Deutsche Konjunktur im Herbst 2013 - Institut für Weltwirtschaft - Stefan Kooths
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Deutsche Konjunktur im Herbst 2013 Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel Prognose-Zentrum Abgeschlossen am 11. September 2013 Erscheint demnächst als Kieler Diskussionsbeitrag 528/529
Inhalt ___________________________________________________________________ Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf 3 Monetäre Rahmenbedingungen: Zinsen weiter auf äußerst niedrigem Niveau 5 Finanzpolitik konsolidiert nicht mehr 9 Expansion des Außenhandels beschleunigt sich allmählich 13 Inländische Verwendung: Expansion gewinnt an Breite und Tempo 20 Kerninflation nimmt spürbar zu 24 Arbeitsmarkt weiter in guter Verfassung 25 Budgetsaldo leicht im Plus 27 Ausblick: Aufschwung mit Risiken 32 Literatur 35
Deutschland: Konjunktur Die deutsche Wirtschaft hat die konjunkturelle nimmt allmählich Fahrt auf Schwächephase überwunden. Nachdem die ge- samtwirtschaftliche Produktion im Winterhalb- jahr 2012/2013 zurückging, ist sie nun wieder Jens Boysen-Hogrefe, Dominik Groll, deutlich aufwärtsgerichtet. Stützend wirkt dabei Nils Jannsen, Stefan Kooths, Björn van Roye und Joachim Scheide die anziehende Nachfrage aus dem Ausland. Da neue Hiobsbotschaften aus den Problemländern Zusammenfassung: im Euroraum ausblieben und sich die Konjunk- tur dort zu stabilisieren beginnt, hat sich auch Die konjunkturelle Dynamik in Deutschland hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im Verlauf dieses Jahres spürbar belebt. Der Erho- lungsprozess dürfte sich im Prognosezeitraum fort- aufgehellt. In das günstige Bild passt ebenfalls, setzen und im nächsten Jahr sowohl an Breite als dass der Finanzmarktstress seit einiger Zeit auch an Tempo gewinnen. Verwendungsseitig wird gering ist. Zudem sind die Aktienkurse, getrie- die Expansion binnenwirtschaftlich getragen. Ab- ben auch von der sehr expansiven Geldpolitik, sorbiert in diesem Jahr der Konsum die Produkti- onszuwächse, so tritt im nächsten Jahr der einset- in vielen fortgeschrittenen Ländern deutlich zende Investitionsaufschwung als zweite Säule gestiegen, so auch in Deutschland. Aufgrund der hinzu. Dieser wird durch weiterhin extrem günstige extrem niedrigen Zinsen ist ein kräftiger Finanzierungsbedingungen befeuert. Der Außen- handel wirkt nahezu neutral. Insgesamt erwarten Aufschwung angelegt. Allerdings ist die Krise im wir für das laufende Jahr einen Anstieg des Brutto- Euroraum keineswegs überwunden, und neue inlandsproduktes um 0,5 Prozent und für das Irritationen können, so zeigte es sich wiederholt nächste Jahr eine Zunahme von 1,8 Prozent. Gegen Ende des Prognosezeitraums dürften die gesamt- in der jüngeren Vergangenheit, zu Rückschlägen wirtschaftlichen Produktionskapazitäten wieder an- für die Konjunktur hierzulande führen. nähernd normal ausgelastet sein. Bei im Verlauf Im zweiten Quartal 2013 legte das Brutto- leicht sinkender Arbeitslosigkeit dürfte die Beschäf- inlandsprodukt kräftig zu (Abbildung 1). Der tigung weiterhin merklich ausgeweitet werden (An- stieg um 240 Tausend und 225 Tausend Personen in Anstieg fiel mit einer laufenden Jahresrate von diesem bzw. im nächsten Jahr). Der Preisauftrieb 2,9 Prozent auch deshalb sehr hoch aus, weil es wird sich voraussichtlich von 1,6 Prozent (2013) auf 2,1 Prozent (2014) verstärken. Die zu erwartenden leichten Überschüsse im Staatshaushalt von 1 Mrd. Abbildung 1: Euro in diesem und 7 Mrd. Euro im nächsten Jahr Bruttoinlandsprodukt 2010–2014 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kon- solidierungsprozess nach der bislang absehbaren 116 Kettenindex (2005=100) Prozent 10 Finanzpolitik zum Stillstand gekommen ist. Die hier 115 vorgelegte Prognose beschreibt einen Aufschwung 114 Veränderung 8 mit erheblichen Risiken. Diese rühren vor allem von 113 Unwägbarkeiten hinsichtlich der weiteren Entwick- 112 Niveau 6 111 lung der Krise im Euroraum. Aber auch im Inland 110 könnten wirtschaftspolitische Weichenstellungen, die 109 4 seitens der Regulierung die Investitions- und Leis- 108 tungsbedingungen verschlechtern, die Wachstums- 2 107 und Expansionskräfte schwächen. 106 105 0 104 103 -2 102 101 -4 Kästen: I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV 1: Zu den möglichen Auswirkungen eines Mindestlohns 2010 2011 2012 2013 2014 auf die Einnahmen der öffentlichen Haushalte (Seite 12) Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt; Veränderung 2: Deutsche Ausfuhren nach China (Seite 17) gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate. 3: Zu den fiskalischen Kosten der Schuldenkrise in Griechenland (Seite 31) Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.3; grau hinterlegt: Prognose des IfW.
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 nach dem witterungsbedingten Einbruch der Abbildung 2: Bauproduktion zu Jahresbeginn einen Nachhol- Konjunkturindikatoren 2005–2013 effekt gab. So expandierten die Bauinvestitionen 2005=100 Auftragseingang in der Industrie im Frühjahr mit einer zweistelligen Rate. Die 128 aus dem Ausland Investitionen in Ausrüstungen stabilisierten sich nach dem langanhaltenden Rückgang, ihr 118 Niveau ist jedoch um rund 7 Prozent niedriger als Mitte 2011, zu dem Zeitpunkt also, als die 108 Konjunktur begonnen hatte sich zu verlangsa- insgesamt men. Die privaten Konsumausgaben nahmen in 98 ähnlichem Tempo zu wie die verfügbaren Ein- kommen. Offenbar hat die Krise im Euroraum 88 die privaten Haushalte nicht veranlasst, mehr zu sparen; vielmehr ist die Sparquote tendenzi- 78 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 ell weiter gesunken. Zur kräftigen Expansion trug neben der inländischen Verwendung auch der Außenhandel bei. So legten die Exporte wie- Produktion der spürbar zu, nachdem sie im Winterhalbjahr 130 2005=100 zurückgegangen waren. 125 Bauhauptgewerbe Am Arbeitsmarkt hat sich die Situation trotz 120 der zeitweise schwächelnden Konjunktur weiter 115 verbessert, wenn auch der Beschäftigungsauf- 110 bau etwas an Schwung verloren hat. Immerhin 105 war die Zahl der sozialversicherungspflichtig 100 Beschäftigten im zweiten Quartal um 1 Prozent 95 höher als im Vorquartal (laufende Jahresrate). Industrie 90 Die Arbeitslosigkeit hat sich nach dem zwi- 85 schenzeitlichen Anstieg zuletzt wieder leicht 80 verringert. Im August lag die Zahl der Arbeitslo- 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 sen (in der Definition der Bundesagentur für Arbeit) saisonbereinigt bei 2,94 Mill. Personen. Die Arbeitslosenquote beträgt seit einigen Mo- Klima in der Gewerblichen Wirtschaft naten 6,8 Prozent. 2005=100 125 Die Lebenshaltung hat sich in den Sommer- 120 monaten etwas stärker verteuert als zuvor. Be- 115 Lage sonders kräftig stiegen die Nahrungsmittel- 110 preise, bedingt auch durch die Folgen der un- 105 gewöhnlich kalten Winterung. Hingegen blieben 100 die Energiepreise annähernd stabil. Im August 95 betrug die Inflationsrate 1,5 Prozent. 90 Die gesamtwirtschaftliche Produktion dürfte 85 Erwartungen im dritten Quartal dieses Jahres erneut zulegen, 80 jedoch wird der Anstieg etwas geringer ausfallen 75 als im Frühjahr. Zwar hat sich die Stimmung in 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 der Wirtschaft seit einigen Monaten erheblich Monatsdaten, saisonbereinigt. Auftragseingang und Produktion als verbessert; neuerdings trifft dies auch für die gleitender Dreimonatsdurchschnitt. Beurteilung der Geschäftslage zu, die im Win- Quelle: Deutsche Bundesbank, Saisonbereinigte Wirt- terhalbjahr noch deutlich schlechter ausgefallen schaftszahlen; ifo, Konjunkturperspektiven; eigene Berech- war. Allerdings haben die Auftragseingänge in nungen. 4
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf der Industrie in jüngster Zeit zuletzt nur sehr Abbildung 3: moderat zugelegt. Zur Vorsicht mahnt insbe- IfW-Finanzmarktstressindikator 1970–2013 sondere, dass die Industrieproduktion im Juli Index 6 unter dem Niveau im zweiten Quartal lag (Ab- Große Rezession bildung 2). Wir erwarten, dass die gesamtwirt- 5 schaftliche Produktion um 1,8 Prozent (laufende Schul- Jahresrate) zunehmen wird. Alles in allem 4 Börsen- den- krise dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2013 um 0,5 crash 1987 3 Prozent über dem Niveau im Vorjahr liegen; Dotcom- LTCM/ Blase diese Rate entspricht unserer Prognose vom Ölkrise Rezession Russland- 2 EWS- krise Juni dieses Jahres. 1982 Krise Für das kommende Jahr bleiben die Aus- 1 sichten günstig. Insbesondere spricht die für Deutschland sehr expansive Geldpolitik dafür, 0 dass sich der Aufschwung verstärkt und die -1 Produktion rascher zunimmt als das Produkti- Schwellenwert onspotenzial, dessen Wachstumsrate wir auf 1,3 -2 Prozent schätzen. Im Jahresdurchschnitt wird 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 die Zuwachsrate mit voraussichtlich 1,8 Prozent Monatsdaten; Der Schwellenwert 0 signalisiert, ob eine Beein- trächtigung der Konjunktur wahrscheinlich ist. LTCM: Long-Term deutlich höher sein als in den beiden Vorjahren. Capital Management (Hedgefonds). Allerdings bleiben die Risiken für die Prognose Quelle: EZB, Monatsbericht; Deutsche Bundesbank, Mo- groß; so ist insbesondere vorausgesetzt, dass die natsbericht; Thomson Financial Datastream; eigene Be- Krise im Euroraum nicht erneut eskaliert. rechnungen. zukünftige Wirtschaftspolitik ist seit einiger Zeit auf einem niedrigen Niveau, wenngleich sie in Monetäre Rahmenbedingungen: den vergangenen beiden Monaten – wohl nicht Zinsen weiter auf äußerst niedrigem zuletzt im Hinblick auf die Bundestagswahl – Niveau leicht gestiegen ist (Abbildung 4).2 Die Entspan- nung an den Finanzmärkten dürfte unter ande- rem darauf zurückzuführen sein, dass die Euro- Die Finanzierungsbedingungen für Unterneh- päische Zentralbank (EZB) im Oktober 2012 an- men sind weiter ausgesprochen günstig. Sowohl gekündigt hatte, im Rahmen des Outright Mo- die Zinsen für Unternehmenskredite als auch netary Transactions (OMT) Programms Staats- die Zinsen für Unternehmensanleihen liegen auf anleihen von Krisenländern zu erwerben, sofern einem historisch niedrigen Niveau. Darüber sie dies für angemessen erachtet. Insbesondere hinaus haben sich die Verspannungen an den dürfte auch die Beruhigung an den Finanz- Finanzmärkten, zu denen es während der Krise märkten in den wichtigen Handelspartnerlän- im Euroraum immer wieder gekommen war, dern innerhalb des Euroraums zur Beruhigung vorerst gelöst. So liegt der IfW-Finanzmarkt- beigetragen haben. So sind die Renditen für stressindikator seit nunmehr sechs Monaten Staatsanleihen und Bankschuldverschreibungen unter dem Schwellenwert, ab dem dämpfende in den Krisenländern in den vergangenen Wo- realwirtschaftliche Folgen zu erwarten sind chen weiter gesunken, und eine Kapital- und (Abbildung 3).1 Auch die Unsicherheit über die Depositenflucht aus diesen Ländern ist derzeit nicht mehr auszumachen. Darauf deutet auch ____________________ ____________________ 1 Zum Einfluss des über den Indikator gemessenen 2 Zu einer detaillierten Analyse über den Unsicher- Finanzmarktstresses auf die Konjunktur siehe van heitsindikator vgl. Boysen-Hogrefe et al. (2012b: Kas- Roye (2013). ten 1) und Baker et al. (2013). 5
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 der tendenzielle Rückgang der Target2-Positio- schäftsbanken im Juli nur noch etwa 10 Mrd. nen der nationalen Zentralbanken hin. Solange Euro. Vor diesem Hintergrund wurde auch die die Bankensektoren in den Peripherieländern Überschussliquidität in Deutschland ansässiger nicht grundlegend saniert werden, könnte sich Banken abgebaut. Die monetäre Basis ist in der die Lage an den Finanzmärkten jedoch jederzeit Folge in Deutschland deutlich gesunken (Abbil- wieder verschärfen. dung 6). Abbildung 4: Abbildung 5: Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik 1997–2013 Leitzinsen und Tagesgeldsätze im Euroraum 2007–2013 300 Index Prozent 6 5 Einlagefazilität 250 EONIA 4 Spitzenrefinanzierung Hauptrefinanzierung 200 3 150 2 1 100 0 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 50 Wochendaten. EONIA (Euro OverNight Index Average): Zinssatz für unbesichertes Tagesgeld. 0 1997 2002 2007 2012 Quelle: EZB, Monatsbericht. Monatsdaten. Abbildung 6: Quelle: Baker et al. (2013). Monetäre Basis in Deutschland 2005–2013 600 Mrd. Euro Die EZB hat die Leitzinsen auf dem Rekord- Einlagefazilität tief von 0,5 Prozent belassen (Abbildung 5). 500 Guthaben der Geschäftsbanken beim Eurosys- tem werden weiterhin nicht verzinst. Vor dem 400 Guthaben auf Girokonten (einschl. Mindestreserven) Hintergrund der nachlassenden Verspannungen an den Finanzmärkten ist auch das vom Euro- 300 system bereitgestellte Refinanzierungsvolumen zurückgegangen. Maßgeblich waren hier vor al- 200 lem vorzeitige Rückzahlungen aus den beiden 100 Banknotenumlauf dreijährigen Refinanzierungsgeschäften, die Ende des Jahres 2011 und Anfang des Jahres 0 2012 durchgeführt worden waren. Auch deut- 2005 2007 2009 2011 2013 sche Kreditinstitute nutzten die vorzeitige Rück- Monatsdaten. zahlungsmöglichkeit und tilgten einen Großteil ihrer daraus erwachsenen Verbindlichkeiten bei Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht. der Bundesbank. Während die Verbindlichkei- ten aus längerfristigen Refinanzierungsoperati- Die Lage am Geldmarkt ist noch immer ange- onen zum Hochpunkt der Finanzkrise noch bei spannt. Darauf deutet unter anderem das nied- mehr als 200 Mrd. Euro lagen, hielten die Ge- rige Transaktionsvolumen am Markt für unbesi- 6
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf chertes Tagesgeld hin (Abbildung 7). Die Ban- Abbildung 8: ken dürften das Kontrahentenrisiko nach wie Zinssätze für Dreimonatsgeld 2007–2013 vor hoch einschätzen, da viele Finanzinstitute Prozent Prozentpunkte 6 2,0 angesichts eines noch immer hohen Abschrei- 1,8 bungsbedarfs und der Basel III Regulierung Euribor 5 unterkapitalisiert sind. Allerdings dürfte die 1,6 Bedeutung des Interbankenmarktes seit Beginn 4 1,4 der Refinanzierungsgeschäfte mit vollständiger Eurepo 1,2 Zuteilung und der Herabsetzung der Anforde- 3 1,0 rungen für notenbankfähige Sicherheiten für 0,8 den geldpolitischen Transmissionsmechanis- 2 0,6 mus ohnehin merklich gesunken sein, da jed- 0,4 1 wede Liquiditätsnachfrage seitens der Ge- 0,2 Differenz schäftsbanken von den Notenbanken gestillt 0 0,0 wird. Der Tagesgeldsatz (EONIA), der nach wie 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 vor nur geringfügig oberhalb der Nullgrenze Wochendaten; Euribor: Zinssatz für unbesichertes Dreimonatsgeld; Eurepo: Zinssatz für besichertes Dreimonatsgeld; Differenz: schwankt, und die Zinssätze für Dreimonatsgeld Prozentpunkte. verharren seit geraumer Zeit auf äußerst niedri- Quelle: EZB, Monatsbericht; eigene Berechnungen. gem Niveau; im Juni stagnierte der Zinssatz für besichertes Dreimonatsgeld (Eurepo) bei 0,0 Prozent und der Zinssatz für unbesichertes troffen sind (Abbildung 9). Insbesondere große Dreimonatsgeld (Euribor) lag mit 0,2 Prozent Unternehmen haben offenbar kaum Schwierig- nur leicht höher (Abbildung 8). keiten, Kredite aufzunehmen. Die Finanzie- Die Finanzierungsbedingungen sind für die rungskosten blieben in den vergangenen Mo- Unternehmen weiterhin sehr günstig. So deutet naten nahezu unverändert. Während sich die die Umfrage zur ifo-Kredithürde darauf hin, Bankzinsen für Unternehmenskredite im Durch- dass nur wenige Unternehmen von einer re- schnitt leicht verringerten, stiegen die Renditen striktiven Kreditvergabe seitens der Banken be- Abbildung 9: Kredithürde nach Unternehmensgröße 2005–2013 Abbildung 7: Transaktionsvolumen am Markt für Tagesgeld im Euroraum Prozent 2003–2013 70 große kleine Mrd. Euro 60 90 gesamt mittlere 80 50 70 40 60 50 30 40 20 30 10 20 10 0 2005 2007 2009 2011 2013 0 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Monatsdaten ab November 2008; Anteil der Firmen, die über eine Tagesdaten. restriktive Kreditvergabe seitens der Banken berichten. Quelle: EZB, Statistical Data Warehouse. Quelle: ifo, Schnelldienst. 7
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 für Unternehmensanleihen etwas (Abbildung Zinserhöhung sehen. Der Leitzins wird für 10). Im Juni lag die durchschnittliche Rendite Deutschland – gemessen an der Inflationsrate bei 3,5 Prozent, einen halben Prozentpunkt über und der Auslastung der Produktionskapazitäten dem historischen Tiefstand vom Mai. Da die – in den kommenden Jahren wohl deutlich zu Rendite von Bundesanleihen gleichzeitig etwas niedrig sein (Boysen-Hogrefe et al. 2013: Kasten weniger deutlich zulegte, stieg der Zinsaufschlag 1). Die Geldpolitik ist somit im gesamten Pro- leicht. Insgesamt dürften die Finanzierungs- gnosezeitraum sehr expansiv ausgerichtet. Un- bedingungen für Unternehmen weiterhin sehr ter der Annahme einer leichten Entspannung günstig bleiben. Darauf deutet auch der Bank der Krise im Euroraum werden die langfristigen Lending Survey der EZB hin; in den kom- Zinsen trotz anhaltend niedriger Leitzinsen menden drei Monaten dürften per saldo mehr wohl etwas steigen. Die Zinsen für Unterneh- Banken ihre Kreditvergabestandards für Unter- men dürften hiervon jedoch nicht zwangsläufig nehmen lockern (Abbildung 11). betroffen sein. Abbildung 10: Abbildung 11: Kapitalmarktzinsen 1990–2013 Vergabestandards für Unternehmenskredite 2005–2013 Prozentpunkte Prozent 80 10 9 60 8 Entwicklung 40 7 Unternehmensanleihen 6 20 5 0 Bundesanleihen 4 -20 3 Erwartung 2 -40 Differenz 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 1 0 Quartalsdaten; Saldo des Anteils der Banken, welche eine Anhe- bung der Standards angeben, und Banken, die über eine Lockerung 1990 1995 2000 2005 2010 berichten; Entwicklung: in den vergangenen drei Monaten; Erwar- tung: für die kommenden drei Monate. Monatsdaten, Renditen; Unternehmensanleihen mit mittlerer Rest- laufzeit von über drei Jahren; Bundesanleihen mit 5-jähriger Lauf- Quelle: Deutsche Bundesbank, Bank Lending Survey. zeit. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht; eigene Be- rechnungen. Für die Prognose unterstellen wir einen Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dol- Die EZB wird den maßgeblichen Leitzins im lar von 1,30. Die preisliche Wettbewerbsfähig- gesamten Prognosezeitraum wohl bei 0,5 Pro- keit der deutschen Unternehmen dürfte sich im zent belassen. Zum einen hat die EZB angekün- Prognosezeitraum etwas verschlechtern (Tabelle digt, die Zinsen für einen ausgedehnten Zeit- 1). raum niedrig zu halten. Zum anderen dürfte sie auch angesichts der Inflationsentwicklung in den Krisenländern im Euroraum, die angesichts nötiger Strukturanpassungen wohl schwach ausfallen wird, keine Notwendigkeit zu einer 8
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf Tabelle 1: Rahmendaten für die Konjunktur 2011–2014 2011 2012 2013 2014 I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV Leitzins der EZB 1,0 1,2 1,5 1,3 1,0 1,0 0,75 0,75 0,75 0,60 0,50 0,50 0,50 0,50 0,50 0,50 Langfristige Zinsen 3,2 3,1 2,3 2,0 1,5 1,4 1,4 1,4 1,5 1,4 1,8 2,0 2,1 2,2 2,3 2,5 US-Dollar/Euro 1,37 1,44 1,41 1,35 1,31 1,28 1,25 1,30 1,32 1,31 1,33 1,33 1,33 1,33 1,33 1,33 Preisliche Wettbewerbs- fähigkeit 88,1 88,8 87,9 87,6 86,8 86,5 85,5 86,3 87,8 87,8 89,0 89,2 89,2 89,1 89,0 88,9 Exportmärkte 3,1 1,7 1,8 0,9 1,1 0,6 1,3 0,4 0,7 1,6 1,6 2,1 2,1 2,3 2,3 2,5 Rohölpreis 105,7 117,5 113,2 110,0 118,4 109,4 111,4 110,5 113,0 103,1 110,3 110,0 110,6 111,1 111,7 112,2 Leitzins der EZB: Hauptrefinanzierungssatz; Langfristige Zinsen: Rendite 9−10-jähriger Bundesanleihen; Preisliche Wettbe- werbsfähigkeit: gegenüber 36 Ländern auf Basis von Deflatoren für den Gesamtabsatz, Index: 1991 I = 100, steigende Werte bedeuten eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit; Exportmärkte: Bruttoinlandsprodukt in 46 Ländern, gewichtet mit Anteilen am deutschen Export, Veränderung gegenüber Vorquartal, Jahresrate. Rohölpreis: US-Dollar je Barrel North Sea Brent. Quelle: EZB, Monatsbericht; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht; IMF, International Financial Statistics; eigene Berech- nungen; grau hinterlegt: Prognose des IfW. Finanzpolitik konsolidiert nicht ten infolge des CO2-Zertifikatehandels ausglei- mehr chen sollen. Ein Investitionsprogramm des Bundes für Verkehrsinfrastruktur im Umfang von 750 Mill. Euro dürfte im laufenden Jahr für Nachdem die Finanzpolitik in den Jahren 2011 zusätzliche Ausgaben sorgen, wobei ein Großteil und 2012 dazu beigetragen hat, das Budget des Programms in der Beschleunigung bereits merklich zu verbessern,3 verschlechtern finanz- geplanter bzw. in der Durchführung befindli- politische Maßnahmen das Budget im laufenden cher Projekte besteht. Mindereinnahmen von Jahr; die Finanzpolitik ist auf einen leicht ex- über 6 Mrd. Euro zieht die Absenkung des Bei- pansiven Kurs eingeschwenkt. Mehrere neue tragssatzes zur Rentenversicherung von 19,6 Maßnahmen führen zu Mindereinnahmen oder Prozent auf 18,9 Prozent nach sich. Zudem ist Mehrausgaben. So ist der Grundfreibetrag im die Praxisgebühr abgeschafft worden, wodurch Einkommensteuertarif angehoben worden, und dem Gesundheitsfonds Mehrausgaben von 1,9 durch die Umsetzung verschiedener EuGH-Ur- Mrd. Euro entstehen dürften. Zu geringfügigen teile zur Dividendenbesteuerung entstehen Steuermindereinnahmen führt die Einbezie- Mindereinnahmen (Tabelle 2). Zudem wurden hung eingetragener Lebenspartnerschaften in das Betreuungsgeld und die Subventionierung das Ehegattensplitting. Zudem werden die öf- privater Pflegezusatzversicherungen („Pflege- fentlichen Haushalte durch die Auswirkungen Bahr“) eingeführt. Ferner stockt der Bund die des Hochwassers im Frühjahr belastet. So wer- bereits durch den Energie- und Klimafonds fi- den Geschädigten des Hochwassers Hilfen ge- nanzierten Programme zur energetischen Ge- währt, und es dürften zum Teil erhebliche Maß- bäudesanierung aus dem eigenen Haushalt auf, nahmen zur Wiederherstellung der durch das und Unternehmen werden zusätzliche Subven- Hochwasser zerstörten öffentlichen Infrastruk- tionen gewährt, die den Anstieg der Stromkos- tur ergriffen werden. Bund und Länder haben ____________________ zur Finanzierung dieser Ausgaben einen 8 Mrd. 3 Zur Konsolidierung der Jahre 2011 und 2012 siehe Euro umfassenden Fonds eingerichtet. Boysen-Hogrefe (2013). 9
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 Tabelle 2: Budgetwirkungen finanzpolitischer Maßnahmen 2013–2014 (Mrd. Euro) 2013 2014 2014 (kumuliert) Steuern Anhebung der Tabaksteuersätze 0,2 0,2 0,4 Auslaufen der Eigenheimzulage 0,8 0,3 1,1 Alterseinkünftegesetz –0,9 –0,6 –1,5 Änderungen von Unternehmensteuern 0,1 0,4 0,5 Anhebung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer –0,9 –1,7 –2,6 Umsetzung von EuGH-Urteilen zur Dividendenbesteuerung –2,7 2,0 –0,7 Anhebung der Mini-Job-Grenze –0,3 0,0 –0,3 LKW-Maut auf Bundesstraßen 0,1 0 0,1 Stromsteuerentlastung für Unternehmen (CO2-Zertifikate) –0,3 0,0 –0,3 Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts –0,1 –0,1 Absetzbarkeit von Reisekosten –0,2 –0,2 Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz 0,2 0,2 Ausgaben des Bundes Kürzung disponibler Ausgaben 0,5 0,3 0,8 Einführung des Betreuungsgeldes –0,3 –0,7 –1,0 „Pflege-Bahr“ –0,1 0,0 –0,1 Programm zur energetischen Gebäudesanierung –0,3 0,0 –0,3 Verkehrsinfrastruktur –0,6 0,7 0,1 Fluthilfen des Bundes –1,3 –0,4 –1,7 Diskretionäre Maßnahmen von Ländern und Gemeinden (inklusive Fluthilfe) –0,3 –0,2 –0,5 Sozialversicherungen Absenkung des Rentenbeitragssatzes zum 1. Januar 2013 –6,5 –0,3 –6,8 Absenkung des Rentenbeitragssatzes zum 1. Januar 2014 –5,6 –5,6 Eingriff in die Rentenformel 3,2 0,7 3,9 Anhebung der Insolvenzgeldumlage 0,6 –0,2 0,4 Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen (BA) 0,3 0,0 0,3 Stellenabbau in der BA 0,2 0,0 0,2 Versorgungsstrukturgesetz –0,1 0,0 –0,1 Leistungsausweitung der Pflegeversicherung –1,0 –0,1 –1,1 Beitragssatzanhebung in der Pflegeversicherung 1,1 0,0 1,1 Abschaffung der Praxisgebühr –1,9 0,0 –1,9 Ausweitung des Kurzarbeitergeldes –0,1 0,1 Summe –10,5 –5,2 –15,7 Automatische Reaktionen Heimliche Steuererhöhungen 3,9 5,0 8,9 Endogener Rückgang von Steuerquoten –2,4 –3,3 –5,7 Summe –9,0 –3,5 –12,5 In Relation zum Bruttoinlandsprodukt –0,3 –0,1 –0,4 Jeweils im Vergleich zum Vorjahr. Änderungen der Unternehmensteuern: Unternehmenssteuerreform 2008, Wachstums- beschleunigungsgesetz, Auslaufen der degressiven AfA und sonstige Maßnahmen. Umsetzung von EuGH Urteilen zur Divi- dendenbesteuerung: Angaben zu den finanzstatistischen Wirkungen. In den VGR wurden diese zum Teil bereits 2012 ver- bucht. Budgetwirkungen der Hilfsmaßnahmen an den griechischen Staat im Zuge der Schuldenkrise werden hier nicht abge- bildet. Für eine detaillierte Darstellung siehe Boysen-Hogrefe et al. (2012). Wegen des Preisverfalls bei CO2-Zertifikaten könnte die Budgetwirkung deutlich hinter den Planzahlen zurückbleiben. Quelle: BMF, interne Unterlagen; eigene Schätzungen und Berechnungen. Weitgehend budgetneutral sind die Verände- budgetneutral sollte die merkliche Ausweitung rungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung. der Ausgaben des Energie- und Klimafonds Zwar wurden die Leistungen ausgeweitet, zu- über Mehreinnahmen aus dem CO2-Zertifikate- gleich aber die Beitragssätze angehoben. Ebenso handel gestaltet sein. Wegen des Preisverfalls 10
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf für solche Zertifikate dürften die entsprechen- wirkung der hier erfassten Maßnahmen von den Einnahmen jedoch deutlich geringer aus- –3,5 Mrd. Euro zu rechnen. fallen als geplant, so dass selbst ein Zuschuss Für den finanzpolitischen Ausblick auf das der KfW im Umfang von 311 Mill. Euro ein Defi- kommende Jahr wird die derzeitige Gesetzes- zit im Energie- und Klimafonds kaum verhin- lage zugrunde gelegt. Mögliche zukünftige Maß- dern wird. Allerdings hat das EU-Parlament im nahmen werden nicht berücksichtigt. Nach den Sommer beschlossen, das Angebot an Zertifi- bevorstehenden Bundestagswahlen könnte es zu katen zu begrenzen, was den Preisverfall stop- erheblichen Veränderungen in der Finanzpolitik pen und die Risiken für die öffentlichen Haus- kommen. Grundtenor aller Programme der bis- halte mindern soll. her im Bundestag vertretenen Parteien, abgese- Entlastungen für das Budget entstehen durch hen von der Linkspartei, ist das Bekenntnis zur einige Maßnahmen, die überwiegend schon vor Schuldenbremse, so dass ein wichtiger Grund- einigen Jahren beschlossen worden waren. So satz der aktuellen Finanzpolitik auch nach der ist die Anpassung der Renten insbesondere in Bundestagswahl erhalten bleiben dürfte. Meh- Westdeutschland schwächer als in der allgemei- rere Parteien betonen den Schuldenabbau in ih- nen Lohnentwicklung angelegt ausfallen, auch ren Programmen zusätzlich, so SPD, Bünd- wegen der unterbliebenen Rentenkürzung im nis90/Die Grünen und FDP. Während aller- Jahr 2010. Zudem entfallen Ausgaben für die dings SPD und Bündnis90/Die Grünen den Eigenheimzulage, und die Insolvenzgeldumlage Schuldenabbau durch Steuererhöhungen – hier wird angehoben, nachdem sie 2011 gar nicht ist unter anderem die Wiedereinführung der und 2012 mit einem deutlich reduzierten Satz Vermögensteuer bzw. eine einmalige Vermö- erhoben worden war. Ferner wird das Budget gensabgabe zu nennen – und den Wegfall von der Bundesagentur für Arbeit durch die Instru- Steuervergünstigungen, wie das Ehegattensplit- mentenreform und durch Stellenabbau, der ting, forcieren wollen, spricht sich die FDP für allerdings jüngst gestoppt wurde, entlastet. Ausgabenkürzungen bei Subventionen und in Insgesamt ist unter Berücksichtigung auto- der Verwaltung aus. Neben dem Schuldenabbau matischer Reaktionen mit einer Budgetbelas- möchte die FDP mit den gesunkenen Ausgaben tung von 9 Mrd. Euro (0,3 Prozent in Relation die Abschaffung des Solidaritätszuschlags bud- zum Bruttoinlandsprodukt) gemessen am Stand getsaldoneutral ermöglichen. Zudem soll die des Jahres 2012 zu rechnen. direkte Steuerbelastung der Bürger grundge- Im kommenden Jahr wird die Finanzpolitik setzlich nach oben begrenzt werden und die das Budget nach derzeitigem Stand verglichen „kalte Progression“ durch regelmäßige Anpas- mit dem laufenden Jahr abermals leicht belas- sungen des Einkommensteuertarifs gemindert ten. So dürften die Ausgaben für das Betreu- werden. CDU/CSU wollen Familien durch die ungsgeld stark zulegen, und die zusätzliche Be- Ausweitung des Ehegattensplittings zu einer rücksichtigung von Reisekosten in der Unter- Form des Familiensplittings steuerlich entlasten nehmensbesteuerung und die steuerliche Stär- und sprechen sich auch für Maßnahmen gegen kung des Ehrenamts führen zu Mindereinnah- die „kalte Progression“ aus.4 Steuerentlastungen men. Die größten Effekte werden aber von der und zusätzlichen Ausgabenprogramme stehen erneuten Reduktion des Grundfreibetrags in der aber unter Finanzierungsvorbehalt. Einkommensteuer und der abermaligen Absen- Insgesamt streben SPD und Bündnis90/Die kung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung Grüne einen Anstieg der Staatseinnahmen und ausgehen. Zu geringfügigen Mehreinnahmen der Staatseinnahmenquote an, der für Schul- dürfte es durch das im Sommer beschlossene ____________________ Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz kommen, 4 Der Begriff Familiensplitting wird im Wahlpro- das neben der Konkretisierung mehrerer euro- gramm von CDU/CSU nur mit der Anhebung des parechtlicher Vorschriften einige Steuer- Kinderfreibetrags auf das Niveau von Erwachsenen schlupflöcher („Cash-GmbH“, „Goldfinger“) erläutert. Weitergehende Pläne, die Zahl der Kinder beim eigentlichen Splitting zu berücksichtigen, wie es schließen soll. Insgesamt ist mit einer Budget- in Frankreich der Fall ist, sind nicht konkretisiert. 11
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 Kasten 1: Zu den möglichen Auswirkungen eines Mindestlohns auf die Einnahmen der öffentlichen Haushalte Von der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns erhoffen sich mehrere Kommentatoren positive Effekte für die öffentlichen Haushalte. Diese hängen unmittelbar von den durch diesen Eingriff ausgelösten Einkommens- und Beschäftigungseffekten ab. Die Wirkung eines oberhalb des Marktpreises gesetzten Mindestlohnes lässt sich anhand von drei idealtypischen Fällen analysieren, um die ökonomischen Effekte herauszuarbeiten (Groll und Kooths 2013). Kann die Lohnerhöhung nicht in höhere Preise überwälzt werden und erwirtschaften die Unternehmen auf den Produktmärkten, für die Mindestlohnbezieher eingesetzt werden, keine Überrenditen (Fall 1), so steigen durch den Mindestlohn die Lohnkosten über das Wertgrenzprodukt der betroffenen Arbeitskräfte mit der Folge, dass ein Teil der vom Mindestlohn „begünstigten“ Arbeitnehmer arbeitslos wird. Lässt man hingegen eine vollständige Preisüberwälzung der durch die Einführung von Mindestlöhnen erhöhten Lohnkosten zu, indem man annimmt, dass die Nachfrage auf den jeweiligen Produktmärkten extrem preisunelastisch ist (Fall 2), so würden die Konsumenten einen größeren Teil ihres Budgets für die von Mindestlohnbeziehern erbrachten Leistungen verausgaben, so dass sie für andere Güter entsprechend weniger Einkommen zur Verfügung haben. Im Aggregat steigt damit die Kaufkraft nicht und die gesamtwirtschaftlichen Konsumausgaben bleiben bestenfalls konstant. Höhere Einkommen für Mindestlohnbezieher gehen dann mit niedrigeren Einkommen oder mit Beschäftigungseinbußen an anderer Stelle der Volkswirtschaft einher. Will man sowohl negative Beschäftigungseffekte für Mindestlohnbezieher als auch Nachfrageausfälle an anderer Stelle ausschließen, so muss angenommen werden, dass die mindestlohnbedingte Lohnerhöhung durch eine Gewinnkompression bei den betroffenen Unternehmen aufgefangen wird (Fall 3).a Dieser Fall impliziert, dass die Unternehmen vor der Einführung von Mindestlöhnen Überrenditen erwirtschaften konnten und wirft die Frage auf, weshalb diese Überrenditen nicht im Wettbewerb wegkonkurriert wurden (im Zuge des Wettbewerbs würden verstärkt Niedriglohnbezieher von neu in den Markt eintretenden Unternehmen nachgefragt, so dass der Marktlohn auch ohne Einführung eines Mindestlohns steigen würde). Hierzu müsste man eine Marktabschottung annehmen, die den etablierten Unternehmen dauerhafte Überrenditen ermöglicht. Dies scheint gerade auf den Arbeitsmärkten für niedrig qualifizierte Arbeitskräfte sehr unwahrscheinlich zu sein. Denn niedrige Arbeitsqualifikationen lassen den Einsatz typischerweise in vielfältigen Verwendungen zu, so dass Unternehmen aus verschiedenen Branchen im Wettbewerb um den Einsatz dieser Arbeitskräfte stehen. Gleichwohl versprechen sich die Befürworter von Mindestlöhnen gerade von dieser Konstellation eine Entlastung der öffentlichen Haushalte, die daher im Folgenden näher betrachtet werden soll. Die fiskalischen Effekte einer mindestlohnbedingten Gewinnkompression dürften stark ins Gewicht fallen bzw. können sich sogar negativ für die öffentlichen Haushalte auswirken. Dies sei anhand einer Beispielrechnung skizziert. Angenommen die Einführung des Mindestlohns begünstigt einen Arbeitnehmer (Lohnsteuerklasse I oder IV), der eine volle Stelle und nur Lohneinkommen zur Verfü- gung hat. Der Grenzsteuersatz (inklusive Solidaritätszuschlag) dürfte etwa 21 Prozent für das zu versteuernde Einkommen betragen. Bezogen auf das Arbeitnehmerentgelt liegt dieser etwas niedriger, bei rund 17 Prozent. Die höheren Lohnkosten würden somit dem Staat entsprechende Mehreinnahmen generieren. Nimmt man aber an, dass die höheren Lohnausgaben zu Lasten der Gewinneinkommen gehen, dürften die Steuereinnahmen per Saldo deutlich gesenkt werden, da bei Gewinneinkommen mit weitaus höheren Grenzbelastungen zu rechnen ist – in der Spitze über 47 Prozent (inklusive Solidaritätszuschlag). Allerdings profitieren von einer Lohnsteigerung die Sozial- versicherungen. Beiträge zu Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung betragen 20,8 Prozent bezogen auf das Bruttoeinkommen und 17,4 Prozent bezogen auf das Arbeitnehmerentgelt. Addiert man die Beiträge zur Rentenversicherung hinzu (18,9 Prozent bzw. 15,8 Prozent) ergibt sich eine Grenzbelastung von rund 50 Prozent. Der Satz liegt kaum höher als die Grenzbelastung der Gewinn- einkommen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass bei der Rentenversicherung aus den Mehrein- nahmen nach geltendem Recht in den Folgejahren zusätzliche Ausgaben entstehen. Die Einnahmen durch die höheren Rentenbeiträge würde also nicht bzw. nur zu einem kleinen Teil die öffentlichen Haushalte entlasten.b Per saldo ist somit mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen. aDie aus der höheren Lohnsumme notwendig werdende Gewinnkompression wird nicht selten bei der Berechnung der fiskalischen Auswirkungen von Mindestlöhnen außer Acht gelassen (z.B. jüngst IAB 2013). — bDie durch die höheren Rentenbeiträge steigenden Renten führen ihrerseits zu Einnahmen der Kranken- und Pflegeversicherung und zu geringfügigen Steuermehreinnahmen über die Einkommensbesteuerung von Rentnern. 12
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf denabbau und zusätzliche Investitionen genutzt Abbildung 12: werden soll. Bei den Plänen der SPD ist anzu- Exporte 2010–2014 merken, dass diese offenbar mit Mehreinnah- Kettenindex (2005=100) Prozent 160 30 men infolge der Einführung eines flächen- deckenden Mindestlohns rechnen, was aller- 155 25 Verände- dings als nicht realistisch eingeschätzt werden 150 rung 20 muss (Kasten 1). Die CDU möchte neue Ausga- 145 15 ben und Steuermindereinnahmen ohne gesetzli- 140 Niveau che Änderungen, die zu Mehreinnahmen füh- 10 135 ren, etablieren und konditioniert somit ihre 5 130 Wahlkampfaussagen auf eine günstige wirt- 0 schaftliche Entwicklung. Die FDP schließlich 125 zielt auf eine Begrenzung der Staatseinnahmen 120 -5 bei gleichzeitigem Subventions- und Schulden- 115 -10 I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV abbau. 2010 2011 2012 2013 2014 Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt; Veränderung gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.3; Expansion des Außenhandels be- grau hinterlegt: Prognose des IfW. schleunigt sich allmählich Abbildung 13: Der Außenhandel hat sich im zweiten Quartal Importe 2010–2014 vom Einbruch im Winterhalbjahr erholt. Die Kettenindex (2005=100) Prozent Ausfuhren stiegen mit einer laufenden Jahres- 160 35 rate von 9 Prozent (Abbildung 12). Die Importe 155 30 legten um 8,4 Prozent zu (Abbildung 13), so 150 25 dass der Außenhandel 0,7 Prozentpunkte zum Verände- 145 rung 20 Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts beitrug. 140 Niveau 15 Mit der turnusmäßigen Revision der Volkswirt- schaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) stellt 135 10 sich der Rückgang des Außenhandels im Win- 130 5 terhalbjahr zudem deutlich weniger ausgeprägt 125 0 dar.5 Insbesondere für das erste Quartal hatte 120 -5 sich eine Aufwärtsrevision bei den Exporten ab- 115 -10 gezeichnet, da die Angaben in den VGR auf- I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV grund von Sonderfaktoren außergewöhnlich 2010 2011 2012 2013 2014 stark von den Zahlen der Außenhandelsstatistik Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt; Veränderung abgewichen waren.6 Für die zweite Jahreshälfte gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate. deuten die Indikatoren auf ein im Vergleich mit Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.3; dem zweiten Quartal etwas langsameres Expan- grau hinterlegt: Prognose des IfW. sionstempo beim Außenhandel hin. Die nominalen Warenausfuhren in den asia- ____________________ tischen Raum legten im zweiten Quartal spürbar 5 Im Winterhalbjahr waren die Exporte im Vergleich zu, nachdem sie zuvor drei Quartale in Folge zum Halbjahr zuvor mit einer laufenden Jahresrate rückläufig waren. Auch die Lieferungen in die von 3,5 zurückgegangen (zuvor ausgewiesen: 5,2 Pro- zent) und die Importe um 2,1 (4,1 Prozent). Industrieländer außerhalb der Europäischen 6 Vgl. Boysen-Hogrefe et al. (2013: Kasten 3). Union expandierten kräftig. Dagegen gingen die 13
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 Exporte in die Europäische Union deutlich zu- Abbildung 14: rück. Der Anstieg bei den Importen speiste sich Handelsbilanzsaldo nach Regionen 1991–2012 vor allem aus zusätzlichen Lieferungen aus dem 10 Prozent Euroraum. Auch die nominalen Wareneinfuh- ren aus den europäischen Ländern, die nicht 8 Mitglied der Europäischen Union sind, zogen Handelsbilanz übrige Welt spürbar an. Die Importe aus den anderen fort- 6 geschrittenen Volkswirtschaften sowie aus dem Handelsbilanz Euroraum asiatischen Raum gingen dagegen zurück. Ins- 4 gesamt hat sich der Überschuss in der deut- schen Handelsbilanz mit dem Euroraum weiter 2 verringert. Der Handelsbilanzüberschuss ist mittlerweile auf ein Niveau gefallen, das kaum 0 noch höher ist als zu Beginn der Währungs- union (Abbildung 14). Da sich dafür der Han- -2 delsbilanzüberschuss mit anderen Regionen der 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012 Welt, insbesondere dem asiatischen Raum, suk- zessive erhöht hat, ist der Handelsbilanzüber- Quartalsdaten; in Relation zum Bruttoinlandsprodukt; Differenz zwischen nominalen Warenaus- und Wareneinfuhren. schuss in den vergangenen Quartalen etwa un- verändert geblieben.7 Diese Entwicklung spie- Quelle: Deutsche Bundesbank, Zahlunsbilanzstatistik; eigene Berechnungen. gelt sich auch in der Bedeutung der Regionen für die Ex- und Importe wider. Während die Bedeutung des Euroraums für die deutschen Exporteure in Relation zu anderen Absatzregio- Abbildung 15: nen bereits seit geraumer Zeit zurückgeht, kön- Kapazitätsauslastung in den Abnehmerländern 1991–2013 nen die Lieferanten aus dem Euroraum bereits Prozent 86 seit einiger Zeit wieder Marktanteile in Deutschland hinzugewinnen. 84 Nach Gütergruppen betrachtet, legten beson- 82 ders die Investitionsgüterexporte im zweiten 80 Quartal kräftig zu. Die Zuwächse bei Maschinen sowie bei Kraftwagen und Kraftwagenteilen wa- 78 ren sogar überproportional stark. Eine Besse- 76 rung bei den Investitionsgüterexporten hatte sich zuletzt bereits abgezeichnet, da sich die Ka- 74 pazitätsauslastung in den Abnehmerländern in 72 den vergangenen Quartalen – wenn auch auf 70 niedrigem Niveau – stabilisiert hatte (Abbil- dung 15).8 Die Konsumgüterexporte expandier- ten dagegen nur wenig und die Lieferungen von Quartalsdaten. Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe in 37 Ländern, gewichtet mit Anteilen am deutschen Export; horizon- Vorleistungsgütern gingen sogar leicht zurück. tale Linie: Durchschnitt von 1991 bis 2007. Sie sind bereits seit einiger Zeit in der Tendenz Quelle: Jannsen und Richter (2012); nationale Quellen. seitwärts gerichtet. ____________________ 7 Zu möglichen Ursachen für diese Entwicklung vgl. Eine Reihe von Frühindikatoren war zuletzt Jannsen und Kooths (2012). aufwärtsgerichtet und deutet für die zweite 8 Für den Zusammenhang zwischen der Kapazitäts- Jahreshälfte auf einen robusten Anstieg der Ex- auslastung in den Abnehmerländern und den deut- schen Investitionsgüterexporten vgl. Jannsen und porte hin. So haben sich Exporterwartungen auf Richter (2012). recht hohem Niveau zuletzt wieder aufgehellt 14
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf (Abbildung 16). Auch die Unternehmenszu- Abbildung 16: versicht in den Abnehmerländern ist seit Jah- Exportindikatoren 1992–2013 resbeginn wieder deutlich aufwärtsgerichtet. 20 Prozent Index 1,5 Zudem zeichnete sich zuletzt bei der Kapazitäts- 1,0 15 auslastung in den Abnehmerländern eine 0,5 Trendwende ab, wovon insbesondere die Inves- 10 0,0 titionsgüterexporte profitieren dürften, die 5 -0,5 mehr als 40 Prozent der gesamten Warenaus- 0 -1,0 fuhren ausmachen. Schließlich zogen die Auf- -1,5 -5 tragseingänge aus dem Ausland im zweiten -2,0 Exporte Unternehmenszuversicht Quartal merklich an. Allerdings dürfte die Ex- -10 (rechte Skala) -2,5 pansion der Ausfuhren in der zweiten Jahres- -15 -3,0 hälfte wohl etwas verhaltener ausfallen als im -20 -3,5 zweiten Quartal. So befinden sich einige der 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 Frühindikatoren, wie die Unternehmenszuver- sicht und die Kapazitätsauslastung im Ausland, Prozent Index 10 30 nach wie vor auf einem recht niedrigen Niveau. Industrieproduktion im Ausland Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hat sich vor 5 20 allem aufgrund der Aufwertung des Euro zuletzt 10 etwas verschlechtert, wenngleich sie sich nach 0 wie vor auf einem sehr hohen Niveau befindet. 0 -5 Zudem war die Konjunktur in den Abnehmer- -10 ländern bis zuletzt noch recht verhalten und -10 Exporterwartungen (rechte Skala) -20 dürfte unserer Prognose zufolge erst gegen Jah- resende wieder anziehen (Gern et al. 2013). -15 -30 Schließlich gingen die nominalen Warenausfuh- -20 -40 ren im Juli zurück und liegen unterhalb ihres 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 Niveaus vom zweiten Quartal. Alles in allem dürften die Exporte im dritten Quartal mit einer Prozent Auslandsaufträge Prozent 40 10 laufenden Jahresrate von rund 4,5 Prozent zule- Eingang gen. 30 0 Im kommenden Jahr dürften sich die Zu- 20 -10 wachsraten bei den Exporten mit der anziehen- 10 den Konjunktur in den Abnehmerländern wie- -20 0 der etwas beschleunigen. Maßgeblich wird un- -30 serer Prognose zufolge sein, dass die Produktion -10 in den Ländern des Euroraums mit der einset- -20 -40 zenden Erholung wieder expandieren wird, -30 Bestand (rechte Skala) -50 nachdem sie zwei Jahre lang zurückgegangen war (Abbildung 17). Auch die konjunkturelle -40 -60 1992 Dynamik in den übrigen Ländern der Europäi- Quartalsdaten; Exporte, Industrieproduktion: preisbereinigt, Verän- schen Union wird im kommenden Jahr wohl derung gegenüber dem Vorjahr; Auftragseingang: preisbereinigt, Veränderung gegenüber dem Vorquartal, Jahresrate; Auftrags- etwas anziehen. Von den Schwellenländern und bestand: Nettoanteil der Unternehmen, die über außerordentlich hohe Auftragsbestände berichten; Unternehmenszuversicht, Indus- den übrigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften trieproduktion: in 41 Ländern, gewichtet mit Anteilen am deutschen Export; Unternehmenszuversicht, Exporterwartungen, Auftragsbe- sind dagegen keine zusätzlichen Impulse zu stand (Auftragseingang): Wert für aktuelles Quartal entspricht dem erwarten. Risiken gehen neben der nach wie vor Durchschnitt der ersten beiden Monatswerte (entspricht dem ersten Monatswert) des jeweiligen Quartals. fragilen Lage im Euroraum auch von der Quelle: Deutsche Bundesbank, Saisonbereinigte Wirtschafts- Entwicklung in den Schwellenländern aus. So zahlen; Thomson Financial Datastream; ifo, Konjunktur- würde ein konjunktureller Einbruch in China perspektiven; eigene Berechnungen. 15
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 Abbildung 17: Im kommenden Jahr wird sich die Dynamik Deutsche Exportmärkte 2011–2014 bei den Importen voraussichtlich wieder erhö- 3,0 Prozent, Rest der Welt hen, vor allem weil der Investitionsaufschwung Prozentpunkte Schwellenländer in Deutschland aller Voraussicht nach Tritt fas- 2,5 sen wird. Hinzu kommt, dass der Bedarf an im- Andere Industrieländer EU ex Euroaum portierten Vorleistungsgütern mit dem Anzie- 2,0 Euroraum hen der Exporte zunehmen dürfte. Insgesamt rechnen wir für das Jahr 2014 mit einem An- 1,5 Total stieg der Importe von rund 7 Prozent. Vor diesem Hintergrund wird der Außenhan- 1,0 del im kommenden Jahr rein rechnerisch na- 0,5 hezu neutral auf die Produktion in Deutschland wirken, nachdem er im laufenden Jahr einen 0,0 leicht negativen Expansionsbeitrag aufweist. Der nominale Außenhandelsüberschuss nimmt -0,5 jedoch mit 5 Prozent in diesem und 7 Prozent 2011 2012 2013 2014 im nächsten Jahr merklich zu, was insbesondere Jahresdaten, preisbereinigt. Bruttoinlandsprodukt in 59 Ländern, auf Preiseffekte zurückzuführen ist. Der Über- gewichtet mit Anteilen am deutschen Export, Veränderung gegen- über Vorjahr. schuss in der Leistungsbilanz wird sich unserer Prognose zufolge sowohl in diesem als auch im Quelle: Statistisches Bundesamt; nationale Quellen; 2013 und 2014: Prognose des IfW. kommenden Jahr leicht erhöhen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt ergibt sich im lau- die Ausfuhren belasten (Kasten 2). Alles in fenden Jahr ein Leistungsbilanzüberschuss von allem werden die Exporte im laufenden Jahr 7,1 Prozent nach 7 Prozent im vergangenen voraussichtlich um 1 Prozent zulegen. Für das Jahr. Im nächsten Jahr wird der Überschuss bei kommende Jahr rechnen wir mit einem Anstieg 7,2 Prozent liegen. Damit wird der Leistungs- um 6,4 Prozent.9 bilanzüberschuss für die Jahre 2013 und 2014 Auch die Importe werden in der zweiten Jah- im Durchschnitt der jeweils zurückliegenden reshälfte wohl in einem etwas langsameren drei Jahre über dem Grenzwert von 6 Prozent Tempo zulegen als im zweiten Quartal. So liegen, der im Verfahren bei makroökono- dürften mit der voraussichtlich etwas geringe- mischen Ungleichgewichten von der Europä- ren Dynamik beim privaten Konsum und bei ischen Kommission festgelegt ist.10 Allerdings den Exporten die Zulieferungen recht verhalten kann ein Land nicht ausschließlich in Folge expandieren. Zudem sind von den Ausrüs- eines Leistungsbilanzüberschusses Gegenstand tungsinvestitionen in diesem Jahr noch keine eines Verfahrens werden oder gar sanktioniert zusätzlichen Impulse für die Nachfrage nach werden. ausländischen Investitionsgütern zu erwarten. Die Importpreise sind im zweiten Quartal mit Für das dritte Quartal rechnen wir mit einem einer laufenden Jahresrate von rund 3 Prozent Anstieg der Importe von rund 6 Prozent. Darauf in ähnlichem Tempo gesunken wie im ersten deuten die bereits vorliegenden Werte für die Quartal. Maßgeblich waren die Preisrückgänge monatlichen Wareneinfuhren hin. Im Gesamt- für Energieträger und sonstige Rohstoffe. In der jahr 2013 werden die Einfuhren wohl um 1,8 zweiten Jahreshälfte dürften die Preise für Ein- Prozent zulegen. fuhren weiter rückläufig sein. Zwar verteuerten sich Rohöl und andere Energieträger wohl auch ____________________ ____________________ 9 Die deutliche Aufwärtsrevision unserer Prognose 10 Auch im Jahr 2012, das für das Verfahren bei ma- für das laufende Jahr um mehr als 1 Prozentpunkt ist kroökonomischen Ungleichgewichten für das Jahr im Wesentlichen auf die für die vergangenen Quar- 2014 relevant ist, hat Deutschland den Grenzwert von tale vorgenommen Revisionen zurückzuführen. 6 Prozent bereits deutlich überschritten. 16
Deutschland: Konjunktur nimmt allmählich Fahrt auf Kasten 2: Deutsche Warenausfuhren nach China Die Bedeutung Chinas nimmt für den deut- Abbildung K2-1: schen Außenhandel wie für den gesamten Deutsche Ausfuhren nach China 2000–2013 Welthandel seit geraumer Zeit zu. Im Jahr 2012 war China hinter Frankreich, den 7 Prozent Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Kö- nigreich und den Niederlanden der fünft- 6 wichtigste Absatzmarkt für deutsche Ex- porteure; mehr als 6 Prozent der deut- 5 schen Ausfuhren wurden nach China ge- liefert.a Zuletzt tendierten die Ausfuhren 4 nach China jedoch schwach. Beginnend mit dem dritten Quartal 2012 nahmen die no- 3 minalen Warenausfuhren drei Quartale in Anteil an Folge ab; im Zuge dessen ging auch der 2 chinesischen Anteil an den gesamten deutschen Ausfuh- Einfuhren ren zurück (Abbildung K2-1). Erst im zwei- 1 Anteil an ten Quartal des laufenden Jahres zogen deutschen Ausfuhren die Lieferungen nach China wieder an. 0 2000 2003 2006 2009 2012 Ursachen für die Schwäche der Ausfuh- ren nach China dürfte gewesen sein, dass Quartalsdaten; Warenaus- und einfuhren. die Konjunktur dort seit der Jahresmitte Quelle: Deustche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik; 2012 deutlich an Fahrt verloren hat und IMF, International Financial Statistics; eigene Berech- dass der Euro gegenüber dem Renminbi nungen. gegen Mitte des vergangenen Jahres mer- klich aufwertete. Bemerkenswert ist, dass sich die deutschen Ausfuhren nach China Abbildung K2-2: über einen längeren Zeitraum schwächer Deutsche Ausfuhren nach Gütergruppen 2012 entwickelten als die nominalen Warenein- fuhren Chinas, so dass die deutschen Ex- 100 Prozent porteure in diesem Zeitraum Marktanteile 90 in China verloren haben. Der Marktanteil der deutschen Exporteure befindet sich be- 80 reits seit einiger Zeit unter seinem länger- 70 fristigen Durchschnitt. 60 Nach Gütergruppen betrachtet ist China insbesondere für die deutschen Exporteure 50 Kosumgüter von Investitionsgütern ein wichtiger Ab- 40 satzmarkt. So waren im Jahr 2012 knapp Investitionsgüter 30 67 Prozent der Warenausfuhren nach China Investitionsgüter (Abbildung K2-2). 20 Vorleistungsgüter Der Anteil der Vorleistungsgüter lag bei 10 Rest 24,4 Prozent, während auf Konsumgüter 0 lediglich 5 Prozent entfielen. Der Anteil der Gesamt China Investitionsgüter im deutschen Exportge- schäft mit China ist überdurchschnittlich Jahresdaten; Anteile an den Warenausfuhren. hoch (im Jahr 2012 lag er bei 44 Prozent). Quelle: Statistisches Bundeamt Insgesamt machten die Investitionsgüter- exporte nach China rund 9 Prozent der ge- samten Investitionsgüterausfuhren aus, der Anteil an den gesamten Vorleistungsgüter- exporten betrug knapp 5 Prozent. 17
Institut für Weltwirtschaft – Prognose Herbst 2013 Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen den nominalen Warenausfuhren nach China ch ( ex t ) mit der Produktion in China ( y t ) und der Wechselkursentwicklung (Euro zu Renminbi) ( wk t ) zwischen 1980 und 2012 empirisch untersucht. Auf dieser Grundlage kann dann abgeschätzt werden, wie sich eine schwächere wirtschaftliche Dynamik in China auf die deutschen Ausfuhren nach China auswirkt.b Statistische Tests deuten darauf hin, dass zwischen den drei Variablen eine Kointe- grationsbeziehung besteht. Für die Spezifikation der Schätzgleichung verwenden wir ein Modell- selektionsverfahren, das sequentiell Regressoren löscht, bis alle verbliebenen Regressoren ein Signifikanzniveau von mindestens 5 Prozent aufweisen.c Es ergibt sich folgender Fehlerkorrekturterm für das Modell:d ext deterministischeTerme 0,3 ext 1 1,5 ytch1 0,4 wkt 1 Kurzfristdynamik ( 6, 2 ) (16,8 ) ( 2 , 3) Die Ergebnisse für die Kointegrationsbezie- hung zeigen, dass sich mit einem Anstieg des Abbildung K2-3: Bruttoinlandsprodukts in China um 1 Prozent Szenarien für die deutschen Ausfuhren nach China die deutschen nominalen Warenausfuhren 2013–2018 nach China langfristig um 1,5 Prozent erhö- Zuwachsrate hen. Eine Aufwertung des Euro gegenüber Prozentpunkte dem Renminbi um 1 Prozent geht langfristig 20 mit einem Rückgang um 0,4 Prozent einher. 15 Der Anpassungskoeffizient beträgt 0,3, d.h. bei Abweichungen von der Kointegrationsbezie- 10 hung passen sich die deutschen Ausfuhren 5 nach China innerhalb von zwei Quartalen um 0 rund die Hälfte an diese Abweichung an. Wir vergleichen das Szenario einer kon- -5 junkturellen Abschwächung in China und das Rezession -10 Szenario einer Abschwächung des Wachs- Geringes tums in China mit einem Referenzszenario, in -15 Wachstum dem das Bruttoinlandsprodukt in China mit ei- -20 ner laufenden Jahresrate von 7 Prozent ex- 2013:03 2014:03 2015:03 2016:03 2017:03 2018:03 pandiert. Von Wechselkursschwankungen se- Niveau hen wir für die Simulationen ab. Im Szenario Prozent einer Konjunkturschwäche unterstellen wir, 0 dass das Bruttoinlandsprodukt für vier Quar- tale annualisiert nur um 4 Prozent zulegt. In -5 der Folge würde die Zuwachsrate der deut- schen Ausfuhren für sechs Quartale um bis zu -10 18 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Langfris- tig wären die Ausfuhren im Niveau um knapp 5 Prozent niedriger (Abbildung K2-3). Für das -15 Szenario eines geringeren Wachstums unter- stellen wir, dass das Bruttoinlandsprodukt -20 Rezession dauerhaft lediglich mit 5 Prozent expandiert. In diesem Szenario würde die Zuwachsrate der -25 Geringes deutschen Ausfuhren nach China zunächst um Wachstum bis zu 13 Prozentpunkte zurückgehen; lang- -30 fristig würde die Zuwachsrate um mehr als 3 2013:032014:032015:032016:032017:032018:03 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Am Ende Quartalsdaten; Zuwachsrate: laufende Jahresrate; Abweichungen des Jahres 2018 wären die deutschen Aus- von einer Basisprognose bei einem BIP-Zuwachs von 7 Prozent im Quartal; Rezession: BIP-Zuwachs für 4 Quartale bei 4 Prozent; fuhren um mehr als 20 Prozent niedriger als im geringes Wachstum: BIP-Zuwachs dauerhaft bei 5 Prozent. Referenzszenario. Quelle: Abeysinghe (2008); Deutsche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik; International Financial Statistics; National Bureau of Statistics China; eigene Berechnungen. 18
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