Deutsche Konjunktur im Herbst 2013 - Institut für Weltwirtschaft - Stefan Kooths

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Deutsche Konjunktur im Herbst 2013 - Institut für Weltwirtschaft - Stefan Kooths
Deutsche Konjunktur
             im Herbst 2013

     Institut für Weltwirtschaft
                             an der Universität Kiel
                             Prognose-Zentrum

                         Abgeschlossen am 11. September 2013

    Erscheint demnächst als Kieler Diskussionsbeitrag 528/529
Inhalt
___________________________________________________________________

Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf                         3
  Monetäre Rahmenbedingungen: Zinsen weiter auf äußerst niedrigem Niveau    5
  Finanzpolitik konsolidiert nicht mehr                                     9
  Expansion des Außenhandels beschleunigt sich allmählich                  13
  Inländische Verwendung: Expansion gewinnt an Breite und Tempo            20
  Kerninflation nimmt spürbar zu                                           24
  Arbeitsmarkt weiter in guter Verfassung                                  25
  Budgetsaldo leicht im Plus                                               27
  Ausblick: Aufschwung mit Risiken                                         32
  Literatur                                                                35
Deutschland: Konjunktur                                   Die deutsche Wirtschaft hat die konjunkturelle
nimmt allmählich Fahrt auf                                Schwächephase überwunden. Nachdem die ge-
                                                          samtwirtschaftliche Produktion im Winterhalb-
                                                          jahr 2012/2013 zurückging, ist sie nun wieder
Jens Boysen-Hogrefe, Dominik Groll,
                                                          deutlich aufwärtsgerichtet. Stützend wirkt dabei
Nils Jannsen, Stefan Kooths, Björn van Roye
und Joachim Scheide                                       die anziehende Nachfrage aus dem Ausland. Da
                                                          neue Hiobsbotschaften aus den Problemländern
Zusammenfassung:                                          im Euroraum ausblieben und sich die Konjunk-
                                                          tur dort zu stabilisieren beginnt, hat sich auch
Die konjunkturelle Dynamik in Deutschland hat sich        die Stimmung in der deutschen Wirtschaft
im Verlauf dieses Jahres spürbar belebt. Der Erho-
lungsprozess dürfte sich im Prognosezeitraum fort-        aufgehellt. In das günstige Bild passt ebenfalls,
setzen und im nächsten Jahr sowohl an Breite als          dass der Finanzmarktstress seit einiger Zeit
auch an Tempo gewinnen. Verwendungsseitig wird            gering ist. Zudem sind die Aktienkurse, getrie-
die Expansion binnenwirtschaftlich getragen. Ab-
                                                          ben auch von der sehr expansiven Geldpolitik,
sorbiert in diesem Jahr der Konsum die Produkti-
onszuwächse, so tritt im nächsten Jahr der einset-        in vielen fortgeschrittenen Ländern deutlich
zende Investitionsaufschwung als zweite Säule             gestiegen, so auch in Deutschland. Aufgrund der
hinzu. Dieser wird durch weiterhin extrem günstige        extrem niedrigen Zinsen ist ein kräftiger
Finanzierungsbedingungen befeuert. Der Außen-
handel wirkt nahezu neutral. Insgesamt erwarten           Aufschwung angelegt. Allerdings ist die Krise im
wir für das laufende Jahr einen Anstieg des Brutto-       Euroraum keineswegs überwunden, und neue
inlandsproduktes um 0,5 Prozent und für das               Irritationen können, so zeigte es sich wiederholt
nächste Jahr eine Zunahme von 1,8 Prozent. Gegen
Ende des Prognosezeitraums dürften die gesamt-
                                                          in der jüngeren Vergangenheit, zu Rückschlägen
wirtschaftlichen Produktionskapazitäten wieder an-        für die Konjunktur hierzulande führen.
nähernd normal ausgelastet sein. Bei im Verlauf              Im zweiten Quartal 2013 legte das Brutto-
leicht sinkender Arbeitslosigkeit dürfte die Beschäf-     inlandsprodukt kräftig zu (Abbildung 1). Der
tigung weiterhin merklich ausgeweitet werden (An-
stieg um 240 Tausend und 225 Tausend Personen in          Anstieg fiel mit einer laufenden Jahresrate von
diesem bzw. im nächsten Jahr). Der Preisauftrieb          2,9 Prozent auch deshalb sehr hoch aus, weil es
wird sich voraussichtlich von 1,6 Prozent (2013) auf
2,1 Prozent (2014) verstärken. Die zu erwartenden
leichten Überschüsse im Staatshaushalt von 1 Mrd.         Abbildung 1:
Euro in diesem und 7 Mrd. Euro im nächsten Jahr           Bruttoinlandsprodukt 2010–2014
dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kon-
solidierungsprozess nach der bislang absehbaren             116
                                                                  Kettenindex (2005=100)                             Prozent
                                                                                                                                 10
Finanzpolitik zum Stillstand gekommen ist. Die hier         115
vorgelegte Prognose beschreibt einen Aufschwung             114         Veränderung                                              8
mit erheblichen Risiken. Diese rühren vor allem von         113
Unwägbarkeiten hinsichtlich der weiteren Entwick-           112                              Niveau                              6
                                                            111
lung der Krise im Euroraum. Aber auch im Inland
                                                            110
könnten wirtschaftspolitische Weichenstellungen, die        109
                                                                                                                                 4
seitens der Regulierung die Investitions- und Leis-         108
tungsbedingungen verschlechtern, die Wachstums-                                                                                  2
                                                            107
und Expansionskräfte schwächen.                             106
                                                            105                                                                  0
                                                            104
                                                            103                                                                  -2
                                                            102
                                                            101                                                                  -4
 Kästen:                                                           I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
 1: Zu den möglichen Auswirkungen eines Mindestlohns                 2010        2011        2012        2013         2014
    auf die Einnahmen der öffentlichen Haushalte (Seite
    12)                                                   Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt; Veränderung
 2: Deutsche Ausfuhren nach China (Seite 17)              gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate.
 3: Zu den fiskalischen Kosten der Schuldenkrise in
    Griechenland (Seite 31)                               Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.3;
                                                          grau hinterlegt: Prognose des IfW.
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

nach dem witterungsbedingten Einbruch der           Abbildung 2:
Bauproduktion zu Jahresbeginn einen Nachhol-        Konjunkturindikatoren 2005–2013

effekt gab. So expandierten die Bauinvestitionen            2005=100
                                                                        Auftragseingang in der Industrie

im Frühjahr mit einer zweistelligen Rate. Die
                                                     128                          aus dem Ausland
Investitionen in Ausrüstungen stabilisierten
sich nach dem langanhaltenden Rückgang, ihr
                                                     118
Niveau ist jedoch um rund 7 Prozent niedriger
als Mitte 2011, zu dem Zeitpunkt also, als die
                                                     108
Konjunktur begonnen hatte sich zu verlangsa-                                                            insgesamt

men. Die privaten Konsumausgaben nahmen in             98
ähnlichem Tempo zu wie die verfügbaren Ein-
kommen. Offenbar hat die Krise im Euroraum             88
die privaten Haushalte nicht veranlasst, mehr
zu sparen; vielmehr ist die Sparquote tendenzi-        78
                                                         2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
ell weiter gesunken. Zur kräftigen Expansion
trug neben der inländischen Verwendung auch
der Außenhandel bei. So legten die Exporte wie-
                                                                                     Produktion
der spürbar zu, nachdem sie im Winterhalbjahr        130
                                                            2005=100
zurückgegangen waren.                                125                       Bauhauptgewerbe
   Am Arbeitsmarkt hat sich die Situation trotz
                                                     120
der zeitweise schwächelnden Konjunktur weiter
                                                     115
verbessert, wenn auch der Beschäftigungsauf-
                                                     110
bau etwas an Schwung verloren hat. Immerhin
                                                     105
war die Zahl der sozialversicherungspflichtig
                                                     100
Beschäftigten im zweiten Quartal um 1 Prozent
                                                       95
höher als im Vorquartal (laufende Jahresrate).                                              Industrie
                                                       90
Die Arbeitslosigkeit hat sich nach dem zwi-
                                                       85
schenzeitlichen Anstieg zuletzt wieder leicht
                                                       80
verringert. Im August lag die Zahl der Arbeitslo-        2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
sen (in der Definition der Bundesagentur für
Arbeit) saisonbereinigt bei 2,94 Mill. Personen.
Die Arbeitslosenquote beträgt seit einigen Mo-
                                                                   Klima in der Gewerblichen Wirtschaft
naten 6,8 Prozent.                                          2005=100
                                                     125
   Die Lebenshaltung hat sich in den Sommer-
                                                     120
monaten etwas stärker verteuert als zuvor. Be-
                                                     115                             Lage
sonders kräftig stiegen die Nahrungsmittel-
                                                     110
preise, bedingt auch durch die Folgen der un-
                                                     105
gewöhnlich kalten Winterung. Hingegen blieben
                                                     100
die Energiepreise annähernd stabil. Im August
                                                       95
betrug die Inflationsrate 1,5 Prozent.
                                                       90
   Die gesamtwirtschaftliche Produktion dürfte
                                                       85              Erwartungen
im dritten Quartal dieses Jahres erneut zulegen,
                                                       80
jedoch wird der Anstieg etwas geringer ausfallen
                                                       75
als im Frühjahr. Zwar hat sich die Stimmung in           2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
der Wirtschaft seit einigen Monaten erheblich
                                                     Monatsdaten, saisonbereinigt. Auftragseingang und Produktion als
verbessert; neuerdings trifft dies auch für die      gleitender Dreimonatsdurchschnitt.
Beurteilung der Geschäftslage zu, die im Win-
                                                     Quelle: Deutsche Bundesbank, Saisonbereinigte Wirt-
terhalbjahr noch deutlich schlechter ausgefallen     schaftszahlen; ifo, Konjunkturperspektiven; eigene Berech-
war. Allerdings haben die Auftragseingänge in        nungen.

                                                                                                                        4
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf

der Industrie in jüngster Zeit zuletzt nur sehr     Abbildung 3:
moderat zugelegt. Zur Vorsicht mahnt insbe-         IfW-Finanzmarktstressindikator 1970–2013

sondere, dass die Industrieproduktion im Juli              Index
                                                      6
unter dem Niveau im zweiten Quartal lag (Ab-                                                 Große Rezession

bildung 2). Wir erwarten, dass die gesamtwirt-        5
schaftliche Produktion um 1,8 Prozent (laufende
                                                                                                         Schul-
Jahresrate) zunehmen wird. Alles in allem             4                      Börsen-                      den-
                                                                                                          krise
dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2013 um 0,5                                   crash
                                                                               1987
                                                      3
Prozent über dem Niveau im Vorjahr liegen;                                                     Dotcom-
                                                                                        LTCM/ Blase
diese Rate entspricht unserer Prognose vom                 Ölkrise   Rezession         Russland-
                                                      2                          EWS- krise
Juni dieses Jahres.                                                    1982
                                                                                 Krise
   Für das kommende Jahr bleiben die Aus-             1
sichten günstig. Insbesondere spricht die für
Deutschland sehr expansive Geldpolitik dafür,         0
dass sich der Aufschwung verstärkt und die
                                                      -1
Produktion rascher zunimmt als das Produkti-
                                                                                                    Schwellenwert
onspotenzial, dessen Wachstumsrate wir auf 1,3
                                                      -2
Prozent schätzen. Im Jahresdurchschnitt wird            1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
die Zuwachsrate mit voraussichtlich 1,8 Prozent     Monatsdaten; Der Schwellenwert 0 signalisiert, ob eine Beein-
                                                    trächtigung der Konjunktur wahrscheinlich ist. LTCM: Long-Term
deutlich höher sein als in den beiden Vorjahren.    Capital Management (Hedgefonds).
Allerdings bleiben die Risiken für die Prognose
                                                    Quelle: EZB, Monatsbericht; Deutsche Bundesbank, Mo-
groß; so ist insbesondere vorausgesetzt, dass die   natsbericht; Thomson Financial Datastream; eigene Be-
Krise im Euroraum nicht erneut eskaliert.           rechnungen.

                                                    zukünftige Wirtschaftspolitik ist seit einiger Zeit
                                                    auf einem niedrigen Niveau, wenngleich sie in
Monetäre Rahmenbedingungen:                         den vergangenen beiden Monaten – wohl nicht
Zinsen weiter auf äußerst niedrigem                 zuletzt im Hinblick auf die Bundestagswahl –
Niveau                                              leicht gestiegen ist (Abbildung 4).2 Die Entspan-
                                                    nung an den Finanzmärkten dürfte unter ande-
                                                    rem darauf zurückzuführen sein, dass die Euro-
Die Finanzierungsbedingungen für Unterneh-          päische Zentralbank (EZB) im Oktober 2012 an-
men sind weiter ausgesprochen günstig. Sowohl       gekündigt hatte, im Rahmen des Outright Mo-
die Zinsen für Unternehmenskredite als auch         netary Transactions (OMT) Programms Staats-
die Zinsen für Unternehmensanleihen liegen auf      anleihen von Krisenländern zu erwerben, sofern
einem historisch niedrigen Niveau. Darüber          sie dies für angemessen erachtet. Insbesondere
hinaus haben sich die Verspannungen an den          dürfte auch die Beruhigung an den Finanz-
Finanzmärkten, zu denen es während der Krise        märkten in den wichtigen Handelspartnerlän-
im Euroraum immer wieder gekommen war,              dern innerhalb des Euroraums zur Beruhigung
vorerst gelöst. So liegt der IfW-Finanzmarkt-       beigetragen haben. So sind die Renditen für
stressindikator seit nunmehr sechs Monaten          Staatsanleihen und Bankschuldverschreibungen
unter dem Schwellenwert, ab dem dämpfende           in den Krisenländern in den vergangenen Wo-
realwirtschaftliche Folgen zu erwarten sind         chen weiter gesunken, und eine Kapital- und
(Abbildung 3).1 Auch die Unsicherheit über die      Depositenflucht aus diesen Ländern ist derzeit
                                                    nicht mehr auszumachen. Darauf deutet auch

____________________                                ____________________
1 Zum Einfluss des über den Indikator gemessenen    2 Zu einer detaillierten Analyse über den Unsicher-
Finanzmarktstresses auf die Konjunktur siehe van    heitsindikator vgl. Boysen-Hogrefe et al. (2012b: Kas-
Roye (2013).                                        ten 1) und Baker et al. (2013).

                                                                                                                    5
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

der tendenzielle Rückgang der Target2-Positio-            schäftsbanken im Juli nur noch etwa 10 Mrd.
nen der nationalen Zentralbanken hin. Solange             Euro. Vor diesem Hintergrund wurde auch die
die Bankensektoren in den Peripherieländern               Überschussliquidität in Deutschland ansässiger
nicht grundlegend saniert werden, könnte sich             Banken abgebaut. Die monetäre Basis ist in der
die Lage an den Finanzmärkten jedoch jederzeit            Folge in Deutschland deutlich gesunken (Abbil-
wieder verschärfen.                                       dung 6).

Abbildung 4:                                              Abbildung 5:
Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik 1997–2013        Leitzinsen und Tagesgeldsätze im Euroraum 2007–2013

300   Index                                                         Prozent
                                                                6

                                                                5                                        Einlagefazilität
250
                                                                                                         EONIA
                                                                4                                        Spitzenrefinanzierung
                                                                                                         Hauptrefinanzierung
200
                                                                3

150                                                             2

                                                                1
100

                                                                0
                                                                 2007     2008       2009    2010    2011      2012     2013
 50

                                                          Wochendaten. EONIA (Euro OverNight Index Average): Zinssatz für
                                                          unbesichertes Tagesgeld.
  0
   1997           2002         2007           2012        Quelle: EZB, Monatsbericht.

Monatsdaten.
                                                          Abbildung 6:
Quelle: Baker et al. (2013).                              Monetäre Basis in Deutschland 2005–2013

                                                          600       Mrd. Euro
   Die EZB hat die Leitzinsen auf dem Rekord-
                                                                                                    Einlagefazilität
tief von 0,5 Prozent belassen (Abbildung 5).
                                                          500
Guthaben der Geschäftsbanken beim Eurosys-
tem werden weiterhin nicht verzinst. Vor dem              400
                                                                      Guthaben auf Girokonten
                                                                      (einschl. Mindestreserven)
Hintergrund der nachlassenden Verspannungen
an den Finanzmärkten ist auch das vom Euro-               300
system bereitgestellte Refinanzierungsvolumen
zurückgegangen. Maßgeblich waren hier vor al-             200

lem vorzeitige Rückzahlungen aus den beiden
                                                          100                                        Banknotenumlauf
dreijährigen Refinanzierungsgeschäften, die
Ende des Jahres 2011 und Anfang des Jahres
                                                             0
2012 durchgeführt worden waren. Auch deut-                    2005            2007          2009        2011           2013
sche Kreditinstitute nutzten die vorzeitige Rück-
                                                          Monatsdaten.
zahlungsmöglichkeit und tilgten einen Großteil
ihrer daraus erwachsenen Verbindlichkeiten bei            Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht.
der Bundesbank. Während die Verbindlichkei-
ten aus längerfristigen Refinanzierungsoperati-              Die Lage am Geldmarkt ist noch immer ange-
onen zum Hochpunkt der Finanzkrise noch bei               spannt. Darauf deutet unter anderem das nied-
mehr als 200 Mrd. Euro lagen, hielten die Ge-             rige Transaktionsvolumen am Markt für unbesi-

                                                                                                                                 6
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf

chertes Tagesgeld hin (Abbildung 7). Die Ban-            Abbildung 8:
ken dürften das Kontrahentenrisiko nach wie              Zinssätze für Dreimonatsgeld 2007–2013

vor hoch einschätzen, da viele Finanzinstitute                   Prozent                                Prozentpunkte
                                                           6                                                               2,0
angesichts eines noch immer hohen Abschrei-
                                                                                                                           1,8
bungsbedarfs und der Basel III Regulierung                             Euribor
                                                           5
unterkapitalisiert sind. Allerdings dürfte die                                                                             1,6

Bedeutung des Interbankenmarktes seit Beginn               4
                                                                                                                           1,4

der Refinanzierungsgeschäfte mit vollständiger                          Eurepo                                             1,2

Zuteilung und der Herabsetzung der Anforde-                3                                                               1,0
rungen für notenbankfähige Sicherheiten für                                                                                0,8
den geldpolitischen Transmissionsmechanis-                 2
                                                                                                                           0,6
mus ohnehin merklich gesunken sein, da jed-                                                                                0,4
                                                           1
wede Liquiditätsnachfrage seitens der Ge-                                                                                  0,2
                                                                           Differenz
schäftsbanken von den Notenbanken gestillt                 0                                                               0,0
wird. Der Tagesgeldsatz (EONIA), der nach wie               2007       2008      2009   2010   2011     2012   2013

vor nur geringfügig oberhalb der Nullgrenze              Wochendaten; Euribor: Zinssatz für unbesichertes Dreimonatsgeld;
                                                         Eurepo: Zinssatz für besichertes Dreimonatsgeld; Differenz:
schwankt, und die Zinssätze für Dreimonatsgeld           Prozentpunkte.
verharren seit geraumer Zeit auf äußerst niedri-
                                                         Quelle: EZB, Monatsbericht; eigene Berechnungen.
gem Niveau; im Juni stagnierte der Zinssatz für
besichertes Dreimonatsgeld (Eurepo) bei 0,0
Prozent und der Zinssatz für unbesichertes               troffen sind (Abbildung 9). Insbesondere große
Dreimonatsgeld (Euribor) lag mit 0,2 Prozent             Unternehmen haben offenbar kaum Schwierig-
nur leicht höher (Abbildung 8).                          keiten, Kredite aufzunehmen. Die Finanzie-
   Die Finanzierungsbedingungen sind für die             rungskosten blieben in den vergangenen Mo-
Unternehmen weiterhin sehr günstig. So deutet            naten nahezu unverändert. Während sich die
die Umfrage zur ifo-Kredithürde darauf hin,              Bankzinsen für Unternehmenskredite im Durch-
dass nur wenige Unternehmen von einer re-                schnitt leicht verringerten, stiegen die Renditen
striktiven Kreditvergabe seitens der Banken be-
                                                         Abbildung 9:
                                                         Kredithürde nach Unternehmensgröße 2005–2013
Abbildung 7:
Transaktionsvolumen am Markt für Tagesgeld im Euroraum
                                                                   Prozent
2003–2013                                                   70
                                                                                               große                  kleine
      Mrd. Euro                                             60
 90                                                                                            gesamt                 mittlere

 80                                                         50

 70
                                                            40
 60

 50                                                         30

 40                                                         20
 30
                                                            10
 20

 10                                                            0
                                                                2005             2007      2009         2011          2013
  0
   2003       2005   2007   2009     2011   2013
                                                         Monatsdaten ab November 2008; Anteil der Firmen, die über eine
Tagesdaten.                                              restriktive Kreditvergabe seitens der Banken berichten.

Quelle: EZB, Statistical Data Warehouse.                 Quelle: ifo, Schnelldienst.

                                                                                                                                 7
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

für Unternehmensanleihen etwas (Abbildung                            Zinserhöhung sehen. Der Leitzins wird für
10). Im Juni lag die durchschnittliche Rendite                       Deutschland – gemessen an der Inflationsrate
bei 3,5 Prozent, einen halben Prozentpunkt über                      und der Auslastung der Produktionskapazitäten
dem historischen Tiefstand vom Mai. Da die                           – in den kommenden Jahren wohl deutlich zu
Rendite von Bundesanleihen gleichzeitig etwas                        niedrig sein (Boysen-Hogrefe et al. 2013: Kasten
weniger deutlich zulegte, stieg der Zinsaufschlag                    1). Die Geldpolitik ist somit im gesamten Pro-
leicht. Insgesamt dürften die Finanzierungs-                         gnosezeitraum sehr expansiv ausgerichtet. Un-
bedingungen für Unternehmen weiterhin sehr                           ter der Annahme einer leichten Entspannung
günstig bleiben. Darauf deutet auch der Bank                         der Krise im Euroraum werden die langfristigen
Lending Survey der EZB hin; in den kom-                              Zinsen trotz anhaltend niedriger Leitzinsen
menden drei Monaten dürften per saldo mehr                           wohl etwas steigen. Die Zinsen für Unterneh-
Banken ihre Kreditvergabestandards für Unter-                        men dürften hiervon jedoch nicht zwangsläufig
nehmen lockern (Abbildung 11).                                       betroffen sein.

Abbildung 10:                                                        Abbildung 11:
Kapitalmarktzinsen 1990–2013                                         Vergabestandards für Unternehmenskredite 2005–2013

                                                                              Prozentpunkte
        Prozent                                                         80
  10

    9                                                                   60

    8                                                                                                     Entwicklung
                                                                        40
    7                     Unternehmensanleihen

    6                                                                   20

    5                                                                    0
         Bundesanleihen
    4
                                                                       -20
    3                                                                                         Erwartung
    2                                                                  -40
                    Differenz                                                2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
    1

    0                                                                Quartalsdaten; Saldo des Anteils der Banken, welche eine Anhe-
                                                                     bung der Standards angeben, und Banken, die über eine Lockerung
     1990         1995      2000       2005       2010
                                                                     berichten; Entwicklung: in den vergangenen drei Monaten; Erwar-
                                                                     tung: für die kommenden drei Monate.
Monatsdaten, Renditen; Unternehmensanleihen mit mittlerer Rest-
laufzeit von über drei Jahren; Bundesanleihen mit 5-jähriger Lauf-   Quelle: Deutsche Bundesbank, Bank Lending Survey.
zeit.

Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht; eigene Be-
rechnungen.
                                                                         Für die Prognose unterstellen wir einen
                                                                     Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dol-
   Die EZB wird den maßgeblichen Leitzins im                         lar von 1,30. Die preisliche Wettbewerbsfähig-
gesamten Prognosezeitraum wohl bei 0,5 Pro-                          keit der deutschen Unternehmen dürfte sich im
zent belassen. Zum einen hat die EZB angekün-                        Prognosezeitraum etwas verschlechtern (Tabelle
digt, die Zinsen für einen ausgedehnten Zeit-                        1).
raum niedrig zu halten. Zum anderen dürfte sie
auch angesichts der Inflationsentwicklung in
den Krisenländern im Euroraum, die angesichts
nötiger Strukturanpassungen wohl schwach
ausfallen wird, keine Notwendigkeit zu einer

                                                                                                                                  8
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf

Tabelle 1:
Rahmendaten für die Konjunktur 2011–2014

                              2011                       2012                   2013                      2014
                      I       II       III   IV    I     II     III   IV   I    II     III   IV    I      II     III    IV
Leitzins der EZB      1,0     1,2      1,5  1,3 1,0 1,0 0,75 0,75 0,75 0,60 0,50 0,50             0,50   0,50   0,50   0,50
Langfristige Zinsen   3,2     3,1      2,3  2,0 1,5 1,4 1,4 1,4 1,5 1,4 1,8 2,0                    2,1    2,2    2,3    2,5
US-Dollar/Euro       1,37    1,44     1,41 1,35 1,31 1,28 1,25 1,30 1,32 1,31 1,33 1,33           1,33   1,33   1,33   1,33
Preisliche
Wettbewerbs-
fähigkeit            88,1    88,8     87,9 87,6 86,8 86,5 85,5 86,3 87,8 87,8 89,0 89,2 89,2 89,1 89,0 88,9
Exportmärkte          3,1     1,7      1,8   0,9 1,1 0,6 1,3 0,4 0,7 1,6 1,6 2,1                   2,1   2,3   2,3   2,5
Rohölpreis          105,7   117,5    113,2 110,0 118,4 109,4 111,4 110,5 113,0 103,1 110,3 110,0 110,6 111,1 111,7 112,2

Leitzins der EZB: Hauptrefinanzierungssatz; Langfristige Zinsen: Rendite 9−10-jähriger Bundesanleihen; Preisliche Wettbe-
werbsfähigkeit: gegenüber 36 Ländern auf Basis von Deflatoren für den Gesamtabsatz, Index: 1991 I = 100, steigende Werte
bedeuten eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit; Exportmärkte: Bruttoinlandsprodukt in 46 Ländern,
gewichtet mit Anteilen am deutschen Export, Veränderung gegenüber Vorquartal, Jahresrate. Rohölpreis: US-Dollar je Barrel
North Sea Brent.

Quelle: EZB, Monatsbericht; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht; IMF, International Financial Statistics; eigene Berech-
nungen; grau hinterlegt: Prognose des IfW.

Finanzpolitik konsolidiert nicht                                  ten infolge des CO2-Zertifikatehandels ausglei-
mehr                                                              chen sollen. Ein Investitionsprogramm des
                                                                  Bundes für Verkehrsinfrastruktur im Umfang
                                                                  von 750 Mill. Euro dürfte im laufenden Jahr für
Nachdem die Finanzpolitik in den Jahren 2011                      zusätzliche Ausgaben sorgen, wobei ein Großteil
und 2012 dazu beigetragen hat, das Budget                         des Programms in der Beschleunigung bereits
merklich zu verbessern,3 verschlechtern finanz-                   geplanter bzw. in der Durchführung befindli-
politische Maßnahmen das Budget im laufenden                      cher Projekte besteht. Mindereinnahmen von
Jahr; die Finanzpolitik ist auf einen leicht ex-                  über 6 Mrd. Euro zieht die Absenkung des Bei-
pansiven Kurs eingeschwenkt. Mehrere neue                         tragssatzes zur Rentenversicherung von 19,6
Maßnahmen führen zu Mindereinnahmen oder                          Prozent auf 18,9 Prozent nach sich. Zudem ist
Mehrausgaben. So ist der Grundfreibetrag im                       die Praxisgebühr abgeschafft worden, wodurch
Einkommensteuertarif angehoben worden, und                        dem Gesundheitsfonds Mehrausgaben von 1,9
durch die Umsetzung verschiedener EuGH-Ur-                        Mrd. Euro entstehen dürften. Zu geringfügigen
teile zur Dividendenbesteuerung entstehen                         Steuermindereinnahmen führt die Einbezie-
Mindereinnahmen (Tabelle 2). Zudem wurden                         hung eingetragener Lebenspartnerschaften in
das Betreuungsgeld und die Subventionierung                       das Ehegattensplitting. Zudem werden die öf-
privater Pflegezusatzversicherungen („Pflege-                     fentlichen Haushalte durch die Auswirkungen
Bahr“) eingeführt. Ferner stockt der Bund die                     des Hochwassers im Frühjahr belastet. So wer-
bereits durch den Energie- und Klimafonds fi-                     den Geschädigten des Hochwassers Hilfen ge-
nanzierten Programme zur energetischen Ge-                        währt, und es dürften zum Teil erhebliche Maß-
bäudesanierung aus dem eigenen Haushalt auf,                      nahmen zur Wiederherstellung der durch das
und Unternehmen werden zusätzliche Subven-                        Hochwasser zerstörten öffentlichen Infrastruk-
tionen gewährt, die den Anstieg der Stromkos-                     tur ergriffen werden. Bund und Länder haben
____________________                                              zur Finanzierung dieser Ausgaben einen 8 Mrd.
3 Zur Konsolidierung der Jahre 2011 und 2012 siehe                Euro umfassenden Fonds eingerichtet.
Boysen-Hogrefe (2013).

                                                                                                                         9
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

Tabelle 2:
Budgetwirkungen finanzpolitischer Maßnahmen 2013–2014 (Mrd. Euro)

                                                                                2013           2014            2014
                                                                                                            (kumuliert)
Steuern
    Anhebung der Tabaksteuersätze                                                 0,2            0,2             0,4
    Auslaufen der Eigenheimzulage                                                 0,8            0,3             1,1
    Alterseinkünftegesetz                                                        –0,9           –0,6            –1,5
    Änderungen von Unternehmensteuern                                             0,1            0,4             0,5
    Anhebung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer                         –0,9           –1,7            –2,6
    Umsetzung von EuGH-Urteilen zur Dividendenbesteuerung                        –2,7            2,0            –0,7
    Anhebung der Mini-Job-Grenze                                                 –0,3            0,0            –0,3
    LKW-Maut auf Bundesstraßen                                                    0,1            0               0,1
    Stromsteuerentlastung für Unternehmen (CO2-Zertifikate)                      –0,3            0,0            –0,3
    Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts                                                           –0,1            –0,1
    Absetzbarkeit von Reisekosten                                                               –0,2            –0,2
    Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz                                                         0,2             0,2
Ausgaben des Bundes
   Kürzung disponibler Ausgaben                                                   0,5            0,3             0,8
   Einführung des Betreuungsgeldes                                               –0,3           –0,7            –1,0
   „Pflege-Bahr“                                                                 –0,1            0,0            –0,1
   Programm zur energetischen Gebäudesanierung                                   –0,3            0,0            –0,3
   Verkehrsinfrastruktur                                                         –0,6            0,7             0,1
   Fluthilfen des Bundes                                                         –1,3           –0,4            –1,7
Diskretionäre Maßnahmen von Ländern und Gemeinden (inklusive Fluthilfe)          –0,3           –0,2            –0,5
Sozialversicherungen
   Absenkung des Rentenbeitragssatzes zum 1. Januar 2013                         –6,5           –0,3            –6,8
   Absenkung des Rentenbeitragssatzes zum 1. Januar 2014                                        –5,6            –5,6
   Eingriff in die Rentenformel                                                   3,2            0,7             3,9
   Anhebung der Insolvenzgeldumlage                                               0,6           –0,2             0,4
   Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen (BA)                            0,3            0,0             0,3
   Stellenabbau in der BA                                                         0,2            0,0             0,2
   Versorgungsstrukturgesetz                                                     –0,1            0,0            –0,1
   Leistungsausweitung der Pflegeversicherung                                    –1,0           –0,1            –1,1
   Beitragssatzanhebung in der Pflegeversicherung                                 1,1            0,0             1,1
   Abschaffung der Praxisgebühr                                                  –1,9            0,0            –1,9
   Ausweitung des Kurzarbeitergeldes                                             –0,1            0,1
Summe                                                                           –10,5           –5,2           –15,7
Automatische Reaktionen
    Heimliche Steuererhöhungen                                                    3,9            5,0             8,9
    Endogener Rückgang von Steuerquoten                                          –2,4           –3,3            –5,7
Summe                                                                            –9,0           –3,5           –12,5

    In Relation zum Bruttoinlandsprodukt                                         –0,3           –0,1            –0,4

Jeweils im Vergleich zum Vorjahr. Änderungen der Unternehmensteuern: Unternehmenssteuerreform 2008, Wachstums-
beschleunigungsgesetz, Auslaufen der degressiven AfA und sonstige Maßnahmen. Umsetzung von EuGH Urteilen zur Divi-
dendenbesteuerung: Angaben zu den finanzstatistischen Wirkungen. In den VGR wurden diese zum Teil bereits 2012 ver-
bucht. Budgetwirkungen der Hilfsmaßnahmen an den griechischen Staat im Zuge der Schuldenkrise werden hier nicht abge-
bildet. Für eine detaillierte Darstellung siehe Boysen-Hogrefe et al. (2012). Wegen des Preisverfalls bei CO2-Zertifikaten
könnte die Budgetwirkung deutlich hinter den Planzahlen zurückbleiben.

Quelle: BMF, interne Unterlagen; eigene Schätzungen und Berechnungen.

   Weitgehend budgetneutral sind die Verände-                   budgetneutral sollte die merkliche Ausweitung
rungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung.                  der Ausgaben des Energie- und Klimafonds
Zwar wurden die Leistungen ausgeweitet, zu-                     über Mehreinnahmen aus dem CO2-Zertifikate-
gleich aber die Beitragssätze angehoben. Ebenso                 handel gestaltet sein. Wegen des Preisverfalls

                                                                                                                          10
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf

für solche Zertifikate dürften die entsprechen-   wirkung der hier erfassten Maßnahmen von
den Einnahmen jedoch deutlich geringer aus-       –3,5 Mrd. Euro zu rechnen.
fallen als geplant, so dass selbst ein Zuschuss      Für den finanzpolitischen Ausblick auf das
der KfW im Umfang von 311 Mill. Euro ein Defi-    kommende Jahr wird die derzeitige Gesetzes-
zit im Energie- und Klimafonds kaum verhin-       lage zugrunde gelegt. Mögliche zukünftige Maß-
dern wird. Allerdings hat das EU-Parlament im     nahmen werden nicht berücksichtigt. Nach den
Sommer beschlossen, das Angebot an Zertifi-       bevorstehenden Bundestagswahlen könnte es zu
katen zu begrenzen, was den Preisverfall stop-    erheblichen Veränderungen in der Finanzpolitik
pen und die Risiken für die öffentlichen Haus-    kommen. Grundtenor aller Programme der bis-
halte mindern soll.                               her im Bundestag vertretenen Parteien, abgese-
   Entlastungen für das Budget entstehen durch    hen von der Linkspartei, ist das Bekenntnis zur
einige Maßnahmen, die überwiegend schon vor       Schuldenbremse, so dass ein wichtiger Grund-
einigen Jahren beschlossen worden waren. So       satz der aktuellen Finanzpolitik auch nach der
ist die Anpassung der Renten insbesondere in      Bundestagswahl erhalten bleiben dürfte. Meh-
Westdeutschland schwächer als in der allgemei-    rere Parteien betonen den Schuldenabbau in ih-
nen Lohnentwicklung angelegt ausfallen, auch      ren Programmen zusätzlich, so SPD, Bünd-
wegen der unterbliebenen Rentenkürzung im         nis90/Die Grünen und FDP. Während aller-
Jahr 2010. Zudem entfallen Ausgaben für die       dings SPD und Bündnis90/Die Grünen den
Eigenheimzulage, und die Insolvenzgeldumlage      Schuldenabbau durch Steuererhöhungen – hier
wird angehoben, nachdem sie 2011 gar nicht        ist unter anderem die Wiedereinführung der
und 2012 mit einem deutlich reduzierten Satz      Vermögensteuer bzw. eine einmalige Vermö-
erhoben worden war. Ferner wird das Budget        gensabgabe zu nennen – und den Wegfall von
der Bundesagentur für Arbeit durch die Instru-    Steuervergünstigungen, wie das Ehegattensplit-
mentenreform und durch Stellenabbau, der          ting, forcieren wollen, spricht sich die FDP für
allerdings jüngst gestoppt wurde, entlastet.      Ausgabenkürzungen bei Subventionen und in
   Insgesamt ist unter Berücksichtigung auto-     der Verwaltung aus. Neben dem Schuldenabbau
matischer Reaktionen mit einer Budgetbelas-       möchte die FDP mit den gesunkenen Ausgaben
tung von 9 Mrd. Euro (0,3 Prozent in Relation     die Abschaffung des Solidaritätszuschlags bud-
zum Bruttoinlandsprodukt) gemessen am Stand       getsaldoneutral ermöglichen. Zudem soll die
des Jahres 2012 zu rechnen.                       direkte Steuerbelastung der Bürger grundge-
   Im kommenden Jahr wird die Finanzpolitik       setzlich nach oben begrenzt werden und die
das Budget nach derzeitigem Stand verglichen      „kalte Progression“ durch regelmäßige Anpas-
mit dem laufenden Jahr abermals leicht belas-     sungen des Einkommensteuertarifs gemindert
ten. So dürften die Ausgaben für das Betreu-      werden. CDU/CSU wollen Familien durch die
ungsgeld stark zulegen, und die zusätzliche Be-   Ausweitung des Ehegattensplittings zu einer
rücksichtigung von Reisekosten in der Unter-      Form des Familiensplittings steuerlich entlasten
nehmensbesteuerung und die steuerliche Stär-      und sprechen sich auch für Maßnahmen gegen
kung des Ehrenamts führen zu Mindereinnah-        die „kalte Progression“ aus.4 Steuerentlastungen
men. Die größten Effekte werden aber von der      und zusätzlichen Ausgabenprogramme stehen
erneuten Reduktion des Grundfreibetrags in der    aber unter Finanzierungsvorbehalt.
Einkommensteuer und der abermaligen Absen-           Insgesamt streben SPD und Bündnis90/Die
kung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung    Grüne einen Anstieg der Staatseinnahmen und
ausgehen. Zu geringfügigen Mehreinnahmen          der Staatseinnahmenquote an, der für Schul-
dürfte es durch das im Sommer beschlossene
                                                  ____________________
Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz kommen,
                                                  4 Der Begriff Familiensplitting wird im Wahlpro-
das neben der Konkretisierung mehrerer euro-
                                                  gramm von CDU/CSU nur mit der Anhebung des
parechtlicher Vorschriften einige Steuer-         Kinderfreibetrags auf das Niveau von Erwachsenen
schlupflöcher („Cash-GmbH“, „Goldfinger“)         erläutert. Weitergehende Pläne, die Zahl der Kinder
                                                  beim eigentlichen Splitting zu berücksichtigen, wie es
schließen soll. Insgesamt ist mit einer Budget-
                                                  in Frankreich der Fall ist, sind nicht konkretisiert.

                                                                                                     11
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

Kasten 1:
Zu den möglichen Auswirkungen eines Mindestlohns auf die Einnahmen der öffentlichen Haushalte

Von der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns erhoffen sich mehrere Kommentatoren
positive Effekte für die öffentlichen Haushalte. Diese hängen unmittelbar von den durch diesen Eingriff
ausgelösten Einkommens- und Beschäftigungseffekten ab. Die Wirkung eines oberhalb des
Marktpreises gesetzten Mindestlohnes lässt sich anhand von drei idealtypischen Fällen analysieren,
um die ökonomischen Effekte herauszuarbeiten (Groll und Kooths 2013). Kann die Lohnerhöhung
nicht in höhere Preise überwälzt werden und erwirtschaften die Unternehmen auf den
Produktmärkten, für die Mindestlohnbezieher eingesetzt werden, keine Überrenditen (Fall 1), so
steigen durch den Mindestlohn die Lohnkosten über das Wertgrenzprodukt der betroffenen
Arbeitskräfte mit der Folge, dass ein Teil der vom Mindestlohn „begünstigten“ Arbeitnehmer arbeitslos
wird. Lässt man hingegen eine vollständige Preisüberwälzung der durch die Einführung von
Mindestlöhnen erhöhten Lohnkosten zu, indem man annimmt, dass die Nachfrage auf den jeweiligen
Produktmärkten extrem preisunelastisch ist (Fall 2), so würden die Konsumenten einen größeren Teil
ihres Budgets für die von Mindestlohnbeziehern erbrachten Leistungen verausgaben, so dass sie für
andere Güter entsprechend weniger Einkommen zur Verfügung haben. Im Aggregat steigt damit die
Kaufkraft nicht und die gesamtwirtschaftlichen Konsumausgaben bleiben bestenfalls konstant. Höhere
Einkommen für Mindestlohnbezieher gehen dann mit niedrigeren Einkommen oder mit
Beschäftigungseinbußen an anderer Stelle der Volkswirtschaft einher. Will man sowohl negative
Beschäftigungseffekte für Mindestlohnbezieher als auch Nachfrageausfälle an anderer Stelle
ausschließen, so muss angenommen werden, dass die mindestlohnbedingte Lohnerhöhung durch
eine Gewinnkompression bei den betroffenen Unternehmen aufgefangen wird (Fall 3).a Dieser Fall
impliziert, dass die Unternehmen vor der Einführung von Mindestlöhnen Überrenditen erwirtschaften
konnten und wirft die Frage auf, weshalb diese Überrenditen nicht im Wettbewerb wegkonkurriert
wurden (im Zuge des Wettbewerbs würden verstärkt Niedriglohnbezieher von neu in den Markt
eintretenden Unternehmen nachgefragt, so dass der Marktlohn auch ohne Einführung eines
Mindestlohns steigen würde). Hierzu müsste man eine Marktabschottung annehmen, die den
etablierten Unternehmen dauerhafte Überrenditen ermöglicht. Dies scheint gerade auf den
Arbeitsmärkten für niedrig qualifizierte Arbeitskräfte sehr unwahrscheinlich zu sein. Denn niedrige
Arbeitsqualifikationen lassen den Einsatz typischerweise in vielfältigen Verwendungen zu, so dass
Unternehmen aus verschiedenen Branchen im Wettbewerb um den Einsatz dieser Arbeitskräfte
stehen. Gleichwohl versprechen sich die Befürworter von Mindestlöhnen gerade von dieser
Konstellation eine Entlastung der öffentlichen Haushalte, die daher im Folgenden näher betrachtet
werden soll.
    Die fiskalischen Effekte einer mindestlohnbedingten Gewinnkompression dürften stark ins Gewicht
fallen bzw. können sich sogar negativ für die öffentlichen Haushalte auswirken. Dies sei anhand einer
Beispielrechnung skizziert. Angenommen die Einführung des Mindestlohns begünstigt einen
Arbeitnehmer (Lohnsteuerklasse I oder IV), der eine volle Stelle und nur Lohneinkommen zur Verfü-
gung hat. Der Grenzsteuersatz (inklusive Solidaritätszuschlag) dürfte etwa 21 Prozent für das zu
versteuernde Einkommen betragen. Bezogen auf das Arbeitnehmerentgelt liegt dieser etwas
niedriger, bei rund 17 Prozent. Die höheren Lohnkosten würden somit dem Staat entsprechende
Mehreinnahmen generieren. Nimmt man aber an, dass die höheren Lohnausgaben zu Lasten der
Gewinneinkommen gehen, dürften die Steuereinnahmen per Saldo deutlich gesenkt werden, da bei
Gewinneinkommen mit weitaus höheren Grenzbelastungen zu rechnen ist – in der Spitze über 47
Prozent (inklusive Solidaritätszuschlag). Allerdings profitieren von einer Lohnsteigerung die Sozial-
versicherungen. Beiträge zu Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung betragen 20,8 Prozent
bezogen auf das Bruttoeinkommen und 17,4 Prozent bezogen auf das Arbeitnehmerentgelt. Addiert
man die Beiträge zur Rentenversicherung hinzu (18,9 Prozent bzw. 15,8 Prozent) ergibt sich eine
Grenzbelastung von rund 50 Prozent. Der Satz liegt kaum höher als die Grenzbelastung der Gewinn-
einkommen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass bei der Rentenversicherung aus den Mehrein-
nahmen nach geltendem Recht in den Folgejahren zusätzliche Ausgaben entstehen. Die Einnahmen
durch die höheren Rentenbeiträge würde also nicht bzw. nur zu einem kleinen Teil die öffentlichen
Haushalte entlasten.b Per saldo ist somit mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen.
aDie aus der höheren Lohnsumme notwendig werdende Gewinnkompression wird nicht selten bei der Berechnung
der fiskalischen Auswirkungen von Mindestlöhnen außer Acht gelassen (z.B. jüngst IAB 2013). — bDie durch die
höheren Rentenbeiträge steigenden Renten führen ihrerseits zu Einnahmen der Kranken- und Pflegeversicherung
und zu geringfügigen Steuermehreinnahmen über die Einkommensbesteuerung von Rentnern.

                                                                                                               12
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf

denabbau und zusätzliche Investitionen genutzt        Abbildung 12:
werden soll. Bei den Plänen der SPD ist anzu-         Exporte 2010–2014

merken, dass diese offenbar mit Mehreinnah-                   Kettenindex (2005=100)                             Prozent
                                                        160                                                                  30
men infolge der Einführung eines flächen-
deckenden Mindestlohns rechnen, was aller-              155                                                                  25
                                                                    Verände-
dings als nicht realistisch eingeschätzt werden         150         rung
                                                                                                                             20
muss (Kasten 1). Die CDU möchte neue Ausga-             145
                                                                                                                             15
ben und Steuermindereinnahmen ohne gesetzli-            140
                                                                               Niveau
che Änderungen, die zu Mehreinnahmen füh-                                                                                    10
                                                        135
ren, etablieren und konditioniert somit ihre                                                                                 5
                                                        130
Wahlkampfaussagen auf eine günstige wirt-
                                                                                                                             0
schaftliche Entwicklung. Die FDP schließlich            125

zielt auf eine Begrenzung der Staatseinnahmen           120                                                                  -5

bei gleichzeitigem Subventions- und Schulden-           115                                                                  -10
                                                               I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
abbau.
                                                                 2010        2011        2012        2013         2014

                                                      Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt; Veränderung
                                                      gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate.

                                                      Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.3;
Expansion des Außenhandels be-                        grau hinterlegt: Prognose des IfW.
schleunigt sich allmählich

                                                      Abbildung 13:
Der Außenhandel hat sich im zweiten Quartal           Importe 2010–2014
vom Einbruch im Winterhalbjahr erholt. Die
                                                              Kettenindex (2005=100)                            Prozent
Ausfuhren stiegen mit einer laufenden Jahres-           160                                                                  35
rate von 9 Prozent (Abbildung 12). Die Importe          155                                                                  30
legten um 8,4 Prozent zu (Abbildung 13), so             150                                                                  25
dass der Außenhandel 0,7 Prozentpunkte zum                          Verände-
                                                        145         rung                                                     20
Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts beitrug.
                                                        140                              Niveau                              15
Mit der turnusmäßigen Revision der Volkswirt-
schaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) stellt              135                                                                  10

sich der Rückgang des Außenhandels im Win-              130                                                                  5

terhalbjahr zudem deutlich weniger ausgeprägt           125                                                                  0
dar.5 Insbesondere für das erste Quartal hatte          120                                                                  -5
sich eine Aufwärtsrevision bei den Exporten ab-
                                                        115                                                                  -10
gezeichnet, da die Angaben in den VGR auf-                     I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
grund von Sonderfaktoren außergewöhnlich                         2010        2011        2012         2013        2014
stark von den Zahlen der Außenhandelsstatistik
                                                      Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt; Veränderung
abgewichen waren.6 Für die zweite Jahreshälfte        gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate.
deuten die Indikatoren auf ein im Vergleich mit       Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.3;
dem zweiten Quartal etwas langsameres Expan-          grau hinterlegt: Prognose des IfW.
sionstempo beim Außenhandel hin.

                                                         Die nominalen Warenausfuhren in den asia-
____________________                                  tischen Raum legten im zweiten Quartal spürbar
5 Im Winterhalbjahr waren die Exporte im Vergleich
                                                      zu, nachdem sie zuvor drei Quartale in Folge
zum Halbjahr zuvor mit einer laufenden Jahresrate
                                                      rückläufig waren. Auch die Lieferungen in die
von 3,5 zurückgegangen (zuvor ausgewiesen: 5,2 Pro-
zent) und die Importe um 2,1 (4,1 Prozent).           Industrieländer außerhalb der Europäischen
6 Vgl. Boysen-Hogrefe et al. (2013: Kasten 3).        Union expandierten kräftig. Dagegen gingen die

                                                                                                                                   13
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

Exporte in die Europäische Union deutlich zu-        Abbildung 14:
rück. Der Anstieg bei den Importen speiste sich      Handelsbilanzsaldo nach Regionen 1991–2012

vor allem aus zusätzlichen Lieferungen aus dem         10    Prozent
Euroraum. Auch die nominalen Wareneinfuh-
ren aus den europäischen Ländern, die nicht             8
Mitglied der Europäischen Union sind, zogen                           Handelsbilanz
                                                                      übrige Welt
spürbar an. Die Importe aus den anderen fort-           6
geschrittenen Volkswirtschaften sowie aus dem                         Handelsbilanz
                                                                      Euroraum
asiatischen Raum gingen dagegen zurück. Ins-
                                                        4
gesamt hat sich der Überschuss in der deut-
schen Handelsbilanz mit dem Euroraum weiter
                                                        2
verringert. Der Handelsbilanzüberschuss ist
mittlerweile auf ein Niveau gefallen, das kaum
                                                        0
noch höher ist als zu Beginn der Währungs-
union (Abbildung 14). Da sich dafür der Han-
                                                        -2
delsbilanzüberschuss mit anderen Regionen der             1991   1994    1997   2000   2003   2006   2009   2012
Welt, insbesondere dem asiatischen Raum, suk-
zessive erhöht hat, ist der Handelsbilanzüber-       Quartalsdaten; in Relation zum Bruttoinlandsprodukt; Differenz
                                                     zwischen nominalen Warenaus- und Wareneinfuhren.
schuss in den vergangenen Quartalen etwa un-
verändert geblieben.7 Diese Entwicklung spie-        Quelle: Deutsche Bundesbank, Zahlunsbilanzstatistik;
                                                     eigene Berechnungen.
gelt sich auch in der Bedeutung der Regionen
für die Ex- und Importe wider. Während die
Bedeutung des Euroraums für die deutschen
Exporteure in Relation zu anderen Absatzregio-       Abbildung 15:
nen bereits seit geraumer Zeit zurückgeht, kön-      Kapazitätsauslastung in den Abnehmerländern 1991–2013
nen die Lieferanten aus dem Euroraum bereits                Prozent
                                                      86
seit einiger Zeit wieder Marktanteile in
Deutschland hinzugewinnen.                            84

   Nach Gütergruppen betrachtet, legten beson-        82
ders die Investitionsgüterexporte im zweiten
                                                      80
Quartal kräftig zu. Die Zuwächse bei Maschinen
sowie bei Kraftwagen und Kraftwagenteilen wa-         78
ren sogar überproportional stark. Eine Besse-
                                                      76
rung bei den Investitionsgüterexporten hatte
sich zuletzt bereits abgezeichnet, da sich die Ka-    74

pazitätsauslastung in den Abnehmerländern in          72
den vergangenen Quartalen – wenn auch auf
                                                      70
niedrigem Niveau – stabilisiert hatte (Abbil-
dung 15).8 Die Konsumgüterexporte expandier-
ten dagegen nur wenig und die Lieferungen von        Quartalsdaten. Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe in
                                                     37 Ländern, gewichtet mit Anteilen am deutschen Export; horizon-
Vorleistungsgütern gingen sogar leicht zurück.       tale Linie: Durchschnitt von 1991 bis 2007.
Sie sind bereits seit einiger Zeit in der Tendenz    Quelle: Jannsen und Richter (2012); nationale Quellen.
seitwärts gerichtet.
____________________
7 Zu möglichen Ursachen für diese Entwicklung vgl.      Eine Reihe von Frühindikatoren war zuletzt
Jannsen und Kooths (2012).                           aufwärtsgerichtet und deutet für die zweite
8 Für den Zusammenhang zwischen der Kapazitäts-
                                                     Jahreshälfte auf einen robusten Anstieg der Ex-
auslastung in den Abnehmerländern und den deut-
schen Investitionsgüterexporten vgl. Jannsen und
                                                     porte hin. So haben sich Exporterwartungen auf
Richter (2012).                                      recht hohem Niveau zuletzt wieder aufgehellt

                                                                                                                      14
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf

(Abbildung 16). Auch die Unternehmenszu-           Abbildung 16:
versicht in den Abnehmerländern ist seit Jah-      Exportindikatoren 1992–2013

resbeginn wieder deutlich aufwärtsgerichtet.         20
                                                           Prozent                                               Index
                                                                                                                          1,5
Zudem zeichnete sich zuletzt bei der Kapazitäts-                                                                          1,0
                                                     15
auslastung in den Abnehmerländern eine                                                                                    0,5
Trendwende ab, wovon insbesondere die Inves-         10
                                                                                                                          0,0
titionsgüterexporte profitieren dürften, die          5
                                                                                                                          -0,5
mehr als 40 Prozent der gesamten Warenaus-            0                                                                   -1,0
fuhren ausmachen. Schließlich zogen die Auf-                                                                              -1,5
                                                     -5
tragseingänge aus dem Ausland im zweiten                                                                                  -2,0
                                                               Exporte        Unternehmenszuversicht
Quartal merklich an. Allerdings dürfte die Ex-      -10                       (rechte Skala)
                                                                                                                          -2,5
pansion der Ausfuhren in der zweiten Jahres-        -15
                                                                                                                          -3,0
hälfte wohl etwas verhaltener ausfallen als im      -20                                                                   -3,5
zweiten Quartal. So befinden sich einige der           1992     1995     1998    2001    2004      2007   2010    2013

Frühindikatoren, wie die Unternehmenszuver-
sicht und die Kapazitätsauslastung im Ausland,            Prozent                                                Index
                                                     10                                                                   30
nach wie vor auf einem recht niedrigen Niveau.                       Industrieproduktion im Ausland
Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hat sich vor      5                                                                   20

allem aufgrund der Aufwertung des Euro zuletzt                                                                            10
etwas verschlechtert, wenngleich sie sich nach        0

wie vor auf einem sehr hohen Niveau befindet.                                                                             0
                                                     -5
Zudem war die Konjunktur in den Abnehmer-                                                                                 -10
ländern bis zuletzt noch recht verhalten und        -10       Exporterwartungen
                                                              (rechte Skala)                                              -20
dürfte unserer Prognose zufolge erst gegen Jah-
resende wieder anziehen (Gern et al. 2013).         -15                                                                   -30
Schließlich gingen die nominalen Warenausfuh-
                                                    -20                                                                   -40
ren im Juli zurück und liegen unterhalb ihres          1992     1995     1998     2001   2004      2007   2010     2013

Niveaus vom zweiten Quartal. Alles in allem
dürften die Exporte im dritten Quartal mit einer          Prozent               Auslandsaufträge             Prozent
                                                    40                                                                    10
laufenden Jahresrate von rund 4,5 Prozent zule-
                                                                    Eingang
gen.                                                30                                                                    0
    Im kommenden Jahr dürften sich die Zu-          20
                                                                                                                          -10
wachsraten bei den Exporten mit der anziehen-
                                                    10
den Konjunktur in den Abnehmerländern wie-                                                                                -20
                                                     0
der etwas beschleunigen. Maßgeblich wird un-
                                                                                                                          -30
serer Prognose zufolge sein, dass die Produktion   -10

in den Ländern des Euroraums mit der einset-       -20
                                                                                                                          -40

zenden Erholung wieder expandieren wird,
                                                   -30            Bestand (rechte Skala)                                  -50
nachdem sie zwei Jahre lang zurückgegangen
war (Abbildung 17). Auch die konjunkturelle        -40                                                                    -60
                                                           1992
Dynamik in den übrigen Ländern der Europäi-        Quartalsdaten; Exporte, Industrieproduktion: preisbereinigt, Verän-
schen Union wird im kommenden Jahr wohl            derung gegenüber dem Vorjahr; Auftragseingang: preisbereinigt,
                                                   Veränderung gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate; Auftrags-
etwas anziehen. Von den Schwellenländern und       bestand: Nettoanteil der Unternehmen, die über außerordentlich
                                                   hohe Auftragsbestände berichten; Unternehmenszuversicht, Indus-
den übrigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften    trieproduktion: in 41 Ländern, gewichtet mit Anteilen am deutschen
                                                   Export; Unternehmenszuversicht, Exporterwartungen, Auftragsbe-
sind dagegen keine zusätzlichen Impulse zu         stand (Auftragseingang): Wert für aktuelles Quartal entspricht dem
erwarten. Risiken gehen neben der nach wie vor     Durchschnitt der ersten beiden Monatswerte (entspricht dem ersten
                                                   Monatswert) des jeweiligen Quartals.
fragilen Lage im Euroraum auch von der
                                                   Quelle: Deutsche Bundesbank, Saisonbereinigte Wirtschafts-
Entwicklung in den Schwellenländern aus. So        zahlen; Thomson Financial Datastream; ifo, Konjunktur-
würde ein konjunktureller Einbruch in China        perspektiven; eigene Berechnungen.

                                                                                                                                 15
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

Abbildung 17:                                                         Im kommenden Jahr wird sich die Dynamik
Deutsche Exportmärkte 2011–2014                                    bei den Importen voraussichtlich wieder erhö-
 3,0    Prozent,                  Rest der Welt                    hen, vor allem weil der Investitionsaufschwung
        Prozentpunkte
                                  Schwellenländer                  in Deutschland aller Voraussicht nach Tritt fas-
 2,5                                                               sen wird. Hinzu kommt, dass der Bedarf an im-
                                  Andere Industrieländer

                                  EU ex Euroaum                    portierten Vorleistungsgütern mit dem Anzie-
 2,0
                                  Euroraum
                                                                   hen der Exporte zunehmen dürfte. Insgesamt
                                                                   rechnen wir für das Jahr 2014 mit einem An-
 1,5                              Total
                                                                   stieg der Importe von rund 7 Prozent.
                                                                      Vor diesem Hintergrund wird der Außenhan-
 1,0
                                                                   del im kommenden Jahr rein rechnerisch na-
 0,5
                                                                   hezu neutral auf die Produktion in Deutschland
                                                                   wirken, nachdem er im laufenden Jahr einen
 0,0                                                               leicht negativen Expansionsbeitrag aufweist.
                                                                   Der nominale Außenhandelsüberschuss nimmt
-0,5                                                               jedoch mit 5 Prozent in diesem und 7 Prozent
          2011          2012          2013          2014           im nächsten Jahr merklich zu, was insbesondere
Jahresdaten, preisbereinigt. Bruttoinlandsprodukt in 59 Ländern,   auf Preiseffekte zurückzuführen ist. Der Über-
gewichtet mit Anteilen am deutschen Export, Veränderung gegen-
über Vorjahr.                                                      schuss in der Leistungsbilanz wird sich unserer
                                                                   Prognose zufolge sowohl in diesem als auch im
Quelle: Statistisches Bundesamt; nationale Quellen; 2013
und 2014: Prognose des IfW.                                        kommenden Jahr leicht erhöhen. In Relation
                                                                   zum Bruttoinlandsprodukt ergibt sich im lau-
die Ausfuhren belasten (Kasten 2). Alles in                        fenden Jahr ein Leistungsbilanzüberschuss von
allem werden die Exporte im laufenden Jahr                         7,1 Prozent nach 7 Prozent im vergangenen
voraussichtlich um 1 Prozent zulegen. Für das                      Jahr. Im nächsten Jahr wird der Überschuss bei
kommende Jahr rechnen wir mit einem Anstieg                        7,2 Prozent liegen. Damit wird der Leistungs-
um 6,4 Prozent.9                                                   bilanzüberschuss für die Jahre 2013 und 2014
   Auch die Importe werden in der zweiten Jah-                     im Durchschnitt der jeweils zurückliegenden
reshälfte wohl in einem etwas langsameren                          drei Jahre über dem Grenzwert von 6 Prozent
Tempo zulegen als im zweiten Quartal. So                           liegen, der im Verfahren bei makroökono-
dürften mit der voraussichtlich etwas geringe-                     mischen Ungleichgewichten von der Europä-
ren Dynamik beim privaten Konsum und bei                           ischen Kommission festgelegt ist.10 Allerdings
den Exporten die Zulieferungen recht verhalten                     kann ein Land nicht ausschließlich in Folge
expandieren. Zudem sind von den Ausrüs-                            eines Leistungsbilanzüberschusses Gegenstand
tungsinvestitionen in diesem Jahr noch keine                       eines Verfahrens werden oder gar sanktioniert
zusätzlichen Impulse für die Nachfrage nach                        werden.
ausländischen Investitionsgütern zu erwarten.                         Die Importpreise sind im zweiten Quartal mit
Für das dritte Quartal rechnen wir mit einem                       einer laufenden Jahresrate von rund 3 Prozent
Anstieg der Importe von rund 6 Prozent. Darauf                     in ähnlichem Tempo gesunken wie im ersten
deuten die bereits vorliegenden Werte für die                      Quartal. Maßgeblich waren die Preisrückgänge
monatlichen Wareneinfuhren hin. Im Gesamt-                         für Energieträger und sonstige Rohstoffe. In der
jahr 2013 werden die Einfuhren wohl um 1,8                         zweiten Jahreshälfte dürften die Preise für Ein-
Prozent zulegen.                                                   fuhren weiter rückläufig sein. Zwar verteuerten
                                                                   sich Rohöl und andere Energieträger wohl auch

____________________                                               ____________________
9 Die deutliche Aufwärtsrevision unserer Prognose                  10 Auch im Jahr 2012, das für das Verfahren bei ma-
für das laufende Jahr um mehr als 1 Prozentpunkt ist               kroökonomischen Ungleichgewichten für das Jahr
im Wesentlichen auf die für die vergangenen Quar-                  2014 relevant ist, hat Deutschland den Grenzwert von
tale vorgenommen Revisionen zurückzuführen.                        6 Prozent bereits deutlich überschritten.

                                                                                                                    16
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf

Kasten 2:
Deutsche Warenausfuhren nach China

Die Bedeutung Chinas nimmt für den deut-
                                                Abbildung K2-1:
schen Außenhandel wie für den gesamten
                                                Deutsche Ausfuhren nach China 2000–2013
Welthandel seit geraumer Zeit zu. Im Jahr
2012 war China hinter Frankreich, den            7       Prozent
Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Kö-
nigreich und den Niederlanden der fünft-         6
wichtigste Absatzmarkt für deutsche Ex-
porteure; mehr als 6 Prozent der deut-           5
schen Ausfuhren wurden nach China ge-
liefert.a Zuletzt tendierten die Ausfuhren       4
nach China jedoch schwach. Beginnend mit
dem dritten Quartal 2012 nahmen die no-          3
minalen Warenausfuhren drei Quartale in
                                                                                                 Anteil an
Folge ab; im Zuge dessen ging auch der           2
                                                                                                 chinesischen
Anteil an den gesamten deutschen Ausfuh-                                                         Einfuhren
ren zurück (Abbildung K2-1). Erst im zwei-       1                                               Anteil an
ten Quartal des laufenden Jahres zogen                                                           deutschen
                                                                                                 Ausfuhren
die Lieferungen nach China wieder an.            0
                                                  2000         2003         2006          2009        2012
    Ursachen für die Schwäche der Ausfuh-
ren nach China dürfte gewesen sein, dass        Quartalsdaten; Warenaus- und einfuhren.
die Konjunktur dort seit der Jahresmitte
                                                Quelle: Deustche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik;
2012 deutlich an Fahrt verloren hat und         IMF, International Financial Statistics; eigene Berech-
dass der Euro gegenüber dem Renminbi            nungen.
gegen Mitte des vergangenen Jahres mer-
klich aufwertete. Bemerkenswert ist, dass
sich die deutschen Ausfuhren nach China
                                                Abbildung K2-2:
über einen längeren Zeitraum schwächer
                                                Deutsche Ausfuhren nach Gütergruppen 2012
entwickelten als die nominalen Warenein-
fuhren Chinas, so dass die deutschen Ex-         100
                                                         Prozent

porteure in diesem Zeitraum Marktanteile
                                                  90
in China verloren haben. Der Marktanteil
der deutschen Exporteure befindet sich be-        80
reits seit einiger Zeit unter seinem länger-      70
fristigen Durchschnitt.
                                                  60
    Nach Gütergruppen betrachtet ist China
insbesondere für die deutschen Exporteure         50
                                                                                                  Kosumgüter
von Investitionsgütern ein wichtiger Ab-          40
satzmarkt. So waren im Jahr 2012 knapp                                                            Investitionsgüter
                                                  30
67 Prozent der Warenausfuhren nach
China Investitionsgüter (Abbildung K2-2).         20                                              Vorleistungsgüter

Der Anteil der Vorleistungsgüter lag bei          10
                                                                                                  Rest
24,4 Prozent, während auf Konsumgüter
                                                     0
lediglich 5 Prozent entfielen. Der Anteil der                  Gesamt                  China
Investitionsgüter im deutschen Exportge-
schäft mit China ist überdurchschnittlich       Jahresdaten; Anteile an den Warenausfuhren.
hoch (im Jahr 2012 lag er bei 44 Prozent).      Quelle: Statistisches Bundeamt
Insgesamt machten die Investitionsgüter-
exporte nach China rund 9 Prozent der ge-
samten Investitionsgüterausfuhren aus, der
Anteil an den gesamten Vorleistungsgüter-
exporten betrug knapp 5 Prozent.

                                                                                                                      17
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013

   Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen den nominalen Warenausfuhren nach China
                                         ch
( ex t ) mit der Produktion in China ( y t ) und der Wechselkursentwicklung (Euro zu Renminbi) ( wk t )
zwischen 1980 und 2012 empirisch untersucht. Auf dieser Grundlage kann dann abgeschätzt werden,
wie sich eine schwächere wirtschaftliche Dynamik in China auf die deutschen Ausfuhren nach China
auswirkt.b Statistische Tests deuten darauf hin, dass zwischen den drei Variablen eine Kointe-
grationsbeziehung besteht. Für die Spezifikation der Schätzgleichung verwenden wir ein Modell-
selektionsverfahren, das sequentiell Regressoren löscht, bis alle verbliebenen Regressoren ein
Signifikanzniveau von mindestens 5 Prozent aufweisen.c Es ergibt sich folgender Fehlerkorrekturterm
für das Modell:d

                                                                                  
             ext  deterministischeTerme  0,3 ext 1  1,5 ytch1  0,4 wkt 1   Kurzfristdynamik
                                            ( 6, 2 )       (16,8 )       ( 2 , 3) 
    Die Ergebnisse für die Kointegrationsbezie-
hung zeigen, dass sich mit einem Anstieg des           Abbildung K2-3:
Bruttoinlandsprodukts in China um 1 Prozent            Szenarien für die deutschen Ausfuhren nach China
die deutschen nominalen Warenausfuhren                 2013–2018
nach China langfristig um 1,5 Prozent erhö-
                                                                                   Zuwachsrate
hen. Eine Aufwertung des Euro gegenüber                        Prozentpunkte
dem Renminbi um 1 Prozent geht langfristig                20

mit einem Rückgang um 0,4 Prozent einher.                 15
Der Anpassungskoeffizient beträgt 0,3, d.h. bei
Abweichungen von der Kointegrationsbezie-                 10

hung passen sich die deutschen Ausfuhren                   5
nach China innerhalb von zwei Quartalen um
                                                           0
rund die Hälfte an diese Abweichung an.
    Wir vergleichen das Szenario einer kon-               -5
junkturellen Abschwächung in China und das                                                              Rezession
                                                         -10
Szenario einer Abschwächung des Wachs-
                                                                                                        Geringes
tums in China mit einem Referenzszenario, in             -15                                            Wachstum
dem das Bruttoinlandsprodukt in China mit ei-
                                                         -20
ner laufenden Jahresrate von 7 Prozent ex-                 2013:03    2014:03   2015:03     2016:03   2017:03   2018:03
pandiert. Von Wechselkursschwankungen se-
                                                                                   Niveau
hen wir für die Simulationen ab. Im Szenario
                                                               Prozent
einer Konjunkturschwäche unterstellen wir,                 0
dass das Bruttoinlandsprodukt für vier Quar-
tale annualisiert nur um 4 Prozent zulegt. In
                                                          -5
der Folge würde die Zuwachsrate der deut-
schen Ausfuhren für sechs Quartale um bis zu
                                                         -10
18 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Langfris-
tig wären die Ausfuhren im Niveau um knapp 5
Prozent niedriger (Abbildung K2-3). Für das              -15

Szenario eines geringeren Wachstums unter-
stellen wir, dass das Bruttoinlandsprodukt               -20
                                                                            Rezession
dauerhaft lediglich mit 5 Prozent expandiert. In
diesem Szenario würde die Zuwachsrate der                -25
                                                                            Geringes
deutschen Ausfuhren nach China zunächst um                                  Wachstum
bis zu 13 Prozentpunkte zurückgehen; lang-               -30
fristig würde die Zuwachsrate um mehr als 3               2013:032014:032015:032016:032017:032018:03
                                                          2013   2014   2015   2016   2017   2018
Prozentpunkte niedriger ausfallen. Am Ende              Quartalsdaten; Zuwachsrate: laufende Jahresrate; Abweichungen
des Jahres 2018 wären die deutschen Aus-                von einer Basisprognose bei einem BIP-Zuwachs von 7 Prozent im
                                                        Quartal; Rezession: BIP-Zuwachs für 4 Quartale bei 4 Prozent;
fuhren um mehr als 20 Prozent niedriger als im          geringes Wachstum: BIP-Zuwachs dauerhaft bei 5 Prozent.
Referenzszenario.                                       Quelle: Abeysinghe (2008); Deutsche Bundesbank,
                                                        Zahlungsbilanzstatistik; International Financial Statistics;
                                                        National Bureau of Statistics China; eigene Berechnungen.

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