Deutschland auf dem Weg zur Circular Economy - Erkenntnisse aus europäischen Strategien Vorstudie Thomas Weber und Martin Stuchtey (Hrsg.) - Acatech

 
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Deutschland auf
dem Weg zur
Circular Economy
Erkenntnisse aus europäischen Strategien
Vorstudie

Thomas Weber und Martin Stuchtey (Hrsg.)
Deutschland auf
dem Weg zur
Circular Economy
Erkenntnisse aus europäischen Strategien
Vorstudie

Thomas Weber und Martin Stuchtey (Hrsg.)
Inhalt
Vorwort                                                                                    4

Zusammenfassung                                                                            5

Projekt                                                                                    8

1 Einführung                                                                              10

2 Circular Economy – Wirtschaftswachstum entkoppelt von Ressourcenverbrauch               11
   2.1    Handlungsbedarf und konzeptionelles Umfeld der Circular Economy                 11
   2.2    Entwicklung der Circular Economy in Europa                                      15
   2.3    Potenziale einer ambitionierten Transformation nach zirkulären Grundsätzen      16
   2.4    Hürden für eine Circular Economy                                                17
   2.5    Zusammenfassung                                                                 20

3 Blick nach innen: Relevanz der Circular Economy für Deutschland                         21

4 Blick nach außen: Nationale Aktivitäten zur Circular Economy in Europa                  25
   4.1      Vorgehensweise und Methodik                                                   25
   4.2      Grundmotivation für einen Systemwandel                                        27
   4.3      Impulsgeber und Treiber der Transformation                                    28
   4.4      Zielsystem                                                                    30
            4.4.1 Zielformulierung und Indikatoren                                        30
            4.4.2 Themenwahl und Schwerpunktsetzung                                       34
   4.5      Einbindung von Interessensgruppen                                             36
   4.6      Maßnahmen für die Umsetzung                                                   38
            4.6.1 Privatwirtschaftliche Mobilisierung                                     39
            4.6.2 Gesellschaftliche Mobilisierung                                         41
            4.6.3 Wissenschaft und Forschung                                              43
   4.7      Zusammenfassung                                                               44

5 Zusammenfassung und nächste Schritte:
  Gestaltungsmöglichkeiten für den Übergang Deutschlands zu einer zirkulären Wirtschaft   45

6 Anhang                                                                                  48
   6.1      Beispiele für den Einsatz ressourcenpolitischer Instrumente                   48
   6.2      Liste der Publikationen und Interviewpartnerinnen und -partner                52

Abbildungsverzeichnis                                                                     54

Literatur                                                                                 55
Basis für die Diskussionen und geplanten Analysen der Circular
Vorwort                                                               Economy Initiative Deutschland.

                                                                      Diese Grundlagenarbeit wurde unter Federführung von acatech
Die Vorstudie „Deutschland auf dem Weg zur Circular Economy“          – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Vizepräsident
erscheint mit Gründung der Circular Economy Initiative Deutsch-       Thomas Weber und Team der Geschäftsstelle Circular Economy
land. Die Initiative unter Federführung von acatech – Deutsche        Initiative Deutschland) in Kooperation mit SYSTEMIQ (Martin
Akademie der Technikwissenschaften wird vom Bundesministerium         Stuchtey und dem Material-Platform-Team) durchgeführt. acatech
für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Circular Eco-         bringt als unabhängige und gemeinwohlorientierte Organisation
nomy Initiative Deutschland will den Dialog anstoßen, wie eine        Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu technikwissen-
systemische Trendwende vom linearen zum zirkulären Wirtschaften       schaftlichen und technologiepolitischen Zukunftsfragen zusam-
gelingen kann. Dabei sollen in unterschiedlichen Arbeitsgruppen       men. Im Rahmen des Zwei-Säulen-Modells von acatech vereint
konkrete Umsetzungsmöglichkeiten zirkulären Wirtschaftens und         die Akademie die Expertise von herausragenden Wissenschaft-
Lösungen für vorherrschende Barrieren erarbeitet werden. Zudem        lerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher fachlicher Dis-
strebt die Initiative an, die Potenziale einer Circular Economy für   ziplinen mit dem Fachwissen von Vertretern technologieorien-
Deutschland genauer zu beziffern. Ziel der Initiative ist die Ent-    tierter Unternehmen und Vereinigungen. Gegründet als B-Cor-
wicklung einer Roadmap, die darlegt, wie der Wandel Deutsch-          poration versteht sich SYSTEMIQ als Katalysator guter
lands hin zu einer Circular Economy gestaltet werden kann.            Disruptionen in kritischen Wirtschaftssystemen, um die Errei-
                                                                      chung des 1,5-Grad-Ziels von Paris und der UN-Nachhaltigkeits-
Um den Start der Circular Economy Initiative Deutschland best-        ziele zu ermöglichen. Hierzu mobilisiert und unterstützt SYSTEMIQ
möglich und zielgerichtet zu begleiten, wurden in der vorliegenden    Koalitionen, berät Pioniere aus Wirtschaft und Politik, investiert
Vorstudie wichtige Bedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung        in vielversprechende Lösungen und gründet selbst Unternehmen,
analysiert und diskutiert. Die Vorstudie baut auf den Erfahrungen     um Marktlücken zu füllen.
europäischer Länder auf, die durch die Entwicklung von Roadmaps
oder vergleichbaren Circular-Economy-Strategien bereits die Trans-    Wir danken der Stiftung Mercator und der European Climate
formation hin zu einer Circular Economy angestoßen haben. Die         Foundation, die mit ihrer Förderung diese Vorstudie möglich ge-
Lernerfahrungen und Best Practices dieser Länder wurden unter-        macht haben. Beide Stiftungen haben damit umfassend zum Er-
sucht und ihre Übertragbarkeit auf den deutschen Kontext aus-         kenntnisgewinn, wie der Wandel hin zu einer Circular Economy
gewertet. In diesem Sinne bildet diese Vorstudie eine umfassende      gestaltet werden kann, beigetragen.

Prof. Dr.-Ing. Thomas Weber                                           Prof. Dr. Martin R. Stuchtey
Vizepräsident acatech –                                               Gründer und geschäftsführender Partner SYSTEMIQ
Deutsche Akademie der Technikwissenschaften

4
Zusammenfassung

                                                                     Gleichzeitig stehen der erfolgreichen Transformation hin zu einem
Zusammenfassung                                                      zirkulären Wirtschaften auch Hindernisse entgegen. Diese finden
                                                                     sich auf nahezu allen Ebenen und bedingen sich oft gegenseitig.
                                                                     Dazu gehören fiskalische Barrieren genauso wie operationale und
Die Europäische Union und zahlreiche Mitgliedsländer haben           technische Herausforderungen auf Unternehmensebene.
strategische Pläne für einen Übergang zu einer ressourcenscho-
nenden Wirtschaftsweise nach den Prinzipien der Circular Eco-        Von der Prämisse ausgehend, dass eine Circular Economy auch in
nomy entwickelt. Auch außerhalb von Europa folgen Länder dieser      Deutschland ein Mittel sein kann, um ökologische Ziele mit Pro-
Leitidee, beispielsweise China, Japan oder Kanada. Für Deutsch-      duktivitätsfortschritt, Innovationsleistung, Wettbewerbsfähigkeit
land fehlt solch ein Plan derzeit.                                   und Beschäftigung zu vereinen, besteht Handlungsbedarf. Deutsch-
                                                                     land muss ressourcenentkoppeltes Wachstum basierend auf be-
Diese Vorstudie leistet einen Beitrag zur beginnenden öffentlichen   stehenden Kompetenzen und strukturellen Stärken zu einem in-
Debatte zum Thema Circular Economy in Deutschland. Ermöglicht        ternationalen Wettbewerbsvorteil machen. Im Vergleich zu einigen
durch die Förderung der Stiftung Mercator und der European Cli-      anderen europäischen Ländern steht die Diskussion dazu in
mate Foundation schafft diese Publikation die Grundlage für die      Deutschland noch am Anfang. Zwar gibt es bereits wichtige poli-
von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften –          tische Instrumente, die den Übergang zu einer Circular Economy
und SYSTEMIQ initiierte Circular Economy Initiative Deutschland.     gezielt unterstützen, eine zunehmende Zahl von Initiativen und
                                                                     Akteuren, die sich mit dem Thema beschäftigen, sowie eine um-
Ausgestattet mit einem politischen Mandat und einer Förderung        fassende öffentliche Förderstrategie. Was nach wie vor fehlt, ist
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat          ein einheitliches, gesamtgesellschaftliches Zielbild für den Über-
die Initiative Anfang 2019 ihre Arbeit aufgenommen. Sie bringt       gang zur Circular Economy, welches die Grundmotivation für den
Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftliche Akteure zusammen,     Systemwandel beschreibt, dabei an bestehende politische Ziele
um ein gemeinsames Zielbild für die Circular Economy in Deutsch-     anderer Politikfelder anknüpft, sowie ein Narrativ entwickelt, das
land zu entwickeln, konkrete Anwendungsfälle zu untersuchen          die übergreifende Relevanz der Circular Economy betont.
und deren Umsetzung zu unterstützen sowie förderliche Rahmen-
bedingungen zu identifizieren.                                       Dieses Papier soll einen ersten Impuls für die Diskussion zu diesem
                                                                     Zielbild liefern. Es entwickelt im Folgenden Vorschläge dafür, wie
Die von acatech und SYSTEMIQ durchgeführten Literaturanalysen        dieses Zielbild systematisch gemeinsam mit allen relevanten Inte-
und Expertenbefragungen konsolidieren die Erfahrungen euro-          ressengruppen entwickelt und umgesetzt werden kann. Diese Vor-
päischer Länder, die bereits Roadmaps oder vergleichbare Circu-      schläge sollen dann in den Arbeitsgruppen der Circular Economy
lar-Economy-Strategien entwickelt haben. Die daraus abgeleiteten     Initiative Deutschland vertieft und als Ergebnis der Initiative eine
Erkenntnisse bilden somit die Basis für die tiefergehenden Ana-      Circular-Economy-Roadmap für Deutschland entwickelt werden.
lysen und Diskussionen der Circular Economy Initiative Deutsch-
land.                                                                Circular-Economy-Strategien in europäischen Ländern

Circular Economy in Deutschland                                      Eine Reihe europäischer Länder hat bereits Circular-Economy-
                                                                     Roadmaps und -Strategien entwickelt und teilweise schon imple-
Die Circular Economy, das heißt eine systemisch gedachte und         mentiert. Die Analyse dieser Circular-Economy-Roadmaps und
ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft, wird zunehmend als ein     -Strategien sowie Experteninterviews mit den verantwortlichen
wichtiges Konzept wahrgenommen, mit dem ökologische und              politischen Akteuren bilden die Grundlage für diese Vorstudie.
ökonomische Ziele in Einklang gebracht werden können. Der Dis-
kurs zu ihren Potenzialen hat allerdings gerade erst begonnen –
in der Politik, bei Unternehmen, in der Wissenschaft und in der          Liste der analysierten Länder/Regionen:
Zivilgesellschaft. Erste Berechnungen zeigen beachtenswerte po-          - Dänemark                 - Finnland
sitive Potenziale durch die Umsetzung einer Circular Economy             - Frankreich               - Italien
auf, diese sind aber noch nicht umfassend wissenschaftlich un-           - England – London         - Luxemburg
termauert. So sollen in Europa bis zu 50 Prozent der Emissionen          - Niederlande              - Niederlande – Friesland
in materialintensiven Industrien und Wertschöpfungsketten re-            - Portugal                 - Schottland
duziert oder gesamtgesellschaftliche Nettogewinne von 900 Mil-           - Slowakei                 - Slowenien
liarden Euro pro Jahr bis 2030 erzielt werden können.

                                                                                                                                       5
Die Ergebnisse der Analyse wurden vom Autorenteam in Kapitel 4             unterschiedliche nationale Ziele in einer Circular-Economy-
in Form von 24 wesentlichen Erkenntnissen zusammengefasst                  Strategie zu harmonisieren.
und zeigen:
                                                                       n   Die Einbindung in bereits bestehende Aktivitäten sowie
n   Impulsgeber für die Veränderung kamen aus unterschiedlichen            einer breiten Basis an Stakeholdern wurde von allen Län-
    Bereichen der Gesellschaft. So waren es beispielsweise in              dern als wichtig erkannt, um ein Momentum zu generieren
    den Niederlanden das Parlament, in Slowenien eine gemein-              und Ressourcen sinnvoll zu nutzen. In fast allen Ländern wur-
    nützige Organisation und in Luxemburg einzelne Unternehmen,            den die Unternehmen sowohl als Treiber als auch als wich-
    die an das Wirtschaftsministerium herantraten. Bei der Erar-           tigster Adressat integriert. Die Wissenschaft wurde vor allem
    beitung der Länderstrategien auf politischer Ebene gab es              zur Untersuchung bestimmter Fragestellungen eingebunden.
    oft einen Schulterschluss verschiedener Ministerien, der dem           Einige Länder haben aktiv Vertreterinnen und Vertreter der
    Querschnittscharakter der Circular Economy gerecht wird.               Zivilgesellschaft eingebunden, beispielsweise über Multi-Sta-
                                                                           keholder-Workshops und Arbeitsgruppen (Frankreich, Slowe-
n   Die Motivation für den Wandel hin zu einer Circular Economy            nien und Luxemburg). Zwar gestaltete es sich aufwendig,
    ist das Erreichen verschiedener nationaler und internationaler         konkrete Rückschlüsse für die Strategie aus den Prozessen ab-
    Zielsetzungen wie Wettbewerbsfähigkeit, Ressourcenunab-                zuleiten, die Einbindung hatte dennoch aufklärend-bildenden
    hängigkeit, Klimaschutz etc. Im Fokus stehen dabei vor allem           Charakter.
    ökonomische Ziele. Circular Economy ist somit kein Selbst-
    zweck, sondern ein Mittel, um übergeordnete Ziele zu errei-        n   Das enge Zusammenspiel von nationalen und regionalen
    chen.                                                                  Regierungen spielte in vielen Ländern eine Rolle. So konnten
                                                                           regionale Unterschiede besser berücksichtigt werden.
n   Durch die Anknüpfung der Circular Economy an übergeord-
    nete Ziele hat mit Ausnahme der Niederlande keines der Län-        n   Die in den Strategien definierten Maßnahmen nutzen ver-
    der ein eigenes dezidiertes Zirkularitätsziel bestimmt.                schiedene ressourcenpolitische Instrumente: belastende
    Innerhalb der übergeordneten Ziele verwendeten die Länder              ökonomische Anreize, belohnende ökonomische Anreize,
    dennoch Indikatoren zur Messung der Auswirkungen von Cir-              ordnungsrechtliche Instrumente, Informationsinstrumente,
    cular-Economy-relevanten Maßnahmen. Es besteht Einigkeit               sowie Bildung und Forschung. Obgleich eine Vielzahl von
    darüber, dass die genutzten Indikatoren nicht ausreichen,              Maßnahmen bereits umgesetzt wird, kann deren umfassende
    um die Auswirkung von Maßnahmen zu messen, die den                     Wirkung noch nicht abgeschätzt werden.
    Übergang zu einer Circular Economy unterstützen sollen. Eine
    Weiterentwicklung wird unter Einbeziehung des EU Monito-           n   Entsprechend dem gesamtgesellschaftlichen Charakter der
    ring Frameworks angestrebt.                                            Circular Economy richten sich die Maßnahmen an Unterneh-
                                                                           men, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Mit Blick auf die
n   In der Analyse der Länderstrategien stechen zwei Arten von             Unternehmen stehen das Setzen von Anreizen und eine ge-
    Strategien hervor. Einige sind sehr allgemein formuliert und           genseitige Vernetzung oft im Vordergrund. Die Wissenschaft
    haben zum Ziel, ein gemeinsames Verständnis von Circular               wird bei der Untersuchung Circular-Economy-relevanter Fra-
    Economy zu schaffen (inklusiver, nicht verpflichtender An-             gestellungen gezielt gefördert. Dagegen adressieren viele Ro-
    satz). Andere deklinieren detailliert die Wirkungskette von Zir-       admaps die Verantwortung der Konsumierenden überhaupt
    kularitätshebeln durch und leiteten sehr konkrete Aktivitäten          nicht (Dänemark), andere ziehen sie klar in die Verantwor-
    ab (expliziter Ansatz). Die Wahl der Art der jeweiligen Strate-        tung (Italien, Frankreich).
    gie ist stark von bereits existierenden Circular-Economy-Akti-
    vitäten abhängig.                                                  Schlussfolgerungen für eine
                                                                       Circular Economy Initiative in Deutschland
n   Fokusthemen wurden in der Regel nicht systematisch aus ei-
    ner wissenschaftlich fundierten Gesamtbetrachtung von              Basierend auf der Analyse der Erfahrungen anderer Länder und
    Potenzialen und Möglichkeiten abgeleitet, sondern folgten          den daraus gewonnenen wesentlichen Erkenntnissen leiten sich
    aktuellen politischen Zielsetzungen (beispielsweise hundert-       für eine Circular-Economy-Strategie für Deutschland wertvolle Leh-
    prozentige Recyclingquote für Plastikmüll in Frankreich), stra-    ren ab, die in Kapitel 4 in Form von Textboxen hervorgehoben
    tegischer Relevanz für den Wirtschaftsstandort (beispiels-         werden. Für das abschließende Kapitel 5 wurden diese Erkennt-
    weise Forstwirtschaft in Finnland) oder erhoben den Anspruch,      nisse und Ableitungen vom Autorenteam in Form von zehn Thesen

6
Zusammenfassung

                         Warum –
                         Grundmotivation für Systemwandel
                         Ein konkretes, gemeinsames Zielbild für die Circular Economy als Mittel zur
                         Erreichung wichtiger gesellschaftlicher Ziele entwickeln

                                                                                                          Wohin –
                                                      Wie – Maßnahmen                                     Das Zielsystem
                                                      für die Umsetzung
                                                                                                          Ein konsistentes Ziel-
                                                 Konkrete Maßnahmen anstoßen, um                          und Indikatorensystem
    Wer –                                   Geschäftsmodelle und Technologien zu befördern                zur Steuerung und
    Impulsgeber                                                                                           Nachverfolgung
                                             „Circular Clusters“ initiieren, in denen besonders           aufbauen
    und Treiber der                       relevante Zukunftsfelder fokussiert entwickelt werden
    Transformation                                                                                        Systematisch konkrete
                                          Eine Bildungsinitiative starten, um die Kerngedanken            Lösungsvorschläge
    Eine unabhängige                      der Circular Economy und den systemischen Betrach-              zu Barrieren und
    operative Einheit                       tungsansatz in relevanten Curricula zu verankern              Anreizen für die Circular
    etablieren, die
                                                                                                          Economy erarbeiten
    ressort- und                              Deutschland in der EU und international als
    politikübergreifend                             Vorreiter der Circular Economy                        Eine nationale Circular
    die Circular Economy                                     positionieren                                Economy Roadmap
    in Deutschland
                                                                                                          basierend auf Zielbild
    vorantreibt
                                                                                                          und Zielsystem
                                                                                                            entwickeln
                                  Mit wem –
                                  Einbindung von Interessengruppen
                                  Einen sektorübergreifenden vorwettbewerblichen Raum
                                  etablieren, in dem offen Informationen ausgetauscht, Kooperationen
                                  angestoßen und (Industrie-)Standards definiert werden

Abbildung 1: Gestaltungsmöglichkeiten für den Übergang zu einer Circular Economy in Deutschland (Quelle: eigene Darstellung)

ausformuliert, die als Grundlage für den weiteren Diskurs hin zu      vertiefend untersuchen wird. Ausgestattet mit einem politischen
einer nationalen Circular-Economy-Strategie gesehen werden kön-       Mandat bindet die Initiative Wirtschaft, Wissenschaft und ge-
nen. Die zehn Thesen sind in Abbildung 1 grafisch dargestellt.        sellschaftliche Akteure ein, um ein gemeinsames Zielbild für
                                                                      Deutschland zu entwickeln, konkrete Anwendungsfälle zu unter-
Diese Vorstudie leistet einen Beitrag zur beginnenden öffentlichen    suchen und deren Umsetzung zu unterstützen sowie förderliche
Debatte zum Thema Circular Economy in Deutschland. Konkret            Rahmenbedingungen zu identifizieren. Die Circular Economy Ini-
bildet sie die Diskussionsbasis für die Circular Economy Initiative   tiative Deutschland ist vom Bundesministerium für Bildung und
Deutschland, die im Rahmen ihrer Arbeit diese Erkenntnisse auf-       Forschung gefördert und wird unter der Federführung von acatech
greifen und einzelne Elemente in den geplanten Arbeitsgruppen         und in Kooperation mit SYSTEMIQ durchgeführt.

                                                                                                                                      7
Projekt

Herausgeber                                                        Expertenkreis
–   Prof. Dr.-Ing. Thomas Weber, acatech                           –   Ann-Kathrin Denker, Interseroh
–   Prof. Dr. Martin Stuchtey, SYSTEMIQ                            –   Dr. Ralph Detsch, Siegwerk
                                                                   –   Dr. Christian Hagelüken, Umicore
                                                                   –   Jürgen Hilsenbeck, Daimler
Interviewpartnerinnen und -partner                                 –   Dr. Martin Hirschnitz-Garbers, Ecologic Institut
                                                                   –   Justus Kammüller, WWF
–   Tobias Beck, Ministry of Environment and Food of Denmark       –   Prof. Dr. Claus Lang-Koetz, Hochschule Pforzheim
–   Barbora Bondorová, Ministry of Environment                     –   Miriam Lassernig, Reverse Logistics Group
    of the Slovak Republic                                         –   Dr. Thorsten Leopold, Henkel
–   Sander Bos, Innovatiepact Fryslân                              –   Ulrike Linnig, Climate-KiC
–   Callum Blackburn, Zero Waste Scotland                          –   Ursula Mathar, BMW
–   Milan Chrenko, Ministry of Environment                         –   Sybilla Merian, Interseroh
    of the Slovak Republic                                         –   Tom Ohlendorf, WWF
–   Dr. Inês Costa, Ministry of Environment and Energy             –   Dr. Carsten Polenz, SAP
    Transition of Portugal                                         –   Prof. Dr. Armin Reller, Universität Augsburg
–   Stuart Ferguson, London Waste and Recycling Board              –   Charlotte Ruhbaum, Stiftung Mercator
–   Alexandra Ferreira de Carvalho, Ministry of Environment        –   Prof. Dr. Mario Schmidt, Hochschule Pforzheim
    and Energy Transition of Portugal                              –   Dr. Fabian Schneider, Clariant
–   Ladeja Godina Košir, Circular Change in Slovenia               –   Natalie Schnelle, SAP
–   Ian Gulland, Zero Waste Scotland                               –   Magnus Schulz, Daimler
–   Tjitske IJpma, Ministry of Infrastructure and Water            –   Rebecca Tauer, WWF
    Management of the Netherlands                                  –   Dr. Dieter Vollkommer, Siemens
–   Laura Järvinen, Finnish Innovation Fund Sitra                  –   Wassilij Weber, Interseroh
–   Niko Korpar, Circular Change in Slovenia                       –   Prof. Dr.-Ing. Friedrich-Wilhelm Wellmer, ehemals
–   Michael Lenaghan, Zero Waste Scotland                              Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
–   Leena-Kaisa Piekkari, Ministry of the Environment              –   Dr. Henning Wilts, Wuppertal Institut für Klima,
    of Finland                                                         Umwelt, Energie
–   Dr. Janez Potočnik, Co-Vorsitzender UNEP International        –   Simon Wolf, European Climate Foundation
    Resource Panel & ehemaliger EU-Kommissar, Partner bei
    SYSTEMIQ
–   Dr. Jeannot Schroeder, Positive ImpaKT in Luxembourg
–   Peter Skelton, WRAP Global
–   Dr. Christian Tock, Ministry of the Economy of Luxembourg
–   Marline Weber, Institut National de l’Économie Circulaire of
    France

8
Projekt

Konzeption, Texte, Interviews,            Projektlaufzeit
Projektkoordination
                                          12/2018 bis 07/2019

acatech-Geschäftsstelle
Circular Economy Initiative Deutschland   Förderung
                                          Diese Studie wurde gefördert durch

Dr. Susanne Kadner (Leitung)
Katharina Schweitzer

Dr. Sören Buttkereit
Alina Marm
Tilmann Vahle                             Die Circular Economy Initiative Deutschland wird
Ronja Wolf

                                                                                                  9
mengefasst und beschreiben wesentliche Elemente für die Ge-
1            Einführung                                                                       staltung eines Übergangs in eine Circular Economy (Kapitel 5).

Derzeit wird viel über einen Paradigmenwechsel in der Logik in-                               Die vorliegende Vorstudie dient als Wissens- und Diskussions-
dustrieller Wertschöpfung diskutiert – weg von einem ressourcen-                              grundlage für die Circular Economy Initiative Deutschland.
intensiven hin zu einem ressourcenproduktiven Modell. Für das                                 Während sich die Initiative zum Ziel gesetzt hat, konkrete Frage-
Industrie- und Exportland Deutschland stünde damit viel auf dem                               stellungen zur Umsetzung einer Circular Economy in Deutschland
Spiel, denn dieser Wechsel würde nicht weniger als eine Neuin-                                tiefgehend zu analysieren, möchte diese Vorstudie den Erfahrun-
terpretation des Modells „Made in Germany“ erfordern.                                         gen anderer Länder schon heute Raum geben. Aus der Analyse
                                                                                              der Strategien in zehn europäischen Ländern und Regionen wer-
Basierend auf der Annahme, dass eine Circular Economy der                                     den zehn Thesen für die Gestaltung des Übergangs zu einer kreis-
Schlüssel zu einer ressourcenproduktiven Wirtschaft sein kann,                                laufoptimierten Wirtschaftsweise in Deutschland abgeleitet.
bietet diese Vorstudie abgeleitet von Erfahrungen anderer euro-
päischer Länder Überlegungen an, wie Deutschland den Weg                                      Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geför-
in eine Circular Economy gestalten kann. Einleitend beleuchtet                                derte Circular Economy Initiative Deutschland möchte durch
es dafür den europäischen Kontext sowie die Ausgangssituation                                 die Einbindung von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilge-
in Deutschland (Kapitel 2 und 3). Darauf aufbauend analysiert                                 sellschaft den Dialog anstoßen, wie eine systemische Trendwende
diese Publikation relevante Aktivitäten in anderen europäischen                               vom linearen zum zirkulären Wirtschaften gelingen kann. Dabei
Ländern, um aus diesen Erfahrungen Erkenntnisse für Deutschland                               sollen in unterschiedlichen Arbeitsgruppen konkrete Umsetzungs-
abzuleiten (Kapitel 4). Hierzu wurden von Dezember 2018 bis                                   möglichkeiten zirkulären Wirtschaftens und Lösungen für vorherr-
Februar 2019 die Architekteninnen und Architekten der existie-                                schende Barrieren erarbeitet werden. Zudem strebt die Initiative
renden EU-Länder-Roadmaps1 interviewt. Die wichtigsten Erkennt-                               an, die Potenziale einer Circular Economy für Deutschland genauer
nisse dieser Analyse werden in Form von zehn Thesen zusam-                                    zu beziffern.

1 | Der Begriff „Roadmapping“ (siehe Gabler Wirtschaftslexikon), aus dem Projektmanagement kommend, stellt ein Analyseverfahren dar, in dem „Entwicklungspfade von Produkten,
    Dienstleistungen und Technologien in die Zukunft hinein analysiert, prognostiziert und visualisiert werden“. Wesentliche Elemente bilden hierbei das Zusammenführen und das Bewerten
    von Expertenwissen mit dem Ziel, konkrete Handlungsoptionen in Form einer Roadmap abzuleiten. In den untersuchten Fällen beschreiben die Roadmaps Elemente zur Gestaltung eines
    Übergangs zu einer zirkulären Wirtschaft.

10
Circular Economy

                                                                        Um die Perspektive eines Wirtschaftens innerhalb der planetaren
2             Circular Economy –                                        Grenzen konkretisieren zu können, werden in Kooperation von
                                                                        Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft derzeit sogenannte
              Wirtschaftswachstum                                       „wissenschaftsbasierte Ziele“ („Science-based Targets“) für unter-
                                                                        schiedliche lebenserhaltende Systeme der Erde entwickelt.12 Mo-
              entkoppelt von                                            mentan haben diese noch einen deutlichen Klimafokus und zielen
                                                                        darauf ab, Anstrengungen zur Reduktion von Treibhausgasen auf
              Ressourcenverbrauch                                       Unternehmens-, Sektor- oder Stadtebene in Einklang mit den Ver-
                                                                        einbarungen von Paris zu bringen und den Anstieg der globalen
                                                                        Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius ge-
2.1           Handlungsbedarf und                                       genüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen.13

              konzeptionelles Umfeld der                                Gleichzeitig verursachen wirtschaftliche Aktivitäten des Men-
              Circular Economy                                          schen weitreichende Folgen für die Umwelt und menschliche
                                                                        Gesundheit, ohne notwendigerweise planetare Grenzen zu be-
Spätestens seit der Publikation des Club of Rome zu den Grenzen         treffen. Der Abbau von Metallen und Mineralen für das fertigende
des Wachstums (1972) gibt es eine globale Debatte darüber, in-          Gewerbe in etwa hat oftmals schwere Umweltschäden und soziale
wieweit die wachsende Weltbevölkerung, der zunehmende Wohl-             Verwerfungen und Menschenrechtsverletzungen zur Folge.14, 15
stand und das damit einhergehende Konsumverhalten mit den be-           Abgesehen von diesen ethischen Erwägungen kann es auch aus
grenzten Ressourcen der Erde vereinbar sind.2 War die Diskussion        unternehmerischer und volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein,
anfangs auf die Verfügbarkeit von nicht-erneuerbaren Rohstoffen         die Abhängigkeit von kritischen Primärrohstoffen zu verringern.
beschränkt, so hat sich mittlerweile die Perspektive erweitert.         So kann beispielsweise der Einsatz von ressourceneffizienten Pro-
                                                                        duktionsverfahren und Geschäftsmodellen die Abhängigkeit von
Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass menschliche Aktivitäten        volatilen Rohstoffmärkten reduzieren. Daraus können sich für Un-
das Erdsystem destabilisieren und damit sogenannte „planetare           ternehmen Anreize ergeben, ihre Nutzung natürlicher Ressourcen
Grenzen“3 überschritten werden können. Diese Veränderungen              effizienter und unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer
manifestieren sich in Themen wie dem deutlich fortschreitenden          Auswirkungen zu managen.16
Klimawandel,4, 5 dem rasanten Verlust globaler Biodiversität6, 7
oder dem steigenden Druck auf verbleibende natürliche Landflä-          Lösungsmodelle für die skizzierten Herausforderungen nehmen
chen.8 Unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird da-         verschiedene Formen an: Viele beruhen auf dem Effizienzprinzip,
her bereits von der Epoche des Anthropozäns gesprochen9, 10, 11 –       welches zum Ziel hat, den Verbrauch von Ressourcen für die Be-
einem Erdzeitalter, in dem der Mensch entscheidende und teil-           reitstellung von Produkten oder Dienstleistungen zu minimieren.
weise irreversible Auswirkungen auf die geologischen, atmosphä-         Ein wichtiges Stichwort hier ist Rohstoffproduktivität, die als In-
rischen und biophysikalischen Prozesse des Planeten hat.                dikator für die Effizienz eines Systems genutzt wird und beschreibt,
                                                                        wie viel wirtschaftliche Wertschöpfung (BIP) pro Menge einge-
Die daraus folgenden Implikationen für die Produktivität beste-         setzter Ressourcen erzielt wurde.17
hender Wertschöpfungssysteme sind bisher nicht umfassend er-
forscht und verstanden. Dennoch lassen sich Lieferkettenunterbre-       Effizienzansätze stellen einen wichtigen ersten Schritt für die Sen-
chungen und Preisspitzen beobachten – verursacht durch extreme          kung des Ressourcenverbrauchs und die damit verbundenen
Wetterphänomene, wie sie infolge eines zunehmenden Klimawandels         negativen Umweltauswirkungen dar, indem sie den Ressourcen-
erwartet werden. Auch die vertretbare maximal nutzbare Menge            einsatz pro produzierter Einheit reduzieren. Aufbauend auf den
verschiedener Rohstoffe wird infrage gestellt, wie beispielsweise der   umfassenden Erfahrungen in der Effizienz- und Produktivitäts-
Eintrag von Stickstoff und Phosphor aus der Landwirtschaft.             steigerung sind allerdings weitere grundlegendere Maßnahmen

2 |   Vgl. Meadows et al. 1972.                                         10 |   Vgl. Crutzen 2002.
3 |   Vgl. Rockström et al. 2009.                                       11 |   Vgl. Waters et al. 2016.
4 |   Vgl. IPCC 2014.                                                   12 |   Vgl. IIASA 2019.
5 |   Vgl. IPCC 2018.                                                   13 |   Vgl. SBTi 2019.
6 |   Vgl. IPBES 2019.                                                  14 |   Vgl. Angerer et al. 2016.
7 |   Vgl. WWF 2018.                                                    15 |   Vgl. OECD 2019.
8 |   Vgl. Steffen et al. 2015.                                         16 |   Vgl. acatech et al. 2017.
9 |   Vgl. Subcommission on Quaternary Stratigraphy 2019.               17 |   Vgl. BMUB 2016.

                                                                                                                                          11
notwendig. Schließlich bleibt das tatsächliche Potenzial von Effi-                                                         Wohl-
                                                                      Entkopplung vom Wohlbefinden                         befinden
zienzansätzen angesichts steigender Konsumnachfragen
begrenzt.18 Des Weiteren können Rebound-Effekte dazu beitragen,
dass Effizienzverbesserungen ihre Wirkung zur absoluten Ressour-                                                           Wirtschafts-
                                                                                                                           leistung
ceneinsparung nicht komplett entfalten können.19, 20 Auch die
unternehmerischen Risiken, die aus der Abhängigkeit von Pri-          Ressourcen-Entkopplung
märmaterialien aus volatilen globalen Rohstoffmärkten entstehen,
können zwar durch Effizienz reduziert, jedoch nicht völlig ausge-
                                                                                                                           Ressourcen-
schlossen werden.                                                                                                          verbrauch
                                                                                                                    Zeit

Das Konzept der Circular Economy (CE) geht zu diesem Zweck
über Ansätze der Ressourceneffizienz und -produktivität hinaus
und positioniert sich zwischen reinen Effizienzansätzen und Denk-
schulen der Suffizienz und Postwachstumsökonomik. Letztere            Entkopplung von Umweltbelastung                      Umwelt-
                                                                                                                           belastung
verlangen eine absolute Begrenzung der Rohstoffnutzung und
Abkehr von wirtschaftlichem Wachstum.21 Die CE hingegen zielt
als Konsistenzstrategie auf eine naturverträgliche Gestaltung
von Wirtschaftssystemen ab und basiert auf wissenschaftlich          Abbildung 2: Konzept der Entkopplung (Quelle: International
etablierten Disziplinen wie der Industrial Ecology und Ecological    Resource Panel, 2019)27
Economics.22, 23, 24, 25 Sie strebt die Minimierung negativer Um-
weltauswirkungen durch qualitative Transformation sowie Schlie-
ßung und Verlangsamung von Materialkreisläufen an. In diesem         oder aber eine biologische Abbaubarkeit ermöglichen. Die Nut-
Sinne soll durch die Umsetzung von CE-Praktiken die Rate des         zungsphase sollte intensiviert und verlängert werden. Das könnte
Wirtschaftswachstums von der Zunahme der Umweltauswirkungen          zum Beispiel dadurch geschehen, dass technische Produkte durch
entkoppelt werden.26                                                 digitale Dienstleistungen geteilt und damit deutlich besser aus-
                                                                     gelastet oder vollständig durch digitale Dienstleistungen ersetzt
Im Rahmen der Diskussion um die Entkopplung von Wirtschafts-         werden. Am Ende der Lebensdauer sollten die verschiedenen
leistung und Wohlbefinden von Ressourcennutzung und Ex-              Wertstoffe so weit wie möglich durch Sortieren und Demontage
ternalitäten wird zwischen relativer und absoluter Entkopplung       getrennt und stofflich für erneute Nutzung aufbereitet werden.
unterschieden. Eine relative Entkopplung findet statt, wenn das
Wirtschaftswachstum stärker zunimmt als die damit verbundenen        Die Ellen MacArthur Foundation (EMF) und das McKinsey Cen-
Umwelt- und Sozialfolgen. Eine absolute Entkopplung tritt erst       ter for Business and Environment haben 2013 eine Konzeptua-
auf, wenn Ressourcennutzung und Externalitäten bei anhaltendem       lisierung der CE vorgenommen. Das entstandene Framework,
Wirtschaftswachtsum abnehmen (siehe dazu Abbildung 2).27 Um          das sogenannte Butterfly-Diagramm (siehe Abbildung 3), hat in
dem Bedarf weniger wohlhabender Länder nach weiterem wirt-           der Wirtschaft, Zivilgesellschaft wie auch im politischen Diskurs
schaftlichem Wachstum gerecht zu werden, sollten diese Länder        große Resonanz gefunden und wird oft als ein zentrales Framework
laut dem International Resource Panel (IRP) weiterhin die Gele-      für Circular Economy referenziert. Auch wenn die idealisierte Dar-
genheit haben, lediglich relative Ressourcenentkopplung anzuvi-      stellung in der Praxis so nicht erreicht werden kann, soll diese
sieren (wenngleich auch hier bereits vorausschauend entspre-         umfänglich genutzte Abbildung als Aufhänger für die geplanten
chende Infrastrukturen geplant werden sollten, um später eine        Diskussionen im Rahmen der Circular Economy Initiative Deutsch-
absolute Entkopplung zu ermöglichen).28                              land (CEID) genutzt werden.

CE-Ansätze können in den verschiedenen Stufen des Lebens-            In der Darstellung wird aufbauend unter anderem auf dem Cradle-
zyklus eines Produktes greifen: Materialauswahl und Design           to-Cradle-Ansatz zwischen der Biosphäre und Technosphäre
sollten Langlebigkeit, Wiederaufbereitung und Reparierbarkeit        unterschieden.29

18 |   Vgl. Allwood et al. 2017.                                     24 |   Vgl. Bruel et al. 2018.
19 |   Vgl. IRP 2011.                                                25 |   Vgl. Ghisellini et al. 2016.
20 |   Vgl. IRP 2017.                                                26 |   Vgl. IRP 2018.
21 |   Vgl. Paech 2012.                                              27 |   Vgl. IRP 2019.
22 |   Vgl. Huber 2000.                                              28 |   Vgl. IRP 2017.
23 |   Vgl. Schmidt 2008.                                            29 |   Vgl. Ellen MacArthur Foundation 2013.

12
Circular Economy

 Prinzip
                                                                                        Erneuerbare                                    Endliche
                                                                                        Rohstoffe                                      Rohstoffe
 1     Naturkapital erhalten
       und aufwerten
                                          Stoffstrommanagement                      Regenieren             Materialien                     Virtuali-      Wieder-
                                          erneuerbarer Materialien                                         austauschen                      sieren       herstellen   Bestandsmanagement

                                                   Biologischer Kreislauf                                                                                             Technischer
                                                   (Biosphäre)                                                                                                        Kreislauf
                                                                                    Anbau/Ernte           Komponenten-
                                                                                                            hersteller                                                (Technosphäre)
                                                         Regene-
                                                         ration                    Biochemische
                                                                                                         Produkthersteller
                                                                    Biosphäre
                                                                   Biosphäre       Rohstoffe                                                                               Recycling

       Produktive Nutzung                                                                                  Dienstleister
 2                                                                                                                                                               Renovierung/
       von Ressourcen optimieren                                                                                                            Teilen               Wiederaufarbeitung

                                                                                        Kaskaden                                                         Wiederverwendung/
                                                         Biogas                                                                                          Umverteilung
                                                                                                                                           Instandhaltung/
                                                                                                             6 2803 0006 9

                                                                                                      Verbraucher             Nutzer       Verlängerung der Lebensdauer
                                                                      Extraktion
                                                                  biochemischer                       Sammlung               Sammlung
                                                                       Rohstoffe

 3     Systemeffektivität fördern                                                          Minimierung systematischer Sickerverluste und
                                                                                                     negativer Externalitäten

Abbildung 3: Darstellung eines getrennten biologischen und technischen Kreislaufs und kaskadierende Nutzung.
Die Abbildung dient als Aufhänger für die im Rahmen der CEID geplanten Diskussionen zur Konzeptualisierung der CE.
(Quelle: eigene Darstellung gemäß Ellen MacArthur Foundation und McKinsey, 2013)

Die in der Biosphäre zirkulierenden Verbrauchsprodukte sollten                              vermehrten Nutzung erneuerbarer Ressourcen oder dem Ersatz
aus Rohstoffen erneuerbaren Ursprungs hergestellt sein, die beim                            von Materialien durch ressourcenschonende Alternativen, der bes-
Einbringen in die Umwelt keinen Schaden anrichten. In der Tech-                             seren Auslastung der Produkte durch die „Sharing Economy“, dem
nosphäre hingegen zirkulieren Gebrauchsprodukte synthetischen                               Optimieren von Prozessen, dem weitgehenden Schließen von Ma-
oder mineralischen Ursprungs, die demzufolge in einem geschlos-                             terial- und Produktkreisläufen bis hin zur Entmaterialisierung von
senen Kreislauf gehalten werden sollten. Durch größeres Augen-                              Prozessen und Produkten durch Virtualisierung (zum Beispiel dem
merk auf die produktive Nutzung von Ressourcen entlang der                                  digitalen Zwilling in Fertigungsprozessen).31,                       32

Wertschöpfungskette und das Anstreben – weitestgehend – ge-
schlossener Kreisläufe sollen Sickerverluste und negative Exter-                            Damit soll die CE die Voraussetzungen für die vom IRP anvisierten
nalitäten gemäß dieser konzeptuellen Idealvorstellung minimiert                             Arten der Entkopplung schaffen können: Impact-Entkopplung,
werden. Den Vorteil einer getrennten Betrachtung zeigt das Bei-                             indem sie für Materialien, die wieder in Ökosysteme gelangen,
spiel der Lebensmittelverpackung auf, denn hier schränken große                             biologische Abbaubarkeit verlangt (Re); Ressourcenentkopplung,
Mengen von Verpackungsmaterial und Zusatzstoffen die Kreis-                                 indem sie die intensivere Nutzung und letztlich die Wiederver-
laufführung von Nahrungsmittelabfällen oftmals ein.30 Gleichzeitig                          wendung von Materialien verfolgt (SOL); und Wohlfahrtsent-
gilt es zu vermerken, dass eine komplette Abgrenzung der beiden                             kopplung, indem sie dematerialisierte Formen der Bedarfsde-
Kreisläufe in der Realität nicht möglich ist. Zu nennen wären                               ckung fordert (VE).
hier beispielsweise Biokunststoff, der nicht biologisch abbaubar
ist, auf der einen oder synthetische Düngemittel auf der anderen                            Mehrere dieser ReSOLVE-Hebel spiegeln sich in bereits beste-
Seite: In beiden Fällen wechseln Stoffe zwischen Biosphäre und                              henden Strategien wider, die beispielsweise im Rahmen des Res-
Technosphäre.                                                                               sourceneffizienzprogramm ProgRess II vom Bundesministerium
                                                                                            für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit identifiziert wur-
Mit Blick auf die Umsetzung einer CE wurde von der EMF und                                  den.33 Allerdings wird der Rolle innovativer Geschäftsmodelle
dem McKinsey Center for Business and Environment das soge-                                  und digitaler Technologien zunehmend mehr Bedeutung beige-
nannte ReSOLVE-Framework entwickelt, das einzelne Hebel iden-                               messen, gerade wenn es um die umfassende Umsetzung von He-
tifiziert und exemplarisch beschreibt (siehe Abbildung 4): von der                          beln wie „Exchange“ (zum Beispiel für Product-Service-Business

30 |    Vgl. Ellen MacArthur Foundation 2019.                                               32 |      Vgl. Wang/Wang 2018.
31 |    Vgl. Material Economics 2018.                                                       33 |      Vgl. BMUB 2016.

                                                                                                                                                                                       13
Ansatz: Erneuerbare Ressourcen nutzen
 REGENERATE                                  Stärkere Einbindung von biologischen Kreisläufen in die Produktion
                                             Vorteil: Erhalt von Naturkapital und Ökosystemen, reduzierte Abhängigkeit

                                             Ansatz: Nutzergruppe für Produkte und Anlagen erweitern
 SHARE                                       Schaffung größerer Anreize für Haltbarkeit, vorausschauende Wartung, Aktualisierbarkeit
                                             Vorteil: Höhere Auslastung der in Gütern verwendeten Materialien und Werte

                                             Ansatz: Abfall in Produktion und Logistik vermindern, Energie-/Materialefzienz erhöhen
 OPTIMIZE                                    „Klassische" Verbesserungsprozesse, großes Steigerungspotenzial durch Industrie 4.0
                                             Vorteil: Höhere Materialeffizienz und Kostensenkung
                                             Ansatz: Materialien, Komponenten und Produkte wiederverwertbar gestalten
 LOOP                                        Optimierung des technischen Kreislaufs in Design, Produktion, Nutzung, Logistik
                                             Vorteil: Minimaler Wertverlust von Materialien

                                             Ansatz: Ersetzen physischer Produkte und Prozesse durch Digitalisierung und Virtualisierung
 VIRTUALIZE                                  Einsatzmöglichkeit bei Planungsprozessen, Medien und Kommunikation etc.
                                             Vorteil: Materialbedarf sinkt

                                             Ansatz: Ersetzen von Materialien und Technologien durch ressourcenschonende Alternativen
 EXCHANGE                                    Redefinition von Produkten als Dienstleistungen, Einsatz von aufbereitbaren Materialien
                                             Vorteil: Steigerung der Ressourcenproduktivität, Ermöglichung durchgehender Kreisläufe

Abbildung 4: ReSOLVE-Hebel der CE (Regenerate, Share, Optimize, Loop, Virtualize, Exchange) (Quelle: eigene Darstellung gemäß
Ellen MacArthur Foundation und Mc Kinsey 2013)38

Models)34 oder „Virtualize“ (zum Beispiel für die Zusammenarbeit               Des Weiteren sind auch bei der Implementierung von Prinzipien
in digitalen Plattformen) geht. 35, 36 Hier setzt das neu aufgelegte           der CE widerstrebende Effekte zu berücksichtigen. So kann bei-
Forschungskonzept „ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft“ des               spielsweise die Verbreitung von digitalen Technologien eine stei-
Bundesministeriums für Bildung und Forschung37 an und fokus-                   gende Nachfrage, erhöhten Energie- und Ressourcenverbrauch so-
siert zwei seiner Forschungsschwerpunkte auf die Themen Ge-                    wie Entsorgungsprobleme in Form von Elektroschrott mit sich brin-
schäftsmodelle und digitale Technologien. Zusammengenommen                     gen.42, 43 Auch innerhalb der CE kann es durchaus gegensätzliche
tragen diese Entwicklungen dazu bei, eine systemische Betrach-                 Strategien geben: So kann die Modularität und Zerlegbarkeit von
tungsweise bei der Nutzung von Ressourcen zu entwickeln und                    Produkten eine Steigerung der Lebensdauer konterkarieren und
dem deutschen Begriff der „Kreislaufwirtschaft“, der oft auf das               den Rohstoffbedarf eher erhöhen. Somit gilt es, an jedem Schritt
Recycling verengt verstanden wird, zielführend zu erweitern.                   in der Wertschöpfungskette die Rohstoffbedarfe, Leistungsanfor-
                                                                               derungen und Externalitäten sorgfältig zu bewerten.
Im Rahmen der Überlegungen zur Umsetzung einer CE sollten fol-
gende Einschränkungen der vorgestellten CE-Konzepte und -Um-                   Eine genaue Definition der CE ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht
setzungsstrategien berücksichtigt werden. Grundsätzlich wird eine              abschließend möglich, da das Feld breit und fragmentiert ist.44
vollkommen geschlossene Kreislaufführung von Rohstoffen thermo-                Prominente Vertreter der CE sind seit den späten neunziger Jahren
dynamisch nicht möglich sein. Einerseits ist es nahezu unmöglich,              Michael Braungart und William McDonough mit dem Cradle-to-
die letzten Mengen eines zu recycelnden Rohstoffs zu finden und                Cradle-Prinzip (in dem ein stärkerer Fokus auf chemische Toxikologie
dem Recyclingprozess zuzuführen, andererseits bedarf jeder Prozess             und Produktdesign gelegt wird)45, im internationalen Diskurs ins-
zusätzlicher Energie, die zu produzieren wiederum Externalitäten               besondere die Ellen MacArthur Foundation46 und spätestens seit
erzeugt. Zudem kann die Sekundärrohstoffgewinnung, wenn die                    dem Kreislaufwirtschaftspaket auch die Europäische Union.47 Um
Rohstoffe in geringer Konzentration vorliegen, wirtschaftlich und              den konzeptuellen Anschluss sicherzustellen, basiert die vorliegende
energetisch aufwendiger sein als die Primärgewinnung.39, 40, 41                Vorstudie daher auf diesen Ansätzen unter Nutzung des Begriffs

34   |   Vgl. Antikainen et al. 2018.                                          41   |   Vgl. Wellmer/Becker-Platen 2001.
35   |   Vgl. Michelini et al. 2018.                                           42   |   Vgl. Hilty 2008.
36   |   Vgl. Pagoropoulos et al. 2017.                                        43   |   Vgl. WBGU 2019.
37   |   Vgl. BMBF 2018a.                                                      44   |   Vgl. Kirchherr et al. 2017.
38   |   Vgl. Ellen MacArthur Foundation 2013.                                 45   |   Vgl. Braungart/McDonough 2002.
39   |   Vgl. Allwood 2014.                                                    46   |   Vgl. CIRAIG 2015.
40   |   Vgl. Korhonen et al. 2018.                                            47   |   Vgl. Europäische Kommission 2015.

14
Circular Economy

CE. Gleichwohl scheint eine entsprechende Begriffsdiskussion und        Ab dem Jahr 2010 setzten Debattenbeiträge aus der Zivilge-
-klärung ein sinnvoller erster Schritt und Beitrag der CEID zu sein.    sellschaft zusätzlich wichtige Impulse zur Weiterentwicklung der
Zusätzlich zu einer Unterstützung eines produktiven Dialogs             CE – sowohl konzeptionell als auch in ihrer Umsetzung. Zentral
bezüglich der Entwicklung konkreter Maßnahmen hin zu einer CE           ist dabei die Gründung der Ellen MacArthur Foundation (EMF) in
wird es zudem Aufgabe der CEID sein, konkrete Ziele und entspre-        2010 zu nennen, die mit der Veröffentlichung des Berichts Towards
chende Indikatoren48 zur Wirksamkeitsbewertung zu identifizieren.       a Circular Economy in 2013, basierend auf der analytischen und
                                                                        konzeptionellen Arbeit des McKinsey Center for Business and En-
Abschließend bleibt hervorzuheben, dass die CE kein Selbstzweck         vironment, wichtige zeitgenössische Denkschulen wie Performance
ist. Das Konzept stellt ein Gestaltungsprinzip und eine Vision für      Economy, Cradle-to-Cradle, Biomimicry, Industrial Ecology und
wirtschaftliches Handeln dar, das es erlaubt, unterschiedlichen         Regenerative Design unter dem neuen, systemischen Ansatz der
Herausforderungen zu begegnen. Es können Ziele ökologischer             CE vereinte.27 Gilt die EMF global gemeinhin als Keim des mo-
(Klimaschutz und Ressourcenschonung), ökonomischer (Wettbe-             dernen Konzepts der CE und führend im Engagement für die-
werbsfähigkeit, Rohstoffunabhängigkeit) oder sozialer (Beschäf-         selbe54, so wird das Thema mittlerweile auch von anderen wirt-
tigung, lokale Wertschöpfung) Art durch die CE verfolgt werden,         schaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen vorange-
die möglicherweise in einzelnen Fällen einer Priorisierung bedür-       trieben, so etwa dem World Economic Forum55, dem World Wide
fen. Trotzdem kann das Konzept der CE nicht nur zur Erreichung          Fund for Nature56, der OECD57 oder UNEP58.
einzelner UN-Nachhaltigkeitsziele beitragen, sondern auch helfen,
Synergien zwischen einigen der Ziele herzustellen.49                    Flankierend zu den genannten Veröffentlichungen wurden ab
                                                                        2010 innerhalb der EU-Institutionen zwei Konsultationsprozesse
                                                                        unter Einbindung unterschiedlicher EU-Generaldirektionen, Wirt-
                                                                        schaftsakteure, Gewerkschaften und weiterer Interessensgruppen
2.2           Entwicklung der Circular                                  durchgeführt. Die Beteiligung von insgesamt 1.500 Einzelperso-
                                                                        nen und Institutionen an der ersten Konsultation – initiiert durch
              Economy in Europa                                         den damaligen EU-Umweltkommissar Janez Potočnik – zeigte da-
                                                                        bei das große Interesse und die hohe Relevanz des Themas auf
Die Ursprünge der öffentlichen und politischen Debatte zur              europäischer Ebene.59
Circular Economy (CE) in der EU sind primär in der Weiterent-
wicklung des Abfallmanagements in den achtziger und neunzi-             Mit der Veröffentlichung des Aktionsplans Den Kreislauf schlie-
ger Jahren zu verorten. Ziel war es, Umweltschutz und menschliche       ßen – ein Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft ist
Gesundheit zu verbessern. Durch die Einführung des erweiterten          das Thema in der Europäischen Union seit dem Jahr 2015 politisch
Verursacherprinzips (Extended Producer Responsibility) in den           fest verankert. Der Aktionsplan stellt den Abschluss der zweiten
frühen neunziger Jahren sollte ein verbessertes Abfallmanagement        Konsultation dar, die durch den damaligen Vizepräsidenten der
angeregt werden; durch verpflichtende Mülltrennung und Regu-            EU-Kommission Frans Timmermans eingebracht worden war60
lierung zur Deponierung von Abfällen sollten die Recyclingfähig-        und sich durch deutliche Unterstützung aus Industrie und zahl-
keit verbessert und der Klimafußabdruck des Abfallsektors redu-         reichen EU-Mitgliedsstaaten auszeichnete.52
ziert werden.50, 51
                                                                        Darin formuliert sind Zielsetzungen der CE sowie Umsetzungs-
In den frühen nuller Jahren adressierte die EU durch die End-           maßnahmen, die den Übergang Europas zu einer CE beschleuni-
of-Life-Vehicles-Richtlinie und die E-Waste-Richtlinie zwei besonders   gen sollen, bei gleichzeitiger Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
kritische Elemente des Abfallsektors, wobei insbesondere den            und Schaffung von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen.61
Effekten der Stoffströme durch den weltweiten Export Rechnung           Damit stellt er eine konsequente Weiterentwicklung der ursprüng-
getragen wurde.52 2008 wurde schließlich durch die EU-Abfall-           lichen CE-Aktivitäten der neunziger und frühen nuller Jahre dar.
richtlinie der Weg zur EU-weiten Harmonisierung von Abfall- und         Der beschriebene Übergang wird finanziell durch verschiedene
Wertstoffmanagement geebnet. All diese Regelungen wurden                Finanzmechanismen der EU unterstützt, einschließlich des euro-
durch das Kreislaufwirtschaftspaket im Jahr 2015 reformiert. 53         päischen Struktur- und Investitionsfonds, Horizon 2020, des

48   |   Vgl. hierzu beispielsweise Moraga et al. 2019.                 55   |   Vgl. WEF 2019.
49   |   Vgl. Schroeder et al. 2018.                                    56   |   Vgl. WWF 2017.
50   |   Vgl. EPRS/Bourguignon 2016.                                    57   |   Vgl. OECD 2018.
51   |   Vgl. CIRAIG 2015.                                              58   |   Vgl. UNEP and IRP 2018.
52   |   Vgl. Europäische Kommission 2005.                              59   |   Vgl. Potočnik 2018. Persönliche Korrespondenz.
53   |   Vgl. Kauffmann/Dodick 2017.                                    60   |   Vgl. Vella, 2015.
54   |   Vgl. CIRAIG 2015.                                              61   |   Vgl. Europäische Kommission 2015.

                                                                                                                                                15
europäischen Fonds für strategische Investitionen und des LIFE-        durch die Landwirtschaft könnten hier gemäß Umweltbundesamt
Programms. Der Aktionsplan fördert explizit die enge Zusammen-         Preissteigerungen von bis zu 45 Prozent eintreten.68 Auch Gesund-
arbeit zwischen Mitgliedstaaten, Regionen und Gemeinden, Un-           heitskosten können durch CE reduziert werden, etwa aufgrund ver-
ternehmen, Forschungseinrichtungen, Bürgerinnen und Bürgern            ringerter Feinstaubbelastung, welche durch eine Reduktion von Am-
und anderen an der CE beteiligten Akteuren.62                          moniak-Emissionen erreicht werden kann. Immerhin 45 Prozent hier-
                                                                       von werden in Deutschland der Landwirtschaft zugeschrieben. Beide
Das Kreislaufwirtschaftspaket fungiert seither als Rahmen für          Herausforderungen könnten etwa durch eine verbesserte Handha-
weitere Maßnahmen, wie zuletzt 2018 für die Pakete Monitoring          bung von Gülle oder optimierten Düngereinsatz – Maßnahmen, die
Framework for the Circular Economy und EU Strategy for Plastics        auch im Rahmen einer CE postuliert werden – oftmals deutlich re-
in the Circular Economy. Mit dem Aktionsplan für die Kreislauf-        duziert werden.69 Auch die Vermeidung von Gesundheitskosten
wirtschaft und dem Legislativpaket setzt sich die systemische          durch Pestizidnutzung gemäß der CE hat großes Potenzial: Laut
Sicht, die oft als entscheidender Bestandteil der CE gesehen           Schätzungen der Ellen MacArthur Foundation (EMF) könnte die
wird, zunehmend durch.63                                               Kostenreduktion allein durch Konsumveränderung in Städten welt-
                                                                       weit 550 Milliarden Dollar pro Jahr betragen.70

                                                                       Neben Einsparpotenzialen bietet die CE auch signifikantes
                                                                       Potenzial für Innovation und Wachstum. Klassische Bereiche
2.3           Potenziale einer ambitionierten                          der Kreislaufwirtschaft wie Umwelttechnik und Ressourceneffizienz
                                                                       – auch in Zukunft Kernelemente der CE – sind hier von besonde-
              Transformation nach                                      rem Interesse. Laut der Wirtschaftsberatung Roland Berger lag
              zirkulären Grundsätzen                                   das Marktvolumen für den Einsatz von Umwelt- und Effizienz-
                                                                       technologien für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen (in-
Vertreter des Circular Economy Ansatz sehen in der entsprechenden      klusive der erneuerbaren Energien und nachhaltigen Mobilität)
Transformation wirtschaftlicher Denkansätze und Strukturen einen       2016 bei 350 Milliarden Euro allein in Deutschland und bei über
entscheidenden Beitrag, um die oben beschriebenen ökonomischen,        drei Billionen Euro weltweit.71 Weiterhin werden diesen „grünen
ökologischen und sozialen Ziele zu erreichen. So sollen die in der     Zukunftsmärkten“ weltweit ein Marktwachstum von jährlich 6,9
CE verankerten Prinzipien direkt und indirekt zur Senkung von Na-      Prozent bis 2025 prognostiziert.
turkapitalkosten sowie Emissionsreduktionen führen. Beispiels-
weise ist der Verbrauch von Wasser als Naturkapital bei der Her-       Ableitend aus dem Potenzial für Wachstum und Innovation könn-
stellung einer Tonne Sekundärrohstoffe aus Rezyklat in vielen Fällen   ten sich laut EMF bis 2030 für Europa profitable Investitions-
deutlich geringer als bei der Gewinnung von Primärrohstoffen           möglichkeiten in Höhe von 320 Milliarden Euro ergeben.72 Ein
durch Rohmaterialextraktion – in etwa für Magnesium um bis zu          Großteil dieser Gewinne würde durch digitale Geschäftsmodelle
Faktor 7,5 und für Kobalt um bis zu Faktor 20. Außerdem muss           ermöglicht oder verstärkt, wie etwa die Verbreitung von „Mobility
dabei zu heutigem Stand im Schnitt auch weniger Energie einge-         as a Service“ im Mobilitätssektor.
setzt werden – bei Magnesium bis zu etwa 23-mal weniger, bei Ko-
balt 15-mal.64, 65 Durch eine konsequente Anwendung von CE-Prin-       Makroökonomische Abschätzungen der OECD unterstützen diese
zipien entsprechend dem ReSOLVE-Framework in materialintensiven        Analysen: Die überwiegende Mehrheit von Studien zur Bewertung
Industrien und Wertschöpfungsketten lassen sich nach manchen           makroökonomischer Effekte der CE finden positive, oder mindes-
Berechnungen bis zu 56 Prozent der Emissionen reduzieren.66 Das        tens neutrale, wirtschaftliche Effekte – bei gleichzeitig reduzierter
hohe Potenzial der Kreislaufwirtschaft für den Klimaschutz wird        Nutzung von Primärrohstoffen und somit verbesserter Gesamt-
zunehmend anerkannt, etwa in der Ende 2018 veröffentlichten            kostenrechnung hin zu einer nettopositiven Wirtschaft.73 Eine
Langfrist-Klimaschutzstrategie der Europäischen Kommission.67          Studie von Cambridge Econometrics zufolge würde sich bereits
                                                                       eine deutliche Steigerung der Ressourcenproduktivität von bis zu
Der Effekt auf das Naturkapital Wasser zeigt sich unter anderem        2,5 Prozent pro Jahr bis 2030 nettopositiv auf das Bruttoinlands-
bei den Trinkwasserpreisen. Primär aufgrund der Nährstoffbelastung     produkt der EU-28 auswirken.74

62   |   Vgl. ebd.                                                     69   |   Vgl. Max-Planck-Institut für Chemie 2019.
63   |   Vgl. Kirchherr et al. 2017.                                   70   |   Vgl. Ellen MacArthur Foundation 2019.
64   |   Vgl. Europäische Kommission 2018a.                            71   |   Vgl. BMU 2018a.
65   |   Vgl. SYSTEMIQ eigene Analyse 2019.                            72   |   Vgl. Ellen MacArthur Foundation et al. 2017.
66   |   Vgl. Material Economics 2018.                                 73   |   Vgl. McCarthy et al. 2018.
67   |   Vgl. Europäische Kommission 2018b.                            74   |   Vgl. Cambridge Econometrics 2014.
68   |   Vgl. UBA 2017a.

16
Circular Economy

Zusätzlich zu den ersten quantitativen Bemessungen zu den Po-          Das UN International Resource Panel (IRP) hat gezeigt, dass die
tenzialen einer CE können durch ihre Umsetzung auch beste-             CE zudem das Potenzial hat, positive Effekte auf Arbeitsmärkte
hende Chancen oder Herausforderungen in anderen Bereichen              zu haben. Wiederaufbereitungstätigkeiten sind oftmals nicht nur
adressiert werden. Obwohl diese Potenziale bislang nur qualitativ      verhältnismäßig arbeitsintensiv, sondern häufig auch lokaler ge-
beschreibbar bleiben, können sie dazu beitragen, die Wettbe-           bunden und somit vor Globalisierungsfolgen relativ geschützt.
werbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Beispiel hierfür: Eine         Nicht zuletzt erfordern sie in der Regel komplexes, flexibles Fach-
Vielzahl neuer CE-Geschäftsmodelle weist eine hohe Kompatibi-          wissen und sind damit schwieriger zu automatisieren.79 Eine Studie
lität mit anderen zentralen Entwicklungen im Bereich des Kli-          im Auftrag der Europäischen Kommission prognostizierte bis zu
maschutzes oder der Digitalisierung auf und werden somit in            zwei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze durch die Implementierung
Zukunft voraussichtlich eine große globale Nachfrage erfahren.         ambitionierter Maßnahmen zur Steigerung der Ressourcenproduk-
Das Potenzial digitaler Lösungen wird durch die gesunkenen             tivität.80 Somit haben Elemente der CE das Potenzial, die mit Au-
Kosten für Datenerhebung und -verarbeitung sowie für Transak-          tomatisierung und globalisierten Märkten einhergehenden Verän-
tionen verstärkt und ermöglicht neue Prozesse und Geschäfts-           derungen auf dem Arbeitsmarkt – und damit verbundenen Sorgen
modelle, die in dieser Form bisher unmöglich oder unwirtschaft-        und politischen Konsequenzen – zumindest teilweise zu kompen-
lich waren (beispielsweise Materialpässe zur Nachverfolgung            sieren.
von Rohstoffen). Somit zeigen sich starke Synergien aus CE und
Digitalisierung – Letzteres ist bereits ein anerkannter Wachs-         Die quantitativ bisher erfassten Potenziale der CE können als ein
tumstreiber, wie sich an der hohen Marktkapitalisierung von Un-        Anreizrahmen gesehen werden, eine Wende in Denken und Han-
ternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen zeigt.                       deln anzustoßen. Bestärkt wird dies durch eine Reihe qualitativ
                                                                       beschriebener CE-Potenziale, welche grundsätzlich die Wettbewerbs-
Gleichzeitig kann eine CE die Importabhängigkeit von Primär-           fähigkeit des Standorts Deutschland stärken und zum Erreichen
materialien reduzieren. Da immer weniger Länder und Unter-             der Sustainable Development Goals (SDGs) beitragen können (wie
nehmen immer größere Anteile des Rohstoffangebots kritischer           beispielsweise SDG 6 – sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen,
Rohstoffe kontrollieren, ist Importabhängigkeit mit geopolitischen     SDG 7 – bezahlbare und saubere Energie, SDG 8 – menschenwür-
Risiken verbunden.75 Schwankungen in der Marktverfügbarkeit            dige Arbeit und Wirtschaftswachstum, SDG 12 – nachhaltige/r
von Primärrohstoffen können sich durch plötzliche extreme Preis-       Konsum und Produktion, SDG 15 – Leben an Land).81 In Summe
schwankungen bis hin zu Lieferengpässen negativ auswirken.             sprechen viele Indizien dafür, dass die Anwendung der CE in
Beispielhaft für monopolisierte Rohstoffmärkte ist der Markt für       Deutschland zu vielfältigen Vorteilen führen könnte. Jedoch stehen
Kobalt. Mehr als 55 Prozent der Weltproduktion von Kobalt              der CE auch mannigfaltige Barrieren entgegen, wie in der folgenden
stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Ferner investiert        Sektion dargestellt wird.
China massiv in Kobaltprojekte und hält mehr als fünfzig Prozent
der weltweiten Weiterverarbeitungskapazitäten, den Raffinerien.
Der Preis für Kobalt ist seit 2016 um 200 Prozent gestiegen, und
es wird erwartet, dass das prognostizierte Angebotsdefizit den         2.4           Hürden für eine Circular Economy
Preis ab 2020 weiter steigen lassen wird.76 Die hierdurch entste-
henden wirtschaftlichen Risiken können insbesondere für High-          Die Transformation zu einer Circular Economy (CE) erfordert
Tech-Industrien signifikant sein. Zwar gibt es bereits Technologien,   disruptive Veränderungen und radikale Innovationen, denn sie
um Kobaltsalze wieder zurückzugewinnen.77 Jedoch kommt es be-          bringt vielfach neue Geschäftsmodelle und Produktgestaltung
reits bei der Sammlung von Altprodukten in der Regel zu großen         mit sich. Dies hält in der praktischen Umsetzung vielfältige He-
Verlusten, und die hochwertige Wiedergewinnung ist prozessbe-          rausforderungen bereit. Die im Folgenden gewählte Strukturie-
dingt technisch und wirtschaftlich aufwendig. Eine gute Rückfüh-       rung (Kognition, Kultur, Wissen, Regelungen und Normen, Markt,
rungslogistik von Altgeräten und recyclingfördernde Gesetze sowie      Finanzen, Technik und operatives Geschäft) lehnt sich an die
intensive Forschung nach Substituten können Europa unabhängiger        allgemeine Innovationstheorie sowie die einschlägige Literatur
von Kobaltimporten machen.78                                           zu den Barrieren zur CE an.82, 83, 84, 85

75   |   Vgl. Angerer et al. 2016.                                     81   |   Vgl. Schroeder et al. 2018.
76   |   Vgl. NPE 2018.                                                82   |   Vgl. de Jesus/Mendonca 2018.
77   |   Vgl. Hagelüken 2018.                                          83   |   Vgl. Pheifer 2017.
78   |   Vgl. Angerer et al. 2016.                                     84   |   Vgl. Ritzén/Sandström 2017.
79   |   Vgl. Nasr et al. 2018.                                        85   |   Vgl. Kirchherr et al. 2018.
80   |   Vgl. Europäische Kommission et al. 2014.

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