Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB

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Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
Strukturwandel im Energiemarkt:
Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke

Eine Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge
e.V. an der Universität Leipzig gemeinsam mit der DKB Deutsche Kreditbank AG

Dr. Oliver Rottmann, Dipl.-Geogr. / Dipl.-Ing. André Grüttner, M.Sc. Tim Starke

       KOMPETENZZENTRUM
       Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und
       Daseinsvorsorge e. V.
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
2

INHALT

1   Executive Summary						6
2   Institutioneller Rahmen und Studiendesign		     9
3   Aktuelle Entwicklungen im Energiemarkt			       12
4   Strukturwandel im Energiemarkt:
    Implikationen für die Unternehmenstätigkeit
    der Stadtwerke – Befragungsergebnisse			        14
    4.1   Befragungsdesign					14
    4.2   Unternehmenskontext					14
    4.3   Herausforderungen aus der veränderten
			Energiepolitik						22
		 4.3.1 Status quo: Struktur und räumliche Verteilung
			der Energieerzeugung					22
		 4.3.2 Herausforderungen und Chancen für
			       Stadtwerke aus der Energiepolitik der
			Bundesregierung						23
    4.4   Handlungsoptionen und Strategien für
			Stadtwerke							30
5   Zusammenfassung						44
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit               3

Vorwort
Verband Kommunaler Unternehmen e.V.
                                                       versorgungssicheren      Energieerzeugung
                                                       und -verteilung, der Entwicklungsgeschwin-
                                                       digkeit einer umfassenden Digitalisierung
                                                       und der Anwendungschancen von in der
                                                       Erforschung befindlichen Erzeugungs- und
                                                       Speichertechnologien sowie der flanki-
                                                       erungsbedürftigen Etablierung von Ener-
                                                       giedienstleistungen ergeben.
                                                       Die     Entwicklung   der     vergangenen
                                                       zwanzig Jahre war insofern für die
                                                       Stadtwerke      mit   erheblichen     Neu-
                                                       orientierungs- und Umstrukturierungs-
Die Energiewirtschaft befindet sich seit der           erfordernissen verbunden. Die kommunale
Liberalisierung der europäischen Strom-                Energiewirtschaft    hat    sich    diesen
und Gasmärkte Mitte der 1990er Jahre in                Herausforderungen       gestellt.    Durch
einem kontinuierlichen Fortentwicklung-                Identifizierung von Marktchancen und
sprozess.                                              Handlungsoptionen sowie durch vielfältige
                                                       Anpassungsmaßnahmen konnten sie ihre
In Deutschland folgten auf die Umsetzung
                                                       Marktanteile in der Energieerzeugung
des 2. Binnenmarktpakets mit der
                                                       stärken, im Verteilnetzbereich ausbauen
zentralen Vorgabe der Entflechtung des
                                                       und in den Segmenten Vertrieb, Handel
Stromnetzes von den wettbewerblichen
                                                       und Energiedienstleistungen optimieren.
Wertschöpfungsstufen die Einführung
des klimapolitischen Instruments des                   Die     vorliegende       Studie   und     die
EU-Emissionszertifikatehandels sowie die               Auswertung        der    Erhebungsergebnisse
Vorgaben aus dem Energiekonzept der                    verdeutlichen, dass die Stadtwerke in
Bundesregierung 2009. Die politische - und             (fast) allen Bereichen der Neuausrichtung
gesellschaftlich getragene - Entscheidung              des Energiesystems eine maßgebliche
zum Verzicht auf die Nutzung der                       Rolle haben. In Abstimmung mit ihren
Kernenergie in der Energieerzeugung sowie              kommunalen            Eigentümern,      durch
der dynamische Ausbau der Erneuerbaren                 erhebliche Investitionen in bisherigen und
Energien brachten einen Transformation-                zu erschließenden Wertschöpfungsfeldern
sprozess in Gang, der die Strukturen des               sowie in verschiedenartigen Kooperationen
Energiesystems, die Marktbedingungen,                  mit Bürgern, anderen kommunalwirtschaft-
die Zusammensetzung der Marktakteure                   lichen oder privaten Unternehmen nutzen
und bestehende Unternehmens- und                       die Stadtwerke die strategischen und
Geschäftsfeldstrategien       weitreichend             wirtschaftlichen Chancen, die sich aus
verändert.                                             der Energiewende ergeben. Sie leisten
                                                       damit einen beachtlichen Beitrag zur
Die im Sommer 2016 von Bundestag und
                                                       Modernisierung         des     Energiesystems
Bundesrat verabschiedeten Energiegesetze
                                                       und zur Erreichung der Klimaschutzziele,
werden      allerdings   den     ordnungs-
                                                       optimieren in Zusammenarbeit mit den
politischen Rahmen und den daraus
                                                       Kunden       ihre    Dienstleistungsangebote
resultierenden Planungshorizont für die
                                                       und      bleiben      zugleich    wesentlicher
energiewirtschaftlichen Akteure lediglich
                                                       Standortfaktor der lokalen und regionalen
für einen mittelfristigen Zeitraum bieten
                                                       Wirtschaftsentwicklung.
können. Nachsteuerungsbedarfe werden
sich aufgrund noch nicht abschätzbarer
                                                       Michael Wübbels
Marktauswirkungen, der erforderlichen
Gewährleistung einer auf zunehmender                   Stv. Hauptgeschäftsführer
Dezentralität und Volatilität beruhenden,              Leiter der Abt. Energiewirtschaft
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
4                  Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

Vorwort
Deutsche Kreditbank AG (DKB)
 Energiewende, Stromwende, Wärmewende – seit                        Insbesondere die Kommunen können als Bindeglied
 Beginn moderner Anstrengungen zur nachhaltigen                     zwischen öffentlichen Interessen, Bürgern und der
 Energieerzeugung und –nutzung überschlagen sich                    Wirtschaft eine treibende und einflussnehmende Kraft
 die Bezeichnungen. Oft geschieht dies in einem                     bei der regionalen Ausrichtung energetischer Konzepte
 kritischen Kontext, der eine einseitige Entwicklung der            sein. Nicht umsonst wird kommunaler Klimaschutz
 Geschehnisse bemängelt. Nicht selten auch zu Recht.                intensiv von der Bundesregierung gefördert, zuletzt
 Die Bundesregierung hat in ihrem 2010 vorgestellten                im April 2016 mit einem Nationalen Förderaufruf für
„Energiekonzept der Bundesregierung“ nicht nur Ziele                kommunale Modellvorhaben durch das Bundesumwelt-
 hinsichtlich der Stromerzeugung, sondern auch der                  ministerium. Lokale Klimaschutzprojekte werden mit
 Effizienz gestellt. Die im Entwurf des Strommarkt-                 mindestens 200.000 Euro je Projekt gefördert. Im Rahmen
 gesetzes beschlossene Überführung von ca. 2,7                      der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) aus der die
 GW Braunkohlekraftwerksleistung ist im Sinne der                   Kommunalrichtlinie zur Förderung von Klimaschutzpro-
 Dekarbonisierungsstrategie ein Schritt in die richtige             jekten in Kommunen hervorging, konnten bislang 7.000
 Richtung, die Energiewende stellt allerdings eine                  Projekte in rund 3.000 Kommunen gefördert werden.
 Herausforderung für Unternehmen verschiedener                      Aufgrund dieses Erfolgs plant das Umweltministerium bis
 Branchen dar. Im Hinblick auf die Zwischenziele des                2019 das Budget für den kommunalen Klimaschutz weiter
 Jahres 2020 sind nach aktuellem Monitoringbericht des              aufzustocken.
 Wirtschaftsministeriums noch große Anstrengungen
 besonders im Wärme- und Verkehrsbereich nötig.                     Die DKB steht Stadtwerken, Kommunen und anderen
 Viele sehen darin eine Gelegenheit, den Grundstein                 wichtigen Akteuren der Energiewende seit vielen
 für eine funktionierende und umweltschonende                       Jahren    mit   maßgeschneiderten    Produkten zur
 Energieversorgung zu legen – und zugleich aktuelle                 Seite. Hindernissen begegnen wir mit innovativen
 Megatrends wie Digitalisierung, Urbanisierung und                  Finanzierungskonzepten. Darüber hinaus begrüßen
 demografischen Wandel miteinbezieht.                               wir den Willen zur Vernetzung und bringen deshalb
                                                                    regelmäßig Akteure unterschiedlicher Branchen im
Damit aus der Gelegenheit ein Erfolg wird, muss ein
                                                                    Rahmen diverser Veranstaltungen zusammen.
kollektives Umdenken in allen energierelevanten
Bereichen stattfinden. Unterschiedliche Marktakteure
sind gefordert, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und
umzusetzen. Es gilt: durch das Einbringen der eigenen
Stärken zusammen große Herausforderungen zu
meistern.
Die Stadtwerke sind als dezentrale Energieproduzenten
und -lieferanten das Fundament einer erfolgreichen
Energiewende. Sie haben das nötige Know-how und
die Erfahrung um Investitionen und Geschäftsideen im
Gesamtkontext regionaler Entwicklungen zu bewerten.
Sie agieren auf mehreren Wertschöpfungsstufen wie
Erzeugung, Verteilung und Vertrieb gleichzeitig und
kennen die stufenabhängigen Herausforderungen,
denen es sich zu stellen gilt. Sie beliefern die Bürger
nicht nur mit einem Energieträger, sondern mit
Strom, Wärme und Gas. Aber auch andere Player
wie beispielsweise Wohnungswirtschaft, Kommunal-                    Wir wünschen uns, dass die Leserinnen und Leser dieser
verwaltungen, Bürgergenossenschaften oder Projektierer              Studie angeregt werden selbst aktiv zu werden oder ihr
können erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen                   bisheriges Engagement zu erweitern und hoffen, dass
haben und einen Beitrag leisten. Im Laufe der letzten               wir einen kleinen Beitrag für ein gemeinsames Gelingen
Jahre haben sich deshalb viele Kooperationen zwischen               leisten können.
solchen Akteuren und Stadtwerken gebildet. Neben
dem gemeinsamen Bestreben hin zur sauberen
                                                                    Thomas Jebsen
Energieversorgung gibt es darüber hinaus auf beiden
Seiten vielschichtige Motive sowohl strategischer als               Mitglied des Vorstands
auch operativer Natur.
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit   5
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6             Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

    1 Executive Summary
    Die Umsetzung der klima- und energiepoli-                 Nicht zuletzt steht die Finanzierung im Fokus:
    tischen Ziele der Bundesregierung führte zu               der Ausbau Erneuerbarer Energien, Netzaus-
    deutlichen Veränderungen auf dem Strommarkt.              und -umbau oder neue Angebote im Bereich
    Die Liberalisierung des Strommarkts sowie                 Energiedienstleistungen. Aber auch in neuen
    die    intensive   Förderung    erneuerbarer              Geschäftsfeldern außerhalb des klassischen
    Energien brachten enorme Veränderungen                    Energiebereichs soll verstärkt investiert werden,
    der Marktstrukturen mit sich. So spielen                  hier v. a. in Quartiersentwicklungen oder neue
    zukünftig insbesondere Digitalisierung, Big               Mobilitätskonzepte. Zusätzlich führt das sich
    Data und intelligente Technologien eine                   wandelnde Marktdesign dazu, dass sich neue
    wesentliche Rolle. Mit der Neujustierung der              Investitionen in die klassischen Kernbereiche,
    bundesdeutschen Energiepolitik, welche u.                 und hier insbesondere in die Energieerzeugung
    a. durch die erneute Reform des EEG, dem                  (effiziente und flexible GuD- oder Braunkohle-
    geplanten Strommarktgesetz, dem geplanten                 kraftwerke) nicht mehr rentieren. Für die
    Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende               geplanten Investitionen bzw. den Ausbau der
    oder der geplanten Kapazitätsreservever-                  Geschäftstätigkeit können die gegenwärtigen
    ordnung gekennzeichnet ist, wird sich                     Kapitalbedarfe noch aus dem laufenden
    insbesondere das Strommarktdesign weiterhin               Geschäftsbetrieb (Innenfinanzierung), über
    verändern. Vor diesem Kontext müssen auch                 Gesellschaftereinlagen            (Eigenkapitaler-
    die Stadtwerke mit entsprechenden Geschäfts-              höhungen oder Gesellschafterdarlehen) oder
    strategien auf diese Herausforderungen                    über langfristige Bankdarlehen gedeckt werden.
    reagieren.
                                                   Veränderte        Erzeugungsstrukturen,       An-
    Die vorliegende Studie hat auf Basis einer     passungen der Netzstrukturen, ein neues
    Stadtwerkebefragung     untersucht,   welche   Strommarktdesign und Auswirkungen der
    Herausforderungen    sich   für   Stadtwerke   technologischen Entwicklung (Digitalisierung,
    aus der Energiewende heraus ergeben und        Big Data, intelligente Technologien etc.) wirken
    welche Strategien genutzt werden, um diesen    auf die traditionellen Geschäftsfelder und
    entgegenzutreten. Dabei lag ein Schwerpunkt    erfordern aus Perspektive der Stadtwerke die
    auf den Sinn und Umfang möglicher              Notwendigkeit, sich auf diese strukturellen
    Kooperationen, die zwischen Stadtwerken und    Veränderungen          unternehmensstrategisch
    relevanten Marktakteuren wie bspw. anderen     neu auszurichten. Dies sehen alle Stadtwerke,
    Energieversorgern, der Wohnungswirtschaft      unabhängig vom jeweiligen Geschäftsfeld.
    oder Kommunen gebildet werden.                 Im Detail werden von der überwiegenden
                                                   Mehrheit der Stadtwerke Veränderungs- bzw.
    Gegenwärtig werden die Unternehmensziele der
                                                   Anpassungsbedarfe in den Vertriebsstruk-
    Stadtwerke um zwei wesentliche Zielstellungen
                                                   turen, den Erzeugungsstrukturen und dem
    der kommunalen Anteilseigner vorangestellt:
                                                   Bereich Services gesehen. Gut die Hälfte
    sie sollen einerseits den kommunalen
                                                   der Stadtwerke erwartet zudem einen
    Querverbund weiter unterstützen sowie eine
                                                   Rückgang des klassischen Kerngeschäfts
    Daseinsvorsorge-Funktion        gewährleisten
                                                  – der Versorgung von Haushalts- und
    und andererseits Mindestrenditen an die
                                                   Gewerbekunden mit Strom, Gas und Wärme.
    kommunalen Eigner ausschütten. Dabei sind
                                                   Mit diesen Veränderungen sollen verschiedene
    fast alle Stadtwerke im Vertrieb von Strom,
                                                   Maßnahmen korrespondieren.
    Gas und Wärme tätig und zugleich Betreiber
    der dazugehörigen Netze. Gut zwei Drittel Die Vertriebsstrukturen sollen bspw. durch
    sind zudem im Bereich Energieerzeugung neue Vertriebsmaßnahmen – etwa IT-gestützte
    tätig, ebenso im Bereich Services (Service- Systeme, die schnelle und flexible Lösungen
    dienstleistungen), bei größeren Stadtwerke für Kundenwünsche ermöglichen – angepasst,
    spielt zudem der Energiehandel (Strom und Erzeugungsstrukturen durch Maßnahmen wie
    Gas) eine bedeutende Rolle. ÖPNV oder die Betreiben bzw. Errichten dezentraler Stromer-
    Wasserversorgung bilden nur bei einigen zeugungsanlagen mit den Kunden oder
    befragten Stadtwerken Portfolioelemente.       Bürgerbeteiligungen flankiert werden. Hohe
                                                   Aufmerksamkeit liegt dabei auf Maßnahmen
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit      7

 im Bereich Services, da mit diesen zugleich           Bezug wichtig ist. Dabei sollten entsprechende
 der Rückgang des Kerngeschäfts kompensiert            Kooperationen            verbindlich-strategisch,
 werden soll. Hier wurden bspw. Angebote von           folglich langfristig und vertraglich geregelt,
 Energieeffizienzmaßnahmen, digitalen Kommu-           erfolgen. Zentrale Kooperationsfelder sind hier
 nikationsdiensten oder die Kundenbindung              Erneuerbare Energien, die Energieversorgung
 durch eine engere Vernetzung der Stadtwerke           und       Energieeffizienz,      weniger     die
 mit den Endkunden durch das Angebot                   Energieverteilung,           Energiespeicherung,
„smarter“ Produkte genannt. Schließlich wollen         Breitbandausbau oder die Entwicklung neuer
 weit über die Hälfte der Stadtwerke zunehmend         Geschäftsfelder. Damit sollen Kooperationen
 Systemdienstleistungen erbringen.                     folglich vorrangig in den Kernbereichen
                                                       der     Unternehmen       stattfinden,   welche
Aber nicht nur die oben benannten Aspekte
                                                       zunehmend unter Druck geraten. Die Ziele
sind für die Anpassung der Unternehmen-
                                                       entsprechender Kooperationen sind vielfältig.
stätigkeit verantwortlich. Auch das sich
                                                       Primär stehen die Kostensenkung und Prozes-
verändernde Marktumfeld bedingt diese.
                                                       soptimierung im Fokus, indem Skaleneffekte
So sehen gut zwei Drittel der Stadtwerke
                                                       gehoben und Synergiepotenziale generiert
in dem sich verändernden Verbraucher-
                                                       werden, um auch bei Großinvestitionen Risiko
verhalten – bspw. zunehmende Bereitschaft
                                                       und Investitionsvolumen zu diversifizieren.
zum     Anbieterwechsel     –   Anpassungsnot-
                                                       Stärkere Kundenorientierung und folglich
wendigkeiten. Aber auch aus der Nachfrage
                                                       eine höhere Kundenbindung werden durch
nach anderen bzw. neuen Dienstleistungen
                                                       Kooperationen angestrebt. Nicht zuletzt spielen
und Produkten seitens der Kunden ergibt
                                                       Kooperationen zur Sicherung der kommunalen
sich ein entsprechender Handlungsbedarf.
                                                       Daseinsvorsorge durch integrierte kommunale
Schließlich wirken hierauf auch sich wandelnde
                                                       Versorgungskonzepte, zur Know-how-Gewin-
Lieferbeziehungen und Kundenstruktur.
                                                       nung für das eigene Unternehmen sowie zur
                                                       Risikostreuung eine größere Rolle.
Um auf diese Veränderungen zu reagieren,
stehen    den      Stadtwerken     verschiedene
                                                       Kooperationen mit anderen Sektoren werden
Möglichkeiten offen: Sie können v. a. neue
                                                       interessanter. Unternehmen der Wohnungs-
Geschäftsfelder entlang der Wertschöp-
                                                       wirtschaft,    Kommunalverwaltungen         und
fungskette     (Erzeugung,      Netze/Verteilung,
                                                       Privatpersonen im Rahmen von Bürgergenos-
Beschaffung/Handel und Vertrieb) erschließen,
                                                       senschaften bilden für Stadtwerke neue Partner.
bspw. im Bereich IT oder Shared Services.
                                                       Erneuerbare Energien, Energieverteilung und
Ferner können bestehende Geschäftsfelder
                                                       Energiedienstleistungen werden hierbei als
erweitert     oder     neue      Geschäftsfelder
                                                       Felder genannt. In der Wohnungswirtschaft
außerhalb der Wertschöpfungskette, bspw.
                                                       sind neben der Energieversorgung vor allem
Entwicklung energetischer Quartierskonzepte
                                                       die Energieeffizienz und die Erbringung
oder Elektromobilität, generiert werden.
                                                       von Energiedienstleistungen entscheidend.
Nischenmärkte        bzw.      Innovationsfelder,
                                                       Klassischerweise deutet dies auf Projekte
bspw. Entwicklung und Vertrieb intelligenter
                                                       wie energetische Quartiersentwicklung und
Technologien im Bereich Energie, werden
                                                       autarke/quartiersbezogene           Energiever-
interessanter. Dabei sehen die Stadtwerke
                                                       sorgungsprojekte (Mini-BHKW, Mieterstrom-
vorrangig in erstgenannter Option einen
                                                       modelle etc.) hin. Da es sich hier um eine
wesentlichen Strategieansatz, aber auch
                                                       Zusammenarbeit außerhalb der klassischen
die zweite Option ist für über zwei Drittel
                                                       Geschäftsfelder der Stadtwerke handelt,
der    Stadtwerke     relevant.   Nur    wenige
                                                       wird vorrangig eine unverbindlich-situa-
Stadtwerke sehen in der Erschließung neuer
                                                       tive, d.h. auf konkrete Maßnahmen bzw.
Geschäftsfelder außerhalb der Wertschöpfung-
                                                       Projekte beschränkte, Kooperation bevorzugt.
skette oder der Spezialisierung auf Nischen
                                                       Mit       Kommunalverwaltungen          werden
bzw. Innovationsfelder eine geeignete Strategie.
                                                       vorrangig   Projekte     von   Energieeffizienz,
Kooperationen bilden dabei ein strategisches           Energieversorgung,     Energiedienstleistungen
Element, wobei hier der lokale bzw. regionale          und Elektromobilität interessant. Besonders
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
8   Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

     die    Kooperationsbereiche     Energieeffizienz
     und Elektromobilität werden durch gesetzlich
     abgeleitete Maßnahmen im Rahmen der
     Energiewende beschleunigt, da konkrete
     Energieeffizienzziele für den kommunalen
     Gebäudebestand,      Verbrauchsreduktionsziele
     oder     Treibhausgasemissionsreduktionsziele
     und Ziele für den Bereich Elektromobilität
     vorgeben werden. Aber auch die Vielzahl von
     Förderprogrammen und damit die Aussicht auf
     Fördermittel können Kooperationen in diesen
     Bereichen befördern. Zugleich sind Stadtwerke
     als oftmals kommunale Unternehmen hier
    „natürliche“ Kooperationspartner und zugleich
    „Know-how-Lieferanten“. Simultan bietet sich
     hier für die Stadtwerke die Möglichkeit, neue
     Geschäftsfelder zu erschließen.
    Nicht     zuletzt     haben    Bürgergenossen-
    schaften und Projektentwickler Potenzial
    für Kooperationsmodelle. In Bürgergenos-
    senschaften sehen Stadtwerke v. a. im
    Bereich           Energieerzeugung/Erneuerbare
    Energien einen Kooperationspartner, was
    mithin in der regionalen Verankerung der
    Stadtwerke allgemein und der Bindung der
    dahinterstehenden Privatpersonen an das
    Unternehmen im Speziellen begründet werden
    kann. Zugleich kann hierin aber auch eine
    Möglichkeit der Kostenteilung bei Investitionen
    in den Ausbau erneuerbarer Energien
    gesehen werden. Mit Projektentwicklern wird
    erwartungsgemäß projektbezogen kooperiert,
    dabei stehen v. a. die Bereiche Erneuerbare
    Energien/Energieerzeugung, Energieversorgung
    und Energiespeicherung im Mittelpunkt.
    Tendenziell sind dies eher technische Bereiche
    und deuten auf eine Zusammenarbeit bezogen
    auf Planung und Durchführung technischer
    Projekte. Folglich könnte dies als Outsourcing
    bestimmter, kostenintensiver Unternehmens-
    bereiche gedeutet werden.
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit   9

2 Institutioneller Rahmen
und Studiendesign
Die energiepolitischen Ziele der Bundes- Strukturen sind mit denen privatwirtschaft-
regierung umfassen neben dem unter dem licher                Konzerne     vergleichbar.     Diese
Begriff „Energiewende“ zusammengefassten Entwicklungen stellen neue Herausforderungen
Umbau der Energieversorgung hin zu einer an das kommunale Beteiligungsmanagement.
möglichst vollständigen Energieerzeugung aus Zudem bestehen durch Zuschusszahlungen
erneuerbaren Energien ebenfalls Maßnahmen und die Ausgliederung von Verbindlichkeiten
zur Energieeffizienz, Energieeinsparung und zahlreiche Verknüpfungen zwischen den
Reduzierung der CO2-Emissionen. Stadtwerke städtischen Unternehmen und dem städtischen
als regional verankerte Versorgungsunter- Haushalt. Aber auch strategisch bietet der
nehmen haben diese fundamentalen Mark- „Konzern Kommune“ zahlreiche Chancen,
tveränderungen bei ihren Entscheidungen bestehende Herausforderungen, wie das
über zukünftige Strategien und Geschäfts- Gelingen der Energiewende auf kommunaler
feldentwicklungen zu berücksichtigen, um ihrer Ebene durch Vernetzung und intelligenter
wichtigen Rolle am Gelingen der Energiewende Steuerung zu erreichen. So ergeben sich daraus
gerecht zu werden. Die Energiewende führt in neue Kooperationsfelder von Stadtwerken im
ihrer derzeitigen Ausgestaltung allerdings nicht Rahmen von Mobilitätskonzepten im ÖPNV oder
automatisch zu Vorteilen für Stadtwerke und in der Quartiersentwicklung mit Wohnungsun-
andere EVU. So treten durch Einspeisevorrang ternehmen.
und -vergütung für erneuerbare Energien
                                                  Vor      diesem      Hintergrund      verfolgen
gerade für moderne, effiziente konventionelle
                                                  zahlreiche    Unternehmen       die   Strategie,
Erzeugungsanlagen             Wirtschaftlichkeit-
                                                  neue Geschäftsfelder zu erschließen und
sprobleme auf. Diese können nicht mehr
                                                  auch innerhalb solcher zu kooperieren,
kostendeckend betrieben werden.
                                                  wobei dies sowohl horizontale, vertikale
                                                  als auch diagonale (bspw. branchenfremde
Dennoch wird besonders von öffentlicher
                                                  Unternehmen) Kooperationen umfassen kann.
Seite erwartet, im Rahmen der Energiewende
                                                  So kann bspw. ein Stadtwerk im Rahmen der
mit „gutem Beispiel“ voranzugehen und
                                                  energetischen Sanierung von Wohnquartieren
entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
                                                  und in Kooperation mit dem kommunalen
Dies betrifft in erster Linie die Kommunen
                                                  Wohnungsunternehmen im Rahmen eines
und ihre Energieversorger, die Stadtwerke.
                                                  integrierten     Entwicklungskonzepts       die
Derartige     Maßnahmen      schließen     bspw.
                                                  Konzeption,    Errichtung     und    Betreibung
Konzepte zur Energieverbrauchseinsparung,
                                                  von Anlagen zur Energieerzeugung aus
effiziente Energieversorgung und Nutzung
                                                  erneuerbaren Energieträgern vornehmen und
eines möglichst hohen Anteils erneuerbarer
                                                  damit die Energieversorgung des Quartiers mit
Energien und deren Integration und Umsetzung
                                                  dezentralen Anlagen als neues Geschäftsfeld
im Rahmen kommunaler Energiekonzepte ein.
                                                  erschließen.
Hierfür bedarf es entsprechender Konzepte
und Strategien, die eine Vielzahl von Akteuren Stadtwerke sind hierbei die zentralen
einbinden müssen und von Stadtwerken als Instrumente zur Umsetzung der kommunalen
kommunale Unternehmen angetrieben werden. energiepolitischen Ziele im Rahmen der
Insbesondere im Rahmen sog. „Kommunaler Energiewende. Aus ihrer wirtschaftlichen
Energiekonzepte“, die zwar z. T. bereits Betätigung und einem sich immer stärker
integraler Bestandteil kommunaler Stadt- ändernden Marktumfeld ergeben sich für die
entwicklungsplanungen sind, empfiehlt sich Stadtwerke selbst neue Herausforderungen,
die integrative Einbindung von Stadtwerken welche die Erschließung neuer Geschäftsfelder
als Know-how-Träger und Partner vor Ort. Hier erfordern.        Bspw.    steigt    die   Wechsel-
spielt der „Konzern Kommune“ eine zentrale bereitschaft der Stadtwerke-Kunden. Strom
Rolle. Durch die Ausgliederung zahlreicher ist ein homogenes Gut. Eine Abgrenzung von
Aufgaben der Daseinsvorsorge aus dem Wettbewerbern ist vor diesem Hintergrund
städtischen Kernhaushalt entstand in vielen nicht unkompliziert. Ferner werden immer
Städten ein Geflecht zahlreicher kommunaler mehr Privat- und Geschäftskunden zukünftig
Unternehmen.      Die   dabei     entstandenen aufgrund des herrschenden Energiemarkt-
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke - DKB
10              Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

     designs von Konsumenten zu Produzenten                     strukturell angespannte fiskalische Lage der
     (Bürgerprojekte, eigene Erzeugungsanlagen                  Städte und Gemeinden rückt die effiziente
     von Unternehmen, Langfristverträge etc.). Die              und effektive Performance der kommunalen
     Frage ist, ob und wie Stadtwerke an diesem                 Unternehmen immer stärker in den Fokus.
     Trend im Kontext ihrer regionalen Verankerung
     partizipieren    können.   Die   Unternehmen               Als     kommunale         Gesellschaften     sind
     stehen vor diesem Hintergrund derzeit vor                  Stadtwerke gefragt, an entsprechenden
     großen Herausforderungen. Einerseits stehen                integrierten Konzepten mitzuwirken, da ihre
     Stadtwerke im Wettbewerb, sind als kommunale               originären Geschäftsfelder direkt von den
     Energieversorger allerdings mit einer Vielzahl             energie- und klimapolitisch induzierten
     von Restriktionen konfrontiert (bspw. eine                 Vorgaben      und       Maßnahmen       betroffen
     starre    Kommunalgesetzgebung,     die    das             sind. In der Kommunalwirtschaft bildet die
     wirtschaftliche Agieren über Gemeindegrenzen               Interaktion von Wettbewerb und öffentlicher
     hinweg untersagt oder bei kommunaler Anteil-               Aufgabenerfüllung eine zentrale Säule und
     seignerschaft kommunale Vorgaben wie bspw.                 wirkt direkt auf die strategische Ausrichtung der
     Querfinanzierungen oder Gewinnausschüt-                    Unternehmen. Dabei wird häufig argumentiert,
     tungen beinhaltet). Die Unternehmen stehen                 dass Wettbewerb einerseits und die kommunal
     vor der Frage, wie sie dennoch in einem sich               zu       gewährleistende         Daseinsvorsorge
     ständig     verändernden    energiewirtschaftli-           andererseits schwer in Übereinstimmung
     chen Umfeld künftig erfolgreich positionieren              zu bringen sind. Demgegenüber vertritt die
     können.                                                    Europäische Kommission die Auffassung, dass
                                                                Wettbewerb ein zentrales Element für eine
     In den letzten Jahren wurden – häufig fiskalisch
                                                                adäquate Daseinsvorsorge darstellt. Aufgrund
     induziert – die Aufgaben im kommunalen
                                                                dieser vielschichtigen Herausforderungen aus
     Wirtschaften stärker gebündelt. Im Fokus
                                                                Markt und Politik ist es derzeit für Stadtwerke
     steht häufig der „Konzern Stadt“, aus dessen
                                                                nicht leicht, sich nachhaltig strategisch zu
     Perspektive die konzertierte Durchführung,
                                                                positionieren.
     Steuerung und Verteilung der Aufgaben und
     Versorgungsleistungen die zentrale Rolle                   Die Studie, die das Kompetenzzentrum
     spielt. Neue institutionelle oder gesellschafter-          Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und
     strukturbezogene Veränderungen können vor                  Daseinsvorsorge e. V. an der Universität Leipzig
     diesem Hintergrund für Stadtwerke notwendig                gemeinsam mit der DKB Deutsche Kreditbank
     werden. Nachdem in den letzten Jahre die                   AG erstellt hat, analysiert auf Basis einer
     Diskussion um Privatisierung vs. Rekommu-                  Stadtwerke-Befragung        Herausforderungen
     nalisierung im Vordergrund stand, implizieren              sowie Handlungsfelder für Stadtwerke, die
     derzeit die bereits genannten Kooperations-                sich aus dem Strukturwandel im Energiemarkt
     lösungen wesentliche Marktveränderungen,                   ergeben. Speziell institutionelle Auswirkungen
     in horizontaler, vertikaler und diagonaler                 auf den Konzern Kommune stehen im Zentrum
     Dimensionierung        eine    Herausforderung             der Studie. Folgende Fragestellungen wurden
     und Anpassungsoption. Im Hinblick auf die                  untersucht:
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit                11

  Studien

                                         Herausforderungen
                                         Welche Herausforderungen
  Fragestellungen                        ergeben sich für Stadtwerke
                                         aus der Energiewende für ihre
                                         Geschäftsfelder?

  Strategie
  Welche Strategien werden
                                                                                          Neue Geschäftsfelder
  genutzt, um diesen                                                                      Welche Rolle spielen hierbei
  Herausforderungen                                                                       neue Geschäftsfelder?
  entgegenzutreten?

                                         Integration
  Kooperation                            Werden mit anderen                               Organisation
                                         (kommunalen) Unternehmen
  Werden neue Geschäftsfelder                                                             Wie wird die Zusammenarbeit
                                         im Rahmen integrierter
  auch durch Kooperationen,                                                               bei neuen Geschäftsfeldern
                                         Konzepte gemeinsam eine
  und hier speziell vertikale                                                             organisiert (interne und externe
                                         Strategie bzw. gemeinsam neue
  Kooperationen, erschlossen?                                                             Strukturen)?
                                         Geschäftsfelder entwickelt und
                                         falls ja, in welchen Bereichen?

Methodisch erfolgt im Rahmen der Studie eine empirische Untersuchung durch eine schriftliche, standardisierte
Befragung. Es wurden 680 Unternehmen befragt, wovon 83 an der Umfrage teilnahmen. Der Rücklauf lag bei 12,03%.
12              Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

     3		Aktuelle Entwicklungen im
        Energiemarkt
     Die     Energieversorgung       in    Deutschland Betrachtung der bisherigen Entwicklung im
     soll       entsprechend          des       energie- Sinne einer Trendbeschreibung erfolgen.
     politischen Zieldreiecks wirtschaftlich und
                                                         Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen
     umweltverträglich sein sowie hohes Maß
                                                         gegenüber 1990 betrug im Jahr 2014 ca. 28%.
     an     Versorgungssicherheit        gewährleisten.
                                                         Dabei ging der Ausstoß von Treibhausgasen
     Diese Ziele stehen dabei gleichwertig
                                                         von etwa 1.250 Tonnen CO2-Äquivalent im
     nebeneinander.         Zugleich      setzt     die
                                                         Jahr 1990 auf 902 Tonnen im Jahr 2014 zurück.
     Bundesregierung mit ihren klima- und ener-
                                                         Nach aktuellem Stand sind diese im Jahr 2015
     giepolitischen Zielstellungen den politich-
                                                         gegenüber dem Vorjahr wieder leicht auf 908
     rechtlichen Rahmen des Energiemarkts. Im
                                                         Tonnen gestiegen, sodass der prozentuale Wert
     Zuge der Energiepolitik der Bundesregierung
                                                         zur Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 für
     wird     neben     dem      Ziel   der     Energie-
                                                         2015 nach unten korrigiert werden muss.⁴
     verbrauchsreduktion und der Steigerung
     der Energieeffizienz auch der Umbau der Bisher wurde der Energiemarkt maßgeblich
     Erzeugungsstrukturen hin zu erneuerbaren durch den Auf- und Ausbau von Erzeugungs-
     Energien forciert. Dafür sind zahlreiche kapazitäten               erneuerbaren      Energien   als
     Maßnahmen erforderlich, welche sich auf die zukünftigen Hauptenergielieferant geprägt,
     verschiedenen Segmente des Energiemarkts zudem ging es vorrangig um den Netzaus- und
     auswirken, bspw. auf den Bereich Energieüber- -umbau infolge des Wandels von zentralen
     tragung und Energieverteilung, den Bereich zu               dezentralen      Erzeugungsstrukturen.
     Energieerzeugung, aber auch Bereiche wie Weiterhin bildeten erste Bemühungen der
     Energiehandel. Die große Herausforderung Systemintegration der erneuerbaren Energien
     der erneuerbaren Energien bleibt aber die sowie Speicherlösungen den Kern. Unter
     hohe Fluktuation und die noch fehlende dem Begriff „Energiewende 2.0“ wird aktuell
     Speichertechnologie. Um Versorgungssicherheit die digitale Transformation des Energiever-
     zu gewährleisten, werden „Brückentechnolo- sorgungssystems diskutiert. Deren Hauptziel
     gien“ benötigt, solange noch keine vollständige bildet die Digitalisierung der gesamten
     Systemintegration der erneuerbaren Energien Wertschöpfungskette                  (Energieerzeugung,
     erfolgt ist und die Übertragungs- und Speicherung und Verbrauch) sowie die
     Verteilnetze nicht in dem Maße aus- und effiziente                Verknüpfung     aller    Sektoren
     umgebaut wurden, dass diese Erzeugung und (bspw. Strom, Wärme oder Verkehr) und
     Verbrauch in nahezu Echtzeit steuern können. möglichst vieler dezentraler (Erzeugungs-)
     Nach dem Atomausstieg ist die ursprünglich als Einheiten untereinander.            Darüber hinaus
     Brückentechnologie vorgesehene Kernenergie gilt es im Hinblick auf das energiepolitische
     weggefallen. Der Steinkohlebergbau soll Zieldreieck, neben der Umweltverträglich-
     bis 2018 eingestellt werden. Daher kommt keit auch dauerhaft – insbesondere jedoch
     gegenwärtig der Braunkohle, aber auch Erdgas in der Übergangsphase – die Versorgungs-
     hier eine wesentliche Rolle zu.                     sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der
                                                         Energieversorgung bei wachsenden Anteilen
     Tabelle 1 illustriert zunächst die quantitativen
                                                         der Erneuerbaren Energien zu gewährleisten,
     Ziele der deutschen Energiepolitik bis 2050
                                                         folglich diese vollkommen in das Energie-
     und die daraus abgeleiteten Teilziele für die
                                                         versorgungssystem zu integrieren und auch
     Jahre 2020, 2030 und 2040 mit dem Status
                                                         an Systemdienstleistungen zu beteiligen.
     quo 2014/2015. Die quantitativen Ziele
                                                         Vor dem Hintergrund ist seitens der
     beziehen sich dabei auf Bereiche Treibhausgas-
                                                         Bundesregierung eine tiefgreifende Reform
     emission, erneuerbare Energien sowie Effizienz
                                                         des Strommarktes geplant, die perspektivisch
     und Verbrauch. Ein Großteil dieser Ziele
                                                         zu einer vollständigen Marktintegration der
     bezieht sich dabei auf die (z. T. stufenweise)
                                                         Erneuerbaren Energien führen soll.⁵
     Erreichung einer vorgegebenen Reduktion
     innerhalb eines bestimmten Zeitraums – i. d. Diesen Trends unterliegen auch die Stadtwerke
     R. für das Jahr 2020 und/oder 2050. Hier kann als           regionale     Energieversorgungsunter-
     die Zielerreichung lediglich über die Ex-Post- nehmen. Insbesondere durch die Liberal-
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit                                          13

isierung des Strommarkts und die mit der Novelle
                                                                                       ⁴ Nach Angaben des Umweltbundesamts nahm die Treibhausgasemission um 0,7%
des    EEG    2012   beschlossene    Förderung    der
                                                                                        gegenüber 2014 zu, was einer Emission von 908 Tonnen CO2-Äquivalent führt
Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren
                                                                                        (vgl. UBA 2016).
Energien führten zu einem hohen Anpassungsdruck
für Stadtwerke. Die Liberalisierung des Strommarkts
                                                                                       ⁵ Vgl. bspw. Rottmann/Grüttner/Kilian 2016, S. 28
umfasste dabei als wesentliche Elemente die freie
Anbieterwahl seitens der Verbraucher und die standort-
unabhängige Leistungsanbietung der Stromversorger,
die Förderung der Direktvermarktung führte zu
zahlreiche neue Stromerzeuger auf den Markt. Zugleich
führte insbesondere auch die Direktvermarktung
von Strom aus erneuerbaren Energien infolge deren
niedrigen Produktionskosten zu deutlich sinkenden
Börsenstrompreisen. Auch hieraus ergibt sich die
Notwendigkeit neuer Geschäftsstrategien.

Tabelle 1:               Quantitative Ziele der Energiewende und Status quo 2015

                                                                                                    Zielvorgaben                                           Status quo

                                                                            2020               2030                  2040                    2050            2014/2015

                                                                          Treibhausgasemission

               Treibhausgasemission gegenüber 1990                        mind. -40%      mind. -55%                                                           -27,4%*

                                                                          Erneuerbare Energien

               Anteil am Bruttoendenergieverbrauch                           18%               30%                    45%                    60%                13,5%

                                                                                          mind. 50%               mind. 65%

                       Anteil am Bruttostromverbrauch                     mind. 35%        EEG 2025:              EEG 2035:                mind. 80%            32,6%*

                                                                                          40 bis 45%             55 bis 60%

                               Anteil am Wärmeverbrauch                      14%                                                                                13,2%*

                                 Anteil im Verkehrsbereich                   10%                                                                                5,3%*

                                                                          Effizienz und Verbrauch

                    Primärenergieverbrauch ggü. 2008                        -20%                                                             -50%               -8,7%

                 Endenergieproduktivität 2008 - 2050                                      2,1% pro Jahr (2008 - 2050)                                         1,6% p. a.

                       Bruttostromverbrauch ggü. 2008                       -10%                                                             -25%               -4,6%

            Primärenergiebedarf Gebäude ggü. 2008                                                                                            -80%               -14,8%

                      Wärmebedarf Gebäude ggü. 2008                         -20%                                                                                -12,3%

             Endenergieverbrauch Verkehr ggü. 2005                          -10%                                                             -40%                   1,7%

* Aktualisierte Angaben für 2015 nach UBA 2016. Quelle: BMWi 2015, S. 7
14                   Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

     4 Strukturwandel im Energiemarkt:
                 Implikationen für die Unternehmenstätigkeit der Stadtwerke

     4.1		Befragungsdesign                                                         4.2		Unternehmenskontext

     Die Stadtwerke-Erhebung gliedert sich in drei                                An der Studie beteiligten sich 83 Stadtwerke.
     Befragungsteile. In Teil A wurden allgemeine                                 Die regionale Verteilung ist in Abbildung 1
     Unternehmensangaben, wie Unternehmenssitz,                                   dargestellt. Der Großteil der teilnehmenden
     Anteilseigner- und Zielstruktur sowie Unterne-                               Unternehmen      kam    aus    den    Ländern
     hmenssparten und Kundenstruktur erhoben.                                     Nordrhein-Westfalen       (19,3%),     Baden-
     Befragungsteil B fokussiert Herausforderungen                                Württemberg (16,9%) und Niedersachsen
     aus der veränderten Energiepolitik für die                                   (13,3%). Insgesamt nahmen mit einem Anteil
     Unternehmen, bezogen auf Unternehmens-                                       von über zwei Dritteln verstärkt Unternehmen
     tätigkeit, Investitionen oder Unternehmens-                                  aus den westdeutschen Bundesländern an der
     umfeld. Teil C rekurriert auf mögliche Strategien,                           Umfrage teil.
     mit denen den Herausforderungen begegnet
     werden soll. Hierbei liegt ein Schwerpunkt auf                               Die häufigste Rechtsform bildet mit 83,1% die
     Kooperationen, welche nach Kooperationsrich-                                 GmbH. Der kommunale Eigenbetrieb spielt mit
     tung, -tiefe und Sektoren differenziert werden.                              2,4% der Nennungen eine nachrangige Rolle
                                                                                  (Abbildung 2).

     Abbildung 1:            Unternehmenssitz der teilnehmenden Stadtwerke nach Ländern*

             Nordrhein-Westfalen                                                                                                           19,3%

              Baden-Württemberg                                                                                                    16,9%

                     Niedersachsen                                                                                 13,3%

                             Sachsen                                                                  10,8%

                   Sachsen-Anhalt                                                                     10,8%

                               Bayern                                                          9,6%

     Mecklenburg-Vorpommern                                            4,8%

                       Brandenburg                              3,6%

                              Hessen                            3,6%

                   Rheinland-Pfalz                       2,4%

                           Thüringen                     2,4%

                            Saarland              1,2%

               Schleswig-Holstein                 1,2%

     n=83; Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).

     * Aufgrund von Rundungsdifferenzen ist es möglich, dass in der Summierung der Abbildungen nicht genau 100% erreicht werden.
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit                             15

Abbildung 2:            Rechtsform der teilnehmenden Stadtwerke

                             GmbH
                            GmbH                                                                                      83,1%
                                                                                                                     83,1%

                 GmbH&&Co.
                GmbH    Co.KGKG                        10,8%
                                                     10,8%

                                AGAG           3,6%
                                             3,6%

                     Eigenbetrieb
                   Eigenbetrieb               2,4%
                                            2,4%
 Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).

Kommunale Anteilseigner dominieren die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises. Insgesamt sind
60,2% der Unternehmen zu 100% in kommunaler Anteilseignerschaft. Jedoch zeigen sich hier regionale
Unterschiede. Besonders hoch ist die Anzahl solcher Unternehmen in den Bundesländern Mecklen-
burg-Vorpommern, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen⁶, hingegen sind Unternehmen mit 100%
kommunalen Anteilseignern in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt deutlich weniger vertreten.

                                                                                                   ⁶ Aufgrund der geringen Nennungen ist die
                                                                                                    Aussagekraft für die Länder Schleswig-

                                                                                                    Holstein, Saarland, Rheinland-Pfalz und

                                                                                                    Thüringen eingeschränkt.

Abbildung 3:            Anteilseignerstruktur nach Bundesländern

          Baden-Württemberg                           42,9%                      50,0%                7,1%
                          Bayern                                     100,0%
                   Brandenburg                        66,7%                                33,3%
                          Hessen                      66,7%                                33,3%
  Mecklenburg-Vorpommern                                             100,0%
                 Niedersachsen                        63,6%                                36,4%
                                                                                                                               100% kommunal
         Nordrhein-Westfalen                                 56,3%                       43,8%
               Rheinland-Pfalz                           50,0%                 50,0%
                                                                                                                               unter 100% - 50% kommunal
                        Saarland                                     100,0%
                         Sachsen                             55,6%                       44,4%
                                                                                                                               unter 50% - 25% kommunal
            Schleswig-Holstein                       37,5%                     50,0%               12,5%
                Sachsen-Anhalt                                       100,0%                                                    unter 25% kommunal
                       Thüringen                         50,0%                 50,0%

Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).
16                            Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

Der Gesellschafterkreis der teilnehmenden Unternehmen ist dabei wenig diversifiziert. 65,1% der
Unternehmen mit ausschließlich kommunaler Anteilseignerstruktur befinden sich im Eigentum
eines kommunalen Gesellschafters. Sofern eine private Beteiligung vorliegt, überwiegt auch
hier mit 26,5% die Beteiligung eines privatrechtlichen Anteilseigners.

Abbildung 4:           Anzahl privater und kommunaler Anteilseigner der Unternehmen

                                                                                         4,8% 6,0%       4,8% 6,0%
                   13,3%                   13,3%

                                                                          24,1%                24,1%

     26,5%                   26,5%                    60,2%            60,2%

                                                               Anzahl                                                        Anzahl
                                                               privater                                                      kommunaler
                                                               Anteilseigner                           65,1%         65,1%   Anteilseigner

      keinen          genau 1               2 bis 5       mehr als 5

Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).

Kommunale Anteilseigner richten ihren Schwerpunkt in der
Steuerung der teilnehmenden Stadtwerke auf zwei Aspekte:
			                     die Unterstützung des kommunalen Querverbundes und

			                     die Vorgabe einer Mindestausschüttung.

Abbildung 5:            Einflussbereiche der kommunalen Anteilseigner

Kommunaler Querverbund                                                                 50,6%

     Mindestausschüttung                                                       44,6%

      Investitionsvorgaben                                    26,5%

      Bürgerbeteilligungen           7,2%

         Sonstige / Andere                 10,8%

Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit                                                                                                                      17

                                           50,00

                                                                      Eigenkapitalquote - Vergleich
                                           45,00

                                                          50,00
                                                                    39,5                                                  39,8                40,0
                                           40,00                                              39,3                                                                    38,5                        38,3                 38,3

 DIES KORRESPONDIERT                       35,00
                                                          45,00

     AUCH MIT DEN                                         40,00
                                                                                39,5                         39,3                   39,8                 40,0
                                                                                                                                                                                    38,5                     38,3                 38,3

   ERGEBNISSEN DES
                                           30,00

                                                          35,00

      STADT WERKE-                         25,00
                                                                   2008                   2009                            2010                2011                    2012                        2013                2014

VERGLEICHS, WELCHEN DIE
                                                          30,00

 DEUTSCHE KREDITBANK                                      25,00
                                                                                2008                         2009                   2010                 2011                       2012                     2013                 2014

     IM ZUGE IHRER                                                                       Mittlere Streuung                                               Median

  KUNDENAUSWERTUNG
                   87,9                                87,9                                      87,9
             90,00      90,00                                              90,00
   DURCHFÜHRT HAT.
                                                                      Aussschüttungsquote
                                                                                80,5      - 80,5
                                                                                        80,6 Vergleich
                                                                                                    78,6
                                                                                                         80,6                                                             81,2
                                                                                                                                                                         80,5
                                                                                                                                                                                    78,6
                                                                                                                                                                                                     80,6 81,2
                                                                                                                                                                                                                           78,6
                                                                                                                                                                                                                                              81,2
                 80,00          80,00                                       80,00
                                                75,9                            75,9
                                                                                 87,9                                        75,9

         80%
                                                          90,00
                                                                           71,4                             71,4                                  71,4
                 70,00          70,00                                      70,00                                                                                                                                                  81,2
                                                                                                                                                        80,5             66,9 80,6                          66,9                              66,9
                         63,9                          63,980,00       64,2                      63,9 64,2                                        64,2 63,6                                                  78,6
                                                                                                  63,1                       63,6 63,1                                   63,1                        63,6
                                                                                                       75,9                                       62,8                        62,8                                         62,8
                                                59,4                        59,4                                             59,4

 ca.
                 60,00          60,00                                   60,00                                                      71,4
                                                                       55,6                                 55,6                                  55,6
                                                          70,00
                                                                                                                                                                                                                                  66,9
                                                                               63,9                                                                                          50,4                           50,4                              50,4
                                                                                                                                    64,2                 63,1                       63,6
                 50,00          50,00                                      50,00                                                                                                                             62,8
                                                                                                             59,4
                                                          60,00
                                                                                                     41,5                     43,4 41,5
                                                                                                                                    55,6          43,5 43,4              41,5 43,5                   43,4                  43,5
                                                39,3                          39,3                                           39,3
                 40,00          40,00                                      40,00
                         34,7                          34,7                                      34,7                                                                                                                             50,4
                                                          50,00

   DER STADT30,00
              WERKE 30,00                                 40,00
                                                                           30,00
                                                                                                             39,3
                                                                                                                                                         41,5                        43,4                    43,5

SCHÜT TETEN 2014   AN 2008
                        IHRE
                                                                             34,7
             20,00         20,00                                        20,00
                                                20092008               2010 2009                 2008
                                                                                                  20112010                   2009
                                                                                                                              2012 2011           2010
                                                                                                                                                   2013 2012             2011
                                                                                                                                                                         2014 2013                   2012 2014             2013               2014
                                                       30,00
  ANTEIL SEIGNER AUS.
                                                          20,00
                                                                                2008                         2009                   2010                 2011                       2012                     2013                 2014

            ÜBER                                                                              Durchschnitt                                    komm. Stadtwerke                                              komm. Anteil < 100%

      85%
                                        12,00
                                                                      Investitionsquote - Vergleich
                                        10,00
                                                          12,00

                                        8,00
                                                          10,00                                                                            6,9                  7,1                                                 6,9
                                                                                                                    6,1                                                                     6,1
                                        6,00

     DAVON TATEN                                           8,00
                                                              4,8                       4,9
                                                                                                                                                         6,9                         7,1                                          6,9

    DIES MIT EINER
                                        4,00                                                                                        6,1                                                                      6,1
                                                           6,00
                                                                                 4,8                         4,9

 AUSSCHÜT TUNGSQUOTE                    2,00
                                                              2008
                                                           4,00
                                                                                        2009                        2010                   2011                 2012                        2013                    2014

    VON ÜBER 50%.
                                                           2,00
                                                                                2008                         2009                   2010                 2011                       2012                     2013                 2014

                                                                                         Mittlere Streuung                                               Median
18                                           Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

     Privatrechtliche Anteilseigner nehmen neben ihrer Kontroll- und Aufsichtsfunktion insbesondere
     eine fachspezifisch beratende Rolle ein. Zudem stellen sie für die teilnehmenden Stadtwerke
     oftmals einen weiteren strategischen Partner dar.
     Knapp die Hälfte der teilnehmenden Stadtwerke weist eine mittlere Unternehmensgröße auf
     (Umsatz zwischen 25 und 100 Mio. € p.a.; 49,4%), etwa ein Viertel der Unternehmen liegen unter
     25 Mio. € Jahresumsatz.

     Abbildung 6:                                        Unternehmensgröße anhand des Jahresumsatzes 2014

      weniger als 10 Mio. Euro                                                          8,4%

         10 Mio. bis 25 Mio. Euro                                                                            15,7%

       25 Mio. bis 50 Mio. Euro                                                                                                       26,5%

                                           50 bis 100 Mio. Euro                                                               22,9%

             mehr als 100 Mio. Euro                                                                                  18,1%

                                                 keine Angabe                           8,4%

     Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).

     Diese spiegelt sich ebenfalls in der Anzahl der versorgten Kunden wider. Die Mehrheit der
     Studienteilnehmer verfügt über bis zu 40.000 Privatkunden, bis zu 1.000 private Gewerbekunden
     und bis zu 75 öffentliche Gewerbekunden. Dabei überwiegen Unternehmen, welche 10.000 bis
     25.000 Privatkunden, 100 bis 500 private Gewerbekunden und 10 bis 25 öffentliche Gewerbekunden
     versorgen.

     Abbildung 7:                                        Anzahl der Privatkunden (SLP-Kunden⁷)
       Anzahl versorgter Privathaushalte

                                             weniger als 5.000                 6,0%

                                              5.000 bis 10.000                             10,8%

                                             10.000 bis 25.000                                                                           32,5%

                                             25.000 bis 40.000                                            16,9%

                                              mehr als 40.000                                  12,0%

                                                 keine Angabe                                                         21,7%

     Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).

      ⁷ Standard-Last-Profil
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit                            19

Abbildung 8:                                    Anzahl der privaten Unternehmen (RLM-Kunden⁸)

                                         weniger als 50             4,8%
  versorgte private Unternehmen

                                             50 bis 100                    7,2%

                                            100 bis 500                                                                              31,3%

                                          500 bis 1.000                           10,8%

                                         mehr als 1.000                                                  19,3%

                                          keine Angabe                                                                   26,5%

Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).
                                                                                                                             ⁸ Registrierende Leistungsmessung

Abbildung 9:                                    Anzahl der öffentlichen Institutionen (RLM-Kunden)
   versorgte öffentliche Institutionen

                                          weniger als 5                           10,8%

                                               5 bis 10             4,8%

                                              10 bis 25                                                          21,7%

                                              25 bis 75                                     14,5%

                                           mehr als 75                                           16,9%

                                          keine Angabe                                                                                31,3%

Quelle: Kompetenzzentrum und DKB (2016).
20           Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

     Die teilnehmenden Stadtwerke verfügen über eine hohe, regionale, wenngleich produktspezi-
     fische Wertschöpfungstiefe. Nahezu alle Teilnehmer sind im Vertrieb der Kernprodukte Strom, Gas
     und Wärme und dem Betrieb der dazugehörigen Netze tätig. Abhängig vom Geschäftsfeld wird
     die Wertschöpfungstiefe um die Erzeugung (Strom, Wärme) und das Angebot von Zusatzdienst-
     leistungen (z. B. Messdienstleistungen) ergänzt. Der Handel mit Strom und Gas wird von größeren
     Stadtwerken betrieben und ist aufgrund der Gewichtung dieser Stadtwerke in der Gesamtgruppe
     dieser Studie ein nachrangiges Geschäftsfeld. Der Betrieb des regionalen öffentlichen Nahverkehrs
     spielt mit 12,0% ebenfalls eine untergeordnete Rolle. In Bezug auf sonstige Aufgabenfelder wurden
     die Wasserversorgung und der Bäderbetrieb am häufigsten genannt.

     Der Ausbau erneuerbarer Energien, der Netzaus- und -umbau und neue Dienstleistungen im
     Energiebereich, neue Geschäftsfelder wie Quartiersentwicklung oder neue Mobilitätskonzepte
     korrespondieren mit einem erhöhten Bedarf an Finanzmitteln. Ferner rechnen sich derzeit aufgrund
     des Marktdesigns vielfach die hohen Investitionen in effiziente GuD- oder anderen konventionelle
     Kraftwerke für viele Stadtwerke nicht. Die Studienteilnehmer finanzieren den Ausbau ihrer
     Geschäftstätigkeit zum einen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb (Innenfinanzierung), über
     Gesellschaftereinlagen (Eigenkapitalerhöhungen oder Gesellschafterdarlehen) oder über
     langfristige Bankdarlehen. Keines der teilnehmenden Stadtwerke gab an, dass der bisher
     erforderliche Kapitalbedarf nicht gedeckt werden konnte. Zudem wurde kein Änderungsbedarf
     im Hinblick auf die gewählte Finanzierungsform oder die verwendeten Finanzierungsprodukte
     benannt. Klassische Bankfinanzierungen werden somit bevorzugt. Dies ist vor allem in den sehr
     günstigen Finanzierungskosten begründet. Die Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals ist jedoch
     nicht unbegrenzt möglich und nur den Unternehmen offen, die über eine ausreichende Fremd-
     kapitalkapazität verfügen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund des sich ändernden
     Regulierungsumfeldes für Banken (bspw. Basel III) und deren Risikoeinschätzung kommunaler
     Strukturen. Ferner könnten aufgrund der Finanzierungsherausforderungen (in Erzeugung, Netzen,
     Dienstleistungen) alternative Finanzierungsformen an Bedeutung gewinnen. Die Bandbreite
     reicht dabei von Bürgerprojekten bis hin zu Finanzierungen über bzw. mit institutionellen
     Finanzinvestoren.
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit   21

WERTSCHÖPFUNGS-
     S TUFEN

 VON DEN BEFR AGTEN
 UNTERNEHMEN SIND...

  96,4%                           GE SCHÄF TSBEREICHSFELDER
    IM VERTRIEB,
                                       DIE GESCHÄF TSFELDER DER BEFR AGTEN

  86,7%                                    UNTERNEHMEN UMFA SSEN ZU...

 IN DER VERTEILUNG/
  DEM NETZBETRIEB,
                                                     96,6%                                  STROM,

  63,9%                                                  91,6%                              GA S,

                                                        81,9%
  IN DER ER ZEUGUNG

  63,9%                                                                                 WÄRME,

   IN SERVICES UND
                                                          12,0% ÖPNV SOWIE
  32,5%                            72,3% ANDERE GESCHÄF TSBEREICHE.
  IM HANDEL TÄTIG.

                                         25, 3%  DER UNTERNEHMEN SIND AL S
                                          INTEGRIERTES UNTERNEHMEN TÄTIG.
22                              Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit

4.3         Herausforderungen aus der veränderten Energiepolitik

4.3.1 Status quo: Struktur und räumliche Verteilung der Energieerzeugung

Gegenwärtig beträgt der Anteil erneuerbarer                                              das Übertragungsnetz konzipiert. Erneuerbare
Energien am Strommix etwa 30%, wobei Windkraft                                           Energie wird hingegen dezentral und verteilt
und Biomasse hier den überwiegenden Anteil                                               über das gesamte Bundesgebiet erzeugt, wobei
einnehmen (vgl. Abbildung 10). Es zeigt sich, dass                                       sich für bestimmte Energieträger hier gewisse
erneuerbare Energieträger in der Rangfolge direkt                                        räumliche Konzentrationen zeigen. So wird
nach der Braunkohle stehen und folglich für die                                          Windkraft vorrangig im Norden und Solarenergie
Stromerzeugung von Bedeutung sind.                                                       hauptsächlich im Süden erzeugt. Besonders die
                                                                                         zunehmende Stromerzeugung aus Windkraft
Das Leistungsangebot steht dem Strommarkt nicht
                                                                                         bedingt    zahlreiche   Herausforderungen     für
kontinuierlich zur Verfügung, da die Leistung aus
                                                                                         Energieversorger, nicht nur infolge der bereits
Wind- und Solarenergie von den Wetterverhält-
                                                                                         genannten Volatilität. Bedingt durch klima-
nissen abhängt und damit mitunter sehr volatil
                                                                                         tisch-topologische Gegebenheiten sind (Onshore-)
ist. Folglich wird das Angebot an gesicherter
                                                                                         Windkraftanlagen derzeit i. d. R. nur im Norden/
Leistung gegenwärtig fast ausschließlich durch
                                                                                         Nordosten     Deutschlands     wirtschaftlich  zu
konventionelle Kraftwerke bereitgestellt. Während
                                                                                         betreiben, der Hauptenergieverbrauch findet
die Erzeugung konventioneller Energie räumlich
                                                                                         aber im Süden und Westen statt. Erneuerbare
zentralisiert und i. d. R. an Lagerstätten gebunden
                                                                                         Energie wird demnach vorrangig von Nord
ist, erfolgt die Erzeugung erneuerbarer Energien
                                                                                         nach Süd/West transportiert. Dies stellt
dezentral und teilweise in Abhängigkeit natur-
                                                                                         maßgeblich den Energietransport und damit
räumlich-klimatischer Gegebenheiten. So finden
                                                                                         Einspeisung, Übertragung und Verteilung vor
sich Kohlekraftwerke v. a. im Rheinischen Revier,
                                                                                         Herausforderungen und ist folglich wesentlicher
in der Lausitz und im mitteldeutschen Raum.
                                                                                         Faktor des Übertragungsnetz- als auch – für
Auf Basis dieser Standorte ist größtenteils auch
                                                                                         Stadtwerke relevant – Verteilnetzausbaus.

 Abbildung 10:               Anteile der Energieträger an der Bruttostromerzeugung 2015

     Photovoltaik 5,9%
                                                                                                                                        Erneuerbare Energien
     Wasserkraft 3,0%

     Biomasse 7,7%
                                                                                         18,1%
     (inkl. biogener Müll)                                                                                                              Steinkohle
                                                  30,1%
     Windenergie 13,5%
                                                                                                                                        Braunkohle

                                                                                                                                        Erdgas
                                                                                                     23,8%
                                                4,8%
                                                                                                                                        Kernenergie

                                                            14,1%
                                                                                   9,1%                                                 Sonstige

Eigene Darstellung, Datengrundlage: BMWi, Stand 04/2016. https://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Erneuerbare-Energien/erneuerbare-energien-auf-einen-blick.html.
Strukturwandel im Energiemarkt: Implikationen für die Unternehmenstätigkeit         23

4.3.2 Herausforderungen und Chancen für Stadtwerke aus der Energiepolitik der Bundesregierung

 Die klima- und umweltpolitischen Ziele der
 Bundesregierung wirken auf zahlreiche Bereiche
 der Stadtwerke. Während regelmäßig über den
 Ausbau der Erzeugungskapazitäten erneuerbarer
 Energieträger oder den Stromnetzausbau berichtet
 wird, stehen andere für die Zielerreichung relevante
 Bereiche des Energiesektors weniger stark im
 Fokus. Ein Beispiel bildet der Wärmemarkt, der
 eine wesentliche Relevanz für die Reduzierung
 der CO2-Emissionen und folglich den Klimaschutz
 aufweist, da dieser einen Anteil von ca. 40% am
 Energieverbrauch in Deutschland impliziert. Hier
 benötigen seit 2009 Gebäude nach § 16 EnEV einen
                                                                              im Rahmen der sogenannten „Energiewende
„Energieausweis“, der energieeffiziente Gebäude
                                                                              2.0“⁹ Speicherlösungen, Virtuelle Kraftwerke oder
 voraussetzt. Bei Neubau oder Sanierung von
                                                                              Demand-Side-Management an Bedeutung gewinnen.
 Gebäuden sind nun Richtwerte für Primärener-
                                                                              Virtuelle Kraftwerke zeichnen sich dadurch
 giebedarf und Wärmeschutz vorgeschrieben, welche
                                                                              aus, dass sie dezentralen Stromerzeugungs-
 zu höheren Baukosten oder kostenintensiveren
                                                                              einheiten bündeln, wie zum Beispiel Photovoltai-
 Sanierungsmaßnahmen führen können. Auch hier
                                                                              kanlagen, Wasserkraftwerke, Biogas- und Wind-
 können Stadtwerke im „Konzern Stadt“ wesentliche
                                                                              energieanlagen.        Sie      können        damit
 Akteure darstellen.
                                                                              nachfragebetonter Leistungen aus Großkraftwerken
                                                                              ersetzen. Virtuell bedeutet vor diesem Hintergrund,
Grundsätzlich wird sich der im Rahmen der
                                                                              dass die Erzeugung mehrere Standorte umfasst.
Energiewende vollziehende Wandel der Erzeu-
                                                                              Demand-Side-Management oder Lastmanagement
gungsstrukturen hin zu kleinen, dezentralen
                                                                              impliziert    die    Steuerung     der    Nachfrage
Anlagen auf die Strukturen der Energiewirtschaft
                                                                              nach     netzgebundenen      Dienstleistungen   bei
auswirken. Stadtwerke scheinen auf den ersten Blick
                                                                              verschiedenen Abnehmern (Industrie, Gewerbe
vor dem Hintergrund ihres regionalen Versorgungs-
                                                                              und Haushalte). Durch das Demand-Side-Manage-
ansatzes Nutznießer der Energiewende zu sein.
                                                                              ment kann eine Verringerung der Nachfrage erreicht
Allerdings besteht besonders für moderne, effiziente
                                                                              werden, ohne das Angebot zu erhöhen (z. B. durch
Kraftwerke infolge von Einspeisevorrang und Eins-
                                                                              Erhöhung der Erzeugung von Strom).
peisevergütung ein enormes Wirtschaftlichkeits-
problem, da diese derzeit nicht mehr kostendeckend
                                                                              Im Rahmen der Erhebung in der Studie ist unstrittig,
betrieben werden können. Zudem kommt es durch
                                                                              dass die energiepolitischen Vorgaben, speziell
die bisherige Förderung der erneuerbaren Energien
                                                                              der Ausbau der erneuerbaren Energien, zu einer
zu keiner bedarfsgerechten Erzeugung, was
                                                                              steigenden Zahl von Marktteilnehmern führen, wobei
wiederum die Netzstabilität und Versorgungssicher-
                                                                              verstärkt auch Bürger an die Energieerzeugung
heit gefährden könnte. Allerdings ergeben sich auch
                                                                              partizipieren und in diese investieren.
Chancen für Stadtwerke aus dem energiepolitischen
Rahmen: Aufgrund ihrer traditionellen regionalen                              Die    Notwendigkeit,  sich   aufgrund   dieses
Verankerung und Nähe zu den Endverbrauchern                                   Strukturwandels         unternehmensstrategisch
können sich neue Geschäftsfelder ergeben. Dazu                                neu auszurichten, wird unter den Studienteil-
sind jedoch Strategien sowie auch Anpassungen                                 nehmern mehrheitlich hoch oder sehr hoch
sowohl in den Netzinfrastrukturen als auch im                                 eingeschätzt. Diese Sichtweise fällt unabhängig
zukünftigen Marktdesign erforderlich. Bspw. werden                            vom zugrundeliegenden Geschäftsfeld aus (vgl.
                                                                              Abbildung 11).
 ⁹ Vgl. Rottmann/Grüttner/Kilian (2016),
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