Die endodontische Revision - Aktuelle Möglichkeiten und Grenzen

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Die endodontische Revision - Aktuelle Möglichkeiten und Grenzen
ENDODONTIE

Die endodontische Revision –
Aktuelle Möglichkeiten und Grenzen
Michael Arnold

  Indizes
  Revision, intrakoronale Befundaufnahme, Diagnostik, Fragment, Perforation, intrakanaläre Stufe,
  Stiftentfernung, Dentalmikroskop

  Zusammenfassung

  Die endodontische Revision erfordert die Korrektur aller Probleme, die bei der Erstbehandlung
  entstanden sind. Dazu können insuffiziente Restaurationen mit Leakage, unvollständig gefüllte
  Wurzelkanäle, unbehandelte Wurzelkanalstrukturen, Fragmente, Perforationen, Stufen,
  Obliterationen, Blockaden, Resorptionen und ein sich zumeist über mehrere Jahre etablierter
  mikrobieller Biofilm gehören. Mit der Entwicklung und Nutzung neuer Werkstoffe und Hilfsmittel
  gelingt es heute besser, Behandlungsfälle mit anatomischen oder technischen Problemen
  vorherbestimmbar zu lösen bzw. einer guten Prognose zuzuführen. Das erforderliche Wissen
  erstreckt sich nicht mehr allein über die allgemeinen Prinzipien einer Wurzelkanalbehandlung und
  die in eigener Praxis verwendeten Materialien, sondern umfasst die Kenntnis möglichst vieler in
  Anwendung befindlicher Produkte, um eine effektive und minimalinvasive Therapie realisieren zu
  können. Darüber hinaus sind vertiefende Kenntnisse in der Anatomie und Morphologie wichtig, um
  Besonderheiten frühzeitig zu erkennen und adäquat therapieren zu können. Neue Erkenntnisse in
  der antimikrobiellen Therapie fördern eine kontinuierliche Weiterbildung, sodass künftig
  traditionelle invasive Techniken mit neuen biologischen Reparaturmöglichkeiten kombiniert werden
  können. Dieser Zielbestimmung stehen die realen Bedingungen am Patienten häufig entgegen.
  Tiefe kariöse Läsionen, die sich schwer im Mund des Patienten gegen den Neuzutritt von
  pathologischen Mikroorganismen abdichten lassen, führen bereits in der ersten Phase der
  endodontischen Therapie zu Kompromissen des vermeintlich Machbaren. Dem aseptischen Zugang
  zu einem Wurzelkanalsystem mit idealen Bedingungen für eine mikrobielle Besiedlung wird bis
  heute unter den Bedingungen der vertragszahnärztlichen Tätigkeit mit den gesetzlichen
  Krankenversicherungen noch immer keine hinreichende Bedeutung beigemessen, sodass sich
  Zahnärzte immer wieder für die „überdurchschnittliche“ Anwendung des Kofferdams rechtfertigen
  und Honorarkürzungen erdulden müssen. Damit mikrobielle Infektionen eines primär
  nichtinfizierten Wurzelkanalsystems künftig besser vermieden werden können, sind dichte
  Aufbaufüllungen und die absolute Trockenlegung des zu behandelnden Zahnes sowohl bei der
  primären Wurzelkanalbehandlung als auch bei der endodontischen Revision unerlässlich.

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Die endodontische Revision - Aktuelle Möglichkeiten und Grenzen
Michael Arnold

Einleitung                                                     systems hat noch keine Entzündungsreaktion im
                                                               Alveolarknochen ausgelöst.
Das Ziel der Wurzelkanalbehandlung besteht in der                 Ziel der endodontischen Revision ist es, Voraus­
Erhaltung eines Zahnes mit einer irreversibel ge­              setzungen für eine vollständige Heilung zu schaf­
schädigten Pulpa oder einem mikrobiell infizierten             fen, um den Zahn dauerhaft zu erhalten. Indem das
Wurzelkanalsystem. Dazu ist es erforderlich, das               Wurzelkanalsystem erneut gereinigt und desinfi­
nicht mehr erhaltungsfähige oder infizierte Gewebe             ziert wird, können die klinischen Symptome abklin­
zu entfernen und das Wurzelkanalsystem so me­                  gen und die periapikale Entzündung abheilen22,36.
chanisch zu erweitern, dass es gereinigt, desinfi­
ziert und bakteriendicht verschlossen werden                   Indikation für eine Revision
kann35.
    Mit der Zunahme des Lebensalters der Bevölke­              Eine Revision ist in folgenden Fällen indiziert36:
rung erhöht sich der Anteil an wurzelkanalbehan­               ■ wurzelkanalbehandelte Zähne mit röntgenografi­
delten Zähnen. Gleichzeitig steigt auch der Bedarf               schen Zeichen einer persistierenden oder neu
an Revisionen von Wurzelkanalbehandlungen21,80.                  entstandenen, endodontisch bedingten apikalen
Zu den wichtigsten Ursachen posttherapeutischer                  Parodontitis,
Erkrankungen gehören die Persistenz von Mikroor­               ■ wurzelkanalbehandelte Zähne mit klinischen Symp­
ganismen nach der Initialbehandlung, z. B. bei un­               tomen einer endodontisch bedingten apikalen
behandelten Wurzelkanälen bzw. Wurzelkanalab­                    Parodontitis,
schnitten, undichte koronale Restaurationen oder in            ■ wurzelkanalbehandelte Zähne mit röntgenogra­
seltenen Fällen Fremdkörperreaktionen und extra­                 fisch oder klinisch insuffizienter Wurzelkanalfül­
radikuläre Infektionen26,63,69,70,74.                            lung (z. B. mangelhafte Homogenität, nicht be­
    Im Verlauf einer posttherapeutischen endodonti­              handelte Wurzelkanäle oder Wurzelkanalanteile,
schen Erkrankung können zeitweise oder dauerhaft                 fragwürdiges und nicht mehr indiziertes Wurzel­
klinische Symptome auftreten. Radiografisch sind                 kanalfüllungsmaterial wie z. B. Silberstifte) ohne
in diesen Fällen häufig fortbestehende oder neu                  klinische oder röntgenografische Anzeichen einer
aufgetretene apikale Veränderungen nachweisbar.                  apikalen Parodontitis,
Posttherapeutische Erkrankungen können aber                    ■ Wurzelkanalfüllungen mit Exposition zu Mund­
auch dann vorliegen, wenn weder Symptome noch                    höhle und/oder zum kariösen Dentin,
ein zweidimensionaler radiografischer pathologi­               ■ wurzelkanalbehandelte Zähne mit progressiv ver­
scher Befund ermittelbar sind. Entweder können                   laufenden, externen entzündlichen Resorptionen.
apikale Aufhellungen je nach Strahlengang von
Knochenstrukturen maskiert sein oder die intra­                Die Schritte der endodontischen Revision sind in
kanaläre mikrobielle Infektion des Wurzelkanal­                der folgenden Übersicht (Tab. 1) aufgeführt.

Tab. 1 Gliederung der endodontischen Revision.

 1. Aseptische         • Entfernung insuffizienter Restaurationen und Karies, anschließend bakteriendichte Aufbaufüllung
 Vorbereitung          • Isolation mit Kofferdam
                       • Präparation der spezifischen endodontischen Zugangskavität mit intrakoronaler Befundaufnahme und
                         Diagnostik (IKD)
 2. Problemkorrektur   • Entfernung intrakanalärer Füllungsmaterialien
                       • Entfernung, Überwindung und/oder Korrektur iatrogener Problem (Fragmente, Stufen, Blockaden)
                       • Darstellung unbehandelter Wurzelkanäle
 3. Antibakterielle    • mechanische Erweiterung des Wurzelkanalsystems
 Therapie              • Desinfektion und Verschluss des Wurzelkanalsystems und möglicher Perforationen
                       • Sicherung vor Rekontamination mit dentinadhäsivem Verschluss

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 a                             b                              c                             d
Abb. 1a bis d Am überkronten Zahn 14 mit einer Wurzelkanalbehandlung persistiert eine Fistel (s. Pfeil). Während der
Kontrolle der Sulkussondierungswerte wird bei sonst unauffälligen Werten (a und b) bukkal ein tiefer Einbruch von 7 mm
(c und d) messbar.

Aseptische Vorbereitung                                      Einsatz eines Dentalmikroskops ermöglicht das Re­
                                                             produzieren der radiografischen Befunde aus dem
Die Befundaufnahme und kritische Fallprüfung er­             DVT (Abb. 2a bis d). Es können besser minimalinva­
langt die entscheidende Bedeutung für den ange­              sive Strategien geplant werden, um Oblite­rationen
strebten Erfolg der Therapie. Zur Prüfung der Erhal­         oder Stufen zu überwinden, schwierige Wurzelkanal­
tungsfähigkeit eines Zahnes im Rahmen einer                  anatomien zu erkennen, Fragmente zu entfernen
oralen Rehabilitation werden neben der allgemeinen           oder Perforationen exakt zu verschließen9,12.
und speziellen zahnmedizinischen Anamnese die
zahnbezogenen Befunde erhoben. Der axiale und                Intrakoronale Befundaufnahme und
horizontale Perkussionstest ermöglicht die Diffe­            Diagnostik (IKD)
renzierung parodontaler und apikaler Entzündungs­            Nach Entfernung der Aufbaufüllungsmaterialien
prozesse. Der Grad der Zahnbeweglichkeit und die             und Präparation der sekundären endodontischen
an mindestens 6 Punkten ermittelten Sulkussondie­            Zugangskavität sind mechanische, thermische oder
rungswerte geben einen ersten Überblick über den             elektrische Reize durch den Patienten spürbar, so­
parodontalen Zustand. Eng begrenzte, hohe isolierte          dass Wurzelkanäle mit partiell erhalten gebliebener
Sondierungswerte bzw. tiefe Zahnfleischtaschen kön­          Pulpa ermittelt werden können (Abb. 3a und b).
nen ein Hinweis auf eine Vertikalfraktur sein, sodass           Die Beschaffenheit des Dentins kann unter Ver­
zahnerhaltende Therapieversuche erfolglos blei­   ben        größerung mit dem Dentalmikroskop auf farbliche
(Abb. 1a bis d). Sensiblitätstests vor einer Revision        Veränderungen und Risse geprüft werden, sodass
sind meist nicht notwendig oder erlangen keine Be­           die Ausdehnung der Karies oder strukturelle Ermü­
deutung, weil Restaurationen und Aufbaufüllungs­             dungen des Dentins rechtzeitig erkannt werden
materialien eine Reizweiterleitung hemmen.                   können5. Damit wird bereits vor Beginn der end­
   Ergänzend sind Röntgenaufnahmen erforderlich,             odontischen Therapie eine bessere prognostische
um die Anatomie und die Pathologie des betroffenen           Beurteilung möglich7.
Zahnes und seiner umliegenden Gewebe zu ermit­                  Mit der Bestimmung der tatsächlich vorhandenen
teln. Die digitale Volumentomografie (DVT) erweitert         und der bislang gefüllten Wurzelkanäle sowie der Art
die diagnostischen Möglichkeiten sowie die Planung           des verwendeten Wurzelfüllmaterials kann die wei­
und Realisierung minimalinvasiver Eingriffe vor al­          tere Schwierigkeit ermittelt werden. Insbesondere
lem an mehrwurzligen Zähnen17,54. Die Kombination            korrodierte Silber- und Thermafil-Stifte sowie form­
der radiografischen Diagnostik mit dem klinischen            aldehydhaltige Zemente erschweren eine Revision.

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 a                             b                               c                             d
Abb. 2a bis d Ausgangsröntgenaufnahme von Zahn 47 mit persistierenden Schmerzen nach abgeschlossener Wurzel­
kanalbehandlung. Die Wurzelkanäle sind unvollständig gefüllt und erscheinen vollständig obliteriert. Es besteht der
Verdacht auf eine apikale Aufhellung an der distalen Wurzel (a). Digitale Volumentomografie (DVT)-Aufnahme der
distalen Wurzel in frontaler Projektionsebene: Eine apikale Aufhellung ist nicht nachweisbar. Zwei konfluierende und
erneut divergierende Wurzelkanäle (Typ VI nach Vertucci) sind erkennbar (b). DVT-Aufnahme der mesialen Wurzel in
frontaler Ebene. Mesiobukkal ist ein mehrfach gekrümmter, teilweise gefüllter Wurzelkanal, lingual ein lediglich im
koronalen Wurzeldrittel gefüllter Wurzelkanal mit Stufen sichtbar (c, s. Pfeil). Mit den Informationen aus der DVT lässt
sich unter dem Mikroskop das Wurzelkanalsystem vollständig erweitern und verschließen (d).

 a                                                             b

Abb. 3a und b Intrakoronale Befundaufnahme und Diagnostik (IKD) von Zahn 47 (vgl. Abb. 2). Mesiobukkal sind
bei 8-facher Vergrößerung ein Kunststoffträger einer Thermafil-Wurzelkanalfüllung mit minimaler Ummantelung
von Guttapercha, ein mit Sealer teilweise ausgeflossener Isthmus und mesiolingual ein mit Guttapercha gefüllter
Wurzelkanal sichtbar (a). Der distolinguale Wurzelkanal blieb unbehandelt. Es lässt sich blutendes und sensibles
Pulpagewebe nachweisen. Der distobukkale Wurzelkanaleingang wurde mit Sealer gefüllt (b).

   Perforationen können visuell differenziert wer­           oder eine perforierende Resorption zu differenzieren
den, indem der Verlauf der Dentinkanälchen und die           und auf die Ausdehnung zum Parodont zu prüfen4,75.
Dentinarten in Beziehung zum Wurzelkanal vergli­                Sklerotisches Dentin und Kalzifikationen können
chen werden (Abb. 4a bis c). Die Endometrie kann             in der Ausdehnung und Lage erkannt werden, damit
als diagnostisches Hilfsmittel genutzt werden, um            diese zur Freilegung des Wurzelkanalsystems mini­
beispielsweise eine Perforation, einen Seitenkanal           malinvasiv entfernt werden können10.

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Abb. 4a bis c Am Zahn 37 traten nach mehreren Jahren der Beschwerdefreiheit nach abgeschlossener Wurzelkanal­
behandlung Aufbissbeschwerden auf. Auf der Röntgenaufnahme ist eine unvollständige Wurzelkanalfüllung erkennbar
mit einer atypischen Ausdehnung in Richtung Bifurkation. Es besteht der Verdacht auf eine iatrogene Perforation (a).
Im Verlauf der IKD lässt sich distal eine kreisrunde Bohrung gefüllt mit Guttapercha erkennen. Der distale Wurzelkanal
wurde über eine via falsa präpariert und gefüllt. Der eigentliche obliterierte Wurzelkanaleingang liegt weiter distal (b,
s. Pfeile). Zur Sicherung der Verdachtsdiagnose der Perforation wurde die Endometrie genutzt. Nach Säuberung und
Desinfektion der Perforation gelang eine vollständige Wurzel­kanalfüllung (c).

Entfernung von Restaurationen                                 fiehlt sich die Anfertigung einer kleinvolumigen
                                                              DVT-Aufnahme.
In Vorbereitung auf eine Revision ist es empfehlens­              Ein wichtiges Kriterium für die Entfernbarkeit
wert, insuffiziente Restaurationen und Stifte zu ent­         von Stiften ist die Art der Befestigung32. So können
fernen1,64. Dies ist immer dann erforderlich, wenn            grundsätzlich aktiv in das Dentin geschraubte Stifte
eine Fraktur bzw. eine Lockerung der Restauration,            von passiv zementierten Stiften unterschieden wer­
eine Sekundärkaries oder eine intrakanaläre mikro­            den. Einer Umfrage in Deutschland zufolge wurden
bielle Infektion vorliegt sowie ästhetische und funk­         noch im Jahr 2002 von 47 % der befragten Zahn­
tionelle Gründe eine Entfernung rechtfertigen und             ärzte aktive Schraubensysteme verwendet52.
wenn eine intrakanaläre mikrobielle Infektion besteht             Je nach verwendeter mikroretentiver Oberfläche,
(Abb. 5a bis c). Durch die vollständige Entfernung            Befestigungszement, Durchmesser und Insertions­
von Restaurationen verbessert sich die Gesamtbe­              tiefe können sich die Stifte in ihrer Haftkraft zum
urteilung über die verbliebene Zahnhartsubstanz.              Dentin unterscheiden25,27,59. Andere Studien belegen,
Insbesondere bei Wurzeln, die mit Stiften versorgt            dass die Art des Befestigungszements keinen signi­
wurden, liegen häufiger Frakturen vor24,44 (Abb. 6).          fikanten Einfluss auf die Befestigung bzw. Entfern­
Die Früherkennung von Frakturen oder unbehandel­              barkeit haben32. Eine Ursache kann die Verwendung
ten Wurzelkanalanteilen nach orthograder Entfer­              von unterschiedlichen Geräten mit unterschiedlichen
nung von Stiftsystemen kann unter Nutzung eines               Ultraschallansätzen sein, sodass die Ergebnisse in
Dentalmikroskops die prognostische Beurteilung                den Studien variieren11,19.
verbessern42.                                                     Als besonders schwierig zu entfernen gelten in­di­
   Liegt klinisch und radiologisch ein scheinbar              vi­duell gefertigte Stiftstumpfaufbauten mit Re­ten­ti­
suffizien­ter Randschluss vor, sollte der Erhalt der          ons­manschette und dentinadhäsiv befestigte lange
Restauration auch nach der Präparation der end­               Kera­mikstifte62.
odontischen Zugangs kavität überprüft werden.
   In Einzelfällen können im Verlauf einer Teilrevision       Entfernung konfektionierter Stifte mit und
Krone und Stifte belassen werden, wenn sicherge­              ohne Gewinde
stellt werden kann, dass keine mikrobielle Infektion          Es hat sich grundsätzlich bewährt, den metallischen
vorliegt und die Wurzelkanäle vollständig gefüllt             oder keramischen Stift komplett bis zur Befes­
sind. Für eine exakte radiologische Diagnostik emp­           tigungs­fuge frei zu präparieren (Abb. 7a bis e). Erst

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 a                              b                                                             c
Abb. 5a bis c Die Fisteldarstellung mit einem Guttapercha-Point am Zahn 11 weist auf eine ausgedehnte periapikale
Aufhellung an der resezierten Wurzelspitze. Die Erhaltung des Zahnes erscheint aussichtslos. Es liegen keine patho­
logischen Sondierungswerte vor (a). Nach Entfernung der Krone wird der Grund für die persistierende intrakanaläre
Infektion sichtbar. Palatinal lag ein mit Weichgewebe teilweise gefüllter Spalt zwischen Wurzelkanalwand und Stift
vor (b, s. Pfeil). 10 Jahre nach orthograder Revision und Restauration mit einem Glasfaserstift ist der Zahn 11 weiterhin
in Funktion bei vollständiger Remission der apikalen Aufhellung (c).

Abb. 6 IKD-Befund von Zahn 14 (vgl. Abb. 1) nach Ent­
fernung der Aufbaufüllung und Reduktion des Glasfaser­
stiftes 1 mm unterhalb des Wurzelkanaleinganges ist nach
Anfeuchtung des Dentins bei 20-facher Vergrößerung ein
Riss erkennbar. Der Verlauf der Dentinkanälchen ist klar
vom Dentinriss (s. Pfeil) zu differenzieren. Die Prognose
des Zahnes mit einem Wurzeldentinriss ist schlecht.
Die Extraktion ist die Therapie der Wahl.

dann kann beurteilt werden, ob und wie tief eine              von 25 bis 40 kHz genutzt. Die piezoelektrische Me­
mini­malinvasive Freilegung des Stiftes auch inner­           thode scheint der magnetischen überlegen zu sein,
halb des Wurzelkanals erfolgen kann. Eine tiefer­             da sie eine höhere Effektivität in der Umwandlung
gehende Freilegung des Stiftes ist vor allem bei              der Energie aufweist. Damit wird bei geringerer
ovalen oder schlitzförmigen Wurzelkanalquer­                  Energiezufuhr eine stärkere Vibration bei geringerer
schnitten ohne gro­   ßen Dentinabtrag möglich. Es            Wärmeentwicklung erzielt55. Die Vibrationen setzen
können dazu wahlwei­se Ultraschallfeilen vom Typ K            sich über den Stift auf den Zement fort und des­
in den Größen ISO 15 bis 25 genutzt werden (IrriK,            integrieren so die Verbindung zwischen Stift und
Fa. VDW, München).                                            Zement. Eine Ausnahme bilden Glasfaserstifte.
   Unabhängig von Art und Material des Stiftes                   Insbesondere bei Schraubensystemen sollte erst
oder des benutzten Befestigungszements kann der               dann ein Schlüssel zur drehenden Entfernung benutzt
Verbund zwischen Stift und Zement gelöst werden.              werden, wenn sich der Stift nach Ultraschallaktivie­
Dazu wird der Stift durch umkreisende Bewegun­                rung erkennbar bewegt. Damit können Spannungen
gen unter Zufuhr von Wasserkühlung mit Ultra­                 auf das Dentin und zusätzliche Risse vermieden
schall aktiviert. Ultraschall wird in einer Frequenz          werden.

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d                                               e
Abb. 7a bis e Röntgenausgangsaufnahme von Zahn 26 mit unvollständiger Wurzelkanalfüllung und einem zylindrischen
Stift in der palatinalen Wurzel (a). DVT-Aufnahme in frontaler Projektionsebene mit Darstellung einer ausgedehnten peri­
apikalen Aufhellung palatinal und Verbindung zum Sinus maxillaris (Fistel, b). Der Kompositaufbau wurde mit einem
Langschaft­rosenbohrer 012 bis zum Wurzelkanaleingang reduziert, bevor der konfektionierte Stift mit Ultraschall gelockert
und entfernt werden konnte (c). Nach 2 Jahren ist bei vollständiger Wurzelkanalbehandlung keine apikale Aufhellung
mehr erkennbar (d). Im Vergleich zur Ausgangsituation lässt sich im DVT im Vergleich zum Ausgang die Wiederher­
stellung der Begrenzung der Kieferhöhle und ein Zuwachs/Regeneration der knöchernen Befestigung erkennen (e).

Individuell gefertigte und gegossene                              Es besteht das Ziel, den Stift so freizulegen, dass
Stiftstumpfaufbauten                                          nach Möglichkeit keine weitere Zahnhartsubstanz
                                                              entfernt wird. Mit grazilen Hartmetallfräsen (H48XLQ
Individuell gegossene Stiftstumpfaufbauten zeich­             oder H135, Fa. Komet, Lemgo) und spitzen Präpara­
nen sich häufig mit einer tiefen Retention des Stiftes        tionsdiamanten wird der Aufbau geteilt und aus
auf zwei Drittel der Wurzellänge und einer tiefen Re­         dem inneren Präparationskasten entfernt. Die Frei­
tentionsmanschette aus. In Abhängigkeit zur korona­           legung ist dann abgeschlossen, wenn die Zemen­
len Restzahnhartsubstanz muss entschieden wer­                tierfuge zu erkennen ist (Abb. 8a bis c). Mit einer
den, ob eine auf den Stiftaufbau begrenzte Entfernung         ersten Ultraschallaktivierung kann das Verhalten
möglich oder eine retrograde Therapie besser für              des Befestigungszements kontrolliert werden. Löst
den Erhalt der verbliebenen Zahnhartsubstanz ist.             sich der Zement nicht nach einer Ultraschalleinwir­
   Die Entfernung von metallischen Aufbauten ist mit          kung von 30 Sek., sollte die Fuge mit grazilen Ultra­
der Freisetzung von Metallspänen verbunden und                schallfeilen freigelegt werden. Dabei genügt es in
sollte deshalb optimal unter Kofferdam erfolgen, um           Abhängigkeit von der Anatomie des Wurzelkanals,
eine Aspiration oder das Verschlucken metallischer            dem Stift einseitig Platz für eine verbesserte Weiter­
Fragmente zu vermeiden.                                       leitung der Schwingung zu verschaffen. Der freige­

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Die endodontische Revision - Aktuelle Möglichkeiten und Grenzen
Michael Arnold

legte Stift kann dann durch kontinuierliches Um­               langen massiven Keramikstiften eine retro­grade chi­
kreisen mit einem Ultraschallscaler und zeitweiser             rurgische Therapie als Alternative zu prüfen ist.
Wasserzufuhr gelockert und entfernt werden29.                     Das Standardverfahren zur Entfernung relativ kur­
                                                               zer keramischer Stifte ist die Anwendung von Ultra­
Keramikstifte                                                  schall mit Wasserkühlung. Aufbaufüllungs­materia­
Das E-Modul von Keramikstiften ist etwa zehnmal                lien sollen dazu vollständig entfernt werden. Ein
höher als das des Dentins31. Die Härte des Materials           Ultraschallscaler kann dann unter Wasserkühlung
verringert die Möglichkeit der Fraktur des Stiftes, er­        den Kompositverbund zwischen Stift und Dentin bei
höht jedoch die Gefahr einer Wurzelfraktur. Das Re­            regel­mäßiger Umkreisung ermüden und lösen.
duzieren der Stifte im Durchmesser ohne Abtrag von                Im Fall einer Stiftfraktur kann der Versuch unter­
Wurzeldentin ist aktuell aufgrund fehlender geeigne­           nommen werden, am Stift vorbei einen Pfad zu prä­
ter Instrumente nur sehr schwer möglich. Das Be­               parieren, der mit Ultraschallfeilen minimal erweitert
schleifen und Aktivieren mit Ultraschall können dar­           wird, sodass der Keramikstift mit Ultraschall akti­
über hinaus das Dentin und das Parodontium durch               viert und lateral luxiert werden kann13. Ein solches
die Wärmeentwicklung schädigen. Dentin­risse konn­             Verfahren sollte jedoch nur dann genutzt werden,
ten nach Entfernung mit Ultraschall vermehrt bei               wenn die Anatomie des Wurzelkanals oval oder
Keramik­stiften nachgewiesen werden62, sodass bei              schlitzförmig ist (Abb. 9a und b).

 a                                              b                                               c
Abb. 8a bis c Am Zahn 25 wird eine Revision in Vorbereitung auf eine prothetische Neuversorgung notwendig. Es liegt
eine unvollständige Wurzelkanalfüllung vor bei Vorhandensein einer apikalen Aufhellung (a). Zur erleichterten Entfernung
des gegossenen Stiftstumpfaufbaus nach Kronenentfernung wird der Stumpfaufbau bis zur Retentionsmanschette re-
duziert. Erst wenn die Zementierungsfuge entlang des Wurzelkanalquerschnittes freiliegt, sollte eine ultraschallaktivierte
Lockerung des Befestigungszements erfolgen (b). In der Abschlusskontrolle ist im Vergleich zur Ausgangssituation die
minimal­invasive Entfernung und Erneuerung des Stiftaufbaus nach endodontischer Revision erkennbar (c).

Abb. 9a und b Die Entfernung eines
Keramikstiftes in der distalen Wurzel von
Zahn 36 erscheint aufgrund der tiefen Be­
festigung nicht möglich zu sein (a). Auf der
DVT-Aufnahme in frontaler Projektions­
ebene der distalen Wurzel ist erkennbar,
dass bukkal vom Stift ausreichend Platz
für eine Freilegung und damit Entfernung
besteht. Eine erneute chirurgische Inter­
vention kann mit der orthograden Revision
vermieden werden (b).                           a                                               b

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Die endodontische Revision - Aktuelle Möglichkeiten und Grenzen
ENDODONTIE

Entfernung von Glasfaserstiften                          rückstandsfreie Entfernung von Wurzelfüllmaterialien
                                                         gelingt mit mechanischen Hilfsmitteln nicht.
Die Ultraschalltechnik kann zur Entfernung von Glas­         Die im Vergleich zu Handinstrumenten deutlich
faserstiften nicht effektiv genutzt werden, da die       schnellere Rotation der maschinellen Instrumente
Schwingungen gedämpft werden und lediglich das           verdrängt mehr Füllungsreste in Isthmen und ver­
Stiftmaterial ermüdet und frakturiert. Die Ursache       stopft die Dentintubuli34,82. Der Einsatz von Lösungs­
hierfür ist das etwa dem Dentin gleiche E-Modul.         mitteln vereinfacht zwar das Eindringen der Instru­
    Einige Hersteller bieten Entfernungskits zum         mente in das zu entfernende Material und schont
Ausbohren von Glasfaserstiften an. Es handelt sich       die Instrumente, verschlechtert jedoch die Reini­
dabei um Bohrer mit schneidender Spitze in Kombi­        gung der Wurzelkanäle60,65 (Abb. 10a bis c). Die initi­
nation mit einem Vorbohrer, z. B. DT Post Removal        ale maschinelle Präparation eines Pfades neben
Kit (Fa. VDW). Bei fehlender Sichtkontrolle besteht      dem Wurzelfüllungsmaterial und die anschließende
die Gefahr einer apikalen oder lateralen Perforation.    komplette Entfernung des Wurzelfüllungsmaterials
    Bewährt haben sich auch Langschaftrosenbohrer        mit einer Hedströmfeile erscheint deshalb besser
vom Typ Munce (Fa. CJM Engeneering, Santa Barba­         geeignet zu sein (Abb. 11a und b). Anhaftende
ra, CA, USA) oder Endo Access Burs (Fa. Meisinger,       Sealeranteile können im Anschluss mit Ultraschall
Neuss) in den Größen 005 bis 012. Bei trockener          unter Verwendung von Chelatoren entfernt werden,
Präparation kann der Verlauf des transparenten           bevor die fortgesetzte mechanische Erweiterung
Stiftquerschnittes unter Nutzung von optischer Ver­      erfolgt. Damit kann es gelingen, weniger mikrobiell
größerung mittels Dentalmikroskop gut vom umlie­         infizierte Hart- und Weichgewebe in schwer erreich­
genden Dentin differenziert werden (vgl. Abb. 6).        bare Hohlräume zu verdrängen.
Für ein minimalinvasives Arbeiten empfiehlt sich             Bei der Auswahl der NiTi-Instrumente kann die
dafür der Einsatz eines Dentalmikroskops81.              Form der Instrumentenspitze einen Einfluss auf die
                                                         Entfernung des Füllungsmaterials haben (Abb. 12a
Problemkorrektur                                         bis c). Aktive Spitzen haben den Vorteil, leichter in
                                                         das Füllungsmaterial einzudringen, bergen jedoch die
Entfernung intrakanalärer Füllungsmaterialien            Gefahr in gekrümmten Wurzelkanalanteilen Stufen
Für die mechanische Erweiterung von Wurzelkanälen        zu präparieren oder vorhandene Abweichungen im
steht eine große Anzahl neuer Instrumente unter­         Originalverlauf zu verstärken.
schiedlicher Legierungen und Materialeigenschaften           Es empfiehlt sich in der ersten Etappe, lediglich
zur Verfügung. Die maschinell betriebenen Nickel-        das alte Füllmaterial zu entfernen und erst nach der
Titan (NiTi)-Instrumente lösen zunehmend die ma­         koronalen konischen Erweiterung den bislang un­
nuellen Instrumente im klinischen Alltag ab.             bearbeiteten apikalen Anteil zu erschließen und zu
   Die Wahl des geeigneten Instrumentes erfordert        erweitern. Thermisch veränderte NiTi-Legierungen
vor dem klinischen Einsatz Übung am extrahierten         wie z. B. bei WaveOne Gold small (Fa. Dentsply
Zahn, um die jeweiligen Belastungsgrenzen und            Siro­na, Bensheim) oder Reciproc blue 25 (Fa. VDW)
Möglichkeiten zu testen. Zur Entfernung von Wurzel­      lassen sich einfacher vorbiegen, sodass Stufen und
kanalfüllungen aus Sealer, Guttapercha und Kunst­        Krümmungen nach einer Gleitpfadpräparation leich­
stoffträgern eignen sich NiTi-Instrumente, die axial     ter überwunden werden können (Abb. 13a und b).
belastet werden können und eine gute Schneidleis­        Auch hier kann die unterschiedliche Spitzen­ge­stal­
tung aufweisen. Grazile Gleitpfadinstrumente mit         tung der Instrumente einen Einfluss auf den Erfolg
einer 2 bis 3%igen Konizität sind für eine axiale Be­    haben (Abb. 14a und b).
lastung weniger gut geeignet, da die Instrumente bei         Zur Entfernung von Fragmenten und zur Über­
erhöhtem axialen Druck gestaucht werden. Kombina­        windung von Blockaden und Stufen wird Ultraschall
tionstechniken im Einsatz rotierender und alternieren­   empfohlen. Schallaktivierte Stahlinstrumente er­
der NiTi-Instrumente ermöglichen eine effiziente         möglichen einen gezielten Abtrag von Zahnhart­
Entfernung alter Wurzelfüllungsmaterialien60. Eine       substanz. Durch das Vorbiegen können sie mit ge­

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Die endodontische Revision - Aktuelle Möglichkeiten und Grenzen
Michael Arnold

 a                             b                               a                             b
                                                            Abb. 11a und b Zahn 22 mit präparierter endodontischer
                                                            Zugangskavität. Die Wurzelkanalfüllung ließ sich in toto
                                                            mit einer Hedströmfeile von der Wurzelkanalwand lösen
                                                            (a) und entfernen (b).

                       S

                                                               a                  b                     c
                                           WK
                                                            Abb. 12a bis c Drei verschiedene Nickel-Titan (NiTi)-Feilen
                                                            mit einem Spitzendurchmesser von 0,15 mm, aber unter-
                                                            schiedlicher Geometrie in Spitzendesign und Schneide­
                       GP                                   kantengestaltung führen zu einem veränderten Schneid­
                                                            verhalten bei der Entfernung von Füllungsmateria­lien:
                                      GP                    WaveOne Gold Glider (Fa. Dentsply Sirona, Bensheim) mit
                                                            einer kantigen Struktur der Spitze und Schneidekante
 c                                                          lässt ein gutes Schneidverhalten erwarten (a). ProFile
                                                            (Fa. Dentsply Sirona) weist eine grazilere Spitze auf, sodass
Abb. 10a bis c In-vitro-Untersuchung am Unterkiefer­        ein verbessertes Eindringen in obliterierte und gefüllte
molaren zur Reinigungswirkung einer chemomechanischen       Wurzelkanalanteile möglich wird. Die Schneidekanten sind
Aufbereitung unter Anwendung von Lösungsmittel: Ansicht     passiv, sodass eine gute Kanalzentrierung resultiert. Fül-
auf mesial gefüllte Wurzelkanäle (a), nach Entfernung der   lungsmaterialien werden nur verdrängt (b). VDW.Rotate
Wurzelkanalfüllung (b), Rasterelektronenmikroskop (REM)-    (Fa. VDW, München) hat eine schneidende Spitze und
Aufnahme in 200-facher Vergrößerung (Phenom XL,             scharfe Schneidekanten für ein gutes Schneidverhalten zur
Fa. Phenom-World, Eindhoven, Niederlande), Ansicht des      Entfernung von Füllungsmaterialien. Nach jedem zweiten
apikalen Wurzeldrittels. Die Wurzelkanalwand (WK) ist       Schneidekantenabstand ist der Querschnitt dünner und
komplett mit „Smear layer“ bedeckt. Im Bereich des Isth­    damit weniger belastungsfähig in engen Wurzelkrümmun­
mus lagern eingeschwemmte Füllkörper des Sealers (S)        gen. Die scharfen Schneidekanten können Wurzelkanal­
mit Resten von Guttapercha (GP).                            krümmungen schneller begradigen (c).

ringer Intensität genutzt werden, um frakturierte           rend im koronalen Wurzeldrittel Ultraschall oder
Instrumente im Wurzelkanal freizulegen und zu ent­          das Instrument Removal System (IRS, Fa. SDSwiss,
fernen16 (Abb. 15a bis c). Weitere Hilfsmittel können       San Diego, CA, USA) in Anwendung gebracht werden
die minimalinvasive Entfernung begünstigen. Wäh­            können, eignen sich Umschlingungstechniken mit

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ENDODONTIE

                                                                                 Abb. 13a und b Zur Überwindung
                                                                                 einer intrakanalären Stufe am Zahn 15
                                                                                 erfolgte zunächst die Entfernung der
                                                                                 alten Wurzelkanalfüllung, dann die
                                                                                 konische Erweiterung bis zur Stufe
                                                                                 und erst dann die Überwindung der
                                                                                 Stufe mit vorgebogenen Hand- und
                                                                                 maschinellen Instrumenten (a). Nach
                                                                                 einer konischen Erweiterung in Step-
                                                                                 back-Technik mit NiTi-Instrumenten
                                                                                 gelang eine vollständige Wurzel­
                                                                                 kanalfüllung trotz ausgeprägter
 a                                       b                                       apikaler Wurzelkrümmung (b).

                                                                                 Abb. 14a und b Zwei zur reziproken
                                                                                 Bewegung hergestellte NiTi-Feilen
                                                                                 mit einer Größenbezeichnung von
                                                                                 ISO 25 weisen trotzdem unterschied­
                                                                                 liche Spitzengestaltungen auf: Die
                                                                                 R25-Feile (a) weist im Gegensatz zu
                                                                                 der thermisch nachbehandelten Feile
                                                                                 R25 blue (b, beide Fa. VDW) einen
                                                                                 stumpferen Winkel der Instrumenten­
                                                                                 spitze auf. Die Veränderung in der
                                                                                 Spitze der R25 blue ermöglicht damit
                                                                                 ein leichteres Eindringen in den
                                                                                 Wurzelkanal und das zu entfernende
 a                                       b                                       Wurzelfüllmaterial.

 a                             b                                                            c
Abb. 15a bis c Nach dem vergeblichen Versuch eines Vorbehandlers, eine Wurzelkanalfüllung zu revidieren, frakturierten
mehrere Instrumente innerhalb einer via falsa (a). Unter Sicht mit dem Dentalmikroskop konnten 5 Fragmente mit Ultra­-
schalltechnik entfernt und unter dem REM auf den Verschleiß geprüft werden. Alle Instrumente wiesen Spuren einer
Torsionsüberbelastung auf (b). Die Revision der Wurzelkanalfüllung und die Entfernung der Fragmente gelang vollständig
und minimalinvasiv (c).

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Michael Arnold

                                a                              b

                                c                                                     d

Abb. 16a bis e Am Zahn 36 erfolgte ein erster Versuch
einer Revision aufgrund einer fortbestehenden symptoma­
tischen apikalen Parodontitis: Auf der Röntgenausgangs­
aufnahme besteht der Verdacht auf zwei Fragmente in
der mesialen Wurzel, die mit einer Loop-Technik entfernt
werden sollten (a). Unter Sicht mit dem Dentalmikroskop
konnten die Fragmente dargestellt, zur Entfernung vor­-
be­reitend mit Ultraschall freigelegt (b) und mit einem
Loop-System vollständig entfernt werden (c). Auf der
Abschlussaufnahme ist ein erhöhter Zahnhartsubstanz­
abtrag im mesiolingualen Wurzel­kanal als Folge der
Verkeilung von zwei Fragmenten und deren Lockerung
erkennbar (d). REM-Aufnahme in 290-facher Vergröße­
rung der in einer 0,3 mm Kanüle geführten Schlaufe mit
0,1 mm dünnem Draht zur Fixierung des Fragmentes (e).          e

dünnen Drähten vor allem im mittleren und api­             File Retrieval Kit (TFRK, Santa Barbara, CA, USA)
kalen Wurzeldrittel. Als zusätzliche Hilfsmittel ha­       etabliert. Unterschiede ergeben sich in der Hand­
ben sich in Deutschland vor allem FragRemover              habung und den verwendeten Drahtstärken und
(Fa. FragRemover, Radebeul), EndoCowboy (Fa.               Drahtmaterialien, sodass unterschiedliche Kräfte
Köhrer Medical Engineering, Neuss), Broken Tool            zur Entfernung der Fragmente genutzt werden kön­
Remover (Fa. LyDenti, Großbeeren) und Terauchi             nen (Abb. 16a bis e).

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ENDODONTIE

Antibakterielle Therapie                                  system im Fall einer endodontischen Revision mit
                                                          verschiedenen Arten von aeroben sowie anaeroben
Im Unterschied zur primären Wurzelkanalbehand­            Bakterienkulturen, Pilzen und Viren kontaminiert,
lung kann das Wurzelkanalsystem als Folge des pa­         die sich zumeist über Jahre in einem interaktiven
thologischen Prozesses Besonderheiten aufweisen,          Biofilm etabliert haben. Inhomogene Reste von
die in der weiteren endodontischen Revision Einfluss      Sealer und Guttapercha werden zusammen mit
auf den Erfolg haben können8. So können apikal            Mikro­organismen und deren Stoffwechselproduk­
Oblite­rationen, Hyperzementosen und externe Re­          ten sowie Resten organischer und anorganischer
sorptionen auftreten43. Apikale Resorptionen infolge      Materialien vermischt, im Wurzelkanal verteilt und
einer Infektion werden meist vollständig repariert.       erneut verdichtet, sodass die verstopften Isthmen
Voraussetzung ist eine antimikrobielle Therapie unter     und Dentintubuli nicht mehr desinfiziert und dicht
genauer endometrischer Kontrolle45,56.                    gefüllt werden können53. Die klinische Bedeutung
    Als Folge iatrogener Überinstrumentierung tre­        der „Smear layer“ für den Erfolg oder Misserfolg
ten apikale Transportationen des Wurzelkanals und         einer Wurzelkanalbehandlung ist bis heute nicht
trichterförmige apikale Perforationen auf. Im Ergebnis    vollständig geklärt79. Das rapide Vordringen nach
der morphologischen Veränderungen können die              apikal im infizierten Wurzelkanal oder das apikale
ehemals verengten Strukturen der apikalen Forami­         Überinstrumentieren im Verlauf einer endodonti­
na deutlich weiter als der Durchmesser des Wurzel­        schen Revision transportiert Debris und „Smear
kanals vorliegen, sodass die Präparation einer api­       layer“ nach apikal und periapikal, sodass akute
kalen konischen Widerstandsform erschwert oder            Beschwer­   den provoziert werden können. Crown-
unmöglich wird (Abb. 17a bis c). Das Überpressen          Down- oder Step-Down-Techniken unter kontinu­ier­
von Debris, „Smear layer“, Desinfektionsmitteln           licher Desinfektion können die akute Exazerbation
und Materialien zur Wurzelkanalfüllung kann zu            vermeiden helfen.
vermehr­ten postendodontischen Beschwerden bei­               Selbst unter optimalen Bedingungen in In-vitro-
tragen und den Heilungserfolg beeinträchtigen.            Untersuchungen gelingt es jedoch nicht, mit der
    Das gealterte Dentin weist außerdem höhere An­        Handspülung eine hinreichende Desinfektion und
teile sklerotischen Dentins auf, sodass bei starkem       Reinigung des Dentins bzw. des Wurzelkanalsys­
axial ausgerichteten Arbeitsdruck sogenannte Cracks       tems zu erzielen. Biofilm und „Smear layer“ können
initiiert werden können, die langfristig zur Ausbildung   nur in der Kombination von mechanischen Hilfsmit­
von Vertikalfrakturen beitragen können3,66. Für die       teln mit Natriumhypochlorit (NaOCl) reduziert wer­
apikale Ausformung empfehlen sich deshalb passiv          den71. Die gleichzeitige Nutzung von oszillierenden
arbeitende Feilen wie z. B. ProFile (Fa. Dentsply         Feilen wie z. B. „Self adjusting file“ (SAF) verbes­
Siro­na) oder Feilen mit geringer Konizität von 2 bis     sert die Reinigung auch in irregulären oder ovalen
4 % in Step-back-Technik61.                               Wurzelkanalquerschnitten50. Die Wirkung von Na­
    Für eine antimikrobielle Therapie haben sich ver­     OCl kommt bei „Smear layer“ nicht mehr effektiv
schiedene Spüllösungen über die letzten Jahrzehnte        zur Entfaltung und erfordert den Einsatz von Chela­
bewährt20,83. Jede Spülflüssigkeit hat auf das Dentin     toren wie z. B. EDTA 17 % oder Zitronensäure 10 %.
und die mikrobielle Besiedlung eine spezifische           Das bakterielle Wachstum im Biofilm kann mit
Wirkung und ist vor allem zeit- und konzentrations­       Chlorhexidin (CHX) durch die prolongierte Wirkung
abhängig46. Endodontische Revisionen unterliegen          und hohe Substantivität gehemmt oder sogar ver­
meist einem größeren Zeitaufwand zur Überwin­             hindert werden14,18,40,41,67. Ähnliche Ergebnisse kön­
dung intrakanalärer Probleme. Damit trägt die Des­        nen mit Produkten wie z. B. mit Cetrimid und Octe­
infektion auch in geringer Konzentration zur ge­          nidin erzielt werden, wenn sie mit Chelatoren
wünschten Wirksamkeit unter gleichzeitiger Scho­          kombiniert werden6,15.
nung kollagener Strukturen des Wurzeldentins bei.             Die ultraschallaktivierte und schallaktivierte Spü­
    Im Gegensatz zur primären Wurzelkanalbehand­          lung kann die Ergebnisse der Reinigung und Des­
lung mit einer Vitalexstirpation ist das Wurzelkanal­     infektion im Verlauf der endodontischen Revision

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Michael Arnold

 a                                       b                                         c
Abb. 17a bis c Die primäre Aufbereitung und Wurzelkanalfüllung am Zahn 17 erfolgte mit dem System Reciproc
(Fa. VDW). Die fortbestehende Schmerzsymptomatik und mikrobielle Infektion machten eine Revision erforderlich.
Auf der Röntgenausgangsaufnahme ist die Überfüllung und Erweiterung der apikalen Foramen an den drei Wurzel­
spitzen bei persistierender apikaler Aufhellung erkennbar (a). Die stark erweiterten Wurzelkanäle ließen keine weiter­
gehende konische Präparationsform zu. Die transportierten und mechanisch erweiterten Foramen ließen sich nicht
mehr thermoplastisch verschließen. Als Verschlussmaterial wurde deshalb ProRoot MTA (Fa. Dentsply Sirona) als
Reparaturzement genutzt (b). 1 Jahr post operationem ist der Zahn beschwerdefrei und röntgenologisch unauffällig (c).

verbessern. Trotzdem können Reste der „Smear                 sodass abschließend das Wurzelkanalsystem gegen
layer“ vor allem im apikalen Wurzelkanalanteil ver­          eine von koronal ausgehende mikrobielle Rekon­
bleiben76–78. Der unterstützende Einsatz von Schall­         tamination gesichert werden muss. Je nach ver­
instrumenten wie z. B. EDDY (Fa. VDW) mit 6 kHz              wendeter Desinfektionslösung und zyklischer Er­
verbessert zwar die Reinigung, kann jedoch fest an­          müdung durch funktionelle Belastung variieren die
haftende „Smear layer“ nicht lösen und entfernen.            Ergebnisse aller zurzeit verwendeten Adhäsiv­
Der verstärkt nach apikal gerichtete Flüssigkeits­           systeme und Komposite, sodass nicht in jedem Fall
strom lässt im Gegensatz zu Ultraschall ein häufi­           ein dauerhafter bakteriendichter Verschluss erzielt
geres Überpressen von Spülflüssigkeiten mit post­            werden kann68. Eine zusätzliche Versorgung mit in­
endodontischen Beschwerden vermuten38.                       direkten Restaurationen – dentinadhäsiv befestigt –
   Für den dauerhaften Verschluss des desinfizierten         kann bei exakter Passform und guter Mundhygiene
Wurzelkanalsystems eignen sich Kombinationen                 des Patienten einen langfristigen Erfolg der end­
von Sealer und Guttapercha. Klassische Sealer                odontischen Revision sichern23,26,49 (Abb. 19a bis d).
mit Epoxidharz haben weiterhin Bestand für                   Kronenwandfrakturen vor allem bei dreiflächigen
thermoplas­  tische Verfahren oder Mehrstifttechni­          Kavitäten können mit einer Teil- oder Vollüberkro­
ken. Calciumsilikatzemente eignen sich vor allem             nung sicher vermieden werden.
bei weiten apikalen Foramen für Einstifttechniken.
ProRoot MTA (Fa. Dentsply Sirona) hat sich über              Prognose
mehr als 20 Jahre hinweg bewährt als Reparatur­
zement für iatrogene Perforationen, Resorptionen             Grundsätzlich scheint die orthograde Revision lang­
und resezierte Wurzeln73 (Abb. 18a bis c).                   fristig der retrograden chirurgischen Therapie über­
   Kritisch bleibt der dauerhafte Verbund zwischen           legen zu sein51,72. Die mikrobielle Infektion erstreckt
Kanalwand und Materialien zur Wurzelkanalfüllung,           sich von koronal nach apikal und nur in seltenen Fäl­

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ENDODONTIE

 a                                       b                                       c
Abb. 18a bis c Im Verlauf einer Wurzelkanalbehandlung am Zahn 36 wurden die Wurzelkanäle nicht aufgefunden und
eine iatrogene Perforation mit Glasionomerzement verschlossen (a). Unter Sicht mit dem Dentalmikroskop gelang eine
vollständige Wurzelkanalbehandlung. Die mikrobiell infizierte Perforation wurde erneut eröffnet, desinfiziert und mit
„Mineral Trioxid Aggregat“ (MTA) verschlossen (b). 8 Jahre post operationem mit suffizienter koronaler Versorgung
kam es zur vollständigen Remission der interradikulären und periapikalen Aufhellung (c).

                                                                                Abb. 19a bis d Am Zahn 37 erfolgte
                                                                                14 Jahre zuvor eine Wurzelkanalbe­
                                                                                handlung und Wurzelspitzenresektion.
                                                                                Über mehrere Jahre lag eine intra­
 a                                       b                                      orale Fistel vor. Auf der intraoralen
                                                                                Röntgenaufnahme ist eine unvoll­
                                                                                ständige Wurzelkanalfüllung und eine
                                                                                periapikale und interdentale Aufhel­
                                                                                lung sichtbar (a). Die DVT-Aufnahme
                                                                                weist einen starken Knochenabbau
                                                                                bei gleichzeitig stark gekürzten
                                                                                Wurzeln auf (b). Im Verlauf der
                                                                                orthograden Revision wurden die
                                                                                resezierten Wurzeln mit MTA
                                                                                verschlossen. Der dentinadhäsive
                                                                                Aufbau mit Komposit ermöglichte
                                                                                eine funktionelle Belastung und
                                                                                gleichzeitig einen Schutz vor mikro­
                                                                                bieller Rekontamination (c). Den
                                                                                langfristigen Erfolg sicherte eine
                                                                                Metallkeramikkrone mit suffizientem
 c                                       d                                      Goldrand in exakter Passform (d).

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len bis auf die Wurzelaußenfläche, sodass mit der or­      oder im Rahmen von In-vitro-Untersuchungen mit
thograden Revision ein deutlich größerer Anteil an         Mikro-Computertomografie-Aufnahmen möglich2,33,58.
Infektion eliminiert werden kann im Vergleich zu ei­       Als ein diagnostisches Hilfsmittel wurde die Infrarot-
ner resektiven chirurgischen Therapie. Unbehandelte        Thermografie vorgeschlagen, mit der Mikrorisse im
Isthmen und Wurzelkanäle sowie infizierte Wurzelka­        Dentin erkannt werden können48. Eine Marktreife hat
nalsysteme lassen sich häufig besser von orthograd         dieser Vorschlag bislang jedoch nicht erreicht.
reinigen und desinfizieren als von retrograd. Nur im          Im klinischen Alltag besteht aktuell die Möglich­
Fall einer erneut persistierenden Entzündung kann          keit unter Sicht mit dem Dentalmikroskop Dentinrisse
aktuell eine chirurgische Therapie die Prognose eines      zu erkennen7. Im Wechsel von feuchten und getrock­
kompromittierten Zahnes verbessern.                        neten Dentinwänden oder mithilfe der Diaphano­
    Die Beurteilung des Erfolges von Stiftentfernun­       sko­pie lassen sich vertikal verlaufende intrakanaläre
gen umfasst einerseits die Ereignisbeurteilung28 und       Mikrorisse differenzieren, obwohl sie radiologisch
andererseits den Langzeiterfolg des behandelten            nicht nachweisbar sind.
Zahnes. So können zum einen kurzfristig sehr gute             Epidemiologische Studien konnten bei Vorliegen
Ergebnisse in einer schnellen und invasiven Entfer­        einer apikalen Parodontitis lediglich in 35 bis 78 % der
nungstechnik registriert werden. Zum anderen kön­          Fälle erfolgreiche Wurzelkanalbehandlungen nach­
nen aber in einem weiteren Beobachtungszeitraum            weisen23,39,47. Klinisch kontrollierte Studien zeigten
vermehrt Misserfolge infolge struktureller Dentin­         mit 77 bis 94 % deutlich bessere Ergebnisse21,30,37.
ermüdung mit Längs- und Querfrakturen auftreten57.         Die höheren Erfolgsquoten der klinischen Studien
Ein eindeutig auf die Stiftentfernung begründeter          wurden in Universitäten und von Endodontie- Spe­
Misserfolg lässt sich schwer nachweisen. Mehrere           zialisten erzielt. Der enorme Unterschied der Ergeb­
Faktoren haben auf den langfristigen Erhalt eines          nisse ist ein Hinweis auf die mögliche Abhängigkeit
stark kompromittierten Zahnes Einfluss. Dabei ist          des Behandlungserfolges von Training und Kennt­
bereits entscheidend, inwieweit das Dentin zum             nisstand des Therapeuten, den technischen Hilfs­
Zeitpunkt der ersten Stiftverankerung bereits an           mitteln und vor allem einer ausreichenden Behand­
Biegemoment verloren hat. Mit der Alterung des             lungszeit. Wurde während der Erstbehandlung
Dentins nimmt das E-Modul zu und damit die Flexi­          eines Wurzelkanalsystems zusätzlich der Wurzelka­
bilität, auf Kräfte mit Dämpfung zu reagieren, ab2.        nalverlauf blockiert oder verlagert, so kann sich die
Bei der Präparation eines Stiftbettes reagiert sklero­     Erfolgsquote verringern30,37.
tisches Dentin deshalb besonders leicht mit Rissen
auf Trocknung, starke Laugen, Biegebelastung und           Schlussfolgerungen
mechanische Einwirkungen46.
    Zähne mit tiefen und massiven Stiftstumpfauf­          Die zumeist kostenintensiven Hilfsmittel und zeit­
bauten sollten deshalb kritisch beurteilt werden,          lich umfangreichen Weiterbildungen im Rahmen
wenn eine fortbestehende mikrobielle Infektion             von Endodontie-Curricula, Masterstudiengängen
eine Revision erfordert. Insbesondere in ihrer Ver­        oder Spezialisierungen haben in den letzten Jahren
wendung als Pfeilerzähne im Rahmen einer pro­              vermehrt zur kollegialen Zusammenarbeit beigetra­
thetischen Restauration wie z. B. mit Konuskronen          gen, sodass im Interesse des Patienten Synergien
können Zähne mit Stiften langfristig ein Risiko für        zwischen den Zahnärzten genutzt werden. Es gilt,
den Erfolg darstellen57.                                   rechtzeitig den Schwierigkeitsgrad einer endodon­
    Die Früherkennung von Dentinfrakturen bereits          tischen Revision im Verlauf der Befundaufnahme
zum Zeitpunkt der Entfernung alter Stiftaufbauten          und Diagnostik abzuschätzen und auf die Möglich­
ermöglicht es, die Langzeitprognose besser beur­           keiten der eigenen Praxisgegebenheiten hin zu
teilen zu können. Bislang war dies nur histologisch        überprüfen.

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ENDODONTIE

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      A micro-CT study. Braz Dent J             for intraradicular post removal.         instruments for post removal.
      2018;29:530–535.                          J Endod 1994;20:486–489.                 J Endod 2002;28:111–115.
3.    Ahn SY, Kim HC, Kim E.              12.   Bürklein S. DVT in der              20. Ercan E, Ozekinci T, Atakul F,
      Kinematic effects of nickel-              Endodontie. Endodontie 2011;             Gül K. Antibacterial activity of
      titanium instruments with                 20:381–388.                              2% chlorhexidine gluconate
      reciprocating or continuous         13.   Cherukara GP, Pollock GR,                and 5.25% sodium hypo-
      rotation motion: A systematic             Wright PS. Case report:                  chlorite in infected root canal:
      review of in vitro studies.               Removal of fractured endodontic          In vivo study. J Endod 2004;
      J Endod 2016;42:1009–1017.                posts with a sonic instrument.           30:84–87.
4.    Altunbas D, Kustarci A,                   Eur J Prosthodont Restor Dent        21. Eriksen HM. Epidemiology of
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      various irrigants on the accuracy   14.   Clegg MS, Vertucci FJ,                   D, Pitt Ford T (Hrsg). Essential
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5.    American Association of                   32:434–437.                          22. European Society of
      Endodontists (AAE) position         15.   Coaguila-Llerena H, Stefanini da         Endodontology (ESE). Quality
      statement. Use of microscopes             Silva V, Tanomaru–Filho M,               guidelines for endodontic
      and other magnification                   Guerreiro Tanomaru JM, Faria G.          treatment: Consensus report of
      techniques. J Endod 2012;38:              Cleaning capacity of octenidine          the ESE. Int Endod J 2006;39:
      1153–1155.                                as root canal irrigant: A scanning       921–930.
6.    Arias-Moliz MT, Ferrer-Luque CM,          electron microscopy study.           23. Farzaneh M, Abitbol S,
      González-Rodríguez MP,                    Microsc Res Tech 2018;81                 Friedman S. Treatment
      Valderrama MJ, Baca P.                    523–527.                                 outcome in endodontics:
      Eradication of enterococcus         16.   Cujé J, Bargholz C, Hülsmann M.          The Toronto study. Phases I
      faecalis biofilms by cetrimide            The outcome of retained                  and II: Orthograde retreatment.
      and chlorhexidine. J Endod                instrument removal in a                  J Endod 2004;30:627–633.
      2010;36:87–90.                            specialist practice. Int Endod J     24. Figueiredo FE, Martins-Filho PR,
7.    Arnold M, Friedrichs C, Tulus G,          2010;43:545–554.                         Faria-E-Silva AL. Do metal
      Verch S, Dennhardt H, Sanner F.     17.   Davies A, Patel S, Foschi F,             post–retained restorations
      Intrakoronale und intrakanaläre           Andiappan M, Mitchell PJ,                result in more root fractures
      Diagnostik (IKD). Endodontie              Mannocci F. The detection of             than fiber post–retained
      2013;22:9–21.                             periapical pathoses using                restorations? A systematic
8.    Arnold M, Ricucci D, Siqueira JF          digital periapical radiography           review and meta-analysis.
      Jr. Infection in a complex                and cone beam computed                   J Endod 2015;41:309–316.
      network of apical ramifications           tomography in endodontically         25. Frazer RQ, Kovarik RE, Chance
      as the cause of persistent                retreated teeth – Part 2:                KB, Mitchell RJ. Removal time
      apical periodontitis: A case              A 1 year post-treatment follow-          of fiber posts versus titanium
      report. J Endod 2013;39:                  up. Int Endod J 2016;49:                 posts. Am J Dent 2008;21:
      1179–1184.                                623–635.                                 175–178.

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Michael Arnold

26. Friedman S, Mor C. The success             Stellungnahme der DGZ und der              structure of human teeth.
    of endodontic therapy – Healing            DGZMK. Dtsch Zahnärztl Z                   Ultrastruct Pathol 2007;31:
    and functionality. J Calif Dent            2005;60:418–423.                           321–325.
    Assoc 2004;32:493–503.               36.   Hülsmann M, Weiger P.                44.   Maddalone M, Gagliani M,
27. Garrido AD, Oliveira AG,                   Revision einer Wurzelkanal­                Citterio CL et al. Prevalence
    Osório JE, Silva-Sousa YT,                 behandlung. Stellungnahme der              of vertical root fractures in
    Sousa-Neto MD. Evaluation of               DGZMK und der DGZ. Dtsch                   teeth planned for apical surgery.
    several protocols for the                  Zahnärztl Z 2004;59:242–243.               A retrospective cohort study.
    application of ultrasound during     37.   Imura N, Pinheiro ET,                      Int Endod J 2018;51:969–974.
    the removal of cast intraradicular         Gomes BP, Zaia AA, Ferraz CC,        45.   Malueg LA, Wilcox LR,
    posts cemented with zinc                   Souza-Filho FJ. The outcome of             Johnson W. Examination of
    phosphate cement. Int Endod J              endodontic treatment: A                    external apical root resorption
    2009;42:609–613.                           retrospective study of 2000                with scanning electron
28. Gesi A, Magnolfi S, Goracci C,             cases performed by a specialist.           microscopy. Oral Surg Oral Med
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    techniques for removing fiber        38.   Ince Yusufoglu S, Keskin NB,               1996;82:89–93.
    posts. J Endod 2003;29:                    Saricam E, Bozkurt DA.               46.   Marending M, Luder HU,
    580–582.                                   Comparison of apical debris                Brunner TJ et al. Effect of
29. Gomes AP, Kubo CH,                         extrusion using EDDY, passive              sodium hypochlorite on human
    Santos RA, Santos DR,                      ultrasonic activation and                  root dentine – Mechanical,
    Padilha RQ. The influence of               photon-initiated photoacoustic             chemical and structural
    ultrasound on the retention of             streaming irrigation activation            evaluation. Int Endod J 2007;40:
    cast posts cemented with                   devices. Aust Endod J 2020;                786–793.
    different agents. Int Endod J              46:400–404.                          47.   Marques MD, Moreira B,
    2001;34:93–99.                       39.   Jimenez-Pinzon A, Segura-                  Eriksen HM. Prevalence of
30. Gorni FG, Gagliani MM. The                 Egea JJ, Poyato-Ferrera M,                 apical periodontitis and results
    outcome of endodontic                      Velasco-Ortega E, Rios-Sanos JV.           of endodontic treatment in an
    retreatment: A 2-yr follow-up.             Prevalence of apical periodontitis         adult, Portuguese population.
    J Endod 2004;30:1–4.                       and frequency of root-filled teeth         Int Endod J 1998;31:
31. Guazzato M, Albakry M,                     in adult Spanish population.               161–165.
    Ringer SP, Swain MV. Strength,             Int Endod J 2004;37:167–173.         48.   Matsushita-Tokugawa M,
    fracture toughness and               40.   Kanisavaran ZM. Chlorhexidine              Miura J, Iwami Y et al. Detection
    microstructure of a selection of           gluconate in endodontics:                  of dentinal microcracks using
    all-ceramic materials. Part I.             An update review. Int Dent J               infrared thermography. J Endod
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    infiltrated ceramics. Dent Mater     41.   Kapralos V, Rukke HV,                49.   Meirinhos J, Martins JNR,
    2004;20:441–448.                           Ørstavik D et al. Antimicrobial            Pereira B et al. Prevalence of
32. Hauman CH, Chandler NP,                    and physicochemical                        apical periodontitis and its
    Purton DG. Factors influencing             characterization of endodontic             association with previous root
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    J 2003;36:687–690.                         chlorhexidine digluconate.                 length and type of coronal
33. Hin ES, Wu MK, Wesselink PR,               Dent Mater 2021;37:249–263.                restoration – A cross-sectional
    Shemesh H. Effects of self-          42.   Khalighinejad N, Aminoshariae A,           study. Int Endod J 2020;53(4):
    adjusting file, Mtwo, and                  Kulild JC, Williams KA, Wang J,            573–584.
    ProTaper on the root canal wall.           Mickel A. The effect of the          50.   Metzger Z, Teperovich E,
    J Endod 2013;39:262–264.                   dental operating microscope on             Zary R, Cohen R, Hof R. The
34. Hülsmann M, Bluhm V. Efficacy,             the outcome of nonsurgical root            self-adjusting file (SAF). Part 1:
    cleaning ability and safety of             canal treatment: A retrospective           respecting the root canal
    different rotary NiTi instruments          case-control study. J Endod                anatomy – A new concept of
    in root canal retreatment. Int             2017;43:728–732.                           endodontic files and its
    Endod J 2004;37:468–476.             43.   Leonardo MR, Rossi MA,                     implementation. J Endod
35. Hülsmann M, Schäfer E.                     Bonifácio KC, da Silva LA,                 2010;36:679–690.
    „Good clinical practice“:                  Assed S. Scanning electron           51.   Naito T. Surgical or nonsurgical
    Die Wurzelkanalbehandlung.                 microscopy of the apical                   treatment for teeth with existing

QUINTESSENZ ZAHNMEDIZIN | Jahrgang 72 • Ausgabe 5 • Mai 2021                                                             561
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