Die fremde Hand Computergenerierte Zeichnungen von Wolfgang Zach

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Die fremde Hand Computergenerierte Zeichnungen von Wolfgang Zach
Gefördert durch

        Freie Hansestadt Bremen
              Der Senator für Kultur
Die fremde Hand
Computergenerierte Zeichnungen von Wolfgang Zach

                                    Kunsthalle Bremen
                             22. April bis 15. Juni 2008
                  Herausgegeben von Wulf Herzogenrath
                               und Ingmar Lähnemann
Inhalt

                                Vorwort und Dank 11

                               Die fremde Hand 12
 Zeichnungen über Zeichnungen von Wolfgang Zach
                              Ingmar Lähnemann

                                  Der andere Blick 23
Ein Interview von Herwig Gillerke mit Wolfgang Zach

                Katalog der ausgestellten Arbeiten 28

                      Biografie und Ausstellungen 72

                                      Impressum 74
Vorwort und Dank

Mit den aktuellen Arbeiten von Wolfgang Zach stellt         Die Ausgangsbilder der aktuellen Arbeiten konsti-     eine Verbindung gewährleistet, auf die der Kunstverein   11
die Kunsthalle Bremen erneut eine herausragende         tuieren zwei verschiedene Bildserien: einerseits foto-    in Bremen und die Kunsthalle Bremen aufgrund ihres
Position Bremer Kunst vor, der sich der Kunstverein     grafische Ansichten der Erdoberfläche aus dem Weltall,    Engagements in der Gegenwartskunst und bezüglich
in Bremen seit seiner Gründung sehr verbunden fühlt.    andererseits teleskopische Ausblicke in die Sterne. Aus   des Interesses an aktuellen regionalen Tendenzen an-
Aus dieser Verbundenheit resultierten schon zahl-       diesen Serien Zachs zeigt die Kunsthalle Bremen in der    gewiesen sind.
reiche Ausstellungen. Der besondere Charakter der       Ausstellung Die fremde Hand eine Auswahl, die alle
Werke Zachs reiht die Ausstellung Die fremde Hand       wichtigen Bildmotive des Künstlers sowie beide von            Ebenso möchten wir allen danken, die darüber hi-
in zwei jüngere Schwerpunkte unserer Sammlung ein.      ihm verwendeten Plottertypen repräsentiert.               naus an der Umsetzung der Ausstellung und des Kata-
Diese Präsentation ist Teil der umfassenden Analy-                                                                logs mitgearbeitet haben.
se der Geschichte und Möglichkeiten des digitalen            Zum Gelingen der Ausstellung und dieses Katalogs
Bildes, die seit 2004 durchgeführt wird. Zach greift    haben viele beigetragen, denen wir für die gute und an-   Georg Abegg
für seine Zeichnungen auf Internet, Computer, eige-     regende Zusammenarbeit danken möchten. Vielen Dank        Vorsitzer des Kunstvereins in Bremen
ne Programmierung und Plotter (Zeichenmaschinen)        an den Senator für Kultur für die großzügige Förderung
zurück.                                                 dieses Katalogs. Ein großer Dank gilt Jutta Drabek-       Wulf Herzogenrath
                                                        Hasselmann, deren Gestaltung des Katalogs deutlich        Direktor der Kunsthalle Bremen
    Mittels des komplexen technischen Ablaufs re-       macht, dass sie als langjährige Kennerin des Werks
flektiert Zach über den Zeichenprozess und über den     von Wolfgang Zach einen entscheidenden Anteil an          Ingmar Lähnemann
Akt des Zeichnens. Die Zeichentätigkeit des Plotters    der adäquaten Präsentation der aktuellen Zeichnungen      Volontär der Kunsthalle Bremen
hat in seinem Ansatz eine größere Bedeutung als         hat. Danken möchten wir besonders Herwig Gillerke
sämtliche im Computer geleisteten Vorarbeiten.          für sein unkonventionelles Interview mit seinem Künst-
                                                        lerkollegen. Das Gespräch zwischen beiden Künstlern
     Mit diesem zentralen Aspekt von Zachs aktuellen    gibt einen außergewöhnlichen Einblick in das Œuvre
Arbeiten reiht sich die Ausstellung Die fremde Hand     und künstlerische Denken Wolfgang Zachs. Für das um-
in die Folge von Präsentationen heutiger Formen der     sichtige Lektorat der Texte danken wir Kai Fischer und
Zeichnung in der Kunsthalle Bremen ein, die verschie-   für die Herstellung des Katalogs der Druckerei Breyer
dene künstlerische Ansätze von Nanne Meyer, Paco        in Diepholz.
Knöller, Malte Spohr und Monika Bartholomé beinhal-
tet. Seit den späten 1960er Jahren lassen sich viel-        Ein spezieller Dank gilt Wolfgang Zach für die gute
fältige Tendenzen in der Kunst beobachten, die dem      Zusammenarbeit und intensive Vorbereitung der Aus-
traditionellen Medium der Zeichnung neue Wege ge-       stellung. Gedankt sei ihm an dieser Stelle seitens des
wiesen haben. Zach zeigt in diesem Kontext weitere      Kunstvereins in Bremen und der Kunsthalle Bremen
Möglichkeiten, indem er mittels seines aufwendigen      aber auch als zuverlässiger Ansprechpartner in der
technischen Prozesses die Bedingungen der Hand-         Bremer Künstlerszene. Wolfgang Zach hat vielfältige
zeichnung überdenkt und maschinell optimiert.           Kooperationen angeregt und begleitet und dadurch
Ingmar Lähnemann: Die fremde Hand – Zeichnungen über Zeichnungen von Wolfgang Zach

12                                                                         Aktuelle Zeichnungen                                        verweist, dass eine Illusion nicht im Vordergrund des
                                                                                                                                       Bildes steht, erinnert dennoch zunächst an die freie,
                                                                           Die Bildmotive von Wolfgang Zachs Zeichnungen, die          malerische, schwarz-weiße Umsetzung eines Kanals,
                                                                           seit 2006 zentrale Serien seines künstlerischen Werkes      an dem Bäume stehen. Im Kontext der Ausstellung in
                                                                           ausmachen und in diesem Katalog und der Ausstellung         der Kunsthalle Bremen, deren Gemälde der Worpswe-
                                                                           Die fremde Hand in der Kunsthalle Bremen vorgestellt        der Künstlerkolonie einen guten motivischen Vergleich
                                                                           werden, weisen große Variationen auf.                       im Museum bieten, ist man umso bereiter, eine derar-
                                                                                                                                       tige inhaltliche Zuordnung vorzunehmen. Erkennt man
                                                                           Ihr gemeinsamer Nenner ist die Art, wie sie gezeichnet      die Bildelemente, die eine realistische Wiedergabe
                                                                           sind, und ihre Ausführung in Abstufungen von Schwarz        eines solchen Sujets unterwandern – so etwa die ver-
                                                                           und Weiß, das heißt in vielfältigen Grautönen. Darüber      meintlichen Bäume unterhalb des Moorkanals –, bleibt
                                                                           hinaus lässt sich feststellen, dass eine hohe Tendenz       die Assoziation eines informellen Gemäldes, das in
                                                                           zur Abstraktion im überwiegenden Teil der Zeichnungen       gestischer Malweise eindeutige Reminiszenzen an ein
     Abb. 1, 24°21‘17,45‘‘ N, 54°30‘22,35‘‘ E, h 761 m, 45 x 58 cm, 2007   besteht und es Betrachtern der Werke oft nicht möglich      reales Bildmotiv erzeugt und variiert. Als Referenzen
                                                                           ist, die meist amorphen Bildinhalte realen Situationen      fallen in der ersten Ansicht neben den Worpsweder
                                                                           zuzuordnen. (Abb. 1)                                        Malern auch Künstler wie Jean Dubuffet oder Antoní
                                                                                                                                       Tàpies ein. Doch handelt es sich bei 22°53’06,69’’ N,
                                                                                Einige Arbeiten zeigen jedoch sehr deutlich, dass      31°21’09,74’’ O, h 3,02 km weder um einen Moorkanal
                                                                           ihnen eine Fotografie als Ausgangsbild zugrunde liegt       noch um Malerei, obwohl auch die Maße von 157 x 240
                                                                           und enthalten Bildgegenstände, deren reales Ausse-          cm in diese Richtung deuten. Nicht einmal informell ist
                                                                           hen und ihre reale Funktion man erkennen kann. Im           das Kunstwerk.
                                                                           Überblick der Variationen in den aktuellen Themen
                                                                           Zachs wird deutlich, dass es sich in keiner Weise um             Stattdessen blickt man auf eine Zeichnung, die auf
                                                                           abstrakte Bilder handelt. Abstrahierende Tendenzen          einem komplexen und komplizierten Zeichenprozess
                                                                           sind schon in den fotografischen Vorlagen angelegt          beruht und eine Fotografie wiedergibt, die Zach aus
                                                                           und werden durch Zachs Zeichenprozess nur herausge-         der unendlichen Bilderwelt des Internets extrahiert hat.
                                                                           arbeitet. Auch wenn der Künstler mit der erschwerten        Die Assoziation an einen Moorkanal ist nicht vollkom-
                                                                           Wiedererkennbarkeit bestimmter Formen seiner Arbei-         men fern der Realität, weil es sich bei den Bildinhalten
                                                                           ten und damit mit der Rezeption der Betrachter spielt,      tatsächlich um Landschaften handelt. Bei der Auswahl
                                                                           ist es kein primärer Aspekt seiner Bilder, sie für etwas    seiner Vorlagen lässt sich anhand der Ergebnisse in
                                                                           auszugeben, das sie nicht darstellen.                       den aktuellen Zeichnungen feststellen, dass der Künst-
                                                                                                                                       ler durchaus ein Interesse an Ausgangsbildern hat, die
                                                                               Die Zeichnung 22° 53’06,69’’ N, 31° 21’09,74’’ O, h     bereits ein hohes Maß an abstrahierenden Elementen
                                                                           3,02 km (Kat. Nr. 15, S. 40), deren profaner Titel darauf   haben.
Dies betrifft zunächst die Perspektive, aus der die   aufweisen, erst recht aus der Vogelperspektive. Neben         1) Je nach Bildmotiv kann die Höhenangabe weit                      13
Landschaften und alle realen Gegenstände darin auf-       zahlreichen Bildvorlagen aus der Wüste finden sich vor        mehr als eine technische Information sein. So zeigt die
                                                                                                                        Zeichnung lat 30,522481°, lon 19,761797°, h 1,14 km
genommen wurden. Zach greift auf einen Fundus von         allem Ausgangsbilder aus dem Eismeer und der Tundra. 3)
                                                                                                                        (Kat. Nr. 20, S. 44) einen Ausschnitt einer Wasseroberfläche
Aufnahmen der Erdoberfläche aus der Vogelperspektive                                                                    und des beginnenden Strands. Aufgrund fehlender
zurück, die zum Teil aus weiter Entfernung fotografiert        So sehr zum Beispiel auseinanderdriftendes Eis (Kat.     Details ließe sich vermuten, dass hier das Meer aus der
wurden. Diese wird jeweils am Ende des Titels einer       Nr. 14, S. 39) in der Sicht von oben ungegenständliche        Nähe aufgenommen wurde, aber der Titel zeigt, dass
Zeichnung bezeichnet, im Fall des vermeintlichen Moor-    Bildqualitäten aufweist und sich als Rechtecke vor einem      es sich um eine Distanz von 1,14 km der Kamera zur Land-
kanals blicken wir demnach aus einer Höhe von 3020        einheitlichen Hintergrund darstellt, so wenig bemüht          schaft handelt.
Metern auf einen Ausschnitt der Erdoberfläche. 1) Die-    sich der Künstler darüber hinaus um eine Abstrahierung
                                                                                                                        2) An diesem Motiv zeigt sich deutlich ein weiterer Aspekt
sen könnte man aufsuchen, um die Ansicht aus unserer      im Sinne einer Verschleierung der realen Gegebenheiten
                                                                                                                        der Ausgangsbilder der Zeichnungen. In den meisten
normalen Perspektive zu überprüfen, denn Zach legt im     seiner Vorlagen. Stattdessen greift er in vielen Fällen die   Fällen stellt Zach Momentaufnahmen dar, Ansichten, die
Titel die genauen Positionsdaten des Ausgangsbildes       merkwürdigen abstrakten Qualitäten der Erdoberfläche          zum Zeitpunkt seiner künstlerischen Umsetzung bereits
offen. Im konkreten Fall betrachtet man eine Wüsten-      und ihrer menschlichen Umgestaltung auf. In der Arbeit        nicht mehr oder nicht mehr in dieser Gestalt bestehen.
landschaft, in der ein Kanal gebaut und zu den Seiten     lat 32,434647°, lon 13,607670°, h 1,59 km (Kat. Nr. 23,
Sand und Erde aufgefahren wurden. 2) Zach bezieht         S. 47) zum Beispiel bleibt erkenntlich, dass hier aus der     3) Auch wenn die Tendenz zu Landschaften deutlich wird,
                                                                                                                        die aus der Vogelperspektive in sich weitgehend
sich auf Landschaften, die bereits abstrakte Qualitäten   Luft eine karge Landschaft dargestellt ist, in der Men-
                                                                                                                        abstrakte Formen visualisieren, ist zu betonen, dass Zach
                                                          schen eine Bepflanzung angelegt haben, die sich durch
                                                                                                                        sich in der gleichen Weise mit Sujets auseinander-
Abb. 2, Malte Spohr, g. L. X, Farbstift auf Bütten,       regelmäßige Reihen auszeichnet. Die gleichförmigen            setzt, die uns kaum fremd sind, in denen wir bekanntere
42 x 42 cm, 2005 (Courtesy Galerie Werner Klein, Köln)    Punkte, die trotz der Kenntnis ihrer realen Gestalt wie       Bilder der Welt aus der Aufsicht erleben, wie dies zum
                                                          kleine, gestochene Löcher im Bild wirken, stehen den          Beispiel in 53°08’21,90’’ N, 8°40’41,87’’ O, h 80 m (Kat. Nr. 11,
                                                          amorphen Flächen in der Zeichnung gegenüber. Zach             S. 36) sichtbar ist. Zwar ist nicht zu erkennen, dass es
                                                          interessiert sich für die Besonderheiten der außerge-         sich um ein Bremer Motiv handelt, aber für Betrachter unse-
                                                                                                                        rer westlichen Industriegesellschaft ist der Blick auf
                                                          wöhnlichen Blickwinkel, die den Ausgang für seine Bil-
                                                                                                                        derartig geordnete Rollen auf dem Grundstück einer Fabrik
                                                          der bilden. Diese Besonderheiten stellen sich in vielen       ein bekannter Anblick, dar in der Aufsicht und Zachs
                                                          Fälle als Abstrahierungen der Landschaft einerseits und       zeichnerischer Verarbeitung nur wenig abstrahiert wird.
                                                          menschlicher Handlungen darin andererseits dar.

                                                              Der Künstler folgt aber in keiner Weise der In-
                                                          tention, Betrachtern gegenüber die Vorlagen seiner
                                                          Zeichnungen geheim zu halten. Im Vergleich mit den
                                                          kleinformatigen, aufwendigen Handzeichnungen Malte
                                                          Spohrs (Abb. 2), dessen Arbeiten 2007 in der Kunsthalle
                                                          Bremen ausgestellt wurden, wird deutlich, dass auch
                                                          Zachs Werke einen visuellen Reiz daraus beziehen,
14           4) Die Rolle der Technik und die intensive Beschäf-    dass in vielen Fällen nicht ersichtlich ist, ob man ei-   Schraffur entstehen, werden von gängigen industriel-
         tigung mit Technik im Gesamtwerk Zachs ergäbe Stoff        ner mikroskopischen oder einer makroskopischen Sicht      len Plottern ausgeführt, wie sie zum Beispiel von Archi-
               für einen eigenen Artikel. Es kann hier nur darauf
                                                                    auf die Welt folgt, obwohl zumindest die Assoziation      tekten benutzt werden, da diese Maschinen besonders
       verwiesen werden, dass er sich bereits in seinen ersten
              künstlerischen Erfolgen in den 1970er Jahren eine
                                                                    an die einen wie die anderen Strukturen nahe liegt,       exakte Linien ermöglichen. Um in diesen Zeichnungen
       bestimmte Technik, das Schweißen, angeeignet hat, um         man also bei beiden Künstlern nicht vermutet, eine ab-    differenzierte Kontraste und Übergänge zwischen den
           Fahrradobjekte zu schaffen, die er aus gewöhnlichen      strakte Bilderfindung zu betrachten. Es ist aber durch-   einzelnen Graustufen zu erreichen und so die Formen
        Fahrrädern extrahiert hat. Er setzt sich in diesen Kunst-   aus möglich zu sehen, dass Zachs Arbeiten auf einem       der Vorlage umzusetzen, verwendet Zach verschiedene
               objekten mit der Funktion der Fortbewegungsma-       makroskopischen Blick beruhen. Diese Möglichkeit des      Grafitminen der Härtegrade 2H bis 4B. Diesen Typ von
      schine auseinander, indem er ihren eigentlichen Zusam-        Betrachters ist vom Künstler gewollt.                     Plotter, in dem das Papier über eine Rolle gezogen wird,
         menhang auflöst und dadurch neue Möglichkeiten der
                                                                                                                              hat der Künstler 2001 erworben und setzt ihn seitdem
      Nutzung schafft, die er in öffentlichen Fahraktionen auch
               umsetzen lässt. Immer wieder wird deutlich, dass
                                                                        Darüber hinaus enthalten seine Zeichnungen auch       für seine Zeichnungen ein. Durch die Technik der schraf-
      Zach eine Technik-Affinität und auch die Begabung, sich       deutliche Hinweise auf den komplexen maschinell be-       fierten Flächen und die damit möglichen feinen Abstu-
                komplexe technische Prozesse bis hin zur Laser-     dingten Prozess, der ihnen zugrunde liegt. Insbesondere   fungen im Bild eignet er sich in besonderem Maße für
       Technik anzueignen, dazu nutzt, technische Vorgänge zu       die großformatigen Arbeiten zeigen dies, da neben der     bestimmte Vorlagen. So lassen sich die Porträtfotos, die
           abstrahieren. Dies gilt für die Fahrradobjekte ebenso    gleichbleibenden Länge beziehungsweise Breite von         Zach seit neuestem in Zeichnungen überträgt (Abb. 3,
     wie für seine beweglichen Drahtskulpturen und die Kunst-
                                                                    157 cm ersichtlich bleibt, dass sich die dargestellten    Diana) nur mit einem kleinen Plotter ausführen, um eine
            projekte im öffentlichen Raum wie den Bremer Tide-
                                                                    Bilder aus exakten parallelen Linien ergeben, die der     hohe Bildähnlichkeit zu erreichen.
      brunnen von 1991, der mittels beweglicher Elemente den
               Weserstand anzeigt, oder wie das Laserobjekt für     157 cm langen Seite folgen. Aber auch die gleichmäßi-
          das Bremer Kongresszentrum von 1992. Und es trifft in     gen Schraffuren der kleinen Formate verweisen auf den         Der ältere, größere Plotter eignet sich für dieses
                 besonderem Maße auf die technische Erschlie-       maschinellen Zeichenprozess.                              Thema nicht. Bereits seit 1987 führt Zach großforma-
              ßung und Fertigung der aktuellen Zeichnungen zu.                                                                tige Zeichnungen mit dieser Art von Plotter aus. Er hat
                                                                                                                              ihn selbst konstruiert, zum einen weil ein Plotter zu
                                                                    Computergenerierte Zeichnungen                            dieser Zeit kaum erschwinglich war, zum anderen weil
                                                                                                                              Zach auf diese Weise jedes technische Detail des ma-
                                                                    Grundlage der graustufigen Bilder ist ein aufwendiger     schinellen Zeichenprozesses kennen lernen, für seine
                                                                    Prozess, der aus mehreren technischen Schritten be-       Bedürfnisse optimieren und anschließend kontrollieren
                                                                    steht, in denen Zach seine Ausgangsbilder in Zeich-       konnte. 4) Dieser Plotter funktioniert als Zeichentisch,
                                                                    nungen umwandelt. Gezeichnet werden sie von einer         über den an einer Schiene ein Wagen parallel zu zwei
                                                                    Grafitmine, das heißt einem Werkzeug, das traditionell    Rändern des Tisches über das flach aufliegende Papier
                                                                    zum Zeichnen verwendet wurde. Diese Mine wird al-         läuft. Er erlaubt das Bearbeiten von Papier bis zu einer
                                                                    lerdings nicht von der Hand des Künstlers geführt,        Breite von 157 cm und einer theoretisch unendlichen
                                                                    sondern von Zeichenmaschinen, so genannten Plottern.      Länge, denn Zach hat diese Zeichenmaschine so kon-
                                                                    Zwei Typen von Plottern stehen ihm zur Verfügung. Die     struiert, dass er lange Papierbahnen langsam über den
                                                                    kleinformatigen Zeichnungen, in denen die Flächen per     Zeichentisch schieben kann. Ein Beispiel einer sehr
großen und damit langwierigen, komplizierten und feh-     durch die Stärke des Andrucks erzeugt, geht ein kom-    5) Diese Arbeit zeigt das zweite bedeutende Thema aktu-            15
leranfälligen Zeichnung stellt die Arbeit Galaxie 510 -   plexer technischer Prozess voran, in dem das gefun-     eller Zeichnungen, das Zach seit 2006 beschäftigt, das
                                                                                                                  kurz vor den Vogelperspektivblicken auf die Erde begonnen
G13, ESA (Kat. Nr. 40, S. 62) von 2008 dar. 5)            dene Ausgangsbild für die Zeichnung modifiziert und
                                                                                                                  hat und dessen Vorlagen ebenfalls Fotografien aus dem
                                                          aufbereitet wird. Dieser beinhaltet mechanische und     Internet sind. Es handelt sich um den Blick ins Weltall und die
    Der eigentlichen Zeichnung, die im Fall des großen    elektronische Elemente, die der Arbeit der Zeichenma-   Umsetzung fotografischer Darstellungen von Sternen,
Plotters von einer Grafitmine der Härte 4B ausgeführt     schine zugrunde liegen. Zach hat sie im Sinne seiner    schwarzen Löchern, Galaxien etc. Diese Zeichnung hat der
wird, die Differenzierungen der Graustufen im Bild        Bildintention optimiert.                                Künstler explizit für die Ausstellung und den spezifischen
                                                                                                                  Ausstellungsraum in der Kunsthalle Bremen gefertigt. Damit
Abb. 3, Diana, 63 x 85 cm, Zeichnung, 2008                                                                        stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Ortes der
                                                                                                                  Präsentation dieser Bilder, der Zach 2005 in einer Doppel-
                                                                                                                  ausstellung solcher Sternenbilder im KUBO, Bremen, und im
                                                                                                                  öffentlichen Raum auf einer Litfaßsäule nachgegangen
                                                                                                                  ist. Der Künstler verdeutlicht, wie variabel die gleichen Bilder
                                                                                                                  und die gleiche Technik ihrer Herstellung eingesetzt werden
                                                                                                                  können, um eine Zeichnung zu erstellen, die sowohl als
                                                                                                                  scheinbar originales, autonomes Museumsbild wie auch als
                                                                                                                  Plakat im öffentlichen Raum überzeugend wirken kann.
                                                                                                                  Der besondere technische Prozess von Zachs Zeichnungen
                                                                                                                  stellt gängige Kunstdefinitionen in Frage.
16          6) Hinsichtlich der Technisierung des Zeichenprozesses            Der Plotter, wie der Künstler ihn für seine Zwecke     Computerzeichnungen?
     in den aktuellen Arbeiten Zachs ist es ein weiteres wichtiges        konstruiert hat, wird durch ein Computerprogramm ge-
          Kriterium, dass er auf das Internet als Quelle zurückgreift,    steuert, das Zach selbst schreibt, anfangs jeweils für     Zach verwendet schon seit 1983 Computer zur Erstel-
      in dem sich eine vollkommen neue Verfügbarkeit von Bildern
                                                                          die spezifische Vorlage und deren Wiedergabe in der        lung seiner Arbeiten. Er setzt damit Fähigkeiten ein, die
             erschließt. Beide aktuellen Serien zeigen dies. Sowohl
          die Blicke von Satelliten auf die Erde als auch ins Weltall     Zeichnung, später als universelles Programm, das in        ihm sein Informatikstudium zwischen 1969 und 1972 in
       in die Sterne, die bisher nur Experten verfügbar waren, sind       der Lage ist, jede Zeichnung auszuführen, auf dessen       Karlsruhe vermittelt hat, bevor er von 1972 bis 1977 in
      durch Computer und Internet inzwischen einfach zu erhalten.         Eigenschaften Zach sich jedoch bei der Vorbereitung        derselben Stadt die Kunstakademie besuchte. Ab den
           Obwohl Zach eigene fotografische Tätigkeit in gleichem         der Vorlagen einstellt. Wesentliches Grundelement          1980er Jahren fanden Personal Computer Verbreitung
        Maße als Bildquelle akzeptiert (siehe Gespräch mit Herwig         des Programms sind Daten, mittels derer eine Über-         und machten die Computertechnologie erstmals privat
          Gillerke, S. 23), stellt das Internet einen wichtigen techni-
                                                                          einstimmung zwischen den Bildzeilen der Fotovorlage        gebräuchlich und finanzierbar. Die Tatsache, dass es
       sierten Zwischenschritt in seiner Fertigung eines Kunstwer-
           kes dar. Eigene Bilderfindung wird für den Künstler noch
                                                                          und der Linienbreite in der Zeichnung erreicht wird, da    dennoch keinen PC gab, der seine künstlerische Inten-
       obsoleter als in der vorhergehenden medialisierten Alltags-        nur auf der Basis dieses korrekten Verhältnisses in den    tion umsetzen konnte, führte dazu, dass der Künstler
           welt. Zach spiegelt in diesem Sinne auch unseren alltäg-       einzelnen Linien der Grafitzeichnung Bildähnlichkeit       neben der eigenen Programmiertätigkeit auch die
       lichen Bildaneignungsprozess, in dem sich mögliche, sicht-         entsteht.                                                  Hardware selbst konstruierte und sich seinen Computer
                    bare Bilder mit unmöglichen, nur durch moderne                                                                   selbst baute. 7) Obwohl Zach in einer Zeit diese Techno-
              Technologie sichtbaren Bilder immer stärker mischen.            Den Computerprogrammierungen geht eine Bild-           logie studiert hatte, die von Großrechnern geprägt war,
                                                                          bearbeitung voraus, die Zach ebenfalls mittels des         muss man ihn zur zweiten Generation von Künstlern
            7) Dabei konnte Zach zwar auf vorgefertigte Bauteile
         zurückgreifen, diese waren jedoch nicht so kompatibel,
                                                                          Computers vornimmt, in diesem Fall aber mit gängiger       rechnen, die auf den Computer für ihre Kunst zurück-
         wie dies heute üblich ist, wenn man sich einen eigenen           Grafiksoftware. Hier verändert er die Ausgangsbilder       griffen, denn der PC bedeutete eine wesentliche Zäsur
       Computer konstruiert, deshalb benötigte er die Hilfe seines        so, dass eine Zeichnung möglich wird. Ein wichtiger        in der Computerkunst.
          Bruders, der als Informatiker auch das BIOS für diesen          Aspekt in diesem Prozess ist die Überführung der far-
                              ersten Computer schreiben konnte.           bigen Vorlagenfotos in Graustufen und eine spezifische         Die Pioniere der Computerkunst erschlossen seit
                                                                          Bearbeitung bezüglich der Kontraste, je nachdem um         den 1960er Jahren das neue Medium hinsichtlich sei-
                                                                          welches Bild und um welche Serie es sich handelt.          ner formalen Möglichkeiten und theoretischen Bedeu-
                                                                                                                                     tung. Tendenziell finden sich in der Mehrzahl Bilder, die
                                                                              Eine Wüstenlandschaft enthält in einer schwarz-        abstrakte Formen variieren oder erfinden und die den
                                                                          weißen Darstellung zum Beispiel nicht so starke Kont-      Computer und Plotter als Reproduktionsmedien reflek-
                                                                          raste wie ein Bild aus dem Eismeer oder ein Blick in die   tieren. Insbesondere ab dem Moment, in dem Ende der
                                                                          Sterne. Vor all diesen technischen Zwischenschritten       1960er Jahre ausgebildete Künstler auf das neue Medi-
                                                                          steht die Auswahl der Vorlage durch den Künstler aus       um zurückgriffen, trat außerdem der Aspekt hinzu, dass
                                                                          dem unendlichen Bilderfundus des Internet. 6) Diese        Computer und Plotter die Handschrift des Künstlers
                                                                          Wahl stellt, wie bereits beschrieben, eine wichtige        zurücktreten lassen und einen Abstand zwischen der
                                                                          Entscheidung bezüglich der Rezeption der endgültigen       Bildidee des Künstlers und der ausgeführten Zeichnung
                                                                          Zeichnung dar.                                             erzeugen. Der Computer wurde in diesen Verwendun-
gen als bewusster technischer Zwischenschritt gese-        Werkzeug hinausgeht. Für Zach ist es tatsächlich eine      17
hen, in dem insbesondere das Zufallsmoment – auch          Technik, die bestimmte Prozesse ermöglicht, die aber
gemäß theoretischer Positionen wie zum Beispiel bei        auf einer kunsttheoretischen Ebene keinen entschei-
Max Bense – ein wesentliches Element war, das zur          denden Umbruch gebracht hat. In diesem Sinne setzt
besonderen künstlerischen Form beitrug.                    der Künstler Computer und Plotter nicht ein, um über
                                                           Kunst und Künstler insgesamt zu reflektieren, sondern
    In Zachs computergenerierten Arbeiten seit 1983,       vielmehr über den spezifischen Zeichenprozess.
auch in den aktuellen Zeichnungen, sind diese zentralen
Aspekte der früheren Computerkunst enthalten. Spezi-            Hier wird allerdings auch deutlich, dass Zach sich
elle formale Möglichkeiten des Computers zeigen sich       dessen, was der Computer an Veränderungen gebracht
in der Umsetzung der Vorlagenfotografie in eine Plot-      hat, noch bewusst ist und dieses in seinen Arbeiten
terzeichnung, in der es dem Künstler möglich ist, Über-    auch berücksichtigt. Im Vergleich mit aktueller Compu-
einstimmungen zu erzielen, die ohne die Präzision der      terkunst, die aufgrund der Verbreitung dieses Mediums
Maschinen nicht gelingen könnten. Insbesondere die         bis in die kleinsten alltäglichen Prozesse kaum noch zu
Frage nach dem originalen Bild, der originalen Bildidee    definieren ist, wird deutlich, dass Zachs Zeichnungen
und der Rolle des Künstlers beziehungsweise der In-        fast einen anachronistischen Umgang mit dem Compu-
fragestellung dieser Rolle des Künstlers klingt deutlich   ter spiegeln. Ihm ist das Innenleben aller technischen
an, wenn man sich bewusst macht, wie viele Entschei-       Zwischenschritte der Bilderzeugung bekannt. Dies gilt
dungen nicht Zachs spezifischem künstlerischen Genius      für die Hardware ebenso wie für die eigenhändige Pro-
unterliegen, sondern technischen Abläufen überlassen       grammierung. Im Gegensatz zum üblichen aktuellen
sind. Dies gilt für die Auswahl eines Vorlagebildes aus    Einsatz des Computers greift er nicht auf vorproduzierte
der Alltagswelt, wie es seit der Pop Art der 1960er Jah-   Elemente und Software zurück, die bestimmte Arbeiten
re ein übliches Verfahren darstellt, in dem die genuine    des Künstlers erleichtert oder übernimmt oder dessen
Bilderfindung durch den Künstler ad absurdum geführt       Technik so verfeinert, dass gewisse Eingriffe nicht mehr
wird. Es betrifft aber auch die Überantwortung der Aus-    sichtbar werden. In Zachs Ansatz ist der Computer alles
führung der Zeichnungen an den Plotter.                    andere als ein Beschleunigungselement im Bilderzeu-
                                                           gungsprozess.
    Andererseits jedoch stellen Computer und Plotter
(und vor der Konstruktion des Plotters der Nadeldru-
cker, mittels dessen Zach seine computergenerierten        Zeichnungen einer fremden Hand
Grafiken ausgab) nicht mehr das andersartige Medium
dar, das ungekannte Möglichkeiten zur Kunstprodukti-       Stattdessen erweist sich die technisch-maschinelle Fer-
on beisteuert und sich so sehr von den traditionellen      tigung der Zeichnungen als langwieriger und komplexer
Kunstmedien unterscheidet, dass es über ein bloßes         Vorgang, in den der Künstler immer wieder eingreift,
18                                                                um die notwendige Präzision zu gewährleisten, auf der            Aber Zach bleibt in den gesamten Prozess der
                                                                  die Ähnlichkeit der Arbeiten mit dem ausgewählten            Zeichnung involviert, eine bewusste Überantwortung
                                                                  Vorlagebild beruht. Je nach ihrer Größe dauern Zeich-        der künstlerischen Leistung an den Plotter findet nur
                                                                  nungen teilweise mehrere Tage bis Wochen. Für die            marginal statt, stattdessen kontrolliert der Künstler je-
                                                                  Galaxie 510 für die Ausstellung in der Kunsthalle Bre-       den Schritt des Zeichenprozesses und ganz besonders
                                                                  men brauchte die Zeichenmaschine drei Wochen. Beide          das Zeichnen durch die Grafitmine selbst. Aufgrund
                                                                  zur Verfügung stehenden Zeichenverfahren sind fehler-        dieser dauernden Auseinandersetzung mit der Tätigkeit
                                                                  anfällig, gerade hinsichtlich der Umsetzung mittels der      der Maschinen und der teilweise sehr langen Zeitspan-
                                                                  Grafitmine. Der Künstler muss zum Beispiel Minenbrü-         ne bis zur Fertigstellung einer Zeichnung, macht es für
                                                                  che und Papierveränderungen einkalkulieren und die           Zach keinen Unterschied, ob er ein Motiv als Serie wie-
                                                                  Abschrägung der Mine beim Zeichnen berücksichtigen.          derholt oder aus dem annähernd unendlichen Fundus
                                                                  So werden mögliche technische und mechanische Pro-           von Vorlagenbildern im Internet ein anderes Motiv ex-
                                                                  bleme im Zeichenprozess im Voraus einkalkuliert und in       trahiert und als Zeichnung aufbereitet. Seine Arbeiten
                                                                  die Programmierung aufgenommen.                              kommen so der traditionellen Vorstellung des Originals
                                                                                                                               in der Kunst und seines Wertes wieder nahe, obwohl
                                                                       Die aktuellen Zeichnungen Zachs sind in ihrem Her-      seine technischen Medien diesem Gedanken wider-
                                                                  stellungsverfahren insbesondere hinsichtlich des grafi-      sprechen.
                                                                  schen Zeichenaktes, auch in den kleinen Formaten, so
                                                                  aufwendig, dass ein sehr wesentliches Kriterium zur ur-           Zach begleitet als Künstler den gesamten Zeichen-
     Abb. 4, selbst konstruierter Zeichentisch-Plotter von 1987   sprünglichen Verwendung des Computers und Plotters in        prozess im Detail. Er zerlegt diesen Prozess in einzelne
                                                                  der Kunst fast wieder aufgehoben wird. Denn diese ma-        Bestandteile, die sich durchaus mit dem klassischen
                                                                  schinellen Medien wurden auch deshalb gewählt, weil          Vorgang einer Künstlerhandzeichnung vergleichen las-
                                                                  sie eine neue Form von Reproduktionsverfahren garan-         sen, in dem eine Bildidee über das Gehirn an die Hand
                                                                  tierten, die noch deutlicher als herkömmliche Druckver-      übermittelt wird, die wiederum die Zeichnung umsetzt.
                                                                  fahren die Frage nach der Originalität des Kunstwerks        Zu berücksichtigen sind Abläufe, die bei jeder Ausfüh-
                                                                  aufwarfen. Auch bei Zach ist zu überlegen, ob seine spe-     rung eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Bewegung
                                                                  zifische künstlerische Leistung nicht in der Programmier-    des Arms, die Handhaltung etc. und spezifische Unwäg-
                                                                  tätigkeit zu finden ist, sich hier sinngemäß seine indivi-   barkeiten wie die Müdigkeit der Künstlerhand, die auf
                                                                  duelle Künstlerhandschrift zeigt. Die fertige Zeichnung,     die jeweilige Linie zurückwirken. Deutlich wird in dieser
                                                                  die den Mechanismen der Kunstdistribution unterworfen        Beschreibung die Fehleranfälligkeit der traditionellen
                                                                  wird, das heißt in Ausstellungen gezeigt und am Kunst-       Handzeichnung, die ein Element der Zufälligkeit in jede
                                                                  markt gehandelt wird, wäre in diesem Sinne nicht viel        Zeichnung integriert, die aber auch für ein bestimmtes
                                                                  mehr als eine unvollkommene Visualisierung dessen,           künstlerisches Bewusstsein steht. Picassos Diktum,
                                                                  was der Künstler an anderer Stelle geleistet hat.            dass die Müdigkeit der Hand, während man zeichnet,
eine Wahrnehmung der Zeit ist, charakterisiert dieses            Ähnlich wie in der Fotografie seit den 1980er Jah-      8) Rosand, David: Drawing acts: studies in graphic        19
Bewusstsein. 8)                                             ren findet hier noch einmal eine Emanzipation gegen-         expression and representation, Cambridge 2002, S. 12
                                                            über der Malerei statt. Die Intimität von Zeichnungen,
                                                                                                                         9) Wolfgang Zach in einer Mitteilung an den Autor 2008.
    Im Vergleich mit dem üblichen Prozess der Erstel-       die über Jahrhunderte ihr wesentliches Charakteristi-
                                                                                                                         Es muss beachtet werden, dass sich die Absolutheit
lung einer Handzeichnung erweist sich Zachs präzise         kum war und sie gerade für eine Kennerschaft attraktiv       dieser Linie nur auf ihre annähernd perfekte technische
künstlerische Reflexion über die einzelnen Aspekte die-     gemacht hat, wurde ebenfalls in den 1960er und be-           Kontrolle bezieht, nicht auf den Anspruch, eine letzt-
ses Prozesses, die er maschinell spiegelt beziehungs-       sonders den 1970er Jahren aufgehoben, allerdings we-         gültige Linie zu zeichnen.
weise im Sinne einer Versuchsanordnung zur Zeichnung        sentlich, indem man das Medium in Bereiche überführ-
simuliert, als Optimierung des Zeichenprozesses durch       te, in denen seine spezifischen Charakteristika kaum
die Überantwortung an technische Komponenten. Es ist        noch erkennbar waren, weil man mittels anderer Mate-
ihm möglich, eine Linie von solcher Präzision zu zeich-     rialien als den traditionellen zeichnete und weil es sich
nen, dass er diese als „absolute Linie“ definieren kann.    um Wandzeichnungen oder sogar Raumzeichnungen
9) Alle Elemente der traditionellen Handzeichnung, die      handelte. Es ist eine Leistung, die traditionelle Grafit-
zur Zufälligkeit der Linie beitragen, kann Zach auf ein     zeichnung auf Papier in solche Formate zu übertragen,
Minimum reduzieren, das sich aus der Fehleranfällig-        dass die Bilder in der Wahrnehmung der Betrachter mit
keit des Materials, d.h. der Minen und des Papiers,         Malerei vergleichbar werden, aber Zach setzt diese
ergibt, das aber auch die Lebendigkeit des Striches un-     Formate nicht vor allem deswegen ein, weil Zeichnung
terstützt. Der Künstler trägt mit seinem formalen Vorge-    bisher eine untergeordnete Rolle gespielt hätte. Er will
hen zur Neudefinition des Mediums Zeichnung bei.            keine traditionelle Funktion von Zeichnung karikieren.

    Zach ist jedoch, anders als die Künstlergeneration           Auch den Ausdruck einer individuellen, subjektiven
der Conceptual art und der Computerkunst der 1960er         Befindlichkeit des Künstlers und den Ausweis des spe-
und 1970er Jahre nicht mehr damit beschäftigt, mittels      zifischen Künstlergenies negieren seine Zeichnungen,
der Betonung des Mediums Zeichnung deren traditio-          da sie nicht mit der Hand ausgeführt sind. Aber Zach
nell dialektische Rolle zu reflektieren und umzukehren.     führt das Medium der Zeichnung nicht explizit ins Feld
Denn Zeichnung galt seit Jahrhunderten als bloße            kunsttheoretischer oder -politischer Aussagen. Seine
Vorarbeit zur Vorbereitung der wahren Kunstwerke in         Arbeiten reflektieren den Zeichenprozess selbst, was
anderen Medien wie der Malerei einerseits und als           anhand der Parallelität zur Handzeichnung auch in-
Ausweis des individuellen künstlerischen Genius und         sofern deutlich wird, als seine Zeichnungen wie eine
seiner Befindlichkeit in der einzelnen gezeichneten Linie   Handzeichnung wirken, die von einer fremden Hand
andererseits. Für Zach ist Zeichnung selbstverständlich     ausgeführt wurden. Eindeutig zeichnerische Elemente
ein eigenständiges Medium, auf dessen gleichwertige         finden sich sowohl in den Motiven, die er darstellt (ges-
Position zu anderen Kunstmedien er sich auch mittels        tische Linien zum Beispiel, siehe Kat. Nr. 12, S. 37), als
der zum Teil sehr großen Formate bezieht.                   auch in den einzelnen Linien, aus denen das Gesamt-
20                                               bild letztlich besteht. Andererseits verweisen gerade           Zeichnung wird häufig als „Zeichen-Setzung“ be-
                                                 die exakten, parallelen Linien auf die technische Um-      schrieben und anhand des Wechselspiels der schein-
                                                 setzung und stehen dem Eindruck einer Handzeichnung        bar neutralen Oberfläche (des Papiers) und der aktiven
                                                 entgegen.                                                  Markierung, die diese Oberfläche energetisiert, charak-
                                                                                                            terisiert. Indem er Form und Bedeutung des jeweiligen
                                                                                                            Zeichens – der zusammenhängenden Flächen im Bild
                                                 Zeichen als Zeichnung                                      genau wie der einzelnen Linie und ihrer spezifischen Ge-
                                                                                                            staltung – einem technisch dominierten Auswahl- und
                                                 Im Kontext der Wirkung einer fremden ausführenden          Programmierungsprozess überlässt, geht Zach einen
                                                 Hand zeigt sich, dass Zachs Reflexion des Zeichenpro-      entscheidenden Reflexionsschritt zurück. Er fasst das
                                                 zesses sich neben den komplexen technischen Zusam-         Zeichen, das er in der Zeichnung auf das Papier setzt,
                                                 menhängen auf dem Weg vom Ausgangsbild zur Zeich-          in keiner Weise als abstrakte Größe, sondern analysiert
                                                 nung vor allem auf den grafischen Akt des Zeichnens        es hinsichtlich seiner materiellen Realität. Es bleibt er-
                                                 und die bilderschließende Wahrnehmung des Betrach-         sichtlich, wie sich jede einzelne Linie aus dem Abrieb
                                                 ters bezieht. Auf die Bedeutung der Übereinstimmung        der Grafitmine ergibt, wie deren Aufdruckstärke die
     Abb. 5, Plotter Detail, im Zeichenprozess   der Bildzeilen im Ausgangsfoto mit der Linienbreite        Spur auf dem Papier definiert. Hier kombiniert Zach den
                                                 des Plotters zur Überführung des Vorlagenbildes in die     makroskopischen Blick der Vorlagenbilder mit einem
                                                 Zeichnung ist bereits verwiesen worden. Es handelt sich    mikroskopischen Blick in die Struktur der Zeichnung. Er
                                                 jedoch um mehr als eine technische Notwendigkeit im        beschreibt diesen Aspekt seiner Arbeiten als „ein Le-
                                                 Bildgenerierungsprozess, denn Zach betont auch in der      gen von Staub auf Papier“ (Abb. 5). Anhand dieser Cha-
                                                 fertigen Zeichnung, dass die Bilder aus einzelnen Linien   rakterisierung wird deutlich, dass Zachs Zeichnungen
                                                 entstehen, in denen jeweils verschiedene Graustufen        ihr eigenes Verschwinden enthalten, zumindest dessen
                                                 mit differenzierten Übergängen variieren. Dem Betrach-     Möglichkeit – in einer Art Vanitas-Symbol, das sich
                                                 ter wird bewusst, dass sich Flächen im Bild aus Linien     aber auf das Bild bezieht, nicht auf den Betrachter. Das
                                                 zusammensetzen, deren verschiedene Grauwerte zu-           verwirrende Element, dass diese Zeichnungen immer
                                                 sammenspielen. Vom fertigen Bild, unabhängig wie           zwischen ihrer materiellen Ebene und dem dargestell-
                                                 abstrakt oder gegenständlich sich dieses präsentiert,      ten Bild changieren, zeigt an, wie zentral die Reflexion
                                                 kann er jederzeit auf den Zeichenprozess zurückschlie-     des Zeichenprozesses in den Arbeiten ist.
                                                 ßen und das Bild kann wieder in seine zeichnerischen
                                                 Bestandteile zerfallen. Demnach werden Betrachter
                                                 von Zachs Arbeiten immer wieder auf den grafischen         Die Zeichnung und das Bild
                                                 Akt des Zeichnens zurückverwiesen und hierfür ist es
                                                 auch bedeutend, dass anhand seiner Werke wiederholt        Mit der Betonung der Erzeugung von Bildähnlichkeit
                                                 die Wirkung eines Original-Kunstwerks entsteht.            stehen Zachs Zeichnungen durchaus in einem Ver-
ständnis, dessen große Bedeutung für die Funktion            Schöpfer ausweist, der mittels seiner individuellen Li-      10) Leonardos Ansatz kann hier nur auf diese spezifische            21
des Mediums sich in der traditionellen theoretischen         nienführung die Macht besitzt, Bilder, Figuren, Welten       Wirkung hinsichtlich der Doppeldeutigkeit einer Zeichnung
                                                                                                                          zwischen Bilderfindung und Bildwiedergabe angewandt
Aufarbeitung der Zeichnung zeigt, die seit der Frühre-       zu erschaffen. Diese kunstpolitische Dimension tradi-
                                                                                                                          werden. Als bedeutende Unterscheidung zum zeichnerischen
naissance in Italien unter dem Begriff des „Disegno“         tioneller Disegno-Theorien negiert Zach mittels seines       Vorgehen eines überwiegenden Teils der Künstler seit der
subsumiert wurde. Leonardo, der als einer der ersten         Bilderzeugungsprozesses, das heißt der Auswahl vor-          Renaissance, das auch Leonardos theoretischem Diktum
Künstler gelten muss, die sich explizit Gedanken über        gefundener Bildvorlagen, und mittels der maschinellen        zugrunde liegt, muss man feststellen, dass Zach seine gezeich-
die spezifische kunsttheoretische Bedeutung des Medi-        Herstellung der Zeichnungen, die diese Bilder reprodu-       neten Bilder immer aus Flächen aufbaut und sich niemals
ums Zeichnung gemacht haben, stellte fest, dass in der       zieren.                                                      auf Konturlinien beruft. In diesem Sinne verzichtet Zach auf die
Zeichnung eine betonte Illusion vollzogen wird, die an-                                                                   Funktion der Linie, auf der Papieroberfläche eine räumliche
                                                                                                                          Trennung zu vollziehen, die eine Bedeutungszuweisung
ders als in der Malerei sichtbar bleibt. Er bezog sich auf       Aber der Künstler zeigt durch seine Zeichnungen
                                                                                                                          beinhaltet. Er setzt keine Zeichen, die das Blatt in definierte
die Konturlinie, die zwar die Figur im Bild konstituiert,    Betrachtern den neuralgischen Punkt jeglicher abbil-         und undefinierte, in dargestellte und undargestellte Bereiche
die in der Natur aber nicht existiert. Zeichnungen lassen    dender Kunst, aus eigenen Setzungen Bilder zu er-            unterteilt. Damit negiert er noch einmal aktiv die markierende
sich zwar durch Schraffuren annähernd „malerisch“ ge-        zeugen, die so konstituiert sind, dass ihre materiellen      Funktion des einzelnen gezeichneten Zeichens. Hierarchien
stalten, so dass das Element der einzelnen Linie weit-       Elemente in der Wahrnehmung des Betrachters das be-          existieren in seinen Zeichnungen nicht, deren Ränder das
gehend kaschiert wird, aber sie bleibt immer enthalten.      absichtigte Bild zusammensetzen. Es ist insbesondere         Bild radikal beschneiden und keine Referenzpunkte für die
                                                                                                                          Formen in der Zeichnung sind. Die Bilder lassen sich immer als
Ersichtlich wird dies auch in Zachs kleinformatigen          im digitalen Zeitalter keine neue Erkenntnis, dass die
                                                                                                                          eindeutige Ausschnitte aus einem größeren Zusammenhang
Zeichnungen, die der Plotter mittels Schraffuren und in      Bilder, die wir in den verschiedenen künstlerischen Me-
                                                                                                                          erkennen.
der Variation verschiedener Härtegrade der Grafitmine        dien sehen, eine Illusion darstellen, aber es ist nach wie
erstellt. Selbst in den Bildbereichen, in denen nahezu       vor eine besondere Leistung, solche Bilder zu erzeugen       11) Rosand 2002, S. 2, definiert das Zeichen auf dem Papier, das
schwarze Flächen dargestellt werden, bleibt sichtbar,        und gleichzeitig auf deren materielle Beschaffenheit         in jeder Zeichnung gesetzt wird, grundsätzlich als besondere
dass sich diese Flächen aus der Akkumulation von Li-         aufmerksam zu machen und darauf zu verweisen, dass           Möglichkeit, diese Doppeldeutigkeit zum Ausdruck zu bringen.
nien ergeben.                                                diese Erzeugung der Bilder in unserer Wahrnehmung            In Zachs Zeichnungen wird dieser Aspekt jedoch um einiges
                                                                                                                          deutlicher als bei anderen Zeichnern, weil sich erst aus der
                                                             stattfindet. 11) Zach selbst beschreibt diesen Vorgang
                                                                                                                          Zusammensicht der einzelnen Linien das Bild ergibt. In dieser
    Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur Malerei.     als ein „Sehen auf Durchschnittswerte“ und in jedem          Hinsicht erzeugt die jeweilige Linie die bildliche Illusion, aber
Und sobald man sich in der Zeichnung auf noch sicht-         technischen Schritt der Umsetzung eines Bildes in einer      sie konstituiert auf der anderen Seite kein einheitlich rezipier-
barere Linien bezieht wie Zach in den großformatigen         Zeichnung beziehungsweise als Zeichnung bezieht er           bares Bild, das dadurch ebenfalls als Illusion entlarvt wird.
Arbeiten, die sich deutlich aus parallelen Linien zusam-     sich auf Durchschnittswerte. 12) Der Betrachter zeich-
mensetzen, tritt Leonardos Charakterisierung in den          net in diesem Sinne immer schon mit.                         12) Es handelt sich zunächst um eine rein technisch be-
Vordergrund, dass im Medium Zeichnung zwangsläufig                                                                        dingte Charakterisierung, da Zach sich auf die Durchschnitts-
                                                                                                                          helligkeiten der Felder in der Karte der einzelnen Grau-
immer zwei Aspekte des Bildes kenntlich werden: die
                                                                                                                          stufen bezieht, die er im Voraus zeichnet. Seine Annahme
künstlerische Bilderfindung einerseits und die Bildwie-      Zeichnungen ohne Ende                                        ist, dass der einzelne Strich bei Verwendung dieser Durch-
dergabe andererseits. 10) Zach zieht aus dieser Leonar-                                                                   schnittswerte der Graukarte die gleiche Helligkeit aufweist.
do-Erkenntnis nicht mehr dessen Rückschluss, dass            Die aktuellen Arbeiten Wolfgang Zachs verwenden
insbesondere die Zeichnung den Künstler als genuinen         demnach nicht nur formal das Medium Zeichnung, son-
22       13) Schon vor den aktuellen Serien hat sich Zach    dern analysieren die grundlegenden Bedingungen die-          die formale Umsetzung in einer potenziell unendlichen
     mit den Besonderheiten der Zeichnung bei der Bild-      ses künstlerischen Mediums und reflektieren seine Be-        Serie von technisch ähnlichen Zeichnungen der Serie
              entstehung im Verhältnis zu anderen künstle-
                                                             sonderheiten im Prozess der Entstehung von Bildern. 13)      von Ausgangsbildern, die der Künstler in den sich im-
      rischen Medien auseinander gesetzt. Deutlich wird
         dies vor allem in seinen Kooperationen, in denen
                                                             Dieser Bildentstehungsprozess wird in den Werken so-         mer wandelnden Ansichten der Erde und dem unendli-
      er seine Reflexion über den Zeichenprozess auf die     wohl hinsichtlich des künstlerischen Aktes der Zeichen-      chen Raum des Weltalls findet.
         Vorlagen anderer Künstler angewendet hat. Dies      setzung als auch in Bezug auf die Wahrnehmung des
     betrifft sowohl die fotografischen Arbeiten von Anna    Betrachters dargestellt. Letzterer Aspekt der Zeichnun-           Trotz der großen Unterschiede in den Formen der
              Solecka als auch die abstrakte, zeichenhafte   gen spiegelt sich in den ausgewählten Vorlagebildern,        Motive lässt sich die Vielzahl von Demonstrationen von
                           Malerei Karl Heinrich Greunes.    die Zach in seine Durchschnittswerte des Zeichnens           Zachs zeichnerischen Verarbeitungen der Vorlagen als
                                                             und der Wahrnehmung überführt. Diese Bilder sind für         Übersicht wieder zusammenfügen. Im Überblick der Bil-
                                                             den Betrachter eigentlich nicht sichtbar und geben den-      der, die dem Betrachter präsentiert werden, ergäbe sich
                                                             noch die materielle Realität unserer Welt wieder.            räumlich wieder ein Gesamtbild, das sich zeitlich aber
                                                                                                                          als Schichtung präsentiert. Denn so sehr Zachs aktuelle
                                                                 Es ist deutlich geworden, dass sich Zachs Zeich-         Zeichnungen die Erdoberfläche und den Weltraum puzz-
                                                             nungen, obwohl es sich um Computergrafik handelt und         leartig erschließen, stehen sie für eine Momentaufnah-
                                                             der Künstler durch große technische Kenntnisse zum           me – bezüglich des spezifischen Bildes, das er umsetzt,
                                                             Experten computergrafischer Positionen geworden ist,         besonders aber bezüglich des zeichnerischen Aktes, der
                                                             weniger auf eine Auseinandersetzung mit technischen          als Bild aus einzelnen Linien und Grauwertflächen und
                                                             Medien beziehen als auf die traditionelle Handzeich-         als Grafitstaub auf Papier seine eigene Auflösung ent-
                                                             nung. Deren Qualitäten werden in das Zeitalter tech-         hält. Zachs Maschinen müssen und können immer wei-
                                                             nischer Reproduktion übertragen und gleichzeitig ihre        terzeichnen. In ihnen läuft eine präzise, kontinuierliche
                                                             Möglichkeiten durch Zachs Verfahren erweitert.               und dennoch bemerkenswert menschliche Verarbeitung
                                                                                                                          und Deutung der Bilderflut, die uns ansonsten unbe-
                                                                  Ein entscheidender Vorteil der maschinellen Aus-        merkt umrauscht. Das ist eine beruhigende Erkenntnis.
                                                             führung der Zeichnungen ist die Präzision der einzelnen
                                                             grafischen Elemente, deren Berechenbarkeit und poten-
                                                             ziell unendliche Wiederholbarkeit. Obwohl der Künstler
                                                             kaum Zeichnungen wiederholt und jede einzelne sich in
                                                             ihrer Wirkung als Handzeichnung einer fremden Hand
                                                             auch auf Originalität zu berufen scheint, ist das serielle
                                                             Element ein zentraler Aspekt der Arbeiten Zachs. Wie
                                                             gesehen, gilt dies weniger, weil dadurch das Potenzial
                                                             der Zeichnung als Ausweis individueller künstlerischer
                                                             Bedeutung zurückgenommen wird. Vielmehr entspricht
Der andere Blick

Ein Interview von Herwig Gillerke                          ich angefangen habe, davon Maschinenzeichnungen zu           H. G.: Wäre es möglich, Deine Zeichnungen                                     23
mit Wolfgang Zach                                          machen, habe ich mir von einer Objektidee eine bildli-   farbig zu arbeiten?
                                                           che Vorstellung vor meinem geistigen Auge gemacht,
    Herwig Gillerke: Die Ausstellung trägt den             wie so eine Arbeit aussehen und sich bewegen könnte.         W. Z.: Erst einmal würde ich sagen, Grau ist auch
Titel Die fremde Hand. Der Titel beschreibt letzt-         Diese Struktur habe ich versucht durch Mathematik zu     eine Farbe. Grundsätzlich hat es mich interessiert, mit
endlich Deinen Arbeitsvorgang. Du arbeitest mit            beschreiben. Dann kam der Prozess, durch Steuerbefeh-    Farbe zu arbeiten, aber es ist einfach deshalb nicht
Maschinen und mit selbstgeschriebenen Pro-                 le die Maschine so zu bewegen, dass sie die Zeichnung    möglich, weil die Qualität der Farbstifte zu schlecht ist
grammen. Du gehst eher wie ein Datenverarbei-              herstellt. Von Assistenten kann man das nicht ausfüh-    und die Auswahl zu gering. Mein Programm habe ich
ter vor, also auf den ersten Blick nicht sehr künst-       ren lassen, es wäre ein unendlicher Aufwand das zu       dafür angelegt, auch in Farbe zu arbeiten, aber ich habe
lerisch.                                                   vermitteln. Ich könnte auch von Hand zeichnen. Aber      kein Material gefunden.
                                                           ich bemühe mich immer, diesen Maschinenprozess so
    Wolfgang Zach: Das klingt so, als würdest Du nur       weit zu treiben, dass man das von Hand eben nicht aus-       Was die Farbigkeit angeht, finde ich, dass die Dif-
den Arbeitsprozess betrachten. Natürlich ist es so, dass   führen kann.                                             ferenzierung im Grau auch Farbe ersetzen kann. Wenn
die Arbeit auch darin besteht, dass ich Gedanken for-                                                               man zeichnerisch arbeitet, ist die Frage, wie man
muliere, die dann durch Maschinen ausgeführt werden.          H. G.: Deine künstlerische Arbeit besteht             Helligkeiten und Dunkelheiten wiedergeben kann. Im
Ich muss also für meinen künstlerischen Arbeitsprozess     darin, das Motiv zu suchen, das Programm zu              Prinzip arbeitet man ja mit Licht, beziehungsweise man
eine ziemlich detaillierte Planung machen, weil ich das,   schreiben und Feinheiten auszugleichen. Hinzu            stellt eine Staubstruktur auf dem Papier her, die Licht
was andere Künstler mit ihrer Hand machen, durch die       kommt, den Bedarf an Bleistiftminen zu decken            absorbiert und die dann das Bild ist.
Maschine ausführen lasse. Alles was in der Vorberei-       und auszuprobieren, wie sie funktionieren, und
                                                                                                                                                        Abb. 6, Herwig, Zeichnung, 30 x 40 cm, 2006
tung fehlt, wird nachher nicht ausgeführt.                 unterschiedliche Papiere auszutesten. Ist das
                                                           nicht eine sehr coole, distanzierte Haltung?
    H. G.: Du bist jemand, der im Vorfeld sehr viel
plant, um die Arbeiten machen zu können, aber                  W. Z.: Ich habe den Zeichenprozess auf ein be-
letztlich übernimmt Deine Maschine das Zeich-              stimmtes Papier eingestellt und nehme immer die
nen – ist da nicht eine große Distanz zwischen             gleiche Mine. Ich kann mich, da jetzt meine Program-
Bildträger und Dir? Du könntest Dir auch einen             me entwickelt sind, auf den Entwurf konzentrieren
Mitarbeiter suchen, den Du bezahlst, der nach              und hinterher das Ergebnis beurteilen und überle-
Deinen Anweisungen arbeitet.                               gen, wo ich meinen Zeichenprozess verbessern kann.
                                                           Aber während des Zeichenprozesses und anhand des
    W. Z.: Bei der Arbeit habe ich eine ganz bestimmte     Ergebnisses versuche ich, dieses Manuelle der Ma-
bildliche Vorstellung von dem, was ich machen will. In     schine zu beurteilen und zu verändern. Damit meine
den 80er Jahren habe ich Drahtobjekte gebaut. Diese        ich, was mit dem Bild passiert und wie sich die zeich-
Objekte besitzen eine räumliche geometrische Konst-        nerische Qualität ändert, wenn ich die Strichführung
ruktion, die sich mathematisch beschreiben lässt. Als      variiere.
24                          H. G.: Zu einem anderen Thema. Du hast mehr-          ziemlich Kompliziertes ist. Das mit der Maschine zu ma-         Das Sternenthema habe ich auch im Internet ent-
                        fach mit Kollegen zusammengearbeitet, unter an-           chen, ist entsprechend kompliziert. Ich wollte mich voll   deckt und versucht, Bereiche zu finden, die sich zeich-
                        derem mit Anna Solecka, die Fotovorlagen erstell-         auf die Zeichentechnik konzentrieren, Technik in dem       nerisch gut umsetzen lassen, wobei das Formenreper-
                        te, später mit Karl Heinrich Greune, der Entwürfe         Sinne, wie man den Bleistift über das Papier führt.        toire bei den Sternenbildern begrenzter ist als bei den
                        gemacht hat. Fühlst Du Dich da nicht zeitweilig                                                                      Landschaften. Die Bilder aus dem Weltraum zeigen uns
                        nur als Ausführender für Künstlerkollegen?                    Bei Karl Heinrich Greune hat mich die Zusammen-        eine sonst unsichtbare Welt. Es hat mich doppelt in-
                                                                                  arbeit interessiert, weil ich andere Oberflächen als fo-   teressiert, dass man, um diese Bilder für das Internet
                            W. Z.: Es könnte sein, dass es von außen so gese-     tografische zeichnen wollte. Greune war von Anfang an      zu erzeugen, Signale verwendet. Jedes Pixel entspricht
                        hen wird. Ich empfinde das nicht so. Bei den Kooperati-   aufgeschlossen und bald so begeistert, dass er Entwür-     einem digitalen Signal aus dem Fotosensor des Sa-
                        onen mit den beiden Künstlern hatte ich in dem Moment     fe extra für diese Technik hergestellt hat. Das Ergebnis   telliten. Ich verwende auch diese Signale, um meinen
                        selbst bestimmte Interessen. Bei Anna Solecka wollte      aus der Maschine sah nicht aus wie ein Foto seines         Bleistift zu steuern. Im Prinzip ist es das gleiche, nur
                        ich parallel zur aufwendigen Programmentwicklung mit      Entwurfs, sondern es waren Originale.                      dass ich das Bild nicht mit einem Elektronenstrahl auf
                        den Inhalten nicht auf einem Probierniveau starten. Die                                                              einer Mattscheibe erzeuge, sondern mit dem Bleistift.
                        Arbeiten sollten von Anfang an ein künstlerisches Ni-         H. G.: Seit den letzten beiden Jahren arbei-           Dadurch bekomme ich Ergebnisse, bei denen auf einer
                        veau haben. Sie hat sich auf die Entwürfe konzentriert    test Du überwiegend allein. Du suchst Dir Motive           Papierfläche durch das Eindringen von Grafitstaub in die
                        und ich mich auf das Programm. Man muss sich klar         aus dem Internet, Sternenbilder und Aufnahmen              Papieroberfläche eine Struktur entsteht, die Ähnlichkeit
                        machen, dass die Bleistiftzeichnung auf Papier etwas      von der Erdoberfläche aus sehr großer Höhe. Es             mit diesen Sternenbildern hat.
                                                                                  gibt Ansichten, da denkt man an Landschafts-
     Abb. 7, Zach, Zeichnung, 30 x 40 cm, 2008                                    aufnahmen aus Worpswede mit Spiegelung auf                     H. G.: Seit kurzem arbeitest Du an einer neuen
                                                                                  dem Wasser, dabei ist es eine Draufsicht auf die           thematischen Reihe, wofür Du zum Beispiel bei
                                                                                  Erdoberfläche. Wie kommt eine solche Motivaus-             Ausstellungseröffnungen fotografierst. Diese Fotos
                                                                                  wahl zustande, ist die geplant oder überrascht             von Personen, besonders Kollegen, werden dann
                                                                                  Dich manchmal das Ergebnis?                                als Zeichnung bearbeitet. Werden diese Arbeiten
                                                                                                                                             auch einmal das Licht der Öffentlichkeit erblicken
                                                                                      W. Z.: Ich entdeckte frühzeitig die Bilder von         oder ist das nur ein Projekt im Verborgenen?
                                                                                  „Google Earth“. Die Landschaften haben eine beson-
                                                                                  dere Perspektive, weil es sich um Satellitenaufnah-             W. Z.: Es ist nur ein Projekt im Verborgenen, weil
                                                                                  men handelt. Ich habe immer versucht, Landschaften         ich erst seit einem halben Jahr die Möglichkeit habe,
                                                                                  zu finden, die auch etwas Geometrisches haben, die         dass die Qualität der Zeichnung ausreichend für Por-
                                                                                  Strukturen in sich haben, die nicht eindeutig zu inter-    träts ist. Wenn ich meine, ich hätte gute Ergebnisse,
                                                                                  pretieren sind. Danach mache ich einen Ausschnitt          ist es nicht ausgeschlossen, dass ich es ausstelle (Abb.
                                                                                  und bearbeite ihn mit einem Fotoprogramm, um eine          6 und 7). Ich habe mir mit der Entwicklung einer Ver-
                                                                                  Vorlage zu kriegen, die besonders gut für den Bleistift    bindung von Fotografie und Zeichnung eine einzigartige
                                                                                  geeignet ist.                                              Möglichkeit geschaffen.
H. G.: Ich erinnere mich, dass Du vor etwa               konstruiert und dann durchgeführt habe. Wenn mir ein                                                                                             25
drei, vier Jahren mit einer Serie begonnen hast,             Bild begegnet, ist es für mich kein großer Unterschied,
in der es um bekannte Fotografie ging. Du hast               ob es mir in Natura begegnet und ich auf den Auslöser
Fotografen angesprochen und zum Beispiel von                 drücke oder ich das Bild im Internet finde. Oder ich sehe
Robert Lebeck eine Arbeit übersetzt – das be-                einen Ausschnitt in einem Foto von jemand anderem,
rühmte Foto mit dem entrissenen Säbel. Das gibt              den der gar nicht bemerkt hat.
es als Zeichnung von Dir. Wird es weitere geben
in dieser Serie?                                                 H. G.: Ich erinnere mich, dass Du vorletztes
                                                             Jahr eine Zeichnung von einem meiner für Dei-
    W. Z.: Da geht es noch einmal um Kooperationen.          ne Verhältnisse sehr schrillen Farbfotos gemacht
Am Anfang habe ich gedacht, statt selber Fotograf zu         hast, und ich war überrascht, wie gut sich dieses
werden, könnte ich mit Fotografen Kontakt aufnehmen,         Foto in Grauwerte übersetzen lässt (Abb. 8). Hast
die etwas Interessantes machen, das ich gerne umset-         Du schon mal darüber nachgedacht, als Vorlagen
zen will. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass dies   farbige Gemälde oder ähnliches zu nehmen?
nicht funktioniert. Darum habe ich mich entschieden,
mich selber mit Fotografie auseinander zu setzen. Ich            W. Z.: In der digitalen Fotografie gibt es keine
möchte Themen finden, bei denen der Bleistift auf            Grenze zwischen Farbe und Schwarzweiß. Nach der
Papier vom Ergebnis her mehr liefert, als mit anderen        Zusammenarbeit mit Karl Heinrich Greune habe ich
Techniken möglich ist.                                       das Gefühl, dass ich schon beurteilen kann, was her-
                                                             auskäme, würde ich Malerei zeichnen. Da ich so viele
     H. G.: Soweit ich mich erinnern kann, gilt das          Möglichkeiten in der Fotografie zur Verfügung habe, die
vor allen Dingen für Fotos, in denen viel Kontrast           ich noch nicht untersucht habe, glaube ich eher nicht,
ist. Relativ monochrome Fotos sind dagegen we-               dass ich noch andere künstlerische Techniken als Vor-
niger geeignet.                                              lage nehme.

    W. Z.: Durch die Verwendung von acht verschie-               H. G.: Ich muss trotzdem noch einmal auf die
denen Härtegraden kann ich eine sehr große Grau-             spannende Frage von Malerei und ihrer Umsetzung
wertspannweite erreichen. Von den 256 möglichen              als Zeichnung zurückkommen. Würde es Dich nicht                             Abb. 8, Zeichnung nach Live von Herwig Gillerke, 120 x 80 cm, 2006
Grauwerten kann ich 200 ausdrücken und werde mit             reizen, fotorealistische Malerei als Zeichnung zu-
Sicherheit im Laufe der Zeit 256 Graustufen erreichen.       rückzuverwandeln, so dass man nicht mehr weiß,              Kunstwerke müssen auch Bestand haben vor dem
Das kommt nur bei Fotografien zum Tragen, bei denen          ob es ein Foto oder ein gemaltes Bild war?                  Betrachter, der nichts über die Hintergründe weiß. Für
diese Spannweite auch drin ist. Das Motiv muss einem                                                                     mich ist die Technik, die ich verwende, nur ein Mittel
aber auch begegnen. Anders als in der bisherigen Ar-             W. Z.: Ich kann mich dafür nicht erwärmen. Grund-       um Kunst zu erzeugen, das heißt die künstlerischen In-
beit, in der ich Konzepte gemacht, etwas entworfen,          sätzlich überhöht der Aufwand nicht das Ergebnis.           halte müssen bei der Arbeit im Vordergrund stehen.
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