SHARING ECONOMY: POTENTIAL IM ÖFFENTLICHEN SEKTOR - BERICHTE DES NEGZ NR. 5
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BERICHTE DES NEGZ NR. 5 SHARING ECONOMY: POTENTIAL IM ÖFFENTLICHEN SEKTOR Dian Balta Sara Hofmann Peter Kuhn Helmut Krcmar
Für einen modernen Staat Das Nationale E-Government Kompetenzzentrum vernetzt Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft und ist die zentrale, unabhängige Plattform für Staatsmodernisierung und Verwaltungs- transformation in Deutschland. Herausgegeben und gefördert vom Nationalen E-Government Kompetenzzentrum e. V. Berlin 2019
INHALT Zusammenfassende Empfehlungen 4 1. Einleitung 5 2. Wissenschaftlicher und praktischer Hintergrund 7 2.1 Prinzipien der Sharing Economy 7 2.2 Neue Schlüsselwerte und -eigenschaften 8 2.3 Treiber, Risiken und Herausforderungen 9 3. Ergebnisse 10 3.1 Methodisches Vorgehen 10 3.2 Betrachtete Fallstudien 11 3.3 Analyse 13 3.4 Diskussion 14 4. Handlungsempfehlungen 16 5. Zusammenfassung und Ausblick 17 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 19 Literaturverzeichnis 21 Impressum 22 Sharing Economy 3
ZUSAMMENFASSENDE EMPFEHLUNGEN Das gemeinschaftliche Teilen von Res- im öffentlichen Sektor in Deutschland sourcen ist ein signifikantes Phänomen eingesetzt werden? Basierend auf Lite- im privaten Sektor. Bekannte Beispie- raturrecherchen, Interviews und einem le für die sogenannte Sharing Economy Workshop mit Expertinnen und Exper- sind Airbnb und car2go. Sie unterschei- ten wurden im Rahmen der Kurzstudie det sich in grundlegenden Prinzipien von erste Untersuchungen zum Potential der klassischen wirtschaftlichen Angeboten. Sharing Economy im öffentlichen Sek- Zu diesen Prinzipien zählen mehrdimen- tor durchgeführt. Dabei werden nicht nur sionale Märkte, Crowdsourcing und emp- Chancen, sondern auch Herausforderun- fehlungsbasiertes Vertrauen. Der Erfolg gen identifiziert und eine erste Grundla- von Sharing-Economy-Konzepten lässt ge – basierend auf Stärken, Schwächen, sich mithilfe von Veränderungen gesell- Chance und Gefahren – für die Analyse schaftlicher Schlüsselwerte erklären und zukünftiger Anwendungsfälle geschaf- ist getrieben von sozialen und ökologi- fen. Abschließend werden Handlungs- schen, aber insbesondere technischen empfehlungen für die Ausschöpfung des Entwicklungen in der Informations- und identifizierten Potentials abgeleitet: Iden- Kommunikationstechnik. Neben den tifikation relevanter Ressourcen, Klärung Versprechen der Sharing Economy wie rechtlicher Rahmenbedingungen, Defi- Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz nition von Prozessen sowie Ausbau von treten auch ihre Risiken und Herausfor- Informationsangebot und Umdenken im derungen zutage. Unter anderem sind Management. die Rollen und Verantwortlichkeiten bei entsprechenden Diensten nicht immer Schlagwörter: Sharing Economy, öffentli- eindeutig, es gibt teils negative Neben- cher Sektor, Potentialstudie effekte und es entstehen neue daten- schutzrechtliche Fragestellungen. Im öffentlichen Sektor ist das Phäno- men bislang kaum präsent. Dabei kön- nen auch staatliche Einrichtungen grund- sätzlich alle drei typischen Rollen der Sharing Economy (Konsumentin, Besit- zerin und Plattformbetreiberin) wahrneh- men. Gleichzeitig ist eine Übertragung der Konzepte und deren Umsetzung aus dem privaten Sektor nur beschränkt auf den öffentlichen Sektor möglich, bedingt durch die unterschiedlichen Rahmenbe- dingungen. Diese Kurzstudie untersucht, wel- ches Potential die Sharing Economy im öffentlichen Sektor in Deutschland hat. Dabei werden die folgenden zwei Fra- gen adressiert: (i) Welche Anwendun- gen der Sharing Economy sind bereits im öffentlichen Sektor zu finden? (ii) In welchen Bereichen und unter welchen Voraussetzungen kann Sharing Economy 4 Berichte des NEGZ
1. EINLEITUNG Der Anteil der Sharing Economy an der Während alle drei Rollen (Besitzerin, Gesamtwirtschaft ist in den letzten Jah- Konsumentin, Plattform) vorhanden sein ren stark gestiegen (Gerwe und Silva müssen, um von Sharing Economy zu 2018, Cheng 2016, Andersson et al. 2013). sprechen, können Akteure gleichzeitig Bekannte Beispiele sind die Unterkunfts- mehrere Rollen übernehmen. Z.B. könn- vermittlung Airbnb und Carsharing- te eine Plattformanbieterin zugleich auch Angebote wie car2go. Sharing-Economy- Besitzerin einer zu teilenden Ressource Angebote haben gemeinsam, dass sie sein. das Teilen von Ressourcen ermöglichen, die bisher zeitweise ungenutzt oder nicht Bei Airbnb, car2go und den meisten zugänglich waren. Im Fall von Airbnb kön- bekannten Plattformen von Sharing- nen beispielsweise Privat-Wohnungen, Economy-Angeboten handelt es sich die in der Urlaubszeit leer stehen, tempo- um kommerzielle Dienste des priva- rär von Touristinnen genutzt werden. Die ten Sektors. Bürgerinnen und Bürger Ressource Wohnung wird damit kurzzei- sowie Unternehmen nutzen diese Ange- tig zur Ressource Hotelzimmer umfunk- bote heute intensiv. Im öffentlichen tioniert. Möglich wird diese flexible Res- Sektor Deutschlands hingegen sind sourcennutzung durch Plattformen, die Sharing-Economy-Konzepte bisher kaum Besitzerinnen und Konsumentinnen einer verbreitet. Sowohl öffentlich getragene Ressource zusammenbringen. Die Platt- Plattformen als auch die Nutzung von formen dienen dabei nur als Intermediä- privaten Plattformen (als Besitzerin oder re, das tatsächliche Teilen – das „Sharing“ Konsumentin) durch öffentliche Einrich- – der Ressource findet direkt zwischen tungen sind kaum bekannt. Dabei hat der Besitzerin und Konsumentin statt. Die öffentliche Sektor zahlreiche Ressourcen, daraus entstehende Dreiecksbeziehung die immer wieder zeitweise ungenutzt zwischen Besitzerin, Konsumentin und sind und dementsprechend für „Sha- Plattform ist charakteristisch für den kol- ring“ in Frage kommen. Ein Beispiel für laborativen Konsum der Sharing Economy solche Ressourcen sind große Bauma- (vgl. Abbildung 1). schinen wie Bagger, die viele Kommu- nen besitzen, aber nicht ständig benö- tigen. Mit MuniRent gibt es in den USA Abbildung 1: Funktionsweise Teilen der Ressource Sharing Economy (basierend auf Benoit et al. 2017) Empfehlung Konsu- Besitzerin mentin M ar a ng kt A zug zug e A ng an r kt rag r us eb g M a h f b üh le ot a c e ih N hg ge i bü le hr us A Plattform Sharing Economy 5
bereits ein Konzept, mit dem öffentli- die empirischen Ergebnisse der Studie che Einrichtungen solche Gerätschaften vorgestellt. Dazu zählen geeignete teil- untereinander verleihen können. Auch in bare Ressourcen sowie Chancen und Deutschland gibt es erste Beispiele der Risiken der Sharing Economy im öffent- öffentlichen Sharing Economy, wie das lichen Sektor. Abschließend werden erste Car-Sharing-Angebot der Stadtwerke Handlungsempfehlungen für den öffent- Offenbach. Insgesamt steht das Phäno- lichen Sektor in Deutschland abgeleitet men hierzulande aber noch am Anfang. und die Kurzstudie zusammengefasst. Grundsätzlich können Verwaltungen und Behörden alle drei oben genannten Rol- len (Besitzerin, Konsumentin und Platt- formbetreiberin) einnehmen (Hofmann et al. 2018).1 Eine solche Partizipation an der Sharing Economy hätte dabei potentiell erhebliche finanzielle Vortei- le für staatliche Stellen, da benötigte Ressourcen nach Bedarf gemietet und nicht mehr dauerhaft angeschafft wer- den müssten. Für bereits vorhandene Ressourcen könnte durch Verleih ein ver- besserter Nutzungsgrad erreicht werden. Schließlich ließen sich durch öffentliche Plattformen neue Ressourcenmärkte eta- blieren, die kommerzielle Anbieter nicht abdecken. Diese Kurzstudie untersucht das Poten- tial von Sharing Economy für den öffent- lichen Sektor in Deutschland. Dabei werden die folgenden zwei Fragen adressiert: (i) Welche Anwendungen der Sharing Economy sind bereits im öffent- lichen Sektor zu finden? (ii) In welchen Bereichen und unter welchen Vorausset- zungen kann Sharing Economy im öffent- lichen Sektor in Deutschland eingesetzt werden? Zunächst wird auf den wissen- schaftlichen und praktischen Hintergrund sowie die Grundlagen des Konzepts ein- gegangen. Dazu gehören die Definitio- nen und Prinzipien der Sharing Economy sowie veränderte Schlüsselwerte und Trei- ber, die den Erfolg der Sharing Economy erklären können. Schließlich werden Risi- ken und Herausforderungen der Sharing Economy ausgeführt. Das darauffolgen- de Kapitel mit Ergebnissen stützt sich auf Interviews und Workshops mit Expertin- nen und Experten. Nach der Vorstellung zweier beispielhafter Fallstudien werden 1 Die Rolle des Regulators der Sharing Economy wird vom öffentlichen Sektor bereits wahrgenommen (Hofmann et al. 2018). 6 Berichte des NEGZ
2. WISSENSCHAFTLICHER UND PRAKTISCHER HINTERGRUND Der Begriff „Sharing Economy“ wird derselben, die crowdbasierte Entwicklung weder in der Literatur noch im alltäg- von innovativen Verwaltungsdienstleis- lichen Sprachgebrauch einheitlich ver- tungen bspw., ist nicht Gegenstand. wendet. Mit ihm werden sowohl loka- le, kooperative „Crowd“-Plattformen als Zum Zwecke der weiteren Annäherung auch sehr große, mit enormem Wagnis- werden im Folgenden wichtige Prin- kapital ausgestattete Unternehmen wie zipien, Werte und Treiber der Sharing Uber und Airbnb bedacht (Cheng 2016). Economy eingeführt, bevor typische Risiken und Herausforderungen von Matofska (2016) definiert die Sharing Sharing-Economy-Angeboten themati- Economy sehr allgemein als die „gemein- siert werden. schaftliche Gestaltung, Produktion, Dis- tribution, de[n] Handel sowie de[n] Kon- sum von Gütern und Dienstleistungen 2.1 Prinzipien der Sharing durch unterschiedliche Personen und Economy Organisationen“. Dieser Definition fol- gend ist Sharing Economy als ein sozio- Gemeinsam haben alle oben genannten ökonomisches Ökosystem zu verstehen, Definitionen, dass sie ein wirtschaftliches dessen Kern das Teilen von menschli- Phänomen beschreiben, das sich von chen, physischen und intellektuellen Res- bisher bekannten Interaktionsformen in sourcen ist. grundlegenden Prinzipien unterscheidet. Knote und Blohm (2016) beschrieben vier Eine engere Definition ist die von Frenken Prinzipien der Sharing Economy, welche und Schor (2017). Der Autor und die Auto- im Folgenden zusammengefasst werden. rin beschränken die Sharing Economy auf das Teilen von nicht durchgehend genutz- Multi-sided markets: Durch die Drei- ten bzw. ungenutzten physischen Gütern ecksstruktur zwischen Besitzerin, Kon- („under-utilized physical assets“). Platt- sumentin und Plattform entstehen drei formen wie Wikipedia, die immaterielle Schnittstellen, die jeweils einen Markt Ressourcen teilen, sind in dieser Defini- implizieren: Zwischen Besitzerin und tion der Sharing Economy nicht einbegrif- Konsumentin werden die Konditionen fen. Weiterhin wird das Teilen mit oder für die Nutzung der Ressource verhan- ohne finanzielle Vergütung unterschie- delt; zwischen Besitzerin beziehungs- den (Gerwe und Silva 2018). Neben zahl- weise Konsumentin und der Plattform reichen Definitionen gibt es außerdem hingegen jeweils die Konditionen für die verwandte Begriffe wie „collaborative Nutzung der Plattform. Klassische öko- consumption“ oder „peer to peer sharing nomische Konzepte gehen von zwei economy“, wobei eine Abgrenzung noch Akteuren und nur einem Markt aus. aussteht. Crowdsourcing: Die Sharing Economy Dieser Kurzstudie liegt die breite Defini- lebt von den Individuen und Gemein- tion der Sharing Economy nach Matofska schaften (Crowd), die die Ressourcen (2016) zugrunde. Sie beschränkt sich untereinander teilen. Diese Gemeinschaf- jedoch auf die Untersuchung des Poten- ten müssen nicht zwingend wohldefi- tials von Sharing-Economy-Konzepten als niert sein, ihre Mitglieder verstehen sich solche. Das gemeinschaftliche Gestalten jedoch oft als eine Gruppe. Akteure klas- Sharing Economy 7
sischer Märkte, wie bspw. die des Einzel- geprägt, dass die Konsumentin bzw. die handels, verstehen sich hingegen in der Nutzerin nur die tatsächliche Nutzung Regel nicht als Gruppe, nur weil sie im bezahlt (minutengenaue Abrechnung). selben Supermarkt einkaufen. Trust and recommendation: Vertrauen 2.2 Neue Schlüsselwerte und in alle Beteiligten ist eine fundamentale -eigenschaften Voraussetzung für das Funktionieren der Sharing Economy. Besitzerinnen müs- Eine weitere Perspektive, die hilft, die sen den Konsumentinnen ihr Eigentum disruptiven Grundlagen der Sharing Eco- anvertrauen und Konsumentinnen verlas- nomy zu verstehen, ist das Konzept der sen sich darauf, die entsprechende Res- alten und neuen Schlüsseleigenschaften source in der vereinbarten Form nutzen nach Heimans und Timms (2014). Alte zu können. Ein wichtiger Regulationsme- Schlüsseleigenschaften sind beispiels- chanismus für dieses Vertrauenssystem weise der Wettbewerbsgedanke und sind Empfehlungs- und Berichtsmöglich- eine professionelle Berufsausübung, die keiten, die zur Kontrolle dienen. Klassi- in der Vergangenheit und auch in der sche ökonomische Konzepte hingegen Gegenwart meist noch dominieren. Dem basieren stärker auf dem Vertrauen in entgegen stehen heute Konzepte der Institutionen (z.B. in eine Supermarkt- offenen Zusammenarbeit und eine Do-it- kette) als auf dem in einzelne Individuen. yourself-Kultur als neue Schlüsselwer- te (engl. „Power Values“). Heimans und Consumption-based pricing: Während Timms argumentieren, dass die neu- klassische Geschäfte meist mit pauscha- en Schlüsseleigenschaften die bestim- len Beträgen arbeiten (z.B. Fixer Betrag menden Merkmale in Wirtschaft und für Automiete pro Tag), sind Angebo- Gesellschaft der kommenden Jahre sein te der Sharing Economy häufig davon werden. Die Sharing Economy bedient Tabelle 1: Schlüsselwerte (basierend auf Heimans und Alte „Power Values“ Neue „Power Values“ Timms 2014) Governance Managerialismus, Institu- Informelle, „opt-in“-Ent- tionalisierung, repräsen- scheidungsfindung, tative Governance Selbstorganisation, vernetzte Governance Kollaboration Exklusivität, Konkurrenz, Open-Source-Kollabora- Autorität, Ressourcenzu- tion, Weisheit der „Crowd“, sammenführung Sharing Transparenz Diskretion, Geheim- Radikale Transparenz haltung, Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Sphäre Do it ourselves, DIO Professionalisierung, Spe- „Macherkultur“ (Do It Ourselves) zialisierung Affiliation Langfristige Bindung und Kurzfristige und zweck- Loyalität, weniger umfas- bezogene Bindung, sende Beteiligung umfassende Beteiligung 8 Berichte des NEGZ
sich zahlreicher neuer „Power Values“ wie Unbenommen der steigenden Bedeu- der radikalen Transparenz und Crowd- tung der Sharing Economy und auch sourcing, aber auch der bereits genann- ihrer meist noch positiven Bewertung ten Werte offener Zusammenarbeit und treten immer stärker auch nachteilige Do-it-yourself-Kultur (vgl. Tabelle 1). Effekte zu Tage (vgl. z. B. (Ganapati und Reddick 2018). Ein Beispiel ist Airbnb, das nicht nur zu einer besseren Vermitt- 2.3 Treiber, Risiken und lung von leeren Wohnungen führt, son- Herausforderungen dern auch zur Verknappung von Wohn- raum in Großstädten (Dobusch 2017). Bestimmte soziale, ökonomische, öko- Zimmer, die bisher dauerhaft vermietet logische und technologische „Trei- wurden, werden inzwischen via Airbnb ber“ haben in den letzten Jahren die an Touristinnen vermittelt und stehen oben genannten Prinzipien und damit dem normalen Wohnungsmarkt damit die Sharing Economy erheblich geför- nicht mehr zur Verfügung.2 Unter ande- dert (vgl. z. B. (Gerwe und Silva 2018; rem in Paris zieht die Politik bereits Kon- Frenken und Schor 2017). Beispiele sind sequenzen und fordert 12,5 Mio, Euro von ein erhöhtes Bewusstsein für Umwelt- dem Unternehmen.3 schutz, sinkendes Vertrauen in klassi- sche ökonomische Institutionen im Zuge Nach Marchi und Parekh (2015) lassen der letzten Wirtschaftskrise, aber auch sich folgende allgemeine Herausforderun- Trends zu Gemeinschafts- und Commu- gen im Umgang mit der Sharing Economy nity-Bildung. Im öffentlichen Sektor gibt kategorisieren: es mit der Sharing City Initiative (SCI) ein Beispiel dafür, wie die Sharing Economy •• Klärung der Rollen und Verantwort- als Werkzeug zur Erreichung sozialer und lichkeiten für die Nachverfolgung und wirtschaftlicher Ziele angesehen wird Bestrafung von Missbrauch und deshalb politisch gefördert wird (Moon 2017). −− Wie können beispielsweise Room- sharing-Unternehmen den Beden- Ein substanzieller Treiber der Sharing ken öffentlicher Stellen bzgl. stei- Economy sind die Fortschritte in der gender Mieten in Städten wie Informations- und Kommunikations- Florenz und Reykjavik oder dem technik (IuK). Die Rolle der IuK für die Wertverlust von Wohnvierteln in Sharing Economy ist die des „Enablers“. z.B. Barcelona entgegentreten? Durch moderne IT werden die Vorausset- zungen geschaffen, um die Organisation •• Koexistenz mit bestehenden Anbietern und die Abwicklung der Sharing Economy der klassischen Wirtschaft schnell und einfach zu ermöglichen, sie wird „enabled“. Auch bisher war es zwar −− Wie können Ridesharing- und Taxi- theoretisch möglich, seine Wohnung angebote zu Gunsten der Kundinnen bei kurzer Abwesenheit an Touristinnen stärker unterschieden werden? zu vermieten, in der Praxis war der Auf- wand, eine passende Mieterin zu finden, −− Wie können Roomsharing-Dienste jedoch zu hoch. Durch den Einsatz einer öffentlichen Institutionen helfen, Online-Plattform wie Airbnb mit entspre- Großveranstaltungen wie die chenden mobilen Apps und Browseran- COP21-Konferenz der Vereinten wendungen lassen sich solche Aufwände Nationen in Paris im Dezember 2015 einfach und bequem realisieren. oder die Olympischen Spiele in Brasilien 2016 auszurichten? 2 Nicht-profitorientierte Varianten der Sharing Economy wie Couchsurfing haben diese Nachteile in der Regel nicht, dafür aber volatilere Finanzierungskonzepte (Dobusch 2017). 3 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/paris-airbnb-101.html, aufgerufen am 28.02.2019 Sharing Economy 9
•• Steuern eintreiben Für den öffentlichen Sektor ergibt sich daraus nach Ganapati und Reddick −− Sollen Sharing-Economy-Dienste (2018) ein Paradoxon. Einerseits erfor- Steuern eintreiben, wie es seit kur- dern die genannten Herausforderungen zem in Barcelona und Paris mit der regulatorische Eingriffe des Staates, um Übernachtungssteuer durch Airbnb negative Auswirkungen der Sharing Eco- gehandhabt wird? nomy zu minimieren. Andererseits muss er Sorge tragen, dass dabei der innovati- •• Datenmissbrauch verhindern ve Charakter und die damit einhergehen- den Vorteile der Sharing Economy durch −− Teilnehmerinnen der Sharing Economy Regulierung nicht verhindert werden. können dabei helfen, Risiken zu klä- ren und in Kooperation mit Regulie- rungsbehörden sicherzustellen, dass Kundinnen ihre Rechte kennen. 3 ERGEBNISSE 3.1 Methodisches Vorgehen geben, wurde gezielt nach Fallbeispie- len gesucht, bei denen öffentliche Ins- Im Rahmen dieser Studie wurde ein titutionen eine aktive Rolle spielen. multimethodischer Ansatz gewählt, um In diesem Rahmen wurde eine US-ameri- aus unterschiedlichen Quellen Informa- kanische Sharing-Economy-Plattform für tionen über die Potentiale von Sharing den öffentlichen Sektor sowie ein Car- Economy im öffentlichen Sektor zusam- Sharing-Verfahren aus Deutschland iden- menzutragen und um erste Praxisbei- tifiziert. spiele zu sammeln. So wurde eine Litera- turrecherche durchgeführt, Fallbeispiele Basierend auf den recherchierten Ergeb- identifiziert sowie Interviews und ein Work- nissen wurden vier Interviews mit Exper- shop mit Expertinnen durchgeführt. tinnen und Experten geführt, die im öffentlichen Sektor arbeiten bzw. im Um eine definitorische Basis für Sharing Auftrag des öffentlichen Sektors tätig Economy und verwandte Konzepte zu sind. Besonderes Augenmerk lag dabei erhalten, wurde eine Internet-Literatur- auf bereits bekannten Einsatzmöglich- recherche durchgeführt, die sich sowohl keiten von Sharing Economy im öffent- auf wissenschaftliche als auch auf Praxis- lichen Sektor, auf den Potentialen und quellen bezog. Dadurch konnten ebenfalls Risiken sowie auf den Voraussetzun- Potentiale und Risiken für Sharing Eco- gen, die für einen Einsatz von Sharing nomy allgemein abgeleitet werden. Da Economy im öffentlichen Sektor geschaf- Informationen zu Sharing Economy im fen werden müssen. öffentlichen Sektor bislang sehr rar sind, bezogen sich die identifizierten Ergeb- Abschließend wurde auf dem Creative nisse vor allem auf den Privatsektor. Bureaucracy Festival in Berlin ein knapp einstündiger Workshop mit ca. 20 Teil- Um erste Beispiele für Sharing Economy- nehmerinnen und Teilnehmern aus dem Konzepte im öffentlichen Sektor zu öffentlichen Sektor durchgeführt. Nach 10 Berichte des NEGZ
einer theoretischen Einführung in die 3.2 Betrachtete Fallstudien Thematik „Sharing Economy“ durch den Workshopleiter wurde das Potential der MuniRent Sharing Economy für den öffentlichen Sektor mit den Anwesenden Expertin- Ein prominentes Beispiel für Sharing nen und Experten diskutiert. In einem Economy im öffentlichen Sektor ist die ersten Abschnitt wurden die Teilnehme- Firma MuniRent (www.munirent.co) aus rinnen und Teilnehmer gebeten, Ressour- dem US-amerikanischen Michigan. Muni- cen des öffentlichen Sektors zu identi- Rent bietet öffentlichen Institutionen eine fizieren, die aus ihrer Sicht für Sharing digitale Plattform, über die sie schwere Economy-Konzepte grundsätzlich geeig- Gerätschaften wie Bagger, Radlader oder net sind. Rechtliche Aspekte wurden Lastwagen an andere öffentliche Institu- dabei zunächst außenvorgelassen. In tionen vermieten oder von anderen Insti- einem zweiten Abschnitt wurden Überle- tutionen mieten können (vgl. Abbildung gungen zum Potential der Sharing Eco- 2). Die Idee basiert auf der Beobachtung, nomy in der öffentlichen Verwaltung dass öffentlichen Institutionen häufig diskutiert. Dazu wurden zunächst die Vor- eine Vielzahl von Geräten besitzen, die aussetzungen des öffentlichen Sektors in sie über längere Zeiträume hinweg nicht Bezug auf Sharing-Economy-Konzepte nutzen. Auf der anderen Seite benöti- in Form seiner Stärken und Schwächen gen andere Institutionen solche Geräte thematisiert. In einem zweiten Schritt und müssen sie bislang auf umständli- wurden dann Chancen und Risiken von che Weise mieten. Für eine monatliche Sharing-Economy-Konzepten für den Gebühr können öffentlichen Institutionen öffentlichen Sektor erörtert. Abschließend ihre zu vermietenden Geräte auf Muni- wurden aus den gesammelten Ergebnis- Rent auflisten lassen und verleihen bzw. sen Handlungsempfehlungen abgeleitet. die benötigten Geräte von anderen Insti- tutionen ausleihen. Auf diese Weise kön- nen die vermietenden Institutionen ihre ungenutzten Geräte, deren Anschaffung zum Großteil sehr teuer war, gegenfinan- Abbildung 2: Webseite MuniRent4 4 https://www.munirent.co/, aufgerufen am 26.10.2018. Sharing Economy 11
zieren, während die mietenden Institutio- Stadtwerke Offenburg Unternehmen nen nicht selbst über spezialisierte Gerä- in der Region 40 Elektroautos zur Mie- te verfügen müssen, die sie selten nutzen. te an. Das Projekt wird im Rahmen des Programms Modellregionen Elektromo- MuniRent bietet zwei unterschiedliche bilität vom Bundesministerium für Ver- Dienstleistungen an. Beim sogenann- kehr und Digitale Infrastruktur geför- ten „regional sharing“ übernimmt Muni- dert. Das Angebot richtet sich unter der Rent die administrativen Prozesse bei der Woche nur an Unternehmen und wird Vermietung von Geräten zwischen zwei derzeit von 40 Unternehmen genutzt6 – (nahegelegenen) öffentlichen Institutio- u.a. von Pflegediensten, Arztpraxen oder nen. Das „internal sharing“ hingegen rich- Anwaltskanzleien. tet sich an große Städte und öffentliche Institutionen auf Bundesebene. Muni- Darüber hinaus ermöglicht es eMiO an Rent unterstützt dabei die Allokation von Wochenende, wenn die Unternehmen Geräten zwischen Teams und Abteilun- die Fahrzeuge nicht benötigen, die Elek- gen innerhalb einer Institution und bie- troautos über den Car-Sharing-Pool des tet Reservierungslisten und Kalender für Anbieters stadtmobil Rhein Main an Pri- die Geräte innerhalb einer Organisation vatpersonen zu vermieten. Als Kundin an. Darüber hinaus ermöglicht MuniRent von stadtmobil, als Nutzerin der eMobil- Auswertungen z.B. über die Auslastung Station Offenbach oder als Besitzerin der unterschiedlichen Geräte. eines e-Ticket RheinMain ist es grund- sätzlich möglich, die von eMiO ins offe- eMiO: Car Sharing in Offenbach ne Car-Sharing eingebrachten Fahrzeuge auszuleihen. eMiO ist dementsprechend Ein Fallbeispiel für Sharing Economy im ein Beispiel für Sharing Economy, bei öffentlichen Sektor aus dem deutschen dem der öffentliche Sektor sowohl die Raum ist das Forschungs- und Ent- Rolle der Besitzerin als auch der Platt- wicklungsprojekt eMiO der Stadtwerke formanbieterin übernimmt. Offenbach, das das Ziel verfolgt, Elekt- romobilität zu fördern.5 Dazu bieten die Abbildung 3: Webseite von „eMio“7 5 www.offenbach.de/stadtwerke/microsite/emio/eMiO/Was-steckt-hinter-eMiO.php, aufgerufen am 17.04.201.9. 6 Stand August 2015. 7 www.offenbach.de, aufgerufen am 26.10.2018. 12 Berichte des NEGZ
Durch dieses Angebot fördern die Stadt- weitere vorgeschlagene teilbare Ressour- werke Offenbach auf der einen Seite die cen dar. Eine ähnliche Eignung wurde umweltverträglichere E-Mobilität sowohl für öffentliche Areale und Anlagen, zum unter Unternehmen als auch unter Bür- Beispiel Sporthallen und Freizeitplät- gerinnen und Bürgern. Auf der anderen- ze, Grünflächen und Parkplätze, erkannt. Seite wird durch die zweifache Nutzung Parkplätze für öffentliche Bedienstete der Elektrofahrzeuge eine Ressourcen- sind bspw. am Abend und am Wochen- optimale Nutzung gewährleistet. ende i.d.R. ungenutzt und könnten in die- sen Zeiträumen allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht werden. 3.3 Analyse Neben materiellen Ressourcen wurden Basierend auf den Interviews sowie dem mehrfach Personalressourcen sowie In- Workshop mit Expertinnen und Experten frastruktur wie Internet oder IT-Einrichtun- im Rahmen des Creative Bureaucracy gen genannt. Auch Daten (beispielsweise Festival wurden folgende Ergebnisse Geodaten), Wissen, und allgemein Dienst- zusammengetragen: (1) eine Liste von leistungen bzw. Arbeitsprozesse wur- teilbaren Ressourcen, die eine grund- den aufgezählt. Erste Beispiele existieren sätzliche Eignung des öffentlichen Sek- bereits mit Dienstleistungszentren, die tors für die Rolle der Besitzerin aufzeigt, von mehreren Kommunen gemeinsam (2) eine Zusammenfassung der Chancen genutzt werden. Eine Übersicht der teil- und Risiken der Sharing Economy für den baren Ressourcen findet sich in Tabelle 2. öffentlichen Sektor. Chancen von Sharing-Economy-Kon- Geeignete teilbare Ressourcen des zepten im öffentlichen Sektor öffentlichen Sektors Einen klaren Vorteil des öffentlichen Sek- Neben Fahrzeugen und insbesondere tors sehen die Expertinnen und Experten E-Fahrzeugen sind nach Meinung der in seiner (rechtlichen) Stellung. Staatli- Interviewten vor allem Geräte wie bspw. che Monopole in bestimmten Bereichen Soundanlagen und auch Gebrauchs- ermöglichen es dem öffentlichen Sektor, gegenstände (zum Beispiel Stühle) für in Feldern tätig zu werden, die der pri- Sharing Economy geeignet. Öffentliche vate Sektor nicht abdecken kann. Weiter- Gebäude, wie Schulen, Universitäten hin sind öffentliche Einrichtungen durch oder Theater, sowie deren Räume stellen seine rechtliche Sonderrolle als Akteu- Tabelle 2: Teilbare Ressourcen des öffentlichen Sektors Materielle Ressourcen Immaterielle Ressourcen Fahrzeuge insbesondere Infrastruktur wie Internet oder E-Fahrzeuge IT-Einrichtungen Geräte und Gebrauchsgegenstände Daten, bspw. Geodaten wie Stühle und Soundanlagen Öffentliche Gebäude, wie Schulen, Wissen, bspw. zu Verwaltungs- Universitäten oder Theater, prozesse insbesondere deren Räume Öffentliche Areale und Anlagen, Dienstleistungen z.B. Sporthallen und Freizeitplätze, Grünflächen und Parkplätze Personalressourcen Sharing Economy 13
re besonders verlässlich, können bspw. liegen nach Einschätzung der Interview- nicht insolvent gehen. Eine weitere Stär- ten darin, dass geteilte Ressourcen nicht ke wird von den Interviewten im Wesen mehr spontan verfügbar sind. Wenn bei- des öffentlichen Sektors gesehen. Durch spielsweise der eigene Bagger gerade seine breiten Zuständigkeiten, die nahe- von einer anderen Kommune geliehen zu alle Lebensbereiche berühren, und sei- wird, kann er nicht direkt genutzt wer- ne geografische Flächenabdeckung sind den. Dadurch verringert sich die Flexibi- öffentliche Einrichtung besonders nahe lität von Abläufen und Vorgängen. Wei- bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das terhin wird bei scheiternden Sharing ermöglicht es, Potentiale und Möglichkei- Economy-Projekten eine negative öffent- ten für Sharing-Economy-Konzepte früh liche Wirkung befürchtet, die nachhaltige zu erkennen und diese in einem feingra- Auswirkungen auf das Bild des öffentli- nularen und lückenlosen Netz bereitzu- chen Sektors haben könnte. Auch könn- stellen. ten öffentliche Einrichtungen als Akteure in der Sharing Economy unrechtmäßig in Ein möglicher Beitrag zum Gemeinwohl bestehende, funktionierende Märkte ein- durch die Förderung von kollaborativen greifen und mit privaten Unternehmen Konzepten wird als große Chance der konkurrieren, ein Umstand, der als nicht Sharing Economy für die öffentliche Ver- vereinbar mit marktwirtschaftlichen Prin- waltung gesehen. Die Expertinnen und zipien gesehen wird. Schließlich stellt der Experten versprechen sich u.a. eine inte- Datenschutz den öffentlichen Sektor vor grative Wirkung von „öffentlicher“ Sha- Herausforderungen. ring Economy, die den öffentlichen Sek- tor und die Bürgerinnen und Bürger durch Rechtliche Aspekte eine enge Kooperation näher zusammen- bringen könnte. Finanzielle Einsparun- Sowohl in den durchgeführten Interviews gen durch effizientere Ressourcennut- als auch im Workshop wurden recht- zung und durch Verleih von ungenutzten liche Aspekte von Sharing-Economy- Assets stellt die zweite große Chance dar. Konzepten in der öffentlichen Verwal- Mit den freiwerdenden finanziellen Mittel tung thematisiert. Dazu zählten Fra- könnten nach Meinung der Expertinnen gen des Steuerrechts, insbesondere zur und Experten nachhaltige Investitionen Umsatzsteuer, die für öffentliche Einrich- getätigt werden. Darüber hinaus könnten tungen relevant ist, die als Ressourcenan- Sharing-Economy-Konzepte zwischen bieter und/oder Plattformbetreiber auf- öffentlichen Institutionen helfen, geringe treten. Dabei ging es maßgeblich um die Ressourcen zu kompensieren. Während Anwendung von § 2 b UStG. Weiterhin bspw. Kommunen Massengeschäfte wie wurde die rechtliche Lage bezüglich der z.B. Kfz-Anmeldungen relativ problemlos grundsätzlichen Legalität von Sharing- mit ihren derzeitigen Kapazitäten stem- Economy-Angeboten des öffentlichen men können, sind bei Sonderfällen, bei Sektors als kompliziert beschrieben. In denen Wissen nur punktuell gebraucht vielen Fällen fehle die rechtliche Klarheit wird, Kapazitäten häufig knapp. Abhilfe und müsse durch aufwändige Recherche könnte hier z.B. eine geteilte Mitarbeite- hergestellt werden. rin bzw. ein geteilter Arbeitsplatz schaf- fen, auf den mehrere Kommunen nach Bedarf zugreifen können. 3.4 Diskussion Risiken von Sharing-Economy-Konzep- Die Sharing Economy hat Potential im ten im öffentlichen Sektor öffentlichen Sektor in Deutschland. Kon- krete Umsetzungen sollten allerdings dif- Als Schwächen des öffentlichen Sek- ferenziert analysiert werden, um nicht tors wurden insbesondere einige, mit nur Stärken und Chancen zu betrachten, bürokratischen Strukturen assoziier- sondern auch Schwächen und Gefahren te Eigenschaften wie Zurückhaltung frühzeitig zu erkennen (vgl. Abbildung 4). gegenüber Neuem und starre Struktu- Das zeigen die im Rahmen der Kurzstudie ren genannt. Ganz praktische Gefahren untersuchten Fallbeispiele und die empi- 14 Berichte des NEGZ
rischen Ergebnisse der Kurzstudie. Das schätzt, da zum Beispiel das Netzwerk Car-Sharing-Angebot der Stadtwerke von betroffenen Akteuren im öffentli- Offenbach ist ein erstes Beispiel für eine chen Sektor oft relativ komplex ist (vgl. öffentliche Einrichtung, die als Besitzerin zum Beispiel (Balta et al. 2015)). Schließ- und Plattformanbieterin fungiert. Ange- lich fehlt auch rechtliche Klarheit, was die bote wie MuniRent lassen sich grund- Teilnahme öffentlicher Einrichtungen an sätzlich auf den deutschen Kontext der Sharing Economy bremst. übertragen. Die mittels Expertinnen und Experten zusammengestellte Übersicht von teilbaren Ressourcen zeigt das grund- sätzliche Potential der Sharing Economy über E-Fahrzeuge hinaus. Die Liste deckt jedoch ein sehr breites Spektrum an Res- sourcen ab und bedarf deshalb einer detaillierteren Untersuchung, die u.a. Faktoren für eine Teilbarkeit erarbeitet. Dank der Stärken des öffentlichen Sek- tors, insbesondere seine Verbreitung in der Fläche, sind die Chancen der Sharing Economy im öffentlichen Sektor beson- ders groß. Expertinnen versprechen sich u.a. Beiträge zum Gemeinwohl und eine effizientere Ressourcennutzung. Aber auch die Risiken sind evident. Mit seinen bürokratischen Strukturen fehlen dem öffentlichen Sektor die neuen Schlüssel- werte, die die Sharing Economy tragen. Eine Transformation hin zu diesen Wer- ten wird als sehr herausfordernd einge- Abbildung 4: Stärken, SCHWÄCHEN Schwächen, Gefahren und STÄRKEN • Punktuell genutzte Ressourcen • Lange Innovationszyklen Chancen • Vertrauen und Zuverlässigkeit • Fehlende Erfahrung • Etabliertes Netzwerk von • Rechtliche Stellung Akteuren CHANCEN GEFAHREN • Nebenwirkungen • Förderung von Nachhaltigkeit • Höhere Abhängigkeit • Neue Formen der Teilhabe • Marktverzerrung • Wirtschaftlichkeit und Flexibilität Sharing Economy 15
4 HANDLUNGS- EMPFEHLUNGEN Basierend auf dem erarbeiteten wissen- des öffentlichen Sektors mit Sharing- schaftlichen und praktischen Hinter- Economy-Konzepten entwickelt werden. grund zur Sharing Economy wurden mit- hilfe der Ergebnisse dieser Kurzstudie Information und Umdenken im erste Handlungsempfehlungen für den Management öffentlichen Sektor in Deutschland abge- leitet. Die Sharing Economy mit ihren neuen Schlüsselwerten erfordert ein Umdenken Relevante Ressourcen identifizieren und Ausprobieren. Der öffentliche Sektor mit seinen langen Innovationszyklen und Wie die empirischen Ergebnisse zeigen, bürokratischen Strukturen besitzt nicht verfügt der öffentliche Sektor über zahl- zwingend die dazu nötige Offenheit und reiche Ressourcen, die grundsätzlich Fähigkeiten. Dieser Schwäche sollte des- teilbar sind. Die aufgeführten Ressour- halb über gezielte Informationen und cen sind jedoch sehr unterschiedlich, Schulung zu den Chancen der Sharing was unterschiedliche Eignungsgrade Economy entgegengewirkt werden. Ins- vermuten lässt und eine genauere Ana- besondere Führungskräfte sollten voran- lyse erfordert. Faktoren wie Ökologie gehen und über eine Vorbildfunktion den und Wirtschaftlichkeit sowie weitere nötigen kulturellen Wandel vorantreiben. noch zu definierende Faktoren sollten bei der Identifizierung relevanter Ressourcen miteinbezogen werden. Rechtliche Rahmenbedingungen klären Eine der großen Hürden für Sharing- Economy-Konzepte im öffentlichen Sek- tor ist die unklare rechtliche Situation. Solange diese Unklarheiten bestehen, können die Chancen der Sharing Economy nicht ausgeschöpft werden. Der Gesetzgeber sollte deshalb die rechtlichen Rahmenbedingungen klären und damit Sicherheit für öffentliche Ein- richtungen schaffen. Prozesse definieren für den Umgang mit der Sharing Economy Bei Sharing-Economy-Konzepten im öffentlichen Sektor müssen sehr viele unterschiedliche Aspekte und Faktoren berücksichtigt werden – von der Eignung der Ressourcen über das Geschäfts- modell bis hin zu rechtlichen Fragen. Um den Umgang mit dieser Komplexität zu steuern, sollten Prozesse für den Umgang 16 Berichte des NEGZ
5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Die Ergebnisse dieser Kurzstudie haben einen ersten Einblick in Sharing- Economy-Konzepte im öffentlichen Sektor gegeben. Nach einer definitori- schen und theoretischen Einordnung der Sharing Economy wurde anhand von zwei Praxisbeispielen aufgezeigt, wie Sharing Economy im öffentlichen Sek- tor funktionieren kann. Mithilfe von Inter- views sowie einem Workshop mit Exper- tinnen und Experten wurden weitere Chancen und Risiken sowie für Sharing Economy potentiell geeignete Ressour- cen identifiziert. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden abschließend Stär- ken, Schwächen, Gefahren sowie Chan- cen identifiziert sowie erste Handlungs- empfehlungen gegeben. Zukünftig könnten aktuelle Technologie- entwicklungen wie Methoden der Künst- lichen Intelligenz (KI) oder die Blockchain die Sharing Economy weiter fördern und anschieben. Die KI kann insbesondere beim sogenannten „Matching“, also dem Zusammenbringen von Angebot und Nachfrage, helfen. Selbstlernende Algo- rithmen könnten basierend auf Daten zu vergangenen Matches zukünftige Mat- ches besser vorhersagen. Die Blockchain wiederum erlaubt verteilte und manipu- lationssichere Plattformen, die die bisher notwendige zentrale Instanz nicht mehr brauchen. Solche Plattformen wären dann wieder stärker crowdbasiert und unabhängiger. Für den öffentlichen Sek- tor ergeben sich damit weitere Chan- cen und potentielle Sharing-Economy- Konzepte, die in einem geeigneten recht- lichen Rahmen ausgeschöpft werden sollten. Sharing Economy 17
18 Berichte des NEGZ
ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS Abbildung 1: Funktionsweise Sharing Economy (basierend auf Benoit et. al. 2017) 5 Abbildung 2: Webseite MuniRent 11 Abbildung 3: Webseite von „eMio“ 12 Abbildung 4: Stärken, Schwächen, Gefahren und Chancen 15 Tabelle 1: Schlüsselwerte (basierend auf Heimans und Timms 2014) 8 Tabelle 2: Teilbare Ressourcen des öffentlichen Sektors 13 Sharing Economy 19
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LITERATURVERZEICHNIS Andersson, M., Hjalmarsson, A., and Avital, M. 2013. “Peer-to-Peer Service Sharing Platforms: Driving Share and Share Alike on a Mass-Scale,” International Conference on Information Systems 2013. Balta, D., Greger, V., Wolf, P., & Krcmar, H. (2015). E-government stakeholder analysis and management based on stakeholder interactions and resource dependencies. In 48th Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS), pp. 2456-2465, IEEE. Benoit, S., Baker, T. L., Bolton, R. N., Gruber, T., and Kandampully, J. 2017. “A triadic framework for collaborative consumption (CC): Motives, activities and resources & capabilities of actors,” in Journal of Business Research, Volume 79, 2017, pp. 219- 227 (doi: 10.1016/j.jbusres.2017.05.004). Cheng, M., 2016. “Sharing economy: A review and agenda for future research,” in International Journal of Hospitality Management, Volume 57, 2016, pp. 60-70 (doi: 10.1016/j.ijhm.2016.06.003). Dobusch, L., 2017. “Visionen der digitalen Stadt: Smart, Sharing oder Open?“ in WISO direkt, Volume 33/2017. Frenken, K., and Schor, J. 2017. “Putting the sharing economy into perspective” in Environmental Innovation and Societal Transitions, Volume 23, pp. 3-10 (doi: 10.1016/j.eist.2017.01.003). Ganapati, S., and Reddick, C. G. 2018. “Prospects and challenges of sharing econo- my for the public sector” in Government Information Quarterly, Volume 35, Issue 1, pp. 77-87 (doi: 10.1016/j.giq.2018.01.001). Gerwe, O., and Silva, R. 2018. “Clarifying the Sharing Economy: Conceptualization, Typology, Antecedents, and Effects” in Academy of Management Perspectives (doi: 10.5465/amp.2017.0010). Heimans, J., and Timms, H. 2014. “Understanding ‘New Power’” in Harvard Business Review, Volume December 2014. Hofmann, S., Za, S., Braccini, A., Sæbø, Ø. 2018. “Exploring the Concept of Collabo- rative Consumption in the Public Sector,” at Scandinavian Workshop on E-Govern- ment, Kopenhagen, Dänemark. Marchi, A., and Parekh, E. 2015. “How the sharing economy can make its case” in McKinsey Quarterly, Volume December 2015. Matofska, B., 2016. „What is the Sharing Economy?” at http://www.thepeoplewhos- hare.com/blog/what-is-the-sharing-economy/, retrieved on 26th of October 2018. Moon, M. J., 2017 „Government-driven Sharing Economy: Lessons from the Sha- ring City Initiative of the Seoul Metropolitan Government”, in Journal of Developing Societies, Volume 33, Issue 2, pp. 223-243 (doi: 10.1177/0169796X17710076) Sharing Economy 21
IMPRESSUM Die Kurzstudie basiert auf einer Nationales E-Government Initiative des Nationalen E-Government Kompetenzzentrum e. V. Kompetenzzentrum e. V. Pressehaus / 4102 Schiffbauerdamm 40 Ansprechpartner 10117 Berlin Dian Balta, M.Sc. +49 (0)30 80494747 fortiss gemeinnützige GmbH info@negz.org balta@fortiss.org negz.org Gestalterische Umsetzung made in – Branding & Interactive Design www.madein.io 22 Berichte des NEGZ
BERICHTE DES NEGZ Folgende Kurzstudien sind in der Reihe „Berichte des NEGZ“ bereits erschienen: Nr. 1 S chuppan, T., Köhl, S., Off, T. (2018). Vollzugsorientierte Gesetzgebung durch eine Vollzugssimulationsmaschine, Berlin. » DOI Nr. 2 O gonek, N., Distel B., Ben Rehouma, M., Hofmann, S., Räckers, M. (2018). Digitalisierungsverständnis von Führungskräften, Berlin. » DOI Nr. 3 D jeffal, C. (2018). Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung, Berlin. » DOI Nr. 4 F adavian, B., Franzen-Paustenbach, D., Rehfeld, D., Schmitt, M., Schweikart, D., Djeffal, C. (2019). Data Driven Government, Berlin. » DOI Sharing Economy 23
Nationales E-Government Kompetenzzentrum e. V. Pressehaus / 4102 Schiffbauerdamm 40 10117 Berlin +49 (0)30 80494747 info@negz.org negz.org ISSN (online) 2626-6032 DOI 10.30418/2626-6032.2019.05
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