Die Altersversorgung im öffentlichen Dienst - Frag den Müller
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68 PRAXIS LOHN+GEHALT Juli 2021 Ermittlung der Hinzurechnungsbeträge Die Altersversorgung im öffentlichen Dienst In der Entgeltabrechnung des öffentlichen Dienstes sind neben arbeits- und tarifvertraglichen Besonderheiten auch spezielle Regelungen im Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht zu beachten. Neben den auch in der Privatwirtschaft allgemeingültigen Vorschriften, wie z. B. der Frage, welche Zahlungen überhaupt zum steuerpflichtigen Arbeitslohn bzw. zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt gehören, können die sogenannten Hinzurechnungsbeträge das Steuer- und das Sozialversicherungsbrutto (SV-Brutto) erhöhen. Foto: Friedberg, Adobe Stock
LOHN+GEHALT Juli 2021 PRAXIS 69 Sanierungsgelder D iese Hinzurechnungsbeträge entstehen im Rahmen umla- Die Zusatzversorgung wurde zum gefinanzierter Pensionskas- 01.01.2002 durch den Altersvorsorge- sen, wie sie im öffentlichen Dienst zu plan sowie den Altersvorsorgetarif- finden sind. Dabei kann es sich sowohl vertrag (ATV) und den Altersvorsor- um eine ausschließlich umlagefinan- getarifvertrag-Kommunal (ATV-K) zierte (z. B. VBL Abrechnungsverband grundlegend neu gestaltet. Die im West) als auch um eine gemischt alten System (Gesamtversorgungs- finanzierte Pensionskasse (z.B. VBL system) erworbenen Anwartschaften Abrechnungsverband Ost) handeln. wurden nach dem bisherigen Recht Gemischt finanziert bedeutet, dass unter Anwendung von Übergangs- neben der Umlage auch Beiträge zur regelungen ermittelt. Die so festge- Finanzierung erhoben werden. Neben stellten Anwartschaften wurden in der Erläuterung der unterschiedlichen Versorgungspunkte umgerechnet Begrifflichkeiten wie Umlage, Beitrag, (deshalb Punktesystem) und dem Eigenbeteiligung und Sanierungsgeld Versorgungskonto gutgeschrieben beschreibt dieser Artikel Schritt für (Startgutschrift). Das Sanierungsgeld Schritt die Ermittlung der Hinzurech- dient der Finanzierung der ungedeck- nungsbeträge. ten Versorgungsversprechen aus dem „alten“ Gesamtversorgungssystem. § 65 der VBL-Satzung führt aus: Umlagen, Beiträge und „Infolge der Schließung des Gesamt- Eigenbeteiligung versorgungssystems und des Wechsels In einem umlagefinanzierten System vom Gesamtversorgungssystem zum werden mit den laufenden Einnahmen Punktemodell erhebt die VBL entspre- – den Umlagen – im Wesentlichen die chend dem periodischen Bedarf von laufenden Rentenleistungen gezahlt. den Beteiligten mit Pflichtversicher- Die geleisteten Umlagen werden ten im Abrechnungsverband West ab nicht für künftige Renten angespart, 01.01.2002 pauschale Sanierungsgelder sondern für die aktuellen Rentenver- zur Deckung eines zusätzlichen Finan- pflichtungen ausgegeben. zierungsbedarfs … der zur Finanzie- In einem kapitalgedeckten rung der vor dem 01.01.2002 begrün- Altersversorgungssystem zahlt der deten Anwartschaften und Ansprüche Arbeitgeber Beiträge ein, die dann (Altbestand) dient.“ für die später zu leistenden Renten Es gibt auch Zusatzversorgungs- angespart werden. Durch Beiträge kassen, die keine Sanierungsgelder werden also keine laufenden Renten- erheben. So schreibt die BVK Zusatz- leistungen finanziert. Zusatzbeiträge versorgung (wird von der Bayerischen können erhoben werden, um einen Versorgungskammer BVK verwaltet) in Kapitalstock zur schrittweisen Umstel- ihrem Rundschreiben vom August 2016 lung des Finanzierungsverfahrens auf Folgendes: „Nach dem Systemwechsel eine Kapitaldeckung aufzubauen. im Jahr 2002 wurden die damaligen Eine Eigenbeteiligung des Be- Umlagesätze der Zusatzversorgungs- schäftigten an den Kosten der Zusatz- einrichtungen auf dem Stand von versorgung kann per Tarifvertrag, November 2001 eingefroren. Soweit die Betriebsvereinbarung oder Einzel- Kassen nicht in eine (teilweise) Kapital- arbeitsvertrag vereinbart werden. deckung eingestiegen sind, konnten Schuldner der Eigenbeteiligung des sie für einen eventuellen zusätzlichen Beschäftigten gegenüber der Zusatz- Finanzierungsbedarf infolge der Sys- versorgungskasse ist stets der Arbeit- temumstellung sog. Sanierungsgelder geber. erheben. Da die BVK Zusatzversorgung
70 PRAXIS LOHN+GEHALT Juli 2021 nach dem Systemwechsel alsbald einen Steuerliche Grenzbeträge für Und was sagt die Umstieg in eine teilweise Kapitalde- Aufwendungen zur Pflichtversicherung Sozialversicherung? ckung vollzogen hat, ist ein zusätzli- monatlich jährlich cher Finanzierungsbedarf zu keinem Die Umlage des Arbeitgebers erhöht Zeitpunkt eingetreten. Vielmehr wurde steuerfreie Umlage auch das sozialversicherungspflich- neben einer abgesenkten Umlage ein des Arbeitgebers tige Arbeitsentgelt. Zum einen zählt 213,00 2.556,00 sog. Zusatzbeitrag erhoben, durch den nach § 3 Nr. 56 EStG der vom Arbeitnehmer zu versteu- Euro Euro neu entstehende Anwartschaften kapit- (drei Prozent der ernde Teil der Umlage in voller Höhe BBG RV West) algedeckt angespart wurden.“ zum sozialversicherungspflichtigen Pauschalversteu- Arbeitsentgelt. Des Weiteren kann ein Steuerliche Behandlung umla- erung der Umlage zusätzlicher Hinzurechnungsbetrag gefinanzierter Pensionskassen (West) 92,03 1.104,36 das SV-Brutto erhöhen. Die genaue (§ 3 Nr. 56 EStG) § 40b EStG i. V. m. Euro Euro Berechnungsweise wird an entspre- Zuwendungen des Arbeitgebers aus mit §§ 16 chender Stelle in dem nachfolgenden dem ersten Dienstverhältnis an eine Abs. 2,37 Abs. 2 ATV Beispiel erläutert. Um die Darstellung Pensionskasse zum Aufbau einer Steuerfreibetrag bzw. das Nachvollziehen zu vereinfa- nicht kapitalgedeckten (= umlagefi- nach § 3 Nr. 63 Satz 1 chen, wird dieser SV-Hinzurechnungs- nanzierten) betrieblichen Altersver- EStG für Beiträge betrag in zwei Teile „gesplittet“. 568,00 6.816,00 sorgung, bei der eine Auszahlung der zum Kapitalde- Euro Euro zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder ckungsverfahren Siehe Beispiel rechts. Hinterbliebenenversorgung in Form (acht Prozent der einer Rente oder eines Auszahlungs- BBG RV West) plans vorgesehen ist, sind nach § 3 Verteil- und Aufzehrmodell Nr. 56 EStG steuerfrei, soweit diese Reihenfolge der Versteuerung Beim Verteilmodell (auch Verteiler- Zuwendungen im Kalenderjahr drei der Umlage am Beispiel der VBL modell genannt) wird, wie in unse- Prozent (bis 2019 zwei Prozent) der • Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 56 EStG rem Beispiel, der steuerfreie Betrag Beitragsbemessungsgrenze (BBG) West – Achtung: Es ist zu prüfen, ob der Frei- in gleichen Teilen auf die zur Verfü- der allgemeinen Rentenversicherung betrag nicht bereits ganz oder teilweise gung stehenden Monate verteilt. Beim nicht übersteigen. durch Beiträge nach § 3 Nr. 63 EStG Aufzehrmodell hingegen werden die aufgebraucht wurde (z. B. durch eine tatsächlichen Umlagen in den ersten Vorrang der Steuerfreiheit nach Entgeltumwandlung). Monaten so lange steuerfrei gestellt, § 3 Nr. 63 EStG • Pauschalversteuerung der Umlage nach bis der Freibetrag vollständig aufge- Die steuerfreien Beträge nach § 3 Nr. 56 § 40b EStG braucht (aufgezehrt) ist. W EStG für eine umlagefinanzierte Pensi- – bei Tarifbindung maximal monatlich onskasse sind um die Beiträge zu min- 92,03 Euro (VBL West) dern, die bereits in eine kapitalgedeckte – ohne Tarifbindung maximal 146 Euro Versorgungseinrichtung nach § 3 Nr. 63 monatlich EStG steuerfrei gezahlt werden. • individuelle Versteuerung nach den Die Steuerfreibeträge nach § 3 Nr. 56 elektronischen Lohnsteuerabzugs- EStG stehen somit nur so weit zur Ver- merkmalen (ELStAM) fügung, als nicht bereits nach § 3 Nr. 63 – Aufgrund tariflicher Regelung ist EStG steuerfrei geleistete Zahlungen auf stets zuerst die Pauschalversteuerung Frank Müller, Betriebswirt (VWA) die Höchstbeträge angerechnet werden anzuwenden. Ist diese „aufgebraucht“, Beratung/Training Entgeltabrechnung (§ 3 Nr. 56 Satz 3 EStG). Dies gilt unab- erfolgt die individuelle Versteuerung. www.frag-den-mueller.de hängig davon, ob die nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellten Beiträge rein Foto: Friedberg, Adobe Stock arbeitgeberfinanziert sind oder auf einer Entgeltumwandlung beruhen. Die Rechengrößen in der Zusatzversorgung der VBL West Aufwendungen zur Pflichtversicherung Umlage insgesamt 8,26 Prozent davon Arbeitgeberanteil 6,45 Prozent davon Arbeitnehmeranteil 1,81 Prozent
LOHN+GEHALT Juli 2021 PRAXIS 71 Beispiel Schritt 3: Ermitteln des Sozialversicherungs- 1. fiktives Entgelt aus der Wir befinden uns im Abrechnungs- bruttos. Summe der steuerfreien monat Mai 2021. Ronny ist Mitarbeiter Dies entspricht dem Steuerbrut- und pauschal versteuer- des Landes Rheinland-Pfalz und in to (einschließlich des aus Schritt 2 ten Arbeitgeber-Umlage 50,39 der Entgeltgruppe 12/Stufe 4 (TVöD- ermittelten steuerlichen Hinzurech- (305,03 Euro), jedoch Euro VKA). Das Tabellenentgelt beträgt nungsbetrags) erhöht um die Hinzu- maximal aus 100 Euro 4.960,05 Euro. Zusätzlich erhält er rechnungsbeträge I und II (§ 1 Abs. 1 6,65 Euro vermögenswirksame Leis- Nr. 4a i. V. m. Abs. 1 Sätze 3 und 4 der (100 : 6,45 x 100)* = tungen (VL) nach § 23 Abs. 1 Tarifver- Sozialversicherungsentgeltverord- trag für den öffentlichen Dienst der nung – SvEV). 2. 2,5 Prozent aus fiktivem 38,76 Länder (TV-L). Entgelt aus 1. Euro Wie hoch ist die an die VBL Schritt 3a: Abrechnungsverband West abzufüh- Ermitteln des Hinzurechnungsbetrags I: 3. Wert aus 2. abzüglich Frei- 13,30 rende Umlage sowie das Steuer- und Hinzurechnungsbetrag I = Summe betrag (fester Wert) Euro SV-Brutto unter Beachtung der jewei- der steuerfreien und pauschal versteu- ligen Hinzurechnungsbeträge? erten Arbeitgeber-Umlage (AG-Umla- 4. Differenz aus 2. und 3. = 25,46 ge) vermindert um einen Grenzbetrag Hinzurechnungsbetrag II Euro Schritt 1: von 100 Euro. * Wenn Summe steuerfreie/pauschal versteuerte AG-Umlage Ermitteln der abzuführenden Umlage: > 100 Euro, dann fiktives Entgelt immer aus 100 Euro, ergibt 1. steuerfreier Anteil der 213,00 somit stets fiktives Entgelt von 1.550,39 Euro 1. zusatzversorgungs- AG-Umlage Euro pflichtiges Entgelt 2. zuzüglich pauschal versteu- 92,03 Schritt 4: (ohne VL, da kein 4.960,05 erter Teil der AG-Umlage Euro Bilden der Bruttowerte: zusatzversorgungs- Euro pflichtiges Entgelt, 3. Summe aus 1. + 2. 305,03 1. zusatzversorgungs- vgl. § 23 Abs. 1 S. 6 4.960,05 Euro pflichtiges Entgelt TV-L) Euro (EG 12, Stufe 4) 4. abzüglich Grenzbetrag 100,00 2. Arbeitgeber: Umlage 319,92 (fester Wert) Euro 2. zuzüglich vom Ar- 6,45 Prozent aus 1. Euro beitnehmer indivi- 14,89 5. Differenz aus 3. und 4. = 205,03 duell zu versteuern- 3.* Arbeitnehmer: Euro 89,78 Hinzurechnungsbetrag I Euro de Umlage Umlage 1,81 Prozent (aus Schritt 2) Euro aus 1. 3. zuzüglich steuer- 4. an VBL insgesamt zu 409,70 Schritt 3b: pflichtiger Arbeits- zahlen (1. + 2.) Euro Berechnen des lohn, der nicht der 6,65 Hinzurechnungsbetrags II: Zusatzversorgungs- Euro * Hinweis: Der Arbeitnehmeranteil an der Umlage wird stets pflicht unterliegt aus versteuertem Einkommen einbehalten, also unter dem Für die Berechnung des zweiten Teils Netto abgezogen. Das ist nicht zu verwechseln mit einem des sozialversicherungspflichtigen (hier: VL) Beitrag des Arbeitnehmers im Rahmen der kapitalgedeckten Altersversorgung. Hinzurechnungsbetrags wird der 4. = Steuerbrutto 4.981,59 steuerfreie und pauschal versteuerte (Summe 1. bis 3.) Euro Schritt 2: Umlageanteil des Arbeitgebers (maxi- 5. zuzüglich Hinzu- Berechnen des steuerlichen mal jedoch 100 Euro) mit dem Um- 205,03 rechnungsbetrag I Euro Hinzurechnungsbetrags: lagesatz des Arbeitgebers (VBL West (aus Schritt 3a) = 6,45 Prozent) auf ein fiktives Ein- 6. zuzüglich Hinzu- 1. Arbeitgeberanteil an der 319,92 25,46 Umlage Euro kommen hochgerechnet. Von diesem rechnungsbetrag II Wert wird ein Betrag von 2,5 Prozent Euro (aus Schritt 3b) 2. abzüglich steuerfreier Be- ermittelt, der um einen Freibetrag von 7. = Sozialversiche- trag nach § 3 Nr. 56 EStG 213,00 13,30 Euro gekürzt wird. rungsbrutto drei Prozent der BBG RV Euro Die Begrenzung auf 100 Euro (Summe 4. bis 6.) West, monatlich ergibt sich dadurch, dass der über in der 3. abzüglich vom Arbeitgeber 100 Euro liegende Betrag der AG-Um- • Renten- und 5.212,08 92,03 pauschal zu versteuern lage in Schritt 3a bereits in voller Höhe Arbeitslosen- Euro Euro (max. 92,03 Euro) dem sozialversicherungspflichtigen versicherung Arbeitsentgelt hinzugerechnet wurde. • Kranken- und 4.837,50 4. vom Arbeitnehmer Pflegeversicherung Euro 14,89 individuell zu versteuernder begrenzt auf die Euro Anteil der Umlage BBG
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