Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle

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Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden   Nr.2| 2017

Weltweite Kirche –
Hand in Hand bleiben wir dran

                                                                           © Jãšrg Mâÿller/HEKS
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
2   contigo      Nr.2 | 2017

                                      INHALT                                                        contigo
                                                                                                    Mitteilungen der evangelischen
                                                                                                    Werke für die Kirchgemeinden
                                                                                                    Herausgegeben von Brot für alle,
                                                                                                    HEKS, Mission 21 und den OeME-Fachstellen

                                                                                                    ISSN 1660-3788

                                                                                                    Brot für alle
                                                                                                    Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23
                                                                                                    Tel. 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64
                                                                                                    Mail: info@bfa-ppp.ch, Web: www.brotfueralle.ch
                                                                                                    Spendenkonto: 40-984-9

                                                                                © ACT/Sean Hawkey
                                                                                                    HEKS – Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz
                                                                                                    Seminarstrasse 28, Postfach, 8042 Zürich
                                                                                                    Tel. 044 360 88 00, Fax 044 360 88 01
                                                                                                    Mail: info@heks.ch, Web: www.heks.ch
                                                                                                    Spendenkonto: 80-1115-1

                                      DOSSIER
                                        S4 – 9                                                      Mission 21 – Evangelisches Missionswerk Basel
                                                                                                    Missionsstrasse 21, 4009 Basel
       In der letzten Ausgabe des «contigo» kommen Menschen zu Wort, die rund                       Tel. 061 260 21 20, Fax 061 260 21 22
                                                                                                    Mail: info@mission-21.org, Web: www.mission-21.org
    um die Welt an einer gerechteren Welt arbeiten. Im Süden wie im Norden, im                      Spendenkonto: 40-726233-3
    Osten wie im Westen meistern sie Herausforderungen. Sie alle wissen und sind                    OeME-Fachstellen der Kantonalkirchen
    überzeugt, dass es nur gemeinsam – contigo – gelingen kann. Das braucht viel                    Web: www.oeme.ch

                                                                                                    Redaktion
    Standhaftigkeit. Doch Beispiele in den Beiträgen von Heinz Bichsel (Seite 4) wie                Dorothee Adrian (da) Mission 21
    von Bruno Stöckli (Seite 8) machen Mut, den Weg der Veränderung zu gehen. uw                    Heinz Bichsel (hb), OeME
                                                                                                    Olivier Schmid (os), HEKS
                                                                                                    Urs Walter (uw), Brot für alle

    BROT FÜR ALLE                                                                                   Redaktionsleitung
                                                                                                    Urs Walter

    S10 Tempo und Musse – mit dem Gast der Ökumenischen Kampagne                                    Tel. 031 380 65 71
                                                                                                    Bürenstrasse 12,
        unterwegs                                                                                   Postfach 1015, 3000 Bern 23
                                                                                                    Mail: walter@bfa-ppp.ch

    S12 Tipps, Hilfe und Informationen – das reichhaltige Angebot                                   Layout
        von Brot für alle                                                                           comDesign AG, 4562 Biberist

                                                                                                    Druck
    S13 Kinderarbeit in der Lieferkette von LafargeHolcim in Uganda                                 rubmedia, 3084 Wabern

                                                                                                    Adressänderungen und Abonnementsverwaltung
                                                                                                    Administration Brot für alle
    HEKS                                                                                            Bürenstrasse 12,
                                                                                                    Postfach 1015, 3000 Bern 23
    S14 Kampagne «Farbe bekennen» für eine menschliche Schweiz                                      Mail: contigo@bfa-ppp.ch
                                                                                                    Tel. 031 380 65 65

    S16 Nothilfe von HEKS gegen Hungersnot in Äthiopien,                                            Fax 031 380 65 64

        im Südsudan und in Uganda
    S17 HEKS gewinnt «Roma Integration Award»

    MISSION 21

    S18 Südsudan: «Trauma-Arbeit ist Friedensarbeit»
    S20 Reformation geschieht auch heute: Herbstkampagne 2017
                                                                                                    Titelbild: An einem Workshop in Südindien bereiten sich
    S21 Herbstbazar zum Herbstkampagnen-Thema «Reformator/innen                                     Frauen auf Gemeindearbeit nach einem Tsunami vor:
                                                                                                    Gemeinsam, verbunden und auf ihren Auftrag ausgerichtet,
        von heute»                                                                                  meistern sie die Herausforderungen.

                                                                                                    Rückseite: Der Bau einer Schnellstrasse in Kolumbien
    HINWEISE, AGENDA UND FILMTIPP                                                                   verdrängte auch die Familie dieser Mädchen.
                                                                                                    Gemeinsam verhandelten die Angehörigen des Volkes
    S22 So bleiben Sie auch künftig gut informiert                                                  der Wohan und die afrikanischstämmige Bevölkerung
                                                                                                    mit der Regierung und konnten nach Cacarica, Region

    S23 Filmtipp
                                                                                                    Chocó, zurückkehren.
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
contigo   Nr.2 | 2017                                                                                                         3

                                                   EDITORIAL

Abschied – dennoch bleiben wir gemeinsam dran

                                        Urs Walter, Redaktionsleitung «contigo»

                                                                       gemeinsam politisch agiert. Jedes der drei Werke
                                                                       arbeitet auf seine Art daran, die Welt gerechter und
                                                                       besser zu machen.
                                                                       Diesem Ziel bleiben Brot für alle, HEKS und Mis-
                                                                       sion 21 auch ohne «contigo» verpflichtet. Und die
                                                                       OeME-Fachleute und -Stellen tragen diese Arbeit in
                                                                       die Kirchgemeinden und zu vielen engagierten Frau-
                                                                       en, Männern und Jugendlichen, die mithelfen. Dafür
                                                                       danke ich Ihnen im Namen der Redaktion. Dafür
                                                                       danken Ihnen auch die Menschen aus dem Süden,
                                                                       wie die Beiträge im Dossier belegen. «Für meine
                                                                       Arbeit ist es ganz wesentlich, Teil eines weltweiten
                                                                       Netzwerkes zu sein», betont zum Beispiel Kartini
                                                     © Brot für alle

                                                                       Samon aus Indonesien.
                                                                       Dieses «gemeinsam» öffnet auch neue Perspekti-
                                                                       ven, um zukunftsfähige Modelle für Wirtschaft und
Nach fast sieben Jahren «contigo» – auf Spanisch                       Gesellschaft zu leben. Ein Beispiel sind die wieder
«mit dir» – sagen wir mit dieser letzten Ausgabe                       entdeckten Vorteile der Commons, diesen allen zu-
Adieu: 26 Ausgaben lang waren wir gemeinsam                            stehenden Gemeingütern (Seite 8).
unterwegs, eine Vielzahl von Themen rund um das                        Von «contigo» nehmen wir Abschied – gemeinsam
Engagement der Werke und der Kirchgemeinden                            mit Ihnen brechen wir auf zur weiteren Arbeit für
prägte die Hefte des «contigo». Unterschiedlichste                     Veränderung, Verbesserung und Gerechtigkeit. Wie
Gesichter aus allen Weltgegenden auf den Titel- und                    Sie künftig die Informationen und Geschichten rund
Rückseiten verdeutlichten die Vielfalt der Welt.                       um die Arbeit der Werke finden, steht auf den Sei-
Vielzahl und Vielfalt belegen auch die Jahresberich-                   ten 22 und 23.
te 2016 der Werke, die kürzlich veröffentlicht wur-
den oder diesem «contigo» beiliegen. Auf allen Kon-                    Freundlich grüsst
tinenten wurden Projekte unterstützt, Not gelindert
und Mut gestärkt, Gemeinschaften aufgebaut und
einzelne Menschen gefördert oder in der Schweiz
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
4   contigo     Nr.2 | 2017                                                                                                       DOSSIER

                                                 WELTWEITE KIRCHE SEIN

            Das Gemeingut Religion sorgfältig pflegen
                                                             Heinz Bichsel

    Die Reformation hat der Vielfalt des Glaubens Tür                 weil z.B. Kirchen in jeder Stadt und jedem Dorf präsent sind.
    und Tor geöffnet. Seither wird den Reformierten                   Es braucht die Kirchen aufgrund ihrer Fähigkeit, Worte mit-
                                                                      einander zu verweben, Hoffnung auszudrücken, Lebenssinn
    aber auch vorgehalten, sie würden sich aufsplittern,
                                                                      zu verankern. Es braucht die Kirche, weil Religion eine gute
    den Sinn fürs Ganze verlieren. So feiern wir dieses               Rolle im Aufbau von friedvollen, gerechten und würdigen
    Jahr auch 500 Jahre Ringen um das Bewusstsein,                    Gesellschaften spielen kann.»
    zu einer weltweiten Kirche zu gehören.
                                                                          Spirituell und materiell teilen und tauschen
                                                                           Aus kirchlicher Perspektive ist Religion ein gesellschaft-
        In der globalisierten Welt gibt es keine lokale Realität,     liches Gemeingut, ein «Common». Auch die «säkulare Welt»
    welche nicht weltweit verbunden wäre. Vielleicht haben wir        deutet mit dem Menschenrecht Religionsfreiheit an, dass ihr
    in der heutigen international vernetzten globalisierten Welt      das Verständnis von Religion als Gemeingut nicht fremd
    wie nie zuvor die Möglichkeit, die Universalität Jesu Christi     ist. Glaubensbasierte Organisationen wie die Kirchen haben
    und ihre vielfältigen kirchlichen und säkularen Ausdrucks-        deshalb eine besondere Verantwortung für den sorgfältigen
    formen wahrzunehmen. Jesus Christus ist viel grösser als die      Umgang mit diesem Gut und dafür, dass es nicht mit Exklu-
    Grenzen von Konfessionen, Weltbünden, ökumenischen Rä-            sivität belegt und durch «Privatisierung» bedroht wird.
    ten und Religionen. Der Kern unseres Glaubens lebt überall             Ein ganzheitliches Teilen und Tauschen, das tönt wie
    dort, wo die grosse Erzählung der Befreiung in Wort und Tat       eine jüngere urbane Lebensweise. Doch es ist das, was Kir-
    weitergegeben und die Welt nicht auf das reduziert wird, was      chen seit der Kollekte für Jerusalem (2. Kor 8,12-14) zum
    wir heute an Gewalt, Krieg und Ausbeutung von Mensch              Zusammenleben der Menschen beitragen können. Geld
    und Natur vorfinden.                                              geben, Personalaustausch betreiben, im Gespräch sein über
        Um aber nicht bei hehren Gesinnungen stehen zu blei-          verschiedenste Glaubensformen und den existenziellen
    ben, braucht es Organisationen, die Anstösse geben und mit        Herausforderungen über alle Grenzen hinweg begegnen,
    beharrlichen Schritten einen konkreten Beitrag zu einem Le-       damit haben wir Teil an der weltweiten Kirche und an einem
    ben in Würde und zur Selbstbestimmung von Gemeinschaf-            lebensfördernden Gemeingut Religion.
    ten leisten. Dazu sind die reformierten Kirchgemeinden auf
    die Verbindlichkeit der Arbeit von HEKS, Brot für alle, Mis-
    sion 21 und DM échange et mission angewiesen.

            Gerade heute braucht es die Kirche
        Auch in der Schweizer Kirchenlandschaft mehren sich
    Stimmen, die bezweifeln, dass Kirche und kirchliche Werke
                                                                                                                                           © Brot für alle / Maryline Bisilliat

    zur globalen Entwicklung einen spezifischen Beitrag leis-
    ten können. Gerade jetzt, wo der Missbrauch von Religion
    augenfällig ist, sind viele Menschen nicht mehr bereit, die
    menschenrechtsbasierte Arbeit kirchlicher Hilfswerke, die
    kirchliche Zusammenarbeit und eine verantwortliche theo-
    logische Ausbildung zu unterstützen. Dazu sagt die brasili-
    anische Theologin Elaine Neuenfeldt: «Der Beitrag der Kir-        Gemeinsam unterwegs mit konkreten Forderungen: Karawane gegen Land
    chen zur Entwicklungszusammenarbeit ist nicht nur nötig,          Grabbing in Westafrika vom März 2016.
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
contigo      Nr.2 | 2017                                                                                                         DOSSIER               5

                                                                       NETZWERKE

                   Vielfalt und weltweit verbunden sein hilft
        Brot für alle, HEKS und Mission 21 arbeiten mit Partnerorganisationen und Partnerkirchen in vielen Ländern
        zusammen. Wir fragten bei engagierten Frauen und Männern im Süden und bei uns in der Schweiz nach,
        was dieses weltweite Netzwerk für ihr Engagement zugunsten der weltweiten Kirche und der Entwicklungs-
        arbeit bedeutet.

                 Begegnungen und Kontakte                                              Verbunden als Schwestern
                        inspirieren                                                        in der Ökumene

                                                    Alena Fedrychova                                  Cecilia Castillo Nanjarí

                Ich bin Mitglied der Evangelischen Kirche der Böh-                Die ökumenische Gemeinschaft
           mischen Brüder, einer reformierten Minderheitskirche in           befindet sich in einer Krise. Unser
           Tschechien, wo nicht einmal 20 Prozent der Leute zu einer         gemeinsamer Weg ist hart, manch-
           Kirche gehören. Beruflich setze ich mich dafür ein, dass          mal könnte man den Mut verlieren.
           Flüchtlinge besser in die tschechische Gesellschaft integriert    In Lateinamerika und in anderen
           werden. Dabei arbeiten wir eng mit unseren Kirchgemein-           Teilen der Welt sind verschiedene

                                                                                                                                                                   © Mission 21 / Tobias Frey
           den zusammen. Das ist aber oft eine grosse Herausforde-           fundamentalistische Strömungen
           rung. Nicht nur die tschechische Regierung und viele meiner       erstarkt. Unsere Schwächen und
           Landsleute haben eine negative Einstellung zu Fremden. Ich        Unstimmigkeiten machen es ihnen
           erlebe diese Haltung auch in meiner Kirche.                       leicht. Trotz aller Schwierigkeiten
                                          Kürzlich war ich in einer Kirch-   halte ich aber an der Ökumene fest.
                                     gemeinde. Der Pfarrer sprach in der     Denn ich glaube, dass wir uns ge-          Cecilia Castillo Nanjarí: Seit März 2017
                                     Predigt über die Liebe und Tole-        genseitig bereichern.                      theologische Mitarbeiterin von Mission
                                                                                                                        21 in Chile, zuvor Koordinatorin des
                                     ranz. Doch während der anschlies-            Teil der weltweiten Kirche zu
                                                                                                                        Programms für Frauen und Genderge-
                                     senden Informationsveranstaltung        sein bedeutet für mich, Leben
                                                                                                                        rechtigkeit sowie des sozialen und
                                     sagten ein paar Frauen, dass es         und Glauben zu teilen und von-             pastoralen Netzwerkes des Latein-
                                     ihnen als Christinnen nicht erlaubt     einander zu lernen. Wir erleben            amerikanischen Kirchenrates (CLAI).
                                     sei, mit Muslimen zu sprechen. Sie      uns als Schwestern, ungeachtet
                           © HEKS/Matthias Herren

                                     haben offenbar Angst vor Musli-         ideologischer, ökonomischer und politischer Begrenzungen.
                                     men. Sie denken, dass sie bereits       Wir üben uns in Liebe und Sorgfalt und gehen gemeinsam
                                     bei einem Wortwechsel in Gefahr         den ökumenischen Weg.
                                     wären. Das ist zum Verzweifeln.              «Schwesternschaft» – die Verbindung mit anderen Frauen
Alena Fedrychova: Mitarbeiterin           Da bin ich um meine vielen in-     – ist für mich eine intensivierte Form der Solidarität. Sie führt
Diakonie der Evangelischen Kirche    ternationalen Kontakte zu Kirchen       zu gemeinsamem Engagement und setzt uns in Bewegung.
der Böhmischen Brüder in Tschechien.
                                     und Christen sehr dankbar. Ich               Ich möchte die Weisheiten der afrikanischen Frauen in
                                     habe in Deutschland Kirchgemein-        ihrem täglichen Kampf in mein Leben aufnehmen; ich schät-
           den besucht und gesehen, wie offen Kirchenmitglieder auf          ze jede Minute, die ich mit Frauen aus Lateinamerika und
           Flüchtlinge zugehen. Ich war auf Sizilien und habe erlebt,        der Karibik teilen darf; ich meditiere mit Asiatinnen über das
           wie eindrücklich sich die kleine reformierte Minderheit der       Göttliche und ich erforsche den Kampf der Europäerinnen
           Waldenser für die Aufnahme der Flüchtlinge einsetzt. Die-         um die Menschenwürde.
           se Begegnungen und Kontakte inspirieren mich, mich auch                Es heisst, wir sollen das pflegen, was uns lieb ist. Und so
           weiterhin in Tschechien und in meiner Kirche für die Frem-        will ich den Weg der «iglesia re-unida», der wieder vereinig-
           den einzusetzen.                                                  ten Kirche, lieben und pflegen.
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
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    «Weltweite Netzwerke stärken bei der
     Arbeit mit den Partnern im Alltag»

                                      Kartini Samon

        In meiner Arbeit für Grain ist es ganz wesentlich, Teil

                                                                                                                                                                                               © Globethics
    eines weltweiten Netzwerkes zu sein. Kirchennahe Partner
    sind ebenso wichtig wie säkulare. Erst mit einem weltweiten
    Netzwerk können wir die Fragen unserer Partner vor Ort                                                         Martin Robra: Seit 1994 beim Ökumenischen Rat der Kirchen, 2007 bis 2012
    fundiert beantworten. Zugleich ermöglicht diese Solidarität,                                                   Direktor der Programmeinheit «ÖRK und ökumenische Bewegung im 21. Jahrhun-
                                                                                                                   dert», heute Stabsgruppe für den Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens
    umfassender und wirkungsvoller gegen die Herausforderun-
    gen des globalen Systems der Nahrungsmittelproduktion
    anzugehen. Das Netzwerk hilft Grain auch, schnell weltweit
    über unsere Themen rund um gemeinschaftliche und biodi-                                                         Die ökumenische Bewegung schärft
    versitätsbasierte Landwirtschaft zu informieren.                                                                   Gewissen und ist unbequem
        Dank unserem guten Netzwerk bleiben wir führend in
    der Beobachtung und Analyse der Entwicklungen. Das er-
    laubt den Gruppen vor Ort, ihren täglichen Überlebenskampf                                                                                     Martin Robra
    in einen grösseren Rahmen zu stellen. So arbeitet Grain mit
    Gemeinschaften in Afrika, Asien und Lateinamerika zusam-
    men, die alle unter Ölpalmplantagen leiden. Informationen                                                          Am 25. Juni 1992 wurde unser drittes Kind geboren:
    und Wissen über das geeignete Vorgehen der Gemeinschaf-                                                        Michel. Seit er die Chance hatte, bei der Generalversamm-
    ten wird ausgetauscht, um so das Problem des Land Grab-                                                        lung des Reformierten Weltbundes 2004 in Ghana mit dabei
    bing wirkungsvoller anzugehen. Dank diesem Austausch                                                           zu sein, ist er sensibilisiert für die Wirklichkeit dieser Welt
    verstehen wir aber auch besser, wie die Agroindustrie rund                                                     mit ihren Herausforderungen von Ungerechtigkeit und Un-
    um den Globus die Ernährungskultur umpflügt.                                                                   gleichheit, Rassismus und nicht zuletzt dem Klimawandel.
        In Ländern mit wenig stabilen oder sicheren Verhältnis-                                                        Am 25. Juni 1992 schrieb ich auch die letzten Zeilen meiner
    sen bilden glaubensbasierte oder kirchliche Partner oft wich-                                                  Dissertation zur ökumenischen Sozialethik. Was ich damals
    tige Stützen. Als neutrale Orte können sie heikle Gespräche                                                    formulierte, bleibt auch heute für mich wichtig und gültig:
    erleichtern. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, Kirchen                                                       «Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef)
    und kirchliche Organisationen mit den aktuellen weltweiten                                                     erinnert ... daran, dass für die Kinder Afrikas die achtziger
    Entwicklungen zu vernetzen.                                                                                    Jahre ein verlorenes Jahrzehnt waren».
                                                                                                                       ... Die Anklage des Kinderhilfswerks steht gleich unter
                                                                                                                   der Meldung vom Umweltgipfel 1992 in Rio «…Die Arbeit an
                                                                                                                   der Veränderung der Situation muss sich schonungslos die-
                                                                                                                   ser Wirklichkeit aussetzen und darf Augen und Ohren davor
                                                                                                                   nicht verschliessen. Die ökumenische Bewegung schärft die
                                                                                                                   Gewissen. Sie ist unbequem, weil sie falsche Hoffnung un-
                                                                                                                   barmherzig desillusioniert und ins Gericht stellt. Aber sie
                                                                                                                   führt Menschen im Glauben an den dreieinigen Gott zuei-
                                                                                                                   nander, wenn sie umkehren und die Gegenwart Gottes in
                                                                                    © Brot für alle / Urs Walter

                                                                                                                   seiner gequälten Schöpfung und unter den Armen suchen.
                                                                                                                   Damit bezeugt die ökumenische Bewegung das Evangelium
                                                                                                                   vom kommenden Gottesreich vor der Welt und lässt hoffen,
                                                                                                                   solange Hoffnung bleibt.»
                                                                                                                       Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens nennt der
    Kartini Samon hat ländliche Entwicklung studiert und lebt in Jakarta. Sie arbeitet                             Ökumenische Rat der Kirchen heute die gemeinsame Reise
    für Grain und betreut die Programme bei deren Partnerorganisationen in Asien.                                  der ökumenischen Bewegung mit vielen anderen Schwestern
                                                                                                                   und Brüdern, die sich für Gerechtigkeit und Frieden einset-
                                                                                                                   zen. Wir sind dankbar, dass es sie gibt und wir gemeinsam
                                                                                                                   unterwegs sind.
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
contigo        Nr.2 | 2017                                                                                                                                         DOSSIER                     7

       «Die Zukunft unserer Kirchen
            gehört der Vielfalt »

                                Andreas Pauli

     Die Auseinandersetzung mit andern Kulturen stärkt die
eigene Identität. Ich durfte mit meiner Frau 1992 bis 1997 in
der «Kirche der Geschwister» in Nordnigeria dienen. Der
Aufenthalt in Mubi im Auftrag der Basler Mission hat unser                                     Viola Raheb wuchs in Bethlehem in einer palästinensisch-christlichen Familie auf

                                                                                                                                                                                 © OeME Bern
Familienleben und meine berufliche Laufbahn geprägt.                                           und ist heute freiberufliche Beraterin und Bildungsreferentin für Entwicklungs-
                                                                                               zusammenarbeit und Erwachsenenbildung in Wien.
     Zur Vorbereitung in Birmingham wohnten wir mit
Studierenden aus 60 Ländern und verschiedenster Kirchen
zusammen. Welch kleine Stimme unsere Reformierte Kirche
im weltweiten Konzert der Christenheit doch ist! Auch im                                               Ort der Hoffnung, Solidarität
Kulp Bible College im ländlichen Mubi werden sechs regi-                                                     und Inspiration
onale Sprachen gesprochen. Wie unterschiedlich wirkt die
Bibellektüre in verschiedenen Sprachen. Jede Kultur drückt
die Botschaft doch anders aus. Meistens ist dies ein Gewinn,                                                                     Viola Raheb
finde ich.
     Seit zwölf Jahren bin ich nebenamtlich Seelsorger in                                          Als ich anfing, mich in der Ökumene zu engagieren, war
einem Hochsicherheitsgefängnis. Die Kirche hinter den                                          der konziliäre Prozess zu Gerechtigkeit, Frieden und Be-
Mauern ist nicht nur überkonfessionell, sondern wie ihre                                       wahrung der Schöpfung, voll im Gange. Ich war zu jung, um
Insassen vor allem international. Dank meinen Erfahrungen                                      zu begreifen, was dieser Prozess wirklich bedeutet und wel-
fällt mir der Zugang zu Menschen aus anderen Kulturen oft-                                     che zentrale Bedeutung diese Themen für meinen Glauben
mals leicht. In der Kirchgemeinde pflege ich u.a. Kontakte                                     haben. Erst viel später und vor allem durch die theologische
zur eritreisch-orthodoxen Kirche. Ich denke, es wird mehr                                      Reflexion über das Leben und den Glauben im Kontext von
und mehr Aufgabe unserer Kirche sein, verschiedensten                                          Besatzung ist es mir klar geworden. Gleichzeitig bekamen
Gruppen Raum zu geben und sie zu begleiten.                                                    diese zentralen theologischen Themen eine völlig andere
     Ein gutes Beispiel für die weltweite Kirche erlebe ich zur-                               Bedeutung durch die Begegnungen mit den Geschwistern
zeit in Costa Rica, wo ich für einen Studienaufenthalt weile.                                  aus allen Teilen der Erde.
Lehrkörper und Studentenschaft der «Universidad Bíblica                                            An vielen Orten, an denen das Leben der Menschen von
Latinoamerica (UBL)» kommen aus verschiedenen Ländern                                          Gewalt, Krieg, Ungerechtigkeit und Ausbeutung gekenn-
Lateinamerikas. Der Dialog mit den Kulturen wird hier ge-                                      zeichnet war, lernte ich wunderbare Initiativen kennen, in
sucht und gepflegt. So hat die UBL eine Ausstrahlung in den                                    denen Menschen sich gewaltfrei und kreativ für eine gerech-
ganzen Kontinent. Ich bin überzeugt: Die Zukunft unserer                                       tere Welt einsetzen. Dort bin ich Geschwistern im Glauben
Kirchen gehört der Vielfalt.                                                                   begegnet, die jeden Tag aufs Neue ein Stück Welt mit Wort
                                                                                               und Tat verändern. Der Einsatz für diese unsere gemein-
                                                                                               sam «bewohnte Erde» gewann durch sie und mit ihnen eine
                                                                                               andere Bedeutung. Auf einmal schienen diese vielen kleinen
                                                                                               Schritte Sinn zu ergeben, ein Mosaikstück eines grösseren
                                                                                               Bildes zu sein. Auf einmal wurde die Verbindung zwischen
                                                                                               meinem Einsatz in meinem lokalen Kontext und jenem der
                                                                                               Geschwister sichtbar. In den vielen Jahren meines Engage-
                                                              © Mission 21 / Dorothee Adrian

                                                                                               ments sowohl in meiner Heimatgemeinde in Bethlehem als
                                                                                               auch in den verschiedenen ökumenischen Initiativen war
                                                                                               und sind diese Begegnungen stets ein Ort der Hoffnung, der
                                                                                               Solidarität und der Inspiration.

Andreas Pauli: Pfarrer in Buchs/AG und Gefängnisseelsorger.
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
8   contigo     Nr.2 | 2017                                                                                            DOSSIER

                                                           COMMONS

         Der neu erkannte Reiz der Gemeinwirtschaft
                                                            Bruno Stöckli *

    Was müssen wir zwingend mitnehmen, um erfolg-                     (exklusiv), gleichzeitig sind sie rival, weil sauberes Wasser
    reich eine Survival-Tour zu überstehen? Essen,                    nur einmal getrunken – oder verschmutzt – werden kann.
                                                                      Und der Stadtpark kann an einem sonnigen Sonntag so
    Trinken, angepasste Kleidung, das packen alle ein.
                                                                      überfüllt sein, dass kaum noch ein Plätzchen frei ist.
    An Luft, das überlebenswichtige Gemeingut, den-
    ken aber wohl die wenigsten.                                                    Rückkehr der Allmenden
                                                                          Gemeingüter hatten lange einen schlechten Ruf. Falls
        Welche elementaren Dinge des Lebens braucht es, um            jede Frau und jeder Mann freien Zugang zu einer Ressource
    erfolgreich ausserhalb der Zivilisation zu überleben? Die         haben, so die landläufige Meinung, sind Übernutzung und
    meisten denken wohl an: Etwas zu trinken und zu essen,            Zerstörung vorprogrammiert. Wie andere Bodenschätze
    gute Kleider gegen Nässe und Kälte. Einige packen noch das        seien Wasser und Land knappe Güter, die es zu schützen
    Sackmesser ein und laden das GPS aufs Handy. Dass auch            gelte. Am besten durch Privatisierung. Bereits im 18. Jahr-
    Luft zu den elementaren Dingen des Lebens gehört, wird den        hundert wurden die Allmenden fast überall in Europa als
    wenigsten in den Sinn kommen. Luft gibt es ja überall – und       private Grundstücke eingezäunt und exklusive Wasserrech-
    überhaupt, Luft lässt sich nicht kaufen.                          te erteilt. Dasselbe passiert zurzeit im globalen Süden. Im
                                                                      Namen von Entwicklung und Fortschritt wird das traditi-
                 Wichtiges ist nicht käuflich                         onelle Nutzungsrecht durch ein westliches Eigentumsrecht
        Das Beispiel der Survival-Tour zeigt aber, dass elemen-       ersetzt. Nur wenn natürliche Ressourcen in privater Hand
    tare Dinge des Lebens nicht käuflich sind. Nicht nur Luft         sind, wird Sorge zu ihnen getragen, lautet die Lehrmeinung
    zum Atmen, auch Ruhe der Natur oder Rückbesinnung in              dahinter.
    der Abgeschiedenheit gehören dazu. Das sind sich selbst die           Angesichts der globalen Zerstörung von Ressourcen
    Volkswirtschaftler bewusst. In der Ökonomie werden die            oder wenig nachhaltiger Nutzung von Elementargütern
    materiellen und immateriellen Güter in die zwei Kategorien        kommen Zweifel auf, ob diese Thesen stimmen. Genährt
    Rivalität und Exklusivität eingeteilt. Ein Stück Brot ist ein     wurden diese Zweifel durch die umfangreichen Forschungs-
    rivales Gut, weil es nur einmal gegessen werden kann. Aus-        arbeiten von Elinor Ostrom, welcher 2009 als bisher einziger
    serdem ist es exklusiv, weil es dem einen Käufer eines Brots      Frau der Wirtschafts-Nobelpreis zugesprochen wurde. Eine
    möglich ist, andere vom Konsum auszuschliessen. Diese             ihrer Kernfragen: Welche Form der Bewirtschaftung von
    beiden Eigenschaften machen Brot gemäss ökonomischer              Ressourcen ist die nachhaltigste, die staatliche, die private
    Theorie zu einem privaten Gut, ganz im Gegensatz zur Luft,        oder die gemeinwirtschaftliche? Diese Frage führte die For-
    einem so genannt öffentlichen Gut. Eingeatmete Luft wird
    zwingend ausgeatmet (nicht rival) und niemand kann nie-
    mandem die Luft entziehen (inklusiv statt exklusiv).
        Wie ist das nun mit anderen elementaren Gütern wie                            Sieben Lesetipps
    Wasser oder Land? Ein Liter Wasser, er abgefüllt in einer
    Flasche im Laden steht, ist exklusiv. Ein Liter Wasser aus            «Commons», Silke Helfrich und Heinrich-Böll-Stiftung
    dem Bach hingegen nicht. Im Gegensatz zum Stadtpark               (Hrsg.); «Die Null Grenzkosten Gesellschaft», Jeremy Rifkin;
    ist der eigene Garten exklusiv. Diese beiden Beispiele zei-       «Ecommony», Frederike Habermann; «Enlivement», And-
    gen, dass es noch eine dritte Kategorie von Gütern gibt,          reas Weber; «Menschenzeit», Christian Schwägerl; «Selbst
    die Gemeingüter, gelegentlich auch als Almende oder Com-          denken – Eine Anleitung zum Widerstand», Harald Welzer;
    mons bezeichnet. Stadtpärke oder Bergbäche gehören allen          im Web: www.keimform.de; www.neustart-schweiz.ch
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
contigo        Nr.2 | 2017                                                                                                                                              DOSSIER      9

                                                                                                                   schaftens, die sich an der Idee der Commons orientieren und
                                                                                                                   gemein-wirtschaftlich ausgerichtet sind. Dazu gehören die
                                                                                                                   solidarische Ökonomie, die Transition Town Initiative oder
                                                                                                                   die Gemeinwohl-Ökonomie. Sie alle zeigen, dass die nach-
                                                                                                                   haltige Verwendung von Ressourcen nicht zwingend durch
                                                                                                                   Preise und Märkte geregelt werden muss. Die angesproche-
                                                                                                                   nen Initiativen verstehen sich als zukunftsgerichtet und wol-
                                                                                                                   len nicht zurück in längst vergangene Zeiten. Das gilt auch
                                                                                                                   für die Open Source Bewegung, die Wikipedia und Linux
                                                                                                                   unterhalten. Sie versteht Wissen als Gemeingut der Mensch-
                                                                                                                   heit. Wie das Saatgut, das die Natur in Fülle bereitstellt, soll
                                                                                                                   Wissen nicht durch Patente und Urheberrechte künstlich
                                                                                                                   verknappt und so der Allgemeinheit entzogen werden.
                                                                                                                       Darum ist die Eingangsfrage nochmals zu stellen:
                                                                                                                   Welche elementaren Dinge des Lebens braucht es für die
                                                                                                                   Survival-Tour? Sind es bloss Wasserflasche, Notnahrung,
                                                                                                                   Outdoor-Bekleidung, Sackmesser und Handy mit GPS?
                                                                                                                   Oder lautet die grundsätzliche Antwort schlicht: Luft,
                                                                                                                   Wasser und Nahrung in Fülle für alle?

                                                                                                                   * Bruno Stöckli; Bis zur Pensionierung bei Brot für alle zuständig für die
                                                                                                                   Wissensplattform Dialog4change. Seither Mit- und Vordenker im Bereich
                                                                                                                   Alternative Wirtschaftsformen.

                                                                                                                            Was fördert die Initiative Blue Community?
                                                                                                                   Wasser sei ein Gemeingut und der Zugang zu Wasser ein
                                                                                                                   Menschenrecht, formulierte die ehemalige Sonderbericht-
                                                                                   © Act Alliance / Paul Jeffrey

                                                                                                                   erstatterin der Uno für Wasser, Maude Barlow. Sie hat in der
                                                                                                                   Auseinandersetzung um Wasserprivatisierungen in Kanada die
                                                                                                                   Initiative Blue Community gegründet. In der Schweiz wird die
                                                                                                                   Initiative durch die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn
Oft bedeutet die Nutzung von Gemeingütern auch gemeinsame Arbeit (im Bild ein Brunnen                              vertreten und propagiert. Auch HEKS, die Stadt Bern, die
in Deley, Südsudan).
                                                                                                                   Universitäten Bern und St. Gallen und mehrere Kirchgemeinden
                                                                                                                   sind «Blue Communities».
           scherin in verschiedene Regionen, unter anderem auch in die
           Walliser Alpen. Dort untersuchte sie die Nachhaltigkeit ver-
           schiedener Formen der Alpbewirtschaftung. Ihre Resultate                                                Basis der Selbstverpflichtung als Blue Community bilden
           liessen aufhorchen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele konnte                                             vier Prinzipien: Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht,
           sie nachweisen, dass gemeinwirtschaftliche Bewirtschaftung
                                                                                                                   Wasserdienstleistungen bleiben Aufgabe der öffentlichen Hand,
           natürlicher Ressourcen keineswegs zu Übernutzung und
           Zerstörung führt. Mehr noch: vielerorts ist sie der privaten                                            Leitungswasser anstelle von Flaschen propagieren, in der
           und staatlichen Bewirtschaftung hinsichtlich Nachhaltigkeit                                             internationalen Zusammenarbeit im Wassersektor die öffentlich-
           überlegen.                                                                                              öffentliche Kooperation unterstützen.
                                                                                                                   Blue Communities setzen mit ihrer Ausrichtung ein Zeichen
                        Gemeingüter auch im Digitalen
                Die neuere Commons-Forschung hat den Blick wie-                                                    für Gemein-Wirtschaft und gegen die Privatisierung der
           der frei gemacht für das Gemein-Wirtschaftliche. Indigene                                               Lebensgrundlage aller Menschen, des Wassers. hb
           Kosmovisionen wie Ubuntu im südlichen Afrika oder Buen                                                  www.bluecommunity.ch
           Vivir in Lateinamerika wurden wiederentdeckt. Und über-
           all auf der Welt entstanden neue Formen alternativen Wirt-
Weltweite Kirche - Hand in Hand bleiben wir dran - Nr.2| 2017 - Brot für alle
10   contigo         Nr.2 | 2017

                 RÜCKBLICK KAMPAGNE 2017                                                                                den. Bischof Alvaro Ramazzini, Menschenrechtsaktivist aus
                                                                                                                        Guatemala, zeigte sich von der Rosenaktion begeistert:
     Gegen Land Grabbing – für Neuland                                                                                  «Indem ich einer mir lieben Person eine Rose schenke, helfe
                                                                                                                        ich einer anderen Person. Auch wenn diese Person und ich
                                        Urs Walter                                                                      uns wahrscheinlich nie begegnen werden, kreuzen sich un-
                                                                                                                        sere Wege, und das schafft einen besonderen Moment.»
                                                                                                                            Der Dank von Bischof Alvaro Ramazzini richtet sich an
     «Land muss dem Leben dienen und nicht dem Pro-                                                                     die vielen Menschen in den Kirchgemeinden und Pfarreien:
     fit» – dieser Satz prägte die Ökumenische Kampa-                                                                   Sie alle haben mit ihrem Engagement und ihrer tatkräfti-
                                                                                                                        gen Unterstützung die Ökumenische Kampagne 2017 zum
     gne 2017. Aufgezeigt wurde, wie Schweizer Banken
                                                                                                                        Erfolg gemacht. Dank dieser Solidarität können Brot für alle,
     und Finanzinstitute an der Finanzierung von Land                                                                   Fastenopfer und Partner sein ihre Partnerorganisationen im
     Grabbing beteiligt sind.                                                                                           Süden unterstützen.

         Zwei Kernsätze erläuterten die drei Entwicklungsorgani-
     sationen Brot für alle, Fastenopfer und Partner sein an der                                                                Tempo und Musse –
     Medienkonferenz zum Auftakt einer grossen Zahl Medien-                                                              mit dem Kampagnengast unterwegs
     schaffenden: 1. Land Grabbing, der Kauf von Land, um gros-
     se Plantagen anzulegen, nimmt den Bäuerinnen und Bauern
                                                                                                                                               Fabian Weidmann
     den Zugang zu Land. 2. Es darf darum nicht sein, dass sich
     auch Schweizer Banken an der Finanzierung solcher Ge-
     schäfte beteiligen.                                                                                                    «Wir müssen uns ein wenig beeilen, wenn wir den
         Als Zeichen gegen diesen Landraub wurde in der Öku-                                                            Anschluss nicht verpassen wollen», hörte ich mich zwei
     menischen Kampagne die Aktion Neuland lanciert. Sie                                                                Wochen lang immer wieder sagen. Ich war unterwegs mit
     stiess auf grosses Interesse. In der ganzen Schweiz wurde in                                                       Kartini Samon aus Indonesien und Aktivistin bei Grain,
     vielen Paletten gesät und gepflanzt. Entstanden sind bunte,                                                        einer Organisation, die sich weltweit für Kleinbäuerinnen
     vielfältige Symbole gegen den Verlust an fruchtbarem Land,                                                         und Kleinbauern engagiert. Sie besuchte die Schweiz im
     die lange über die Kampagne hinaus sichtbar bleiben. Eine                                                          Rahmen der Ökumenischen Kampagne 2017, in der sie als
     Auswahl der Bilder der vielen Aktionen finden Sie auf der                                                          Referentin über Landraub als Folge der massiven Expansion
     Webseite (https: sehen-und-handeln.ch/neuland).                                                                    von Ölpalm-Plantagen in Südostasien berichtete. Ich beglei-
         Der Rosenverkauf fand erneut regen Zuspruch. Als                                                               tete sie auf ihrer «Tour de Suisse», sorgte für die Organisation
     Weltneuheit wurde eine App entwickelt, mit der eine digi-                                                          der Referate und übersetzte, wo nötig, ins Deutsche.
     tale Rose verschenkt und zugleich gespendet werden kann.                                                               Wir legten Tausende von Kilometern mit unserem zu-
     Diese Aktion läuft weiter. Die Solidarität und viele Spenden                                                       verlässigen und bis ins letzte Detail durchdachten öffentli-
     stärken die Projektarbeit der Werke im Süden und im Nor-                                                           chen Verkehr zurück. Kartini Samon trat an über zwanzig
                                                                                                                        Veranstaltungen zwischen Schaffhausen und Lugano, Bern
                                                                                                                        und Zürich auf – oft zweimal täglich. So erstaunt es nicht,
                                                                                                                        dass uns zwischen den einzelnen Events meist nur wenig Zeit
                                                                                                                        zur Verfügung stand. Wir waren auf einen funktionierenden
                                                                                                                        und pünktlichen öffentlichen Verkehr angewiesen. Und wir
                                                                                                                        wurden nicht enttäuscht: Kein einziges Mal mussten wir die
                                                                                                                        Veranstalter über eine verspätete Ankunft informieren. Der
                                                                                                                        öffentliche Verkehr in der Schweiz ist einfach Weltklasse!
                                                                                                                            Und dennoch: Gerade zwischen zwei ländlichen Ort-
                                                                                      © Brot für alle / Patrik Kummer

                                                                                                                        schaften – etwa Altdorf im Kanton Uri und Stetten im
                                                                                                                        Aargau, wo man vier Mal umsteigen muss, um ans Ziel zu
                                                                                                                        gelangen – stösst die Benutzung des auf die Sekunde durch-
                                                                                                                        getakteten Systems bisweilen an Grenzen. Immer wieder
                                                                                                                        mussten wir Sprints hinlegen, damit uns der nächste Zug
     Start zur Aktion Neuland: An der Medienkonferenz pflanzten Kartini Samon,                                          nicht direkt «vor der Nase» abfuhr. Meine indonesische
     Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik Brot für alle (rechts), und Matthias                                     Begleiterin hasste dies! Solches Hasten sei sie sich schlicht
     Dörnenburg, Co-Leiter Kommunikation Fastenopfer, erste Frühlingsblüher.
                                                                                                                        nicht gewohnt, betonte Kartini Samon mehrmals. «Ihr
contigo         Nr.2 | 2017                                                                                                                                                        11

                                                                                                                 der Schweiz anerkannten Uno-Leitprinzipien für Menschen-
                                                                                                                 rechte und Umwelt gesetzlich verankern wollen, so wie es
                                                                                                                 die Konzernverantwortungsinitiative fordert. In Frankreich
                                                                                                                 ist im März 2017 das Gesetz für eine Sorgfaltspflicht für
                                                                                                                 Unternehmen vom Verfassungsgericht genehmigt worden.
                                                                                                                 In Grossbritannien und den Niederlanden soll die Sorgfalts-
                                                                                                                 pflicht in Bezug auf Kinderarbeit und Zwangsarbeit vorge-
                                                                                                                 schrieben werden. uw

                                                                               © Brot für alle / Patrik Kummer
                                                                                                                            VORSCHAU KAMPAGNE 2018

                                                                                                                          Gemeinsam Verantwortung
                                                                                                                            für die Zukunft tragen
An der Medienkonferenz zum Auftakt der Ökumenischen Kampagne 2017 gab Kartini Samon                              Die Welt steckt in einer existenzbedrohenden Krise,
Einblicke in die Folgen des Land Grabbing in Indonesien.
                                                                                                                 die ökologische, ökonomische, gesellschaftliche und
                                                                                                                 spirituelle Komponenten hat. Doch: Brot für alle ist
           Schweizer habt die Uhren, wir haben die Zeit», erinnerte
           sie mich hin und wieder an das bekannte geflügelte Wort.                                              überzeugt, dass ein Wandel hin zu einer Welt, in der
           In Indonesien sei Zeit wie Gummi – äusserst dehnbar                                                   alle genug zum Leben haben, möglich ist.
           und flexibel. In Indonesien gibt es mit «Jam Karet» sogar
           einen Begriff, der die «Gummi-Zeit» umschreibt, wie ich                                                   Um die Menschenrechte, die Natur und das Klima wir-
           lernte. Einen Fahrplan gibt es dort oft nicht, man ist froh,                                          kungsvoll zu schützen, braucht es einen Paradigmenwech-
           wenn der Bus überhaupt fährt.                                                                         sel – vergleichbar mit der Reformation oder der Aufklärung.
               «Ich glaube, wir geniessen einfach das Leben mehr, wir                                            Das heutige Werte- und Lebensmodell muss grundlegend
           leben den Moment», sagte mir Kartini Samon einmal. Und                                                verändert werden. Künftig müssen sich Wirtschaft und
           ich musste ihr beipflichten. Wir Schweizerinnen und Schwei-                                           Gesellschaft viel umfassender am Gemeinwohl orientieren,
           zer sind zwar Meister der Effizienz, Pünktlichkeit und Pla-                                           auf Kooperation in Gruppen setzen und so neue Freiräume
           nung, doch wir haben verlernt, was es heisst, den Moment zu                                           für Menschen und Umwelt schaffen.
           leben. Während ich auf den Zugfahrten oft meinen Laptop                                                   Diese Ausrichtung prägt die Arbeit der drei Entwick-
           öffnete und in die Tasten haute, schloss Kartini Samon ein-                                           lungsorganisationen Brot für alle, Fastenopfer und Partner
           fach die Augen und genoss die Ruhe.                                                                   sein. In der Ökumenischen Kampagne 2018 werden gezielt
               Seit ich die indonesische Aktivistin zum Flughafen                                                Alternativen zum bisherigen Modell und inspirierende
           begleitet habe, versuche ich etwas gemächlicher zu gehen –                                            konkrete Handlungsformen für das neue, zukunftsfähige
           und bewusst nicht die maximale Effizienz aus mir herauszu-                                            Wirtschaften sowie für eine nachhaltige Nahrungsmittel-
           holen. Dies ist nur ein kleiner Schritt, aber bestimmt einer in                                       produktion aufgezeigt. Brot für alle, Fastenopfer und Part-
           die richtige Richtung.                                                                                ner sein möchten die Menschen zum Mitmachen ermutigen
                                                                                                                 und nachhaltigere Lebensformen fördern. Ziel der Ökume-
                                                                                                                 nischen Kampagne 2018 ist, gemeinsam Verantwortung für
                                                                                                                 unsere Zukunft zu übernehmen und alle in die Gestaltung
                                                                                                                 dieser Zukunft einzubeziehen.
                        KONZERNVERANTWORTUNG                                                                         Die Projekte machen das Kampagnenthema konkret und
                                                                                                                 zeigen, wie wir über die Grenzen der Länder und Kontinente
                               Frankreich führt                                                                  hinweg solidarisch sein können. uw
                             Sorgfaltsprüfung ein
                                                                                                                 Ökumenische Kampagne 2018: 14. Februar bis 1. April 2018
               Letztes Jahr stand die Ökumenische Kampagne im Zei-                                               Rosenaktion: 10. März 2018
           chen der Konzernverantwortungsinitiative. Diese wurde im                                              Rosenapp: Rosen digital zu verschenken und dabei zugleich für Projekte zu
           Herbst 2016 eingereicht. Der Bundesrat hat jedoch die Ein-                                            spenden, bleibt weiterhin möglich: Die dafür nötige App «Give a rose» kann
                                                                                                                 gratis im App-Store für Ihr Betriebssystem heruntergeladen werden.
           führung einer Sorgfaltspflicht für Unternehmen abgelehnt.
           Jetzt beraten National- und Ständerat darüber, ob sie die von                                         Informationen: www.sehen-und-handeln.ch
12   contigo        Nr.2 | 2017

                                                                                                                  Was ist die häufigste Frage in der Beratung der
                                                                                                               Kirchgemeinden?
                   PROJEKTE UND AKTIONEN                                                                           Die meisten Fragen drehen sich um die Projektunterstüt-
                                                                                                               zung: Welches Projekt eignet sich? Wie kann ich die Spenden
                   Wir helfen mit Rat                                                                          einzahlen? Gibt es Bilder und Geschichten, die man im Got-
                und Tat und Text und Bild                                                                      tesdienst oder am Suppentag verwenden kann? Auch zum
                                                                                                               Versand des Fastenkalenders kommen viele Fragen.
                                                                                                                   Informationen, die für alle gültig sind, wie zu den Ver-
                                      Urs Walter
                                                                                                               sandarten des Fastenkalenders, finden sich online oder in
                                                                                                               den Kampagnenunterlagen. Viele Fragen sind jedoch in-
     Ob für die Wahl eines neuen Projektes, Unterlagen                                                         dividuell. Deshalb stehe ich auch per Telefon und Mail zur
     zur Ökumenischen Kampagne oder allgemeine Aus-                                                            Verfügung und berate die Mitarbeitenden in den Kirchge-
                                                                                                               meinden individuell.
     kunft zum Spenden: Für Ihre tägliche Arbeit in der
     Kirchgemeinde geben wir Ihnen viel Unterstützung.                                                            … und was die häufigste Klage?
     Anlaufstelle ist Maria Dörnenburg. Ein Gespräch:                                                             Die meisten Rückmeldungen erhalten wir zu den Infor-
                                                                                                               mationsmaterialien: zu häufig oder an die falschen Personen
        Welche regelmässigen Informationsmittel stehen von                                                     adressiert. Da hilft, wenn wir rasch erfahren, falls Unterla-
     Brot für alle für die Arbeit rund um Entwicklung und                                                      gen an eine falsche Adresse oder doppelt verschickt wurden.
     weltweite Kirche zur Verfügung?                                                                           Gerne passen wir die Versände an.
          Die Zusammenarbeit zwischen Brot für alle und den
     Kirchgemeinden dreht sich zu einem grossen Teil um die                                                       Neben dem «Newsletter für Kirchgemeinden» kann
     Ökumenische Kampagne. Darauf richten sich unsere In-                                                      auf der Webseite auch ein «Newsletter» bestellt werden.
     formationsmaterialien aus. Im Herbst verschicken wir eine                                                 Was ist der Unterschied?
     Kampagnenvorschau und später den Musterversand mit den                                                        Der «Newsletter für die Kirchgemeinden» ist speziell
     wichtigsten Materialien und Fakten zur Kampagne: Fasten-                                                  für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gedacht und
     kalender, Gottesdienstvorlagen oder Unterrichtsmaterialien                                                enthält Informationen zur Kampagne oder wie man sich
     etc.                                                                                                      engagieren kann. Der allgemeine Newsletter richtet sich an
          Insbesondere während der Kampagnenzeit unterstüt-                                                    alle und informiert über Themen, die bei Brot für alle gerade
     zen die Kirchgemeinden Projekte im Gottesdienst, mit dem                                                  aktuell sind. Beide Newsletter ergänzen sich gegenseitig.
     Suppentag oder mit Aktionen im Religionsunterricht. Das
     Projektheft bietet eine Übersicht über alle von uns unter-                                                Maria Dörnenburg, Beratung und Fundraising Kirchgemeinden,
     stützten Projekte und wird im Herbst verschickt.                                                          Kontakt: doernenburg@bfa-ppp.ch / 031 380 65 62

          Wichtige Informationen sind aber nicht immer plan-
     bar. Deshalb haben wir einen speziellen Newsletter für die
     Kirchgemeinden. Darin informieren wir in unregelmässi-                                                              So kommen Sie zur gewünschten Information
     gen Abständen über Themen, die für sie und ihre Arbeit von                                                • Newsletter für Kirchgemeinden:
     Interesse sind.                                                                                             www.brotfueralle.ch/fuer-kirchgemeinden/
                                                                                                               • Internet: www.brotfueralle.ch/fuer-kirchgemeinden; alle Informationen
                                                                                                                 sowie Materialien für Kirchgemeinden zu den laufenden Kampagnen:
                                                                                                                 https://sehen-und-handeln.ch/fuer-pfarreien-und-kirchgemeinden
                                                                                                               • Materialien etc.: Musterversand für die Ökumenischen Kampagnen,
                                                                                                                 Bildungsunterlagen oder Unterstützung beim Versand des Fasten-
                                                                                                                 kalenders: bei Maria Dörnenburg anfragen.

                                                                                                                Allgemeine Informationen über die Arbeit von Brot für alle
                                                                                                               • Newsletter Brot für alle bestellen: www.brotfueralle.ch/newsletter
                                                                                                               • Magazin «Perspektiven» herunterladen:
                                                                             © Brot für alle / Mathias Räber

                                                                                                                 www.brotfueralle.ch/publikationen
                                                                                                               • Dossier: Zu «Perspektiven» gehört regelmässig ein Dossier
                                                                                                                 zu speziellen Themen oder der aktuellen Kampagne.
                                                                                                               • Webseite: www.brotfueralle.ch
                                                                                                               • Facebook: /www.facebook.com/brotfueralle/
                                                                                                               • Twitter: www.twitter.com/brot_fuer_alle
     Maria Dörnenburg, Ansprechperson für Kirchgemeinden bei Brot für alle
contigo     Nr.2 | 2017                                                                                                                                  13

                   KINDERARBEIT

            LafargeHolcim bleibt
            in der Verantwortung
Über zehn Jahre lang kauften LafargeHolcim und
seine Zulieferer in Uganda Rohstoffe aus kleinen
Steinbrüchen, in denen auch Kinder und Jugend-
liche arbeiteten. Rund 150 junge Menschen waren
zuletzt betroffen, belegt eine Studie von Brot für
alle.

    Mehr als zehn Jahre hat Hima Cement, eine Tochter-
firma von LafargeHolcim in Uganda, von der Arbeit von
Kindern und Jugendlichen profitiert. Sie waren günstige Ar-
beitskräfte im handwerklichen Abbau von Pozzolan, einem

                                                                                                                                                              © Twerwaneho Listeners‘ Club TLC
Zusatzstoff für Zement. Das belegt eine Studie von Brot für
alle und Twerwaneho Listeners‘ Club (TLC) in Uganda. 54
Kleinschürfer und Lastwagenfahrer, Behördenvertreter und
lokale Landbesitzer wurden zwischen März bis November
2016 befragt. Für drei Bezirke in der Region Harugongo im
Südwesten von Uganda schätzten sie die Zahl der betroffe-
nen Kinder und Jugendlichen auf 150. Übereinstimmend            LafarageHolcim hat auch Rohstoff aus handwerklichem Abbau verarbeitet. In diesen Minen
wiesen sie darauf hin, dass diese Kinderarbeit bis in die       in der Region Harugongo im Südwesten von Uganda arbeiten Kinder und Jugendliche mit.

frühen 2000er-Jahre zurückreicht.
    Erst als der Skandal zur Kinderarbeit in der Lieferket-     Sonst wirke das schnelle Ende der Einkäufe in Steinbrüchen
te von Hima Cement publik wurde, reagierte der Konzern          mit Kinderarbeit wie ein blosser Schachzug, mit dem sich
LafargeHolcim. Seit Januar 2017 kauft er den Rohstoff nur       der Konzern aus seiner Verantwortung stehle.
noch aus mechanisierten Steinbrüchen, die einzig erwach-            Aber auch die Schweizer Politik muss handeln, fordern
sene Arbeitskräfte beschäftigen. Die Folge: Nun sind die        Brot für alle und Fastenopfer. Es braucht gesetzliche Bestim-
Kinder und Jugendlichen arbeitslos. Brot für alle und Fasten-   mungen, damit Konzerne über ihre ganze Lieferkette hinweg
opfer fordern den Konzern LafargeHolcim auf, seine Verant-      prüfen, ob das weltweit anerkannte Verbot von Kinderarbeit
wortung wahrzunehmen, damit diese «vergessenen Kinder»          tatsächlich eingehalten wird. Freiwillige Schritte oder Ver-
wieder zur Schule gehen können oder eine Berufsausbildung       einbarungen der Konzerne, wie sie der Bundesrat in seinem
erhalten.                                                       kürzlich veröffentlichten Bericht zu Kinderarbeit umriss,
                                                                genügen nicht.
LafargeHolcim trägt noch immer Verantwortung
    «Der Entscheid hat Folgen und dafür trägt LafargeHol-                 Gravierende gesundheitliche Folgen
cim auch Verantwortung», sagt Yvan Maillard Ardenti,                Die Arbeit in den Steinbrüchen hat für die Kinder und
Fachperson Unternehmen und Menschenrechte bei Brot für          Jugendlichen gravierende gesundheitliche Folgen. Das be-
alle. «Das gehört zu seiner Sorgfaltspflicht, so wie dies die   legen die Aussagen in der Untersuchung. «Die Arbeit ist
Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Uno        riskant und ermüdend. Die Puzzolan-Steine sind schwer,
(UNGP) verlangen.» Jahrelang habe der Zementkonzern             10 bis 15 Kilogramm und mehr», sagt ein 16-Jähriger, der
Profit auf Kosten von Kindern und Jugendlichen erwirt-          in einem der vielen kleinen Steinbrüche in der Region Haru-
schaftet. Diese hätten dafür Schule und Ausbildung ver-         gongo geschuftet hat. Ein 12-Jähriger fügt im Gespräch mit
nachlässigt. Darum fordern Brot für alle und Fastenopfer von    TLC an: «Oft habe ich im ganzen Körper Schmerzen. Ein-
LafargeHolcim und den Lieferanten vor Ort Programme für         mal brach ich die Hand. Die Behandlung musste mein Vater
die früheren Kinderarbeiter. «Der Konzern soll die jungen       bezahlen.»
Menschen unterstützen, damit sie fehlende Schuljahre und
Ausbildungen nachholen können», sagt Maillard Ardenti.          Informationen und Bilder: https://brotfueralle.ch/lafargeholcim
14       contigo    Nr.2 | 2017

                                                    FLÜCHTLINGSKAMPAGNE

                                  Farbe bekennen für eine menschliche Schweiz

                                                                    Andrea Oertli

         Weltweit sind mehr als 65 Millionen Menschen auf
         der Flucht. Auch wir in der Schweiz sind gefordert,
         geflüchteten Menschen Schutz zu gewähren und sie
         zu integrieren. Mit der Kampagne «Farbe beken-
         nen» setzt HEKS ein Zeichen der Solidarität.

             Vor gut einem Jahr erschütterten uns die Bilder von
         geflüchteten Frauen, Männern und Kindern, die auf der Su-
         che nach Schutz und einer besseren Zukunft nach Europa
         kamen. Mit der Schliessung der Balkan-Route sind diese
         Bilder aus den Medien verschwunden. Doch das bedeutet

                                                                                                                                                                   © HEKS/Sabine Buri
           Humanitäre Korridore für Flüchtlinge:
               Bald auch in der Schweiz?                                     Es braucht Menschen, die Brücken bauen – zum Beispiel als Freiwillige in den «Neuen

 Die reformierten Kirchen und die katholische Laiengemeinschaft              Gärten« von HEKS, dem Integrationsprojekt für Flüchtlinge.

 «Sant’Egidio» in Italien haben es vorgemacht: Sie haben mit
                                                                             nicht, dass auch die Menschen und ihre Not verschwunden
 den Behörden ihres Landes vereinbart, dass innert zwei Jah-
                                                                             sind – im Gegenteil. Traurige Realität ist, dass sich heute
 ren insgesamt tausend besonders verletzliche Flüchtlinge,
                                                                             mehr Menschen denn je auf der Flucht befinden. Weltweit
 vorwiegend aus Syrien, mit einem humanitären Visum sicher                   haben Kriege und Gewalt mehr als 65 Millionen Menschen
 nach Italien gelangen können und dort während des ordentlichen              dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die Fluchtwege
 Asylverfahrens von Freiwilligen begleitet werden. Die Kosten für            über Land sind jedoch zunehmend blockiert. So riskieren
 die Unterbringung und die ersten Massnahmen zur Integration                 die Flüchtenden die gefährliche Überfahrt über das Mittel-
                                                                             meer oder harren unter menschenunwürdigen Bedingun-
 der Flüchtlinge werden von den beiden kirchlichen Organisationen
                                                                             gen in den Flüchtlingscamps aus. Trotz dieser anhaltenden
 getragen. Dieses zivilgesellschaftliche, von grosser Menschlichkeit         Not droht in der Schweiz die gesellschaftliche und politi-
 und Solidarität geprägte Engagement für Menschen auf der Flucht             sche Haltung zu Geflüchteten von Solidarität in Ablehnung
 sollte für die Schweiz beispielgebend sein und könnte auch bei              umzuschlagen.
 uns Schule machen. Denn die Schweiz als eines der weltweit
 reichsten Länder könnte und sollte zweifellos bedeutend mehr als
                                                                                      Das menschliche Gesicht der Schweiz
                                                                                    und unser humanitäres Erbe sind in Gefahr
 bisher tun zur Bewältigung der Krise.
                                                                                 Mehr denn je ist es notwendig, dass wir zusammenste-
 HEKS wird deshalb in den nächsten Wochen und Monaten                        hen und der Stimme der Menschlichkeit Gehör verschaffen.
 mit Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteuren Gespräche                 Unsere Schweiz ist eine menschliche Schweiz. Eine Schweiz,
 darüber führen, wie das Modell der «humanitären Korridore»                  die Brücken baut und schutzbedürftige Flüchtlinge sicher
 auf schweizerische Verhältnisse adaptiert werden könnte, um                 einreisen lässt. Und eine Schweiz, deren Bevölkerung den
                                                                             geflüchteten Menschen mit Offenheit begegnet und sie dabei
 noch mehr schutzbedürftigen Menschen die lebensgefährlichen
                                                                             unterstützt, einen Neuanfang zu schaffen – neue Freund-
 Fluchtwege zu ersparen. dw
                                                                             schaften zu schliessen, die Sprache zu lernen und einen Ein-
                                                                             stieg ins Schul- und Berufsleben zu finden.
contigo         Nr.2 | 2017                                                                                                                                                                     15

            Schweizer Appell für Menschlichkeit                                                                               So können Sie Farbe bekennen
1. Wir sehen eine Welt im Umbruch. Kriege und Katastrophen führen                                          Tragen Sie das Armband:
   dazu, dass viele Menschen ihre Heimat verlassen und in fremden                                          Mit dem Menschlichkeits-
   Ländern Zuflucht und eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder
                                                                                                           armband bekennen Sie sich
   suchen.
2. Wir verstehen, dass die rasanten Veränderungen in der Welt und die                                      zu Solidarität mit Menschen
   enorme Zahl von Menschen auf der Flucht verunsichern können.                                            auf der Flucht. Erhältlich

                                                                                                                                                                                                            © HEKS
   Manche haben Angst davor, was die Zukunft bringen könnte.
                                                                                                           in den Farben Purpur,
3. Wir haben Mitgefühl für alle Menschen, die verfolgt werden, deren
   Existenz bedroht ist oder die in ihrer Heimat keine Zukunft mehr ha-                                    Ozean oder Gold.
   ben. Denn niemand flüchtet freiwillig.
4. Wir sind uns bewusst, dass viele Menschen, die bei uns Zuflucht ge-
                                                                                                                                                                            Zeigen Sie Flagge:
   sucht haben, bei uns bleiben werden. Sie brauchen so schnell wie mög-
   lich Gewissheit über ihre Zukunft.                                                                                                                                       Bestellen Sie die
5. Wir wissen, dass jeder Mensch Essen, eine sichere Unterkunft und                                                                                                         Menschlichkeitsflagge
   eine Perspektive für sich und seine Familie braucht. Diese existenziel-
                                                                                                                                                                            (Format 68 x 47,5 cm)
   len Dinge stehen jedem Menschen zu, auch in der Schweiz.
6. Wir glauben daran, dass wir diese Herausforderungen meistern und                                                                                                         und hängen Sie diese
   dass alle Menschen, die in diesem Land leben, ihren Beitrag für eine                                                                                                     bis zum Weltflücht-

                                                                                                                                                       © HEKS/Sabine Buri
   erfolgreiche Zukunft der Schweiz leisten können und sollen.
                                                                                                                                                                            lingstag am 20. Juni gut
7. Wir wollen zusammen die Herausforderungen mit Zuversicht anneh-
   men. Wir wollen Chancen und Potenziale nutzen und gemeinsam                                                                                                              sichtbar unter Ihr Fenster
   eine sichere Zukunft gestalten.                                                                                                                                          oder an Ihren Balkon.
8. Wir setzen uns dafür ein, dass unsere erfolgreiche Schweiz von heute
   mit einer menschlichen und solidarischen Stimme in der Welt von
   morgen besteht.                                                                                         Engagieren Sie sich: Durch einfache Formen der
9. Wir alle sind diese Stimme. Bekennen wir Farbe für eine menschliche                                     Alltagsbegleitung können Sie für Flüchtlinge bereits eine wichtige
   Schweiz. Jetzt.
                                                                                                           Unterstützung leisten. Auf der Plattform www.engagiert.jetzt
                                                                                                           finden Sie Projekte für und mit Flüchtlingen in Ihrer Umgebung.

             Es braucht Menschen, die Brücken bauen                                                        Freiwillige Helferinnen und Helfer gesucht!
           Dies sind keine einfachen Aufgaben. Sie erfordern von
       allen Seiten Mut, Geduld und den Willen, sich gemeinsam                                             Bekennen Sie Farbe am Flüchtlingssonntag
       für eine hoffnungsvolle Zukunft einzusetzen. Wir sind über-
                                                                                                           Am Flüchtlingssonntag, am 18. Juni 2017, bietet sich für
       zeugt, dass eine menschliche Schweiz möglich ist. Dazu
       braucht es keine Mauern oder Zäune. Es braucht Brücken                                              Kirchgemeinden die Gelegenheit, den Gottesdienst den
       zwischen den Menschen. Und Menschen, die Brücken bau-                                               Menschen zu widmen, die ihre Heimat verlassen mussten und
       en. Setzen wir deshalb ein Zeichen für Menschlichkeit und                                           hier in der Schweiz um Aufnahme bitten. Die Kirchgemeinden
       Solidarität. Bekennen wir Farbe! Jetzt!
                                                                                                           können eine wichtige Rolle spielen: Sie können Flüchtlinge zu

       Mehr Informationen: www.farbe-bekennen.ch                                                           Anlässen einladen und sie mit Mitgliedern der Gemeinde bekannt
                                                                                                           machen, zur Solidarität aufrufen, Menschlichkeitsarmbänder
                                                                                                           unter die Leute bringen und Kollekten oder Budgetmittel für die
                                                                                                           Flüchtlingsarbeit bestimmen.
                                                                                                           Als Unterstützung für Kirchgemeinden stellt HEKS auch dieses
                                                                                                           Jahr eine breite Palette von Materialien wie Predigtbausteine,
                                                                                       © HEKS/Frank Egle

                                                                                                           Kollektenansagen, Reportagen und vieles mehr zur Verfügung.

                                                                                                           Materialien bestellen oder herunterladen: www.heks.ch/fluechtlingssonntag

       Die interkulturellen Vermittlerinnen vom HEKS-Projekt «Vitalina» geben fremd-
       sprachigen Eltern mit Kindern im Vorschulalter wichtige Tipps zu Gesundheits-
       themen und Angeboten in den Gemeinden.
16   contigo    Nr.2 | 2017

                                                                  flüchtet. Täglich überqueren
                                                                  rund 3000 Menschen, meist
                    HUMANITÄRE HILFE                              Frauen und Kinder, die
                                                                  Grenze. Sie haben kaum Zu-
               Hungersnot in Ostafrika                            gang zu Nahrungsmitteln
                                                                  und Trinkwasser. HEKS wird
                          Bettina Filacanavo                      mit seiner Partnerorganisa-

                                                                                                                                                         © HEKS
                                                                  tion ACORD Nothilfe für die
                                                                  Flüchtlinge in Uganda leisten.
     Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Nach Angaben             Im Vordergrund steht auch                 HEKS unterstützt im Südsudan die Reparatur

     der Vereinten Nationen sind am Horn von Afrika 15            hier der Zugang zu sauberem               von Handpumpen. 47 000 Menschen erhalten
                                                                                                            dadurch Zugang zu sauberem Trinkwasser.
                                                                  Trinkwasser.
     Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. HEKS
     hilft mit Unterstützung der Glückskette den Notlei-                       Dürrekatastrophe in Äthiopien
     denden in Äthiopien, im Südsudan und in Uganda.                  Der Süden und Osten von Äthiopien sind schwer be-
                                                                  troffen von einer Dürre, bedingt durch das Klimaphä-
         Im Südsudan hat sich die humanitäre Lage weiter ver-     nomen «El Niño». Über fünf Millionen Menschen sind
     schlimmert. Mehr als 3,4 Millionen Menschen sind wegen       in ihrer Existenz bedroht und haben keinen Zugang zu
     des Bürgerkriegs auf der Flucht. Im Februar hat die UNO      sauberem Trinkwasser. Die HEKS-Partnerorganisation
     die Hungersnot in der Region ausgerufen. Als Antwort auf     Gayo Pastoral Development Initiative wird ein «Cash for
     diese humanitäre Krise hat HEKS gemeinsam mit Terre des      work»-Projekt für rund 1200 Familien umsetzen, damit
     hommes ein Nothilfe-Projekt lanciert. Unterstützt wird die   diese in der Lage sind, Lebensmittel zu kaufen. Weiter
     lokale Partnerorganisation South Sudan Health Associa-       ist die Instandsetzung der Wasserversorgung für rund
     tion» (SSUHA), die intern Vertriebene mit lebensnotwen-      35 000 Menschen und 121 000 Rinder und Schafe geplant.
     digen Gütern versorgt. Das Hauptaugenmerk des Projekts
     liegt beim Zugang zu sauberem Trinkwasser für rund 47 000                      Jetzt Spenden für Afrika!
     Menschen und der Verteilung von Saatgut und Arbeitsgerä-     Helfen Sie mit und unterstützen Sie die notleidende Bevölke-
     ten zur Pflanzung von Nahrungsmitteln.                       rung in Ostafrika. Mit Ihrer Spende können wir rasch helfen
                                                                  und Not lindern. Herzlichen Dank!
                  Flüchtlingskrise in Uganda
         Wegen der Konflikte in Südsudan sind laut UNHCR be-      Spendenkonto: 80-1115-1, Vermerk «Hungersnot in Afrika»
     reits über 800 000 Menschen ins Nachbarland Uganda ge-       Online unter spenden.heks.ch/hungersnot-afrika

                   Ein sicherer Hafen

                              Olivier Schmid                                                                                                             © HEKS

     Die Philippinen werden regelmässig von Naturkata-
     strophen heimgesucht. HEKS baute deshalb zum                 Ende März 2017 wurde das Evakuierungszentrum in Manapao eingeweiht und den lokalen
                                                                  Behörden übergeben.
     Abschluss seines Engagements auf den Philippinen
     Evakuierungszentren, die den Menschen im Notfall             ihrer Häuser und bei der Sicherung ihrer Lebensgrundla-
     Schutz bieten.                                               gen. Da die Philippinen jährlich von rund zwanzig Taifunen
                                                                  heimgesucht werden, legte HEKS zudem grossen Wert auf
         Am 8. November 2013 traf der Taifun «Haiyan» die Phi-    die Verbesserung der Katastrophenvorsorge. Zum Abschluss
     lippinen mit voller Wucht. Er kostete über 6300 Menschen     seines Engagements auf den Philippinen baute HEKS auf der
     das Leben, Millionen von Menschen wurden obdachlos und       Insel Panay drei neue Evakuierungszentren, die 316 Men-
     verloren ihre Lebensgrundlage. HEKS leistete gemeinsam       schen Schutz bieten und ausserhalb von Katastrophenzeiten
     mit seiner Partnerorganisation Task Force Mapalad (TFM)      von 581 Schülerinnen und Schülern für Schulzwecke und
     Nothilfe, unterstützte die Menschen beim Wiederaufbau        Sportaktivitäten benutzt werden können.
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