DIE GEISTIGEN BRÜDER DES NEONAZIS IN HANAU: AFD, MERKELHASSER, DON ALPHONSOS AGITATION GEGEN "KULTURMARXISMUS" - CLEMENS HENI

 
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DIE GEISTIGEN BRÜDER DES NEONAZIS IN HANAU: AFD, MERKELHASSER, DON ALPHONSOS AGITATION GEGEN "KULTURMARXISMUS" - CLEMENS HENI
Die geistigen Brüder des
Neonazis   in  Hanau:  AfD,
Merkelhasser, Don Alphonsos
Agitation             gegen
„Kulturmarxismus“
Von Clemens Heni, 20.02.2020

Am Abend des 19. Februar 2020 ist passiert, was viele seit
Jahren befürchtet haben: ein von einem Neonazi oder ganz
normalen deutschen Rassisten verübtes Massaker an neun
Menschen, die von ihm als nicht-deutsch selektiert worden
waren.

Die Opfer waren Besucher von Shisha-Bars, ganz gezielt wurden
sie dort erschossen. Der Täter ist ein 43jähriger Deutscher,
der laut Polizeiangaben ein Bekennervideo- und schreiben im
Internet hinterlegt hat, das Verschwörungswahnsinn,
Rechtsextremismus und Rassismus beinhalt.

Wenige Tage zuvor     hatte    die   Journalistin   Mely   Kiyak
geschrieben:

 Der Spieß muss sich radikal drehen. Die Parteien sollten ab
 sofort den Minderheiten gegenüber ein Bekenntnis abgeben.
 Nämlich ob sie mit beiden Beinen auf dem Boden der
 demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung stehen, verbunden mit
 der, um zum Anfang zurückzukehren, simplen Frage: ‚Wollt ihr
 Juden, Muslime, Sinti, Roma und Schwarze in diesem Land? Oder
 fühlt ihr euch mit den Faschisten wohler?‘ Beides geht nicht.
 Das kann man auch ruhig mal den Arbeitskollegen fragen. Jetzt
 wäre die richtige Zeit dafür. Die Kanzlerin ist bald weg, ihr
 Schutz und ihre Wehrhaftigkeit auch. Deshalb bitte ehrlich
 sein. So ein Jahrzehnt ist ja schnell um.
Der Springer-Konzern und der Bluthund der Tageszeitung Die
Welt, Don Alphonso, sind ehrlich. Sie wollen keine Migranten,
kein Gender-Mainstreaming, keine Kanzlerin Angela Merkel. Sie
wollen, dass der Mob endlich losschlägt und zwar nicht so
stümperhaft wie in Halle, sondern richtig blutig. Das ist
jetzt in Hanau passiert.

In einem neu-rechten oder rechtsextremen manifestartigen Text
vom 17. Februar 2020 macht Don Alphonso in der Welt schon im
Titel deutlich, wie antisemitisch, rassistisch und
deutschnational er denkt:

 Leitkulturorgie nach den kulturmarxistischen Merkelpartys.

Sex und Gewalt, Minderwertigkeitskomplexe und die psychotische
Liebe zur Masse waren noch immer die Ingredienzien
faschistischer Bewegungen. Ein Nazi ist feige und nur ein Nazi
in der Masse oder mit einer geladenen Waffe in der Hand. So
auch heute. Der      Springer-Schreiber benutzt den in
antisemitischen      Kreisen   beliebten  Begriff  des
„Kulturmarxismus“ und die Wortkreation von den „Merkelpartys“
indiziert nicht nur seinen abgrundtiefen Frauenhass, der im
ganzen Text zu finden ist, sondern zeigt vor allem Pegida, dem
Faschisten Björn Höcke und dessen rechtsextremer Partei, dass
eines der größten Presseimperien des Landes treu hinter ihnen
steht.

Der Springer-Bursche mit Lederhose hat seine Opfer klar im
Blick, als nicht-deutsch definierte Frauen in vorderster
Reihe:

 Aber die ganzen kulturmarxistischen Debatten um neue
 Identitäten sind in ihrer bewussten Feindseligkeit schwer zu
 ertragen. Leute wie Margarete Stokowski und Mely Kiyak feiern
 nicht ihre Andersartigkeit und wie toll das ist – sie
 definieren Gegner und erhöhen sich als angeblich
 ‚Marginalisierte‘ darüber.
Stokowski und Kiyak haben Angst um das vielfältige Leben in
diesem elenden Doitschland.

Hanau zeigt, warum diese Angst nie so begründet war wie am 19.
Februar 2020, dem – nach den Morden der 1990er Jahren, nach
der NSU-Terrorzelle von 2000 bis 2007, nach dem Mord am CDU-
Politiker Walter Lübcke im Juni 2019, nach dem Angriff an Yom
Kippur auf Juden und die Synagoge in Halle 2019, nach dem
Auffliegen eines weiteren Neo-Nazi-Netzwerks in Baden-
Württemberg nur wenige Tage zuvor – letztendlichen Beginn des
Neonazi-Bürgerkriegs in der Bundesrepublik.

In seinem “Manifest” mit 24 Seiten schreibt der Mörder von
Hanau, dass er einen riesigen Völkermord für sinnvoll
erachtet, folgende Länder, die meisten muslimisch, aber Israel
ist auch dabei, sollen vernichtet werden:

 Daher sagte ich, dass folgende Völker komplett vernichtet
 werden müssen: Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen,
 Ägypten, Israel, Syrien, Jordanien, Libanon, die komplette
 saudische Halbinsel, die Türkei, Irak, Iran, Kasachstan,
 Turkmekistan, Usbekistan, Indien, Pakistan, Afghanistan,
 Bangladesh, Vietnam, Laos, Kambodscha bis hin zu den
 Philippinen.

 Und dies wäre erst die Grob-Säuberung. Danach muss die
 Fein-Säuberung kommen, diese betrifft die restlichen
 afrikanischen Staaten, Süd- und Mittelamerika, die Karibik
 und natürlich das eigene Volk.

 Wobei ich anmerkte, dass nicht jeder der heute einen
 deutschen Pass besitzt reinrassig und wertvoll ist; eine
 Halbierung der Bevölkerungszahl kann ich mir vorstellen.

Natürlich möchte Die Welt keine Länder zerstören. Aber Don
Alphonso schreibt in einem Tonfall, der allen als nicht-
deutsch (oder antideutsch) abqualifizierten Menschen
unterstellt, ihm und den armen Deutschen Böses zu wollen:
Verbot von Identität     und   Nationalgefühl.   Verbot   von
 Zugehörigkeit.

Exakt diese Angst vor dem Verlust des “Nationalgefühls” und
von “Identität” hatte auch der Mörder von Hanau.

Die WELT und Don Alphonso sind wenigstens ehrlich. Sie lieben
Deutschland, Leitkultur, Naturzerstörung, schnelle Autos, die
Abwertung und Benutzung von Frauen, das Schüren von Hass auf
Migrantinnen und Migranten, das Spielen mit antisemitischen
Topoi wie „Kulturmarxismus“ (früher hieß das „jüdischer
Bolschewismus“), die Ablehnung von Minderheiten, ja aller
Menschen, die deutsch sind, aber deren Eltern, Großeltern oder
Nachbarn nicht beim Judenvergasen dabei waren. Das verzeihen
die Freunde der AfD niemals.

Der Mörder von Hanau hat offenkundig die gleichen Feindbilder
wie die Don Alphonsos: „Kulturmarxisten“ und Migranten. Der
eine schießt mit scharfer Munition, der andere mit Buchstaben.
Beide töten.

Deutsche     Männer     mit
Schnappatmung. Zur Kampagne
„besorgter    Bürger“    und
anderer Rechtsextremer gegen
die Amadeu Antonio Stiftung
(AAS) und Anetta Kahane
Wir leben in gefährlichen Zeiten. Faschisten lieben, es
„gefährlich zu denken“, ans Äußerste zu gehen, theoretisch wie
praktisch. Das ist das Erbe von Richard Wagner, Carl Schmitt
und Ernst Jünger.

In Berlin wird auf Demonstrationen von Neonazis, anderen „ganz
normalen besorgten Bürgern“ (=“Rechtspopulisten“) wie am 30.
Juli 2016 schon mal gefordert, Bundeskanzlerin Merkel „zu
steinigen“, wie das Jüdische Forum für Demokratie und gegen
Antisemitismus berichtet.

Die   Partei    Alternative      für   Deutschland    (AfD),
Verschwörungswahnsinnige, Zeitschriften wie das vom Ex-Linken
Jürgen Elsässer geführte Compact Magazin, das Deutschland als
von den USA besetztes Land herbei fantasiert, Neonazis aller
Art, die „Identitäre Bewegung“ und die beliebten „besorgten
Bürger“ hetzen seit Jahren: „Merkel muss weg“.

In USA fordert der republikanische Präsidentschaftskandidat
Donald Trump, seine Gegnerin, die demokratische Kandidatin
Hillary Clinton, „einzusperren“ („lock her up“), für den
niederländischen Agitator Geert Wilders, der auch gegen die
jüdische Beschneidung ist, klebt an Merkels Händen „Blut“,
Morde durch Jihadisten seien ihr zu verdanken. Der heutige
britische Außenminister Johnson verglich während der BREXIT-
Kampagne die EU mit Hitler. Selten war die Trivialisierung des
Holocaust so Mainstream in Europa, wir wollen von
osteuropäischen oder islamistischen Formen der Holocaust-
Bejahung hier erst gar nicht sprechen.
Das Klima ist so angespannt und verhetzt, dass viele nicht
glauben wollten, dass der mörderischste Anschlag in der
Bundesrepublik seit Jahren, der Amoklauf von München vom 22.
Juli 2016 mit neun Toten und dutzenden Verletzten, kein
islamistischer Anschlag war, sondern von einem rassistisch und
neonazistisch motivierten, zudem psychisch kranken Täter
ausgeführt wurde. David Ali S. ( manche wollten wohl
insinuieren, die Presse würde absichtlich den Vornamen „Ali“
nicht nennen, während ähnlich Fragende in England nicht
betonten oder nicht mal erwähnten, dass der Täter ein Rassist
und Rechtsextremist war) aus München tötete gezielt Migranten,
was nicht nur mit schulischen Problemen in Beziehung steht,
sondern auch mit einer offenkundig rechtsextremen Ideologie.
Er hatte am selben Tag wie Hitler Geburtstag und freute sich
darüber, zudem sah er sich als Deutsch-Iraner besonders
„arisch“, während des Amoklaufs wurde ein Video aufgenommen,
das seine rassistische und deutsche Ideologie fragmentarisch
zum Ausdruck bringt.

Zuletzt hatte der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)
gezielt neun Migranten ermordet, allerdings in einem Zeitraum
von 7 Jahren und nicht innerhalb weniger Minuten.

Vor diesem Hintergrund ist die Aufklärungsarbeit gegen Rechts
von enormer Bedeutung.

Doch in Deutschland ist die Kritik an der Rechten verpönt, die
Neue Rechte ist derzeit salonfähig, nicht Gesellschaftskritik
und Antifaschismus. Das zeigt sich am FAZ-Autor „Don
Alphonso“, der am 31. Juli auf Twitter schrieb, wie der
Tagesspiegel-Autor Matthias Meisner gleichsam geschockt
zitiert:

 „Im Vergleich zu Maas, Kahane, de Maiziere, Juncker und
 Twitters Beihilfe ist Erdogan ein altmodischer
 Zensurpfuscher“

Heiko Maas, der 2014 als erster Bundesminister auf dem Global
Forum for Combating Antisemitism in Jerusalem sprach und eine
jüdische Aktivistin gegen Rechtsextremismus, Islamismus und
Antisemitismus in all seinen Formen, Anetta Kahane, werden
hier mit einem antisemitischen islamistischen Führer
gleichgesetzt, ja sie seien viel schlimmer als der türkische
Präsident Erdogan.

Wer sich also für Israel einsetzt wie Heiko Maas oder gegen
Antisemitismus wie Anetta Kahane sei problematischer als ein
brutaler, autokratischer und islamistisch fanatisierter
Staatsführer wie Erdogan. Geht’s noch?

Ja, es geht noch krasser. Dieser Tweet steht nämlich nicht
isoliert, er ist Teil einer Kampagne gegen die Kritik am
Rechtsextremismus und am Antisemitismus. Eine Kampagne gegen
die Amadeu Antonio Stiftung (AAS). Eine Kampagne zudem gegen
Anette Kahane, die Vorsitzende der Stiftung, persönlich. Warum
dreht das zumeist weiße, männliche Pöbelvolk so durch?

Die extrem rechte Hetze gegen alles, was links ist oder so
interpretiert wird, hat seit vielen Jahren Hochkonjunktur. Von
Matussek über Sarrazin zu Pegida und der AfD führt eine der
neu-rechten Linien. Parallel dazu gibt es einen organisierten
Rechtsextremismus, der weit älter ist und der seit Jahren die
Chance sieht, den ganz großen Durchbruch zu schaffen. Eine
Nazi-Partei in den Bundestag, „national befreite Zonen“, eine
Pogromstimmung gegen Flüchtlinge, Nichtdeutsche und Linke bzw.
so Kategorisierte, zumindest in einigen Teilen der Republik
wie in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern.

Schauen wir uns mal einen ganz aktuellen Fall an, was den
deutschen Antisemitismus und die AAS betrifft. Die
Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst
(HAWK) hat einen Antisemitismusskandal. Jahrelang wurden dort
in einem Seminar antisemitische Texte und Dokumente als
Lehrmaterial den Studierenden vorgesetzt. Der Journalist Alan
Posener von der WELT berichtet darüber:
„Aber der Hochschule liegt seit dem September 2015, mithin
 seit elf Monaten, ein Gutachten der Amadeu-Antonio-Stiftung
 zu den Seminarmaterialien vor. Der Autor des Gutachtens, Jan
 Riebe, stellt unter anderem fest: ‚Die Texte beschäftigen
 sich nicht oder nur in Ansätzen mit der sozialen Lage von
 Jugendlichen in den palästinensischen Gebieten‘ – dem
 vorgeblichen Thema des Seminars. Viele Texte seien nicht
 wissenschaftlich, sondern ‚agitatorisch‘. Die meisten
 ‚widersprechen wissenschaftlichen Mindestanforderungen‘.

 Über einen Text heißt es: ‚Eine solche Zusammenstellung‘
 negativer Aussagen über Israel ‚ist mir in meiner
 langjährigen zivilgesellschaftlichen Arbeit fast ausnahmslos
 aus Nazikreisen untergekommen‘. Ein solches Seminar sei
 ‚unvereinbar   mit   den   demokratischen   Grundsätzen   einer
 Hochschule‘.

Nun ist ein Kollege von Posener, der Publizist Henryk M.
Broder als Mitbetreiber des Autorenblogs Achgut.com an der
Hetzkampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) direkt
beteiligt. Einer der Texte dieser abstoßenden und gefährlichen
Kampagne ist auf seinem Blog erschienen. In dem Text wird
eine Beziehung von Kommunismus, Juden (Anetta Kahane ist als
Jüdin bekannt) und Geld hergestellt. Es würde sich „lohnen“
gegen rechts zu arbeiten. Anetta Kahanes Tätigkeit für die
Stasi wird aufgewärmt, als sei das nicht seit vielen Jahren
völlig offen und bekannt. Kahane hatte 1986 einen
Ausreiseantrag aus der DDR gestellt, weil sie erkannte, dass
die DDR strukturell unfähig war, dem Neonazismus oder
Rechtsextremismus zu begegnen, wozu es eine antiautoritäre,
bunte Gesellschaft braucht.

Heutzutage erarbeitet sie mit ihrer Stiftung Ausstellungen
über Antisemitismus in der DDR. Und eine Kritik am
Antisemitismus ist bei der Neuen Rechten natürlich ein No-Go,
solange man nicht ausschließlich Muslime oder Linke dafür
verantwortlich machen kann.
Der Anhänger von Verschwörungsmythen Gerhard Wisnewski
attackiert die AAS auf der Seite des extrem rechten Kopp-
Verlages. Er bekommt Schnappatmung, weil eine heutige
Mitarbeiterin der AAS, Julia Schramm, sich 2014 auf Twitter
(Gottseibeiuns!) bei der Royal Air Force bedankte, die im
Zweiten Weltkrieg Dresden bombardierte.

In einer unglaublich fanatischen deutsch-nationalen Stimmung –
jede Fußball-Männer EM oder WM zeugt davon, allerspätestens
seit 2006 im gesamtdeutschen Rausch – werden vor allem
„Antideutsche“, also Kritikerinnen des deutschen Nationalismus
und Antisemitismus und Rassismus, diffamiert und attackiert.
Das haben rechtsextreme Verschwörungswahnsinnige übrigens mit
weiten Teilen der Linken, man denke nur an Sahra-ich-wäre-so-
gern-AfD-Bundesvorsitzende-Wagenknecht, die antizionistische
Postille junge Welt oder die örtlichen Ableger von DKP, MLPD
oder den Stammtischen ehemaliger, nun ergrauter KPD/AO-
Mitglieder, gemein.

Man könnte mit Julia Schramm womöglich über ihre völlig not-
wendige Kritik am Nationalismus in Deutschland reden, am aus
ihrer Sicht überholten und falschen Konzept des
Nationalstaats, wie sie es in einem kleinen Video kürzlich
getan hat, und dabei darauf hinweisen, dass gerade die Kritik
am Antisemitismus not-wendig eine Bejahung des israelischen
Nationalstaats beinhaltet.

Das ist für sehr viele linke Israelunterstützer eine Aporie:
hier mit Jürgen Habermas (für die Sozialdemokratischen) oder
Marx und Kritischer Theorie (für die ganz Radikalen und
Strammen) gegen den Nationalstaat und dort irgendwie für
Israel, gegen Jakob Augstein, Jihad und den Iran.

Doch das wäre eine ganz andere Diskussion. Dass Israel der
jüdische und demokratische Nationalstaat ist und als solcher
zu verteidigen ist, muss erst noch in linke Theoriebildung
Einzug erhalten. Da hat die „Israelszene“ noch sehr viel
Arbeit vor sich liegen.
Hier und heute geht es darum, die rechtsextreme und
antisemitische Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung zu
attackieren und zu Fall zu bringen.

Der Journalist Christian Bommarius hat für die Berliner
Zeitung zusammengefasst, mit was für einen Gruppe von
Agitatoren wir es zu tun haben:

 „In diesem Lager – präziser wäre: Kampfgemeinschaft – stehen
 die rechtsradikale Zeitung Junge Freiheit und der Publizist
 Roland Tichy (‚Es ist ein peinliches (sic!) Netz der Zensur,
 das hier über Deutschland gelegt wird und im Zusammenspiel
 mit den Parteien und vielen Medien glänzend funktioniert.‘),
 die islamophobe ‚Achse des Guten‘ um Henryk M. Broder,
 Anhänger der rechtsextremen ‚identitären Bewegung‘, der auf
 die Verbreitung von Verschwörungstheorien spezialisierte
 Kopp-Verlag    mit   seinem     fast   schon    ulkigen
 Chefverschwörungstheorienverbreiter Udo Ulfkotte (‚Zensur-
 Republik Deutschland: So sollen Bürger eingeschüchtert
 werden‘), der rassistische Blog ‚politically incorrect‘ und
 was sich derzeit sonst noch auf dem Markt intellektueller
 Unredlichkeit und trostloser Unanständigkeit tummelt. Sie
 alle werfen Maas, der Amadeu-Antonio-Stiftung und anderen,
 denen der Schutz der Menschenwürde etwas bedeutet, vor, die
 Republik in eine ‚Stasi 2.0‘ zu verwandeln und mit dem
 ‚peinlichen Netz der Zensur‘ zu knebeln.“

Antideutsche werden dieses Land vor sich selbst retten oder es
geht unter. So oder so.

Und da ist sie wieder, die Schnappatmung weißer deutscher
Männer. Aber sie sind nicht alleine. Vera Lengsfeld ist bei
ihnen.
Journalisten                         zwischen
Fischgräten,                    Neurosen und
Psychosen

Der Realitätsverlust angesichts der
Brüsseler   jihadistischen  Anschläge,
dargestellt am Beispiel von Constantin
Seibt, Dunja Hayali & Co.
Der Schweizer Journalist Constantin Seibt publiziert am 25.
März 2016 angesichts der islamistischen Massaker in Brüssel am
Flughafen und der U-Bahn einen Text im schweizerischen
Tagesanzeiger. Gleich zu Beginn schreibt er:

 „So grausam jeder dieser Morde ist, es gibt Gefährlicheres.
 Allein in Deutschland sterben pro Jahr über 500 Leute an
 einer Fischgräte.“

Fischgräten seien gefährlicher als der Jihad. Das führt den
preisgekrönten Schweizer Denker zu folgender Konsequenz:

 „Die Verteidiger des Abendlands sind heikler als die
 Terroristen: Diese haben zwar Bomben. Doch die wirklichen
 Zerstörungen können wir nur selber anrichten. Etwa wenn man
 durch geschlossene Grenzen die Wirtschaft ruiniert. Oder
 durch einen Überwachungsstaat die Freiheit. (…) Was tun?
 Eigentlich nur eines: Die Polizei ihre Arbeit machen lassen.
 Und sonst Haltung bewahren: also die eigenen Prinzipien,
 kühles Blut, Freundlichkeit. Das genügt. Denn das eigentliche
 Ziel der Attentäter sind nicht Flughäfen oder Metrostationen,
sondern die Köpfe. Ihr Ziel ist der Verlust an Haltung.“

Wenige Tage nach einem weiteren islamistisch motivierten
Massaker mitten in Europa solche Zeilen zu schreiben, macht
nachdenklich. Das Ziel der Attentäter sei nicht der Mord an
einer möglichst großen Zahl von Menschen, sondern es seien
„die Köpfe“. Der IS im Speziellen und der Jihad im Allgemeinen
wollten, dass Europa nach rechts dreht, damit möglichst viele
Muslime sich dem Jihad anschließen. Als ob es dazu rechter
Tendenzen, die es in ganz Europa gibt, bräuchte. Viele Muslime
werden aus islamistischer Überzeugung zum Jihadisten (oder
auch “legalen” Islamisten, die es ja in noch viel größerer
Anzahl gibt, beiden gemein ist die Vorliebe für Religion und
Scharia). Der Islamismus bietet eine autoritäre Antwort auf
die Vielfältigkeit und Unübersichtlichkeit der Moderne. Er ist
gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter, verachtet
Homosexuelle oder die Zinswirtschaft und natürlich die
Meinungssfreiheit (Erdogan).

Zudem ist der Islamismus die Hauptströmung der Internationale
des Antizionismus, der gefährlichsten Form des heutigen
Antisemitismus,     neben   dem   eher   “kosmopolitischen
Antizionismus” des Westens und vieler Intellektueller.
Doch so zu schreiben wie Seibt, so eiskalt angesichts von
dutzenden Ermordeten – ist das noch Zynismus angesichts von
völlig zerfetzten Menschen, die auch ihre Köpfe verloren, so
zu schreiben, oder noch krasser? Gibt es dafür ein Wort?

Denn was ist in den Köpfen derer, die noch einen haben, drin?
Etwas alltagssprachlich formuliert: sind die Leute, die
angesichts von Jihad und zerfetzten Menschen in Brüssel von
gefährlicheren Fischgräten daher reden, noch ganz „knusprig“?

Fragen wir Sigmund Freud. Er schrieb 1924            in   „Der
Realitätsverlust bei Neurose und Psychose“:

 „Ich habe kürzlich einen der unterscheidenden Züge zwischen
 Neurose und Psychose dahin bestimmt, daß bei ersterer das Ich
 in Abhängigkeit von der Realität ein Stück des Es
 (Trieblebens) unterdrückt, während sich dasselbe Ich bei der
 Psychose im Dienste des Es von einem Stück der Realität
 zurückzieht. Für die Neurose wäre also die Übermacht des
 Realeinflusses, für die Psychose die des Es maßgebend. Der
 Realitätsverlust wäre für die Psychose von vorneherein
 gegeben; für die Neurose, sollte man meinen, wäre er
 vermieden. Das stimmt nun aber gar nicht zur Erfahrung, die
 wir alle machen können, daß jede Neurose das Verhältnis des
 Kranken zur Realität irgendwie stört, daß sie ihm ein Mittel
 ist, sich von ihr zurückzuziehen, und in ihren schweren
 Ausbildungen direkt eine Flucht aus dem realen Leben
 bedeutet.“
Und weiter mit Freud:

 „Die Neurose begnügt sich in der Regel damit, das betreffende
 Stück der Realität zu vermeiden und sich gegen das
 Zusammentreffen mit ihm zu schützen. Der scharfe Unterschied
 zwischen Neurose und Psychose wird aber dadurch abgeschwächt,
 daß es auch bei der Neurose an Versuchen nicht fehlt, die
 unerwünschte Realität durch eine wunschgerechtere zu
 ersetzen. Die Möglichkeit hiezu gibt die Existenz einer
 Phantasiewelt, eines Gebietes, das seinerzeit bei der
Einsetzung des Realitätsprinzips von der realen Außenwelt
 abgesondert wurde, seither nach Art einer ‚Schonung‘ von den
 Anforderungen der Lebensnotwendigkeit freigehalten wird und
 das dem Ich nicht unzugänglich ist, aber ihm nur lose
 anhängt. Aus dieser Phantasiewelt entnimmt die Neurose das
 Material für ihre Wunschneubildungen und findet es dort
 gewöhnlich auf dem Wege der Regression in eine
 befriedigendere reale Vorzeit.“

Trifft das nicht ziemlich exakt auf das Jahr 2016 zu? Flüchtet
nicht ein Constantin Seibt in eine „Phantasiewelt“ und
regrediert er nicht in eine Zeit, in der z.B. Fischgräten
womöglich gefährlicher waren als jihadistische Massaker, wenn
sie je gefährlich waren – verglichen mit geistiger Regression,
die vielleicht schon immer unsagbar gefährlicher war denn
Fischgräten? Es ist auch eine Infantilisierung des
Journalismus, sich auf Allgemeinplätze zurückziehen, auf
Beispiele, die auch Kinder verstehen.

Ja, trifft Freuds Analyse des Realitätsverlust sowohl bei
Psychose wie Neurose nicht weite Teile unserer europäischen
wie westlichen Gesellschaften, unsere gesamte Situation seit
dem 11. September 2001?

Jene, die nicht offen mit dem Jihad sympathisieren (angenommen
das tun sie auch nicht klammheimlich zu Hause, beim Café auf
Stehempfängen, auf islamwissenschaftlichen Konferenzen oder in
der Kneipe um die Ecke), derealisieren die Gefahr oder/und
verfallen in eine „Regression in eine befriedigendere reale
Vorzeit“. Das wäre die Zeit bevor der Jihad anfing, gezielt
wie wahllos westliche Gesellschaften zu terrorisieren und
Tausende Menschen zu ermorden, angefangen mit den Anschlägen
von 9/11 im World Trade Center in New York City, dem
amerikanischen Verteidigungsministerium Pentagon und den vier
entführten Flugzeugen. Wollen also solche Autoren, die
angesichts der größten öffentlichen Gefahr, der sich Europa
seit dem Ende des Nationalsozialismus im Mai 1945
gegenübersieht, von Fischgräten statt von Jihad reden, in ihre
Kuschelzeit des Kalten Krieges der 1960er bis 1980er Jahre
zurück? Oder in die „neutrale“ Alpenidylle der Schweiz mit
Enzianblümchen, Naturjodlern und Züricher Schickeria? War
nicht der unfassbare Hype um Volksmusik seit vielen Jahren
gerade Ausdruck dieser Realitätsverweigerung, zudem natürlich
eine Regression geistiger und musikalischer Natur, die uns
wöchentlich en masse im Fernsehen vorgedudelt wird?

Eine Nicht-Thematisierung der islamistischen Gefahr ist ja
gerade das Kennzeichen schlechthin westlicher Reaktionen auf
9/11. Eine fast völlig unpolitische Jugend, die im Selfie-
Narzissmus weiter Teile der Gesellschaft gefangen ist, tut ein
Übriges – und jene, die aktiv sind, Jung und Alt, sind fast
alle wahlweise gegen Freihandelsabkommen oder/und hetzen gegen
Israel, geben Judith Butler den Adorno-Preis (Axel Honneth
etc.), gehen zur BDS-Bewegung, organisieren den al-Quds-Tag,
unterhalten gute Beziehungen zu Iran (Bundesregierung) oder
entfernen israelische Fahnen von Gedenkorten für Opfer des
Jihad wie in Brüssel.

Seit jenem Dienstag sprechen doch alle nur darüber, dass „der“
Islam nicht zum Thema gemacht werden dürfe und der Islamismus
keine spezifische Gefahr sei. Darüber, dass der Westen mit
solchen Hochhäusern wie dem World Trade Center doch einen
„Doppelphallus“ errichtet hätte, den zu „fällen“ gleichsam OK
gewesen sei („ein Tritt in die Eier“, so Klaus Theweleit,
„Männerforscher“), dass „Symbole von Stolz und Reichtum und
von Arroganz“ sich in diesen Gebäuden Ausdruck verschafft
hätten (so der damalige Leiter des Zentrums für
Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, Wolfgang Benz)
oder aber dass der damalige US-Präsident George W. Bush und
der al-Qaida-Führer Osama bin Laden die „gleichen
Denkstrukturen“ hätten (so der damalige ARD-Vordenker Ulrich
Wickert). Die PDS (heute die Partei Die Linke) redete von
„sowas kommt von sowas“, der Neonazi Horst Mahler jubelte ob
der Anschläge am WTC von „Independence Day Live“. Kritiker des
Jihad und Islamismus werden          seither wahlweise als
„Hassprediger“ (Thomas Steinfeld,   Süddeutsche Zeitung) oder
„Panikmacher“ (Patrick Bahners,     FAZ) diffamiert und jede
substantielle Analyse und Kritik     des Islamismus und Jihad
abgewehrt.

Seibt rennt also sperrangelweit offene Türen und Tore ein,
wenn er meint, nun fast 15 Jahre nach 9/11 und Zehntausenden
Toten durch suicide bomber und andere islamistische Attacken
später, die Kritik am nach Europa kommenden Jihad abzuwehren.

Wie der FAZ-Blogger Don Alphonso [zum extrem rechten Potential
Alphonsos siehe weitere Beiträge auf diesem Blog, z.B. hier]
am 29. März 2016 schreibt (“Terrorverharmlosung mit der
Fischgrätenlüge”), wurde Constantin Seibts Artikel umgehend
vom politischen und journalistischen Establishment auf Twitter
geteilt und promotet, von Felix Werdermann, Politikredakteur
beim Freitag, Michael Karnitschnig, Büroleiter von EU-
Kommissar Johannes Hahn, Catrin Bialek, Redakteurin beim
Handelsblatt über Mike Beckers, Redakteur bei der
Wissenschaftszeitschrift Spektrum hin zu Dunja Hayali vom ZDF-
Morgenmagazin, Thomas Leidel von N-TV oder Maik Nöcker,
Moderator bei SKY.

Angesichts von zerfetzten Menschen in Brüssel, die Opfer
jihadistischer Gewalt wurden, von den vorgeblich viel
gefährlicheren Fischgräten zu reden und das zu teilen, ist
Ausdruck eines Realitätsverlusts, Ausdruck der womöglich von
Psychosen und Neurosen erkrankten kulturellen Elite im Westen,
Europas und der Schweiz. Da aber fast alle mitmachen bzw. am
selben Leiden leiden, fällt das niemand (außer Kritikern wie
Don Alphonso) auf. Es läuft für den Jihad.

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler
und Direktor des Berlin International Center for the Study of
Antisemitism (BICSA)
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