab- hängig und sollten sich daher permanent aufeinander abstimmen (Panjabi, 1992). Die Anforderungen an eine Wirbelsäulenstabilität und die Muskelspannung sind laut ihm abhängig von der dynamischen Haltung, Hebelverhältnissen und Trägheit verschiedener Massen und äussere Lasten (Panjabi, 1992). 1.2.2 Rumpfstabilität nach Bergmann Bergmark (1989) unterteilt die Rumpfmuskulatur in ein lokales und glo- bales Muskelsystem. Zum globalen System zählt er grössere, oberflächliche Muskeln, welche ihren Ursprung oder Ansatz zwischen dem Becken und dem Brustkorb haben (Ab- bildung 3). Die Hauptaufgabe des globalen Systems ist es, die Wirkung von externen Kräften auf die Wirbelsäule zu kontrollieren und die äußere Last so auszugleichen bzw. zu verteilen, dass die resultierende Kraft, welche auf die Lendenwirbelsäule übertragen wird, vom lokalen System aufgenommen wer- den kann, um so direkte Belastungen auf die Lendenwirbelsäule möglichst klein zu halten (Bergmark, 1989). Zusätzlich bremsen und kontrollieren diese Muskeln über Kraft, Bewegungen und sind für die direkte Kraftübertragung vom Rumpf auf das Becken zuständig (Bergmark, 1989). Die grossen oberflächigen Muskeln wie M. Rectus abdominis, M. Obliquus internus und externus, M. Rotatores, Teile des M. Erector spinae, M. Glutaeus maximus, minimus und medius sowie der M. Quadratus lumborum zählt er dabei zur globalen Muskulatur. Zusätzlich wird der M. Psoas und der M. La- tissimus dorsi durch ihn zum globalen System zugeordnet. Janine Dietsch 14
Theoretische Grundlagen Beiden Muskeln werden jedoch keine wesentliche Rolle in der Erhaltung der mechanischen Stabilität der Wirbelsäule zugewiesen (Bergmark, 1989). Abbildung 3: globales Muskelsystem nach Bergmark (1989) (ES = erector spinae, IO = internal oblique, EO = external oblique und RA = rectus abdominis; AB = Lendenwirbelsäule) Das lokale System besteht laut Bergmark (1989) aus den Muskeln welche ihren Ansatz oder Ursprung (oder beides) direkt an den Lendenwirbeln haben (Abbildung 4). Somit ist dessen Hauptaufgabe laut ihm, die intersegmentale Bewegung lokal zwischen den Wirbeln zu stabilisieren und Kräfte im Körper zu absorbieren und zu verteilen. Weiterhin dient das lokale System der Steu- erung und Kontrolle der lokalen Wirbelsäulenposition (Krümmung). Zusätzlich ermöglicht es die sagittale und laterale Steifigkeit, welche insgesamt die me- chanische Stabilität der Lendenwirbelsäule erhält (Bergmark, 1989). Die kleinen tiefen Muskeln, wie zum Beispiel die Mm. Multifidii, M. Transver- sus abdominis, M. Intertransversari, die Beckenbodenmuskulatur und die intrinsische Hüftmuskulatur, werden durch ihn als lokale Muskeln betrachtet (Bergmark, 1989). Abbildung 4: lokales Muskelsystem nach Bergmark (1989). Mit direktem Ursprung oder Ansatz an der Wirbelsäule Bsp.: Mm. Multifii Janine Dietsch 15
Theoretische Grundlagen Bergmark (1989) geht weiterhin davon aus, dass die «Steifigkeit» des Rü- ckens unter anderem abhängig von der Kraft in der Rückenmuskulatur ist. Die Kraft wird durch Haltung und Belastung beeinflusst und somit wird ein Zusam- menhang zwischen Lasthaltung und Stabilität der Gelenke hergestellt (Bergmark, 1989). Es wird festgestellt, dass die globale Muskulatur einen signifikanten Beitrag an der Steifigkeit der Wirbelsäule hat, aber das lokalen Muskelsystem vor al- lem für die segmentale Stabilität der Wirbelsäule verantwortlich ist. Die Wir- belsäule wäre trotz starker globaler Muskeln instabil, wenn lokale Muskeln in- aktiv wären (Bergmark, 1989). Zusätzlich ordnet er zu den aktiven Komponenten des lokalen und globalen Systems der Muskeln den intraabdominalen Druck zu. Dieser wird durch Ak- tivität der umliegenden Muskeln erzeugt; ventral durch den M. Rectus abdo- minis, lateral durch die äusseren und inneren schräge Bauchmuskulatur und dem M. Transversus abdominis, cranial durch das Zwerchfell und caudal durch die Beckenbodenmuskulatur (Bergmark, 1989). Die mechanische Wirkung des intraabdominalen Drucks ist laut ihm noch nicht vollständig erforscht. Dazu verweist er auf ein in vivo-Experiment von Grew (1980) und Hemborg (1983) welches eine starke Korrelation zwischen einer erhöhten Belastung des Rumpfes und der Grösse des intraabdominalen Dru- ckes aufzeigt (Grew, 1980; Hemborg, Moritz, Hamberg, Löwing, & Akesson, 1983). Zusätzlich bezieht er sich auf Broberg (1979), welcher dem intraabdo- minalen Druck eine globale Wirkung bei Flexions-und Extensionsbelastungen auf den Rumpf in der Verringerung von Druck um 15-30% auf die Wirbelsäule zuschreibt (Broberg, 1979). Weiterhin ist der intraabdominale Druck laut Ber- mark (1989) an der Erhöhung der lokalen Muskelaktivität beteiligt (Bergmark, 1989). Janine Dietsch 16
Theoretische Grundlagen 1.2.3 Rumpfstabilität nach Kibler Auch Kibler (2006) beschreibt, dass die Rumpfstabilität entscheidend für eine effiziente biomechanische Funktion zur Erzeugung von Kraft und Re- duktion von Gelenkbelastung ist. Dies bei allen Arten von Aktivitäten vom Wer- fen zum Laufen (Kibler, Press, & Sciascia, 2006). Was genau anatomisch und physiologisch als »Rumpfstabilität» definiert wird, ist laut ihm variabel. Der «Core» beinhaltet laut Kibler (2006) die Wirbelsäule, die Bauchstrukturen, das Becken, die Hüften und die proximalen unteren Extremitäten. Zu den Rumpfmuskeln, welche für die Erhaltung der Stabilität der Wirbelsäule und den Transfer von Energie von grossen auf kleine Körperteile bei sportli- chen Aktivitäten zuständig sind, zählt er die Bauch-, Rücken- und Beckenmus- kulatur (Kibler et al., 2006; Putnam, 1993). Er definiert die Rumpfstabilität als die Fähigkeit, Positionen und Bewegungen des Rumpfes oberhalb des Beckens zu kontrollieren. Dies, um eine optimale Bewegungs- und Kraftübertragung auf das Endsegment bei sportlichen Akti- vitäten zu ermöglichen (Kibler et al., 2006). Auch er beschreibt dabei wie Bergmark (1989), dass Stabilität und Bewegung dabei durch ein optimales Zusammenspiel zwischen kurzen lokal eingelenki- gen und langen, global mehrgelenkigen Muskeln erzeugt wird (Kibler et al., 2006). Im Zusammenspiel der proximalen und distalen kinetischen Muskelkette braucht es laut ihm zur Krafterzeugung und zum Gelenkschutz, die Erzeugung proximaler Stabilität um eine distale Mobilität zu erzeugen (Kibler et al., 2006). Daraus schliesst er, dass bei Verletzungen der unteren Extremität auch immer der «Core» in der Rehabilitation einbezogen werden muss. Das lässt den Um- kehrschluss zu, dass eine gute «Rumpfstabilität» die sportliche Funktion der Extremitäten positiv beeinflusst bzw. maximiert und somit im Training sowie in der Rehabilitation einbezogen werden sollte. Janine Dietsch 17
Theoretische Grundlagen Zu den Bauchmuskeln zählt Kibler (2006) den M. Transversus abdominis, M. Rectus abdominis und den M. Obliquus internus und externus. Der M. Transversus abdominis erhöht durch seine Aktivierung den intraabdo- minellen Druck und spannt dabei die Fascia thoracolumbale (Kibler et al., 2006). Die Bauchmuskeln werden auch laut Kibler (2006) vor der Bewegung der Ext- remitäten aktiviert und erfüllen in diesem Sinne eine Feedforwardfunktion. Sie stabilisieren die «Körpermitte» vor der Bewegung der Extremitäten zu ei- ner stabilen Basis für deren Bewegung und Aktivität (Jensen, Laursen, & Sjøgaard, 2000; Kibler et al., 2006). Das Diaphragma und die Beckenbodenmuskeln helfen dabei, den intraabdo- minellen Druck zu erhöhen und den Rumpf darüber zusätzlich zu stabilisieren (Cholewicki, Juluru, & McGill, 1999; Hodges, 2003). Die thorakolumbale Fascie bildet laut ihm in ihrer indirekten Verbindung zu der Fascia posterior und abdominal zusätzlich ein stabilisierendes «Korsett». Darüber hinaus ist sie über den Rumpf die Verbindung zwischen oberer und unterer Extremität (Kibler et al., 2006). Über sie ist der Rumpf in allen kinema- tischen Kettenaktivitäten vom Werfen bis zum Laufen über das stabilisierende «Korsett» stabil (S. McGill, 2002). 1.2.4 Rumpfstabilität nach McGill McGill (2003) sagt, dass die Wirbelsäule von Natur aus instabil ist und die Muskulatur eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung der Wirbel- säule spielt. Dies um Belastungen standzuhalten und Position und Bewegung in allen möglichen Zuständen zu erhalten (S. M. McGill, Grenier, Kavcic, & Cholewicki, 2003). Weiterhin beschreibt er, dass die nötige Stabilität, um eine Aufgabe kontrolliert ausführen zu können, durch die Aktivierung von motorischen Mustern der Muskulatur erreicht wird (S. M. McGill et al., 2003). Er stellt sich zum Thema Stabilität angesichts des breiten Spektrums an kör- perlichen Anforderungen die Frage, was das optimale Gleichgewicht in Bezug Janine Dietsch 18
Theoretische Grundlagen auf Stabilität, Mobilität und dem generieren von Momenten ist, wenn Stabilität vorrangig durch Muskelkontraktion erreicht wird. Weiterhin fragt er, wenn Stabilität überwiegend durch die Muskelkontraktionen erreicht wird, wieviel es davon braucht und wie wird diese am besten erreicht (S. M. McGill, 2001). McGill (2001) beschreibt dabei das Konzept des Kontinuums der Stabilität in einem Modell (Abbildung 5). Abbildung 5: Stabilitätsmodell am Beispiel einer Kugel in einer Schale. a- d stabilste Position bis insta- bilste Position (McGill, 2001) In diesem Modell vergleicht er das Kontinuum der Stabilität mit einer Kugel in einer Schale. Die Kugel und damit das System werden durch die Vertiefung der Schale und oder durch Erhöhung der Steilheit der Schalenseiten stabiler. Wenn eine Kraft auf die Kugel ausgeübt wird, steigt diese an der Seite der Schale nach oben, um sich dann wieder am Boden (= Position mit der am wenigsten potenziellen Energie) auszuruhen. Damit sagt er aus, dass das System stabil ist, wenn die äussere ausgeführte Energie kleiner ist als die po- tenzielle Energie im System selbst (die Kugel rollt nicht aus der Schale) (S. M. McGill, 2001). Aus diesem zweidimensionalen Konzept stellt er die Analogie zu den mehrdi- mensionalen Wirbelsäulengelenken her. Dabei leite McGill (2001) ab, dass ein einzelner Muskel mit unangemessener Kraft bzw. Steifigkeit eine Instabilität des Gesamtkonstrukt verursachen kann. Im Umkehrschluss, je grösser die Steifigkeit des muskulo-skelettalen Sys- tems, desto grösser die Steilheit der Schalenseiten und damit desto stabiler Janine Dietsch 19
Theoretische Grundlagen das Gesamtsystem. Somit schafft die Steifigkeit der Muskulatur laut ihm Sta- bilität (S. M. McGill, 2001) (Abbildung 6). Abbildung 6: Steifheit -und Stabilitätsmodell. Vermehrte Steifheit in den Kabeln (= Muskeln) erhöht die Stabilität (McGill, 2001) McGill (2001) vertritt dabei die Grundpositionen, dass eine Wirbelsäule erst stabil sein muss, bevor Momente und Kräfte zur Leistungssteigerung erzeugt werden können (S. M. McGill, 2001). Diese Stabilität wird laut ihm damit analog zu Panjabi (1992) zum einem aus ausreichend Muskelaktivität, weiterhin aus passiven Strukturen wie Kapseln und Bänder und andererseits durch das Steuerungssystem erzeugt. Das passive System erzeugt die Stabilität durch die Steifigkeit der Kapseln und Bänder vor allem am Bewegungsende. Das Steuerungssystem koordi- niert und synchronisiert zur Stabilität der Wirbelgelenke, die aktiven und pas- siven Elemente (S. M. McGill, 2001; Panjabi, 1992). Weiterhin sagt er, dass das Aufrechterhalten eins stabilen Niveaus der Wir- belsäule, bei seiner Erfüllung von Aufgaben im Alltag nicht nur eine ausrei- chende Muskelkraft, sondern vor allem eine ausreichende Kraftausdauer und ausreichende Kontrolle benötigt (S. M. McGill, 2001). Er macht für die Stabilität die unisegmentalen Muskeln wie die Mm. Multifidii, die multisegmentalen Muskeln wie den M. Longissimus und M. Quadratus lumborum und die Muskeln der Bauchdecke wie den M. Rectus abdominis, die Mm. Obliques und den M. Transversus abdominis verantwortlich (S. M. McGill, 2001). Janine Dietsch 20
Theoretische Grundlagen Dabei erklärt er, dass die Rumpfstabilität ein dynamisches Konzept ist. In die- sem Konstrukt müssen alle beteiligten Muskeln, um äusseren Belastungen Stand zu halten ihren Beitrag für eine optimale Stabilität leisten. Welcher Muskel, wann und wieviel aktiv sein muss, ändert sich bei unter- schiedlichen Übungen bzw. Anforderungen und hängt von der zu bewältigen- den Aufgabe ab (S. M. McGill et al., 2003). 1.2.5 Aussagen zur Rumpfstabilität nach Ledermann Laut Lederman (2008) erreichte die Diskussion über die «Core stability» ihren Höhepunkt in den 90er Jahren. Die meisten Studien in dieser Zeit fokussieren sich laut ihm auf den Zusammenhang zwischen Rü- ckenschmerzen und der Muskelaktivität -und Kontrolle. Dabei wurde bisher angenommen, dass zur Stabilisierung der Wirbelsäule bestimmte Muskeln wichtiger sind als andere. Insbesondere der M. Transversus abdominis fand dabei eine sehr hoher Aufmerksamkeit. Dies in der Annahme, dass dieser un- abhängig von anderen Muskeln aktiviert werden kann (Lederman, 2010). Weiterhin wurde angenommen, dass schwache Bauchmuskeln zu Rücken- schmerzen führen und umgekehrt eine Stärkung dieser Muskeln Rücken- schmerzen lindern kann. Sowie dass es einen Zusammenhang zwischen Sta- bilität und Rückenschmerzen gibt. In diesen Annahmen entstand laut Ledermann (2010) weltweit eine ganze In- dustrie von Herangehensweisen zur Vorbeugung und Heilung von Verletzun- gen. Diese Annahmen wurden laut Lederman (2010) in einer an Frauen, während der Schwangerschaft durchgeführten Studien von Gilleard und Brown (1996) widerlegt. Dort konnte kein Zusammenhang zwischen der Insuffizienz des M. Transversus abdominis und Rückenschmerzen sowie einem Mangel an Wir- belsäulenstabilität hergestellt werden (Gilleard & Brown, 1996). Weiterhin ver- weist Lederman auf den Mangel an Nachweisen im Verlust der Wirbelsäulen- stabilität und dem Entstehen von Rückenschmerzen nach Bauchoperationen bei welchen die Bauchmuskulatur beschädigt wurde (Lederman, 2010). In der Antwort auf die Frage wieviel Kraft die Rumpfmuskeln in der Ko-Kon- traktion benötigen, um die Wirbelsäule beim Stehen und Gehen zu Janine Dietsch 21
Theoretische Grundlagen stabilisieren, bezieht er sich auf eine EMG Studie von Andersson et al. (1996), welche besagt, dass im Stehen und Gehen die tiefe Rumpfmuskulatur minimal aktiv ist (Andersson, Oddsson, Grundström, Nilsson, & Thorstensson, 1996). Dies wirft laut Lederman (2010) die Frage auf, warum Rumpfkrafttraining nötig ist, wenn bei funktionellen Bewegungen nur geringe Ko-kontraktionen benötigt werden und ob ein Kräfteverlust wirklich ein Problem für die Wirbelsäulensta- bilität darstellt. Er bezieht sich im genannten Rumpfkrafttraining und seinem Artikel explizit auf die Wirksamkeit des isolierten Trainierens des M. Transversus abdominis beim «abdominal Hollowing». Dieser wurde schwerpunktmässig über lange Zeit, vor allem durch die austra- lische Forschergruppe um Richardson für Stabilität verantwortlich gemacht (Lederman, 2010). Zusammenfassend sieht Lederman die Aufteilung in ein lokales und globales Muskelsystem eher kritisch. Er sagt, dass Rumpfstabilitätsübungen nicht ef- fektiver als andere Formen von Bewegung und Training sind und das keine universellen Übungen für die Rumpfkontrolle den spezifischen Aktivitäten ge- recht werden. Weiterhin sagt er in Anlehnung an Anderson (1996), dass Ko- Kontraktion in motorischen Lernphasen ein Energieverschwender ist, welcher sich im Sport auch als nachteilig auf die Leistung niederschlagen könnte (Anderson, 1996; Lederman, 2010). Abschliessend sagt er, dass die Rumpfstabilität- und Kontrolle ein dynamisches Modell ist, welches sich den unterschiedlichen Anforderungen anpassen wird. Gleichgültig, welche Aktivi- tät wir durchführen, wird die Rumpfmuskeln dabei immer trainiert (Lederman, 2010). 1.2.6 Zusammenfassung der Modelle und Aussagen Zusammenfassend kann für diese Vielzahl an Aussagen und Definitio- nen zur Rumpfstabilität gesagt werden, dass Einigkeit darin besteht, dass die Stabilität nicht aus einzelnen «wichtigeren» Muskeln hergestellt wird, sondern, dass alle Muskeln miteinander funktionieren und aufeinander abgestimmt sein müssen, um Stabilität zu erzielen. Dabei sind die Ansteuerung und Aktivierung Janine Dietsch 22
Theoretische Grundlagen der Muskeln abhängig von der geforderten Aktivität, der Belastung und der Position. Die Meinungen sind geteilt darüber, wie gross die Kraft sein soll und wie wie- viel an muskulärer Aktivität nötig ist, um eine optimale Stabilität herzustellen. Weiterhin kann gesagt werden, dass sich alle Autoren darüber einig sind, dass die Muskulatur eine grosse Rolle bei der Stabilität des Rumpfes spielt aber nicht die alleinige. 1.3 Muskuläre Verbindung zwischen Rumpf unteren Extremi- tät Wie mehrfach erwähnt, befinden sich im Bereich des Beckens und der Lendenwirbelsäulen zahlreiche Hüft- Bein- und Lendenwirbelsäulenmuskeln welche dort ihren Ansatz und oder Ursprung haben und die Körperregionen Rumpf und untere Extremität somit miteinander verbinden. Laut Kibler (2006) beinhaltet der «Core» nicht nur die anatomische Region der Wirbelsäule, sondern zusätzlich die Hüften und das Becken, sowie die proximalen unteren Extremitäten und Bauchstrukturen (Kibler et al., 2006). Leonhardt et al. (1998) zählt zu den Hüftstreckern den M. Glutaeus maximus, den M. Semitendinosus und M.Semimembranosus, sowie den M. Biceps femoris. Neben der Hüftstreckung stabilisieren diese das Becken in der Sagittalebene und sind gemeinsam mit den Hüftabduktoren und Hüftadduktoren in der Standbeinphase aktiv (Leonhardt, Tillmann, Töndury, & Zilles, 1998). Boyle (2010) schreibt der Glutealmuskulatur, als Hüftextensoren- und ab- duktoren eine entscheidende Rolle in der Kraftübertragung vom Boden nach oben zu. Ein instabile Beckenposition würde laut ihm zu Veränderungen in der Mechanik, in Hebelverhältnissen und entstehenden Drehmomente und Kräf- ten führen, welche Leistungsabfällen in der kinetischen Kette zur Folge haben können (Boyle, 2010). Janine Dietsch 23
Theoretische Grundlagen Die Hüftbeuger sind laut Leonhardt et al. (1998) vor allem der M. Iliopsoas, der M. Rectus femoris, der M. Tensor fasciae latae, der vordere Anteil des M. Glutaues medius und der M. Satorius. Sie sind vor allem in der Schwungbeinphase aktiv und führen das Bein nach vorne. Unterstützt werden sie dabei durch die Hüftadduktoren und dem M. Vastus medialis und lateralis (Leonhardt et al., 1998). Zu den Bauchmuskeln zählen Kibler (2006) und Boyle (2010) die Muskeln M. Transversus abdominis, den M. Rectus abdominis und die M. Obliquus inter- nus und externus. Sie stellen die vordere und seitliche Verbindung zwischen dem Rumpf und dem Becken her (Boyle, 2010; Kibler et al., 2006). Bergmark (1989) unterteilt die Rumpfmuskulatur in ein lokales und globales Muskelsystem. Zum globalen System zählt er grössere, oberflächliche Mus- keln welche ihren Ursprung oder Ansatz zwischen dem Becken und dem Brustkorb haben und diese somit verbinden. Dazu zählt er den M. Rectus abdominis, die M. Obliquus internus und exter- nus, den Mm. Rotatores, Teile des M. Erector spinae, den M. Glutaeus maxi- mus-, minimus und medius, den M. Quadratus lumborum, den M. Psoas und den M. Latissimus dorsi (Bergmark, 1989). Auch Putnam (1993) zählt die Rumpf- und Beckenmuskulatur zu den «Kern- muskeln», welche für die Erhaltung der Stabilität der Wirbelsäule und den Transfer von Energie von grossen auf kleine Körperteile bei sportlichen Akti- vitäten sind (Putnam, 1993). Aus all diesen Aussagen, Fakten und Feststellung zur muskulären Anatomie lässt sich schliessen, dass die Körperregionen der Wirbelsäule und des Be- ckens mit der muskulären und gelenkigen Verbindung zum Bein, sich gegen- seitig in ihren Funktionen beeinflussen. Dies nicht alleine durch die aufgezähl- ten muskulären Verbindungen, sondern zusätzlich durch gelenkige, fasziale Verbindungen, auf welche in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen wird. Janine Dietsch 24
Theoretische Grundlagen 1.4 Definition von Schnell-und Reaktivkraft Sowohl die Schnellkraft als auch die Reaktivkraft sind Formen der Maximalkraft (Abbildung 7). Abbildung 7: Unterteilung der Maximalkraft Die Schnellkraft ist die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, das Kraft- potential in relativ kurzer Zeit (200ms) in Form eines möglichst grossen Kraftstoss zu erzeugen. Die Muskelleistung setzt sich dabei einerseits aus der Muskelkraft und anderseits aus Geschwindigkeitskomponenten zusam- men. Die Geschwindigkeitskomponenten hängen dabei unter anderem von der neurale Aktivierungsfähigkeit, der Elastizität der passiven Strukturen und dem Anteil an Muskelfasern Typ 2 ab (Müller, 2017 & Tschopp, 2003). Die Schnellkraft der unteren Extremität spiel in Sprint- und Spielsportarten ein wichtige Rolle da maximale Beschleunigungen gefordert sind (Tschopp, 2003). Die Reaktivkraft ist die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, bei einem schnell ablaufenden Dehnungsverkürzungszyklus (bis 250ms) im Muskel einen hohen Kraftstoss generieren zu können. Das Erzeugen hoher Kräfte wird dabei einerseits auf die neuronale Mechanismen, die Voraktivierung, dem Muskel-Dehnungs-Reflex und dem Golgi-Sehnen-Reflex, als auch auf die Muskel-Sehnenelastizität zurückgeführt (Müller, 2017). Janine Dietsch 25
Theoretische Grundlagen Die Reaktivkraft kann im Sport laut Tschopp (2003) eine entscheidende Rolle, bei unvorhersehbaren Sprints oder Richtungswechsel spielen (Tschopp, 2003). In der Verknüpfung der Aussagen: - Dass eine Wirbelsäule erst stabil sein muss, bevor Momente und Kräfte zur Leistungssteigerung erzeugt werden können (S. M. McGill, 2001). - Die Bauchmuskeln laut Kibler (2006) vor der Bewegung der Extre- mitäten aktiviert und in diesem Sinne eine Feedforward – Funktion erfüllen (Kibler et al., 2006). - Die Stabilisierung des Rumpfes vor der Bewegung der Extremität zu einer stabilen Basis für deren Bewegung und Aktivität führt (Jensen et al., 2000). versucht diese Arbeit auf die Frage, ob ein Rumpfstabilisationstraining mit sta- tischen Übungen Einfluss auf die Schnell- und Reaktionskraft der Beine im Eishockey hat, Antworten zu finden. Janine Dietsch 26
Forschungsstand 2 Forschungsstand In diesem Teil werden unter anderem Studien aufgeführt, welche sich erstens mit dem Zusammenhang zwischen einer guten Rumpfstabilität bzw. einem Mangel daran und Verletzungen im Sport sowie zweitens mit der Rumpfstabi- lität und ihre Wirkung auf sportliche Leistungen beschäftigen. Laut Bourban (2001) ist die Stabilität des Rumpfes nicht nur in der Verlet- zungsprävention, sondern auch in der Kraftübertragung und Kraftverteilung auf die Extremitäten wichtig (Bourban et al., 2001). Weiterhin versucht Bour- ban (2001) Kraftfähigkeiten als Teil konditioneller Fähigkeiten näher zu be- trachten und aus einer dreiteiligen Rumpfkrafttestung Referenzwerte unter an- derem in der Grundkraft 1 (Mindestkraft des Rumpfes) (Abbildung 8) in ver- schiedenen Sportarten abzuleiten. Die Grundkraft 1 stellt für ihn die Voraus- setzung für die Übertragung grosser Kräfte auf die Beine dar (Bourban et al., 2001). Eine mangelnde Rumpfkraft kann demnach zu Einbussen in der sport- lichen Leistung und zu gesundheitlichen Problemen führen. Er stellt dabei in den verschiedenen Sportarten unterschiedliche Grundkraftniveaus fest, wobei Eishockey dabei zusammen mit Fussball am schlechtesten abschneidet. Die Grundkraft 2 stellt für ihn die Leistungsvoraussetzung für die sportartspezifi- sche Kraft dar (Bourban et al., 2001). Abbildung 8: Übersicht der Kraftdiagnosebereiche und deren Testverfahren (Bourban, 2001) Janine Dietsch 27
Forschungsstand Willson (2005) sagt, dass eine gute Rumpfstabilität eine stabile Basis für Be- wegungen der unteren Extremitäten bildet und ein Mangel an Rumpfstabilität das Risiko für Verletzungen an der unteren Extremität erhöht (Willson, Dougherty, Ireland, & Davis, 2005). Auch laut Myer (2004) bildet der Rumpf die Grundlage, auf der die Muskeln der unteren Extremität Kraft entwickeln bzw. Kräften widerstehen. Die Mus- keln der unteren Extremität werden aus der Lendenwirbelsäule (LWS) ange- steuert. Ein Defizit dort kann, beispielsweise bei Landungen, erhöhte Valguskräfte im Knie herbeiführen und Verletzungen des vorderen Kreuzban- des begünstigen (Myer, Ford, & Hewett, 2004). Aus sportlicher Sicht kann laut Willardson (2007) somit eine gute Rumpfstabi- lität die Grundlage für eine höhere Kraftproduktion an den oberen und unteren Extremitäten sein (Willardson, 2007). 2.1 Zusammenhang Verletzungen unterer Extremität und Rumpfstabilität Leetun (2004) beschreibt expliziert das Kniegelenk als «Opfer» von mangelnder Rumpfstabilität im Sport. Er untersuchte in einer zweijährigen Studie 140 Probanden (80 Frauen und 60 Männer) aus unterschiedlichen Sportarten (u.a. Basketball und Leichtath- letik/Läufer). Ziel war es dabei, sowohl geschlechterspezifische Unterschiede in der Rumpfstabilität als auch Unterschiede in der Rumpfstabilität zwischen verletzten Athleten und Gesunden festzustellen. Dabei wurde im Eingangstest und Ausgangstest die Rumpfkraft durch den Beiring-Sorensen-Test, den seit- lichen Stütztest von McGill und ein Bein-Senkungs-Test in Rückenlage ermit- telt. Die Kraftmessung der Hüftmuskulatur erfolgte per isometrischen Krafttest der Hüftabduktoren in Seitenlage und der Hüftaussenrotatoren im Sitz (Leetun et al., 2004). Die Trainer erfassten und protokollierten während dieser Zeit alle im Training oder Spiel aufgetretene Verletzungen der unteren Extremität und des Rü- ckens. Die Verletzungen wurden in die Kategorien Fuss-Sprunggelenk, Knie- gelenk - und Rückenverletzung unterteilt und führten im Durchschnitt zu einer Trainingspause von 6,8 Tagen. Janine Dietsch 28
Forschungsstand Im Ergebnis zeigt sich, dass Frauen einen signifikanten Mangel an Kraft im Rumpf, in den Hüftabduktoren- und Assenrotatoren aufweisen. Dies kann laut Leetun (2004) dazu führen, dass Frauen anfälliger für Verletzungen der unte- ren Extremität sind. Dies vor allem für Kräfte, welche während der Perfor- mance aus der Transversal - und Frontaleben auf den Körper treffen (Leetun et al., 2004). Weiterhin zeigt die Studie, dass ein Mangel an Kraft der Hüftaussenrotatoren das Verletzungsrisiko der unteren Extremität signifikant erhöht (Abbildung 11). Abbildung 9: Regressionsergebnisse des Verhältnisses zwischen Kraft der Hüftaussenrotatoren und einem Verletzungsrisiko (Leetun, 2004) Auch wenn die Hüftaussenrotatoren nur ein Bestandteil der Rumpfstabilität sind, beschreibt Leetun (2004) sie als Prädikator für Verletzungen im Sport und empfiehlt zur Prävention von Verletzungen der unteren Extremität proxi- male Stabilisation (Leetun et al., 2004). Auch laut Myer (2004) bildet der Rumpf die Grundlage, auf der die Muskeln der unteren Extremität Kraft entwickeln bzw. Kräften widerstehen. Die Mus- keln der unteren Extremität werden aus der Lendenwirbelsäule (LWS) ange- steuert. Ein Defizit dort kann, beispielsweise bei Landungen, erhöhte Valguskräfte im Knie herbeiführen und Verletzungen des vorderen Kreuzban- des begünstigen (Myer et al., 2004). Laut ihm haben Frauen dabei im Vergleich zu Männern ein vier bis siebenfach erhöhtes Risiko für eine Verletzung des vorderen Kreuzbandes. Aufgrund des- sen und der Kostspieligkeiten von Rehabilitationen dieser Verletzungen, ruft er zum Paradigmenwechsel hin zur Prävention auf. Die Präventionsmassnah- men sollte sich laut Myer (2004) aus einem Rumpfstabilitätstraining und einem Janine Dietsch 29
Forschungsstand plyometrischen Kraft- und Geschwindigkeitstraining zusammensetzen (Myer et al., 2004). Hewett (2009) analysiert Landungen im Basketball per Videoanalyse. Dort zeigt sich bei den Frauen eine höhere seitliche Abweichung des Rumpfes von der Vertikalebene. Dies führt während der Landung zu vergrösserten Abduk- tionskräften im Kniegelenk. Damit zeigen auch hier Frauen im Vergleich zu Männern eine zwei bis zehnfach höhere Wahrscheinlichkeit für das Erleiden einer Ruptur oder Reruptur des vorderen Kreuzbandes (Hewett, Torg, & Boden, 2009). Paterno (2010) unterstützt diese Feststellungen von Hewett (2009) in einer weiteren Studie, worin auch er die Bedeutsamkeit des Rumpfes und der Be- ckenposition bei Landungen aufzeigt. Auch er zeigt dabei auf, dass erhöhte Valguskräfte in der Beinachse auftreten, wenn ein Mangel an Kraft der Hüft- muskulatur besteht und somit die Bodenreaktionskräfte nicht genügend ab- sorbiert werden können. Dieser Mangel an Kraft lässt starke Kräfte auf das Gelenk und die Bänder wirkten, welches wiederum zu einer hohen Wahr- scheinlichkeit von Rupturen und Rerupturen des vorderen Kreuzbandes füh- ren (Paterno et al., 2010). All diese Aussagen von unterschiedlichen Autoren zeigen insgesamt deutlich auf, dass der physische Zustand der Athleten entscheidend für die Vermei- dung von Verletzungen im Sport ist. Weiterhin schreiben fast alle Autoren der Muskulatur in der Lendenwirbelsäule und dem Becken eine wichtige Rolle in der Verarbeitung, Verteilung und Absorption von Kräften auf die untere Extre- mität zu. Die Kraft der Muskulatur ist dabei nicht alleinig entscheidend, son- dern zusätzlich die Leistungsfähigkeit des sensomotorischen Systems (Hewett, Stroupe, Nance, & Noyes, 1996). Studien von Hewett (2006) und Sadoghi et al. (2012) zeigen dabei, dass Sta- bilitätsprogramme das Risiko von Verletzung der unteren Extremität deutlich reduzieren (Hewett, Ford, & Myer, 2006; Sadoghi, von Keudell, & Vavken, 2012). Janine Dietsch 30
Forschungsstand In den Spielsportarten wie Basketball oder Fussball gibt es Untersuchungen, die Zusammenhänge zwischen der Stabilität und Beschwerden von Knie und Rücken aufzeigen. Diese Erkenntnisse können sicher auf andere Spielsportarten wie Eishockey übertragen werden und lassen im Umkehrschluss die Frage zu, ob ein Stabi- litätsprogramm nicht auch förderlich zur Leistungssteigerung ist und ob es sinnvoll ist, dieses fest in das Training zu aufzunehmen. 2.2 Zusammenhang Rumpfstabilität und sportliche Leistun- gen Anders et al. (2007) untersucht mittels Elektromyogramms (EMG) die Aktivität der Rumpfmuskeln M. Rectus abdominis, M. Obliquus internus und externus, M. Multifidus lumbalis und M. Erector spinae bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Gehen und Laufen. Es wurden 15 Männer auf dem Laufband mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten (2-6 km/h) untersucht. Eine zunehmende Laufgeschwindigkeit ergibt dabei eine erhöhte Aktivität der untersuchten Rumpfmuskeln (Anders et al., 2007). Daraus lässt sich schlies- sen, dass die stabilisierende Funktion des Rumpfes bei zunehmender Geh - und Laufgeschwindigkeit an Bedeutung gewinnt (Anders et al., 2007). Shinkle und Nesser (2012) entwickelten einen funktionellen Feldtest mit dem Ziel, erstens die Rolle der Rumpfmuskulatur auf die sportliche Leistung zu be- urteilen und zweitens die Frage zu beantworten, wie gut der Rumpf Kräfte von den unteren auf die oberen Extremitäten übertragen kann. Dabei untersuch- ten sie 25 College Fussballspieler. Es wurden dabei unterschiedliche Medi- zinballwürfe (vorwärts, rückwärts, rechts und links) in statischen und dynami- schen Positionen als Test durchgeführt und mit athletischen Leistungsmes- sungen (u.a. 1RM (Repetition Maximum) Hocke, 1RM Bankdrücken und dem Counter-Movement- Jump) verglichen bzw. in Relation gestellt (Shinkle, Nesser, Demchak, & McMannus, 2012). Im Ergebnis dieser Studie (Abbildung 10) konnte sowohl in den statischen als auch in den dynamischen Medizinballwürfen mehrere Korrelationen festge- stellt werden. Was zur Aussage führt, dass die Rumpfkraft einen signifikanten Janine Dietsch 31
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