Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen

 
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Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen
Business in Franken Volkskrankheit Burnout

 Die Burnout-Inflation
                       Burnout ist eine Modekrankheit – doch unter dem inflationären
                          Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen

                                                                      B
                                                                            urnout ist populär! Ob es sich nun      Prozent seit 2004. Aufgrund von psychi-
                                                                            um ein kleines Formtief oder eine       scher Überlastung und Burnout fehlen der
                                                                            temporäre      Niedergeschlagenheit     deutschen Wirtschaft etwa 53 Millionen
                                                                      handelt: Nahezu jede Befindlichkeit wird      Arbeitstage, so die Schätzungen des Bun-
                                                                      heute umgangssprachlich mit dem Etikett       desarbeitsministeriums. Besorgniserregend
                                                                      „Burnout-Syndrom“ versehen. Laut einem        an dieser Entwicklung ist dabei nicht nur
                                                                      Schweizer Wirtschaftsmagazin ist jeder        die Tatsache, dass etwa 10 bis 15 Prozent
                                                                      fünfte Manager am Ende seiner Kräfte. Das     aller Erwerbstätigen im Laufe ihres Be-
                                                                      Manager-Magazin veröffentlichte 2012 so-      rufslebens ein mehr oder minder schweres
                                                                      gar ein Burnout-Ranking deutscher Groß-       Burnout-Syndrom erleiden, sondern dass
                                                                      unternehmen, das auf Zahlen der Klinik-       durch den inflationären Gebrauch des Be-
                                                                      Kette Asklepios basierte, was das derzeitig   griffs das Syndrom an sich bei der breiten
                                                                      vorherrschende gesellschaftliche Bild vom     Masse zunehmend an Glaubwürdigkeit
                                                                      Burnout noch zu verstärken scheint. Doch      verliert. Die wirklich Betroffenen gehen in
                                                                      nicht nur in der breiten Öffentlichkeit       dieser Modewelle unter und werden nicht
                                                                      scheint der Begriff Überhand zu nehmen.       mehr ernst genommen.
                                                                      Auch die Bundeskammer der Psychothe-               Doch woran liegt es, dass wir mit dem
                  Dr. med. Michael Majer, Facharzt für Chirurgie,
                Notfall- und Arbeitsmedizin (www.gesundarbei-         rapeuten verzeichnet einen Anstieg der        beruflichen Stress scheinbar nicht mehr
                         ten.org) Bild: Foto Phositiv Creativstudio   einschlägigen Krankschreibungen um 700        umgehen können? „Ich bin nicht der An-

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Volkskrankheit Burnout Business in Franken

sicht, dass wir mit Stress nicht mehr um-        ein Symptom der Erkrankung, die Ursache          haben. „Burnout ist ein Sammelbegriff, der
gehen können“, erklärt Lothar Panten, Dip-       irgendwo in der Umgebung statt im eigenen        etwas beschreibt, was in unserer Gesellschaft
lom-Psychologe und Unternehmensberater.          Seelenleben zu verorten.                         zu finden ist. Es greift das Phänomen, dass
„Früher waren die Lebensbedingungen ei-                Ein weiterer Aspekt, der zu beachten       man an die Grenzen dessen kommt, was man
gentlich härter, sie wurden damals aber eher     ist, ist sicherlich auch der rasante techni-     in den gegebenen Verhältnissen tun kann“,
als schicksalhaft angesehen. Heute haben         sche Fortschritt. Gerade im Berufsleben          definiert Panten den Begriff. Das Burnout
wir eine moderne Sicht auf den Menschen,         muss man sich schnell an neue Gegeben-           gibt es nicht wie ein gebrochenes Bein, was
bei der er eigentlich allen Anforderungen        heiten und Anforderungen anpassen, oft           sich medizinisch klar einordnen lässt. Darin
gewachsen sein sollte. Außerdem sollte           kann mit dem Tempo gar nicht Schritt ge-         sieht der Diplom-Psychologe auch die Gefahr
man sicherlich auch bedenken, dass es heu-       halten werden. Während man früher für            einer voreiligen Attestierung, der man jegli-
te wesentlich ‚schicker‘ ist, ein Burnout zu     die meisten Entscheidungen mehrere Tage          che Überforderungssituationen zuschreibt:
haben als eine Depression oder depressive        Zeit hatte und auch mal eine Nacht darü-         „Es wird fast gar nicht mehr in Erwägung ge-
Verstimmung. Schon im gesellschaftlichen         ber schlafen konnte, wird im Zeitalter des       zogen, dass jemand schlicht und einfach et-
Kontext nehmen wir einen Burnout-Pati-           E-Mail-Verkehrs eine Antwort binnen we-          was nicht kann. Und was natürlich auch tabu
enten als jemanden wahr, der unheimlich          niger Stunden erwartet. Man spricht hier         ist, wenn jemand etwas gar nicht mehr will.
viel gearbeitet hat und etwas auf die Beine      deshalb auch vom so genannten „WEB-              Das wird in diesem Zusammenhang gar nicht
stellen konnte, bevor er einen Absturz                        Jahr“. Das bedeutet, dass ein       mehr beleuchtet. Und gerade im alltäglichen
erlebt.“ Belegbar ist außerdem auch,                                Arbeitsjahr mit den Mög-      Gebrauch wird es sicherlich auch voreilig in
dass in Zeiten physischer Gefähr-                                        lichkeiten des Inter-    den Mund genommen.“
dung psychische Erkrankungen                                                   nets etwa zwei          Um nun den genauen Unterschied aus-
rückläufig sind, während sie                                                         bis drei     machen zu können, ist also eine Ursachenfor-
in Zeiten des Wohlergehens                                                                A r-    schung unabdingbar. Handelt es sich um eine
zunehmen. Und gerade dieses                                                                       allgemeine Überforderungssituation, liegen
Phänomen ist nicht neu, son-                                                                           den Symptomen familiäre oder berufliche
dern seit Jahrhunderten be-                                                                                  Ausnahmesituationen        zugrunde
kannt. Schließlich gehört sogar                                                                               oder handelt es sich tatsächlich um
Goethe zu den prominentesten                                                                                  eine psychische Erkrankung?
Burnout-Patienten. Während ihm                                                                                   In der Regel wirken zwei ent-
jedoch eine ausgedehnte Italienreise zu                                                             scheidende Faktoren auf die Entstehung
alter Form verhalf, begeben sich Patienten       beitsjahren vor der Einführung desselben         einer Burnout-Erkrankung ein. Zum einen
heute für einige Wochen in Therapie und          entspricht.                                      sind es die äußeren Umstände, unser Ar-
hoffen, danach wieder dieselbe Leistung er-                                                       beitsumfeld, die familiäre Situation und die
bringen zu können.                                    Burnout vs. Depression                      Menschen, mit denen wir es täglich zu tun
     Der Arbeitsmediziner Michael Majer                                                           haben. Zum anderen ist die Persönlichkeit
sagt, das wesentliche Problem der Betroffe-           Der Unterschied zwischen einem Bur-         entscheidend: manche Menschen nehmen
nen sei oft eine seelische Erkrankung in ei-     nout und einer Depression ist vor allem für      Situationen als besonders anstrengend oder
nem ganz frühen Stadium: „In solchen Fällen      Laien schwer auszumachen, da er eigentlich       stressig wahr, die andere noch als gesunden
hätte man in Form einer Gesprächs-Psycho-        kaum gegeben ist. Das Klassifikationssys-        Stress empfinden. Im Fachjargon spricht
therapie prinzipiell eine Riesenchance, die      tem für medizinische Identifikation IDC
Dinge frühzeitig zum Besseren zu wenden."        listet das Burnout im IDC-10 lediglich als
Problem sei allerdings, dass es da eine me-      Zusatzindikation bzw. Zusatzcodierung zur
terhohe Hemmschwelle gibt - die fünf Buch-       Präzisierung der Depression. Es ist also als
staben P.S.Y.C.H. seien nun einmal traditio-     eine von zehn verschiedenen Depressions-
nell stigmatisiert. "Wer kennt nicht die Rede    formen anerkannt, wobei es bis dato nicht
vom 'in die Klapse' oder noch schlimmer          als Krankheit gesehen wird. Zwar gibt es
'ins Irrenhaus müssen'?!" Von sich zu sagen,     ein Urteil des Landgerichts München aus
man leide an einem Burnout, sei da wesent-       dem Jahr 2006, nachdem das Burnout als
lich weniger angstbesetzt. "Es hat sich leider   Leistungsfall für eine Berufsunfähigkeits-
eine Sichtweise etabliert, Burnout bedeute       versicherung angesehen wurde. Somit kann
unter anderem auch so etwas wie eine stil-       man davon ausgehen, dass es in nächster
le Auszeichnung - schließlich trifft es typi-    Zeit auch als eigenständige Krankheit ge-
scherweise die besonders Engagierten." Dass      listet sein wird, derzeit ist dies aber noch
seelische Erkrankungen wie eine Blinddarm-       nicht der Fall.
oder Lungenentzündung oder ein Krebslei-              Hinzu kommt der Umstand, dass Bur-
den rechtzeitig behandelt gehören, um die        nout lediglich eine Ansammlung unterschied-
Heilungschancen zu erhöhen, sei dagegen          licher Symptome ist, die in der Summe diesen
bisher viel zu wenig ins Bewusstsein der Be-     Zustand zufolge haben. Jedes einzelne Symp-      Lothar Panten, Diplom-Psychologe
völkerung gedrungen. Und oft sei es dabei ja     tom für sich kann auch ganz andere Ursachen      und Unternehmensberater bei EVOLOG.

                                                                                                                                  franken Manager 3-4/13   33
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Think global.
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    Act local.           man hierbei vom psychologischen Kapital
                         und der Resilienz, die die Menschen besitzen.
                         Resilienz wird aus Selbstvertrauen, Selbst-             Michael Majer, Facharzt für Chirurgie,
                         bewusstsein, Gelassenheit, Zeitmanagement         Notfall- und Arbeitsmedizin ist derzeit einer
                         und vielen weiteren Faktoren geformt. Das         der ganz wenigen Betriebsärzte mit breiter
                         psychologische Kapital hängt ebenfalls mit        akutmedizinischer Grundausbildung, die zu-
                         Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu-         sätzlich noch eine gesprächs-psychotherapeuti-
                         sammen und lässt sich mit dem Ausdruck            sche Zusatzqualifikation anstreben. Das ermög-
                         „ein sonniges Gemüt“ gut umschreiben.             licht ihm, in die Unternehmen zu gehen und
                              Gerade Arbeitgeber und Führungskräfte        im Rahmen einer Arbeitsplatzbegehung hinter
                         sind oft gar nicht in der Lage zu entscheiden,    eventuelle Probleme im seelischen Bereich zu
                         ob beim betroffenen Mitarbeiter nun eine          kommen. „Wir schieben unsere Schwierigkei-
                         ernstzunehmende Erkrankung vorliegt oder          ten oft zu allererst auf den Arbeitsplatz, einfach
                         nicht. „Wenn der Verdacht besteht, dass ein       auch weil wir dort einen Großteil unserer Zeit
                         Mitarbeiter gefährdet ist, dann sollte man        verbringen“, beschreibt er. „Und da habe ich den
                         stets professionelle Hilfe dazu holen“, so        Vorteil, dass ich eben genau über die Arbeits-
                         Michael Majer. „Dafür muss man sich aber          medizin auf die Leute zugehe und nicht komme
                         teilweise auch qualifizieren lassen. Es gibt      und sage, ich möchte mich um deine Psyche
                         Führungsseminare, die genau dieses Thema          kümmern. Da würden die meisten nämlich ein-
                         behandeln. Also, die Frage, worauf muss ich       fach dicht machen.“ Doch der Mediziner kommt
                         denn überhaupt achten?“ Das ist natürlich         erst, wenn der Verdacht bereits besteht.
                         sehr aufwendig. Es kostet Energie, Zeit und             Wichtig ist aber, bereits im Voraus mög-
                         Geld. Präventive Angebote vom Arbeitgeber         liche Belastungen zu erkennen und diese zu
                         werden schließlich nicht von den Krankenkas-      vermeiden. Hier sehen sowohl Majer als auch
                         sen übernommen. Wenn man allerdings be-           Panten die Führungskräfte in der Pflicht, den
                         denkt, welche wirtschaftlichen Schäden dem        Mitarbeitern ein gewisses Verständnis entge-
                         Unternehmen durch gefährdete Mitarbeiter,         gen zu bringen. Gerade diejenigen, die zusätz-
                         die nicht mehr so konzentriert und motiviert      liche familiäre Verpflichtungen haben – wie
                         bei der Sache sind, entstehen können, lohnen      beispielsweise Kinder oder pflegebedürftige
                         sich solche Angebote. Konkrete Zahlen, wie        Angehörige – sind einer doppelten Belastung
                         hoch der wirtschaftliche Schaden in solchen       ausgesetzt. Hier gilt es, Arbeitszeiten flexibel
                         Fällen ist, gibt es zwar derzeit noch nicht,      zu gestalten und ausführliche Gespräche mit
                         man weiß allerdings, dass es sich um deutlich     dem Arbeitnehmer zu führen, um auf persönli-
                         höhere Summen handelt, als bei Produkti-          che Belange auch individuell eingehen zu kön-
                         onsausfällen durch Mitarbeiter, die krank zu      nen. „Gerade bei diesen Menschen kann man
                         Hause bleiben. Und der liegt bei bereits etwa     immer wieder feststellen, dass sie über Jahre
                                                    50 Milliarden Euro     hinweg jede Aufgabe annehmen und bewälti-
                                                               jährlich.   gen“, erzählt Lothar Panten. „Irgendwann kön-
                                                                           nen sie aber einfach nicht mehr und brechen
                                                                           zusammen. Die Wurzeln hierfür liegen oft in
                                                                               der Selbstorganisation, beispielsweise dass
                                                                                  man Probleme nicht nach Prioritäten ab-
                                                                                   arbeitet, sondern alles gleichzeitig ma-
                                                                                    chen möchte. Doch diese Eigenschaf-
                                                                                     ten kann man bis zu einem gewissen
                                                                                      Grad trainieren.“ Als Unternehmens-
                                                                                      coach arbeitet Panten viel mit Füh-
   Wir vernetzen die                                                                   rungskräften zusammen, denen er
                                                                                       genau diese Eigenschaften beibrin-
regionale Wirtschaft.                                                                 gen muss. Auch die Fähigkeiten,
                                                                                        Dinge zu delegieren, gehört dazu.
www.franken-manager.de                                                                    Panten nennt es auch das Erhal-
                                                                                            ten der Persönlichkeit in einem
                                                                                             dynamischen Gleichgewicht,
                                                                                            dass eine optimale Aufgaben-
                                                                                           bewältigung unter Erhaltung
                                                                                         der eigenen Kräfte ermöglicht.
                                                                                       Olga Wiesner | ow@franken-manager.de

                         34   Franken Manager 3-4/13
Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen
Volkskrankheit Burnout Business in Franken

         Die gesellschaftliche                                                                           leren Managements entsprechen. Wenn man
                                                                                                         sieht, was wir heute unseren Kindern bieten
                                                                                                         möchten: Förderung, damit sie in Kindergar-

           Verantwortung
                                                                                                         ten und Schule gut vorankommen, sportliche
                                                                                                         Betätigungen usw., da sind Eltern eben sehr
                                                                                                         stark organisatorisch gefragt und zum Teil
                                                                                                         auch überfordert. Zum Thema Arbeitslose
   Prof. Dr. Steffen Hillebrecht, Dozent im Lehrgebiet Medienmanagement an                               würde ich nur ungern was sagen. Ich kann mir
                                                                                                         durchaus vorstellen, dass auch Arbeitslose so
der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt arbeitete                              etwas wie ein Burnout erleben. Wobei ich hier
an einer Studie zum Thema „Burnout-Prävention im Mittelstand in Mainfranken“.                            eher das Stichwort Boreout verwenden würde,
Im Interview mit dem FRANKEN MANAGER macht er deutlich, dass Burnout kein                                der Gegenpart zum Burnout. Wenn man sich
                                                                                                         bisher sehr stark über das Berufsleben defi-
               Arbeitnehmer-, sondern ein Gesellschaftsproblem ist.
                                                                                                         niert hat und plötzlich zu nichts mehr nutze
                                                                                                         ist, ist man möglicherweise schlicht und ein-
                                                                                                         fach „überlangweilt“.
                                                                             Government, bei dem
                                                                             immer mehr Funkti-              FM: Also, ist das eher ein gesellschaftli-
                                                                             onen von den Mitar-         ches Problem?
                                                                             beitern selbst erledigt
                                                                             werden, für die früher           Steffen Hillebrecht: Ich sehe das auch als
                                                                             andere Fachabteilun-        gesellschaftliches Problem, ja. Wir Deutschen
                                                                             gen      verantwortlich     wollen im internationalen Wettbewerb immer
                                                                             waren. Oder auch die        besser sein. Gleichzeitig kommt immer weni-
                                                                             diversen Sonderauf-         ger Input an qualifizierter Arbeit. Das funk-
                                                                             gaben der Abteilungs-       tioniert halt nur begrenzt. Vor allem weil wir
                                                                             leiter, die beispiels-      auch immer mehr private Aufgaben überneh-
                                                                             weise zusätzlich zum        men. Es kommt immer mehr auf uns zu und
                                                                             Sicherheits- oder Da-       die Leistungsträger in der Mitte der Gesell-
                                                                             tenschutzbeauftragten       schaft müssen immer mehr Aufgaben bewäl-
                                                                             ernannt werden. Bis         tigen. Und hier bietet sich Burnout aus meiner
                                                                             hin zum Puffer, den         Sicht als eine Art Ventil an.
                                                                             viele mittlere Manager
                                                                             darstellen: von oben             FM: Mittlerweile nehmen viele Personen
                                                                             kommt Druck, die            das Burnout anderer nicht mehr ernst, weil
                                                                             Ziele zu erreichen, und     man das Gefühl hat, es wird zu voreilig at-
                                                                             von den Mitarbeitern        testiert. Können Sie das bestätigen oder liegt
                                                                             kommen durchaus be-         das eher an der inflationären Verwendung
                                                                             rechtigte Anliegen: ich     des Begriffs an sich?
                                                                             möchte mich auch um
                                                                             meine Familie küm-               Steffen Hillebrecht: Das ist aus meiner
                                                                             mern können. Und            Sicht ein ähnliches Phänomen wie vor fünf-
                                                                             das mittlere Manage-        zehn Jahren das Thema Mobbing. Unter die-
                                                                             ment muss das jetzt         sem Stichwort konnte man sehr schnell viele
                                                                             ausgleichen.                Sachen abbuchen. Zum Beispiel: ich habe
                                                                                                         von meinem Chef Stress bekommen, ich
    FM: Herr Hillebrecht, heutzutage hat man            FM: Sie haben jetzt vor allem vom mitt-          werde gemobbt. Und beim Thema Burnout
häufig den Eindruck, wer noch kein Burnout         leren Management gesprochen. Aber auch                hängt es meinem Erachten nach auch damit
hatte, arbeitet nicht genug oder ist womöglich     Hausfrauen oder von Arbeitslosigkeit be-              zusammen, dass man den Unterschied zwi-
nicht erfolgreich. Woran liegt das?                troffene Personen können von diesem Syn-              schen einer tiefsitzenden Frustration und
                                                   drom betroffen sein. Was sind dann hier die           einem wirklichen Burnout nicht deutlich
     Steffen Hillebrecht: Das hängt damit zusam-   Gründe?                                               genug macht. Deswegen nehmen das inzwi-
men, dass wir in vielen Bereichen einen hohen                                                            schen viele Menschen nicht mehr ernst und
Arbeitsdruck haben. Unsere Befragten haben             Steffen Hillebrecht: Das ist jetzt eine Perso-    sagen: „Da ist jemand einfach nur frustriert,
sehr deutlich gemacht, dass vor allem das mitt-    nengruppe, die wir in unserer Studie so nicht         der soll sich doch mal eine Auszeit neh-
lere Management sehr stark unter Druck steht,      behandelt haben. Aber Hausfrauen – oder               men.“ Das erspart natürlich auch ein Hin-
weil es eine enorme Arbeitsverdichtung erlebt.     auch Hausmänner – haben ja letztendlich in-           terfragen der tatsächlichen Ursachen. Ich
Als Stichwort nenne ich zum Beispiel das E-        zwischen auch Aufgaben, die dem eines mitt-           bin kein Arzt, aber ich habe manchmal

                                                                                                                                franken Manager 3-4/13   35
Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen
Business in Franken Volkskrankheit Burnout

in meinem Bekanntenkreis den Eindruck,               Steffen Hillebrecht: Ja, das ist wohl richtig.   zweitens hat man dann das Geld für, sicher-
dass tiefsitzende Verstimmungen, bei denen       Es gibt die Arbeitszeit einerseits und anderer-      lich auch berechtigte, Maßnahmen für Seni-
früher ein paar gute Gespräche unter Freun-      seits den eigenen Biorhythmus. Dann muss ich         oren übrig. Aber wenn keine Kinder mehr
den ausgereicht hätten, heute vom Arzt be-       eben schauen, wann sich beide überschneiden.         nachkommen, werden sich die Senioren bald
handelt werden sollen. Und der kann dieses       Eine Schnittmenge gibt es immer und in der           selber pflegen dürfen.
tiefgreifende Gespräch nicht führen, weil        müssen die zwei oder drei wichtigsten Aufga-
vielleicht schon die nächsten Patienten war-     ben des Tages erledigt werden.                            FM: Also, Sie sehen die Verantwortung
ten. Dann werden aus meiner Sicht vielleicht                                                          bei der Politik?
vorschnell Antidepressiva vorgeschlagen.             FM: Wenn jetzt aber zu diesen beiden
Einfach damit etwas passiert. Aber das ist       Rhythmen noch andere Komponenten, wie                     Steffen Hillebrecht: sehe sie bei der Gesell-
nur mein persönlicher Eindruck und keine         familiäre Belange, kommen, dann wird es              schaft. Die Gesellschaft umfasst die Politik,
medizinisch belegbare Aussage.                   schon schwieriger, alles unter einen Hut zu          die Wirtschaft und vieles andere. Die Ge-
                                                 bringen. Sollte da von Arbeitgeberseite mehr         sellschaft muss sich überlegen – hier ist das
     FM: In Ihrer Studie haben Sie einmal        passieren?                                           Stichwort Burnout sehr gut – wie verwenden
erwähnt, dass das Burnout-Syndrom allem                                                               oder verschwenden wir unsere Ressourcen?
Anschein nach nur im deutschsprachigen                Steffen Hillebrecht: muss natürlich etwas       Und wenn wir eine zukunftsorientierte Ge-
Raum derart stark thematisiert wird. Wor-        passieren. Wir sehen das an anderen Ländern,         sellschaft haben wollen, müssen wir überle-
an liegt das?                                    bei denen das besser klappt. Schweden ist hier       gen, wer trägt welche Belastung und warum?
                                                 ein großer Vorreiter. Da sind beispielsweise         Und dann sind wir wieder beim Thema Bur-
     Steffen Hillebrecht: Das hängt meines       Besprechungen um 16 Uhr zu Ende. Wenn                nout. Hier tragen zu wenige Menschen zu
Wissens damit zusammen, dass es in ande-         ich das nun mit meiner eigenen Arbeitssitua-         viele Belastungen.
ren Ländern, obwohl der Begriff ja aus den       tion vergleiche, da beginnen die interessanten
USA gekommen ist, einfach nur als Depressi-      Besprechungen erst um 17 Uhr, damit man                  FM: Was halten Sie von Online-Tests für
on angesehen und anders behandelt wird. Es       garantiert ungestört ist. Da sind dann eben          Burnout? Wir haben aus Neugierde einen
gibt Krankheiten, die kulturraumspezifisch       genau die Personen Burnout gefährdet, die            ausprobiert. Demnach wäre die gesamte
sind. Das Schleudertrauma nach Unfällen ist      sich um familiäre Belange kümmern müssen.            Redaktion des FRANKEN MANAGER Bur-
beispielsweise eine typisch deutsche Sache,      Die müssen dann für zwei oder drei Stunden           nout gefährdet.
weil hier deutsche Gerichte Schmerzensgeld       einen Babysitter organisieren und sitzen nur
vergeben. Das finden Sie in Holland oder in      halbkonzentriert in der Besprechung, weil sie             Steffen Hillebrecht: Diese Selbsttests halte
England nicht. Und genauso wird Burnout          in Gedanken bei den Kindern sind.                    ich für eine Aufforderung, über die Frage „Bin
sehr stark in Deutschland angesprochen. In                                                            ich Burnout gefährdet?“ nachzudenken. Sie
anderen Ländern geht das einfach unter De-           FM: Man gewinnt hier ein bisschen den            werden aber niemals eine solide Diagnose von
pression durch.                                  Eindruck, dass sich bei uns das große Ganze          sachkundigen Personen ersetzen. Es ist sicher
                                                 ändern muss.                                         gut, über diese Dinge einfach einmal nachzu-
    FM: Stichwort Burnout-Prävention: Was                                                             denken. Ich sehe das ähnlich, wie die Partner-
kann ich persönlich tun, um mich zu schüt-            Steffen Hillebrecht: Deutschland ist nach       schaftstests in diversen Zeitschriften. Es wer-
zen? Viele Online-Ratgeber sprechen von          meinem Eindruck keine familienfreundliche            den die richtigen Themen angesprochen, aber
besserem Zeitmanagement, man solle früher        Gesellschaft. Das trifft man in den Städten,         in einer so allgemeinen Form, dass sie aus mei-
aufstehen. Aber hilft das tatsächlich weiter?    in vielen Unternehmen und das erfährt man            ner Sicht eine medizinische Diagnose nicht
                                                 in ganz vielen anderen Bereichen. Dieser             ersetzen können. Und, ich denke, dass einige
     Steffen Hillebrecht: Also, ein besseres     Punkt provoziert mit Sicherheit Burnout.             Burnout-Gefährdungen durch gute Gespräche
Selbstmanagement ist sicher richtig. Aber,       Alle Studien zeigen uns, dass eine gesunde           im Familienkreis oder mit wohlmeinenden
„nur“ morgens früher aufstehen ist der falsche   familiäre Basis viele Anforderungen im Be-           Freunden bearbeitet werden können, oder
Ansatz. Jeder Mensch hat seinen eigenen Bio-     ruf kompensieren kann. Und ich halte es              auch durch ein fachkundiges Coaching.
rhythmus. Und deswegen: Achtsamkeit für die      nicht für richtig, allein den Unternehmen
eigenen Grenzen. Burnout-Prävention fängt        die Verantwortung aufzubürden. Es ist auch              FM: Also, ist vielleicht einfach nur der
zunächst einmal auf einer allgemeinen Ebene      das gesellschaftliche Umfeld, das irgendwel-         Gang zum Therapeuten häufig voreilig?
an. Was vertrage ich und was nicht? Und erst     che Gesetze beschließt, die dann von den
wenn ich mir darüber klar genug bin, dann        Kommunen halbherzig umgesetzt werden,                    Steffen Hillebrecht: Das ist eine gute Frage.
kann ich in dieses Selbstmanagement, in die      weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen oder       Eine allgemeine Überforderung muss nicht
operativen Instrumente einsteigen und mir        weil andere Lobbygruppen ihren Einfluss              immer gleich medizinisch oder psychothera-
überlegen, wann will ich aufstehen, was ist      ausüben. Ich habe in einer oberfränkischen           peutisch bearbeitet werden. Hier kann man
eine optimale Arbeitszeit und welche Aufga-      Stadt sehr deutlich erlebt, wie Spielplätze          sicher auch auf fachlich fundierte Supervision
ben sind vordringlich?                           eingeschränkt wurden, weil sich Senioren             und Coaching zurück greifen.
                                                 vom Kinderlärm belästigt fühlen. Und dann
    FM: Gut, jetzt ist aber der persönliche      lässt man halt den Spielplatz verrotten. Ers-            FM: Jetzt bin ich selbst aber kein Arzt.
Biorhythmus häufig mit dem Arbeitsrhyth-         tens sind dann die Kinder nach zehn Jahren           Woher soll ich denn nun wissen, ob ich ernst-
mus nicht kompatibel.                            weg und stören die Senioren nicht mehr und           haft krank bin oder nur etwas überfordert?

36   Franken Manager 3-4/13
Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen
Volkskrankheit Burnout Business in Franken

Man liest ja auch immer, dass man mög-                 Steffen Hillebrecht: Oder überlegen,         ausfällt, ist es schwer Ersatz zu finden und
lichst frühzeitig professionelle Hilfe in An-      welche Aufgaben wegfallen können. Kol-           diesen auch noch zu finanzieren.
spruch nehmen sollte.                              lege Fredmund Malik von der Universität
                                                   St. Gallen spricht hier von „systematischer           Hillebrecht: Genau. Wir landen wieder
    Steffen Hillebrecht: Richtig. Das hängt        Müllabfuhr“. Wenn jetzt bei Ihnen in der         in einem Teufelskreis. Und wir merken in-
sicherlich mit der Schwierigkeit der Thema-        Redaktion jemand ausfällt, dann könnten          zwischen sehr deutlich dass viele Leistungs-
tik zusammen. Einen Beinbruch erkenne ich          Sie vermutlich eine Zeit lang dieselbe Ar-       träger mit Anfang oder Mitte 40 sagen:
ziemlich schnell. Bei einer Bronchitis gibt es     beit leisten, wie gerade im Moment. Wenn         „Jetzt steige ich aus, mir reicht’s.“ Das klas-
bestimmte Merkmale, die ich auch als Nicht-        jetzt aber zusätzlich private Anforderungen,     sische Beispiel ist die PR-Chefin von MTV
mediziner beurteilen kann. Bei der Depression      wie erkrankte Kinder, hinzukommen, sie           Deutschland, Angie Sebrich. Sie hat mit 38
kommen wir wieder zu der Frage: Was ist tief-      aber alle immer noch die gleichen Aufga-         gesagt: „Ich hab ein tolles Leben, mir reicht
sitzende Frustration und was ist eine handfeste    ben erledigen müssen, wird es irgendwann         es und ich werde jetzt Herbergsmutter einer
Depression mit oder ohne Burnout-Charakter?        schwierig. Und das ist der Punkt. Egal wie       Jugendherberge.“ Sie hat heute einen Mann
Es ist sicher richtig, nicht so lange zu warten    engagiert Ihr Chef dann ist, er hat ein Prob-    und zwei Kinder, halb so viel Stress, nur halb
bis man ein Fall für eine Klinik ist. Wenn man     lem: das Ganze muss sich am Ende rechnen         so viel Gehalt und ist doppelt so glücklich.
da erst einmal landet, geht das in den wenigs-     und der Umsatz muss stabil bleiben. Das          Vor kurzem habe ich einen interessanten
ten Fällen unter mehreren Wochen Therapie          geht auch ein oder zwei Jahre gut, bis die       Bericht gelesen über Banker, die ausgestie-
ab. Und dann ist wirklich vieles zu spät. Solche   nächste Störung im System kommt. Dann            gen sind und jetzt etwas ganz anderes ma-
Betroffenen leben nach den mir vorliegenden        wird es Zeit zu fragen, wie gehen wir mit        chen, zum Beispiel einen eigenen Weinberg
Studien ähnlich wie ein Alkoholiker. Wenn sie      solchen Situationen um. Ein oder zwei Jah-       bewirtschaften. Und es fällt auf, dass viele
wieder in eine Burnout-Situation kommen,           re kann man auf Substanz leben, aber dann        Leistungsträger ihren Beruf irgendwann auf-
sind sie möglicherweise wieder ganz tief drin.     muss etwas passieren. Das ist übrigens auch      geben. Und jetzt kommt der Rattenschwanz
Die Therapeuten scheitern dann am Umfeld           eine Falle, in die vor allem weibliche Nach-     zum Tragen: weniger Gehalt bedeutet näm-
ihres Patienten. Beim Alkoholiker wissen wir       wuchskräfte tappen. Sie wollen gut sein.         lich auch, dass auch weniger Steuern etc. in
inzwischen, dass sich auch das Umfeld verän-       Und leider ist es immer noch so, wenn ein        die Staatskassen kommen. Ich glaube, dass
dern muss. Und bei Burnout-Kandidaten muss         Mann 100 Prozent gibt, dann muss eine            sich unsere Gesellschaft gerade von innen
sich neben dem Betroffenen selbst eben auch        Frau 150 Prozent geben – meint die Frau.         heraus verändert. Weil viele eben genau die-
das Umfeld verändern. Aber da mauern viele         Und das geht eine Zeit lang, aber eben nicht     sen Burnout nicht erleben wollen. Und jetzt
in der Umgebung und sagen: „Der hat doch           ewig. Vor allem nicht, wenn plötzlich Kin-       ist die Politik gefragt, sich zu überlegen: wie
das Problem und nicht ich.“ Ich denke, das ist     der da sind, wenn die Frau am Ende allein-       erklären wir unseren Wählern, dass das Sys-
die große Unbekannte in der bisherigen Bur-        erziehend ist. Dann geht es entweder auf         tem, wie wir es jetzt haben, nicht mehr lange
nout-Diskussion.                                   Kosten der Arbeit oder der Kinder oder des       trägt. Aber das ist wie gesagt eine Frage, die
                                                   Kollegen. Einer muss zahlen.                     kann ich nur ganz am Rande beantworten.
    FM: Vor allem im Berufsleben ist das
aber sicherlich schwer umzusetzen. Denn so-            FM: Wir wollen ja aber Nachwuchs ha-             FM: Herr Hillebrecht, vielen Dank für
bald ich den Burnout-Kandidaten entlaste,          ben, wir brauchen Kinder in Deutschland.         das interessante Gespräch.
muss ich wiederum andere Kollegen stärker          Und andererseits ist der wirtschaftliche
belasten.                                          Wettbewerb hart. Wenn jetzt eine Kollegin                        Olga Wiesner | ow@franken-manager.de

                    GROSSE & kleine
                  Photovoltaikanlagen
                 erfordern Spezialisten

                                                                                     Haimendorfer Straße 54a - 90571 Schwaig
                                                                                     Telefon 0911-37 84 09-0 - Telefax -55

                                                                                     www.soluwa.de
                                                                                                                             franken Manager 3-4/13    37
Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen Die Burnout-Inflation - Burnout ist eine Modekrankheit - doch unter dem inflationären Gebrauch des Begriffs leiden die tatsächlich Betroffenen
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