SHARING ECONOMY: POTENTIAL IM ÖFFENTLICHEN SEKTOR - BERICHTE DES NEGZ NR. 5

Die Seite wird erstellt Hannes Michel
 
WEITER LESEN
SHARING ECONOMY: POTENTIAL IM ÖFFENTLICHEN SEKTOR - BERICHTE DES NEGZ NR. 5
BERICHTE DES NEGZ   NR. 5

SHARING ECONOMY:
POTENTIAL IM
ÖFFENTLICHEN SEKTOR
Dian Balta
Sara Hofmann
Peter Kuhn
Helmut Krcmar
SHARING ECONOMY: POTENTIAL IM ÖFFENTLICHEN SEKTOR - BERICHTE DES NEGZ NR. 5
Für einen modernen Staat

Das Nationale E-Government Kompetenzzentrum
vernetzt Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft
und Wirtschaft und ist die zentrale, unabhängige
Plattform für Staatsmodernisierung und Verwaltungs-
transformation in Deutschland.

Herausgegeben und gefördert vom
Nationalen E-Government Kompetenzzentrum e. V.
Berlin 2019
INHALT

      Zusammenfassende Empfehlungen                   4

1.    Einleitung                                      5

2.    Wissenschaftlicher und praktischer
      Hintergrund                                      7
      2.1    Prinzipien der Sharing Economy            7
      2.2    Neue Schlüsselwerte und -eigenschaften    8
      2.3    Treiber, Risiken und Herausforderungen    9

3.    Ergebnisse                                      10
      3.1    Methodisches Vorgehen                    10
      3.2    Betrachtete Fallstudien                   11
      3.3    Analyse                                  13
      3.4 Diskussion                                  14

4. Handlungsempfehlungen                              16

5.    Zusammenfassung und Ausblick                    17

      Abbildungs- und Tabellenverzeichnis             19

      Literaturverzeichnis                            21

      Impressum                                       22

Sharing Economy                                              3
ZUSAMMENFASSENDE
EMPFEHLUNGEN
Das gemeinschaftliche Teilen von Res-      im öffentlichen Sektor in Deutschland
sourcen ist ein signifikantes Phänomen     eingesetzt werden? Basierend auf Lite-
im privaten Sektor. Bekannte Beispie-      raturrecherchen, Interviews und einem
le für die sogenannte Sharing Economy      Workshop mit Expertinnen und Exper-
sind Airbnb und car2go. Sie unterschei-    ten wurden im Rahmen der Kurzstudie
det sich in grundlegenden Prinzipien von   erste Untersuchungen zum Potential der
klassischen wirtschaftlichen Angeboten.    Sharing Economy im öffentlichen Sek-
Zu diesen Prinzipien zählen mehrdimen-     tor durchgeführt. Dabei werden nicht nur
sionale Märkte, Crowdsourcing und emp-     Chancen, sondern auch Herausforderun-
fehlungsbasiertes Vertrauen. Der Erfolg    gen identifiziert und eine erste Grundla-
von Sharing-Economy-Konzepten lässt        ge – basierend auf Stärken, Schwächen,
sich mithilfe von Veränderungen gesell-    Chance und Gefahren – für die Analyse
schaftlicher Schlüsselwerte erklären und   zukünftiger Anwendungsfälle geschaf-
ist getrieben von sozialen und ökologi-    fen. Abschließend werden Handlungs-
schen, aber insbesondere technischen       empfehlungen für die Ausschöpfung des
Entwicklungen in der Informations- und     identifizierten Potentials abgeleitet: Iden-
Kommunikationstechnik. Neben den           tifikation relevanter Ressourcen, Klärung
Versprechen der Sharing Economy wie        rechtlicher Rahmenbedingungen, Defi-
Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz     nition von Prozessen sowie Ausbau von
treten auch ihre Risiken und Herausfor-    Informationsangebot und Umdenken im
derungen zutage. Unter anderem sind        Management.
die Rollen und Verantwortlichkeiten bei
entsprechenden Diensten nicht immer        Schlagwörter: Sharing Economy, öffentli-
eindeutig, es gibt teils negative Neben-   cher Sektor, Potentialstudie
effekte und es entstehen neue daten-
schutzrechtliche Fragestellungen.

Im öffentlichen Sektor ist das Phäno-
men bislang kaum präsent. Dabei kön-
nen auch staatliche Einrichtungen grund-
sätzlich alle drei typischen Rollen der
Sharing Economy (Konsumentin, Besit-
zerin und Plattformbetreiberin) wahrneh-
men. Gleichzeitig ist eine Übertragung
der Konzepte und deren Umsetzung aus
dem privaten Sektor nur beschränkt auf
den öffentlichen Sektor möglich, bedingt
durch die unterschiedlichen Rahmenbe-
dingungen.

Diese    Kurzstudie   untersucht,  wel-
ches Potential die Sharing Economy im
öffentlichen Sektor in Deutschland hat.
Dabei werden die folgenden zwei Fra-
gen adressiert: (i) Welche Anwendun-
gen der Sharing Economy sind bereits im
öffentlichen Sektor zu finden? (ii) In
welchen Bereichen und unter welchen
Voraussetzungen kann Sharing Economy

4             Berichte des NEGZ
1. EINLEITUNG

Der Anteil der Sharing Economy an der                Während alle drei Rollen (Besitzerin,
Gesamtwirtschaft ist in den letzten Jah-             Konsumentin, Plattform) vorhanden sein
ren stark gestiegen (Gerwe und Silva                 müssen, um von Sharing Economy zu
2018, Cheng 2016, Andersson et al. 2013).            sprechen, können Akteure gleichzeitig
Bekannte Beispiele sind die Unterkunfts-             mehrere Rollen übernehmen. Z.B. könn-
vermittlung Airbnb und Carsharing-                   te eine Plattformanbieterin zugleich auch
Angebote wie car2go. Sharing-Economy-                Besitzerin einer zu teilenden Ressource
Angebote haben gemeinsam, dass sie                   sein.
das Teilen von Ressourcen ermöglichen,
die bisher zeitweise ungenutzt oder nicht            Bei Airbnb, car2go und den meisten
zugänglich waren. Im Fall von Airbnb kön-            bekannten Plattformen von Sharing-
nen beispielsweise Privat-Wohnungen,                 Economy-Angeboten handelt es sich
die in der Urlaubszeit leer stehen, tempo-           um kommerzielle Dienste des priva-
rär von Touristinnen genutzt werden. Die             ten Sektors. Bürgerinnen und Bürger
Ressource Wohnung wird damit kurzzei-                sowie Unternehmen nutzen diese Ange-
tig zur Ressource Hotelzimmer umfunk-                bote heute intensiv. Im öffentlichen
tioniert. Möglich wird diese flexible Res-           Sektor Deutschlands hingegen sind
sourcennutzung durch Plattformen, die                Sharing-Economy-Konzepte bisher kaum
Besitzerinnen und Konsumentinnen einer               verbreitet. Sowohl öffentlich getragene
Ressource zusammenbringen. Die Platt-                Plattformen als auch die Nutzung von
formen dienen dabei nur als Intermediä-              privaten Plattformen (als Besitzerin oder
re, das tatsächliche Teilen – das „Sharing“          Konsumentin) durch öffentliche Einrich-
– der Ressource findet direkt zwischen               tungen sind kaum bekannt. Dabei hat der
Besitzerin und Konsumentin statt. Die                öffentliche Sektor zahlreiche Ressourcen,
daraus entstehende Dreiecksbeziehung                 die immer wieder zeitweise ungenutzt
zwischen Besitzerin, Konsumentin und                 sind und dementsprechend für „Sha-
Plattform ist charakteristisch für den kol-          ring“ in Frage kommen. Ein Beispiel für
laborativen Konsum der Sharing Economy               solche Ressourcen sind große Bauma-
(vgl. Abbildung 1).                                  schinen wie Bagger, die viele Kommu-
                                                     nen besitzen, aber nicht ständig benö-
                                                     tigen. Mit MuniRent gibt es in den USA

                                                                                                           Abbildung 1: Funktionsweise
                                       Teilen der Ressource                                                Sharing Economy (basierend auf
                                                                                                           Benoit et al. 2017)
                                               Empfehlung                                         Konsu-
   Besitzerin
                                                                                                  mentin
                              M
                               ar                                        a  ng
                                   kt
                          A           zug                            zug            e
                  A          ng           an                    r kt          rag             r
                   us             eb        g               M
                                                              a           h f
                                                                                         b üh
                     le             ot                                a c              e
                        ih                                         N                hg
                          ge                                                      i
                              bü                                               le
                                  hr                                      us
                                                                       A

                                                Plattform

Sharing Economy                                                                                                                        5
bereits ein Konzept, mit dem öffentli-               die empirischen Ergebnisse der Studie
che Einrichtungen solche Gerätschaften               vorgestellt. Dazu zählen geeignete teil-
untereinander verleihen können. Auch in              bare Ressourcen sowie Chancen und
Deutschland gibt es erste Beispiele der              Risiken der Sharing Economy im öffent-
öffentlichen Sharing Economy, wie das                lichen Sektor. Abschließend werden erste
Car-Sharing-Angebot der Stadtwerke                   Handlungsempfehlungen für den öffent-
Offenbach. Insgesamt steht das Phäno-                lichen Sektor in Deutschland abgeleitet
men hierzulande aber noch am Anfang.                 und die Kurzstudie zusammengefasst.

Grundsätzlich können Verwaltungen und
Behörden alle drei oben genannten Rol-
len (Besitzerin, Konsumentin und Platt-
formbetreiberin) einnehmen (Hofmann
et al. 2018).1 Eine solche Partizipation
an der Sharing Economy hätte dabei
potentiell erhebliche finanzielle Vortei-
le für staatliche Stellen, da benötigte
Ressourcen nach Bedarf gemietet und
nicht mehr dauerhaft angeschafft wer-
den müssten. Für bereits vorhandene
Ressourcen könnte durch Verleih ein ver-
besserter Nutzungsgrad erreicht werden.
Schließlich ließen sich durch öffentliche
Plattformen neue Ressourcenmärkte eta-
blieren, die kommerzielle Anbieter nicht
abdecken.

Diese Kurzstudie untersucht das Poten-
tial von Sharing Economy für den öffent-
lichen Sektor in Deutschland. Dabei
werden die folgenden zwei Fragen
adressiert: (i) Welche Anwendungen der
Sharing Economy sind bereits im öffent-
lichen Sektor zu finden? (ii) In welchen
Bereichen und unter welchen Vorausset-
zungen kann Sharing Economy im öffent-
lichen Sektor in Deutschland eingesetzt
werden? Zunächst wird auf den wissen-
schaftlichen und praktischen Hintergrund
sowie die Grundlagen des Konzepts ein-
gegangen. Dazu gehören die Definitio-
nen und Prinzipien der Sharing Economy
sowie veränderte Schlüsselwerte und Trei-
ber, die den Erfolg der Sharing Economy
erklären können. Schließlich werden Risi-
ken und Herausforderungen der Sharing
Economy ausgeführt. Das darauffolgen-
de Kapitel mit Ergebnissen stützt sich auf
Interviews und Workshops mit Expertin-
nen und Experten. Nach der Vorstellung
zweier beispielhafter Fallstudien werden

1   Die Rolle des Regulators der Sharing Economy wird vom öffentlichen Sektor bereits wahrgenommen
    (Hofmann et al. 2018).

6                 Berichte des NEGZ
2. WISSENSCHAFTLICHER
UND PRAKTISCHER
HINTERGRUND

Der Begriff „Sharing Economy“ wird           derselben, die crowdbasierte Entwicklung
weder in der Literatur noch im alltäg-       von innovativen Verwaltungsdienstleis-
lichen Sprachgebrauch einheitlich ver-       tungen bspw., ist nicht Gegenstand.
wendet. Mit ihm werden sowohl loka-
le, kooperative „Crowd“-Plattformen als      Zum Zwecke der weiteren Annäherung
auch sehr große, mit enormem Wagnis-         werden im Folgenden wichtige Prin-
kapital ausgestattete Unternehmen wie        zipien, Werte und Treiber der Sharing
Uber und Airbnb bedacht (Cheng 2016).        Economy eingeführt, bevor typische
                                             Risiken und Herausforderungen von
Matofska (2016) definiert die Sharing        Sharing-Economy-Angeboten themati-
Economy sehr allgemein als die „gemein-      siert werden.
schaftliche Gestaltung, Produktion, Dis-
tribution, de[n] Handel sowie de[n] Kon-
sum von Gütern und Dienstleistungen          2.1 Prinzipien der Sharing
durch unterschiedliche Personen und          Economy
Organisationen“. Dieser Definition fol-
gend ist Sharing Economy als ein sozio-      Gemeinsam haben alle oben genannten
ökonomisches Ökosystem zu verstehen,         Definitionen, dass sie ein wirtschaftliches
dessen Kern das Teilen von menschli-         Phänomen beschreiben, das sich von
chen, physischen und intellektuellen Res-    bisher bekannten Interaktionsformen in
sourcen ist.                                 grundlegenden Prinzipien unterscheidet.
                                             Knote und Blohm (2016) beschrieben vier
Eine engere Definition ist die von Frenken   Prinzipien der Sharing Economy, welche
und Schor (2017). Der Autor und die Auto-    im Folgenden zusammengefasst werden.
rin beschränken die Sharing Economy auf
das Teilen von nicht durchgehend genutz-     Multi-sided markets: Durch die Drei-
ten bzw. ungenutzten physischen Gütern       ecksstruktur zwischen Besitzerin, Kon-
(„under-utilized physical assets“). Platt-   sumentin und Plattform entstehen drei
formen wie Wikipedia, die immaterielle       Schnittstellen, die jeweils einen Markt
Ressourcen teilen, sind in dieser Defini-    implizieren: Zwischen Besitzerin und
tion der Sharing Economy nicht einbegrif-    Konsumentin werden die Konditionen
fen. Weiterhin wird das Teilen mit oder      für die Nutzung der Ressource verhan-
ohne finanzielle Vergütung unterschie-       delt; zwischen Besitzerin beziehungs-
den (Gerwe und Silva 2018). Neben zahl-      weise Konsumentin und der Plattform
reichen Definitionen gibt es außerdem        hingegen jeweils die Konditionen für die
verwandte Begriffe wie „collaborative        Nutzung der Plattform. Klassische öko-
consumption“ oder „peer to peer sharing      nomische Konzepte gehen von zwei
economy“, wobei eine Abgrenzung noch         Akteuren und nur einem Markt aus.
aussteht.
                                             Crowdsourcing: Die Sharing Economy
Dieser Kurzstudie liegt die breite Defini-   lebt von den Individuen und Gemein-
tion der Sharing Economy nach Matofska       schaften (Crowd), die die Ressourcen
(2016) zugrunde. Sie beschränkt sich         untereinander teilen. Diese Gemeinschaf-
jedoch auf die Untersuchung des Poten-       ten müssen nicht zwingend wohldefi-
tials von Sharing-Economy-Konzepten als      niert sein, ihre Mitglieder verstehen sich
solche. Das gemeinschaftliche Gestalten      jedoch oft als eine Gruppe. Akteure klas-

Sharing Economy                                                                            7
sischer Märkte, wie bspw. die des Einzel-       geprägt, dass die Konsumentin bzw. die
handels, verstehen sich hingegen in der         Nutzerin nur die tatsächliche Nutzung
Regel nicht als Gruppe, nur weil sie im         bezahlt (minutengenaue Abrechnung).
selben Supermarkt einkaufen.

Trust and recommendation: Vertrauen             2.2 Neue Schlüsselwerte und
in alle Beteiligten ist eine fundamentale       -eigenschaften
Voraussetzung für das Funktionieren der
Sharing Economy. Besitzerinnen müs-             Eine weitere Perspektive, die hilft, die
sen den Konsumentinnen ihr Eigentum             disruptiven Grundlagen der Sharing Eco-
anvertrauen und Konsumentinnen verlas-          nomy zu verstehen, ist das Konzept der
sen sich darauf, die entsprechende Res-         alten und neuen Schlüsseleigenschaften
source in der vereinbarten Form nutzen          nach Heimans und Timms (2014). Alte
zu können. Ein wichtiger Regulationsme-         Schlüsseleigenschaften sind beispiels-
chanismus für dieses Vertrauenssystem           weise der Wettbewerbsgedanke und
sind Empfehlungs- und Berichtsmöglich-          eine professionelle Berufsausübung, die
keiten, die zur Kontrolle dienen. Klassi-       in der Vergangenheit und auch in der
sche ökonomische Konzepte hingegen              Gegenwart meist noch dominieren. Dem
basieren stärker auf dem Vertrauen in           entgegen stehen heute Konzepte der
Institutionen (z.B. in eine Supermarkt-         offenen Zusammenarbeit und eine Do-it-
kette) als auf dem in einzelne Individuen.      yourself-Kultur als neue Schlüsselwer-
                                                te (engl. „Power Values“). Heimans und
Consumption-based pricing: Während              Timms argumentieren, dass die neu-
klassische Geschäfte meist mit pauscha-         en Schlüsseleigenschaften die bestim-
len Beträgen arbeiten (z.B. Fixer Betrag        menden Merkmale in Wirtschaft und
für Automiete pro Tag), sind Angebo-            Gesellschaft der kommenden Jahre sein
te der Sharing Economy häufig davon             werden. Die Sharing Economy bedient

                                                                                           Tabelle 1: Schlüsselwerte
                                                                                           (basierend auf Heimans und
                               Alte „Power Values“         Neue „Power Values“             Timms 2014)

    Governance                 Managerialismus, Institu-   Informelle, „opt-in“-Ent-
                               tionalisierung, repräsen-   scheidungsfindung,
                               tative Governance           Selbstorganisation,
                                                           vernetzte Governance

    Kollaboration              Exklusivität, Konkurrenz, Open-Source-Kollabora-
                               Autorität, Ressourcenzu- tion, Weisheit der „Crowd“,
                               sammenführung             Sharing

    Transparenz                Diskretion, Geheim-         Radikale Transparenz
                               haltung, Unterscheidung
                               zwischen privater und
                               öffentlicher Sphäre

                                                          Do it ourselves,
    DIO                        Professionalisierung, Spe-
                                                          „Macherkultur“
    (Do It Ourselves)          zialisierung

    Affiliation                Langfristige Bindung und Kurzfristige und zweck-
                               Loyalität, weniger umfas- bezogene Bindung,
                               sende Beteiligung         umfassende Beteiligung

8                 Berichte des NEGZ
sich zahlreicher neuer „Power Values“ wie               Unbenommen der steigenden Bedeu-
der radikalen Transparenz und Crowd-                    tung der Sharing Economy und auch
sourcing, aber auch der bereits genann-                 ihrer meist noch positiven Bewertung
ten Werte offener Zusammenarbeit und                    treten immer stärker auch nachteilige
Do-it-yourself-Kultur (vgl. Tabelle 1).                 Effekte zu Tage (vgl. z. B. (Ganapati und
                                                        Reddick 2018). Ein Beispiel ist Airbnb,
                                                        das nicht nur zu einer besseren Vermitt-
2.3 Treiber, Risiken und                                lung von leeren Wohnungen führt, son-
Herausforderungen                                       dern auch zur Verknappung von Wohn-
                                                        raum in Großstädten (Dobusch 2017).
Bestimmte soziale, ökonomische, öko-                    Zimmer, die bisher dauerhaft vermietet
logische und technologische „Trei-                      wurden, werden inzwischen via Airbnb
ber“ haben in den letzten Jahren die                    an Touristinnen vermittelt und stehen
oben genannten Prinzipien und damit                     dem normalen Wohnungsmarkt damit
die Sharing Economy erheblich geför-                    nicht mehr zur Verfügung.2 Unter ande-
dert (vgl. z. B. (Gerwe und Silva 2018;                 rem in Paris zieht die Politik bereits Kon-
Frenken und Schor 2017). Beispiele sind                 sequenzen und fordert 12,5 Mio, Euro von
ein erhöhtes Bewusstsein für Umwelt-                    dem Unternehmen.3
schutz, sinkendes Vertrauen in klassi-
sche ökonomische Institutionen im Zuge                  Nach Marchi und Parekh (2015) lassen
der letzten Wirtschaftskrise, aber auch                 sich folgende allgemeine Herausforderun-
Trends zu Gemeinschafts- und Commu-                     gen im Umgang mit der Sharing Economy
nity-Bildung. Im öffentlichen Sektor gibt               kategorisieren:
es mit der Sharing City Initiative (SCI) ein
Beispiel dafür, wie die Sharing Economy                 •• Klärung der Rollen und Verantwort-
als Werkzeug zur Erreichung sozialer und                   lichkeiten für die Nachverfolgung und
wirtschaftlicher Ziele angesehen wird                      Bestrafung von Missbrauch
und deshalb politisch gefördert wird
(Moon 2017).                                               −− Wie können beispielsweise Room-
                                                              sharing-Unternehmen den Beden-
Ein substanzieller Treiber der Sharing                        ken öffentlicher Stellen bzgl. stei-
Economy sind die Fortschritte in der                          gender Mieten in Städten wie
Informations-    und    Kommunikations-                       Florenz und Reykjavik oder dem
technik (IuK). Die Rolle der IuK für die                      Wertverlust von Wohnvierteln in
Sharing Economy ist die des „Enablers“.                       z.B. Barcelona entgegentreten?
Durch moderne IT werden die Vorausset-
zungen geschaffen, um die Organisation                  •• Koexistenz mit bestehenden Anbietern
und die Abwicklung der Sharing Economy                     der klassischen Wirtschaft
schnell und einfach zu ermöglichen, sie
wird „enabled“. Auch bisher war es zwar                    −− Wie können Ridesharing- und Taxi-
theoretisch möglich, seine Wohnung                            angebote zu Gunsten der Kundinnen
bei kurzer Abwesenheit an Touristinnen                        stärker unterschieden werden?
zu vermieten, in der Praxis war der Auf-
wand, eine passende Mieterin zu finden,                    −− Wie können Roomsharing-Dienste
jedoch zu hoch. Durch den Einsatz einer                       öffentlichen Institutionen helfen,
Online-Plattform wie Airbnb mit entspre-                      Großveranstaltungen      wie   die
chenden mobilen Apps und Browseran-                           COP21-Konferenz der Vereinten
wendungen lassen sich solche Aufwände                         Nationen in Paris im Dezember 2015
einfach und bequem realisieren.                               oder die Olympischen Spiele in
                                                              Brasilien 2016 auszurichten?

2   Nicht-profitorientierte Varianten der Sharing Economy wie Couchsurfing haben diese Nachteile in der
    Regel nicht, dafür aber volatilere Finanzierungskonzepte (Dobusch 2017).
3   https://www.tagesschau.de/wirtschaft/paris-airbnb-101.html, aufgerufen am 28.02.2019

Sharing Economy                                                                                           9
•• Steuern eintreiben                          Für den öffentlichen Sektor ergibt sich
                                               daraus nach Ganapati und Reddick
  −− Sollen Sharing-Economy-Dienste            (2018) ein Paradoxon. Einerseits erfor-
     Steuern eintreiben, wie es seit kur-      dern die genannten Herausforderungen
     zem in Barcelona und Paris mit der        regulatorische Eingriffe des Staates, um
     Übernachtungssteuer durch Airbnb          negative Auswirkungen der Sharing Eco-
     gehandhabt wird?                          nomy zu minimieren. Andererseits muss
                                               er Sorge tragen, dass dabei der innovati-
•• Datenmissbrauch verhindern                  ve Charakter und die damit einhergehen-
                                               den Vorteile der Sharing Economy durch
  −− Teilnehmerinnen der Sharing Economy       Regulierung nicht verhindert werden.
     können dabei helfen, Risiken zu klä-
     ren und in Kooperation mit Regulie-
     rungsbehörden sicherzustellen, dass
     Kundinnen ihre Rechte kennen.

3 ERGEBNISSE

3.1 Methodisches Vorgehen                      geben, wurde gezielt nach Fallbeispie-
                                               len gesucht, bei denen öffentliche Ins-
Im Rahmen dieser Studie wurde ein              titutionen eine aktive Rolle spielen.
multimethodischer Ansatz gewählt, um           In diesem Rahmen wurde eine US-ameri-
aus unterschiedlichen Quellen Informa-         kanische Sharing-Economy-Plattform für
tionen über die Potentiale von Sharing         den öffentlichen Sektor sowie ein Car-
Economy im öffentlichen Sektor zusam-          Sharing-Verfahren aus Deutschland iden-
menzutragen und um erste Praxisbei-            tifiziert.
spiele zu sammeln. So wurde eine Litera-
turrecherche durchgeführt, Fallbeispiele       Basierend auf den recherchierten Ergeb-
identifiziert sowie Interviews und ein Work-   nissen wurden vier Interviews mit Exper-
shop mit Expertinnen durchgeführt.             tinnen und Experten geführt, die im
                                               öffentlichen Sektor arbeiten bzw. im
Um eine definitorische Basis für Sharing       Auftrag des öffentlichen Sektors tätig
Economy und verwandte Konzepte zu              sind. Besonderes Augenmerk lag dabei
erhalten, wurde eine Internet-Literatur-       auf bereits bekannten Einsatzmöglich-
recherche durchgeführt, die sich sowohl        keiten von Sharing Economy im öffent-
auf wissenschaftliche als auch auf Praxis-     lichen Sektor, auf den Potentialen und
quellen bezog. Dadurch konnten ebenfalls       Risiken sowie auf den Voraussetzun-
Potentiale und Risiken für Sharing Eco-        gen, die für einen Einsatz von Sharing
nomy allgemein abgeleitet werden. Da           Economy im öffentlichen Sektor geschaf-
Informationen zu Sharing Economy im            fen werden müssen.
öffentlichen Sektor bislang sehr rar sind,
bezogen sich die identifizierten Ergeb-        Abschließend wurde auf dem Creative
nisse vor allem auf den Privatsektor.          Bureaucracy Festival in Berlin ein knapp
                                               einstündiger Workshop mit ca. 20 Teil-
Um erste Beispiele für Sharing Economy-        nehmerinnen und Teilnehmern aus dem
Konzepte im öffentlichen Sektor zu             öffentlichen Sektor durchgeführt. Nach

10             Berichte des NEGZ
einer theoretischen Einführung in die                   3.2 Betrachtete Fallstudien
Thematik „Sharing Economy“ durch den
Workshopleiter wurde das Potential der                  MuniRent
Sharing Economy für den öffentlichen
Sektor mit den Anwesenden Expertin-                     Ein prominentes Beispiel für Sharing
nen und Experten diskutiert. In einem                   Economy im öffentlichen Sektor ist die
ersten Abschnitt wurden die Teilnehme-                  Firma MuniRent (www.munirent.co) aus
rinnen und Teilnehmer gebeten, Ressour-                 dem US-amerikanischen Michigan. Muni-
cen des öffentlichen Sektors zu identi-                 Rent bietet öffentlichen Institutionen eine
fizieren, die aus ihrer Sicht für Sharing               digitale Plattform, über die sie schwere
Economy-Konzepte grundsätzlich geeig-                   Gerätschaften wie Bagger, Radlader oder
net sind. Rechtliche Aspekte wurden                     Lastwagen an andere öffentliche Institu-
dabei zunächst außenvorgelassen. In                     tionen vermieten oder von anderen Insti-
einem zweiten Abschnitt wurden Überle-                  tutionen mieten können (vgl. Abbildung
gungen zum Potential der Sharing Eco-                   2). Die Idee basiert auf der Beobachtung,
nomy in der öffentlichen Verwaltung                     dass öffentlichen Institutionen häufig
diskutiert. Dazu wurden zunächst die Vor-               eine Vielzahl von Geräten besitzen, die
aussetzungen des öffentlichen Sektors in                sie über längere Zeiträume hinweg nicht
Bezug auf Sharing-Economy-Konzepte                      nutzen. Auf der anderen Seite benöti-
in Form seiner Stärken und Schwächen                    gen andere Institutionen solche Geräte
thematisiert. In einem zweiten Schritt                  und müssen sie bislang auf umständli-
wurden dann Chancen und Risiken von                     che Weise mieten. Für eine monatliche
Sharing-Economy-Konzepten für den                       Gebühr können öffentlichen Institutionen
öffentlichen Sektor erörtert. Abschließend              ihre zu vermietenden Geräte auf Muni-
wurden aus den gesammelten Ergebnis-                    Rent auflisten lassen und verleihen bzw.
sen Handlungsempfehlungen abgeleitet.                   die benötigten Geräte von anderen Insti-
                                                        tutionen ausleihen. Auf diese Weise kön-
                                                        nen die vermietenden Institutionen ihre
                                                        ungenutzten Geräte, deren Anschaffung
                                                        zum Großteil sehr teuer war, gegenfinan-

                                                                                                      Abbildung 2: Webseite MuniRent4

4 https://www.munirent.co/, aufgerufen am 26.10.2018.

Sharing Economy                                                                                                                   11
zieren, während die mietenden Institutio-            Stadtwerke Offenburg Unternehmen
nen nicht selbst über spezialisierte Gerä-           in der Region 40 Elektroautos zur Mie-
te verfügen müssen, die sie selten nutzen.           te an. Das Projekt wird im Rahmen des
                                                     Programms Modellregionen Elektromo-
MuniRent bietet zwei unterschiedliche                bilität vom Bundesministerium für Ver-
Dienstleistungen an. Beim sogenann-                  kehr und Digitale Infrastruktur geför-
ten „regional sharing“ übernimmt Muni-               dert. Das Angebot richtet sich unter der
Rent die administrativen Prozesse bei der            Woche nur an Unternehmen und wird
Vermietung von Geräten zwischen zwei                 derzeit von 40 Unternehmen genutzt6 –
(nahegelegenen) öffentlichen Institutio-             u.a. von Pflegediensten, Arztpraxen oder
nen. Das „internal sharing“ hingegen rich-           Anwaltskanzleien.
tet sich an große Städte und öffentliche
Institutionen auf Bundesebene. Muni-                 Darüber hinaus ermöglicht es eMiO an
Rent unterstützt dabei die Allokation von            Wochenende, wenn die Unternehmen
Geräten zwischen Teams und Abteilun-                 die Fahrzeuge nicht benötigen, die Elek-
gen innerhalb einer Institution und bie-             troautos über den Car-Sharing-Pool des
tet Reservierungslisten und Kalender für             Anbieters stadtmobil Rhein Main an Pri-
die Geräte innerhalb einer Organisation              vatpersonen zu vermieten. Als Kundin
an. Darüber hinaus ermöglicht MuniRent               von stadtmobil, als Nutzerin der eMobil-
Auswertungen z.B. über die Auslastung                Station Offenbach oder als Besitzerin
der unterschiedlichen Geräte.                        eines e-Ticket RheinMain ist es grund-
                                                     sätzlich möglich, die von eMiO ins offe-
eMiO: Car Sharing in Offenbach                       ne Car-Sharing eingebrachten Fahrzeuge
                                                     auszuleihen. eMiO ist dementsprechend
Ein Fallbeispiel für Sharing Economy im              ein Beispiel für Sharing Economy, bei
öffentlichen Sektor aus dem deutschen                dem der öffentliche Sektor sowohl die
Raum ist das Forschungs- und Ent-                    Rolle der Besitzerin als auch der Platt-
wicklungsprojekt eMiO der Stadtwerke                 formanbieterin übernimmt.
Offenbach, das das Ziel verfolgt, Elekt-
romobilität zu fördern.5 Dazu bieten die

                                                                                                             Abbildung 3: Webseite von
                                                                                                             „eMio“7

5   www.offenbach.de/stadtwerke/microsite/emio/eMiO/Was-steckt-hinter-eMiO.php, aufgerufen am 17.04.201.9.
6 Stand August 2015.
7   www.offenbach.de, aufgerufen am 26.10.2018.

12                Berichte des NEGZ
Durch dieses Angebot fördern die Stadt-       weitere vorgeschlagene teilbare Ressour-
werke Offenbach auf der einen Seite die       cen dar. Eine ähnliche Eignung wurde
umweltverträglichere E-Mobilität sowohl       für öffentliche Areale und Anlagen, zum
unter Unternehmen als auch unter Bür-         Beispiel Sporthallen und Freizeitplät-
gerinnen und Bürgern. Auf der anderen-        ze, Grünflächen und Parkplätze, erkannt.
Seite wird durch die zweifache Nutzung        Parkplätze für öffentliche Bedienstete
der Elektrofahrzeuge eine Ressourcen-         sind bspw. am Abend und am Wochen-
optimale Nutzung gewährleistet.               ende i.d.R. ungenutzt und könnten in die-
                                              sen Zeiträumen allen Bürgerinnen und
                                              Bürgern zugänglich gemacht werden.
3.3 Analyse
                                              Neben materiellen Ressourcen wurden
Basierend auf den Interviews sowie dem        mehrfach Personalressourcen sowie In-
Workshop mit Expertinnen und Experten         frastruktur wie Internet oder IT-Einrichtun-
im Rahmen des Creative Bureaucracy            gen genannt. Auch Daten (beispielsweise
Festival wurden folgende Ergebnisse           Geodaten), Wissen, und allgemein Dienst-
zusammengetragen: (1) eine Liste von          leistungen bzw. Arbeitsprozesse wur-
teilbaren Ressourcen, die eine grund-         den aufgezählt. Erste Beispiele existieren
sätzliche Eignung des öffentlichen Sek-       bereits mit Dienstleistungszentren, die
tors für die Rolle der Besitzerin aufzeigt,   von mehreren Kommunen gemeinsam
(2) eine Zusammenfassung der Chancen          genutzt werden. Eine Übersicht der teil-
und Risiken der Sharing Economy für den       baren Ressourcen findet sich in Tabelle 2.
öffentlichen Sektor.
                                              Chancen von Sharing-Economy-Kon-
Geeignete teilbare Ressourcen des             zepten im öffentlichen Sektor
öffentlichen Sektors
                                              Einen klaren Vorteil des öffentlichen Sek-
Neben Fahrzeugen und insbesondere             tors sehen die Expertinnen und Experten
E-Fahrzeugen sind nach Meinung der            in seiner (rechtlichen) Stellung. Staatli-
Interviewten vor allem Geräte wie bspw.       che Monopole in bestimmten Bereichen
Soundanlagen und auch Gebrauchs-              ermöglichen es dem öffentlichen Sektor,
gegenstände (zum Beispiel Stühle) für         in Feldern tätig zu werden, die der pri-
Sharing Economy geeignet. Öffentliche         vate Sektor nicht abdecken kann. Weiter-
Gebäude, wie Schulen, Universitäten           hin sind öffentliche Einrichtungen durch
oder Theater, sowie deren Räume stellen       seine rechtliche Sonderrolle als Akteu-

                                                                                             Tabelle 2: Teilbare Ressourcen
                                                                                             des öffentlichen Sektors
     Materielle Ressourcen                    Immaterielle Ressourcen

     Fahrzeuge insbesondere                   Infrastruktur wie Internet oder
     E-Fahrzeuge                              IT-Einrichtungen

     Geräte und Gebrauchsgegenstände          Daten, bspw. Geodaten
     wie Stühle und Soundanlagen

     Öffentliche Gebäude, wie Schulen,        Wissen, bspw. zu Verwaltungs-
     Universitäten oder Theater,              prozesse
     insbesondere deren Räume

     Öffentliche Areale und Anlagen,          Dienstleistungen
     z.B. Sporthallen und Freizeitplätze,
     Grünflächen und Parkplätze               Personalressourcen

Sharing Economy                                                                                                           13
re besonders verlässlich, können bspw.       liegen nach Einschätzung der Interview-
nicht insolvent gehen. Eine weitere Stär-    ten darin, dass geteilte Ressourcen nicht
ke wird von den Interviewten im Wesen        mehr spontan verfügbar sind. Wenn bei-
des öffentlichen Sektors gesehen. Durch      spielsweise der eigene Bagger gerade
seine breiten Zuständigkeiten, die nahe-     von einer anderen Kommune geliehen
zu alle Lebensbereiche berühren, und sei-    wird, kann er nicht direkt genutzt wer-
ne geografische Flächenabdeckung sind        den. Dadurch verringert sich die Flexibi-
öffentliche Einrichtung besonders nahe       lität von Abläufen und Vorgängen. Wei-
bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das         terhin wird bei scheiternden Sharing
ermöglicht es, Potentiale und Möglichkei-    Economy-Projekten eine negative öffent-
ten für Sharing-Economy-Konzepte früh        liche Wirkung befürchtet, die nachhaltige
zu erkennen und diese in einem feingra-      Auswirkungen auf das Bild des öffentli-
nularen und lückenlosen Netz bereitzu-       chen Sektors haben könnte. Auch könn-
stellen.                                     ten öffentliche Einrichtungen als Akteure
                                             in der Sharing Economy unrechtmäßig in
Ein möglicher Beitrag zum Gemeinwohl         bestehende, funktionierende Märkte ein-
durch die Förderung von kollaborativen       greifen und mit privaten Unternehmen
Konzepten wird als große Chance der          konkurrieren, ein Umstand, der als nicht
Sharing Economy für die öffentliche Ver-     vereinbar mit marktwirtschaftlichen Prin-
waltung gesehen. Die Expertinnen und         zipien gesehen wird. Schließlich stellt der
Experten versprechen sich u.a. eine inte-    Datenschutz den öffentlichen Sektor vor
grative Wirkung von „öffentlicher“ Sha-      Herausforderungen.
ring Economy, die den öffentlichen Sek-
tor und die Bürgerinnen und Bürger durch     Rechtliche Aspekte
eine enge Kooperation näher zusammen-
bringen könnte. Finanzielle Einsparun-       Sowohl in den durchgeführten Interviews
gen durch effizientere Ressourcennut-        als auch im Workshop wurden recht-
zung und durch Verleih von ungenutzten       liche Aspekte von Sharing-Economy-
Assets stellt die zweite große Chance dar.   Konzepten in der öffentlichen Verwal-
Mit den freiwerdenden finanziellen Mittel    tung thematisiert. Dazu zählten Fra-
könnten nach Meinung der Expertinnen         gen des Steuerrechts, insbesondere zur
und Experten nachhaltige Investitionen       Umsatzsteuer, die für öffentliche Einrich-
getätigt werden. Darüber hinaus könnten      tungen relevant ist, die als Ressourcenan-
Sharing-Economy-Konzepte         zwischen    bieter und/oder Plattformbetreiber auf-
öffentlichen Institutionen helfen, geringe   treten. Dabei ging es maßgeblich um die
Ressourcen zu kompensieren. Während          Anwendung von § 2 b UStG. Weiterhin
bspw. Kommunen Massengeschäfte wie           wurde die rechtliche Lage bezüglich der
z.B. Kfz-Anmeldungen relativ problemlos      grundsätzlichen Legalität von Sharing-
mit ihren derzeitigen Kapazitäten stem-      Economy-Angeboten des öffentlichen
men können, sind bei Sonderfällen, bei       Sektors als kompliziert beschrieben. In
denen Wissen nur punktuell gebraucht         vielen Fällen fehle die rechtliche Klarheit
wird, Kapazitäten häufig knapp. Abhilfe      und müsse durch aufwändige Recherche
könnte hier z.B. eine geteilte Mitarbeite-   hergestellt werden.
rin bzw. ein geteilter Arbeitsplatz schaf-
fen, auf den mehrere Kommunen nach
Bedarf zugreifen können.                     3.4 Diskussion

Risiken von Sharing-Economy-Konzep-          Die Sharing Economy hat Potential im
ten im öffentlichen Sektor                   öffentlichen Sektor in Deutschland. Kon-
                                             krete Umsetzungen sollten allerdings dif-
Als Schwächen des öffentlichen Sek-          ferenziert analysiert werden, um nicht
tors wurden insbesondere einige, mit         nur Stärken und Chancen zu betrachten,
bürokratischen Strukturen assoziier-         sondern auch Schwächen und Gefahren
te Eigenschaften wie Zurückhaltung           frühzeitig zu erkennen (vgl. Abbildung 4).
gegenüber Neuem und starre Struktu-          Das zeigen die im Rahmen der Kurzstudie
ren genannt. Ganz praktische Gefahren        untersuchten Fallbeispiele und die empi-

14             Berichte des NEGZ
rischen Ergebnisse der Kurzstudie. Das         schätzt, da zum Beispiel das Netzwerk
Car-Sharing-Angebot der Stadtwerke             von betroffenen Akteuren im öffentli-
Offenbach ist ein erstes Beispiel für eine     chen Sektor oft relativ komplex ist (vgl.
öffentliche Einrichtung, die als Besitzerin    zum Beispiel (Balta et al. 2015)). Schließ-
und Plattformanbieterin fungiert. Ange-        lich fehlt auch rechtliche Klarheit, was die
bote wie MuniRent lassen sich grund-           Teilnahme öffentlicher Einrichtungen an
sätzlich auf den deutschen Kontext             der Sharing Economy bremst.
übertragen. Die mittels Expertinnen und
Experten zusammengestellte Übersicht
von teilbaren Ressourcen zeigt das grund-
sätzliche Potential der Sharing Economy
über E-Fahrzeuge hinaus. Die Liste deckt
jedoch ein sehr breites Spektrum an Res-
sourcen ab und bedarf deshalb einer
detaillierteren Untersuchung, die u.a.
Faktoren für eine Teilbarkeit erarbeitet.

Dank der Stärken des öffentlichen Sek-
tors, insbesondere seine Verbreitung in
der Fläche, sind die Chancen der Sharing
Economy im öffentlichen Sektor beson-
ders groß. Expertinnen versprechen sich
u.a. Beiträge zum Gemeinwohl und eine
effizientere Ressourcennutzung. Aber
auch die Risiken sind evident. Mit seinen
bürokratischen Strukturen fehlen dem
öffentlichen Sektor die neuen Schlüssel-
werte, die die Sharing Economy tragen.
Eine Transformation hin zu diesen Wer-
ten wird als sehr herausfordernd einge-

                                                                                                    Abbildung 4: Stärken,
                                                                                        SCHWÄCHEN

                                                                                                    Schwächen, Gefahren und
STÄRKEN

           •   Punktuell genutzte Ressourcen     •   Lange Innovationszyklen                        Chancen
           •   Vertrauen und Zuverlässigkeit     •   Fehlende Erfahrung
           •   Etabliertes Netzwerk von          •   Rechtliche Stellung
               Akteuren
                                                                                        CHANCEN
GEFAHREN

           •   Nebenwirkungen                    •   Förderung von Nachhaltigkeit
           •   Höhere Abhängigkeit               •   Neue Formen der Teilhabe
           •   Marktverzerrung                   •   Wirtschaftlichkeit und
                                                     Flexibilität

Sharing Economy                                                                                                               15
4 HANDLUNGS-
EMPFEHLUNGEN

Basierend auf dem erarbeiteten wissen-      des öffentlichen Sektors mit Sharing-
schaftlichen und praktischen Hinter-        Economy-Konzepten entwickelt werden.
grund zur Sharing Economy wurden mit-
hilfe der Ergebnisse dieser Kurzstudie      Information und Umdenken im
erste Handlungsempfehlungen für den         Management
öffentlichen Sektor in Deutschland abge-
leitet.                                     Die Sharing Economy mit ihren neuen
                                            Schlüsselwerten erfordert ein Umdenken
Relevante Ressourcen identifizieren         und Ausprobieren. Der öffentliche Sektor
                                            mit seinen langen Innovationszyklen und
Wie die empirischen Ergebnisse zeigen,      bürokratischen Strukturen besitzt nicht
verfügt der öffentliche Sektor über zahl-   zwingend die dazu nötige Offenheit und
reiche Ressourcen, die grundsätzlich        Fähigkeiten. Dieser Schwäche sollte des-
teilbar sind. Die aufgeführten Ressour-     halb über gezielte Informationen und
cen sind jedoch sehr unterschiedlich,       Schulung zu den Chancen der Sharing
was unterschiedliche Eignungsgrade          Economy entgegengewirkt werden. Ins-
vermuten lässt und eine genauere Ana-       besondere Führungskräfte sollten voran-
lyse erfordert. Faktoren wie Ökologie       gehen und über eine Vorbildfunktion den
und Wirtschaftlichkeit sowie weitere        nötigen kulturellen Wandel vorantreiben.
noch zu definierende Faktoren sollten bei
der Identifizierung relevanter Ressourcen
miteinbezogen werden.

Rechtliche Rahmenbedingungen klären

Eine der großen Hürden für Sharing-
Economy-Konzepte im öffentlichen Sek-
tor ist die unklare rechtliche Situation.
Solange diese Unklarheiten bestehen,
können die Chancen der Sharing
Economy nicht ausgeschöpft werden.
Der Gesetzgeber sollte deshalb die
rechtlichen Rahmenbedingungen klären
und damit Sicherheit für öffentliche Ein-
richtungen schaffen.

Prozesse definieren für den Umgang
mit der Sharing Economy

Bei Sharing-Economy-Konzepten im
öffentlichen Sektor müssen sehr viele
unterschiedliche Aspekte und Faktoren
berücksichtigt werden – von der Eignung
der Ressourcen über das Geschäfts-
modell bis hin zu rechtlichen Fragen. Um
den Umgang mit dieser Komplexität zu
steuern, sollten Prozesse für den Umgang

16            Berichte des NEGZ
5 ZUSAMMENFASSUNG
UND AUSBLICK

Die    Ergebnisse    dieser     Kurzstudie
haben einen ersten Einblick in Sharing-
Economy-Konzepte        im    öffentlichen
Sektor gegeben. Nach einer definitori-
schen und theoretischen Einordnung der
Sharing Economy wurde anhand von
zwei Praxisbeispielen aufgezeigt, wie
Sharing Economy im öffentlichen Sek-
tor funktionieren kann. Mithilfe von Inter-
views sowie einem Workshop mit Exper-
tinnen und Experten wurden weitere
Chancen und Risiken sowie für Sharing
Economy potentiell geeignete Ressour-
cen identifiziert. Basierend auf diesen
Ergebnissen wurden abschließend Stär-
ken, Schwächen, Gefahren sowie Chan-
cen identifiziert sowie erste Handlungs-
empfehlungen gegeben.

Zukünftig könnten aktuelle Technologie-
entwicklungen wie Methoden der Künst-
lichen Intelligenz (KI) oder die Blockchain
die Sharing Economy weiter fördern und
anschieben. Die KI kann insbesondere
beim sogenannten „Matching“, also dem
Zusammenbringen von Angebot und
Nachfrage, helfen. Selbstlernende Algo-
rithmen könnten basierend auf Daten zu
vergangenen Matches zukünftige Mat-
ches besser vorhersagen. Die Blockchain
wiederum erlaubt verteilte und manipu-
lationssichere Plattformen, die die bisher
notwendige zentrale Instanz nicht mehr
brauchen. Solche Plattformen wären
dann wieder stärker crowdbasiert und
unabhängiger. Für den öffentlichen Sek-
tor ergeben sich damit weitere Chan-
cen und potentielle Sharing-Economy-
Konzepte, die in einem geeigneten recht-
lichen Rahmen ausgeschöpft werden
sollten.

Sharing Economy                               17
18   Berichte des NEGZ
ABBILDUNGS- UND
TABELLENVERZEICHNIS

Abbildung 1: Funktionsweise Sharing Economy (basierend auf Benoit et. al. 2017)   5
Abbildung 2: Webseite MuniRent                                                    11
Abbildung 3: Webseite von „eMio“                                                  12
Abbildung 4: Stärken, Schwächen, Gefahren und Chancen                             15

Tabelle 1: Schlüsselwerte (basierend auf Heimans und Timms 2014)                  8
Tabelle 2: Teilbare Ressourcen des öffentlichen Sektors                           13

Sharing Economy                                                                         19
20   Berichte des NEGZ
LITERATURVERZEICHNIS

Andersson, M., Hjalmarsson, A., and Avital, M. 2013. “Peer-to-Peer Service Sharing
Platforms: Driving Share and Share Alike on a Mass-Scale,” International Conference
on Information Systems 2013.

Balta, D., Greger, V., Wolf, P., & Krcmar, H. (2015). E-government stakeholder analysis
and management based on stakeholder interactions and resource dependencies. In
48th Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS), pp. 2456-2465,
IEEE.

Benoit, S., Baker, T. L., Bolton, R. N., Gruber, T., and Kandampully, J. 2017. “A triadic
framework for collaborative consumption (CC): Motives, activities and resources &
capabilities of actors,” in Journal of Business Research, Volume 79, 2017, pp. 219-
227 (doi: 10.1016/j.jbusres.2017.05.004).

Cheng, M., 2016. “Sharing economy: A review and agenda for future research,” in
International Journal of Hospitality Management, Volume 57, 2016, pp. 60-70 (doi:
10.1016/j.ijhm.2016.06.003).

Dobusch, L., 2017. “Visionen der digitalen Stadt: Smart, Sharing oder Open?“ in
WISO direkt, Volume 33/2017.

Frenken, K., and Schor, J. 2017. “Putting the sharing economy into perspective”
in Environmental Innovation and Societal Transitions, Volume 23, pp. 3-10 (doi:
10.1016/j.eist.2017.01.003).

Ganapati, S., and Reddick, C. G. 2018. “Prospects and challenges of sharing econo-
my for the public sector” in Government Information Quarterly, Volume 35, Issue 1,
pp. 77-87 (doi: 10.1016/j.giq.2018.01.001).

Gerwe, O., and Silva, R. 2018. “Clarifying the Sharing Economy: Conceptualization,
Typology, Antecedents, and Effects” in Academy of Management Perspectives (doi:
10.5465/amp.2017.0010).

Heimans, J., and Timms, H. 2014. “Understanding ‘New Power’” in Harvard Business
Review, Volume December 2014.

Hofmann, S., Za, S., Braccini, A., Sæbø, Ø. 2018. “Exploring the Concept of Collabo-
rative Consumption in the Public Sector,” at Scandinavian Workshop on E-Govern-
ment, Kopenhagen, Dänemark.

Marchi, A., and Parekh, E. 2015. “How the sharing economy can make its case” in
McKinsey Quarterly, Volume December 2015.

Matofska, B., 2016. „What is the Sharing Economy?” at http://www.thepeoplewhos-
hare.com/blog/what-is-the-sharing-economy/, retrieved on 26th of October 2018.

Moon, M. J., 2017 „Government-driven Sharing Economy: Lessons from the Sha-
ring City Initiative of the Seoul Metropolitan Government”, in Journal of Developing
Societies, Volume 33, Issue 2, pp. 223-243 (doi: 10.1177/0169796X17710076)

Sharing Economy                                                                             21
IMPRESSUM

Die Kurzstudie basiert auf einer          Nationales E-Government
Initia­tive des Nationalen E-Government   Kompetenzzentrum e. V.
Kompetenz­zentrum e. V.
                                          Pressehaus / 4102
                                          Schiffbauerdamm 40
Ansprechpartner                           10117 Berlin

Dian Balta, M.Sc.                         +49 (0)30 80494747
fortiss gemeinnützige GmbH                info@negz.org
balta@fortiss.org                         negz.org

                                          Gestalterische Umsetzung
                                          made in – Branding & Interactive Design
                                          www.madein.io

22            Berichte des NEGZ
BERICHTE DES NEGZ

Folgende Kurzstudien sind in der Reihe „Berichte des NEGZ“ bereits erschienen:

Nr. 1 S
       chuppan, T., Köhl, S., Off, T. (2018). Vollzugsorientierte Gesetzgebung durch
      eine Vollzugssimulationsmaschine, Berlin. » DOI

Nr. 2 O
       gonek, N., Distel B., Ben Rehouma, M., Hofmann, S., Räckers, M. (2018).
      Digitalisierungsverständnis von Führungskräften, Berlin. » DOI

Nr. 3 D
       jeffal, C. (2018). Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung,
      Berlin. » DOI

Nr. 4 F
       adavian, B., Franzen-Paustenbach, D., Rehfeld, D., Schmitt, M., Schweikart, D.,
      Djeffal, C. (2019). Data Driven Government, Berlin. » DOI

Sharing Economy                                                                           23
Nationales E-Government
Kompetenzzentrum e. V.
Pressehaus / 4102
Schiffbauerdamm 40
10117 Berlin

+49 (0)30 80494747
info@negz.org
negz.org

ISSN (online) 2626-6032
DOI 10.30418/2626-6032.2019.05
Sie können auch lesen