Die fremde Hand Computergenerierte Zeichnungen von Wolfgang Zach
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Die fremde Hand Computergenerierte Zeichnungen von Wolfgang Zach
Gefördert durch Freie Hansestadt Bremen Der Senator für Kultur
Die fremde Hand Computergenerierte Zeichnungen von Wolfgang Zach Kunsthalle Bremen 22. April bis 15. Juni 2008 Herausgegeben von Wulf Herzogenrath und Ingmar Lähnemann
Inhalt Vorwort und Dank 11 Die fremde Hand 12 Zeichnungen über Zeichnungen von Wolfgang Zach Ingmar Lähnemann Der andere Blick 23 Ein Interview von Herwig Gillerke mit Wolfgang Zach Katalog der ausgestellten Arbeiten 28 Biografie und Ausstellungen 72 Impressum 74
Vorwort und Dank Mit den aktuellen Arbeiten von Wolfgang Zach stellt Die Ausgangsbilder der aktuellen Arbeiten konsti- eine Verbindung gewährleistet, auf die der Kunstverein 11 die Kunsthalle Bremen erneut eine herausragende tuieren zwei verschiedene Bildserien: einerseits foto- in Bremen und die Kunsthalle Bremen aufgrund ihres Position Bremer Kunst vor, der sich der Kunstverein grafische Ansichten der Erdoberfläche aus dem Weltall, Engagements in der Gegenwartskunst und bezüglich in Bremen seit seiner Gründung sehr verbunden fühlt. andererseits teleskopische Ausblicke in die Sterne. Aus des Interesses an aktuellen regionalen Tendenzen an- Aus dieser Verbundenheit resultierten schon zahl- diesen Serien Zachs zeigt die Kunsthalle Bremen in der gewiesen sind. reiche Ausstellungen. Der besondere Charakter der Ausstellung Die fremde Hand eine Auswahl, die alle Werke Zachs reiht die Ausstellung Die fremde Hand wichtigen Bildmotive des Künstlers sowie beide von Ebenso möchten wir allen danken, die darüber hi- in zwei jüngere Schwerpunkte unserer Sammlung ein. ihm verwendeten Plottertypen repräsentiert. naus an der Umsetzung der Ausstellung und des Kata- Diese Präsentation ist Teil der umfassenden Analy- logs mitgearbeitet haben. se der Geschichte und Möglichkeiten des digitalen Zum Gelingen der Ausstellung und dieses Katalogs Bildes, die seit 2004 durchgeführt wird. Zach greift haben viele beigetragen, denen wir für die gute und an- Georg Abegg für seine Zeichnungen auf Internet, Computer, eige- regende Zusammenarbeit danken möchten. Vielen Dank Vorsitzer des Kunstvereins in Bremen ne Programmierung und Plotter (Zeichenmaschinen) an den Senator für Kultur für die großzügige Förderung zurück. dieses Katalogs. Ein großer Dank gilt Jutta Drabek- Wulf Herzogenrath Hasselmann, deren Gestaltung des Katalogs deutlich Direktor der Kunsthalle Bremen Mittels des komplexen technischen Ablaufs re- macht, dass sie als langjährige Kennerin des Werks flektiert Zach über den Zeichenprozess und über den von Wolfgang Zach einen entscheidenden Anteil an Ingmar Lähnemann Akt des Zeichnens. Die Zeichentätigkeit des Plotters der adäquaten Präsentation der aktuellen Zeichnungen Volontär der Kunsthalle Bremen hat in seinem Ansatz eine größere Bedeutung als hat. Danken möchten wir besonders Herwig Gillerke sämtliche im Computer geleisteten Vorarbeiten. für sein unkonventionelles Interview mit seinem Künst- lerkollegen. Das Gespräch zwischen beiden Künstlern Mit diesem zentralen Aspekt von Zachs aktuellen gibt einen außergewöhnlichen Einblick in das Œuvre Arbeiten reiht sich die Ausstellung Die fremde Hand und künstlerische Denken Wolfgang Zachs. Für das um- in die Folge von Präsentationen heutiger Formen der sichtige Lektorat der Texte danken wir Kai Fischer und Zeichnung in der Kunsthalle Bremen ein, die verschie- für die Herstellung des Katalogs der Druckerei Breyer dene künstlerische Ansätze von Nanne Meyer, Paco in Diepholz. Knöller, Malte Spohr und Monika Bartholomé beinhal- tet. Seit den späten 1960er Jahren lassen sich viel- Ein spezieller Dank gilt Wolfgang Zach für die gute fältige Tendenzen in der Kunst beobachten, die dem Zusammenarbeit und intensive Vorbereitung der Aus- traditionellen Medium der Zeichnung neue Wege ge- stellung. Gedankt sei ihm an dieser Stelle seitens des wiesen haben. Zach zeigt in diesem Kontext weitere Kunstvereins in Bremen und der Kunsthalle Bremen Möglichkeiten, indem er mittels seines aufwendigen aber auch als zuverlässiger Ansprechpartner in der technischen Prozesses die Bedingungen der Hand- Bremer Künstlerszene. Wolfgang Zach hat vielfältige zeichnung überdenkt und maschinell optimiert. Kooperationen angeregt und begleitet und dadurch
Ingmar Lähnemann: Die fremde Hand – Zeichnungen über Zeichnungen von Wolfgang Zach 12 Aktuelle Zeichnungen verweist, dass eine Illusion nicht im Vordergrund des Bildes steht, erinnert dennoch zunächst an die freie, Die Bildmotive von Wolfgang Zachs Zeichnungen, die malerische, schwarz-weiße Umsetzung eines Kanals, seit 2006 zentrale Serien seines künstlerischen Werkes an dem Bäume stehen. Im Kontext der Ausstellung in ausmachen und in diesem Katalog und der Ausstellung der Kunsthalle Bremen, deren Gemälde der Worpswe- Die fremde Hand in der Kunsthalle Bremen vorgestellt der Künstlerkolonie einen guten motivischen Vergleich werden, weisen große Variationen auf. im Museum bieten, ist man umso bereiter, eine derar- tige inhaltliche Zuordnung vorzunehmen. Erkennt man Ihr gemeinsamer Nenner ist die Art, wie sie gezeichnet die Bildelemente, die eine realistische Wiedergabe sind, und ihre Ausführung in Abstufungen von Schwarz eines solchen Sujets unterwandern – so etwa die ver- und Weiß, das heißt in vielfältigen Grautönen. Darüber meintlichen Bäume unterhalb des Moorkanals –, bleibt hinaus lässt sich feststellen, dass eine hohe Tendenz die Assoziation eines informellen Gemäldes, das in zur Abstraktion im überwiegenden Teil der Zeichnungen gestischer Malweise eindeutige Reminiszenzen an ein Abb. 1, 24°21‘17,45‘‘ N, 54°30‘22,35‘‘ E, h 761 m, 45 x 58 cm, 2007 besteht und es Betrachtern der Werke oft nicht möglich reales Bildmotiv erzeugt und variiert. Als Referenzen ist, die meist amorphen Bildinhalte realen Situationen fallen in der ersten Ansicht neben den Worpsweder zuzuordnen. (Abb. 1) Malern auch Künstler wie Jean Dubuffet oder Antoní Tàpies ein. Doch handelt es sich bei 22°53’06,69’’ N, Einige Arbeiten zeigen jedoch sehr deutlich, dass 31°21’09,74’’ O, h 3,02 km weder um einen Moorkanal ihnen eine Fotografie als Ausgangsbild zugrunde liegt noch um Malerei, obwohl auch die Maße von 157 x 240 und enthalten Bildgegenstände, deren reales Ausse- cm in diese Richtung deuten. Nicht einmal informell ist hen und ihre reale Funktion man erkennen kann. Im das Kunstwerk. Überblick der Variationen in den aktuellen Themen Zachs wird deutlich, dass es sich in keiner Weise um Stattdessen blickt man auf eine Zeichnung, die auf abstrakte Bilder handelt. Abstrahierende Tendenzen einem komplexen und komplizierten Zeichenprozess sind schon in den fotografischen Vorlagen angelegt beruht und eine Fotografie wiedergibt, die Zach aus und werden durch Zachs Zeichenprozess nur herausge- der unendlichen Bilderwelt des Internets extrahiert hat. arbeitet. Auch wenn der Künstler mit der erschwerten Die Assoziation an einen Moorkanal ist nicht vollkom- Wiedererkennbarkeit bestimmter Formen seiner Arbei- men fern der Realität, weil es sich bei den Bildinhalten ten und damit mit der Rezeption der Betrachter spielt, tatsächlich um Landschaften handelt. Bei der Auswahl ist es kein primärer Aspekt seiner Bilder, sie für etwas seiner Vorlagen lässt sich anhand der Ergebnisse in auszugeben, das sie nicht darstellen. den aktuellen Zeichnungen feststellen, dass der Künst- ler durchaus ein Interesse an Ausgangsbildern hat, die Die Zeichnung 22° 53’06,69’’ N, 31° 21’09,74’’ O, h bereits ein hohes Maß an abstrahierenden Elementen 3,02 km (Kat. Nr. 15, S. 40), deren profaner Titel darauf haben.
Dies betrifft zunächst die Perspektive, aus der die aufweisen, erst recht aus der Vogelperspektive. Neben 1) Je nach Bildmotiv kann die Höhenangabe weit 13 Landschaften und alle realen Gegenstände darin auf- zahlreichen Bildvorlagen aus der Wüste finden sich vor mehr als eine technische Information sein. So zeigt die Zeichnung lat 30,522481°, lon 19,761797°, h 1,14 km genommen wurden. Zach greift auf einen Fundus von allem Ausgangsbilder aus dem Eismeer und der Tundra. 3) (Kat. Nr. 20, S. 44) einen Ausschnitt einer Wasseroberfläche Aufnahmen der Erdoberfläche aus der Vogelperspektive und des beginnenden Strands. Aufgrund fehlender zurück, die zum Teil aus weiter Entfernung fotografiert So sehr zum Beispiel auseinanderdriftendes Eis (Kat. Details ließe sich vermuten, dass hier das Meer aus der wurden. Diese wird jeweils am Ende des Titels einer Nr. 14, S. 39) in der Sicht von oben ungegenständliche Nähe aufgenommen wurde, aber der Titel zeigt, dass Zeichnung bezeichnet, im Fall des vermeintlichen Moor- Bildqualitäten aufweist und sich als Rechtecke vor einem es sich um eine Distanz von 1,14 km der Kamera zur Land- kanals blicken wir demnach aus einer Höhe von 3020 einheitlichen Hintergrund darstellt, so wenig bemüht schaft handelt. Metern auf einen Ausschnitt der Erdoberfläche. 1) Die- sich der Künstler darüber hinaus um eine Abstrahierung 2) An diesem Motiv zeigt sich deutlich ein weiterer Aspekt sen könnte man aufsuchen, um die Ansicht aus unserer im Sinne einer Verschleierung der realen Gegebenheiten der Ausgangsbilder der Zeichnungen. In den meisten normalen Perspektive zu überprüfen, denn Zach legt im seiner Vorlagen. Stattdessen greift er in vielen Fällen die Fällen stellt Zach Momentaufnahmen dar, Ansichten, die Titel die genauen Positionsdaten des Ausgangsbildes merkwürdigen abstrakten Qualitäten der Erdoberfläche zum Zeitpunkt seiner künstlerischen Umsetzung bereits offen. Im konkreten Fall betrachtet man eine Wüsten- und ihrer menschlichen Umgestaltung auf. In der Arbeit nicht mehr oder nicht mehr in dieser Gestalt bestehen. landschaft, in der ein Kanal gebaut und zu den Seiten lat 32,434647°, lon 13,607670°, h 1,59 km (Kat. Nr. 23, Sand und Erde aufgefahren wurden. 2) Zach bezieht S. 47) zum Beispiel bleibt erkenntlich, dass hier aus der 3) Auch wenn die Tendenz zu Landschaften deutlich wird, die aus der Vogelperspektive in sich weitgehend sich auf Landschaften, die bereits abstrakte Qualitäten Luft eine karge Landschaft dargestellt ist, in der Men- abstrakte Formen visualisieren, ist zu betonen, dass Zach schen eine Bepflanzung angelegt haben, die sich durch sich in der gleichen Weise mit Sujets auseinander- Abb. 2, Malte Spohr, g. L. X, Farbstift auf Bütten, regelmäßige Reihen auszeichnet. Die gleichförmigen setzt, die uns kaum fremd sind, in denen wir bekanntere 42 x 42 cm, 2005 (Courtesy Galerie Werner Klein, Köln) Punkte, die trotz der Kenntnis ihrer realen Gestalt wie Bilder der Welt aus der Aufsicht erleben, wie dies zum kleine, gestochene Löcher im Bild wirken, stehen den Beispiel in 53°08’21,90’’ N, 8°40’41,87’’ O, h 80 m (Kat. Nr. 11, amorphen Flächen in der Zeichnung gegenüber. Zach S. 36) sichtbar ist. Zwar ist nicht zu erkennen, dass es interessiert sich für die Besonderheiten der außerge- sich um ein Bremer Motiv handelt, aber für Betrachter unse- rer westlichen Industriegesellschaft ist der Blick auf wöhnlichen Blickwinkel, die den Ausgang für seine Bil- derartig geordnete Rollen auf dem Grundstück einer Fabrik der bilden. Diese Besonderheiten stellen sich in vielen ein bekannter Anblick, dar in der Aufsicht und Zachs Fälle als Abstrahierungen der Landschaft einerseits und zeichnerischer Verarbeitung nur wenig abstrahiert wird. menschlicher Handlungen darin andererseits dar. Der Künstler folgt aber in keiner Weise der In- tention, Betrachtern gegenüber die Vorlagen seiner Zeichnungen geheim zu halten. Im Vergleich mit den kleinformatigen, aufwendigen Handzeichnungen Malte Spohrs (Abb. 2), dessen Arbeiten 2007 in der Kunsthalle Bremen ausgestellt wurden, wird deutlich, dass auch Zachs Werke einen visuellen Reiz daraus beziehen,
14 4) Die Rolle der Technik und die intensive Beschäf- dass in vielen Fällen nicht ersichtlich ist, ob man ei- Schraffur entstehen, werden von gängigen industriel- tigung mit Technik im Gesamtwerk Zachs ergäbe Stoff ner mikroskopischen oder einer makroskopischen Sicht len Plottern ausgeführt, wie sie zum Beispiel von Archi- für einen eigenen Artikel. Es kann hier nur darauf auf die Welt folgt, obwohl zumindest die Assoziation tekten benutzt werden, da diese Maschinen besonders verwiesen werden, dass er sich bereits in seinen ersten künstlerischen Erfolgen in den 1970er Jahren eine an die einen wie die anderen Strukturen nahe liegt, exakte Linien ermöglichen. Um in diesen Zeichnungen bestimmte Technik, das Schweißen, angeeignet hat, um man also bei beiden Künstlern nicht vermutet, eine ab- differenzierte Kontraste und Übergänge zwischen den Fahrradobjekte zu schaffen, die er aus gewöhnlichen strakte Bilderfindung zu betrachten. Es ist aber durch- einzelnen Graustufen zu erreichen und so die Formen Fahrrädern extrahiert hat. Er setzt sich in diesen Kunst- aus möglich zu sehen, dass Zachs Arbeiten auf einem der Vorlage umzusetzen, verwendet Zach verschiedene objekten mit der Funktion der Fortbewegungsma- makroskopischen Blick beruhen. Diese Möglichkeit des Grafitminen der Härtegrade 2H bis 4B. Diesen Typ von schine auseinander, indem er ihren eigentlichen Zusam- Betrachters ist vom Künstler gewollt. Plotter, in dem das Papier über eine Rolle gezogen wird, menhang auflöst und dadurch neue Möglichkeiten der hat der Künstler 2001 erworben und setzt ihn seitdem Nutzung schafft, die er in öffentlichen Fahraktionen auch umsetzen lässt. Immer wieder wird deutlich, dass Darüber hinaus enthalten seine Zeichnungen auch für seine Zeichnungen ein. Durch die Technik der schraf- Zach eine Technik-Affinität und auch die Begabung, sich deutliche Hinweise auf den komplexen maschinell be- fierten Flächen und die damit möglichen feinen Abstu- komplexe technische Prozesse bis hin zur Laser- dingten Prozess, der ihnen zugrunde liegt. Insbesondere fungen im Bild eignet er sich in besonderem Maße für Technik anzueignen, dazu nutzt, technische Vorgänge zu die großformatigen Arbeiten zeigen dies, da neben der bestimmte Vorlagen. So lassen sich die Porträtfotos, die abstrahieren. Dies gilt für die Fahrradobjekte ebenso gleichbleibenden Länge beziehungsweise Breite von Zach seit neuestem in Zeichnungen überträgt (Abb. 3, wie für seine beweglichen Drahtskulpturen und die Kunst- 157 cm ersichtlich bleibt, dass sich die dargestellten Diana) nur mit einem kleinen Plotter ausführen, um eine projekte im öffentlichen Raum wie den Bremer Tide- Bilder aus exakten parallelen Linien ergeben, die der hohe Bildähnlichkeit zu erreichen. brunnen von 1991, der mittels beweglicher Elemente den Weserstand anzeigt, oder wie das Laserobjekt für 157 cm langen Seite folgen. Aber auch die gleichmäßi- das Bremer Kongresszentrum von 1992. Und es trifft in gen Schraffuren der kleinen Formate verweisen auf den Der ältere, größere Plotter eignet sich für dieses besonderem Maße auf die technische Erschlie- maschinellen Zeichenprozess. Thema nicht. Bereits seit 1987 führt Zach großforma- ßung und Fertigung der aktuellen Zeichnungen zu. tige Zeichnungen mit dieser Art von Plotter aus. Er hat ihn selbst konstruiert, zum einen weil ein Plotter zu Computergenerierte Zeichnungen dieser Zeit kaum erschwinglich war, zum anderen weil Zach auf diese Weise jedes technische Detail des ma- Grundlage der graustufigen Bilder ist ein aufwendiger schinellen Zeichenprozesses kennen lernen, für seine Prozess, der aus mehreren technischen Schritten be- Bedürfnisse optimieren und anschließend kontrollieren steht, in denen Zach seine Ausgangsbilder in Zeich- konnte. 4) Dieser Plotter funktioniert als Zeichentisch, nungen umwandelt. Gezeichnet werden sie von einer über den an einer Schiene ein Wagen parallel zu zwei Grafitmine, das heißt einem Werkzeug, das traditionell Rändern des Tisches über das flach aufliegende Papier zum Zeichnen verwendet wurde. Diese Mine wird al- läuft. Er erlaubt das Bearbeiten von Papier bis zu einer lerdings nicht von der Hand des Künstlers geführt, Breite von 157 cm und einer theoretisch unendlichen sondern von Zeichenmaschinen, so genannten Plottern. Länge, denn Zach hat diese Zeichenmaschine so kon- Zwei Typen von Plottern stehen ihm zur Verfügung. Die struiert, dass er lange Papierbahnen langsam über den kleinformatigen Zeichnungen, in denen die Flächen per Zeichentisch schieben kann. Ein Beispiel einer sehr
großen und damit langwierigen, komplizierten und feh- durch die Stärke des Andrucks erzeugt, geht ein kom- 5) Diese Arbeit zeigt das zweite bedeutende Thema aktu- 15 leranfälligen Zeichnung stellt die Arbeit Galaxie 510 - plexer technischer Prozess voran, in dem das gefun- eller Zeichnungen, das Zach seit 2006 beschäftigt, das kurz vor den Vogelperspektivblicken auf die Erde begonnen G13, ESA (Kat. Nr. 40, S. 62) von 2008 dar. 5) dene Ausgangsbild für die Zeichnung modifiziert und hat und dessen Vorlagen ebenfalls Fotografien aus dem aufbereitet wird. Dieser beinhaltet mechanische und Internet sind. Es handelt sich um den Blick ins Weltall und die Der eigentlichen Zeichnung, die im Fall des großen elektronische Elemente, die der Arbeit der Zeichenma- Umsetzung fotografischer Darstellungen von Sternen, Plotters von einer Grafitmine der Härte 4B ausgeführt schine zugrunde liegen. Zach hat sie im Sinne seiner schwarzen Löchern, Galaxien etc. Diese Zeichnung hat der wird, die Differenzierungen der Graustufen im Bild Bildintention optimiert. Künstler explizit für die Ausstellung und den spezifischen Ausstellungsraum in der Kunsthalle Bremen gefertigt. Damit Abb. 3, Diana, 63 x 85 cm, Zeichnung, 2008 stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Ortes der Präsentation dieser Bilder, der Zach 2005 in einer Doppel- ausstellung solcher Sternenbilder im KUBO, Bremen, und im öffentlichen Raum auf einer Litfaßsäule nachgegangen ist. Der Künstler verdeutlicht, wie variabel die gleichen Bilder und die gleiche Technik ihrer Herstellung eingesetzt werden können, um eine Zeichnung zu erstellen, die sowohl als scheinbar originales, autonomes Museumsbild wie auch als Plakat im öffentlichen Raum überzeugend wirken kann. Der besondere technische Prozess von Zachs Zeichnungen stellt gängige Kunstdefinitionen in Frage.
16 6) Hinsichtlich der Technisierung des Zeichenprozesses Der Plotter, wie der Künstler ihn für seine Zwecke Computerzeichnungen? in den aktuellen Arbeiten Zachs ist es ein weiteres wichtiges konstruiert hat, wird durch ein Computerprogramm ge- Kriterium, dass er auf das Internet als Quelle zurückgreift, steuert, das Zach selbst schreibt, anfangs jeweils für Zach verwendet schon seit 1983 Computer zur Erstel- in dem sich eine vollkommen neue Verfügbarkeit von Bildern die spezifische Vorlage und deren Wiedergabe in der lung seiner Arbeiten. Er setzt damit Fähigkeiten ein, die erschließt. Beide aktuellen Serien zeigen dies. Sowohl die Blicke von Satelliten auf die Erde als auch ins Weltall Zeichnung, später als universelles Programm, das in ihm sein Informatikstudium zwischen 1969 und 1972 in in die Sterne, die bisher nur Experten verfügbar waren, sind der Lage ist, jede Zeichnung auszuführen, auf dessen Karlsruhe vermittelt hat, bevor er von 1972 bis 1977 in durch Computer und Internet inzwischen einfach zu erhalten. Eigenschaften Zach sich jedoch bei der Vorbereitung derselben Stadt die Kunstakademie besuchte. Ab den Obwohl Zach eigene fotografische Tätigkeit in gleichem der Vorlagen einstellt. Wesentliches Grundelement 1980er Jahren fanden Personal Computer Verbreitung Maße als Bildquelle akzeptiert (siehe Gespräch mit Herwig des Programms sind Daten, mittels derer eine Über- und machten die Computertechnologie erstmals privat Gillerke, S. 23), stellt das Internet einen wichtigen techni- einstimmung zwischen den Bildzeilen der Fotovorlage gebräuchlich und finanzierbar. Die Tatsache, dass es sierten Zwischenschritt in seiner Fertigung eines Kunstwer- kes dar. Eigene Bilderfindung wird für den Künstler noch und der Linienbreite in der Zeichnung erreicht wird, da dennoch keinen PC gab, der seine künstlerische Inten- obsoleter als in der vorhergehenden medialisierten Alltags- nur auf der Basis dieses korrekten Verhältnisses in den tion umsetzen konnte, führte dazu, dass der Künstler welt. Zach spiegelt in diesem Sinne auch unseren alltäg- einzelnen Linien der Grafitzeichnung Bildähnlichkeit neben der eigenen Programmiertätigkeit auch die lichen Bildaneignungsprozess, in dem sich mögliche, sicht- entsteht. Hardware selbst konstruierte und sich seinen Computer bare Bilder mit unmöglichen, nur durch moderne selbst baute. 7) Obwohl Zach in einer Zeit diese Techno- Technologie sichtbaren Bilder immer stärker mischen. Den Computerprogrammierungen geht eine Bild- logie studiert hatte, die von Großrechnern geprägt war, bearbeitung voraus, die Zach ebenfalls mittels des muss man ihn zur zweiten Generation von Künstlern 7) Dabei konnte Zach zwar auf vorgefertigte Bauteile zurückgreifen, diese waren jedoch nicht so kompatibel, Computers vornimmt, in diesem Fall aber mit gängiger rechnen, die auf den Computer für ihre Kunst zurück- wie dies heute üblich ist, wenn man sich einen eigenen Grafiksoftware. Hier verändert er die Ausgangsbilder griffen, denn der PC bedeutete eine wesentliche Zäsur Computer konstruiert, deshalb benötigte er die Hilfe seines so, dass eine Zeichnung möglich wird. Ein wichtiger in der Computerkunst. Bruders, der als Informatiker auch das BIOS für diesen Aspekt in diesem Prozess ist die Überführung der far- ersten Computer schreiben konnte. bigen Vorlagenfotos in Graustufen und eine spezifische Die Pioniere der Computerkunst erschlossen seit Bearbeitung bezüglich der Kontraste, je nachdem um den 1960er Jahren das neue Medium hinsichtlich sei- welches Bild und um welche Serie es sich handelt. ner formalen Möglichkeiten und theoretischen Bedeu- tung. Tendenziell finden sich in der Mehrzahl Bilder, die Eine Wüstenlandschaft enthält in einer schwarz- abstrakte Formen variieren oder erfinden und die den weißen Darstellung zum Beispiel nicht so starke Kont- Computer und Plotter als Reproduktionsmedien reflek- raste wie ein Bild aus dem Eismeer oder ein Blick in die tieren. Insbesondere ab dem Moment, in dem Ende der Sterne. Vor all diesen technischen Zwischenschritten 1960er Jahre ausgebildete Künstler auf das neue Medi- steht die Auswahl der Vorlage durch den Künstler aus um zurückgriffen, trat außerdem der Aspekt hinzu, dass dem unendlichen Bilderfundus des Internet. 6) Diese Computer und Plotter die Handschrift des Künstlers Wahl stellt, wie bereits beschrieben, eine wichtige zurücktreten lassen und einen Abstand zwischen der Entscheidung bezüglich der Rezeption der endgültigen Bildidee des Künstlers und der ausgeführten Zeichnung Zeichnung dar. erzeugen. Der Computer wurde in diesen Verwendun-
gen als bewusster technischer Zwischenschritt gese- Werkzeug hinausgeht. Für Zach ist es tatsächlich eine 17 hen, in dem insbesondere das Zufallsmoment – auch Technik, die bestimmte Prozesse ermöglicht, die aber gemäß theoretischer Positionen wie zum Beispiel bei auf einer kunsttheoretischen Ebene keinen entschei- Max Bense – ein wesentliches Element war, das zur denden Umbruch gebracht hat. In diesem Sinne setzt besonderen künstlerischen Form beitrug. der Künstler Computer und Plotter nicht ein, um über Kunst und Künstler insgesamt zu reflektieren, sondern In Zachs computergenerierten Arbeiten seit 1983, vielmehr über den spezifischen Zeichenprozess. auch in den aktuellen Zeichnungen, sind diese zentralen Aspekte der früheren Computerkunst enthalten. Spezi- Hier wird allerdings auch deutlich, dass Zach sich elle formale Möglichkeiten des Computers zeigen sich dessen, was der Computer an Veränderungen gebracht in der Umsetzung der Vorlagenfotografie in eine Plot- hat, noch bewusst ist und dieses in seinen Arbeiten terzeichnung, in der es dem Künstler möglich ist, Über- auch berücksichtigt. Im Vergleich mit aktueller Compu- einstimmungen zu erzielen, die ohne die Präzision der terkunst, die aufgrund der Verbreitung dieses Mediums Maschinen nicht gelingen könnten. Insbesondere die bis in die kleinsten alltäglichen Prozesse kaum noch zu Frage nach dem originalen Bild, der originalen Bildidee definieren ist, wird deutlich, dass Zachs Zeichnungen und der Rolle des Künstlers beziehungsweise der In- fast einen anachronistischen Umgang mit dem Compu- fragestellung dieser Rolle des Künstlers klingt deutlich ter spiegeln. Ihm ist das Innenleben aller technischen an, wenn man sich bewusst macht, wie viele Entschei- Zwischenschritte der Bilderzeugung bekannt. Dies gilt dungen nicht Zachs spezifischem künstlerischen Genius für die Hardware ebenso wie für die eigenhändige Pro- unterliegen, sondern technischen Abläufen überlassen grammierung. Im Gegensatz zum üblichen aktuellen sind. Dies gilt für die Auswahl eines Vorlagebildes aus Einsatz des Computers greift er nicht auf vorproduzierte der Alltagswelt, wie es seit der Pop Art der 1960er Jah- Elemente und Software zurück, die bestimmte Arbeiten re ein übliches Verfahren darstellt, in dem die genuine des Künstlers erleichtert oder übernimmt oder dessen Bilderfindung durch den Künstler ad absurdum geführt Technik so verfeinert, dass gewisse Eingriffe nicht mehr wird. Es betrifft aber auch die Überantwortung der Aus- sichtbar werden. In Zachs Ansatz ist der Computer alles führung der Zeichnungen an den Plotter. andere als ein Beschleunigungselement im Bilderzeu- gungsprozess. Andererseits jedoch stellen Computer und Plotter (und vor der Konstruktion des Plotters der Nadeldru- cker, mittels dessen Zach seine computergenerierten Zeichnungen einer fremden Hand Grafiken ausgab) nicht mehr das andersartige Medium dar, das ungekannte Möglichkeiten zur Kunstprodukti- Stattdessen erweist sich die technisch-maschinelle Fer- on beisteuert und sich so sehr von den traditionellen tigung der Zeichnungen als langwieriger und komplexer Kunstmedien unterscheidet, dass es über ein bloßes Vorgang, in den der Künstler immer wieder eingreift,
18 um die notwendige Präzision zu gewährleisten, auf der Aber Zach bleibt in den gesamten Prozess der die Ähnlichkeit der Arbeiten mit dem ausgewählten Zeichnung involviert, eine bewusste Überantwortung Vorlagebild beruht. Je nach ihrer Größe dauern Zeich- der künstlerischen Leistung an den Plotter findet nur nungen teilweise mehrere Tage bis Wochen. Für die marginal statt, stattdessen kontrolliert der Künstler je- Galaxie 510 für die Ausstellung in der Kunsthalle Bre- den Schritt des Zeichenprozesses und ganz besonders men brauchte die Zeichenmaschine drei Wochen. Beide das Zeichnen durch die Grafitmine selbst. Aufgrund zur Verfügung stehenden Zeichenverfahren sind fehler- dieser dauernden Auseinandersetzung mit der Tätigkeit anfällig, gerade hinsichtlich der Umsetzung mittels der der Maschinen und der teilweise sehr langen Zeitspan- Grafitmine. Der Künstler muss zum Beispiel Minenbrü- ne bis zur Fertigstellung einer Zeichnung, macht es für che und Papierveränderungen einkalkulieren und die Zach keinen Unterschied, ob er ein Motiv als Serie wie- Abschrägung der Mine beim Zeichnen berücksichtigen. derholt oder aus dem annähernd unendlichen Fundus So werden mögliche technische und mechanische Pro- von Vorlagenbildern im Internet ein anderes Motiv ex- bleme im Zeichenprozess im Voraus einkalkuliert und in trahiert und als Zeichnung aufbereitet. Seine Arbeiten die Programmierung aufgenommen. kommen so der traditionellen Vorstellung des Originals in der Kunst und seines Wertes wieder nahe, obwohl Die aktuellen Zeichnungen Zachs sind in ihrem Her- seine technischen Medien diesem Gedanken wider- stellungsverfahren insbesondere hinsichtlich des grafi- sprechen. schen Zeichenaktes, auch in den kleinen Formaten, so aufwendig, dass ein sehr wesentliches Kriterium zur ur- Zach begleitet als Künstler den gesamten Zeichen- Abb. 4, selbst konstruierter Zeichentisch-Plotter von 1987 sprünglichen Verwendung des Computers und Plotters in prozess im Detail. Er zerlegt diesen Prozess in einzelne der Kunst fast wieder aufgehoben wird. Denn diese ma- Bestandteile, die sich durchaus mit dem klassischen schinellen Medien wurden auch deshalb gewählt, weil Vorgang einer Künstlerhandzeichnung vergleichen las- sie eine neue Form von Reproduktionsverfahren garan- sen, in dem eine Bildidee über das Gehirn an die Hand tierten, die noch deutlicher als herkömmliche Druckver- übermittelt wird, die wiederum die Zeichnung umsetzt. fahren die Frage nach der Originalität des Kunstwerks Zu berücksichtigen sind Abläufe, die bei jeder Ausfüh- aufwarfen. Auch bei Zach ist zu überlegen, ob seine spe- rung eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Bewegung zifische künstlerische Leistung nicht in der Programmier- des Arms, die Handhaltung etc. und spezifische Unwäg- tätigkeit zu finden ist, sich hier sinngemäß seine indivi- barkeiten wie die Müdigkeit der Künstlerhand, die auf duelle Künstlerhandschrift zeigt. Die fertige Zeichnung, die jeweilige Linie zurückwirken. Deutlich wird in dieser die den Mechanismen der Kunstdistribution unterworfen Beschreibung die Fehleranfälligkeit der traditionellen wird, das heißt in Ausstellungen gezeigt und am Kunst- Handzeichnung, die ein Element der Zufälligkeit in jede markt gehandelt wird, wäre in diesem Sinne nicht viel Zeichnung integriert, die aber auch für ein bestimmtes mehr als eine unvollkommene Visualisierung dessen, künstlerisches Bewusstsein steht. Picassos Diktum, was der Künstler an anderer Stelle geleistet hat. dass die Müdigkeit der Hand, während man zeichnet,
eine Wahrnehmung der Zeit ist, charakterisiert dieses Ähnlich wie in der Fotografie seit den 1980er Jah- 8) Rosand, David: Drawing acts: studies in graphic 19 Bewusstsein. 8) ren findet hier noch einmal eine Emanzipation gegen- expression and representation, Cambridge 2002, S. 12 über der Malerei statt. Die Intimität von Zeichnungen, 9) Wolfgang Zach in einer Mitteilung an den Autor 2008. Im Vergleich mit dem üblichen Prozess der Erstel- die über Jahrhunderte ihr wesentliches Charakteristi- Es muss beachtet werden, dass sich die Absolutheit lung einer Handzeichnung erweist sich Zachs präzise kum war und sie gerade für eine Kennerschaft attraktiv dieser Linie nur auf ihre annähernd perfekte technische künstlerische Reflexion über die einzelnen Aspekte die- gemacht hat, wurde ebenfalls in den 1960er und be- Kontrolle bezieht, nicht auf den Anspruch, eine letzt- ses Prozesses, die er maschinell spiegelt beziehungs- sonders den 1970er Jahren aufgehoben, allerdings we- gültige Linie zu zeichnen. weise im Sinne einer Versuchsanordnung zur Zeichnung sentlich, indem man das Medium in Bereiche überführ- simuliert, als Optimierung des Zeichenprozesses durch te, in denen seine spezifischen Charakteristika kaum die Überantwortung an technische Komponenten. Es ist noch erkennbar waren, weil man mittels anderer Mate- ihm möglich, eine Linie von solcher Präzision zu zeich- rialien als den traditionellen zeichnete und weil es sich nen, dass er diese als „absolute Linie“ definieren kann. um Wandzeichnungen oder sogar Raumzeichnungen 9) Alle Elemente der traditionellen Handzeichnung, die handelte. Es ist eine Leistung, die traditionelle Grafit- zur Zufälligkeit der Linie beitragen, kann Zach auf ein zeichnung auf Papier in solche Formate zu übertragen, Minimum reduzieren, das sich aus der Fehleranfällig- dass die Bilder in der Wahrnehmung der Betrachter mit keit des Materials, d.h. der Minen und des Papiers, Malerei vergleichbar werden, aber Zach setzt diese ergibt, das aber auch die Lebendigkeit des Striches un- Formate nicht vor allem deswegen ein, weil Zeichnung terstützt. Der Künstler trägt mit seinem formalen Vorge- bisher eine untergeordnete Rolle gespielt hätte. Er will hen zur Neudefinition des Mediums Zeichnung bei. keine traditionelle Funktion von Zeichnung karikieren. Zach ist jedoch, anders als die Künstlergeneration Auch den Ausdruck einer individuellen, subjektiven der Conceptual art und der Computerkunst der 1960er Befindlichkeit des Künstlers und den Ausweis des spe- und 1970er Jahre nicht mehr damit beschäftigt, mittels zifischen Künstlergenies negieren seine Zeichnungen, der Betonung des Mediums Zeichnung deren traditio- da sie nicht mit der Hand ausgeführt sind. Aber Zach nell dialektische Rolle zu reflektieren und umzukehren. führt das Medium der Zeichnung nicht explizit ins Feld Denn Zeichnung galt seit Jahrhunderten als bloße kunsttheoretischer oder -politischer Aussagen. Seine Vorarbeit zur Vorbereitung der wahren Kunstwerke in Arbeiten reflektieren den Zeichenprozess selbst, was anderen Medien wie der Malerei einerseits und als anhand der Parallelität zur Handzeichnung auch in- Ausweis des individuellen künstlerischen Genius und sofern deutlich wird, als seine Zeichnungen wie eine seiner Befindlichkeit in der einzelnen gezeichneten Linie Handzeichnung wirken, die von einer fremden Hand andererseits. Für Zach ist Zeichnung selbstverständlich ausgeführt wurden. Eindeutig zeichnerische Elemente ein eigenständiges Medium, auf dessen gleichwertige finden sich sowohl in den Motiven, die er darstellt (ges- Position zu anderen Kunstmedien er sich auch mittels tische Linien zum Beispiel, siehe Kat. Nr. 12, S. 37), als der zum Teil sehr großen Formate bezieht. auch in den einzelnen Linien, aus denen das Gesamt-
20 bild letztlich besteht. Andererseits verweisen gerade Zeichnung wird häufig als „Zeichen-Setzung“ be- die exakten, parallelen Linien auf die technische Um- schrieben und anhand des Wechselspiels der schein- setzung und stehen dem Eindruck einer Handzeichnung bar neutralen Oberfläche (des Papiers) und der aktiven entgegen. Markierung, die diese Oberfläche energetisiert, charak- terisiert. Indem er Form und Bedeutung des jeweiligen Zeichens – der zusammenhängenden Flächen im Bild Zeichen als Zeichnung genau wie der einzelnen Linie und ihrer spezifischen Ge- staltung – einem technisch dominierten Auswahl- und Im Kontext der Wirkung einer fremden ausführenden Programmierungsprozess überlässt, geht Zach einen Hand zeigt sich, dass Zachs Reflexion des Zeichenpro- entscheidenden Reflexionsschritt zurück. Er fasst das zesses sich neben den komplexen technischen Zusam- Zeichen, das er in der Zeichnung auf das Papier setzt, menhängen auf dem Weg vom Ausgangsbild zur Zeich- in keiner Weise als abstrakte Größe, sondern analysiert nung vor allem auf den grafischen Akt des Zeichnens es hinsichtlich seiner materiellen Realität. Es bleibt er- und die bilderschließende Wahrnehmung des Betrach- sichtlich, wie sich jede einzelne Linie aus dem Abrieb ters bezieht. Auf die Bedeutung der Übereinstimmung der Grafitmine ergibt, wie deren Aufdruckstärke die Abb. 5, Plotter Detail, im Zeichenprozess der Bildzeilen im Ausgangsfoto mit der Linienbreite Spur auf dem Papier definiert. Hier kombiniert Zach den des Plotters zur Überführung des Vorlagenbildes in die makroskopischen Blick der Vorlagenbilder mit einem Zeichnung ist bereits verwiesen worden. Es handelt sich mikroskopischen Blick in die Struktur der Zeichnung. Er jedoch um mehr als eine technische Notwendigkeit im beschreibt diesen Aspekt seiner Arbeiten als „ein Le- Bildgenerierungsprozess, denn Zach betont auch in der gen von Staub auf Papier“ (Abb. 5). Anhand dieser Cha- fertigen Zeichnung, dass die Bilder aus einzelnen Linien rakterisierung wird deutlich, dass Zachs Zeichnungen entstehen, in denen jeweils verschiedene Graustufen ihr eigenes Verschwinden enthalten, zumindest dessen mit differenzierten Übergängen variieren. Dem Betrach- Möglichkeit – in einer Art Vanitas-Symbol, das sich ter wird bewusst, dass sich Flächen im Bild aus Linien aber auf das Bild bezieht, nicht auf den Betrachter. Das zusammensetzen, deren verschiedene Grauwerte zu- verwirrende Element, dass diese Zeichnungen immer sammenspielen. Vom fertigen Bild, unabhängig wie zwischen ihrer materiellen Ebene und dem dargestell- abstrakt oder gegenständlich sich dieses präsentiert, ten Bild changieren, zeigt an, wie zentral die Reflexion kann er jederzeit auf den Zeichenprozess zurückschlie- des Zeichenprozesses in den Arbeiten ist. ßen und das Bild kann wieder in seine zeichnerischen Bestandteile zerfallen. Demnach werden Betrachter von Zachs Arbeiten immer wieder auf den grafischen Die Zeichnung und das Bild Akt des Zeichnens zurückverwiesen und hierfür ist es auch bedeutend, dass anhand seiner Werke wiederholt Mit der Betonung der Erzeugung von Bildähnlichkeit die Wirkung eines Original-Kunstwerks entsteht. stehen Zachs Zeichnungen durchaus in einem Ver-
ständnis, dessen große Bedeutung für die Funktion Schöpfer ausweist, der mittels seiner individuellen Li- 10) Leonardos Ansatz kann hier nur auf diese spezifische 21 des Mediums sich in der traditionellen theoretischen nienführung die Macht besitzt, Bilder, Figuren, Welten Wirkung hinsichtlich der Doppeldeutigkeit einer Zeichnung zwischen Bilderfindung und Bildwiedergabe angewandt Aufarbeitung der Zeichnung zeigt, die seit der Frühre- zu erschaffen. Diese kunstpolitische Dimension tradi- werden. Als bedeutende Unterscheidung zum zeichnerischen naissance in Italien unter dem Begriff des „Disegno“ tioneller Disegno-Theorien negiert Zach mittels seines Vorgehen eines überwiegenden Teils der Künstler seit der subsumiert wurde. Leonardo, der als einer der ersten Bilderzeugungsprozesses, das heißt der Auswahl vor- Renaissance, das auch Leonardos theoretischem Diktum Künstler gelten muss, die sich explizit Gedanken über gefundener Bildvorlagen, und mittels der maschinellen zugrunde liegt, muss man feststellen, dass Zach seine gezeich- die spezifische kunsttheoretische Bedeutung des Medi- Herstellung der Zeichnungen, die diese Bilder reprodu- neten Bilder immer aus Flächen aufbaut und sich niemals ums Zeichnung gemacht haben, stellte fest, dass in der zieren. auf Konturlinien beruft. In diesem Sinne verzichtet Zach auf die Zeichnung eine betonte Illusion vollzogen wird, die an- Funktion der Linie, auf der Papieroberfläche eine räumliche Trennung zu vollziehen, die eine Bedeutungszuweisung ders als in der Malerei sichtbar bleibt. Er bezog sich auf Aber der Künstler zeigt durch seine Zeichnungen beinhaltet. Er setzt keine Zeichen, die das Blatt in definierte die Konturlinie, die zwar die Figur im Bild konstituiert, Betrachtern den neuralgischen Punkt jeglicher abbil- und undefinierte, in dargestellte und undargestellte Bereiche die in der Natur aber nicht existiert. Zeichnungen lassen dender Kunst, aus eigenen Setzungen Bilder zu er- unterteilt. Damit negiert er noch einmal aktiv die markierende sich zwar durch Schraffuren annähernd „malerisch“ ge- zeugen, die so konstituiert sind, dass ihre materiellen Funktion des einzelnen gezeichneten Zeichens. Hierarchien stalten, so dass das Element der einzelnen Linie weit- Elemente in der Wahrnehmung des Betrachters das be- existieren in seinen Zeichnungen nicht, deren Ränder das gehend kaschiert wird, aber sie bleibt immer enthalten. absichtigte Bild zusammensetzen. Es ist insbesondere Bild radikal beschneiden und keine Referenzpunkte für die Formen in der Zeichnung sind. Die Bilder lassen sich immer als Ersichtlich wird dies auch in Zachs kleinformatigen im digitalen Zeitalter keine neue Erkenntnis, dass die eindeutige Ausschnitte aus einem größeren Zusammenhang Zeichnungen, die der Plotter mittels Schraffuren und in Bilder, die wir in den verschiedenen künstlerischen Me- erkennen. der Variation verschiedener Härtegrade der Grafitmine dien sehen, eine Illusion darstellen, aber es ist nach wie erstellt. Selbst in den Bildbereichen, in denen nahezu vor eine besondere Leistung, solche Bilder zu erzeugen 11) Rosand 2002, S. 2, definiert das Zeichen auf dem Papier, das schwarze Flächen dargestellt werden, bleibt sichtbar, und gleichzeitig auf deren materielle Beschaffenheit in jeder Zeichnung gesetzt wird, grundsätzlich als besondere dass sich diese Flächen aus der Akkumulation von Li- aufmerksam zu machen und darauf zu verweisen, dass Möglichkeit, diese Doppeldeutigkeit zum Ausdruck zu bringen. nien ergeben. diese Erzeugung der Bilder in unserer Wahrnehmung In Zachs Zeichnungen wird dieser Aspekt jedoch um einiges deutlicher als bei anderen Zeichnern, weil sich erst aus der stattfindet. 11) Zach selbst beschreibt diesen Vorgang Zusammensicht der einzelnen Linien das Bild ergibt. In dieser Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur Malerei. als ein „Sehen auf Durchschnittswerte“ und in jedem Hinsicht erzeugt die jeweilige Linie die bildliche Illusion, aber Und sobald man sich in der Zeichnung auf noch sicht- technischen Schritt der Umsetzung eines Bildes in einer sie konstituiert auf der anderen Seite kein einheitlich rezipier- barere Linien bezieht wie Zach in den großformatigen Zeichnung beziehungsweise als Zeichnung bezieht er bares Bild, das dadurch ebenfalls als Illusion entlarvt wird. Arbeiten, die sich deutlich aus parallelen Linien zusam- sich auf Durchschnittswerte. 12) Der Betrachter zeich- mensetzen, tritt Leonardos Charakterisierung in den net in diesem Sinne immer schon mit. 12) Es handelt sich zunächst um eine rein technisch be- Vordergrund, dass im Medium Zeichnung zwangsläufig dingte Charakterisierung, da Zach sich auf die Durchschnitts- helligkeiten der Felder in der Karte der einzelnen Grau- immer zwei Aspekte des Bildes kenntlich werden: die stufen bezieht, die er im Voraus zeichnet. Seine Annahme künstlerische Bilderfindung einerseits und die Bildwie- Zeichnungen ohne Ende ist, dass der einzelne Strich bei Verwendung dieser Durch- dergabe andererseits. 10) Zach zieht aus dieser Leonar- schnittswerte der Graukarte die gleiche Helligkeit aufweist. do-Erkenntnis nicht mehr dessen Rückschluss, dass Die aktuellen Arbeiten Wolfgang Zachs verwenden insbesondere die Zeichnung den Künstler als genuinen demnach nicht nur formal das Medium Zeichnung, son-
22 13) Schon vor den aktuellen Serien hat sich Zach dern analysieren die grundlegenden Bedingungen die- die formale Umsetzung in einer potenziell unendlichen mit den Besonderheiten der Zeichnung bei der Bild- ses künstlerischen Mediums und reflektieren seine Be- Serie von technisch ähnlichen Zeichnungen der Serie entstehung im Verhältnis zu anderen künstle- sonderheiten im Prozess der Entstehung von Bildern. 13) von Ausgangsbildern, die der Künstler in den sich im- rischen Medien auseinander gesetzt. Deutlich wird dies vor allem in seinen Kooperationen, in denen Dieser Bildentstehungsprozess wird in den Werken so- mer wandelnden Ansichten der Erde und dem unendli- er seine Reflexion über den Zeichenprozess auf die wohl hinsichtlich des künstlerischen Aktes der Zeichen- chen Raum des Weltalls findet. Vorlagen anderer Künstler angewendet hat. Dies setzung als auch in Bezug auf die Wahrnehmung des betrifft sowohl die fotografischen Arbeiten von Anna Betrachters dargestellt. Letzterer Aspekt der Zeichnun- Trotz der großen Unterschiede in den Formen der Solecka als auch die abstrakte, zeichenhafte gen spiegelt sich in den ausgewählten Vorlagebildern, Motive lässt sich die Vielzahl von Demonstrationen von Malerei Karl Heinrich Greunes. die Zach in seine Durchschnittswerte des Zeichnens Zachs zeichnerischen Verarbeitungen der Vorlagen als und der Wahrnehmung überführt. Diese Bilder sind für Übersicht wieder zusammenfügen. Im Überblick der Bil- den Betrachter eigentlich nicht sichtbar und geben den- der, die dem Betrachter präsentiert werden, ergäbe sich noch die materielle Realität unserer Welt wieder. räumlich wieder ein Gesamtbild, das sich zeitlich aber als Schichtung präsentiert. Denn so sehr Zachs aktuelle Es ist deutlich geworden, dass sich Zachs Zeich- Zeichnungen die Erdoberfläche und den Weltraum puzz- nungen, obwohl es sich um Computergrafik handelt und leartig erschließen, stehen sie für eine Momentaufnah- der Künstler durch große technische Kenntnisse zum me – bezüglich des spezifischen Bildes, das er umsetzt, Experten computergrafischer Positionen geworden ist, besonders aber bezüglich des zeichnerischen Aktes, der weniger auf eine Auseinandersetzung mit technischen als Bild aus einzelnen Linien und Grauwertflächen und Medien beziehen als auf die traditionelle Handzeich- als Grafitstaub auf Papier seine eigene Auflösung ent- nung. Deren Qualitäten werden in das Zeitalter tech- hält. Zachs Maschinen müssen und können immer wei- nischer Reproduktion übertragen und gleichzeitig ihre terzeichnen. In ihnen läuft eine präzise, kontinuierliche Möglichkeiten durch Zachs Verfahren erweitert. und dennoch bemerkenswert menschliche Verarbeitung und Deutung der Bilderflut, die uns ansonsten unbe- Ein entscheidender Vorteil der maschinellen Aus- merkt umrauscht. Das ist eine beruhigende Erkenntnis. führung der Zeichnungen ist die Präzision der einzelnen grafischen Elemente, deren Berechenbarkeit und poten- ziell unendliche Wiederholbarkeit. Obwohl der Künstler kaum Zeichnungen wiederholt und jede einzelne sich in ihrer Wirkung als Handzeichnung einer fremden Hand auch auf Originalität zu berufen scheint, ist das serielle Element ein zentraler Aspekt der Arbeiten Zachs. Wie gesehen, gilt dies weniger, weil dadurch das Potenzial der Zeichnung als Ausweis individueller künstlerischer Bedeutung zurückgenommen wird. Vielmehr entspricht
Der andere Blick Ein Interview von Herwig Gillerke ich angefangen habe, davon Maschinenzeichnungen zu H. G.: Wäre es möglich, Deine Zeichnungen 23 mit Wolfgang Zach machen, habe ich mir von einer Objektidee eine bildli- farbig zu arbeiten? che Vorstellung vor meinem geistigen Auge gemacht, Herwig Gillerke: Die Ausstellung trägt den wie so eine Arbeit aussehen und sich bewegen könnte. W. Z.: Erst einmal würde ich sagen, Grau ist auch Titel Die fremde Hand. Der Titel beschreibt letzt- Diese Struktur habe ich versucht durch Mathematik zu eine Farbe. Grundsätzlich hat es mich interessiert, mit endlich Deinen Arbeitsvorgang. Du arbeitest mit beschreiben. Dann kam der Prozess, durch Steuerbefeh- Farbe zu arbeiten, aber es ist einfach deshalb nicht Maschinen und mit selbstgeschriebenen Pro- le die Maschine so zu bewegen, dass sie die Zeichnung möglich, weil die Qualität der Farbstifte zu schlecht ist grammen. Du gehst eher wie ein Datenverarbei- herstellt. Von Assistenten kann man das nicht ausfüh- und die Auswahl zu gering. Mein Programm habe ich ter vor, also auf den ersten Blick nicht sehr künst- ren lassen, es wäre ein unendlicher Aufwand das zu dafür angelegt, auch in Farbe zu arbeiten, aber ich habe lerisch. vermitteln. Ich könnte auch von Hand zeichnen. Aber kein Material gefunden. ich bemühe mich immer, diesen Maschinenprozess so Wolfgang Zach: Das klingt so, als würdest Du nur weit zu treiben, dass man das von Hand eben nicht aus- Was die Farbigkeit angeht, finde ich, dass die Dif- den Arbeitsprozess betrachten. Natürlich ist es so, dass führen kann. ferenzierung im Grau auch Farbe ersetzen kann. Wenn die Arbeit auch darin besteht, dass ich Gedanken for- man zeichnerisch arbeitet, ist die Frage, wie man muliere, die dann durch Maschinen ausgeführt werden. H. G.: Deine künstlerische Arbeit besteht Helligkeiten und Dunkelheiten wiedergeben kann. Im Ich muss also für meinen künstlerischen Arbeitsprozess darin, das Motiv zu suchen, das Programm zu Prinzip arbeitet man ja mit Licht, beziehungsweise man eine ziemlich detaillierte Planung machen, weil ich das, schreiben und Feinheiten auszugleichen. Hinzu stellt eine Staubstruktur auf dem Papier her, die Licht was andere Künstler mit ihrer Hand machen, durch die kommt, den Bedarf an Bleistiftminen zu decken absorbiert und die dann das Bild ist. Maschine ausführen lasse. Alles was in der Vorberei- und auszuprobieren, wie sie funktionieren, und Abb. 6, Herwig, Zeichnung, 30 x 40 cm, 2006 tung fehlt, wird nachher nicht ausgeführt. unterschiedliche Papiere auszutesten. Ist das nicht eine sehr coole, distanzierte Haltung? H. G.: Du bist jemand, der im Vorfeld sehr viel plant, um die Arbeiten machen zu können, aber W. Z.: Ich habe den Zeichenprozess auf ein be- letztlich übernimmt Deine Maschine das Zeich- stimmtes Papier eingestellt und nehme immer die nen – ist da nicht eine große Distanz zwischen gleiche Mine. Ich kann mich, da jetzt meine Program- Bildträger und Dir? Du könntest Dir auch einen me entwickelt sind, auf den Entwurf konzentrieren Mitarbeiter suchen, den Du bezahlst, der nach und hinterher das Ergebnis beurteilen und überle- Deinen Anweisungen arbeitet. gen, wo ich meinen Zeichenprozess verbessern kann. Aber während des Zeichenprozesses und anhand des W. Z.: Bei der Arbeit habe ich eine ganz bestimmte Ergebnisses versuche ich, dieses Manuelle der Ma- bildliche Vorstellung von dem, was ich machen will. In schine zu beurteilen und zu verändern. Damit meine den 80er Jahren habe ich Drahtobjekte gebaut. Diese ich, was mit dem Bild passiert und wie sich die zeich- Objekte besitzen eine räumliche geometrische Konst- nerische Qualität ändert, wenn ich die Strichführung ruktion, die sich mathematisch beschreiben lässt. Als variiere.
24 H. G.: Zu einem anderen Thema. Du hast mehr- ziemlich Kompliziertes ist. Das mit der Maschine zu ma- Das Sternenthema habe ich auch im Internet ent- fach mit Kollegen zusammengearbeitet, unter an- chen, ist entsprechend kompliziert. Ich wollte mich voll deckt und versucht, Bereiche zu finden, die sich zeich- derem mit Anna Solecka, die Fotovorlagen erstell- auf die Zeichentechnik konzentrieren, Technik in dem nerisch gut umsetzen lassen, wobei das Formenreper- te, später mit Karl Heinrich Greune, der Entwürfe Sinne, wie man den Bleistift über das Papier führt. toire bei den Sternenbildern begrenzter ist als bei den gemacht hat. Fühlst Du Dich da nicht zeitweilig Landschaften. Die Bilder aus dem Weltraum zeigen uns nur als Ausführender für Künstlerkollegen? Bei Karl Heinrich Greune hat mich die Zusammen- eine sonst unsichtbare Welt. Es hat mich doppelt in- arbeit interessiert, weil ich andere Oberflächen als fo- teressiert, dass man, um diese Bilder für das Internet W. Z.: Es könnte sein, dass es von außen so gese- tografische zeichnen wollte. Greune war von Anfang an zu erzeugen, Signale verwendet. Jedes Pixel entspricht hen wird. Ich empfinde das nicht so. Bei den Kooperati- aufgeschlossen und bald so begeistert, dass er Entwür- einem digitalen Signal aus dem Fotosensor des Sa- onen mit den beiden Künstlern hatte ich in dem Moment fe extra für diese Technik hergestellt hat. Das Ergebnis telliten. Ich verwende auch diese Signale, um meinen selbst bestimmte Interessen. Bei Anna Solecka wollte aus der Maschine sah nicht aus wie ein Foto seines Bleistift zu steuern. Im Prinzip ist es das gleiche, nur ich parallel zur aufwendigen Programmentwicklung mit Entwurfs, sondern es waren Originale. dass ich das Bild nicht mit einem Elektronenstrahl auf den Inhalten nicht auf einem Probierniveau starten. Die einer Mattscheibe erzeuge, sondern mit dem Bleistift. Arbeiten sollten von Anfang an ein künstlerisches Ni- H. G.: Seit den letzten beiden Jahren arbei- Dadurch bekomme ich Ergebnisse, bei denen auf einer veau haben. Sie hat sich auf die Entwürfe konzentriert test Du überwiegend allein. Du suchst Dir Motive Papierfläche durch das Eindringen von Grafitstaub in die und ich mich auf das Programm. Man muss sich klar aus dem Internet, Sternenbilder und Aufnahmen Papieroberfläche eine Struktur entsteht, die Ähnlichkeit machen, dass die Bleistiftzeichnung auf Papier etwas von der Erdoberfläche aus sehr großer Höhe. Es mit diesen Sternenbildern hat. gibt Ansichten, da denkt man an Landschafts- Abb. 7, Zach, Zeichnung, 30 x 40 cm, 2008 aufnahmen aus Worpswede mit Spiegelung auf H. G.: Seit kurzem arbeitest Du an einer neuen dem Wasser, dabei ist es eine Draufsicht auf die thematischen Reihe, wofür Du zum Beispiel bei Erdoberfläche. Wie kommt eine solche Motivaus- Ausstellungseröffnungen fotografierst. Diese Fotos wahl zustande, ist die geplant oder überrascht von Personen, besonders Kollegen, werden dann Dich manchmal das Ergebnis? als Zeichnung bearbeitet. Werden diese Arbeiten auch einmal das Licht der Öffentlichkeit erblicken W. Z.: Ich entdeckte frühzeitig die Bilder von oder ist das nur ein Projekt im Verborgenen? „Google Earth“. Die Landschaften haben eine beson- dere Perspektive, weil es sich um Satellitenaufnah- W. Z.: Es ist nur ein Projekt im Verborgenen, weil men handelt. Ich habe immer versucht, Landschaften ich erst seit einem halben Jahr die Möglichkeit habe, zu finden, die auch etwas Geometrisches haben, die dass die Qualität der Zeichnung ausreichend für Por- Strukturen in sich haben, die nicht eindeutig zu inter- träts ist. Wenn ich meine, ich hätte gute Ergebnisse, pretieren sind. Danach mache ich einen Ausschnitt ist es nicht ausgeschlossen, dass ich es ausstelle (Abb. und bearbeite ihn mit einem Fotoprogramm, um eine 6 und 7). Ich habe mir mit der Entwicklung einer Ver- Vorlage zu kriegen, die besonders gut für den Bleistift bindung von Fotografie und Zeichnung eine einzigartige geeignet ist. Möglichkeit geschaffen.
H. G.: Ich erinnere mich, dass Du vor etwa konstruiert und dann durchgeführt habe. Wenn mir ein 25 drei, vier Jahren mit einer Serie begonnen hast, Bild begegnet, ist es für mich kein großer Unterschied, in der es um bekannte Fotografie ging. Du hast ob es mir in Natura begegnet und ich auf den Auslöser Fotografen angesprochen und zum Beispiel von drücke oder ich das Bild im Internet finde. Oder ich sehe Robert Lebeck eine Arbeit übersetzt – das be- einen Ausschnitt in einem Foto von jemand anderem, rühmte Foto mit dem entrissenen Säbel. Das gibt den der gar nicht bemerkt hat. es als Zeichnung von Dir. Wird es weitere geben in dieser Serie? H. G.: Ich erinnere mich, dass Du vorletztes Jahr eine Zeichnung von einem meiner für Dei- W. Z.: Da geht es noch einmal um Kooperationen. ne Verhältnisse sehr schrillen Farbfotos gemacht Am Anfang habe ich gedacht, statt selber Fotograf zu hast, und ich war überrascht, wie gut sich dieses werden, könnte ich mit Fotografen Kontakt aufnehmen, Foto in Grauwerte übersetzen lässt (Abb. 8). Hast die etwas Interessantes machen, das ich gerne umset- Du schon mal darüber nachgedacht, als Vorlagen zen will. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass dies farbige Gemälde oder ähnliches zu nehmen? nicht funktioniert. Darum habe ich mich entschieden, mich selber mit Fotografie auseinander zu setzen. Ich W. Z.: In der digitalen Fotografie gibt es keine möchte Themen finden, bei denen der Bleistift auf Grenze zwischen Farbe und Schwarzweiß. Nach der Papier vom Ergebnis her mehr liefert, als mit anderen Zusammenarbeit mit Karl Heinrich Greune habe ich Techniken möglich ist. das Gefühl, dass ich schon beurteilen kann, was her- auskäme, würde ich Malerei zeichnen. Da ich so viele H. G.: Soweit ich mich erinnern kann, gilt das Möglichkeiten in der Fotografie zur Verfügung habe, die vor allen Dingen für Fotos, in denen viel Kontrast ich noch nicht untersucht habe, glaube ich eher nicht, ist. Relativ monochrome Fotos sind dagegen we- dass ich noch andere künstlerische Techniken als Vor- niger geeignet. lage nehme. W. Z.: Durch die Verwendung von acht verschie- H. G.: Ich muss trotzdem noch einmal auf die denen Härtegraden kann ich eine sehr große Grau- spannende Frage von Malerei und ihrer Umsetzung wertspannweite erreichen. Von den 256 möglichen als Zeichnung zurückkommen. Würde es Dich nicht Abb. 8, Zeichnung nach Live von Herwig Gillerke, 120 x 80 cm, 2006 Grauwerten kann ich 200 ausdrücken und werde mit reizen, fotorealistische Malerei als Zeichnung zu- Sicherheit im Laufe der Zeit 256 Graustufen erreichen. rückzuverwandeln, so dass man nicht mehr weiß, Kunstwerke müssen auch Bestand haben vor dem Das kommt nur bei Fotografien zum Tragen, bei denen ob es ein Foto oder ein gemaltes Bild war? Betrachter, der nichts über die Hintergründe weiß. Für diese Spannweite auch drin ist. Das Motiv muss einem mich ist die Technik, die ich verwende, nur ein Mittel aber auch begegnen. Anders als in der bisherigen Ar- W. Z.: Ich kann mich dafür nicht erwärmen. Grund- um Kunst zu erzeugen, das heißt die künstlerischen In- beit, in der ich Konzepte gemacht, etwas entworfen, sätzlich überhöht der Aufwand nicht das Ergebnis. halte müssen bei der Arbeit im Vordergrund stehen.
Sie können auch lesen