Der Technologiehype ist ausgestanden. Jetzt geht der Kampf um die Inhalte so richtig los - B.I.T.online

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Der Technologiehype ist ausgestanden. Jetzt geht der Kampf um die Inhalte so richtig los - B.I.T.online
532                              REPORTAGEN                                                                                     Münch

„Verwandle Nichts in Etwas. Zeichne, setze Marken. Verbinde Dich durch diesen Raum der Imagination mit anderen Menschen“. Der chi-
nesische Künstler Ai Weiwei und Olafúr Eliasson, dänischer Künstler isländischer Herkunft, haben mit ihrem interaktiven Projekt „Moon“
ein phantastisches Forum für globalen Ausdruck jenseits aller Grenzen geschaffen. Es illustrierte die Eröffnung der Buchmesse, hier
durch ihren Direktor Jürgen Boos.

Der Technologiehype ist ausgestanden.
Jetzt geht der Kampf um die Inhalte so richtig los.
Bericht über die Frankfurter Buchmesse 2016
Vera Münch                              Der Diskurs wird zum Content, das Forschungsfragment zur Publikation. Das Buch spricht,
                                        seine Bilder werden lebendig, und als Teil des Internets der Dinge lernt es auch noch, sich
                                        mit weiteren Quellen zu verbinden, ja, sich sogar selbständig zu Interessensgemeinschaften
                                        zusammenzufinden. Damit gehört das Buch dann auch zur Industrie 4.0. Trotzdem stand das
                                        Digitale nicht mehr im Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse 2016. Der Technologiehype
                                        flacht ab. Der Inhalt rückt wieder in den Mittelpunkt und mit ihm die Forderung nach neuen
                                        Modellen zur Unterstützung der Kreativität der Autoren und Künstler sowie der Wahrung ihrer
                                        Rechte als Urheberinnen und Urheber. Jeder an der Kreativitätskette beteiligten Person müsse
                                        Anerkennung und ein entsprechender Bonus gezollt werden, so Jeff Jarvis, der Hauptvortragende
                                        der neuen Kunstmesse-in-der-Buchmesse, THE ARTS+. Die Werkzeuge für die Unterstützung
                                        der Kreativen kommen aus der Digitaltechnik. Mit ihnen etablieren sich Softwareschmieden als
                                        unverzichtbare Kooperationspartner oder entwickeln sich selbst zu Content-Anbietern. Um die
                                        Produktion von Büchern sowie die Aufbereitung und Bereitstellung von Information und Wissen
                                        herum formiert sich eine bunte Branche. Neue Mitbewerber schießen wie Pilze aus dem Boden.
                                        Brisant ist die Buchmesse auch wieder als Bühne für politische Stellungnahmen zum
                                        Weltgeschehen. In diesem Jahr ging es allerorts um die durch Brexit und nationalistische
                                        Strömungen verursachte Bewährungsprobe für Europa und die in vielen Ländern wieder stark
                                        bedrohte Freiheit des Wortes, hochaktuell in der Türkei #FreeTheWords1 #FreeWordsTurkey2,3.

                                        1   http://www.boersenverein.de/de/1166688
                                        2   http://www.freewordsturkey.de/
                                        3   http://www.boersenverein.de/de/portal/Presse/158382?presse_id=1244592

                     online 19 (2016) Nr. 6
Bibliothek. Information. Technologie.
                                                                                                                     www.b-i-t-online.de
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Münch                                                                                                                REPORTAGEN                           533

❱ „Mit dem digitalen Wandel in der        nallizenz für Deutschland geführten
Forschungskommunikation wird viel         Verhandlungen hat der Redaktions-
unmittelbarer, dass jeder publizier-      ausschuss von b.i.t.online, Library
te Text immer nur eine Zwischenstu-       Essentials und fachbuchjournal den
fe ist für die nächsten Arbeitsschrit-    Nerv der Branche getroffen. Die Po-
te in der Forschung“, erklärte Felix      diumsgäste Dagmar Laging, Springer
Evert, Vertreter des jungen Unter-        Nature, Detlef Büttner, Lehmanns
nehmens „Sample of Science“, bei          Media GmbH, Jörg Limberg, Elsevier,
der b.i.t.online-Podiumsdiskussion        Prof. Dr. Johannes Rux, Nomos Ver-
„Publizieren durch Startups“. Simon       lagsgesellschaft und Frank Schol-
Bungers, Mitgründer von labfolder,        ze, KIT-Bibliothek, diskutierten vor
regte ebendort zum Nachdenken an:         gut 100 Zuhörerinnen und Zuhörern.
„Ist der Inhalt wirklich das Wichtigste   Trotz laufender Verhandlungen, viel-
an der ganzen Sache? Oder sind es         fach angemahnter Intransparenz und          Das indische Unternehmen WIZAR.tech macht mit Hilfe von
nicht die Dienstleistungen drum he-       fühlbar hoher Anspannung zeigten            sogenannter erweiterter Realität, Augmented Reality (AR),
rum?“ Gemeinsam stellte er mit An-        alle Podiumsgäste große Gesprächs-          zweidimensional gedruckte Tierbilder zu dreidimensionalen
dré Gaul, Mitgründer der Online-Dis-      bereitschaft, auch über die Veran-          Darstellungen.
kurs-Plattform PaperHive fest, dass       staltung hinaus.
in diesem Zusammenhang die Defi-          Die Frankfurter Buchmesse fördert           Von Kinderbüchern und
nition von Inhalten neu gedacht wer-      die öffentliche Diskussion aktueller        Unterrichtsmedien 3D, VR- und
den müsse. Die Diskussionsbeiträge        Branchenthemen und die Vorstellung          AR-Nutzung lernen
auf PaperHive seien ebenso Content        fortschrittlicher Produkte mit soge-        In den Hallen 3.0 und 6.2 konnte man
wie die Eintragungen der Forsche-         nannten Hot Spots. Das sind durch           in diesem Jahr in Frankfurt am bes-
rinnen und Forscher in die elektroni-     orangen Bodenbelag kenntlich ge-            ten sehen, wie sich der Buchmarkt
sche Laborkladde labfolder. Solche        machte Ausstellungsflächen mit mo-          technisch weiterentwickelt. Auch
Inhalte, so Bungers, werden „auch         dernen Angeboten, zu denen jeweils          wenn insgesamt mehr gedruckte Bü-
unter Einbeziehung von maschinen-         eine Bühne gehört, auf der laufend          cher als je zuvor auf der Buchmesse
erzeugten Strukturen und Daten un-        Veranstaltungen stattfinden. Es gibt        präsentiert wurden, erweitern immer
sere Zukunft bestimmen“. Fabian           vier dieser Areale: In Halle 4.2 den        häufiger dreidimensionale Bilder, ani-
Langenbach von [j]karef, der vier-        Hot Spot Education und den Hot Spot         mierte Szenendarstellungen sowie
te Startup-Vertreter auf dem Podi-        Professional & Scientific Informati-        Virtual Reality (VR) und Augmented
um, verwies auf den Wert, den jede        on, auf dem die b.i.t.-Podien statt-        Reality (AR)-Anwendungen die ge-
wissenschaftliche Arbeit an sich ha-      fanden. In der Halle 4.0 den Hot Spot       druckten Inhalte. Kinderbücher, Un-
be, unabhängig von der Art der Ver-       Publishing Services und in Halle 6.2        terrichts- und Sprachmedien bedie-
öffentlichung. [j]karef hat ein Micro-    den Hot Spot Digital Innovation. Die        nen sich verstärkt der Technologien,
paymentsystem entwickelt, mit dem         Buchmesseveranstalter nennen die-           in Deutschland noch weniger, inter-
man sich Lesezeit für Online-Ange-        se Hallenbereiche „The Digital Zones        national, vor allen in asiatischen Län-
bote von Verlagen kaufen kann. Das        of the Frankfurt Book Fair“. Der sepa-      dern wie beispielsweise Korea oder
öffnet Content hinter Bezahlschran-       rat dazu veröffentlichte Ausstellerka-      den Philippinen sehr viel mehr. In Hal-
ken, ohne dass man ihn gleich ganz        talog mit Veranstaltungskalender4 ist       le 6.2 präsentierte das indische Un-
kaufen muss.                              eine Fundgrube aktueller Entwicklun-        ternehmen WizAR.tech5 mit AR-Tech-
Die schriftlichen Zusammenfassun-         gen und Trends (pdf auf der Websei-         nologie erweitertes Spiel- und Lehr-
gen der b.i.t.online-Podiumsdiskus-       te). Besonders im STM-Publishing, al-       material für Altersstufen von 3 bis 18
sionen „Publizieren durch Start­          so im Bereich Naturwissenschaften,          Jahren. Spielkarten, mit denen drei-
ups“ am Freitag, 21.10.2016, und          Technik und Medizin, stehen die Ver-        bis sechsjährige Kinder zum Beispiel
„Der große DEAL“ am Donnerstag,           änderungen durch das Digitale seit          Tiere kennenlernen, oder Bilderbü-
20.10.2016, finden Sie im Anschluss       fast 20 Jahren auf der Agenda und           cher, die lebendig werden, wenn man
an diese Reportage ab Seite 544 in        die Auswirkungen sind immer massi-          das Tablet mit der AR-Software darü-
diesem Heft. Sie waren nicht nur          ver zu spüren. Jetzt zieht der Bereich      ber hält. Der Elefant steht auf, läuft
hoch aktuell, sondern auch ausge-         Bildung und Ausbildung in Schule und        durch die Savanne, lässt sich anhal-
sprochen spannend. Mit der öffent-        Studium sichtbar nach.                      ten, umdrehen, von allen Seiten be-
lichen Thematisierung der unter dem                                                   gutachten, durch die Luft wirbeln und
Projektnamen DEAL von der Hoch-                                                       natürlich trötet er auch. Wozu sonst
schulrektorenkonferenz (HRK) mit
                                          4   http://www.buchmesse.de/de/fbm/anmel-
Elsevier zum Abschluss einer Natio-           dung/hot_spots/                         5   http://www.wizar.tech/

www.b-i-t-online.de                                                                                                   19 (2016) Nr. 6                        online
                                                                                                                                        Bibliothek. Information. Technologie.
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          „Lassen Sie uns den Aufstand der Anständigen anzetteln“
          Die Eröffnung der Frankfurter Buchmesse setzte mit politischen Aufrufen starke Zeichen und führte
          bezaubernd vor Augen, wie Literatur in den Bann zieht, Gefühle entfacht und Annäherung schafft.

        „Aus einem Istanbuler Gefängnis, einem Frauengefängnis zwi-         ge mit Schnittstellen und Lücken, die der Gesellschaft ihre Viel-
        schen Psychiatrie und einem ehemaligen Lepra-Krankenhaus,           falt gibt.“ Kulturelle Reinheit gäbe es nicht, so Boos.
        rufe ich heraus zu euch Literaten. Hinter Steinen, Beton und        Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, wi-
        Stacheldraht rufe ich – wie aus einem Brunnenschacht – zu           dersprach in einer sehr persönlichen Rede Riethmüllers Vor-
        euch: Hier, in meinem Land, lässt man mit einer unvorstell-         wurf: „Ich schweige nicht und sage an die Adresse der Türkei:
        baren Rohheit das Gewissen verkommen. Dabei wird gewohn-            Lassen Sie diese Leute frei!“. Der EU-Politiker hielt ein leiden-
        heitsmäßig und wie blind versucht, die                                                          schaftliches Plädoyer für die europäi-
        Wahrheit zu töten. Auch wenn ich nicht                                                          sche Idee, die einzigartig auf der Welt
        weiß wie, aber die Literatur hat es im-                                                         sei, und die es jetzt zu verteidigen
        mer geschafft, Diktatoren zu überwin-                                                           gelte. Er forderte die Festgäste auf:
        den. Die Literatur, die wir mit unserem                                                         „Lassen Sie uns den Aufstand der An-
        eigenen Blut schreiben, denn diese ist                                                          ständigen anzetteln.“
        für mich die Wahrheit.“                                                                         Nach ihm gingen der flämische Mi-
        Vor acht Jahren war die türkische                                                               nisterpräsident Geert Bourgeois und
        Schriftstellerin Aslı Erdoğan literari-                                                        Jet Bussemaker, Kultusministerin der
        sche Rednerin des damaligen Ehren-                                                              Niederlande, als Vertreter und Ver-
        gastes Türkei. Am 16. August 2016                                                               treterin der Gastländer zwar nicht
        wurde sie in ihrem Heimatland festge-                                                           auf das weltpolitische Geschehen ein,
        nommen. Doch sie schweigt auch im                                                               aber beide betonten das Verbindende
        Gefängnis nicht. Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsen-        und Fruchtbare ihres Gastlandauftrittes in Frankfurt. Deutsch-
        vereins des Deutschen Buchhandels, las ihre aus dem Bakirköy-       land sei für Autoren und Verlage aus den Niederlanden und
        Gefängnis geschmuggelte Botschaft bei der Eröffnungsfeier der       Flandern der wichtigste Auslandsmarkt, die Frankfurter Buch-
        Frankfurter Buchmesse vor. Er verband es mit einem Aufruf           messe öffne der kleinen Sprache das Tor der Welt.
        zur Solidarität und der dringenden Forderung an die Bundesre-       Am Ende der Eröffnungsfeier zogen der niederländische Au-
        gierung und die EU-Kommission, alles dafür zu tun, dass die in      tor Arnon Grünberg und die flämische Lyrikerin Charlotte van
        der Türkei inhaftierten Schriftsteller, Journalisten und Verleger   den Broeck die Festgäste mit einem als Performance gestalte-
        wieder in Freiheit leben und ohne Angst um die nackte Exis-         ten literarischen Dialog in ihren Bann. Ihr Stück „Ohne Nabel“
        tenz ihre Gedanken teilen können. In der Türkei seien seit dem      entfachte Gefühle, rührte an, ließ mitfiebern. Sie stellen darin
        versuchten Putsch 130 Medienhäuser geschlossen worden, dar-         die Frage, wo ein Mensch zu Hause ist, was seine Identität aus-
        unter 29 Buchverlage, die man zusätzlich enteignet hätte. Pässe     macht. Wann ein Fremder aufhört, ein Fremder zu sein (wenn
        von Journalistinnen und Journalisten würden eingezogen, Au-         das Vertrauen beginnt). Sie thematisierten die Scham zu Ver-
        torinnen und Autoren inhaftiert. Der Börsenverein, das PEN-         sagen und näherten sich dabei Schritt für Schritt einander an.
        Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen haben im              So lange, bis sie es wagten, sich in den Arm zu nehmen. Ein
        August die Kampagne „Für das Wort und die Freiheit“ ins Le-         versöhnlicher Ausklang einer sehr nachdenklichen Buchmes-
        ben gerufen und eine Online-Petition gestartet. Riethmüller un-     seeröffnung.
        terstrich bei der Messeröffnung: „Die Freiheit des Wortes ist un-   Arnon Grunberg ist der Sohn einer jüdischen Familie aus Ber-
        verhandelbar.“ Bereits über 80.000 Menschen hätten die Petiti-      lin, die ins niederländische Exil gegangen ist. Ihm war deshalb
        on unterzeichnet „doch die Politik schweigt“, so sein Vorwurf.      bei seinem Auftritt bei der Buchmesse-Eröffnungsfeier eine
        Selten war die Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse so         Botschaft sehr wichtig: Dass er in einer deutschen Großstadt
        stark von politischen Fragen geprägt wie in diesem Jahr. Dis-       bei einem offiziellen Anlass vor Publikum sprechen würde, hät-
        sens und Konfrontation im Weltgeschehen, das Auseinander-           te seinen Eltern das Gefühl gegeben, den Krieg nicht völlig ver-
        driften der Gesellschaft, die Gefährdung der europäischen Idee      loren zu haben.
        durch Brexit und nationalistische Strömungen und die bedroh-        Die Online-Petition „Für die Freiheit des Wortes“ kann man auf
        te Freiheit des Wortes veranlassten die Festredner, deutlich        Change.org unterzeichnen:
        Stellung zu beziehen. Buchmessedirektor Jürgen Boos warb für        https://www.change.org/p/frau-merkel-herr-juncker-fordern-sie-
        Weltoffenheit und machte sich für kulturelle Diversität stark.      meinungsfreiheit-in-der-türkei-freewordsturkey
        „Diesem Einbetonieren eines behaupteten kulturellen Status          Banner zur Einbindung des Slogans „Für das Wort und die Frei-
        Quo begegnen wir leider derzeit an vielen Orten der Welt. Kul-      heit“ #freewordsturkey in die eigene Webseite kann man hier
        tur ist immer ein Mix verschiedenster Einflüsse (...) eine Colla-   herunterladen: http://www.freewordsturkey.de/

                     online 19 (2016) Nr. 6
Bibliothek. Information. Technologie.
                                                                                                                              www.b-i-t-online.de
Der Technologiehype ist ausgestanden. Jetzt geht der Kampf um die Inhalte so richtig los - B.I.T.online
Münch                                                                                                                   REPORTAGEN                            535

hat das Tablet einen Lautsprecher?         len, so dass ein altersgerechter Mi-    ware7 auf der Webseite zeigt, wie es
Auch die Charaktere des Bilderbu-          krokosmos an Inhalten zusammen-         funktioniert, und wie es sich anhört.
ches können zum Leben erweckt              gestellt werden kann. Neben Tiger-      Nach Aussage des Anbieters haben
werden und sprechen dann zum               Books finden sich die Kindersuchma­     Untersuchungen ergeben, dass TTS-
Kind. In der Altersstufe 7 bis 13 zer-     schine „Frag Finn“ und 14 weitere       Technologie die Worterkennung, den
legt die Anwendung etwa das Innere         Apps von Content-Partnern wie Carl-     Wortschatz, das Verstehen von Be-
der Erde nach Art von Matrjoschka-         sen, Wonderkind, Oetinger, Filimun-     deutungen, Sprachbeherrschung und
Puppen in anschaulich geschichtete,        dus und Jan Essigs Independend App-     Merkfähigkeit ebenso steigert wie
immer kleiner werdende Halbkugeln.         Schmiede auf dem Android-Tablet.        die Motivation der Lernenden. Read-
Beim Sprachen lernen hilft ein virtu-      Die Hamburger Öffentlichen Bücher-      Speaker sieht im Bereich der Bildung
eller Freund und die theoretische Be-      hallen (HÖB) ziehen mit in der neu-     eine Entwicklung weg vom Lesen hin
schreibung des Wasserkreislaufes           en Welt von StoryDOCKs. Das war         zum Zuhören. Zu den rund 6000 Kun-
der Erde wird durch einen integrier-       auf dem DIGI:Day am Freitag auf der     den des Unternehmens gehören z.B.
ten Film schnell verständlich. Von 14      KIDs Stage in Halle 3.0 zu erfahren.    die amerikanische National Library
bis 18 geht es um Simulationen, bei-       Die Leiterin der HÖB-Kinderbiblio-      of Congress, McGraw-Hill Education,
spielsweise der Flugbahn eines Ge-         thek, Heidi Best, erweitert das Ange-   EBSCOhost, GALE CENGAGE Lear-
genstandes unter verschiedenen Be-         bot sukzessive um digitale Medien,      ning, Oxford University Press und das
dingungen, um 360-Grad-Visualisie-         vom Hörbuch über LeYo! bis zum Su-      International Digital Publishing Fo-
rung von Tierkörperzellen oder die         perbuch.                                rum . Aber auch Bundesminis-
dreidimensionale interaktive Darstel-                                              terien, Versicherungen und der Fuß-
lung des menschlichen Atmungssys-          Text-to-Speech: Weg vom Lesen,          ballclub VFL Wolfsburg.
tems. Ein Blick auf die Webseite von       hin zum Zuhören
WizAR.tech lohnt sich.                     Texte mit Hilfe von Text-to-Speech-     Immer mehr Startups,
                                           Technologie (TTS) in Sprachausgabe      aber keine nachhaltige
DIGI:Day enthüllt:                         umzuwandeln, ist als Technik schon      Informationsinfrastruktur
In den HÖB kann man auch                   seit Jahren bekannt. Die Grundla-       Inhalte, die in verschiedenen Reife-
VR-Bücher lesen                            gen der von ReadSpeaker gezeigten       graden in unterschiedlichsten Pro-
Das Beispiel zeigt, wohin die Reise        Lösung wurden bereits 1999 an der       grammiersprachen aus heterogenen
geht. Das Buch wird nicht ersetzt.         schwedischen Universität Uppsala        Quellen und in allen denkbaren Aus-
Es wird erweitert. Dass es dann            von einem blinden Wissenschaftler       gabeformaten publiziert werden, sind
auch noch spricht, ist nur eine logi-      gelegt, um Menschen zu helfen, die      zwar auch „nur“ Inhalt, stellen an das
sche Folge dieser Ansprache mög-           Probleme mit dem Lesen von Texten       Publikations-, Informations- und Do-
lichst vieler menschlicher Sinne zum       haben, sei es durch Sehschwäche,        kumentationswesen aber völlig ande-
Zweck der Informationsvermittlung.         Leseschwäche oder Analphabeten-         re Anforderungen als gedruckte Bü-
In Deutschland besetzt der Verlag          tum. Mit dem Anstieg der Internet-      cher und Aufsätze in Journalen, selbst
Friedrich Oetinger GmbH hier seit          nutzung und der Reife der Technik er-   wenn diese elektronisch als pdf ver-
einigen Jahren eine Vorreiterrolle.        gibt sich nun ein ganz breites Anwen-   öffentlicht sind. Doch für die Infor-
Jetzt hat er seine Marken TigerBooks,      dungsspektrum. ReadSpeaker gibt         mationsinfrastrukturen der Zukunft
Tiger­Create, Onilo, Framily und rea-      Webseiten, mobilen Apps, eBooks,        gibt es noch immer keine belastba-
dio unter dem neuen Namen Story-           E-Learning-Materialien, Dokumenten      ren Modelle, keine sichtbar nachhal-
DOCKS in einer Tochtergesellschaft         und jedwedem Text eine Stimme, und      tigen technischen Lösungen oder Ge-
zusammengeführt. TigerBooks hat            das in rund 40 verschiedenen Spra-      schäftsmodelle. Doch so gut wie je-
im letzten Jahr mit 16 Verlagen das        chen. Rund 100 Stimmen stehen zur       den Tag tauchen neue Entwicklun-
Projekt SuperBuch6 durchgeführt, in        Auswahl. Man kann sich den gesam-       gen auf, neue Plattformen, neue Soft-
dem Kinderbücher ebenfalls mit Hil-        ten Text z.B. einer Webseite vorlesen   ware, neue Cloud-Angebote. Sie kom-
fe eines Tablets zum Leben erweckt         lassen, oder Bereiche zum Vorlesen      men von Neugründungen, von einge-
wurden. Zur Internationalen Funkaus-       markieren. Während des Vorlesens        führten IT-Unternehmen, von Konzer-
stellung 2016 kurz vor der Buchmes-        springt eine Markierung zum jeweils     nen der Großindustrie. Traditionelle
se präsentierte Tiger­Books nun dazu       gelesenen Wort, so dass man zum         Anbieter der Verlags- und Informati-
passend ein gemeinsam mit ODYS             Beispiel auch die Aussprache eines      onsbranche stehen nur ganz selten
entwickeltes kindergerechtes Tab-          Fremdwortes trainieren oder durch       dahinter. Es ist wohl dieser Situation
let, das TigerTab. Es erlaubt die ein-     Mithören die eigene Lesefertigkeit      geschuldet, dass in diesem Jahr mehr
fache Einrichtung von Kinderprofi-         verbessern kann. Eine Demosoft-         Startups auf der Buchmesse waren

6   https://www.tigerbooks.de/superbuch/                                           7   http://www.readspeaker.com/de/sprach-demo/

www.b-i-t-online.de                                                                                                       19 (2016) Nr. 6                        online
                                                                                                                                            Bibliothek. Information. Technologie.
Der Technologiehype ist ausgestanden. Jetzt geht der Kampf um die Inhalte so richtig los - B.I.T.online
536                              REPORTAGEN                                                                                                                          Münch

                                                                                   sungen setzten auf den bestehenden          Punkt rückwärts aufbohren bis hin-
                                                                                   Strukturen auf, gehen also davon            unter auf die Ebene der Metadaten
                                                                                   aus, dass diese Strukturen auch in          des einzelnen Buches bzw. Buchan-
                                                                                   Zukunft existieren werden. So zum           gebots im Webshop. Das heißt, man
                                                                                   Beispiel die Mobil-Weiterlesen-App          findet nicht nur die Literatur zur di-
                                                                                   PapeGo8, die aus dem vom Börsen-            rekt gestellten Suchanfrage, son-
                                                                                   verein des Deutschen Buchhandels            dern bekommt auch noch Anregun-
                                                                                   e.V. (BoeV) im April 2016 ins Leben         gen, was im Umfeld interessant sein
                                                                                   gerufenen Startup-Förderprogramm            könnte. Dieses in der Informations-
                                                                                   CONTENTShift9 als „Content-Start-           wissenschaft als „Serendipity“ be-
                                                                                   up des Jahres 2016“ hervorging. Mit         zeichnete Verfahren fördert also
                                                                                   der App kann man die zuletzt gelese-        auch thematisch verwandte Publika-
                                                                                   ne Seite im Buch scannen, worauf hin        tionen an den Tag, nach denen man
                                                                                   die darauffolgenden Seiten bis zum          nicht explizit gesucht hat, die aber
                                                                                   Umfang eines Viertel des Buches auf         durchaus für die Fragestellung re-
                                                                                   das Mobilgerät geladen werden. So           levant sein können. Die zukünftige
                                                                                   kann man unterwegs weiterlesen,             Firma unidea.io12, von der die Idee
                                                                                   ohne das Buch mitschleppen zu müs-          und der Prototyp dieser Mindmaps
                                                                                   sen. Funktioniert allerdings nur mit        stammt, ist noch nicht gegründet.
                                                                                   Büchern, die vom herausgebenden             Die jungen Kreativen suchen gerade
                                                                                   Verlag für PapeGo vorbereitet sind.         nach Geldquellen.
                                                                                   Neben PapeGo (1) standen auf der            Einige der Teilnehmer von CONTENT­
                                                                                   Liste dieser Startup-Wettbewerb-Fi-         shift konnten ihre Ideen am Freitag-
                                                                                   nalisten fünf weitere Lösungsansät-         vormittag auf dem Hot Spot Publi-
                                                                                   ze von jungen oder in Gründung be-          shing Services in Halle 4.0 ausführ-
                                                                                   findlichen Unternehmen: (2) Beem-           licher vorstellen. Das Interesse war
                                                                                   gee, eine „Software zur Strukturie-         bemerkenswert, auch das internatio-
                                                                                   rung und Visualisierung narrativer In-      nale. Der Börsenverein will das För-
Jeff Jarvis, amerikanischer Journalistikprofessor, forderte                        halte“. (3) Omnibook von Booktype10,        derprogramm 2017 fortsetzen.
in seinem Eröffnungsvortrag zur neuen Kunstmesse-in-
                                                                                   eine Online-Plattform, auf der Auto-
der-Buchmesse neue Strukturen zur Unterstützung der
Kreativität zu schaffen.                                                           rinnen und Autoren gemeinsam Bü-            Werkzeuge und
                                                                                   cher schreiben (ein Ansatz zum kol-         Informationsinfrastrukturen
                                        als je zuvor. Natürlich fehlten sie auch
                                                                                   laborativen Schreiben, der wissen-          müssen Kreativität unterstützen
                                        auf dem DIGI:Day nicht. TigerBooks
                                                                                   schaftlichen Bibliothekarinnen und          „Kreativität ist kein Produkt. Es ist
                                        und TigerCreate bezeichnen sich
                                                                                   Bibliothekaren aus der Forschung            ein Prozess, ein Prozess des Teilens“,
                                        selbst noch als Startups, auch wenn
                                                                                   der Technischen Informationsbib-            erklärte der amerikanische Journalis-
                                        sie schon einige Jahre hinter sich ha-
                                                                                   liothek (TIB) in Hannover im Projekt        tikprofessor Jeff Jarvis in seinem Er-
                                        ben, readio und Boxine sind tatsäch-
                                                                                   Booksprint #Coscience schon seit            öffnungsvortrag zu der neuen Kon-
                                        lich noch sehr jung. Alle vier berich-
                                                                                   2014 bekannt ist). (4) Brainyoo11, ei-      ferenzmesse THE ARTS+, Untertitel:
                                        teten über ihre neuen Ansätze. Ti-
                                                                                   ne kostenlose Lernsoftware und Mo-          „The Business of Creativity“, die in ei-
                                        gerCreate ist die Softwareschmiede
                                                                                   bile App, die von sich aus die Wieder-      nem Teil der Halle 4.1 stattfand und,
                                        hinter den TigerBooks, die unabhän-
                                                                                   vorlage von Lernkarten intelligent or-      so der Branchenberater Aljoscha
                                        gig auch für andere Herausgeber ar-
                                                                                   ganisiert. (5) SatoshiPay, ein Online-      Walser in einem Rückblick, „wie kein
                                        beitet. Boxine stellt digitale Hörfigu-
                                                                                   Bezahlsystem, das auf Basis von Bit-        anderer Ort auf der Messe echten
                                        ren her. readio will Lesen auf Mobil-
                                                                                   coin „Bargeld“ (pocket money) zum           Aufbruch vermittelte“. Jarvis folgert
                                        geräten durch optimierte Darstellung
                                                                                   Einkaufen im Internet bereitstellt, (6)     aus seiner Erkenntnis, dass Kreativi-
                                        komfortabel machen. Es nennt diese
                                                                                   Polynaut, eine Analyse- und Visuali-        tät ein Prozess des Teilens ist, dass
                                        Technik responsives Lesen.
                                                                                   sierungssoftware, die aus Trefferlis-       „wir die Idee der Unterstützung von
                                                                                   ten thematisch geordnete Mindmaps           Kreativität“ verstehen müssen und
                                        Das gedruckte Buch auf dem                 macht. Von der komprimierten Über-          dafür „neue Strukturen zur Unter-
                                        Mobilgerät weiterlesen                     sicht kann man jeden dargestellten          stützung der Kreativität brauchen“.
                                        Die Verlage begutachten das Tun
                                                                                                                               Diese seien anders als die Struktu-
                                        der jungen Unternehmen mit gro-            8   http://www.briends.net/papego-faq/      ren des traditionellen Publizierens,
                                        ßem Interesse und mit Investitions-        9   https://www.contentshift.de/
                                        kapital in der Tasche. Die Ideenviel-      10 https://omnibook.pro/_pages/impressum/   12 https://drive.google.com/drive/folders/0BxF
                                        falt fasziniert. Die meisten neuen Lö-     11 https://www.brainyoo.de/                    pIrLMOZOxWm9maWNfSXZFZm8

                     online 19 (2016) Nr. 6
Bibliothek. Information. Technologie.
                                                                                                                                                      www.b-i-t-online.de
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Münch                                                                                                     REPORTAGEN                            537

    „So will ich zukünftig Arbeiten“
    Prof. Cornelia Vonhof, Hochschule der Medien, Stuttgart, hat auf der Buchmesse 2016 das
    BIB-Forum „Agiles Arbeiten in Bibliotheken“ durchgeführt. b.i.t.online hat sie gefragt, was
    sich dahinter verbirgt und wie die Veranstaltung angekommen ist.

      ❱ Frau Vonhof, was ist agiles Arbeiten? Sind wir    Sie tun es ganz sicher in Ansätzen und fallweise,
      nicht agil genug?                                   aber wir könnten die Wirkung deutlich steigern,
   Agil zu arbeiten bedeutet, langwierige und schwer-     wenn diese Ansätze systematischer und konsequen-
   fällige Vorgehensweisen aufzubrechen, offen zu         ter vorangetrieben würden.
   sein für Veränderungen und leichtfüßig Prozesse
   laufend zu hinterfragen und zu verbessern. Wichti-        ❱ Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer wa-
   ge Hilfsmittel dazu sind sich selbst steuernde Teams      ren bei dem Symposium?
   und eine enge Einbindung der Kunden, unterstützt       15 hochmotivierte TeilnehmerInnen aus öffentli-
   durch rhythmische Arbeitszyklen und eine Denk-         chen und wissenschaftlichen Bibliotheken. Ich den-
   haltung des Experimentierens. Agiles Arbeiten be-      ke, es war auch ganz wichtig, dass wir am Nachmit-
   deutet nichts anderes als nützliche Produkte unter     tag eines anstrengenden Messetags keine Folien-
   Unsicherheit liefern.                                  schlacht geliefert haben, sondern das interaktive,
                                                          energie-spendende Format gewählt haben, Agilität
      ❱ Warum glauben Sie, dass in Bibliotheken „agil“    praktisch zu zeigen. Wir haben eine Simulation am
      gearbeitet werden muss?                             Beispiel „Agile Projektmethoden“ durchgeführt. Da-
   Bibliotheken müssen agil arbeiten, weil das, was für   zu gab das dann theoretische Hintergrundinforma-
   andere Branchen gilt, mindestens im gleichen Maß       tionen.
   auch für sie gilt: Die Welt, in der wir uns bewegen,
   wird zunehmend komplexer, die Veränderungs- und           ❱ Wie war die Resonanz?
   Innovationsschlagzahl wird höher. Anforderungen,       Ich zitiere einfach mal aus dem Feedback, das wir
   die von außen (und auch von innen) auf Bibliothe-      erhalten haben: „So will ich künftig arbeiten!“ oder
   ken zukommen, sind oft keineswegs klar greifbar        „Agiles Arbeiten macht locker, kreativ, steigert den
   und damit benötigen wir ein Instrumentarium –          Ertrag und die Zufriedenheit. Etwas, das ich weiter-
   und noch viel wichtiger: die richtige Denkhaltung,     verfolgen möchte“.
   ein „Mindset“ – das es uns ermöglicht, damit konst-
   ruktiv umzugehen.                                         ❱ Das klingt sehr postiv, Frau Vonhof. Wir werden
                                                             die Weiterentwicklung verfolgen. Vielen Dank für
      ❱ Arbeiten Bibliothekarinnen und Bibliothekare         das Gespräch.
      nicht spätestens seit dem Aufkommen der digita-
      len Technologien unentwegt agil?

   Professor Cornelia Vonhof, Hochschule der Medien übt mit Bibliotheksmitarbeiterinnen agiles Arbeiten
   (Fotos: BIB/BuB)

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                                                                                                                             Bibliothek. Information. Technologie.
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                                        vielmehr ein Ökosystem für Innovati-       Unternehmen die Handlungsweisen                   von war das Google Cultural Insti-
                                        onen. Seit seinem Auftritt 2010 auf        von Google auf ihr eigenes Geschäft               tute14, das digitale Kollektionen aus
                                        der re:publica „Un“-Konferenz in Ber-      übertragen können. Der freie Autor                der ganzen Welt im Internet bereit-
                                        lin und der Veröffentlichung seines        und Journalist Jörg Wittkewitz hat Fo-            stellt und unter anderem mit der Eu-
                                        Buches „What would Google do“ ist          lien von Jeff Jarvis mit den essentiel-           ropeana und seit September 2016
                                        der Amerikaner ständig auf Konfe-          len Aussagen des Buches übersetzt                 auch mit dem Senckenberg Muse-
                                        renzen in Deutschland zu hören. Er         und auf Slideshare bereitgestellt.13              um15 für Naturkunde in Frankfurt ko-
                                        glaubt: „Wenn wir Kreativität aktivie-                                                       operiert. Am Fußende der Startseite
                                        ren wollen, muss jeder an der Krea-        THE ARTS+ startet mit                             des Zugangs, der aus der Europea-
                                        tivitätskette beteiligten Person für ih-   51 Ausstellern aus dem                            na-Kooperation entstanden ist, wird
                                                                                   Kreativitätsgeschäft                              der Inhalt beschrieben: „Google Arts
                                                                                   THE ARTS+ ist ein langfristig ange-               & Culture enthält Werke von über
                                                                                   legtes Gemeinschaftsprojekt der                   1000 führenden Museen und Archi-
                                                                                   Frankfurter Buchmesse mit der Me-                 ven, die die Kunstschätze der Welt
                                                                                   dienunternehmerin und Kunstsamm-                  in Zusammenarbeit mit dem Goog-
                                                                                   lerin Christiane zu Salm. Laut Mes-               le Cultural Institute online ausstel-
                                                                                   seleitung ist die Veranstaltung dazu              len.“ In der Woche vor der Buchmes-
                                                                                   gedacht, als „erste Messe für digi-               se hat die Deutsche Digitale Biblio-
                                                                                   tale kulturelle Inhalte“ Technologie-             thek in einer Pressemitteilung über
                                                                                   experten und Kulturinstitutionen ein              die Veröffentlichung zu ihrer Strate-
                                                                                   Forum zu bieten, um Innovationen                  gie 2020 informiert. Darin formuliert
                                                                                                                                     sie, dass „die Deutsche Digitale Bib-
                                                                                   für die Kreativ- und Kulturbranche
                                                                                                                                     liothek gemeinsam mit starken Part-
                                                                                   vorzustellen. Als Marktführer und in-
                                                                                                                                     nern das Kulturerbe aller deutschen
                                                                                   ternationale „Branchenplattform mit
                                                                                                                                     Kultur- und Wissenseinrichtungen
                                                                                   multifunktionalem Anspruch“ müsse
Google hat nun auch eine App für Kunst und Kultur im                                                                                 weltweit dauerhaft zugänglich ma-
                                                                                   sich die Frankfurter Buchmesse „je-
Angebot. 3D-digitalisierte Objekte werden zur optisch                                                                                chen“ will. Mit der Europeana hat die
dreidimensionalen Umgebung, wenn man das Smart-                                    des Jahr ein Stück weit neu erfinden,
                                                                                                                                     DDB eine aktive Lieferbeziehung. Als
phone in eine kleine Pappfaltschachtel steckt.                                     um immer wieder in der Lage zu sein,
                                                                                                                                     Strategieziel listet das Strategiepa-
                                                                                   global Impulse zu setzen“. Dazu ge-
                                                                                                                                     pier unter Punkt 6 auf: „Übernahme
                                                                                   höre auch der Blick über den Teller-
                                                                                                                                     der Aufgaben des nationalen
                                                                                   rand in verwandte Branchen und die
                                                                                                                                     Aggregators für Europeana, der alle
                                                                                   Schaffung geeigneter Anknüpfungs-
                                                                                                                                     dort nachgewiesenen Bestände aus
                                                                                   punkte.
                                                                                                                                     Deutschland zuliefert, und aktive
                                                                                   Gemeinsam wollen die neuen Part-
                                                                                                                                     Mitgestaltung der Europeana.“
                                                                                   ner in den kommenden Jahren in
                                                                                                                                     Google bewirbt „sein“ digitales Welt-
                                                                                   den Markt für kreative Inhalte in-
                                                                                                                                     kultur-Labor wie folgt: „Per App oder
                                                                                   vestieren. Christiane zu Salm erklär-             auf dem Desktop könnt ihr auf Goog-
                                                                                   te in kurzen, klaren Worten, worum                le Arts & Culture beispielsweise in
                                                                                   es geht: „Wir müssen vom Kreativi-                hunderte einzigartige Gigapixel-Auf-
                                                                                   tätsgeschäft sprechen, denn es ist                nahmen eintauchen, auf historischer
                                                                                   ein Geschäft. Kunst braucht den ge-               Entdeckungsreise mehr über das
                                                                                   schäftlichen Erfolg, um zu leben.“                Apollo-Raumflugprogramm lernen,
                                                                                   Thematisiert wurden auf der neuen                 oder einem mit Hilfe von modernster
                                        re Arbeit Anerkennung und ein ent-
                                                                                   Kunstmesse-in-der-Buchmesse nicht                 VR-Technologie zum Leben erweck-
                                        sprechender Bonus gezollt werden,
                                                                                   nur die Potenziale digitaler Techno-              ten Brachiosaurus ins Auge schauen.
                                        den Schöpfern, den Mitarbeitenden,
                                                                                   logien für Kunst und Kultur, sondern              Wir arbeiten aber nicht nur kontinu-
                                        den Remixern, die aus dem Content
                                                                                   beispielsweise auch der Umgang mit                ierlich daran, Google Arts & Culture
                                        Neues mischen, und den Distributo-
                                                                                   geistigem Eigentum und Urheber-                   um weitere spannende Projekte zu
                                        ren“, zählte er auf. Die Antworten,
                                                                                   rechten. Bereits zur Premiere konn-               erweitern, sondern auch daran, im-
                                        wie das praktisch gehen soll, blieb
                                                                                   ten 51 Aussteller und Partner für den             mer neue Wahrnehmungs- und Zu-
                                        er schuldig, riet aber, mehr zu den-
                                                                                   Bereich von THE ARTS+ in der Hal-                 gangsmöglichkeiten zu Kunst und
                                        ken wie Google. Jarvis sieht den Kon-
                                                                                   le 4.1 gewonnen werden. Einer da-
                                        zern als Beispiel zukunftsweisen-
                                                                                                                                     14 https://www.google.com/culturalinstitute/about/
                                        der Geschäftsführung und -strategie        13 http://de.slideshare.net/digitalpublic/what-   15 http://www.senckenberg.de/root/index.
                                        und hat 30 Regeln aufgestellt, wie            would-google-do-in-deutsch-by-jeff-jarvis         php?page_id=5206&kid=1&id=4156

                     online 19 (2016) Nr. 6
Bibliothek. Information. Technologie.
                                                                                                                                                              www.b-i-t-online.de
Der Technologiehype ist ausgestanden. Jetzt geht der Kampf um die Inhalte so richtig los - B.I.T.online
Münch                                                                                                                          REPORTAGEN                            539

Kultur zu finden. Dieser Aufgabe wid-
men sich Künstler, Kuratoren, Desi-
gner und Entwickler im Google Cul-
                                                     Digital Publishing Report, ein neues Magazin aus der
tural Institute Lab in Paris16 – einem               Branche für die Branche
Ort, an dem sich Technologie und
                                                     Während andernorts eine Zeitschrift nach der ande-
Kreativität begegnen, um außerge-
                                                     ren einstellt wird, probiert ein Vorreiter in Sachen Di-
wöhnliche Dinge zu erschaffen. Wir
                                                     gitalisierung der Buchbranche etwas Neues aus. Stef-
freuen uns sehr, euch im Rahmen der
                                                     fen Meier, gelernter Journalist, erfahrener Verlagsma-
Frankfurter Buchmesse eine dieser
                                                     nager und hauptberuflich seit 2014 bei ReadBox für
zum Leben erweckten Ideen vorzu-
                                                     neue Softwareprodukte und Marketinganalysetools zu-
stellen: das Google Cultural Institute
                                                     ständig, stellte kurz vor der Buchmesse die erste Aus-
Pop-up-Lab17. In eben diesem konn-
                                                     gabe des dpr – digital publishing report – vor; aufgelegt
te man schon bei der Eröffnungsfeier
                                                     als pdf. Wieso macht ein „Digitaler“ ein pdf-Magazin?
der Buchmesse, später dann auf dem
                                                     „Das ist ganz bewusst. Wer möchte, kann es sich zum
Messestand in Halle 4.1 mit einer
                                                     Lesen ausdrucken. Wir versuchen etwas zu machen,
Papp-Faltschachtel und der Google
                                                     was nicht jeden Tag die neueste News bringt, sondern
Arts & Culture-App sein Mobiltelefon
                                                     reflektiert, auch einen längeren zeitlichen Abstand hat,
in eine VR-Brille verwandeln und vir-
                                                     Dinge einordnet.“ Schnelle Information sei ja kein Wert
tuell auf eine dreidimensionale Kunst-
                                                     an sich. Der Wert entstehe durch eine Einordnung. „Ist
und Kultur-Weltreise gehen. Auch das
                                                     die Nachricht, dass Google jetzt Trips macht, für einen
Lifestyle-Du wurde nicht nur im Wer-
                                                     Verlag eine wichtige Information oder nicht?“. Man käme ja kaum noch zu dieser Reflek-
betext verwendet, sondern auch auf
                                                     tion, weil schon wieder die nächsten fünf News auf einen hereinprasselten. „Für mich ist
den Google-Ständen, wobei ab ei-
                                                     dpr ein Stück weit sinnvolles Entschleunigen, ein Einordnen, ein Interpretieren. Das finde
ner gewissen Altersgrenze der Be-
                                                     ich wichtig.“ Steffen Meier ist überzeugt, dass sinnvolles Kuratieren in Zukunft enorm an
sucher doch ein leichtes Zögern zu
                                                     Wert gewinnen wird, gerade bei der Informationsfülle.
bemerken war. Das wächst sich aber
                                                     dpr gibt es zunächst einmal kostenlos. Das Magazin soll alle zwei Wochen erscheinen. Zum
ganz bestimmt noch aus, spätestens
                                                     Zeitpunkt des Redaktionsschlusses war bereits die vierte Ausgabe in der Mailbox. Die Bei-
dann, wenn die ganze Welt zur Goog-
                                                     träge werden von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen aus der Buch- und Informati-
le-Familie gehört.
                                                     onsbranche geschrieben bzw. sie stellen sich für Interviews zur Verfügung. Ein wichtiger
Die Europeana trat auf THE ARTS+
                                                     redaktioneller Teil sollen Informationen aus dem angloamerikanischen Raum werden, die
auch selbst mit einem Messestand
                                                     laut Meier hierzulande oft untergehen, für die Branche aber sehr interessant seien. „Es ist
auf. Daneben stellten, um ein paar
                                                     also ein Magazin aus der Branche für die Branche“, so der dpr-Herausgeber.
größere zu nennen, der TASCHEN-
                                                     Interessant ist auch der geschäftliche Aspekt. Der erfahrene Verlagsmanager macht zum
Verlag, SKY ARTS, das Van Gogh Mu-
                                                     ersten Mal das, „was ich anderen immer predige: Denkt wie ein Startup“. In Sachen dpr
seum, Kodak PixPro und Steinway
                                                     denkt und handelt er jetzt so; d.h., „einfach einmal mit einem Produkt anzufangen, rauszu-
aus, und Refrakt aus Berlin oder Cul-
                                                     gehen, Reichweite zu generieren, zu gucken, wie funktioniert das mit der Zielgruppe und
ture Tech aus Montreal als Beispiel
                                                     sich dann hinterher Gedanken darüber zu machen, wie lässt sich so etwas vielleicht auch
für kleinere.
                                                     monetarisieren“.Weitere Informationen gibt es in seinem Blog meier-meint.de.
                                                     http://meier-meint.de/2016/10/25/neues-projekt-der-digital-publishing-report-dpr/
Rembrandt ist auch nur ein
Algorithmus
Natürlich durfte auf der Kunstmesse
auch die Kunst nicht fehlen. So stell-             ter Thompson, zeigte auf THE ARTS+            algorithm“ verleitete, entstand mit
te die Künstlerlegende David Hock-                 „The Next Rembrandt“18, ein mit Hil-          Unterstützung des niederländischen
ney digitale Maltechniken und sein                 fe von Künstlicher Intelligenz (KI) und       Finanzdienstleisters ING und Mi-
Lebenswerk vor – unter großer Be-                  eines 3D-Druckverfahrens gemaltes             crosoft in einem Projekt, das der Fra-
achtung der Presse. Fast alle Me-                  Bild, für dessen Herstellung der KI-          ge nachging, ob „der große Meister
dien berichteten aktuell. Bas Kors-                Algorithmus aus 300 digitalisierten           zurückgebracht werden könnte, um
ten, Kreativdirektor der in Amster-                Originalwerken von Rembrandt ge-              noch einmal ein Bild zu malen“. Die
dam angesiedelten Agentur J. Wal-                  lernt hatte. Der neue Rembrandt, der          Idee stammt von Bas Korsten. Die TU
                                                   die Messemacher zu dem nicht von              Delft, Mauritshuis und das Museum
16 https://www.google.com/culturalinstitute/       allen Seiten positiv aufgenommenen            Het Rembrandthuis haben bei der
   thelab/                                         Werbespruch „Rem­brandt is just an            Umsetzung beraten.
17 https://germany.googleblog.com/2016/10/
   google-cultural-institute-pop-up-lab-buchmes-
                                                                                                 Mit rund 240 Teilnehmenden war
   se-frankfurt.html                               18 http://www.jwt.com/blog/tag/bas-korsten/   THE ARTS+ Konferenz bereits zum

www.b-i-t-online.de                                                                                                              19 (2016) Nr. 6                        online
                                                                                                                                                   Bibliothek. Information. Technologie.
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         Steilvorlagen: „Eine Art Scheinwerfer auf die Leidenschaft zur Information“
         Bereits zum vierten Mal fand die Konferenz „Steilvorlagen für den Unternehmenserfolg“ auf der Buchmesse statt.
         In diesem Jahr stand sie unter der Überschrift: „Information Strategies and Solutions in Challenging Times“. Die
         Veranstaltung wird von der Frankfurter Buchmesse mit dem Arbeitskreis Informationsvermittlung ausgerichtet.

         „Die Steilvorlagen sind für uns so eine Art Scheinwerfer, der
         auf die Leidenschaft zur Information gerichtet ist“, erklärte
         Gaby Rauch-Kneer in ihrer Begrüßung der mit rund 120 Teil-
         nehmenden gut besuchten Veranstaltung am Messedonners-
         tag von 9.00 bis 14.00 Uhr. Die Konferenz sei zur Leitveranstal-
         tung für Information Professionals in Deutschland geworden.
         Die Vertreterin der Frankfurter Buchmesse hat sogar noch
         weitere Interessenten ausgemacht: „Ich habe von Kollegen von
         der Deutschen Fachpresse gehört, sie möchten eigentlich auch
         gerne daran teilnehmen. Nur leider liegt ihr Get-Together par-
         allel.“ Sie regte an, nach einer Lösung für den Terminkonflikt
         zu suchen.
         Leidenschaft für Information und Wissen hatte Pia Rutishau-
         ser von der Schweizer Kantonsbibliothek Zug als Bibliothe-
                                                                            Gaby Rauch-Kneer, Geschäftsleiterin Messemanagement der
         karin schon nach Frankfurt mitgebracht. Auf der Konferenz
                                                                            Frankfurter Buchmesse, begrüßte die Teilnehmenden der Kon-
         wollte sie sich „inspirieren lassen, wie ich zu einer Zielgrup-    ferenz der Information Professionals.
         pe für die Datenbanken komme, die wir haben“; zum Beispiel
         für Genios1-Datenbanken. Diese stehen neuerdings in der Bib-       Was in der Gesamtschau ein wenig zu oft wie das Durch- und
         liothek durch einen auf übergeordneter Ebene geschlossenen         Wiederkäuen brancheninterner Probleme herüberkam und
         Rahmenvertrag zur Verfügung.                                       weniger wie Steilvorlagen für den Unternehmenserfolg, hat die
         Wie man Zielgruppen gewinnen kann, konnte man gleich im            Informationsbranche tatsächlich notwendig. Beim Podiums-
         Eröffnungsvortrag lernen. Im Stakkato-Stil hielt Professor Dr.     gespräch zwischen Anwendern und Anbietern, einem neuen
         Bernd Jörs von der Hochschule Darmstadt ein ­enthusiastisches      Format der Konferenz, sagte der seit vielen Jahren mit seinem
         Plädoyer für ein verändertes Selbstbild der Information Pro-       Dienstleistungsangebot „Recherche und Beratung“ selbststän-
         fessional. Das Bild müsste sich gravierend ändern, um den          dige Informationsvermittler Dr. Henrik Schreiber voraus, dass
         Wert sichtbar zu machen, den sie mit ihrer Kompetenz für die       es in zehn Jahren keine Einzelkämpfer mehr in der Branche
         Informationsgesellschaft haben. Ein Vorschlag von Jörs ist: In-    geben werde. Mehr als 20 Jahre waren diese branchentypisch.
         formation Professionals sollten sich umbenennen in Informa-        Überlebensfähig sind nach Meinung von Schreiber nur noch
         tionsarchitekten. Das würde vielleicht besser verstanden. Das      Agenturen mit mehr als 10 Beschäftigten. In den Pausen war
         Auditorium war von der Lebhaftigkeit des Vortrags begeistert,      DB Research, die Informationsabteilung der Deutschen Bank,
         auch wenn es mit fortschreitender Zeit zunehmend schwieri-         das wohl am häufigsten angesprochene Thema. Über viele Jah-
         ger wurde, sich auf die in Hochgeschwindigkeit vorgetrage-         re eine Vorzeigeeinrichtung für professionellen Umgang mit
         nen Ausführungen zu konzentrieren. Nach Jörs‘ Auftritt hat-        Information im Unternehmen fällt DB Research jetzt dem Rot-
         te es Dr. Rainer Michaeli, Deutsches Competitive Intelligence      stift der Banksanierer zum Opfer.
         Forum, Butzbach schwer, mit dessen schauspielerischer Per-         Wer sich tiefergehend für die Vorträge und die Veranstaltung
         formance mitzuhalten. Dafür lieferte Michaeli in Zahlen und        interessiert, kann sich im Internet ein eigenes Bild machen.
         Fakten handfeste Beweise für den Wert, den Information Pro-        Unter dem Stichwort #Infopro16 hat Michael Klems, Mitglied
         fessionals Unternehmen bringen können. Tim Brouwer, ARIX           des Arbeitskreises Informationsvermittlung in seiner Webde-
         Business Intelligence GmbH erläuterte im nächsten Vortrag,         pendance „Infobroker“ eine ausführliche Dokumentation der
         wie ein internes Research Center als externer Dienstleister auf    Vorträge und Diskussionen in Bildern, Podcasts und Texten2,3
         dem freien Markt funktionieren kann. Nach ihm berichtete Dr.       bereitgestellt. Aktuelle Textberichterstattung ist im Password-
         Guido Heinen über die Arbeit des wissenschaftlichen Diensts        Pushdienst4 erschienen (registrierungspflichtig). Auf Twitter
         des Bundestages, der die Abgeordneten mit Informationen            gibt es Statements unter dem Hashtag #Infopro16.
         versorgt. Die Konferenz schloss mit einer Podiumsdiskussion
         über die Herausforderungen, mögliche Strategien und Lösun-
         gen für Information Professionals.                                 2   http://www.infobroker.de/podcast/beitrage/
                                                                            3   http://www.infobroker.de/podcast/tag/infopro16/
         1          https://www.genios.de/                                  4   http://www.password-online.de/push-dienst/

                     online 19 (2016) Nr. 6
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Münch                                                                                                                       REPORTAGEN                            541

Start bis auf den letzten Hocker aus-    meldung erforderlich ist und Teilnah-     rum „Agiles Arbeiten in Bibliotheken“
verkauft. Der Konferenzraum war ei-      megebühren erhoben werden) oder           an. Mehr dazu im Kastentext „So will
ne durch Stellwände abgetrennte          sich im Vorfeld ganz gezielt einzelne     ich zukünftig Arbeiten“ auf Seite 537.
Ecke der Messehalle 4.1 direkt ne-       Veranstaltungen herauspicken. Mit
ben den Ausstellungsständen, die         dem Buchmessebesuch ist es mitt-          Elsevier verbindet geologische
Geräuschkulisse eine Zumutung.           lerweile wie mit dem Besuch einer         Karten mit Google Maps
                                         Großstadt: Man sieht ganz viel, sucht     Neue Wege für Forschung und Publi-
Die Buchmesse entwickelt                 sich kulturelle Highlights und schöne     kation durch die Verknüpfung wissen-
sich kontinuierlich zur                  Orte schon vorher als Ziele aus, aber     schaftlicher Inhalte mit digitaler Tech-
Konferenzmesse                           man kann einfach nicht alles sehen.       nik konnte man an den Beispielen
Mit dieser sechsten in ihrem Umfeld                                                Geofacets20 von Elsevier und Social
stattfindenden Konferenz positio-        „Agiles Arbeiten in Bibliotheken“
niert sich die Frankfurter Buchmesse     und anderes Bibliothekarisches
immer stärker als Konferenzmesse.        auf der Buchmesse
Auf der im letzten Jahr als internati-   Für Bibliothekarinnen und Bibliothe-
onale Verlegerkonferenz eingeführ-       kare empfiehlt sich zur Besuchsvor-
ten „THE MARKETS – Global Publi-         bereitung ein Blick in das bereits er-
shing Summit“ am Vortag der Mes-         wähnte Programm der Hot Spots und
se sind Analysen und Berichte über       in die Rubrik „Konferenzen“ auf der
ausgewählte internationale Märkte        Webseite der Buchmesse. Vor Ort ist
das Thema und man kann sich mit          ein Abstecher zum International Lib-
Vertreterinnen und Vertretern dieser     rary Center (ILC) in Halle 4.2 Pflicht,
Märkte unkompliziert zum persönli-       wo der Berufsverband BIB an der In-
chen Gespräch treffen. Ein Bericht       fotheke Auskunft gibt und Platz zum       Oben: Mit dem Produkt Geofacets von Elsevier kann man
über THE MARKETS ist für die Ausga-      Ausruhen bereitstellt.                    geologische Karten transparent über Karten von Google
be 1-2017 der b.i.t.online-Schwester-    Ebenso ein kurzer Besuch der Stän-        Maps legen.
zeitschrift fachbuchjournal geplant.     de der Fachangestellten für Medi-         Unten: Durch die Erfassung von Nutzungsdaten, Kom-
Vier weitere Fachkonferenzen sind in     en- und Informationsdienste (FaMIs)       mentaren, Empfehlungen, Rezensionen usw. rund um das
                                                                                   Buch kommt jene Dimension hinzu, die es zu einem Teil
die Messe integriert. Bereits seit 30    der Frankfurter Stauffenbergschule
                                                                                   des Internets der Dinge macht – mithin zum Buch 4.0.
Jahren findet das „Frankfurt Rights      und der Library-Information-Science
Meeting“, das Treffen der Lizenzver-     (LIS)-Studierenden, die von verschie-
handler, regelmäßig auf der Buch-        denen Hochschulen kommen. Sie in-
messe statt. In ihrem vierten Jahr       formieren traditionell auf der Buch-
sind die „Steilvorlagen für den Unter-   messe über ihre Ausbildungsgän-
nehmenserfolg“, eine von Buchmes-        ge. In diesem Jahr befanden sich die
se und Information Professionals ge-     Stände direkt neben dem ILC in Hal-
meinsam veranstaltete Konferenz          le 4.2. Die FaMis haben ihren Mes-
(siehe Kasten). Zur „International       seauftritt im Rahmen des Blockun-
Convention of University Presses“        terrichts in verschiedenen Teams ge-
treffen sich die Universitätsverlage     staltet und organisiert. Dabei sind
regelmäßig in Frankfurt. Das Deut-       ein Buch-Quiz und ein Imagefilm zum
sche Netzwerk der Indexer (DNI) und      Berufsfeld sowie die kleine Zeitung
das Niederländische Indexer-Netz-        „Der hessische Rund FaMI – Jäger
werk (NIN) hatten zur „Frankfurt In-     des verlorenen Buches“ entstanden.        Reading des französischen Verlags-
ternational Indexing Conference“         Die LIS-Studierenden haben in die-        dienstleisters Jouve21 erkennen, bei-
eingeladen. Daneben gibt es unge-        sem Jahr von ihrem Stand auch unter       de vorgestellt auf dem Hot Spot Edu-
zählte Fachforen, Verbandstreffen,       @liscorner getwittert und ein biss-       cation. Mit Geofacets verknüpft El-
die schon erwähnten Hot Spots und        chen gebloggt19.                          sevier geologische Karten mit Goog-
immer mehr Diskussionen und Vor-         Professor Cornelia Vonhof von der         le Maps. Die geologischen Karten,
träge auch auf den Ständen. Eine         Hochschule der Medien (HdM) Stutt-        erklärte Dr. Andreas Müller von der
Flut von Informationen, denen auch       gart bot gemeinsam mit Wolf Stein-        ETH-Bibliothek in Zürich, seien vor al-
nur ansatzweise zu folgen schlicht       brecher, Forum Agile Verwaltung und
unmöglich ist. Man kann sich entwe-      Common Sense Team, das BIB-Fo-
                                                                                   20 https://www.elsevier.com/solutions/­geofacets/
der durch den Trubel treiben lassen                                                   research-and-education
(wobei für die Konferenzen eine An-      19 https://liscorner.wordpress.com/       21 http://jouve.com/en/frankfurt-book-fair-2016-0

www.b-i-t-online.de                                                                                                          19 (2016) Nr. 6                        online
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                                        lem am Anfang der Forschung wich-        Lesen Kinder in fünf Jahren              Trends erkennen. Erstens: Techno-
                                        tig, wenn Geologen versuchen, darin      nicht mehr?                              logie, egal ob VR, AR, TTS oder IoT-
                                        Besonderheiten zu erkennen, denen        Das wird wohl die Zukunft des Un-        Connecting, die Verbindung mit an-
                                        es tiefer nachzugehen gilt. Mit Hilfe    terrichtens und so muss sie wohl         deren elektronischen Geräten über
                                        von Geofacets kann man die geologi-      auch werden. Jo Henry, Vice Presi-       das Internet der Dinge, wird nun-
                                        sche Karte transparent über das ent-     dent Insight & Analytics bei The Niel-   mehr als das eingesetzt, was es ist:
                                        sprechende Bild der Region in Google     sen Company, verdeutlichte es auf        ein Hilfsmittel zur bestmöglichen
                                        Maps / Google Earth legen, die top-      dem DIGI:Day sehr anschaulich. The       Präsentation von Inhalten. Zweitens:
                                        grafische Information der gezeichne-     Nielsen Company hat statistische         Der nächste digitale Sturm kommt
                                        ten Karte mit dem realen Abbild ver-     Auswertungen der Veränderungen           aus der Bildungsecke und setzt dort
                                        gleichen und auf diese Weise beson-      im Leseverhalten von Kindern in UK       schon im Vorschulalter an.
                                        dere geomorphologische Merkmale          durchgeführt, die Henry vorstellte.      In 10 bis 15 Jahren sind die DigiKids
                                        erkennen.                                Rechnet man den in dieser Untersu-       von heute die Studierenden an den
                                                                                 chung ermittelten Rückgang der letz-     Universitäten. Sie werden über mul-
                                        Das Buch 4.0                             ten fünf Jahre hoch, werden Kinder       timodale digitale Informationsbe-
                                        Jouve sieht das eBook als Teil des In-   in Großbritannien im Jahr 2021 keine     reitstellung nicht mehr nachdenken,
                                        ternets der Dinge, denn, so der Un-      Bücher mehr lesen. Henry sagte, sie      sondern diese ganz selbstverständ-
                                        ternehmensvertreter Etienne Vazzo-       glaube nicht, dass dieses mathema-       lich einfordern. Blickt man zurück,
                                        leretto, das digitale Buch sei dem       tische Modell so eintreffen werde.       was in den letzten 15 Jahren im wis-
                                        gedruckten erst dann überlegen,          Die Verlage sollten aber aufhorchen      senschaftlichen Publizieren an digi-
                                        wenn es sich mit anderen Quellen         und auf einen signifikanten Rück-        talen Informationsangeboten für die
                                        und über Social Media Plattformen        gang vorbereitet sein. Im Programm       Wissenschaft entstanden ist, muss
                                        mit Menschen gleichen Interesses         des DIGI:Day erfuhr man nebenbei         man zwar zugeben, dass sich viel ge-
                                        verbinden könne. Auf diese Weise         auch noch, dass der Brockhaus-Ver-       tan hat, aber auch sehen, dass es
                                        würde das Buch auch ein Teil von         lag nach der Übernahme 2015 durch        viel zu wenig ist, was von den altein-
                                        Industrie 4.0. Jouve versteht unter      die schwedischen NE Nationalencyk-       gesessenen Unternehmen kommt.
                                        Social Reading alles, was rund um        lopedin AB eine Wandlung vom Wis-        Um bei dieser Geschwindigkeit der
                                        das Lesen eines eBooks an Kom-           sensanbieter zum Bildungsanbieter        Veränderungen in 15 Jahren noch
                                        mentaren und Empfehlungen, Likes         vollzieht. Er will Lehrkräfte auf dem    vorne mitmischen zu können, muss
                                        und Teilen stattfindet. Im Bereich       Weg zur Digitalisierung begleiten        ein gewaltiger Zahn zugelegt werden.
                                        der Bildung kann das die Hilfestel-      und lud zur Premierenpräsentation        Gute Zeiten für Startups! Und gute
                                        lung eines Mitschülers bei der Lö-       digitaler Online-Lehrwerke für Gym-      Zeiten für Inhalte!
                                        sung einer Aufgabe außerhalb des         nasien und Grundschulen auf die          Wie sagte der Buchmesse-Direktor
                                        Klassenraumes sein. Dadurch, dass        Buchmesse ein. Das Unternehmen           Jürgen Boos so schön: „Als größte in-
                                        die Diskussion direkt am Inhalt des      Wonderkind, das auch auf der Veran-      ternationale Messe für Inhalte“ (man
                                        Buches stattfinden kann, könnten         staltung vortrug, macht Kinderapps,      beachte!) „ist die Frankfurter Buch-
                                        Lehrerinnen und Lehrer sogenann-         zum Beispiel Wunderwimmelapps            messe der Ort, an dem sich die Kom-
                                        ten umgekehrten Unterricht (flipped      über das Leben auf dem Bauernhof.        plexität einer zunehmend vernetzten
                                        classrooms) durchführen. Dabei er-       Die Firma urbn pckets bringt Kindern     Welt, ihre Fragmentierung, aber auch
                                        arbeiten Schüler­innen und Schüler       ab 6 Jahren spielerisch Kodieren bei     ihre Vielfalt deutlich ablesen lässt.“ ❙
                                        zu Hause die Lösung einer Aufgabe,       und Ahoiii Entertainment lässt die
                                        die dann im Unterricht in der Schule     Kleinen mit dem Leuchtturmwäch-           Die Frankfurter Buchmesse 2017
                                        angewandt und dadurch auf ihre An-       ter Fiete per App auf Seereise ge-        findet vom 11. bis 15. Oktober
                                        wendbarkeit überprüft wird. Mit der      hen. Diese spannende und spieleri-        2017 statt. Ehrengast ist Frank-
                                        Technologie können die Schüler in        sche Wissensvermittlung werden die        reich.
                                        virtuell gebildeten Ad-hoc-Gruppen       Schüler und Studierenden von mor-
                                        gemeinsam über dem Problem grü-          gen in ihren Schulen und Universitä-
                                        beln. Für die Verleger sind die Da-      ten so selbstverständlich erwarten,
                                        tenspuren, die dabei entstehen, ein      wie ein 50jähriger Mensch heute ei-                 Vera Münch
                                        einzigartiger Weg, exakte Informa­       nen Lichtschalter betätigt.                         ist freie Journalistin
                                        tionen darüber zu gewinnen, wie ih-                                                          mit Schwer­punkt
                                        re Publikationen tatsächlich genutzt     Die DigiKids sind die                               Fachinformation und
                                        und wie sie von den Nutzern aufge-       Studierenden von morgen                             ­Wis­sens­vermittlung
                                        nommen werden, erklärte der Unter-       Der farbenprächtige Spaziergang          vera-muench@kabelmail.de
                                        nehmensvertreter.                        über die Buchmesse 2016 lässt zwei

                     online 19 (2016) Nr. 6
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                                                                                                                                              www.b-i-t-online.de
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