Die Firma Georg Schütz GmbH - Erste Süddeutsche Ceresinfabrik in Weißkirchen (Taunus) und ihr Zwangsarbeiterlager - Bernd Ochs Sonderdruck aus dem ...
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Bernd Ochs Die Firma Georg Schütz GmbH – Erste Süddeutsche Ceresinfabrik in Weißkirchen (Taunus) und ihr Zwangsarbeiterlager Sonderdruck aus dem Heft 50 – 2011 der Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel e.V.
Sonderdruck aus dem Heft 50 – 2011 der Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel e.V. Bernd Ochs Die Firma Georg Schütz GmbH – Erste Süddeutsche Ceresinfabrik in Weißkirchen (Taunus) und ihr Zwangsarbeiterlager Die Hefte der „Mitteilungen“ können im örtlichen Buchhandel oder unter WWW.URSELLA.ORG bezogen werden Dieser Sonderdruck kann als .PDF-Datei kostenlos von WWW.URSELLA.ORG geladen und ausgedruckt werden © Alle Rechte beim Autor Verein für Geschichte und Heimatkunde Oberursel e.V. 61440 Oberursel www.Ursella.Org
Die Firma Georg Schütz GmbH – Erste Süddeutsche Ceresinfabrik in Weißkirchen (Taunus) und ihr Zwangsarbeiterlager von Bernd Ochs Teil I: Das Werden und Vergehen der Firma Georg Schütz von 1891 bis 1988 Am 1. November 1891 gründete Georg Schütz in Frankfurt am Main, Hanauer Landstraße 185, eine Ceresinfabrik. Im Frankfurter Adressbuch von 1912 wurde die Fabrik unter der Hausnummer 150 der Hanauer Landstraße geführt.1 Rohes Erdwachs, also ein sekundäres, fossiles Erdölprodukt, war der erste Rohstoff der »Ceresin- fabriken«, die in Deutschland um 1890 mit ihrer Tätigkeit begannen. Hier wurden die Wachse raffi- niert, gebleicht, in Fraktionen zerlegt und veredelt, um dann Anwendungen in der Industrie zu finden.2 Anfang 1914 verlegte Georg Schütz die Fabrikation nach Weißkirchen am Taunus, weil am bisherigen Standort keine weitere Ausdehnungsmöglichkeit bestand . Die Geschäftsleitung und Hauptverwal- tung verblieben in Frankfurt in der Bockenheimer Landstraße 83 und später im Grüneburgweg 101 bis zur Zerstörung/Beschlagnahmung (im »Sperr- gebiet« 3) des dortigen Anwesens 1945. Die Ausdehnung der Anlagen und des Geschäfts- umfanges in Weißkirchen waren das Werk seines Sohnes und Alleininhabers Heinrich (Heinz) Schütz (geb.27.8.1897), der nach dem frühen Tod seines Vaters am 9. März 1920, das Unternehmen leitete. Die hergestellten und veredelten Wachse waren Foto vom 29.02.1988 Stadtarchiv Oberursel, 25 III 65 unter dem Sammelbegriff »GS-Wachse« bekannt ________________________ und erlangten Weltruf. Die Firma Georg Schütz 1 Anmeldung zum Eintrag in das Handelsregister beim Kö- entwickelte sich zur größten Ceresinfabrik Europas. niglichen Amtsgericht Abth. IV zu Frankfurt a.M. vom 26. August 1891 (siehe auch Abbildung) und »Expose« über die Die ausgedehnten und modernen Anlagen des Geschichte der Firma Georg Schütz, 1954, Institut für Stadt- Werks Weißkirchen befanden sich auf einer Fläche geschichte Frankfurt/M., Sign. HR-2670 und S3/1.601 so- von ca. 100.000 qm, in denen nach den neuesten wie Frankfurter Adressbücher 1892-1915. wissenschaftlichen Erkenntnissen der Wachsraffi- 2 Taunus-Anzeiger, Jubiläums-Ausgabe (100 Jahre) vom 21. nation und der Wachschemie, durch Säure- und 09. 1963, Stadtarchiv Oberursel. 3 Im IG-Farben-Haus richtete die amerikanische Militärre- Hallogensalzraffination, durch adsorptive Blei- gierung 1945 ihr Hauptquartier ein sowie ebenso einen vom chung, durch Filtrierung und selektive Extraktion, Palmengarten bis zum Oederweg reichenden, durch Sta- durch Destillation, durch Oxydation und durch cheldraht gesicherten und für Deutsche unpassierbaren chemische Umsatzprozesse anderer Art, die ver- Sperrbezirk. schiedenen Arten der GS-Wachse hergestellt wur- 4 Ozokerit = Erdwachs/Montanwachs, in seiner chemischen den. Neben den eigentlichen Grundwachsen, wie Zusammensetzung ein Gemenge verschiedener Kohlenwas- serstoffe. Wird bergmännisch abgebaut (keine Vorkommen zum Beispiel Ozokerit 4, synthetisches Hartwachs in Deutschland) und liefert bei Destillation Ceresin.
usw. spielten auch die zahlreichen Spezialwachse eine große Rolle, deren Herstellung in engster Anlehnung an die Praxis, durch eine ausgedehnte anwendungstechnische Forschungs- arbeit, in großen und modern ausge- rüsteten Laboratorien, vorbereitet und laufend überwacht wurden.5 1934 änderte das Unternehmen sei- nen seitherigen Firmennamen »Ge- org Schütz, Ceresinfabrik« in »Georg Schütz, Erste Süddeutsche Ceresinfa- brik«.6 Im Schreiben von Heinrich Schütz an die Wirtschaftskammer Hessen, Außenhandelsstelle Frankfurt/Main, vom 29.12.1936, wird von immer grö- ßer werdenden Rohstoffschwierigkei- ten (Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen) berichtet, die bereits zu wiederholten Stilllegungsanträgen ge- führt haben. Der »Vierjahresplan« 7 stelle auch sein 45 Jahre bestehendes Fabrikunternehmen vor die Aufgabe, entweder eine Umstellung auf deut- sche Rohstoffe zu versuchen oder stillzulegen. Diese Umstellung erfor- dere eine Neuanlage, die fabri- katorisch die Ergebnisse seiner La- borarbeit auszuführen hätte, wozu jedoch räumlich der Platz fehle. Seine Bestrebungen, das an die Fabrikan- lage angrenzende Ackergrundstück eines Weißkirchener Landwirts zu kaufen, scheiterten, da man sich nicht Registrierungsurkunde beim Königlichen Amtgericht Frankfurt a.M. über den Preis einigen konnte. Schütz vom 27.August 1891 Quelle: ISG Frankfurt, Handelsregister 2670 stellte nun einen Antrag auf Enteig- ________________________ nung mit der Schlussbegründung »Es ist also 5 Exposé über die Geschichte und das Fabrikationsprogramm schon ein öffentliches Interesse, dass unser im der Firma Georg Schütz, 1954, Institut für Stadtgeschichte Notstandsgebiet liegender Fabrikbetrieb den er- Frankfurt/M., Sign. S3/1.601 und Schreiben der Industrie-u. forderlichen Raum sich käuflich erwerben kann, Handelskammer vom 28.12.1962 betr. HR-Sache Georg um im Zeichen des ›Vierjahresplanes‹ die Umstel- Schütz Nr. -18008-, Hessisches Wirtschaftsarchiv Darm- stadt, Sign. Abt.3, Firmenakten und Hessisches Haupt- lung zu versuchen«, sowie dem Hinweis auf die staatsarchiv Wiesbaden Abt. 520/FZ-7206. Belieferung von wichtigen Industrien, die seine 6 Firmenkarte Georg Schütz und Umschreibung im Handels- Erzeugnisse für den Heeresbedarf benötigten. register Amtsgericht Frankfurt/M. unter HR A 757 am 6. Mai 1938, Hessisches Wirtschaftsarchiv Darmstadt, Sign. Am 12. Oktober 1937 erging vom Regierungsprä- Abt.3, Firmenakten. sidenten in Wiesbaden ein »Enteignungs- und 7 Adolf Hitlers geheime Denkschrift vom August 1936 zum Entschädigungsfeststellungsbeschluss«, womit der »Vierjahresplan« umriss programmatisch das Ziel, Wirt- Firma Schütz das Recht verliehen wurde, den o.g. schaft und Armee innerhalb von vier Jahren in Kriegsbereit- Acker des Weißkirchener Landwirts im Wege der schaft zu versetzen. Unter der Leitung des Beauftragten für den Vierjahresplan, Hermann Göring, wurde die private Enteignung zu erwerben. Für die 4.071 qm große Wirtschaft gezwungen, sich den Erfordernissen anzupassen. Fläche wurde eine Entschädigung von 1,00 RM Staat und Partei griffen durch verordnete Programme diri- (Reichsmark) pro qm festgesetzt. gierend in den Produktionsprozess ein.
Der »Ministerpräsident Gene- Auch der alte, aus Holz gebaute raloberst Göring, Beauftragter Wasserturm 13, der den brand- für den Vierjahresplan, Amt schutztechnischen Anforderun- für deutsche Roh- und Werk- gen nicht mehr standhielt, wur- stoffe« erteilte der Firma de abgebrochen und 1942 an Schütz mit Schreiben vom 24. anderer Stelle des Werksgeländes September 1937 (siehe Abbil- ein neuer und 42,20 m hoher dung auf der folgenden Seite) Wasserturm und Kühlturm, aus die Baugenehmigung zur Er- Stahlbeton in Gleitbauweise er- richtung einer Großversuchs- richtet. Der obere Teil des Turms anlage zur Herstellung von war für ein Volumen von 200 2.500 jato 8 Ozokerit und Cere- cbm Trinkwasser, der untere Teil sin in Weißkirchen aus Raffi- für 80 cbm Brauchwasser ausge- nationsrückständen von deut- legt. Das Wasser diente einmal schen Erdölen und Teerpro- Heinrich (Heinz) Schütz, 1972 der mit Wasserdampf vorgenom- dukten mit der Auflage, dass Repro aus Taunus-Zeitung v. 26. 8. 1972 menen Verflüssigung der Roh- Stadtarchiv Oberursel, Biogr. OU 101 die Qualität der erzeugten Pro- wachse und zum anderen als dukte den bisher eingeführten Kühlwasser zur Verfestigung der oder aus Braunkohlenteer her- in mehreren Arbeitsgängen her- gestellten Ozokeriten und Ce- gestellten Wachse.14 resinen entsprechen müsse. 9 Das Wasser wurde aus dem 1939 Bereits 1938 (?) war der technische Stand des Wer- von der Firma Schütz gepachteten Niederurseler kes so hoch, dass es in der Zeit der Wirtschafts- Wasserwerk im Wiesenbereich von Stierstadt ein- lenkung die Forderung nach »deutschen Wachsen gespeist und von dort aus hochgedrückt und der aus deutschen Rohstoffen« erfüllen konnte, um so bestehende Hochbehälter erfuhr den Einbau einer die für die Wehrwirtschaft benötigten Produkte Entsäuerungs- und Entkeimungsanlage. herzustellen. Harte und plastische Wachssorten Der 1977 sanierte Wasserturm, der auch als eines wurden damals geschaffen, die sich nach 1948 als der Wahrzeichen von Weißkirchen bezeichnet durchaus exportfähig erwiesen.10 wird, steht seit 1988 unter Denkmalschutz. In der Am 23./24. Oktober 1941 kam es im Werk zu einem Denkmalakte heißt es: »Der Turm ist von bau- Großbrand mit Explosion. Von dem Brand, der und industriegeschichtlichem Interesse«.15 in der Selektivanlage – vermutlich durch Selbst- ________________________ entzündung – entstand, waren folgende Gebäude 8 Jato = Tonnen pro Jahr. bzw. Anlagen betroffen: Totalschaden: Selektiv- 9 HHStaW Abt. 507 Nr. 8112 und Abt. 520/FZ Nr. 7206. anlage, Schmelz- und Kühlwalz-Wellblechhalle, 10 Taunus-Anzeiger, Jubiläums-Ausgabe (100 Jahre) vom 21. Lager- und Packhalle, Wellblechhaus und die 09. 1963, Stadtarchiv Oberursel und Karteikarte Georg Umkleide- und Gefolgschaftsräume. Teilschäden: Schütz, Eintragung 29. 10. 41/2271 Gs., Hessisches Wirt- (Mauer u. Dachschäden) an der Siedekesselanlage schaftsarchiv Darmstadt, Sign. Abt.3, Firmenakten. und der Bleich-und Mischanlage. Die Schadens- 11 Das Werk besaß einen eigenen Gleisanschluss, der mit Hil- summe betrug etwa 400 000 RM. fe eines von der Wehrmacht gestellten Pionier-Kommandos – wohl in den 1930er Jahren – angelegt wurde. Der Gleisan- Die im Bau befindlichen bzw. bereits fertiggestell- schluss wurde mit einem Dieseltriebfahrzeug bedient. ten Neuanlagen wurden durch den Brand nicht 12 HHStaW Abt. 520/FZ Nr. 7206 und Franz Simon (ehem. betroffen. Nach dem Brand wurden von den Auf- Ortsvorsteher von Weißkirchen) in Frankfurter Rundschau Nr. 54 vom 04. 03.1988, S.II, Stadtarchiv Oberursel sowie sichtsbehörden, Gewerbeaufsichtsamt, Staatliches Bundesarchiv Freiburg, Sign. RW 21- 19/9 Hochbauamt unter Mitwirkung der Nassauischen 13 Franz Simon in Frankfurter Rundschau Nr. 54 vom 04. 03. Brandversicherung, zum Verhüten einer Wieder- 1988, S.II, Stadtarchiv Oberursel. holung eines solchen Unglücksfalles, für den 14 Denkmalakte der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Wiederaufbau zur Auflage gemacht, dass die ver- Oberursel und aus Aufzeichnungen von Franz Simon vom schiedenen Fabrikationsstufen in getrennten Ge- März 1989, Stadtarchiv Oberursel Sign. Weißkirchen Top 111. 15 Aufzeichnungen von Franz Simon vom März 1989, Stadtar- bäuden aufgestellt werden und dass zwischen den chiv Oberursel Sign. Weißkirchen Top 111 und Denkmalakte einzelnen Gebäuden, dem Gleisanschluss11 und der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Oberursel so- den Straßen im Werk die vorgeschriebenen Min- wie Bauschein Nr. 199 vom 19.8.1939 in Bauakte, Stadtver- destabstände von 25 bis 35 m eingehalten werden.12 waltung Oberursel.
Im Rahmen des sofort begonnenen Wiederauf- In den Jahren von 1938 bis 1942 wurde das Schütz- baus und der Instandsetzungen entstanden auch Grundstück durch weitere Landzukäufe von meh- zusätzliche Räumlichkeiten für Wohnbenutzung reren Besitzern beträchtlich vergrößert, wobei von in Barackenform.Über die Nutzung der Baracken Schütz ein Preis von 1,70 RM pro qm gezahlt wur- wird im Teil II dieses Artikels berichtet.Küche und de. Ausgehend von einer Grundfläche von 4.021 Essensräume standen der Firma Jos. Kleebach, qm per 31.01.1933 wurde diese dann bis 1942 etwa Modellbau, zur Mitbenutzung zur Verfügung.16 um das zwanzigfache vergrößert.Begründet wurde In einer Vorbemerkung zur Baubeschreibung der diese Erweiterung mit dem erheblichen zusätz- neuen Selektivanlage heißt es u.a.: »Für das durch lichen Platzbedarf für die Produktion nach dem Brand zerstörte Bauwerk muss sofortiger Ersatz neuen Verfahren, aus Gründen des Brandschutzes geschaffen werden zur Aufnahme der teilweise (Abstände, Löschteiche) und zuletzt noch durch unterbrochenen Herstellung kriegsentscheidender eine Auflage von Reichsstellen, große Mengen Stoffe«. Aus den Erläuterungen zu einem Lageplan brennbaren Materials auf dem Gelände zu lagern, geht hervor, dass ein Teil der Neubauten auf neu das wegen der Luftgefährdung aus dem Ruhrge- erworbenen Grundstücken, die an die »Landstra- biet nach hier verlagert werden sollte. ße /Reichsstraße« (Kurmainzer Straße) grenzten, Für die Wahrnehmung der Interessen der Firma vorgenommen wurde.17 Schütz bei den obersten Reichs-und Wehrmachts- Die Weißkirchener Feuerwehr berichtet in ihrer behörden wie den nachgeordneten Dienststellen Festschrift von 1954 von weiteren Bränden im Fir- in Berlin, zur Beschaffung von Arbeitskräften, mengelände am 7. Februar 1940 und am 24. April Aufrechterhaltung des Rohstoffkontingentes, der 1944.18 schnelleren Bewilligung und Zuteilung von Hilfs- stoffen (Perchloraethylen), schnellerer Zuteilung des benötigten Eisens für die Bauvorhaben und zur Herbeiführung der durchgreifenden Unterstüt- zung der an der schnelleren Fertigstellung der Bau- vorhaben besonders interessierten Dienststellen, war ein in Berlin ansässiger freiberuflicher Diplom- Chemiker und Beratender Chemiker im NSBDT19 (früherer Sachbearbeiter im Reichsamt für Wirt- schaftsausbau, RWA) mit großem Erfolg tätig. Das Reichsamt für Wirtschaftsausbau und das Reichswirtschaftsministerium hatten weiterhin größtes Interesse an einem noch erweiterten Aus- bau der Schütz-Anlage mit einer entsprechenden Produktionssteigerung und drohten mit Konse- quenzen, wenn der Ausbau nicht termingemäß durchgeführt werde. In diesem Zusammenhang wurde die Firma Schütz 1943 von der Stilllegung des Bauvorhabens »Weißkirchen-Ozokerit« und der Stilllegung des Werkes Weißkirchen durch den Wirtschaftsverband »Ceresin-Fabriken« bedroht und hier auch wegen nicht eingehaltener Liefe- ________________________ 16 Aufzeichnungen von Franz Simon vom Juni 1983, Stadtar- chiv Oberursel Sign. Weißkirchen Top 111 und HHStAW Abt. 520/FZ Nr. 7206 und Abt. 507 Nr. 8112. 17 Baubeschreibung vom 30.11.1941 in Bauakte, Stadtverwal- tung Oberursel. 18 Festschrift Freiw. Feuerwehr Weißkirchen zum 25jährigen Bestehen am 29./30.5.1954, S.19, Stadtarchiv Oberursel Sign. Weißkirchen soc. Freiw. Feuerwehr 501. 19 NSBDT = NS-Bund deutscher Technik war ein der Natio- nalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) angeschlossener Verband.
Heinrich (Heinz) Schütz, (†1979), Bernd Schütz (†2004), Erna Schütz, geb. Greiner (†), und der damalige Betriebsleiter Karl Goldbach (rechts, †1990). Anlass war dessen Jubiläum nach 50jähriger Tätigkeit in der Firma Schütz am 1. November 1977 (siehe Seite 23). Foto: Goldbach rungen, zum Beispiel an Munitionsfabriken. Auch Bei den Zahlen für 1941 und 1943 ist unklar, ob die von einer möglichen Enteignung und Übernahme Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen mit einge- durch die I.G. Farben war die Rede.20 Dem oben schlossen sind. genannten Berliner »Beratenden Chemiker im Das Unternehmen verzeichnete 1939 einen Jahres- NSBDT« gelang es, die verfügten Stilllegungen in umsatz von 1268907,89 RM.25 einem Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vor dem Reichsminister für Beschaffung und Muni- Nach dem Einzug der amerikanischen Truppen in tion (Albert Speer) abzuwenden.21 Weißkirchen am 29. März 1945 wurde der Betrieb von der Besatzungsarmee für militärische Zwecke Zwischen 1942 und 1944 fanden umfangreiche (Panzereinheit) beschlagnahmt und besetzt. Erst Bautätigkeiten statt; so der Wiederaufbau der ab- im Januar 1946 konnte die Produktion mit Ge- gebrannten Gebäude und erforderliche bauliche nehmigung der amerikanischen Militärregierung Erweiterungen in Verbindung mit dem neuen Pro- ________________________ duktionsverfahren; die neue Selektivanlage konn- 20 Möglicherweise hier auch in Zusammenhang mit der nicht- te wohl erst 1943 fertiggestellt werden, sowie Tief- arischen Abstammung (Urgroßeltern) von Heinrich Schütz bauarbeiten für Wasserversorgung, Kanalisation (eidesstattliche Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern der Firma Schütz von 1948, HHStaW Abt. 520/FZ-7206). Im und eine fabrikeigene Kläranlage.22 Gegensatz hierzu wird in der Handelskammer-Doku Nr. Im Werksgelände befand sich auch ein Wohnhaus, 62909 vom 27. 05. .1936 die Firma als »arisches Unterneh- men« bezeichnet (Hessisches Wirtschaftsarchiv Darmstadt in dem leitende Angestellte wohnten. Sign. Abt. 3, Firmenakten). Bei einem Jagdbomberangriff auf das Betriebsge- 21 HHStaW Abt. 507 Nr. 8112, Abt. 519/V-3107-463 und Abt. lände am 21. Februar 1945 fanden zehn Menschen 520/FZ Nr. 7206. 22 HHStaW Abt. 520/FZ Nr. 7206 und Stadtarchiv Oberursel den Tod; der materielle Schaden für die Firma be- Sign. Weißkirchen IV, 2 und Weißkirchen Top 111. lief sich auf ca. 150 000 RM. Der Angriff galt vor- 23 Aufzeichnungen von Franz Simon vom Juni 1983, Stadtar- her noch der Lokomotive eines Zuges der Bahn- chiv Oberursel Sign. Weißkirchen Top 111 und Heimatge- linie Rödelheim-Weißkirchen.23 schichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945 Hessen I Regierungsbezirk Darm- Was die Anzahl der Schütz-Mitarbeiter vor 1945 stadt, 1995, S.191 sowie HHStaW Abt. 520/FZ Nr. 7206. angeht, ließen sich aus diversen Dokumenten fol- 24 HHStaW Abt. 519/3 Nr. 13926 und Abt. 52o/FZ Nr. 7206 gende ungefähren Zahlen ermitteln: 24 und Hessisches Wirtschaftsarchiv Darmstadt Sign. Abt. 3, 1933 = 10 1938 = 27 1939 = 52 Firmenakten. 1941 = 100+ 1943 = 200 25 HHStaW Abt. 519/3 Nr. 23860.
Tor Tor 2 1 3 5 4 6 7 9 8 10 12 13 14 11 18 17 16 20 19 15 23 27 29 21 22 24 28 30 25 26 Erläuterungen: 5 Springbrunnen 10 Gatsche 14 2 Schwefelsäure- 18 Lager 1 Pförtner 6 Vergußhalle 11 Lagerhallen, teil- Behälter 19 Feuerteich 2 Labor 7 Packhalle weise abgebrannt 15 Garage 20 Lager & Packhalle 3 Siedekesselanlage 8 Gatsche 12 Kesselhaus 16 Werkstatt 21 Wasserturm 4 Raffination 9 Abort 13 Küche 17 Oxydation 22 Feuerteich West
Landstraße nach Weißkirchen 34 33 35 31 32 37 38 36 39 40 45 42 44 41 47 43 46 48 Lageplan von 1952. Quelle: Bauakte, Stadt Oberursel 23 Kl. Tanklager 28 Destillation 33 zerst. Bürobaracke 38 Stall 43 Abscheider für Warmwasser 24 Alkylierung 29 Pumpstation 34 zerst.Waschbaracke 39 Gatschlager 44 Selektiv-Anlage 25 Vor.Dest. 30 Kühlturm 35 Wohnhaus 40 Rohwachsschuppen 45 Lösemittel-Tanklager 26 Gas-Ofen 31 Wohn-Baracke 36 Baracke 41 Aufbereitungs-Anlage 46 Abscheider für Abwasser 27 Gr. Tanklager 32 zerst.Speisebaracke 37 Abort 42 Halbstoff-Tanklager 47 Feuerteich Ost 48 Saugsch. für Feuerwehr
und des Landeswirtschaftsamtes für Großhessen Am 2. Dezember 1949 hob das »Hessische Staats- in Wiesbaden, unter der Lizenz-Nummer 51/584, ministerium Der Minister für politische Befrei- wieder aufgenommen werden. Die Besatzungs- ung« die Sprüche der Spruchkammer auf und ord- schäden wurden auf über 1 Million RM beziffert. nete die erneute Durchführung des Verfahrens vor Es wurden nun alle verfügbaren Mittel und der Spruchkammer Frankfurt/Main in anderer Kräfte dazu eingesetzt, neben der Produktion die Besetzung an. In einer nichtöffentlichen Sitzung schweren Besatzungsschäden zu beheben, was sich der Zentralspruchkammer Hessen-Süd am 28. Ja- bis weit in das Jahr 1948 hinzog. Es herrschte ein nuar 1950 erging der nicht anfechtbare Beschluss, Mangel an Arbeitskräften und die Produktion das Verfahren einzustellen.28 kam nur sehr zögerlich in Gang. Das Unterneh- In den folgenden Jahren bildeten die Produkte men versorgte bisher die Industrie im wesent- »GS-Ozokerit« auf Basis von Erdölrohstoffen und lichen mit gelben bis braunen Weichwachsen, »GS Hartwachs« aus Steinkohleprodukten der während nach der Währungsreform im Juni 1948 Fischer-Tropsch-Synthese das Rückgrat der neuen nur noch Interesse an harten und möglichst hellen Schütz’schen Export-Produktion. Braunkohlen- hochwertigen Wachsen bestand, wovon die Kun- produkte wie Montanwachs und Paraffin erweiter- den, zunächst äußerst zurückhaltend, nur kleine ten den Herstellungsbereich. Durch die Vereini- Mengen bestellten. gung von Wachsrohstoffen mit Kunstharzen und Das Unternehmen befand sich in dieser Zeit in thermoplastischen Kunststoffen bahnten sich neue einer äußerst angespannten Finanzlage.26 Entwicklungswege an, die vor allem auf dem Ge- biet der Spezialwachse für Verpackungsmittel zu Schütz beschäftigte im Juli 1948 79 Mitarbeiter; bedeutenden Erfolgen führten und zu weltbekann- im März 1949 waren es bereits 116 Mitarbeiter, bei ten Spezialerzeugnissen der Firma Schütz wurden. einer Lohnsumme von 37.130 DM. Die Grund- steuer für den Monat Januar 1949 belief sich auf Die Industrie brauchte nun Wachse mit Schmelz- 523,44 DM.27 punkten von 45 bis 135 Grad Celsius in allen er- denklichen Härte- und Weichheitsgraden und mit 1947/48 stellten politische Parteien von Weißkir- den vielfältigsten Eigenschaften für aroma-, was- chen und der Bürgermeister von Weißkirchen so- ser- und fettdichte Verpackungspapiere, -folien wie der bereits erwähnte Weißkirchener Landwirt und Kartons, für Textilien und Leder, für Schuh- (Landenteignung) Anträge auf Wiederaufnahme creme, Bohnerwachs, Auto- und Möbelpolituren, eines Spruchkammerverfahrens gegen Heinrich für Kerzen, Wachswaren und Kohlepapier, Bunt- Schütz. In der Begründung wurde angeführt, der stifte, Kosmetika und Salben, für elektrische Iso- Betroffene sei Aktivist und insbesondere Nutz- lierungen, Vergussmassen und Feingussmodelle, nießer des Naziregimes gewesen. sie brauchte Schutz- und Gleitwachse für Sinter- Die Spruchkammer Obertaunus beschloss, auf- metalle, Kunststoffe und Gießerei-Formenpulver, grund der vom Öffentlichen Kläger angestellten um nur einige Verwendungszwecke zu nennen.29 Ermittlungen, eine Wiederaufnahme des Spruch- Um 1953 erfolgte der Ausbau der ehemaligen La- kammerverfahrens gem. Artikel 48 des »Gesetz zur ger- und Packhalle zu Labors (Labor I und II).30 Befreiung von Nationalsozialismus und Milita- rismus vom 5. März 1946«. Gleichzeitig wurde ge- In der Handelskammer-Mitteilung vom 01. 09. gen Heinrich Schütz ein Beschäftigungsverbot 1957 wird Heinrich Schütz u.a. als »unabhängiger und eine Vermögenskontrolle erlassen sowie ein Fabrikant, der die technische Entwicklung seines überwachender Treuhänder eingesetzt. Am 7./8. Fachgebietes maßgeblich förderte«, beschrieben.31 ________________________ September 1948 gab es eine mündliche Verhand- 26 Chronik der Gemeinde Weißkirchen/Ts., S. 94, Privatarchiv lung in einer öffentlichen Sitzung bei der Spruch- B.Ochs und Stadtarchiv Oberursel Sign.Weißkirchen XV, 1 kammer Frankfurt/Main. In der folgenden Sit- und Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 507-8112 so- zung der Spruchkammer vom 4./5. Oktober 1948 wie 519V-3107/463. erging der Beschluss, das Verfahren gegen Hein- 27 Stadtarchiv Oberursel Sign. Weißkirchen IV, 2, 1948 Bd. 2. rich Schütz, weil vom Gesetz nicht betroffen, ein- 28 HHStaW Abt. 519/V Nr. 3107-463 u. Abt. 520/FZ Nr. 7206. zustellen. 29 Taunus-Anzeiger, Jubiläums-Ausgabe (100 Jahre) vom 21. 09. 1963 und vom 11./12.11.1966, S. 4, Stadtarchiv Oberursel. Die Berufung des Weißkirchener Landwirts wur- 30 Bauschein Nr. 30 vom 6.12.1952 in Bauakte, Stadtverwaltung de am 25. Mai 1949 durch die Berufungskammer Oberursel. als unbegründet zurückgewiesen. Gleichzeitig 31 Hessisches Wirtschaftsarchiv Darmstadt Sign. Abt. 3, Fir- wurde die Vermögenskontrolle aufgehoben. menakten.
1957 verzeichnete die Firma Schütz einen Jahresumsatz von 4.250.000 DM und beschäftigte 84 Mitarbeiter 32. 1966, im Jahr ihres 75-jährigen Bestehens, waren es 100 Mitarbeiter und es wurden etwa 450 verschiedene Wachssorten in Form von Platten, in Schuppen, in Pastillen- form oder als Wachsstaub hergestellt.33 Mit der Anmeldung der Sitzverlegung der Firma Schütz von Frankfurt/M. nach Weißkirchen wurde im Dezember 1962 eine längst fällige Berichtigung des Han- delsregisters eingeleitet. Die Eintragung erfolgte am 9.Januar 1963 unter Nr.HRA 657 durch das Amtsgericht Bad Hom- burg v.d.H.34 Die Adresse der Firma Schütz lautete an- fangs »Weißkirchen, am Bahnhof«, spä- ter Bahnhofstr. 54; ab 1968, im Rahmen einer Neunummerierung der Bahnhof- straße, waren es die Nummern 74-76.35 Infolge der Gebietsreform von 1972 wur- de die Bahnhofstraße in die Kurmainzer Straße integriert und dem Schütz-Ge- lände wurden die Hausnummern 148- 166 der Kurmainzer Straße zugeordnet. Das weitläufige Industriegelände führt seit 1988 die Adressen Hiroshimastraße 1 und 2. »Heinz Schütz blieb selbständig. Chef Seite 1 eines Prospekts von 1954. Im Mittelgrund sieht man eine des Weißkirchener Ceresinwerkes feiert idealisierte Darstellung des Firmengeländes mit dem Wasserturm 75. Geburtstag«; unter diesem Titel wür- links vorne. ISG Frankfurt, Sammlung S3, 1601 digte die Taunus-Zeitung in ihrem Arti- kel vom 26. August 1972 die Verdienste des »Pio- Als die Firma Schütz in einer Anzeige der Taunus- niers der deutschen Ceresinindustrie« mit einem Zeitung vom 8. Februar 1986 eine Fremdsprachen- Rückblick auf seine 52jährige Tätigkeit als Allein- Korrespondentin mit guten Kenntnissen in Eng- inhaber seiner Firma.36 ________________________ 32 Schreiben der Industrie-u. Handelskammer vom 28.12.1962 Am 1. November 1977 konnte Karl Goldbach auf betr. HR-Sache Georg Schütz Nr. -18008-, Hessisches Wirt- seine 50jährige Tätigkeit in der Firma Schütz zu- schaftsarchiv Darmstadt, Sign. Abt.3, Firmenakten. rückblicken. In dieser Zeit stieg er zum Betriebs- 33 Taunus-Anzeiger vom 11./ 12. 11 . 1966, Seite 4, Stadtarchiv leiter auf und hatte auch in schweren Zeiten der Oberursel. Firma die Treue gehalten. Der Hessische Minister- 34 Hessisches Wirtschaftsarchiv Darmstadt Sign. Abt. 3, Fir- präsident und die Industrie- und Handelskammer menakten. 35 Bei der Neunummerierung der Bahnhofstraße von 1968 er- würdigten seine Verdienste. 37 hielten die Anlieger der Gemeinde Weißkirchen die geraden Nach dem Tod von Heinrich Schütz am 20. Mai Hausnummern, die Anlieger der Gemeinde Stierstadt die 1979 wurde das Unternehmen 1980 in eine ungeraden Hausnummern, Stadtarchiv Oberursel, Sign. GmbH. umgewandelt und firmierte als »Georg 36 Weißkirchen III, 50. Schütz G.m.b.H. Erste Süddeutsche Ceresinfa- 37 Stadtarchiv Oberursel Sign. Biogr. OU 101. brik«. Persönlich haftende Gesellschafter waren 38 Taunus-Zeitung vom 1. 11. 1977, Stadtarchiv Oberursel. Stadtarchiv Oberursel Standesamtsregister 1979 Nr. 107 und die Ehefrau des Verstorbenen, Kauffrau Erna Jo- Handelsregister A Nr. 1437 vom 2. September 1980 und B hanna Schütz geb.Greiner und ihr Sohn, der Nr. 2299 vom 25. September 1980, Hessisches Wirtschafts- Kaufmann Bernd Schütz.38 archiv Darmstadt, Sign. Abt.3, Firmenakten.
Seite 2/3 des Faltprospekts von 1954 Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Sammlung S3, 1601 lisch und Französisch für ihre Export-Abteilung nächst wohl nur als Gerücht galt, wurde wenig suchte, war nach außen nicht erkennbar, dass das später zur Realität. Mazda erwarb etwa 71 000 qm baldige Ende des Industriebetriebes bevorstand.39 mit 11 000 qm Nutzfläche des Schütz Geländes Zur großen Überraschung der Mitarbeiter wurde sowie eine Wegeparzelle von der Stadt Oberursel; in der Lokalpresse Ende Oktober 1987 die Schlie- die restlichen ca. 10 000 qm erwarb die Firma ßung des Werkes zum 31.1.1988 verkündet. Wie Webb Service (Mister Minit) zur Einrichtung verlautete, machte das Unternehmen in den letz- ihrer Hauptverwaltung mit Vertrieb und Hoch- ten Jahren steigende Verluste; die Ursache seien regallager. schrumpfende Aufträge aus der Automobil- und Die ehemaligen Schütz-Mitarbeiter standen im Papierindustrie. Dazu käme ein Mangel an neuen Abseits – »Wir fühlen uns von allen Seiten im Produkten, weil das mittelständische Unterneh- Stich gelassen« – argumentierte ein ehemaliges men nicht mit der Forschung der kapitalkräftigen Betriebsratsmitglied. Als besonders kränkend wur- Großindustrie mithalten könne. de empfunden, dass die Firma Mazda nur einen Am 11. November 1987 unterzeichneten der Be- einzigen Schütz-Mitarbeiter übernahm.40 ________________________ triebsrat und die Firmenleitung einen Interessen- 39 Taunus-Zeitung vom 08. 02. 86, S.25, Stadtarchiv Oberursel. plan, der auch einen Sozialplan einschloss. Durch 40 Oberurseler Kurier Nr. 85 vom 23./24. 10.1987 S. 1, Nr. 91 die Werksschließung verloren 52 Mitarbeiter ihren vom 13./14. 11. 1987 S. 1, Nr. 93 vom 20./21.11. 1987 S. 1, Nr. 98 Arbeitsplatz. vom 08.12. 1987 S. 1, Nr. 95 vom 29.11. 1988, S. 1; Taunus-Zei- Es wurde bekannt, dass das Firmengelände an den tung vom 24. 10. 1987 S. 19, 12.11. 1987 S. 19, 19. 11. 1987 S.19, 18. 03.1988, 06. 07.1988, S..18, 11.7. 1988 S.14; Frankfurter japanischen Autokonzern Mazda verkauft werden Rundschau Nr. 263 vom 12. 11.1987, F.R. Nr. 45 vom 23.02. sollte, der hier sein europäisches Forschungs- und 1988, S.II und Nr. 52 vom 02. 03.1988 S.II und F.AZ. Nr. 125 Entwicklungszentrum errichten wolle. Was zu- vom 31. 05.1990, S. 51 – alle Stadtarchiv Oberursel.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung men von der Oberurseler Firma Hydrodata, erga- der Schütz GmbH vom 8.12.1988 wurde die ben, dass die Belastungen des Grundwassers stark Firma der Gesellschaft und der Gegenstand des abnahmen, je weiter man sich von dem früheren Unternehmens geändert sowie der Sitz der Gesell- Tanklager entfernte. schaft von Oberursel nach Steinbach/Ts. verlegt. Erst wenn alle Ergebnisse vorliegen, könne man Neue Firma: J. und B. Schütz Verwaltungsgesell- eine Prognose erstellen wie sich der Eintrag in das schaft mbH. Neuer Gegenstand des Unterneh- Grundwasser bisher gestaltet habe und wie er sich mens: Erwerb, Veräußerung und Verwaltung von in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwick- bebautem und unbebautem Grundbesitz aller Art, eln werde. Auf jeden Fall sollen in den kommen- wie Grundstücke ... usw.41 den Jahren alle sechs Monate Wasserproben an den »Schadstoffsuche in 70 Metern Tiefe«. Unter die- fünf Bohrstellen entnommen werden, um festzu- sem Titel berichtete die Taunus-Zeitung in ihrer halten, wie sich der Abfluss des Grundwassers und Ausgabe vom 05.08.2000 über die von der ehe- die Schadstoffausbreitung entwickeln, um notfalls maligen Ceresinfabrik Schütz verursachte Verun- weitere Maßnahmen veranlassen zu können. reinigung des Bodens und des Grund- wassers mit Lösungsmitteln. Im Nordteil des Betriebsgeländes be- fand sich ein unterirdisches Tanklager, in dem bis 1973 Lösungsmittel gelagert waren. Wegen eines Verdachtes wurden 1987 im Auftrag der Firma Schütz um- welttechnische Untersuchungen vorge- nommen, wobei die Experten im Be- reich des Tanklagers eine großflächige, sanierungsbedürftige Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers mit Lösungsmitteln feststellten. Ab 1989 und bis Mitte 2000 wurden auf Kosten des ehemaligen Eigentümers Maßnahmen zur Sanierung der Boden- luft über den Einsatz von Aktivkohlefil- tern mit einigem Erfolg durchgeführt. Die weiteren Maßnahmen bzgl. der Grundwasserverunreinigung konnten von Schütz finanziell nicht mehr gelei- stet werden und die weitere Bearbeitung dieses Altlastenfalles wurde vom Land Hessen der Hessischen Industriemüll GmbH (HIM) übertragen; das Land Hessen stellte für die Untersuchung ca. 300.000 DM bereit. Es waren fünf Bohrungen zwischen der Hiroshimastraße und dem Wasserwerk Praunheim zur Einrichtung von Meß- stellen geplant, von denen im August 2000 bereits vier niedergebracht waren. Der Prospekt (hier Seite 4) trägt die Handschrift des Oberurse- Über eine Grundwasseranalyse sollte ler Werbegraphikers Himke Faber (1914-1973). Er arbeitete für herausgefunden werden, in welcher zahlreiche renommierte Firmen und Organisationen. So gestal- Größenordnung die Lösungsmittel ins tete er z.B. auch das weltweit verbreitete IAA-Plakat 1967, das Grundwasser gelangten und in wieweit aus 200 internationalen Bewerbungen ausgewählt wurde. eine laterale Verlagerung stattgefunden ________________________ hat. Erste Untersuchungen, vorgenom- 41 HR B2299-12.1.1989 in Taunusbote vom 18.1.1989, Stadtarchiv Oberursel.
Teil II: Das Barackenlager für die Zwangsarbeiter auf dem Gelände der Firma Georg Schütz »Ausländische Zivilarbeiter«, »Fremdarbeiter« Im »Heimatgeschichtlichen Wegweiser zu Stätten oder »Fremdvölkische« wurden die im sogenann- des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945« ten Reichseinsatz zur Beschäftigung gebrachten heißt es auf Seite 191 : »Ende 1942 (?)49 wurden für Ausländer im NS-Sprachgebrauch genannt. die ausländischen Zwangsarbeiter Baracken er- »Zwangsarbeiter« ist ein Nachkriegsbegriff für Per- richtet. Sie mussten u.a. Kanalarbeiten für die sonen, die aus den von NS-Deutschland eroberten fabrikeigene Kläranlage durchführen. Außer den Gebieten Europas in das Deutsche Reich gebracht Zwangsarbeitern waren bei der Firma Schütz auch wurden, um hier in Industrie, Landwirtschaft und Gefangene aus dem Gefängnis in Frankfurt-Preun- Privathaushalten zu arbeiten. gesheim eingesetzt; im Juli 1944: 34 Justizstrafge- Der verharmlosende Pauschalbegriff »Fremdarbei- fangene«. ter« meint Angehörige aller Völker und Nationa- In den Bauakten der Stadt Oberursel befindet sich litäten, in deren Staaten NS-Deutschland mit der ein Lageplan vom 22. Dezember 1941, in dem vier Waffengewalt der Wehrmacht eingefallen war, sie geplante »Baracken nur für Kriegsdauer« einge- aus ihren Lebenszentren deportiert und in das zeichnet sind (siehe Abb.) Einzelheiten zu den Zwangssystem der Kriegswirtschaft des »Dritten Baracken, wie Baupläne, wurden nicht gefunden. Reiches« eingebunden hatte. Ein kleiner Teil da- Die Baracken hatten folgende Abmessungen: 20 x von kam in der Frühphase des Krieges aus Frank- 8,15 m / 26,45 x 8,15 m / und 39,8 x 8,20 m (2).50 reich, Belgien, den Niederlanden, aber auch aus Eine weitere Registrierung des Zwangsarbeiterla- Polen sowie der Sowjetunion zur Arbeitsaufnahme gers bei der Firma Schütz findet sich im »Catalo- »freiwillig« ins Reichsgebiet. Die danach in gue of Camps and prisons in Germany and Ger- Deutschland erlebten, stark reglementierten wie man-occupied Territories Sept. 1st, 1939 -May 8th, repressiven Arbeits-, Lebens- und Rechtsverhält- 1945« prepared by International Tracing Service nisse führten aber selbst den »Freiwilligen« bald Hq., Arolsen, 24th June 1949 51; sie lautet: den »Zwangscharakter« ihres kriegsbedingten Ar- ________________________ beitseinsatzes vor Augen. 42 Thomas Lange/Klaus-Dieter Reck in: Zwangsarbeit im Volksstatt Hessen 1939-1945, veröffentlicht durch Hessisches Ebenfalls wurden Kriegsgefangene, entgegen der Staatsarchiv, Darmstadt, Digitales Archiv, URL: http://di- Genfer Kriegsgefangenenkonvention, zur Arbeit gada.de/Zwangsarbeiter/uebersichtzwangsarbeiter.htm. in der deutschen Rüstungsindustrie gezwungen.42 43 »Gemeinschaftslager« wurden von mehreren Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, gemeinsam unterhalten. Auch die Ceresinfabrik Georg Schütz, beschäftig- 44 Für die Betreuung der in Lagern untergebrachten deutschen te ab 1941/1942 Fremdarbeiter und französische und ausländischen Arbeitskräften in nichtlandwirtschaft- Kriegsgefangene, deren Unterbringung zunächst lichen Betrieben war seit 29. 4./1. 5. 1942 die DAF [Deutsche in den Weißkirchener Gasthäusern »Zum Hirsch« Arbeitsfront, eine Zwangsgemeinschaft der Unternehmer (30 Belgier, 1942 ?) und »Zur Hainlust« (28 Belgier, und abhängig Beschäftigten, eine Art Ersatz für die zer- 1942 ?) und dann in einem sogenannten »Gemein- schlagenen Gewerkschaften] zuständig. Der Bevollmächtig- te für den Arbeitseinsatz im Gau Hessen-Nassau war Gau- schaftslager«43 (Barackenlager) auf firmeneigenem leiter Jakob Sprenger. Taunus-Anzeiger vom 3. 6.1942. Gelände erfolgte. Die Ceresinfabrik stellte damals 45 HHStaW Abt. 483 Nr. 7328 und Kreisarchiv Hochtaunus- Produkte für synthetische Treiböle her und war kreis, Nachlass A. Baeumerth sowie Ursula Krause-Schmitt, von daher ein kriegswichtiger Betrieb. Jutta von Freyberg: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945 In zwei Listen der Deutschen Arbeitsfront (DAF)44 Band 1/1 Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, Herausge- ist die Unterbringung der Fremdarbeiter wie folgt geben vom Studienkreis Deutscher Widerstand, Frank- registriert: 45 furt/Main: VAS 1995, Seite 191, Privatarchiv B.Ochs. 46 Deutsche = wohl Häftlinge/Justizstrafgefangene aus dem Liste vom 21.o9.1942: Gefängnis Frankfurt-Preungesheim. m. = Männer. Gemeinschaftslager1 G.Schütz, Weisskirchen: 47 Flamen ( aus der belgischen Region Flandern ) waren als 25 Deutsche m.46 »Westarbeiter germanischer Abstimmung« eingestuft. 50 Flamen m.47 48 Russen = »Ostarbeiter«, die auf der untersten Stufe der Aus- länderhierarchie standen (»Ostarbeiter-Erlasse« vom 20. Fe- Liste vom 1.04.1943: bruar 1942). Gemeinschaftslager G. Schütz, Weißkirchen: 49 Nach den Recherchen des Autors wohl bereits Anfang 1942 58 Inländer 50 HHStaW Abt. 520/FZ Nr. 7206. 37 Russen 48 51 In Martin Weinmann: Das nationalsozialistische Lagersy- 42 Flamen stem (CCP), 4. Auflage, April 2001, Privatarchiv B.Ochs.
»Baracken nur für Kriegsdauer« Ausschnitt aus Lageplan vom 22. 12. 1941. Quelle: Bauakte Stadt Oberursel Weisskirchen Krs. Obertaunus US Zone L51/M 67 Behandlung der ausländischen Arbeiter CWC: Erste Mitteldeutsche Ceresinfabrik, Georg Es soll zu Misshandlungen von französischen Schuetz, 100 pers. (Buergermaster)52 Kriegsgefangenen gekommen sein; auch mussten Die Auswertung von weiteren Quellen ergab fol- sie zeitweilig an Sonntagen arbeiten. Als das Stalag gende Ergebnisse zu dem Einsatz von ausländi- davon hörte, wurde der Firma angedroht, ihr im schen Arbeitskräften bei der Firma Schütz: Wiederholungsfalle, die Gefangenen zu entziehen. Nationalitäten: Franzosen (Kriegsgefangene), Bel- Besonders schlecht sollen die Ostarbeiter behan- gier, Flamen, Holländer, Russen sowie deutsche delt worden sein, auch hier soll es zu Misshand- Justizstrafgefangene. lungen gekommen sein, sowie bei geringen Verge- hen zum tagelangen Entzug von warmen Mahl- Bereits 1941 kamen etwa 20 französische Kriegsge- zeiten und Einsperren in einen Bunker. Allgemein fangene, als Außenkommando des »Stalag IX«53 soll es auch zu Beschwerden hinsichtlich des kata- (ob vom IXA Ziegenhain oder IXB Bad Orb/Weg- strophalen Zustands der Arbeitskleidung sowie scheide ist unklar) zum Arbeitseinsatz.54 Ebenso der zeitweilig schlechten Verpflegung gekommen unklar ist deren Unterbringung vor dem Bau des sein.55 Schütz’schen Barackenlagers. Die Kriegsgefange- ________________________ nen wurden von einem Landesschützen, vermut- 52 CWC = Civilian Workers Camp (»Mitteldeutsche« = Feh- lich vom Landesschützenbataillon 633, bewacht. ler), 100 Personen nach Angaben des Bürgermeisters. 53 »Stalag«=Stammlager, im Nationalsozialismus die Bezeich- 1943 wurden die französischen Kriegsgefangenen nung für Lager zur Unterbringung von Kriegsgefangenen in den »Zivilarbeiterstatus« überführt. Angeblich des Zweiten Weltkriegs. »IX« = Wehrbereich Kassel. Der sind sie 1945, nach Kriegsende, hiergeblieben. größte Teil der Kriegsgefangenen musste außerhalb des Sta- lag in Arbeitskommandos Zwangsarbeit in der Industrie und Die belgischen Zivilarbeiter, die von der Firma Le Landwirtschaft leisten. Hecq, Brüssel, kamen, hatten wohl einen Sonder- 54 Die Unternehmen mussten für die Arbeit der Kriegsgefan- status, denn sie wurden u.a. wesentlich höher ent- genen Löhne an die Wehrmacht abführen, von denen west- liche Kriegsgefangene etwa die Hälfte in »Lagergeld« ausbe- lohnt. zahlt bekamen. Die Russen wohnten separat in der »Ostarbeiter- 55 Eidesstattliche Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern der baracke«. Firma Schütz von 1948, HHStaW Abt. 520/FZ-7206.
Am 12. Februar 1942 wurde der 21jährige belgische Im Folgenden werden Auszüge aus Zivilarbeiter Isaak ... 56 ins Polizeigefängnis Frank- werksinternem Schriftverkehr/Berichtswesen furt eingeliefert, weil er auf seiner Arbeitsstelle der Firma Schütz in den Jahren 1942/1943 Streitigkeiten mit einem Hilfspolizisten hatte. Am abschriftlich wiedergegeben. 16. Februar wurde er der Kripo Frankfurt überge- Es handelt sich dabei um Passagen aus Berichten ben und dem Richter vorgeführt, Haftbefehl nicht der Vertrauensmänner, des Werkschutzes, des Ab- erlassen, am 18. Februar der Staatspolizei überstellt wehrbeauftragten und der Werkschwester, die und am 23. Februar wieder entlassen. überwiegend einen Bezug zu den Fremdarbeitern Der 50jährige Sowjetrusse Roman Galaibida wur- haben. 63 de vom 26. November 1942 bis 13. Januar 1943 Weisskirchen, den 30. Januar 1943 wegen Arbeitsverweigerung von der Staatspolizei Frankfurt in Haft genommen und in das AEL (Ar- Bericht der Vertrauensmänner für Dezember 1942 64 beitserziehungslager Heddernheim)57 überführt.58 Verschiedene Gefolgschaftsmitglieder 65 haben bei den Am 6. Juni 1943 wurden die Ostarbeiter Iwan L., Vertrauensmännern Klage geführt, dass in Wasch- Wadin O. und Wasil S. unerlaubt in Oberursel an- räumen, wo sie sich waschen, sogar fremde Russen sich getroffen; sie wurden in die Arrestzelle eingeliefert baden würden. Auch ein Teil der Belgier sei verlaust und dort vom Schütz-Werkschutz abgeholt. und man könne sich das Ungeziefer dort dann auch holen. Von den Vertrauensmännern wurde festgestellt, Am 27. Januar 1945 sind die Ostarbeiter Ilja L., dass tatsächlich einmal Russen aus Oberursel sich bei Iwan P. und Wladimir M. ohne Urlaub heimlich uns gebadet haben. 10 Minuten später kam dann un- nach Frankfurt gefahren und erst am nächsten Tag sere Gefolgschaft. Es war am Samstag den 19.12.42. zurückgekehrt. In der Meldung der Firma Schütz Die Vertrauensmänner bitten den Betriebsführer 66, an den Gendarmerieposten Stierstadt heißt es: dem Lagerführer Bescheid zu geben, dass dies in Zu- »Wir bitten um eine empfindliche Bestrafung, kunft nicht mehr geschieht. Bei den Belgiern war damit diese Disziplinwidrigkeit nicht weiter ein- auch der Fall, das beim Umzug 67 verlauste Belgier reißt«; der Gendarmerieposten erstattete Straf- festgestellt wurden. anzeige bei der Ortspolizei Weißkirchen. G Vertrauensmann ________________________ Anfang 1943, als die Krankenhäuser die Aufnahme 56 Nachname aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes in dem von Ausländern verweigern mussten, wurde im Dokument unleserlich gemacht. Werk ein Krankenrevier mit ca. 10 Betten einge- 57 Die AEL waren Sonderlager der Gestapo und dienten der richtet. Ein Weißkirchener Arzt war für die Be- Disziplinierung von »Arbeitsverweigerern, arbeitsvertrags- treuung aller Beschäftigten und die hygienischen brüchigen und arbeitsunlustigen Elementen«, wie es in der Lagerordnung des AEL-Heddernheim vom 16. April 1942 Einrichtungen als Betriebsarzt zuständig. Auch ein heißt. Die Haftbedingungen waren KZ-ähnlich. Sanitätsraum für erste Hilfe und Sprechstunden- 58 Personenkartei der Staatspolizeistelle Frankfurt im HHSta tätigkeit war vorhanden.59 W Abt. 486. 59 Eidesstattliche Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern der In einer Baracke hat sich am 14. 8. 1944 ein fünfzig- Firma Schütz von 1948, HHStaW Abt.520/FZ-7206 und jähriger deutscher Justizstrafgefangener erhängt.60 Stadtarchiv Oberursel Sign. Hauptamt Nr. 322, Bd. 1. Unter den zehn bei dem bereits erwähnten Jagd- 60 Eidesstattliche Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern der bomberangriff vom 21. Februar 1945 getöteten Firma Schütz von 1948, HHStaW Abt.520/FZ-7206 und Menschen befanden sich auch vier Belgier vom Stadtarchiv Oberursel Sign. Standesamtsregister 1944 Nr. 6. 61 Aufzeichnungen von Franz Simon vom Juni 1983, Stadtar- Barackenlager. Drei Belgier wurden einige Jahre chiv Oberursel Sign. »Weißkirchen Top 111« und »Gräberli- nach Kriegsende in ihre Heimat überführt; Jean ste für öffentlich gepflegte Gräber« der Stadt Oberursel vom Willms erhielt auf dem Gemeindefriedhof Weiß- 20. 03. 1973. kirchen am Kriegerdenkmal ein Ehrengrab. 62 Bauakte, Stadtverwaltung Oberursel. 63 Aus Archiv der Arbeitsgemeinschaft »Nie wieder 1933«, Die Lager- Baracken dienten später noch längere Oberursel. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurde Zeit den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen als von den Nachnamen der Personen immer nur jeweils der er- Unterkunft; viele fanden hier auch einen Arbeits- ste Buchstabe wiedergegeben. platz.61 64 Im Nationalsozialismus wurden durch das Arbeitsord- nungsgesetz von 1934 alle betriebsrätlichen Aktivitäten ver- In einem Lageplan von 1952 (siehe Abb.) sind noch boten. Die Betriebsräte wurden durch so genannte Vertrau- Baracken eingezeichnet und wie folgt benannt: ensräte (Vertrauensmänner) abgelöst. Wohnbaracke, zerstörte Speisebaracke, zerstörte 65 Gefolgschaft (Vokabular des Nationalsozialismus) = Beleg- Bürobaracke, Baracke, zerstörte Waschbaracke.62 schaft.
Werkschutz Weisskirchen, den 29. Mai 1942 wischt, die Briketts mit nach dem Lager nehmen wollten. Am 16.5.42 erwischte ich einen Belgier beim Monatsbericht des Werkschutzes 68 Rauchen innerhalb des Werkes. Auf Anordnung des In den ersten Tagen dieses Monates war vom Ab- Betriebsleiters übergab ich diese Sache der Polizei. wehroffizier der Abwehrstelle Frankfurt/M.69 eine Der Belgier wurde abgeholt. Von der Polizei wurde Arbeitstagung einberufen worden. Es war eine sehr beanstandet, dass das polizeiliche Rauchverbot nicht lehrreiche Tagung für mich gewesen, es wurde über in der Sprache der bei uns beschäftigten Ausländer an eine Stunde über die Pflichten und Aufgaben des den Anschlagstafeln bekannt gemacht ist. Werkschutzes gesprochen.Seit diesen Tagen versuche Am 22.5.42 wurde ein weiterer Belgier innerhalb des ich, unseren Werkschutz straffer und zwar nach Werkes beim Rauchen erwischt, und zwar durch den militärischen Grundsätzen aufzubauen. Bis auf F Werkschutzmann K Peter. Auch dieser Belgier wur- Franz, der auch nicht immer weiß, was er will, aber de von der Polizei abgeholt. in seiner Dienstauffassung und Pflichterfüllung sehr Es wurde festgestellt, und zwar verschiedentlich, dass genau ist, eignen sich die anderen Werkschutzleute von den Bauhandwerkern die Umzäunung an eini- nicht für ihre Aufgabe. Schwatzhaftigkeit, nie ernst gen Stellen gelöst wurde, um nicht beim Pförtner vor- zu nehmende Verantwortung und dadurch keine bei zu müssen. Auch hier wurde Abhilfe geschaffen. richtige Pflichterfüllung sind an der Tagesordnung. ________________________ 66 Betriebsführer (Vokabular des Nationalsozialismus) = Es wurden in diesem Monat verschärfte Ausweiskon- Unternehmer, Inhaber oder Geschäftsführer eines Indu- trollen unserer Gefolgschaft sowie der Bauhandwer- striebetriebes; hier Heinz Schütz. ker durchgeführt. Ferner sehr scharfe Kontrollen, ob 67 Vermutlich ist der Umzug von den Gasthäusern in das Material usw. mitgenommen wird. Diese Kontrollen Barackenlager gemeint. wurden unter meiner Aufsicht durchgeführt. Es sind 68 Klaus Drobisch: Der Werkschutz in: Jahrbuch für Wirt- Gefolgschaftsmitglieder dabei, die sich nicht ange- schaftsgeschichte 1965 IV, S. 222. Der Werkschutz (hier wöhnen können, unaufgefordert ihren Ausweis vor- nebenamtlich) hatte die Aufgabe, im Rahmen der bestehen- den Vorschriften die »Ruhe und Ordnung« im Werk auf- zuzeigen. Bei der ersten verschärften Ausweiskontrol- recht zu erhalten und an der Abwehr werksschädigender le waren von 40 kontrollierten Gefolgschaftsmitglie- Umtriebe mitzuwirken. dern 17 dabei, die ihren Ausweis überhaupt nicht 69 Abwehrstelle = Dienststelle der Wehrmacht, die mit Spio- dabei hatten. Es wurden verschiedentlich Belgier er- nageabwehr beauftragt war.. Die Gleise der S-Bahn Linie 5 mit der Abzweigung des Werksgleises (links) neben dem Wasserturm der Firma Schütz, einem Wahrzeichen Weißkirchens Foto vom 29. 02. 1988, Stadtarchiv Oberursel, 25 III 63
Es müssten unbedingt die Schusswaffen herbei, um gegebenenfalls sich auch wehren zu können. Ferner fehlt den sämtlichen Werkschutzleuten noch die vor- geschriebene gelbe Armbinde. Tag und Nacht werden, nach verschiedenen Plänen, dauernd durch die Werkschutzleute Kontrollgänge innerhalb des Werkes gemacht. G Werkschutzleiter –––––––––––––––––––––––––– Geheim (Stempel) Weisskirchen, den 31.August 1942 Bericht des Werkschutzes vom Monat August 1942 Der Monat August mit seinen vermehrten Flieger- alarmen auch bei Tage, stellte erhöhte Anforderungen an den Werkschutz. Es stellte sich heraus, dass ein Mann bei Alarm im Außendienst zu wenig ist. Die Überwachung des Werkes muss bei Fliegeralarm so- fort im verstärktem Maße durchgeführt werden. Aus diesem Grunde habe ich dem Abwehrbeauftragten 70 folgende Gefolgschaftsmitglieder zum nebenamt- lichen Werkschutz vorgeschlagen: SG., MR., HH. und DFr. Bei den Tagesalarmen stellte es sich heraus, dass man die Belgier aus allen Verstecken immer erst herausholen musste. Nach Nachtangriffen musste bei Hellwerden das Werksgelände sofort nach abgeworfe- nen Sachen, Brandplättchen71, Flugblätter usw. ab- gesucht werden. Flugblätter haben wir sehr viele ge- funden und der Polizei abgeliefert. Am 5.8.42 wur- Die Mauer mit den Bogendurchbrüchen neben der Einfahrt de der Belgier S beim Rauchen in der Röhrendestilla- tion angetroffen; er wurde von der Polizei mit 30 RM An den Betriebsführer bestraft. Am 7.8.42 wurde der Monteur H beim Rau- Herrn H. Schütz chen erwischt; er wurde vom Betriebsleiter mit einem Frankfurt a. Main Weisskirchen, den 28.1.43 schriftlichen Verweis bestraft. Am 29.8.42 wurde wie- G/A der ein Belgier beim Rauchen angetroffen. Auch die- se Angelegenheit wurde sofort der Polizei übergeben. Am Dienstag Vormittag war ich auf einer Tagung, die an sich mit dem Betrieb nichts zu tun hatte. Da Nach den Richtlinien des Mobilmachungsplanes 72 einiges über die Ostarbeiter gesprochen wurde, will für den Werkschutz muss der Betriebsführer über die ich Ihnen dies kurz mitteilen. Arbeit unterrichtet werden. Ich muss aber darauf auf- ________________________ 70 Christian Schneider-Wollheim Memorial: Die Abwehrbe- merksam machen, dass laut Mobilmachungsplan auftragten waren für die Verfolgung von Spionage, Sabota- auch alles unter Geheim fällt. Ich bin von einem Of- ge und des Verrats von Betriebsgeheimnissen zuständig. fizier des Rüstungskommandos 73 verpflichtet worden Laut den 1939 von der Gestapo herausgegebenen »Richtli- und es soll mir nicht passieren, dass ich von dieser nien für die sicherheitspolizeiliche Tätigkeit der Abwehrbe- Stelle, auch der des Abwehroffiziers Vorwürfe, even- auftragten« dienten sie als direktes »Hilfsorgan der Gehei- tuell bestraft werde, dass Sachen des Werkschutzes, men Staatspolizei« in den Werken. 71 Zelluloidplättchen mit aufgetragenem Phosphor, der sich auch wenn sie noch so nichtig sind, an die Öffent- bei Sonnenschein entzündet und Felder und Scheunen in lichkeit kommen. Aus diesem Grunde bitte ich den Brand setzen kann. Betriebsführer, auch den Werkschutzbericht als Ge- 72 »Mobilmachungsplan für die Rüstungswirtschaft«, 1939 heim zu betrachten und in den Meisterbesprechun- vom OKW-Wehrwirtschaftsstab- herausgegeben, Sammel- gen nicht mehr vorzulesen. Ferner bitte ich Sie, den heft IX Teil 2 Werkschutz in Klaus Drobisch: Der Werk- Mobilmachungsplan und sonstige Anordnungen für schutz in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1965 IV, S.221. 73 Die Rüstungskommandos stellten die kleinsten Dienststel- den Werkschutz, die erstens unter Werkschutz und len des Reichsministers für Bewaffnung und Munition dar zweitens in der Abwehrmappe abgelegt sind, durch- und waren die koordinierenden und betreuenden Dienst- zulesen, damit auch Sie orientiert sind. stellen für alle Unternehmen, welche Aufträge für die Teil- G Werkschutzleiter streitkräfte der Wehrmacht ausführten.
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