Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten
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Article, Published Version Pfister, Michael Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten BAWMitteilungen Verfügbar unter/Available at: https://hdl.handle.net/20.500.11970/107135 Vorgeschlagene Zitierweise/Suggested citation: Pfister, Michael (2020): Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten. In: BAWMitteilungen 105. Karlsruhe: Bundesanstalt für Wasserbau. S. 27-40. Standardnutzungsbedingungen/Terms of Use: Die Dokumente in HENRY stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0, sofern keine abweichenden Nutzungsbedingungen getroffen wurden. Damit ist sowohl die kommerzielle Nutzung als auch das Teilen, die Weiterbearbeitung und Speicherung erlaubt. Das Verwenden und das Bearbeiten stehen unter der Bedingung der Namensnennung. Im Einzelfall kann eine restriktivere Lizenz gelten; dann gelten abweichend von den obigen Nutzungsbedingungen die in der dort genannten Lizenz gewährten Nutzungsrechte. Documents in HENRY are made available under the Creative Commons License CC BY 4.0, if no other license is applicable. Under CC BY 4.0 commercial use and sharing, remixing, transforming, and building upon the material of the work is permitted. In some cases a different, more restrictive license may apply; if applicable the terms of the restrictive license will be binding.
Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten Prof. Dr. Michael Pfister, Haute école d’ingénierie et d’architecture de Fribourg (HEIA-FR, HES-SO), Schweiz Gefaltete Wehre stellen einen eher „neuen“ Typ eines verhältnismäßig gesehen – nur geringfügig höher. Diese Überfallbauwerks zur Regelung von Abfluss und Was- effiziente Pegel-Abfluss-Bezeigung folgt, da der Abfluss serpegel dar. Ihre Entwicklung ist daher noch nicht ab- auf eine sehr lange Wehrkrone trifft, welche die Kanal- geschlossen, sondern befindet sich gegenwärtig wohl oder Wehrbreite um ein Vielfaches übertrifft. Effektiv in einer „zweiten Phase“. Die „erste Phase“ umfasste stellt sich schon eine klassische, weniger effiziente Pegel- die Optimierung der Form unter einem rein hydrau- Abfluss-Beziehung bezüglich der abgewickelten langen lischen Gesichtspunkt, um eine möglichst effiziente Wehrkrone ein. Wird die Beziehung jedoch auf die gerin- Pegel-Abfluss-Kurve zu erzeugen. Der Erfolg der ersten gere Kanal- bzw. Wehrbreite normiert, so folgt spezifisch Phase führte dazu, dass gefaltete Wehre in den letzten gesehen eine markant höhere Kapazität. Jahrzehnten häufig gebaut wurden. Daraus haben sich weitere Fragestellungen ergeben, welche über die reine Die hydraulischen Vorzüge von gefalteten Wehren, die Kapazitätsbetrachtung hinausgehen und für den lang- sonst oft nur mittels Regelorganen, wie Klappen oder fristigen Betrieb und Unterhalt der Wehre relevant sind. Schützen, erreicht werden können, werden im Wasser- Die zweite Entwicklungsphase beschäftigt sich gegen- bau schon seit mehreren Jahrzehnten genutzt. Crookston wärtig mit Fragestellungen zum Umgang mit Geschiebe et al. (2019) haben die weltweite Anzahl gebauter gefal- und Treibgut, dem Unterwassereinfluss und Vibratio- teter Wehre seit ungefähr dem Jahr 1900 zusammenge- nen. Der vorliegende Artikel überblickt die Entwicklung tragen (Bild 1). Sie unterscheiden dabei zwischen dem beider Phasen und umreißt ausgewählte Forschungsar- traditionellen Labyrinth-Wehr und dem neueren Klavier- beiten zum Thema. tastenwehr (Piano-Key-Wehr, PKW). Aus Bild 1 ist abzu- leiten, dass gegenwärtig ungefähr 135 gefaltete Wehre in Betrieb sind. 1 Hintergrund Historisch gesehen sind Labyrinth-Wehre älter. Sie sind vielfach gebaut und haben sich bewährt, insbesondere aufgrund ihrer einfachen Bauweise (bestehend aus einer Auch wenn es weder einer technischen Norm noch ei- Grundplatte und vertikalen Wänden) und ihrer hydrau- nem wissenschaftlichen Ansatz entspricht, so kann doch lischen Effizienz hauptsächlich unter geringen Pegeln. einleitend etwas pragmatisch formuliert werden, dass Limitierend wirkt die Größe der Grundplatte mit ihrem gefaltete Wehre den Abfluss gewissermaßen überlisten. beachtlichen Betonvolumen, die eine Anwendung auf Auf bewegliche Regelorgane verzichtend, halten sie den schmalen Fundationen verunmöglicht. Wasserspiegel in einem Gewässer oder einem Speicher ziemlich konstant. Selbst unter variablen Abflüssen liegt Das PKW stellt eine Weiterentwicklung des Labyrinth- der Wasserspiegel auf der Kote der Wehrkrone oder – Wehrs dar. Unter Beibehaltung der hydraulischen BAWMitteilungen Nr. 105 2020 27
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten im Zulaufabschnitt wurde ein Labyrinth-Wehr mit sieben Zyklen angeordnet. Diese waren je 3 m lang und 1,5 m breit, was zu einer abgewickelten Gesamtkronenlänge von 60 m im 18 m breiten Kanal führte. Die Zyklen ver- jüngten sich in Fließrichtung, um einen gleichmäßigen Abfluss entlang der gesamten Zyklen zu erzeugen. Mo- dellversuche zeigten, dass die Pegel-Abfluss-Beziehung ähnlich jener des linearen Wehrs mit gleicher abgewi- ckelter Länge war. Eine frühe systematische Studie zur hydraulischen Leistungsfähigkeit von Labyrinth-Wehren wurde von Gentilini (1941) am Politecnico di Milano durchgeführt. In seinem Artikel werden zunächst mehrere Labyrinth- Wehrformen erklärt und die notwendigen geometri- schen Größen definiert. Dann wurden Modellversuche durchgeführt, welche die vorgestellten Wehrformen Bild 1: Kumulative Anzahl gebauter gefalteter Wehre welt- abdeckten und alle auf einem scharfkantigen Überfall weit (Crookston et al. 2019) basieren. Gentilini stellte fest, dass die Pegel-Abfluss-Be- ziehung unabhängig von der Anzahl der getesteten Zyk- Leistungsfähigkeit wurden die konstruktiven Einschrän- len war. Ferner wurde beobachtet, dass der Abfluss vom kungen reduziert. Konkret wird die große Grundplatte Pegel des Oberwassers und vom Öffnungswinkel (im durch ein vergleichsweise schmales Fundament ersetzt, Grundriss) der Zyklen abhing. Basierend auf einer syste- was zu überhängenden „Tasten“ führt. Die gefaltete matischen Variation der Parameter und der graphischen Wehrkrone weist zudem aus konstruktiven Gründen ei- Darstellung von deren Einfluss gibt Gentilini schließlich nen rechteckigen Grundriss auf, anstelle des dreieckigen konkrete Hinweise auf die Pegel-Abfluss-Beziehung von Verlaufs bei Labyrinth-Wehren. Bild 2 zeigt ein gebautes Labyrinth-Wehren für ein großes Spektrum an Geome- Labyrinth-Wehr und zwei PKW, eines auf einer Staumau- trien und für eher geringe Abflüsse. er aufgesetzt und eines als Flusswehr. Hay und Taylor (1970) dokumentieren, dass die Pegel- Literatur zu Labyrinth-Wehren und zu PKW ist in den Abfluss-Beziehung (1.) vom Verhältnis Pegel zu Wehr- Tagungsbänden „Labyrinth and Piano Key Weirs“ zu den höhe, (2.) von der Breite eines Zyklus relativ zur Wehrhö- Konferenzen der Jahre 2011, 2013 und 2017 enthalten he, (3.) von der Länge eines Zyklus relativ zur Wehrhöhe (Erpicum et al. 2011, 2013, 2017). Darin werden Resulta- und (4.) vom Öffnungswinkel im Grundriss abhängig ist. te aus der Forschung wiedergegeben und erste Praxiser- Alle getesteten Modell-Labyrinth-Wehre bestanden aus fahrungen zusammengestellt. Plexiglasplatten mit einer scharfkantigen Überfallkrone. Eine nennenswerte Untersuchung zu Labyrinth-Weh- ren, welche von den Autoren als „polygonales Wehr“ 2 Labyrinth-Wehr bezeichnet wird, wurde von Indlekofer und Rouvé (1975) durchgeführt. Dabei wurden im Grundriss ge- rade und gekrümmte Labyrinth-Wehre betrachtet. Die Murphy (1909) scheint einer der ersten Ingenieure Abflusskapazität wurde mit der Arbeit von Rehbock zu sein, der die Vorteile von gefalteten Wehren unter- (1929) abgestimmt. Aufgrund der Laborbeobachtun- streicht. Er beschreibt ein Labyrinth-Wehr im Keno Kanal gen wurden verschiedene Überlaufzonen definiert, die (Klamath Falls OR, USA) mit einer effektiven Kronenlän- den Abfluss beeinflussten. Ein rechnerischer Ansatz ge von mehr als dem Dreifachen verglichen mit jener ei- wurde vorgestellt, der die abgewickelte Kronenlänge nes linearen Wehrs. In Anbetracht des begrenzten Raums und „Störungskoeffizienten“ berücksichtigte, was zu 28 BAWMitteilungen Nr. 105 2020
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten Bild 2: Foto (a) eines Labyrinth-Wehrs als Hochwasserentlastungsanlage am Lake Townsend (Quelle: Brian Crookston, Utah State University), (b) des PKW als Hilfs-Hochwasserentlastungsanlage auf der Staumauer in Charmines, Frankreich, und (c) des Van Phong PKW als Flusswehr, Vietnam BAWMitteilungen Nr. 105 2020 29
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten einer komplexen verallgemeinerten Rehbock-Abfluss- 3 Klaviertastenwehr (PKW) gleichung führte. Cassidy et al. (1985) beschreiben die Hochwasserent- 3.1 Entwicklung lastungsanlage des Boardman Damms im Norden von Oregon, USA. Um einem Dammbruch bei einem Extrem- Das Piano-Key-Wehr (PKW) ist eine Variation des Laby- hochwasser entgegenzuwirken, wurde ein Labyrinth- rinth-Wehrs. Es behält die hydraulischen Vorteile eines Wehr geplant. Eine abgewickelte Kronenlänge von 110 m Labyrinth-Wehrs, gleichzeitig wird jedoch auf die aus- wurde im 36,6 m breiten Zulaufkanal vorgesehen, beste- gedehnte Grundplatte verzichtet. Diese wird in Strö- hend aus zwei Zyklen mit einem Öffnungswinkel von 39 °. mungsrichtung auf ein statisch erforderliches Minimum Um die Pegel-Abfluss-Beziehung zu verbessern, wurde beschränkt. Infolgedessen werden die am weitesten ent- als Krone ein Zylinderüberfall mit einem Durchmesser fernten Teile der gefalteten Wehrkrone zu überhängen- von 0,46 m gewählt. Die Wehrhöhe variierte von 2,8 m den Tasten. Die schmale Fundation erlaubt die Anwen- bis 4,3 m. Basierend auf den Vorhersagen von Hay und dung eines PKW auch auf der Krone von Staumauern, Taylor (1970) folgte eine Abfluss-Kapazitätserhöhung insbesondere als Einlaufbauwerk von Hilfs-Hochwas- (verglichen zum linearen Wehr) um einen Faktor von serentlastungsanlagen. Darüber hinaus verringern sich knapp 3, was sich in den Modellversuchen bestätigte. die Betonvolumina. Zur Vereinfachung des Bauvorgangs wird die Wehrkrone im Grundriss rechteckig erstellt. Das Tullis et al. (1995) haben aufgrund ausgedehnter Mo- PKW kombiniert ebenfalls repetitive Zyklen, bestehend dellversuche einen Überfall-Koeffizienten für Labyrinth- aus vertikalen Wänden und abwechselnd geneigten Bo- Wehre definiert, welcher in die klassische Überfallglei- denplatten. Diese Anordnung erzeugt einen geringeren chung nach Poleni eingesetzt werden kann. Sämtliche Strömungswiderstand in den Tasten. Im Vergleich zu ei- Einflüsse der Wehrgeometrie wurden in den Koeffizien- nem Labyrinth-Wehr verfügt die Strömung in Querrich- ten integriert. Es gilt allerdings die Definition des Pegels tung über mehr Platz und ist entsprechend der Tasten- zu beachten, welche nicht dem Standard entspricht. Die neigung nach oben gerichtet. Dies erhöht die spezifische Gültigkeit der Gleichung ist auf einen Pegel beschränkt, Abflusskapazität im Vergleich zu einem Labyrinth-Wehr. der höchstens 70 % der Wehrhöhe entspricht. Damit ist die Gleichung nicht für große Abflüsse aussagekräftig. Ein frühes PKW wurde 1938 bei der Beni-Bahdel-Tal- sperre in Algerien gebaut. In der Literatur wird es zwar Falvey (2003) schließlich fasste in seinem ASCE-Buch meist als Labyrinth-Wehr bezeichnet (Afshar 1988, zahlreiche Studien und praktische Erfahrungen zu Laby- Lempérière et al. 2011), trotzdem weist es die für PKW rinth-Wehren zusammen. Die angesprochenen Aspekte typischen überhängenden Tasten auf. Die abgewickelte sind vielfältig und umfassen unter anderem die Effizienz Kronenlänge entspricht dem 15-fachen (!) der Kanalbrei- der Kronenform, Oszillationen des Wasserstrahls auf der te, hauptsächlich aufgrund der außergewöhnlich langen unteren Wehrseite und die Belüftung des eingeschlos- Tasten. Es entspricht einem Typ B mit ausschließlich ins senen Luftvolumens, Ansätze zur hydraulischen Bemes- Oberwasser überhängenden Tasten. Die spezifische Ab- sung sowie die Durchgängigkeit von Eis und Sediment. flusskapazität beträgt ungefähr 10 m2/s bei einem Pegel Falvey konzentrierte sich somit nicht ausschließlich auf von nur 0,5 m. Ein Standardprofil würde für den gleichen die grundlegenden hydraulischen Fragen zur Kapazität, Abfluss einen Pegel von 2,8 m erfordern (Lempérière et sondern erweiterte seine Betrachtung um zusätzliche al. 2011). Fragestellungen. Erste Versuche zu PKW, mit Geometrien zwischen Laby- rinth-Wehren und PKW, wurden 1998 im LNH-Labor in Chatou, Frankreich, durchgeführt, initiiert von Hydro- coop und Electricité de France (EDF). Der rechteckige Grundriss wurde noch nicht konsequent angewandt, die überhängenden Tasten waren jedoch bereits vorgese- hen. Blanc und Lempèrière (2001) schlugen im Prinzip 30 BAWMitteilungen Nr. 105 2020
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten zwei modifizierte Labyrinth-Wehre vor, von denen ei- triebspegels des Reservoirs oder eine relativ moderate nes einem PKW ähnelte. Sie stellten fest, dass ein der- Erhöhung der Staumauer (z. B. Phillips und Lesleighter art angepasstes Labyrinth-Wehr die Abflusskapazität 2013, Pinchard et al. 2013). von klassischen Labyrinth-Wehren übertrifft. Danach wurden Testreihen von PKW an der Roorkee University (Indien) und an der Biskra University (Algerien) durch- 3.3 Definitionen geführt. Die Ergebnisse wurden von Lempérière und Ouamane (2003) veröffentlicht, wobei insbesondere der Aufgrund der Vielzahl von möglichen Geometrien wer- Name „PKW“ eingeführt wurde. Die Tests umfassten eine den PKW mit den folgenden Typen klassiert: einzelne Geometrie eines PKW des Typs A und B, wie nachstehend definiert. Zu diesem Zeitpunkt wurde im • Der Typ A hat Tasten, die sowohl ins Oberwasser als Modell noch keine systematische geometrische Parame- auch ins Unterwasser überhängen. Dieser Typ weist tervariation durchgeführt. Ein Diagramm mit der Pegel- die beste hydraulische Leistungsfähigkeit auf. Abfluss-Beziehung wurde bereitgestellt, in dem die bei- • Der Typ B hat Tasten, die ausschließlich ins Oberwas- den getesteten PKW-Geometrien mit der Effizienz des ser überhängen. Dieser Typ weist eine gute hydrauli- Standardprofils (Creager, Ogee) verglichen werden. Die sche Leistungsfähigkeit auf. Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des Verhält- • Der Typ C hat Tasten, die ausschließlich ins Unterwas- nisses zwischen der abgewickelten Kronenlänge L und ser überhängen. Die hydraulische Leistungsfähigkeit der Kanalbreite W. Die Autoren wiesen auf die effiziente ist beschränkt, jedoch können sich bei ansteigendem Pegel-Abfluss-Beziehung hin und vermuteten, dass die Wasserspiegel keine Objekte oberwasserseitig ver- Baukosten eines PKW niedriger sein dürften als jene des klemmen. Standardprofils. • Der Typ D verfügt über keine überhängenden Tasten und ähnelt daher dem Labyrinth-Wehr. Die Wehrkro- Ab 2006 wurden erste PKW-Prototypen von EDF gebaut, ne ist im Grundriss jedoch rechteckig angeordnet und um die Abflusskapazität von Hochwasserentlastungsan- die Tasten verfügen über eine geneigte Sohle. lagen auf bestehenden Staumauern den veränderten hy- drologischen Randbedingungen anzupassen. Meist wur- Die Überfallkrone wird meist als zylindrischer oder den Standardüberfälle durch PKW ersetzt (Laugier et al. breitkroniger Überfall ausgelegt. Ersterer ist hydraulisch 2013). Frühe PKW wurden auch in Flüssen in Vietnam etwas leistungsfähiger, der zweite ist einfacher zu bauen. installiert (Ho Ta Khanh et al. 2011a, b). Die komplexe Geometrie der PKW, zunehmende For- schungsaktivitäten und Anwendungen haben eine ein- 3.2 Vorteile heitliche Nomenklatur erfordert (Pralong et al. 2011, Bild 3). Dabei wurde B als Wehrlänge in Strömungsrich- Wie oben erwähnt, stellen PKW eine effiziente Alternati- tung definiert, P als vertikale Wehrhöhe, TS als Wand- ve zu Standardüberfällen dar, da sie: (1.) nicht-geregelte dicke, und R als Höhe von eventuell vorgesehenen ver- Überläufe sind und somit kein Ausfall- bzw. Manipulati- tikalen Aufsätzen. Allgemein wird der Index i auf die ons-Risiko aufweisen, (2.) die (n‒1)-Regel daher nicht Einlauftaste bezogen (die unter Vollfüllung mit Wasser anzuwenden ist und die volle Wehrbreite angesetzt wer- gefüllte Taste), und der Index o auf die Auslauftaste (die den darf, (3.) eine effiziente Pegel-Abfluss-Kurve aufwei- unter Vollfüllung trockene Taste). sen, wodurch der Pegelanstieg im Oberwasser begrenzt wird, (4.) eher unempfindlich sind für einen Rückstau aus dem Unterwasser, (5.) Schwemmholz verhältnismä- ßig einfach durchleiten und (6.) Geschiebe bis zu einem gewissen Grad übers PKW getragen werden kann. Der Ersatz eines Standardüberfalls durch ein PKW kann den spezifischen Abfluss erheblich erhöhen und erfordert gleichzeitig nur eine geringfügige Absenkung des Be- BAWMitteilungen Nr. 105 2020 31
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten und einfach anwendbar ist. In einem 3,0 m langen und 0,5 m breiten Kanal wurden systematische Modellversu- che durchgeführt. In insgesamt 380 Versuchen wurden 49 verschiedene PKW-Geometrien des Typs A berück- sichtigt, die ausschließlich einen vollkommenen Über- lauf aufwiesen. Die Pegel-Abfluss-Beziehung bezieht den PKW-Abfluss QPKW auf den Referenzabfluss eines linearen und scharfkantigen Wehrs QS als (1) Das Verhältnis r ist insbesondere eine Funktion der abge- Bild 3: Nomenklatur, hier an einem PKW des Typs A gezeigt wickelten Kronenlänge L, der Kanalbreite W, der vertika- (Pfister und Schleiss 2013) len Wehrhöhe Pi und des Pegels H. Einige geometrische sekundäre Parameter beeinflussen die Abflusskapazi- tät nur geringfügig, namentlich das Verhältnis von Ein- 3.4 Pegel-Abfluss-Beziehung lauf- und Auslauftastenbreite Wi/Wo , das Verhältnis von Einlauf- und Auslauftastenhöhe Pi/Po , die relative Über- Die Pegel-Abfluss-Beziehung stellt die wichtigste hy- hanglänge (Bi+Bo )/B und die relative Aufsatzhöhe Ro/Po . draulische Leistungsgröße eines Wehrs dar. Sie umfasst Deren Auswirkungen wurden mit Korrekturfaktoren aus- den Pegel zwischen der Wehrkrone und dem maximal gedrückt, nämlich w, p, b und a. Dann kann das Verhältnis zulässigen Reservoirpegel und hängt hauptsächlich vom r wie folgt bestimmt werden: Wehrtyp und der Kronenlänge ab. Für PKW sind in der Literatur aktuell drei Ansätze gegeben, namentlich jene von Kabiri-Samani und Javaheri (2012), Leite Ribeiro et (2) al. (2012) sowie Machiels et al. (2014, 2015). Alle Ansät- ze sind aus physikalischen Modellversuchen hergleitet worden, weshalb zwingend ihre Anwendungsgrenzen Die Faktoren der sekundären Parameter bewegen sich im einzuhalten sind. Insbesondere ersterer umfasst relativ Spektrum von 0,92 und 1,20 und sind folgendermaßen enge Anwendungsgrenzen, wie Tabelle 1 zeigt. definiert: Es wird hier einzig und kurz auf die von Leite Ribeiro et al. (2012) vorgeschlagene Beziehung eingegangen, da die- (3) se breite Anwendungsgrenzen aufweist, teilweise auch den Datensatz von Machiels et al. (2014, 2015) umfasst L/W H/P Wi/Wo B/P Bi/B, Bo/B Krone Kabiri-Samani und 2,5 - 7,0 0,1 - 0,6 0,3 - 1,2 1,0 - 2,5 0,0 - 0,3 scharfkantig Javaheri (2012) Leite Ribeiro et al. 3,0 - 7,0 0,1 - 2,8 0,5 - 2,0 1,5 - 4,6 0,2 - 0,4 zylindrisch (2012) Machiels et al. 4,2 - 5,0 0,1 - 5,0 0,5 - 2,0 1,0 - 6,0 ca. 0,3 breitkronig (2014, 2015) Tabelle 1: Anwendungsgrenzen der Pegel-Abfluss-Beziehung aus der aktuellen Literatur 32 BAWMitteilungen Nr. 105 2020
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten teren hydraulischen Vorteil von PKW gegenüber anderen (4) Wehrtypen dar. Die Pegel-Abfluss-Beziehung aus den Gleichungen 1 und 2 erlaubt eine hydraulische Optimierung der PKW-Geo- (5) metrie. Zur Festlegung der Geometrie eines PKW sind zwei Fälle zu unterscheiden (Machiels 2012, Laugier et al. 2013, Machiels et al. 2014): (6) • Das PKW wird auf eine bestehende Staumauer imple- mentiert und soll daher eine möglichst geringe Höhe Pi aufweisen. Dies reduziert die Abbrucharbeiten an Eine Beispielrechnung für einen virtuellen Prototyp wur- der Staumauer und begrenzt die temporäre Absen- de von Pfister und Schleiss (2013) vorgestellt, wobei die kung des Reservoirs. PKW des Typs A mit geringen Pegel-Abfluss-Beziehung eines PKW für alle drei in der Werten Pi/Wu ≈ 0,5 sind vorteilhaft mit Wu als indi- Tabelle 1 genannten Ansätze berechnet und der Bezie- vidueller Breite einer Taste zu Wu = Wi+Wo+2TS . Um hung des Standardprofils gegenübergestellt wurde. Die die Pegel-Abfluss-Beziehung trotzdem hydraulisch drei Ansätze liefern – im Rahmen ihrer Anwendungs- effizient zu gestalten, sollten dann folgende Verhält- grenzen – vergleichbare Werte (Bild 4). nisse eingehalten werden: 6 ≤L/W ≤ 7, Bo/Bi < 2 und 1,2 ≤ Wi/Wo ≤1,5. • Das PKW wird neu erstellt und soll sowohl kos- tengünstig als auch hydraulisch effizient sein. Ein PKW des Typs A ist zu wählen mit 1 < Pi/Wu ≤ 1,3, 4 ≤ L/W ≤ 6, Bo/Bi = 1 und Wi/Wo = 1. Mit Rücksicht auf die Baukosten wurden die individuellen Tasten- breiten Wi und Wo identisch gewählt, wodurch die- selbe geneigte Schalung zum Einsatz kommt für die Sohle der Ein- sowie der Auslauftaste. 3.5 Bauliche Aspekte Bild 4: Beispiel einer PKW Pegel-Abfluss-Beziehung für die Laugier et al. (2013) listen die Kosten von sechs neu er- Ansätze aus Tabelle 1 und zusätzlich fürs Standard- stellten PKW auf Staumauern in Frankreich auf. Bei allen profil als Vergleich (Pfister und Schleiss 2013) Projekten reichte die vorhandene Abflusskapazität nicht aus, und eine Hilfs-Hochwasserentlastungsanlage mit ei- Ein vollkommener Überfall schließt einen begrenzen- nem PKW wurde ergänzt. Die Gesamtkosten der indivi- den Einfluss des Unterwassers aus und ist in der Regel duellen Projekte beliefen sich auf 400 bis 4.500 T€, von sichergestellt, wenn der Unterwasserpegel die Wehrkro- denen sich allerdings nur etwa 230 bis 800 T€ auf das ne nicht überschreitet. Dabing und Tullis (2012) führten PKW selbst beziehen. Typische Bauzeiten betrugen sechs Modellversuche mit PKW des Typs A durch und kamen Monate. zu dem Schluss, dass vollkommener Überfall auftritt, sofern der Unterwasserpegel geringer ist als 48 % des Die Auslauftasten erzeugen fallende Wasserstrahlen, Oberwasserpegels H. Belaabed und Ouamane (2013) welche bei größeren Abflüssen jeweils ein Luftvolumen geben sogar 80 % an. Die zitierten Studien legen nahe, unterhalb der Tasten umschließen. Diese Luftvolumina dass der limitierende Einfluss des Unterwasserpegels beginnen aufgrund des vom Strahl angeregten Luftaus- erst für vergleichsweise hohe Unterwasserspiegel (sogar trags sowie der daraus entstehenden Unterdrücke zu oberhalb der Wehrkrone) auftritt. Dies stellt einen wei- pulsieren. Die damit verbundenen Vibrationen stellen BAWMitteilungen Nr. 105 2020 33
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten unter Umständen eine dynamische Belastung des Bau- Die Modelldaten zeigten einen weniger klaren Trend für werks dar und werden verringert, wenn die Luftvolumi- Akkumulationstests, d. h. für die Zugabe von Treibholz- na passiv belüftet werden. Entsprechende Belüftungska- teppichen, wie sie häufig in situ auftreten. Im Allgemei- näle werden entweder direkt ins PKW eingebaut oder auf nen war eine bemerkenswerte Zunahme des Pegels zu dessen Betonoberfläche befestigt. erkennen, sofern bedeutende Holzvolumina beim PKW ankamen und kleine Referenzpegel (d. h. geringe Abflüs- Die Vibrationen der Wasserstrahlen können auch aus se) vor dem Verklausen auftraten. Der Referenzpegel Hr der Fluktuation des Strömungsablösungspunkts auf der entsprach dem Pegel des betrachteten Abflusses ohne Wehrkrone stammen. Das Hinzufügen einer Diskontinu- Treibholzeffekt, d. h. bevor das Treibholz das PKW er- ität oder von Strömungsteilern auf der Krone fixiert den reichte. Der relative Pegelanstieg war nur bei geringen Ablösepunkt und unterbindet daher diesen Vibrations- Referenzpegeln groß. Bei größeren Referenzpegeln, wie mechanismus. Empfindlich sind besonders zylindrische sie zur PKW-Bemessung verwendet werden, verringerte Kronen (Crookston und Tullis 2013). sich die relative Zunahme des Pegelanstieges, da durch die zunehmende hydraulische Belastung das Treibholz über das PKW gespült wurde. Pfister et al. (2013) schlu- 3.6 Verklausung mit Treibgut gen folgenden relativen Pegelanstieg vor, mit V als an- kommendem Treibholzvolumen (auf die Holzmasse be- Das Zurückhalten von Treibgut (z. B. Treibholz) an Weh- zogen) und W als Kanalbreite: ren kann zu einer weniger effizienten Pegel-Abfluss-Bezie- hung führen, insbesondere zu einer Erhöhung des Pegels (7) für einen bestimmten Abfluss. Wenn das Einzugsgebiet bewaldet ist, sollten die potenziellen Auswirkungen von Treibholz auf die Leistungsfähigkeit eines PKW im Rah- Hochgerechnet wurden im Modell nur um 0,1 bis 0,2 m men der hydraulischen Auslegung berücksichtigt werden. höhere Pegel, gemessen mit Treibholz im Vergleich zum Zustand ohne Holz. Venetz (2014, Bild 5) hat die Versu- Pfister et al. (2013, 2015) führten Modellversuche zur che von Pfister et al. (2013) auf Kanal-Zuflüsse im Ober- Verklausung von Treibholz bei PKW mit einen Speicher- wasser ausgeweitet. Er zeigt auf, dass sich Treibholz see vor dem Wehr durch. Sie gaben dem Abfluss vor dem aufgrund der höheren Strömungskräfte zwar tendenziell PKW Stamm- und Wurzelholz zu und analysierten die dichter verklaust, jedoch auch eher übers PKW getragen Verklausung sowie deren hydraulischen Eigenschaften. wird. Als maßgebend, ob ein einzelner Stamm von einem PKW zurückgehalten oder aber darüber geschwemmt wird, wurde der dimensionslose Stammdurchmesser D/H identifiziert. Eine Verklausungswahrscheinlichkeit von 50 % wurde beobachtet, wenn der Stammdurchmes- ser genau der kritischen Abflusstiefe (0,67 H) auf der PKW-Krone entsprach. Für D ≥ H wurde eine Verklau- sungswahrscheinlichkeit von 100 % beobachtet, d. h. ein Stamm blockierte immer, und für D ≤ 0,33 H eine Verklau- sungswahrscheinlichkeit von 0 %, d. h. ein Stamm pas- sierte das PKW. Die Stammlänge erwies sich als nicht si- gnifikant. Individuell ankommende Wurzelstöcke hatten eine höhere Verklausungswahrscheinlichkeit als Stäm- me. Eine Verklausungswahrscheinlichkeit von 50 % oder Bild 5: Auf einem PKW verklaustes Schwemmholz in den weniger wurde für D ≤ 0,20 H beobachtet, was darauf Versuchen von Venetz (2014) hinweist, dass bereits kleine Stämme mit Wurzelstock im Vergleich zu Stämmen ohne Wurzeln blockierten. 34 BAWMitteilungen Nr. 105 2020
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten 3.7 Kolkbildung im Unterwasser Maßnahmen erfordert, gestattet der Ansatz die Abschät- zung eines Blocksatzes als weiches Tosbecken, um die Parallel zu ihrer bisher häufigsten Anwendung als Teil Erosion auf einen akzeptablen Wert zu begrenzen. einer Hochwasserentlastungsanlage werden PKW auch vereinzelt in Flüssen mit einem naturgemäß bewegli- In Anlehnung an Pagliara et al. (2006) könnte die Kolk- chen Bett installiert (Ho Ta Khanh et al. 2011a). Am un- tiefe zudem vermutlich reduziert werden, wenn Strahl- terwasserseitigen Fuß ist die Fundation eines PKW dann umlenker in den Auslauftasten den Abfluss in die Hori- unter Umständen einer Kolkbildung ausgesetzt, wenn zontale lenken. Noui und Ouamane (2013) schlagen vor, kein technischer Schutz in Form eines Blocksatzes und/ dass ein klassischer Skisprung in den Auslauftasten vor- oder eines Tosbeckens bereitgestellt wird. zusehen sei, was jedoch die Abflusskapazität verringern könnte. Alternativ kann sicherlich ein klassisches beto- niertes Tosbecken mit Endschwelle vorgesehen werden. 3.8 Geschiebedurchgängigkeit In den letzten Jahren wurden PKW zunehmend auch in Flüssen in Kombination mit Niederdruckwasserkraft- anlagen eingesetzt. Für die letztere Anwendung ist ein Wehrtyp ohne Regelorgane u. U. vorteilhaft, da dann bei der Berechnung der Entlastungskapazität die ganze – oh- nehin meist begrenzte – Kanalbreite angesetzt werden darf. Es stellt sich jedoch die Frage nach dem Durchleiten von Geschiebe während Hochwassern. Ein Labyrinth- Bild 6: Kolkloch und Ablagerung im Unterwasser eines PKW Wehr oder ein PKW blockiert den Talweg, im Gegensatz in den Versuchen von Jüstrich et al. (2016) zu Segmentschützen, und stellt somit ein Hindernis fürs Geschiebe dar. Dieses lagert sich im ungünstigsten Fall Die Modellversuche von Jüstrich et al. (2016, Bild 6) ge- im Bereich der Staukurve des PKW ab und hebt lokal die ben Hinweise auf die Kolkdimensionen in Funktion der Wasserlinie an. PKW-Geometrie, des Abflusses, des Unterwasser-Pegels und der Granulometrie des Flussbetts. Die Abmessungen Zwei Möglichkeiten sind wirksam, um Sedimentablage- des Kolks waren ausschließlich eine Funktion der maxi- rungen bei Wehren zu reduzieren. Diese können durch malen Kolktiefe. Im Anschluss ans Kolkloch bildete sich eine sohlennahe Öffnung im Wehr gespült werden oder bei ausreichender Speisung aus dem Kolk eine kamm- sie werden über die Wehrkrone befördert. Letztere Mög- artige Sedimentablagerung. Diese wuchs während der lichkeit wurde in Rahmen der jüngsten Forschung zu Versuche kontinuierlich in die Höhe, bis die Erosionsbe- PKW untersucht. dingungen – z. B. nach Hjilström (1935) – erreicht waren, und entwickelte sich dann ausschließlich in Strömungs- Die Studie von Gebhardt et al. (2019) basiert auf den richtung. Der Vergleich mit mehreren Kolkformeln aus BAW-Testkampagnen zu Labyrinth-Wehren mit Sedi- der Literatur lässt den Schluss zu, dass die von einem mentdepots. In diesem Rahmen untersuchte Herbst PKW ausgehende Strömung als eine Reihe von geneigten (2016) Labyrinth-Wehre mit trapezförmiger oder recht- Wasserstrahlen angenähert werden kann. Der Abfluss eckiger Grundfläche und mit drei verschiedenen Korn- pro Taste konzentriert sich in ihrem Auslaufbereich. größen. Vor einem Versuch wurden Sedimentdepots im Wehr und davor geschüttet. Der Abfluss wurde anschlie- Der Ansatz von Jüstrich et al. (2016) erlaubt es, eine ge- ßend schrittweise erhöht, bis die Sedimentbewegung eignete Fundamenttiefe eines auf einem beweglichen einsetzte. Ein Versuch endete, sobald das Wehr sedi- Flussbett installierten PKW abzuschätzen. Wenn die er- mentfrei war. Herbst berichtete, dass der Bewegungsbe- forderliche Tiefe wegen des Kolks bedeutend wird und ginn der Sedimente im Wehr bei etwa 14 % bis 27 % des BAWMitteilungen Nr. 105 2020 35
Pfister: Die Entwicklung der gefalteten Wehre mit ausgewählten aktuellen Forschungsresultaten Abflusses, der mit dem Bewegungsbeginn der Sedimente Noseda et al. haben gezeigt, dass die globale Erosion des im Kanal verbunden ist, lag. Daraus lässt sich schließen, Flussbettes unabhängig von der PKW-Geometrie ist. Der dass die Erosion im Labyrinth-Wehr unter viel geringe- Erosionsprozess im Flussbett erfolgte bei den Bedingun- ren Abflüssen als im Kanal einsetzt. gen, wie sie beispielsweise von Hjulström (1935) vorge- schlagen wurden. In der Folge wurden alle Sedimente, Die Modellversuche von Noseda et al. (2019) fokussierten die im Flussbett erodiert und entlang des Kanals trans- auf den Sedimenttransport über ein PKW. Systematische portiert wurden, danach auch übers PKW transportiert. physikalische Modellversuche wurden durchgeführt, um Pragmatisch formuliert zeigt diese Beobachtung – zu- das Flussbettverhalten sowie den Sedimenttransport mindest für die getesteten PKW-Konfigurationen –, dass übers PKW zu untersuchen (Bild 7). Es wurden drei PKW- Sedimente, die beim PKW ankommen, auch übers letzte- Konfigurationen, zwei Granulometrien und sechs Abflüs- re gelangen. Dabei sind sicherlich die geneigten Sohlen se getestet. Vor Beginn einer Versuchsreihe wurden die der Tasten hilfreich, die als Rampen wirken und das Sedi- Sedimente vor dem PKW über die gesamte Länge hori- ment übers Wehr leiten. Körner können auf den Rampen zontal in den Kanal eingebaut. Die vertikale Ausdehnung der Einlauftasten rollen und müssen nicht schwebend der Sedimente reichte zunächst bis zur Wehrkrone des übers Wehr gehoben werden. PKW. Sogar die Wehrtasten wurden mit Sedimenten ge- füllt. Dann wurde ein geringer Abfluss eingestellt und es wurde gewartet, bis die Erosion des Flussbetts im Ober- wasser des PKW endete. Die Flusssohle wurde dann abge- 4 Ausblick tastet und die Erosionsrate bestimmt. Während der Ver- suche wurden keine Sedimente zugegeben, sodass sich eine Erosion unter Klarwasserbedingungen entwickelte. Gefaltete Wehre werden aufgrund der überzeugenden hydraulischen Eigenschaften auch in Zukunft einen fes- ten Platz im Wasserbau einnehmen. Gleichzeitig sind die Wissensgrundlagen weiter zu ergänzen, vor allem mit Er- fahrungen aus dem Betrieb. Folgende Aspekte sind im Rahmen weiterer Forschungs- arbeiten vielleicht noch zu vertiefen: • Für Anwendungen auf Hochwasserentlastungsanla- gen: Beschreibung der Pulsationen der abgeschlosse- nen Luftvolumina unter den Tasten für große Abflüs- se; Energiedissipation des Abflusses übers Wehr; • Für Anwendungen in Fließgewässern (Belzner et al. 2016, 2017): Verhalten von Eis auf dem Wehr; unvoll- kommener Überfall aufgrund der geringen Wehrhö- hen; der Einfluss von Treibholz und dessen Verkei- lung unterhalb der Tasten; • Für Anwendungen auf Kläranlagen: Einfluss auf die Suspension von Partikeln in primären Absetzbecken (Ribi et al. 2017). Die vorliegenden BAWMitteilungen enthalten Ansät- ze von Antworten auf viele der gestellten Fragen sowie weiterreichende Empfehlungen und Anleitungen zur Pla- Bild 7: Sedimentbett im Fluss und Ablagerungen im PKW nung von gefalteten Wehren in Wasserstraßen. nach einem Versuch von Noseda et al. (2019) 36 BAWMitteilungen Nr. 105 2020
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