Presseschau September 2017 - Ende Februar 2018 - Lycée Maurice ...

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Presseschau September 2017 - Ende Februar 2018 - Lycée Maurice ...
Yolanda Cavalli-Flepp
                                                                                                     Lycée Maurice Ravel, Paris

                            Presseschau
                 September 2017 – Ende Februar 2018

•        „Der Zyklus einer weitgehend akzeptierten globalisierten Moderne
         geht zu Ende“. „2017 wird als das Jahr der größten Tiraden gegen den
         Welthandel in die Geschichte eingehen“. (Handelsblatt, 20./ 30.
         10.2017)
         Donald Trumps Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik gleicht einem Frontalangriff auf das deutsche Exportmo-
         dell: Während Deutschland dank seines boomenden Exportgeschäfts einen Leistungsbilanzüberschuss von 283
         Milliarden Euro ausweist (= größter Überschuss weltweit vor Japan und China), lastet auf den USA ein Leistungs-
         bilanzdefizit von umgerechnet 440 Milliarden Euro => Gezielt torpediert Trump mit seinen Attacken auf das Frei-
         handelsabkommen Nafta, mit den Russland-Sanktionen, mit der de facto Kündigung des Iran-Abkommens (
         BTS), dem Ausstieg aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen TPP (Presseschau 2015/2016, Seite 8 ff) und
         der Kündigung des Klimaschutz-Protokolls die liberale Weltwirtschaftsordnung, die seine Vorgänger schufen –
         mit vermutlich gravierenden Folgen für die deutsche Industrie.
        Freihandel & Protektionismus
        A/ freier Welthandel
           • Diskussionen zwischen der EU und Marokko und Tunesien über ein Freihandelsabkommen. „Diese Länder
              brauchen für ihre Waren einen freien Zugang zur EU.“
           • EU-Freihandelsabkommen mit dem Mercosur ?=> heftige Proteste von Seiten der europäischen Landwirt-
              schaft.
           • Kanadas Premierminister verkündet einen neuen transpazifischen Freihandelsdeal mit Staaten wie Vietnam,
              Australien und Mexiko. Er heißt jetzt CPTPP statt TPP.
        B/ oder verstärkter Protektionismus?
        Die 164 Mitglieder der WTO haben im Jahre 2017 108 Handelsbeschränkungen erlassen.

•       „End of Nation“?
        Das Worldwebforum 2018 widmet sich dem Thema «End of Nation», denn die Macht der Staaten schwindet. In der
        Tat: Als die Gründer von SolarCity zusammen mit Elon Musk Geld für ihr Solarenergie-Start-up suchten, reichte ein
        Anruf: Sie wählten die Nummer von Nancy Pfund. Im Kampf gegen Klimawandel hat sie mit Investments in Tesla
        und SolarCity mehr bewegt, als es staatliche Förderprogramme je vermocht hätten. An der Seite von Elon Musk
        hat sie mit SpaceX sogar eine ureigene Staatsaufgabe übernommen: Die Raumfahrt.
        Gleichzeitig können Unternehmer dank Internet das Korsett der Regulierung sprengen und global nach eigenen
        Regeln wirtschaften. Google, Facebook, Amazon und Apple sind zu Imperialisten der digitalen Zeit aufgestiegen.

•       Digitale Wirtschaft im Hoch, traditionelle Wirtschaft in der Krise
        Ökonomische Zweiteilung: Während Siemens seinen Gewinn vor allem dank guter Geschäfte in der Sparte digitale
        Fabrik steigern konnte, kommt es in der traditionellen Kraftwerkssparte zu Jobverlusten.
        70 Pioniere des Digitalzeitalters darunter der CEO von Vodafone, der Digital Officer von VW, der Zukunftsforscher
        von Daimler, der Vorstandsvorsitzende des Roboterherstellers Kuka, der Chef der Digital News Initiative von Google
        und viele andere, treffen sich, um über die unaufhaltsame Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft zu dis-
        kutieren. 2017 produzierte z.B. Adidas‘ „Speedfactory“ in Ansbach 5000 Paar Sportschuhe mit individualisierten
        Sohlen aus dem 3D-Drucker. Dieses Jahr werden es mehr als hunderttausend Paar sein – produziert direkt in den
        Läden.

    •    Finanzpolitik
         Die EZB treibt die Kurse in Europa weiter. Nach einem monatlichen Anleihenkauf von 60 Mrd. Euro bis Ende 2017
         und monatlich netto 30 Mrd. Euro bis Mitte September 2018 lässt die EZB ihr Anleihenkaufprogramm langsam
         auslaufen. Eine Anhebung der Leitzinsen wird nicht vor Mitte 2019 erwartet.
               Die Fortsetzung der Anleihenkäufe schwächt den Euro und das nützt Europas Wirtschaft. Die Kleinsparer
                   haben das Nachsehen. Zudem sitzen die Banken der Eurozone nach Angaben der EU-Kommission auf
                     950 Milliarden Euro fauler Kredite. In Italien gilt mehr als jede zehnte Kreditforderung als notleidend.
                       In Griechenland jede zweite. Steigen die Zinsen, sinkt die Lebensfähigkeit der Geldhäuser…
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Presseschau September 2017 - Ende Februar 2018 - Lycée Maurice ...
Yolanda Cavalli-Flepp
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Deutschland
Zweiteilung: Politisch: Lähmungserscheinungen, ökonomisch: bei bester Gesundheit
A/ Politisch: Nach endlosem Streit und schließlich gescheiterten Jamaïka-Verhandlungen (gestritten wurde über so
     ziemlich alles: von der Ausländerpolitik über die Energiepolitik bis hin zur Steuerpolitik), haben sich Union und
     SPD (Martin Schulz wird von Andrea Nahles an der Parteispitze abgelöst) auf einen Koalitionsvertrag für eine
     GroKo geeinigt.
B/ Wirtschaftlich: Boom. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote sank um 0,4 Punkte auf 5,7 Prozent. Dies ent-
     spricht der niedrigsten Jahresarbeitslosigkeit seit der deutschen Wiedervereinigung.
     Das Bruttoinlandsprodukt stieg um 2,2 Prozent = das stärkste Wachstum seit 2011 (wo sich Deutschland von
     den Folgen der Finanzkrise erholte). Getragen wird der kräftige Wirtschaftsaufschwung vor allem von der Kauflust
     der Verbraucher, gestiegenen Investitionen vieler Unternehmen und der starken Weltwirtschaft, die die Nach-
     frage nach Produkten "Made in Germany" ankurbelte. Deutschlands Exporteure haben zum vierten Mal in Folge
     den weltweit größten Überschuss in der Leistungsbilanz erzielt. Mit umgerechnet 287 Milliarden Dollar ist das
     Plus mehr als doppelt so groß ausgefallen wie bei Exportmeister China. In den ersten elf Monaten wurden Ma-
     schinen, Autos und andere Waren im Wert von 1,18 Billionen Euro ausgeführt (plus 6,5 Prozent gegenüber dem
     Vorjahr). Der Gesamt-Überschuss lag bei 7,8% des BIP - wofür Deutschland von seinen Handelspartnern erneut
     heftig gerügt wurde: der Überschuss dürfte maximal 6% betragen.
     Fachkräftemangel: Die deutsche Wirtschaft sucht 1,1 Millionen Mitarbeiter. Allein bei den 30
         Dax-Konzernen gibt es derzeit 20.000 offene Stellen. Besonders begehrt sind Mechatroniker,
         Mathematiker, Ökonomen und IT-Experten.
     Rekordüberschuss im deutschen Staatshaushalt: Bund, Länder, Kommunen und Sozialversi-
         cherung nahmen zusammen 36,6 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Der deutsche
         Staat schreibt damit bereits das vierte Jahr in Folge schwarze Zahlen: Aufgrund der guten Konjunktur mit
         Rekordbeschäftigung und steigenden Löhnen steigen nämlich die Steuer- und Beitragseinnahmen beträcht-
         lich. Dies dürfte dazu führen, dass die Staatsverschuldung 2019 erstmals seit vielen Jahren wieder unter die
         in den EU-Verträgen erlaubte Höchstgrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fallen wird (cf. Maas-
         trichter Konvergenzkriterien, Seite 10 ff)
     IG-Metall: Streik in der Metall- und Elektroindustrie: 15 Jahre nach dem letzten großen Metallerstreik kam
         es nach Ende der Friedenspflicht in ganz Deutschland zu Warnstreiks. Primär geht es um mehr Zeit und mehr
         Lohn. Die „Work-Life-Balance wird immer wichtiger: „Die Arbeitszeit ist für viele Beschäftige ein genauso
         wichtiges Thema wie der Lohn,“ denn viele Beschäftigte wollen nicht mehr nur für die Firma, sondern auch
         für die Familie da sein. Die Möglichkeit, seine Arbeitszeit auf 28 Stunden verkürzen zu dürfen, entspricht dem
         Wunsch vieler Menschen nach familienfreundlicheren Jobs. Zudem kann es Arbeit für Frauen attraktiver ma-
         chen. Durch die Belegschaften geht aber ein tiefer Riss: Während viele Angestellte in Kreativ- und Wissens-
         berufen ihre Arbeitszeit frei bestimmen können, muss heute im Einzelhandel,
         in manchen Industrieberufen sowie den Logistik- und Dienstleistungsabteilun-
         gen der modernen Internetökonomie oft rund um die Uhr und auf Abruf gear-
         beitet werden. Kundenaufträge werden in Echtzeit übermittelt und Pausen di-
         gital überwacht. So kommt es, dass eine wachsende Zahl von Beschäftigten
         nicht nur zu niedrigen Löhnen, sondern auch zu ungünstigen Zeiten arbeiten
         muss, nicht selten auch nachts oder am Wochenende => Die Arbeitnehmervertreter verlangten deshalb hö-
         here Löhne und das Ende der einseitigen Flexibilität. Zehntausende Beschäftigte legten tageweise die Arbeit
         bei VW, MAN, Ford oder Porsche nieder, die Unternehmer klagten über Produktionsausfälle in dreistelliger
         Millionenhöhe. Fazit: „Wenn wir den Fachkräften nicht die nötigen Freiheiten bieten, gehen sie eben woan-
         ders hin.“ => + 4,3% mehr Lohn und die individuelle wöchentliche Arbeitszeit kann – ohne Lohnausgleich -
         von 35 auf 28 Stunden abgesenkt werden. Eine Begründung dafür muss der Betroffene nicht geben. Nach
         zwei Jahren kann der Beschäftigte dann wieder zu den tariflichen Arbeitszeiten zurückkehren, es sei denn,
         beide Seiten würden einer Verlängerung zustimmen.
C/ Sozial: dem Statistischen Bundesamt zufolge sind 19 Prozent der Bevölkerung akut von Armut und Verelendung
    bedroht.

Verschiedenes:
 • Nachdem das VW-Gate (Abgasskandal) den Ruf des Unternehmens stark angekratzt und das Gütesiegel „made in
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     Germany“ schwer beschädigt hatte, gerät die Firma mit der „Affen-Affäre“ (Diesel-Abgastests mit Affen) erneut
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     in die Schlagzeilen. Die moralischen und finanziellen Folgen dürften viele Milliarden kosten.
Presseschau September 2017 - Ende Februar 2018 - Lycée Maurice ...
Yolanda Cavalli-Flepp
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 •   Kommunen werden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wegen zu hoher Schadstoffbelastung verhängen dürfen.
     Autoindustrie, Unternehmen und Millionen von Diesel-Fahrern protestieren
 •   Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags wurde oft versprochen und ist nie erfolgt.
     Die sogenannten Transferleistungen waren 1991 eingeführt worden, um die Deutsche Einheit bzw. den „Aufbau
     Ost“ zu finanzieren. Diesmal sollte er 2019 auslaufen. Aber plötzlich ist nicht mehr von Abschaffung, sondern nur
     noch von Abbau die Rede…
•    „Wir schaffen das“? Zweieinhalb Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise zeigt sich, dass Angela Merkel zwar ein
     großes Herz besitzt, aber noch immer keinen Plan. 2017 kamen erneut 187.000 Flüchtlinge ins Land – und damit
     mehr Menschen als in Potsdam, Hamm oder Saarbrücken leben. So wandern denn die Neuankömmlinge nicht
     nach Ungarn oder Schweden, und auch nicht in die deutsche Volkswirtschaft, sondern aufgrund der deutschen
     Arbeitsgesetze schnurgerade in das hiesige Sozialsystem. Fast jeder sechste Hartz-IV-Empfänger ist heute ein
     Flüchtling. Von den Sprachkenntnissen hängt ab, ob die Flüchtlingskrise eine Erfolgsgeschichte wird, ob die Neu-
     ankömmlinge womöglich sogar einen volkswirtschaftlichen Gewinn für Deutschland darstellen, weil sie den Man-
     gel an Fachkräften lindern. 1,2 Milliarden Euro gab der Bund zuletzt für Sprachkurse aus. Doch im ersten Halbjahr
     2017 bestand nur etwas mehr als die Hälfte der Prüflinge den Deutschtest für Zuwanderer. Die Kurse seien auf-
     grund schlechter Qualität von großer Nutzlosigkeit, konstatiert der Bundesrechnungshof in einem Bericht. Von
     den bis Ende 2015 eingesetzten Mitteln sei „ein großer Teil de facto ins Leere gelaufen“. (nach Handelsblatt,
     25.01.2018)
•    Digitale Revolution. Experten warnen: In zukunftsweisenden Bereichen wie künstliche Intelligenz und autonome
     Systeme hinke die Bundesrepublik der Entwicklung hinterher.

USA
Der Aufschwung in den USA hält an. Die US-Wirtschaft ist 2017 um
2,2% gewachsen. Die Arbeitslosenquote liegt noch bei lediglich
4,4% = ~ Vollbeschäftigung. Im Gegensatz dazu hat die Verschul-
dung von Staat, Bund und Gemeinden mit insgesamt 21 Billionen
Dollar astronomische Höhen erreicht. Im Dezember 2017 betrug
das Handelsbilanzdefizit der USA rund 63,8 Milliarden US-Dollar.
Der unterdessen schwache Dollar (cf. Währungsschwankungen
Seite 3 ff) und protektionistische Maßnahmen sollen nun helfen,
dieses Defizit abzubauen.
Im Rahmen der „America first“-Politik:
  • ergreift Trump zahlreiche Maßnahmen gegen die Einfuhren
      aus Ländern, mit denen die USA ein Handelsdefizit haben. Betroffen sind vor allem China, Mexiko und Kanada.
      Insgesamt hat das amerikanische Handelsministerium seit Trumps Amtsantritt nach eigenen Angaben 94 Dum-
      ping-Verfahren eingeleitet - ein Anstieg um 84 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
      Die Maßnahmen richten sich gegen zahlreiche Produkte, von der Alufolie aus China bis zum Passagierflugzeug
      aus Kanada. So wurden z.B. auch gusseiserne Erdrohre aus China mit Strafzöllen von bis zu 109 Prozent belegt,
      Sonderzölle auf Waschmaschinen und Solarprodukte aus China und Korea erhoben und erneut - wie schon 2003
      - Schutzzölle und Quoten zur Unterstützung der heimischen Stahl- und Aluminiumindustrie eingeführt.
      Die EU, Kanada und China drohen mit Gegenmaßnahmen. Experten warnen vor einer Eskalation zum Handels-
      krieg.
  • setzt Trump seine im Wahlkampf versprochene Steuerreform um: der Steuersatz für Unternehmen fällt von 35
      Prozent auf 20 Prozent. Erstmals ist auch eine 10%ige Minimumsteuer auf Firmengewinne vorgesehen. Und wenn
      US-Konzerne etwas von ihren kaum belasteten Gewinnen im Ausland (rund 2,5 Billionen Dollar werden gehortet)
      zurückbringen wollen, fallen künftig nur zwölf Prozent Steuern an. Die US-Konzernmanager jubeln – die EU-Poli-
      tiker raufen sich die Haare, denn das Kapital setzt sich effektiv in Richtung Amerika in Bewegung – mit großen
      Auswirkungen für (fast) alle Länder, insbesondere für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die amerikanische
      Steuerreform wird den Standortwettbewerb in Europa massiv verschärfen.
                                         Reaktionen in der Schweiz: In den nächsten Monaten dürften die Unterneh-
                                         menssteuern per Volksentscheid drastisch gesenkt werden, „auch wenn es
                                         kaum eine Firma gibt, die nur wegen der Steuern in der Schweiz ist. Sie sind
                                         auch hier, weil die Manager wegen der hohen Lebensqualität hier leben wol-
                                         len, es hier gut ausgebildete Fachkräfte (gute Schokolade ☺) und ein stabiles
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                                         politisches System gibt, oder weil sie Zugang zu guten Hochschulen wie der ETH
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                                         oder der EPFL haben. Aber es ist klar: Wenn man teuer ist, wird man nicht in
                                         Betracht gezogen. Steuern sind Kosten.“
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Yolanda Cavalli-Flepp
                                                                                                           Lycée Maurice Ravel, Paris

    Des Weiteren hat Trump:
    • einen 1,5-Billionen-Dollar-Plan zur Sanierung der maroden Infrastruktur vorgelegt
    • den nationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Er gilt einem inneren Problem, das sich
       über Jahre aufgebaut hat: dem Drogenkonsum. Täglich sterben in den USA im Schnitt mehr
       als 90 Menschen an einer Opioid-Überdosis1. Besonders stark betroffen ist der Bundesstaat
       West Virginia.

China
Zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt; Wirtschaftswachstum 2017: 6,8% - vom IWF und der Weltbank prognostiziertes
Wachstum für 2018: 6,5 – 6,8 %.
Chinas wachsende politische Stellung und Trumps Isolationismus verteilt die weltpolitischen Gewichte neu.
Politisch: Die Begrenzung der Regierungszeit auf zweimal 5 Jahre wird gestrichen => Präsident Xi Jinping wird Herr-
scher auf Lebenszeit – so viel Macht hatte vorher nur Staatsgründer Mao Zedong.
Wirtschaftlich:
Auf dem 19. Parteitag der kommunistischen Partei im Oktober stellte Xi Jinping seinen visionären 30-Jahres-Plan vor:
Bis 2035 soll China zu einem Innovationsführer in allen wichtigen Technik-
branchen aufsteigen. Wichtige Themen sind hier Rechtssicherheit, Umwelt-
schutz und die Bedürfnisse der wachsenden Mittelklasse. Im nächsten Fünf-
zehnjahreszeitraum von 2035 bis 2049 soll China dann „modern, stark und
wohlhabend“ werden – sprich: auf dem heutigen Niveau von USA und EU,
nur besser. Dazu erklärte er: „Nach jahrzehntelanger harter Arbeit hat der
Sozialismus chinesischer Prägung die Schwelle zu einer neuen Ära über-
schritten. Es wird eine Ära sein, in der China weiter ins Zentrum der Welt-
bühne vorrücken und einen großen Beitrag zur Menschheit leisten wird.“
A/ „Made in China 2025“ zielt auf die Modernisierung der chinesischen
      Industrie ab. Zum Teil dank Übernahmen und Beteiligungen soll ausländische Technologie durch chinesische er-
      setzt werden und die Industrie der Volksrepublik im globalen Wettbewerb unterstützen =>
      Auch 2017 tätigten chinesische Firmen (mit Staatsunterstützung) massive Unternehmenskäufe ( BTS). Beson-
      ders interessieren sie sich für Firmen mit vielen Patentanmeldungen, in denen viel in Forschung und Entwicklung
      investiert wird. Während 2016 4,7 Milliarden Euro auf die Übernahme des Robotik-Spezialisten Kuka entfielen,
      hatte die Übernahme des Ablesedienstes ista einen Gesamtwert von rund 5,8 Mrd. Euro2.

       Ziel und Zweck:
       a) Vergrößerung ihres wirtschaftlichen Einflusses
       b) Effizienzsteigerung dank innovativer Herstel-
           lungsmethoden und Technologien
       c) Wachstum in/auf neuen Märkten

       Reaktionen der „Aufgekauften“:
        Verkauf von wertvollem Know-how („Ausver-
          kauf der deutschen Wirtschaft“)
        Einbahnstraße / Ungleichbehandlung: Wäh-
          rend Chinesen in der Schweiz und der EU ohne
          Restriktionen kaufen dürfen, haben europäi-
          sche Firmen nur einen beschränkten Zugang
          zum chinesischen Markt (Joint-Venture obliga-
          torisch)
       ☺ China ist in vielen Technologien bereits auf Augenhöhe mit dem Westen => Ihre Investitionen helfen lokalen
          Unternehmen, ihre Effizienz zu verbessern bzw. sie vor einem Konkurs zu bewahren.

1
    Opioide sind Varianten des Morphiums, neben Heroin vor allem Schmerzmittel wie Tramadol, Fentanyl oder Methadon.
2
  Im Vergleich zu anderen ausländischen Beteiligungen und Übernahmen in Deutschland im Jahr 2017 machen die chinesischen jedoch nur
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rund 6,6% aus. Der größte Anteil an Investoren kam aus den USA (22,3%), der Schweiz (11,3%) und Großbritannien (10,2%). Weltweit sind
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chinesische Investoren hingegen für einen Fünftel aller Firmenübernahmen verantwortlich = Umsetzung des Programms „Made in China
2015“. (cf. Presseschau 2015)
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        ☺ Das Image hat sich geändert: weder schließen die chinesischen Investoren die aufgekauften Unternehmen
            noch kommt es zu Arbeitsplatzverlusten. Außer wenn eine Firma nicht gut läuft, mischen sie sich wenig ein
        ☺ Die hiesigen Firmen bekommen somit Zugang zum chinesischen Markt und können neue Kunden gewinnen
        ☺ Die chinesischen Investoren zahlen Höchstpreise… (Übernahme des Basler3 Agrokonzerns Syngenta für 43
            Mrd. Dollar)
       Gegen Ende 2017 kündigt die EU (endlich) Maßnahmen gegen ausländische Übernahmen an…
        (Die Übernahme von strategischem Know-how sollte einer staatlichen Bewilligungspflicht unterliegen.)

        B/ „Neue Seidenstraße 2013“: Bei dem 2013 lancierten Programm unterstützt die Regierung massiv Investitio-
        nen, die helfen, die „neue Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative – Presseschau 2015/2016, Seite 6) zu verwirk-
        lichen. Es handelt sich um eines der gigantischsten Infrastruktur- und Logistikprojekte des 21. Jahrhunderts. Es
        umfasst den Ausbau neuer Eisenbahnlinien, Straßen und Seeverbindungen von China nach Europa und Afrika4
        ( BTS). Dafür will Peking mehr als eine Billion Dollar in rund 65 Ländern investieren. All diese Projekte haben
        zum Ziel, den chinesischen Unternehmen neue Märkte zu erschließen, den Handel anzukurbeln und die Position
        der Volksrepublik in der Welt zu stärken.

        Einige Beispiele: Duisburg, der weltweit größte Binnenhafen, wird zum zentralen europäischen Anlaufpunkt der
        „neuen Seidenstraße“. Bereits heute kommen wöchentlich 25 Züge aus China (mit nur 60 Containern pro Fahrt
        gegenüber Containerschiffen mit 10 000 Containern). Experten zufolge kann der Zug eine gute Alternative sein,
        denn er ist schneller (8 – 12 Tage) als das billigere Schiff (40 – 50 Tage), aber günstiger als die schnellere Luftfracht
        (6 Tage).
        Daneben investiert Peking 45 Mrd. Dollar in den Bau des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors (er er-
        streckt sich über 3 000 km von Gwadar am Indischen Ozean bis in die chinesische Stadt Kaschgar); in den Hafen
        von Gwadar selbst steckte die Regierung 25 Mrd. Dollar. In Djibouti am Horn von Afrika lässt sie einen Marine-
        stützpunkt bauen; in einem weiteren 50 Mrd. schweren Hafenprojekt Dawei in Burma haben die Chinesen eben-
        falls ihre Finger im Spiel. Parallel dazu läuft auch ein massives Aufrüstungsprogramm. Nach Angaben des Stock-
        holmer Internationalen Friedensforschungsinstituts lag China bereits 2016 mit Rüstungsausgaben von 215 Mrd.
        Dollar weltweit auf Platz zwei hinter den USA, aber noch vor Russland (69,2 Mrd. Dollar).
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    Über 80% der Anteile der 30 größten Unternehmen, die an der Schweizer Börse kontiert sind, gehören ausländischen Eigentümern.
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  Auch die „Polare Seidenstraße“ ist eine wichtige strategische Initiative: Dank der Klimaerwärmung werden bislang unpassierbare See-
wege eisfrei => Die nördliche Seeroute durch die Arktis könnte die Transportzeit für Waren zwischen Asien und Europa deutlich verkürzen.
Yolanda Cavalli-Flepp
                                                                                                 Lycée Maurice Ravel, Paris

C/   Digitaler Boom: Die meisten Chinesen kennen die digitale Welt nur durch ihr Smartphone, denn als die digitale
     Revolution sie traf, waren sie zu jung oder zu arm, um sich einen Desktop-Computer leisten zu können. Und so
     läuft in China eben absolut alles über das Smartphone: die Chinesen lesen und schreiben online, bezahlen ihre
     täglichen Einkäufe mobil (über die Bezahldienste von Alibaba [Onlinehändler] und Tencent, sie verwalten ihr
     Konto via Smartphone, nehmen Kredite auf, etc.
     China investiert Milliarden in die künstliche Intelligenz: Gesichtserkennung, Stimmenerkennung, Gangerken-
     nung, Verkehrsströme, individuelle Konsumentenprofile – chinesische Unternehmen sammeln und verarbeiten
     Daten in einem Ausmaß, das in anderen Ländern unvorstellbar wäre. Und die Regierung ist bereit, Hunderte Mil-
     liarden Dollar zu investieren, um das Land bis 2030 zur Nummer eins in Sachen künstliche Intelligenz zu machen.
       Peking schirmt per Internetzensur chinesische Onlinefirmen gegen ausländische Konkurrenten wie Google,
           Facebook und Twitter ab
       Das „Cybergesetz“ verpflichtet alle Unternehmen, die Netzwerke oder Cloud-Dienste betreiben, ihre Daten
           auf chinesischen Servern zu speichern
       „Peacock-Plan“ = Förderprogramm der Regierung, das helfen soll, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen: In der
           Hightech-Metropole Shenzhen richtet die Regierung Technologie-Zentren für Start-ups ein (um eine Firma
           zu registrieren - was selbstverständlich online geschieht -, braucht es gerade mal eine Woche) und lockt
           Promovierte aller Länder und Disziplinen (Software-Ingenieure, Ärzte, Architekten, etc.) mit Förderpro-
           grammen in die Stadt.
      Im Januar überholte der Börsenwert von Chinas Digitalkonzern TENCENT zwischenzeitlich den von Face-
          book…

Vietnam: Roter Staatskapitalismus nach chinesischem Vorbild
Noch vor 35 Jahren war Vietnam eines der ärmsten Länder der Welt. Die kommunistischen Sieger des Vietnamkrieges
trieben aber das Land in den Ruin. Statt Wohlstand brachte die Zentral- und Planwirtschaft Hungersnöte.
Mitte der 80er Jahre begann die Regierung, seine Wirtschaft im Rahmen der „Doi-Moi-Reformen“ zu liberalisieren und
transformierte sie nach und nach in eine „sozialistisch orientierte Marktwirtschaft“. Zu Beginn der Reformen betrug
das Durchschnittseinkommen der Vietnamesen 90 € im Jahr. Heute sind es 1 900 €. Vietnams Wirtschaft boomt und
wächst rasant – mit allen Vor- und Nachteilen, die der Kapitalismus mit sich bringt: zwar sind die Löhne gestiegen, aber
die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert sich ebenfalls.
Dank massiver Steueranreize haben zahlreiche Firmen ihre Produktion aus China abgezogen und nach Vietnam verlegt
( BTS), wo die Löhne zwei Drittel niedriger sind als an der Küste Chinas. Vietnam hofft auf Freihandelsabkommen mit
Japan, Australien und Chile und fürchtet den neuen Protektionismus der USA, der seinem boomenden Exportsektor
schaden könnte.
Politisch: der Staat bleibt weiterhin stark und gewährt den Bürgern kaum politische Freiheit.
Hauptprobleme für ausländische Investoren: Korruption und Rechtsunsicherheit.

Japan
„Made in Japan“ war früher ein Qualitätsmerkmal. Heute ist es oft ein Zeichen von Pfusch und Betrug: Bei Kobe Steel,
Mitsubishi Materials und Toray z.B. sind Fälle von verfälschter Qualität aufgeflogen => Das Vertrauen der Kunden ist
weltweit erschüttert, da diese Firmen Glieder weltweiter Lieferketten sind. Was sie in Japan produzieren, bleibt nicht
in Japan. Ihre Produkte werden in Autos vieler Marken, Eisenbahnen und Flugzeugen rund um den Globus verbaut.

WEF Davos - Hauptthemen: globale Ungerechtigkeit und Aufstieg des Populismus
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