Die großen Thermen in Rom - Vorläufer in Griechenland

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Die großen Thermen in Rom - Vorläufer in Griechenland
Technische Spitzenwerke: die römischen Aquädukte                                                                   Die römische Republik: Stabianer Thermen in Pompeji

                                                        Die großen Thermen in Rom

                                                        Vorläufer in Griechenland                                      Gleichwohl wurden öffentliche Badeanlagen in der
                                                                                                                   griechischen Welt zu oft archäologisch nachgewiesen,
                                                        Als die Römer die ersten Badeanlagen ins Auge fassten,     um als Ausnahmen zu gelten. Wir dürfen im Gegenteil
                                                        hatten sie schon lange in der Wasserwirtschaft für Maß­    mit ihnen als einem städtebaulichen Element rechnen.
                                                        stäbe gesorgt. Sie hatten viel eher auf frisches Trink-    Bäder lagen neben Tempeln in Heiligtümern wie auf
                                                        wasser als auf private oder öffentliche Bäder Wert ge-     der Insel Aigina vor Athen. In Gortys in Arkadien nahm
                                                        legt. Zwar gab es schon einige Privatbäder – wir hören     das beim Tempel des Heilgottes Asklepios gebaute Bad
                                                        von einem dunklen, wenig luxuriösen Bade eines Ade-        aus der Zeit um 300 v. Chr. einen Raum ein, welcher den
                                                        ligen aus dem Scipionengeschlecht aus dem 2. Jahrhun-      des Tempels sogar übertraf. Im griechischen Sizilien,
                                                        dert v. Chr.– , aber keine dieser Anlagen war städtebau-   wie das griechische Unteritalien als Großgriechenland
                                                        lich oder politisch bemerkenswert.                         (Magna Graecia) direkter südlicher Nachbar Roms,
                                                                                                                   konn­ten die Römer in großen Städten wie Syrakus und
                                                        In Griechenland wäre die Entwicklung wohl anders           Gela Badehäuser studieren, in denen Schwitzbäder mit
                                                        verlaufen, wenn nicht die verfeinerte Kultur der kre-      Sitzbadewannenanlagen kombiniert waren. Auf Sizilien
                                                        tisch-mykenischen Bronzezeit im 2. Jahrtausend v. Chr.     (Gela) wie im griechischen Mutterland (Gortys) waren
                                                        untergegangen wäre. Es dauerte so bis in das 5. Jahr-      Unterbodenheizungen (Hypokaustheizungen) schon um
                                                        hundert v. Chr., dass in Griechenland wieder eine grö-     die Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. bekannt.
                                                        ßere Badeanlage entstand, bezeichnenderweise im pan-
                                                        hellenischen Wettkampfzentrum und Heiligtum Olym-
                                                        pia. Die dortige Badeanlage umfasste ein Schwimmbad        Die römische Republik:
                                                        unter freiem Himmel, eine Sitzbadewannenreihe und
                                                        ein Schwitzbad. Man modernisierte das Bad mehr­-           Stabianer Thermen in Pompeji
                                                        mals, zuletzt um 100 v. Chr., als man eine Bodenhei-
                                                        zung einbaute. Dies geschah aber bereits zu einer Zeit,    Ohne den Vesuvausbruch vom August 79 n. Chr. besä-
                                                        als Griechenland von den Römern beherrscht wurde,          ßen wir wahrscheinlich sehr wenige Beispiele für die
                                                        und Olympia in der römischen Provinz Achaea lag.           spätrepublikanische und frühkaiserzeitliche Architek-

                                                        Rom, Trajansthermen. Caldarium, Rekonstruktionszeichnung
48                                                      von Peter Connolly (1998).                                                                                            49
Die großen Thermen in Rom - Vorläufer in Griechenland
Bäder reichsweit                                                                                                                                                                                                     Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan

                                                                                                                                       zwar keine Samowarpiscina traditioneller Art mit ei-             Die Schauwand des Frigidariums über der Natatio war
                                                                                                                                       nem Behälter eingebaut; ein rundes Schwimmbecken                 sehr prunkvoll und sorgfältig als dreistöckige Schmuck-
                                                                                                                                       in den sog. Heliocaminusthermen hatte jedoch nicht               fassade gearbeitet. Die Wirkung war den Schmuckfas-
                                                                                                                                       weniger als drei Schildkrötenheizkörper (testudines),            saden der großen Prunknymphäen vergleichbar, wie
                                                                                                                                       was an Wirkung die Samowarpiscina noch übertroffen               man sie in Rom oder Milet bewundern konnte. Das
                                                                                                                                       haben dürfte.                                                    nach Süden schauende Caldarium erhielt in den Vor-
                                                                                                                                                                                                        mittagsstunden zusätzliche Sonnenwärme, während
                                                                                                                                       In Trier beherrschte die nördliche Schauwand der Ther-           die Prunkfassade des Frigidariums in ihrer Orientie-
                                                                                                                                       men den Hof (ob mit oder ohne Natatio) und war die               rung nach Norden im wechselnden Sonnenstand des
                                                                                                                                       eigentliche Schauseite der Barbarathermen. Zu den dort           Nachmittags besonders attraktiv aussah.
                                                                                                                                       angebrachten Skulpturen gehörte die ausgezeichnete
                                                                                                                                       Kopie der Amazone des Phidias. Der Architekt der Dio-
                                                                                                                                       kletiansthermen in Rom folgte dem gleichen Schema:               Trier als Residenz:
                                                                                                                                                                                                        der Kaiserthermenplan
                                                                                                                                       Trier, Barbarathermen (Mittleres 2. Jahrhundert). Orientierung
                                                                                                                                       des Badetraktes nach Süden. Plan: C Caldarium T Tepidarium
                                                                                                                                       F Frigidarium. Die beiden Schwimmbecken II und II’ (Piscinae)    Die Trierer Kaiserthermen waren ein Parallelbau zu den
                                                                                                                                       beiderseits des Caldariums mit ihrem rechteckigen Grundriss      298 begonnenen Diokletiansthermen in Rom. Seit 293
                                                                                                                                       und dem bogenförmigen Südabschluss waren beheizt.                war Trier im Rahmen der tetrarchischen Reichsver­fas­
                                                                                                                                                                                                        sung Kaiserresidenz geworden. Nicht jede Residenz
     Trier, Barbarathermen. Prunkfassade der Natatio, nach Norden gerichtet. Zeichnung von F. Boutron (Mittleres 2. Jahrhundert).                                                                       der Tetrarchen wie Mailand, Thessaloniki oder Niko-
                                                                                                                                                                                                        medeia wagte es, die stadtrömischen Kaiserthermen als
         Einige bemerkenswerte Glanzpunkte sind heraus­                    Die Warmwasserschwimmbecken der Barbarathermen                                                                               Maßstab zu nehmen. In Trier tat man es: Constantius
     ragend: Neben dem Caldarium lag auf beiden Seiten je                  sind wegen der zusätzlichen Betriebskosten an Wasser                                                                         Chlorus residierte in Trier, der Vater des später epoche-
     ein beheizbares Wasserbecken; der Raum zwischen die-                  und Heizung eine teure Variante der normalen Natatio.                                                                        machenden Kaisers Konstantin des Großen, und es ist
     sen Warmwasserbecken und dem zentralen Caldari­-                      Entsprechend selten hat man ein solches Warmwasser-                                                                          deshalb vielleicht bezeichnend, dass ausgerechnet er
     um war auch beheizt, so dass der Besucher im Grunde                   schwimmbecken (piscina calida) gefunden; neben Trier                                                                         mit dem Bau von Kaiserthermen im Stile Roms begann.
     ein riesiges, dreigeteiltes Caldarium betrat. Im Calda­               sind Anlagen in Kaiservillen wie die kleinen Thermen                                                                             Der Trierer Bau wurde in der geplanten Form nie
     rium waren an drei Seiten fünf Wannen eingebaut. Die                  der Hadriansvilla bei Tivoli oder das Bad einer Kaiser-                                                                      voll­endet. Den Grund kennt man nicht, doch war es
     Warmwasserbecken der beiden Seitenräume erreichten                    villa in Sabaudia südlich von Rom zu nennen. Und es                                                                          vermutlich der frühe Tod des Augustus Constantius.
     eine Länge von über 23 m. Die Wasserbecken des gro-                   gab eine noch teurere Version des Warmwasserbeckens,                                                                         Der Bau blieb vorerst unvollendet liegen, bis lange nach
     ßen Frigidariums waren vor die beiden Längswände ge-                  die sog. Samowarpiscina, bei der in der Mitte des Be-                                                                        der konstantinischen Dynastie unter Kaiser Valentinian
     setzt und dort eingebaut. Nach außen zur Palästra und                 ckens ein an das Heizsystem angeschlossener Metallbe-                                                                        (364–375) die Anlage unter neuem Vorzeichen vollen-
     zum Eingang hin erhob sich eine gegliederte Prunk-                    hälter – von den Archäologen Samowar genannt – in­                                                                           det wurde. Bei gleicher Ausdehnung auf der gesamten
     wand mit Nischen und Statuenschmuck. Ein großes                       stalliert war. Diese aufwendige Konstruktion kennt man                                                                       Insula hat man die Palästra stark vergrößert und zu ei-
     Schwimmbecken dürfte vor dieser Wand gelegen ha-                      seit der frühen Kaiserzeit der Jahre vor dem Vesuv­aus­                                                                      nem langen, rechteckigen, von Säulenhallen umstell­-
     ben. Es ist aber auch möglich, dass man im nördlichen                 bruch 79 aus den Vorortthermen von Herculaneum und                                                                           ten Platz gemacht, der wie ein riesiges Forum aussieht.
     Klima Triers auf ein Kaltwasserbecken verzichtete und                 Pompeji sowie aus der Villa von San Marco bei Stabiae                                                                        Der Bau im Norden beschränkt sich auf das ehemalige
     die beiden seitlichen Warmwasserpiscinen des Calda­                   am Golf von Neapel; spätere Beispiele sind Thermen in                                                                        Caldarium und auf das Tepidarium, das nun zu einem
     riums als Natatio benutzte. In den modernen Rekon­                    Ostia, in Massaciuccoli (Toscana) sowie in Italica (Se­                                                                      Vestibül zum Platz hin wurde. Aus dem Badecaldarium
     struktionen und auf modernen Plänen wechseln die                      villa) in Südspanien. In der großen Villenanlage des                                                                         wurde ein thronsaalähnlicher Dreikonchenraum. Nörd-
     Vorschläge mit oder ohne Natatio einander ab.                         Kaisers Hadrian bei Tivoli, in der es vier Bäder gab, war                                                                    lich davon baute man ein diesmal recht kleines Bad ein.

72                                                                                                                                                                                                                                                                    73
Die großen Thermen in Rom - Vorläufer in Griechenland
Bäder reichsweit                                                                                                                                                                                                        Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan

     Der große freie Platz und die vielen kleinen seitlichen             men als mit den zeitgleich erbauten Diokletiansther-
     Räume führten zum Vorschlag, hier die Kaserne der kai-              men in Rom. Der Badetrakt stand nicht frei, sondern
     serlichen Leibgarde anzunehmen.                                     war von zwei Höfen umgeben, dem für das Publikum
         In der Planung der ersten Phase umfasste die                    gesperrten Wirtschaftshof im Osten und dem Eingangs-
     Grund­f­läche das Areal einer ganzen Doppelinsula mit               platz im Westen, den Palästra zu nennen schwerfällt,
     ca. 140 x 260 m, also etwas mehr als 36 000 m2. Bei al-             weil er wohl kaum allein für den Sport gedacht war. Die
     lem Re­spekt vor der Dominanz dieses Planes im Trierer              gesamte Anlage war strikt zweigeteilt. Den Eingangs-
     Stadtbild muss man doch gegenüber Rom feststellen,                  platz, der als Forum diente, umgaben Portiken und Ne-
     dass die Zahlen viel bescheidener ausfallen: Die Trajans­           benräume auf allen drei Seiten. Diese waren als Gesell-
     thermen mit 84 000 m2 und die Caracallathermen wie                  schaftsräume für die gesellschaftlichen, intellektuellen
     Diokletiansthermen mit 125 000 m2 Grundfläche stellen               oder körperbezogenen Aktivitäten gedacht, welche sich
     ganz andere Dimensionen dar. Man hatte in Trier die                 in den Thermennebenräumen abspielten konnten. Soll-
     lokalen Häuserblocks (insulae) als gegebene Größe, und              te man eine Bibliothek geplant haben, so war diese eben-
     man verzichtete klugerweise darauf, für die geplanten               so hier zu suchen wie Vortragssäle oder auch Räume
     Thermen gleich zwei weitere Häuserblocks zu räumen,                 für ambulant praktizierende Ärzte.
     musste man doch schon an der gewählten Stelle ältere                    Der Besucher betrat in der Planung den Badetrakt
     Häuser niederreißen.                                                auf beiden Seiten neben dem Frigidarium und ging
                                                                         dann von den Garderobenräumen beiderseits des Fri­­-
     Die Trierer Kaiserthermen hatten in der Planung ins­                gi­dariums am Tepidarium vorbei zum ausgedehnten
     gesamt mehr Ähnlichkeit mit den Trierer Barbarather-                Cal­da­rium. Dieses bestand aus der großen Dreikonchen­

     Trier, Kaiserthermen. Erste Phase (unvollendet, Anfang 4. Jahrhundert). Rekonstruktionsskizze von L. Dahm nach den Angaben von   Trier, Kaiserthermen. Die Ruinen des Caldariums, Außenansicht von Südosten. Heutiger Zustand nach Restaurierung.
     D. Krencker.

                                                                                                                                      anlage mit drei seitlichen Wannen sowie im Durchgang               verzichten und die Anlage umbauen, weil mit den
                                                                                                                                      zum Tepidarium zusätzlich aus einem kleineren Raum                 Thermen am Viehmarkt neben den Barbarathermen
                                                                                                                                      mit zwei seitlichen Heißwasserwannen. Ähnlich wie in               eine zweite größere Badeanlage zur Verfügung stand.
                                                                                                                                      den Barbarathermen nahm man auch hier auf das nörd-                Die Ausgrabung der Viehmarktthermen 1987 bis 1994
                                                                                                                                      liche Klima Rücksicht: Die beiden Wasserwannen an                  ist eines der bemerkenswerten archäologischen Ereig-
                                                                                                                                      den Schmalseiten des Frigidariums konnten beheizt                  nisse in Trier nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen.
                                                                                                                                      werden. Ganz kalt war das halbrunde Wasserbecken im                Seit 1998 ist das Grabungsareal in einem glasverklei­­de­
                                                                                                                                      Westen des Frigidariums zum Hof hin, welches die Rol-              ten Museumskubus der Öffentlichkeit zugänglich. In
                                                                                                                                      le der Natatio der römischen Thermen spielt.                       der ersten Bauphase vom Jahre 80 an war das Ge­bäude
                                                                                                                                          Vom Hof aus boten sich in der Planung die Ther-                eine repräsentative Schöpfung, ohne dass man den ge-
                                                                                                                                      men ähnlich wie die Barbarathermen mit einem gro-                  nauen Zweck benennen kann; eine Badeanstalt scheint
                                                                                                                                      ßen Fassadenprospekt dar, nur war dieser hier ganz                 es nicht gewesen zu sein. Zu Thermen wurde das Ge-
                                                                                                                                      anders geartet; er blickte gleichsam nach innen, wies              lände erst in der zweiten Bauphase Anfang des 4. Jahr-
                                                                                                                                      mit dem halbrund hervorspringenden Bauteil der Nata-               hunderts umgebaut, und es liegt nahe anzunehmen,
                                                                                                                                      tio am Fri­gidarium vom Hof weg zu den Innenräumen.                dass dies mit der veränderten Planung der Kaiserther-
                                                                                                                                      Dies war an dieser Stelle eine ganz andere Konzeption              men zusammenhing: Bei den Kaiserthermen verzich­
                                                                                                                                      als die der Diokletiansthermen.                                    tete man auf den Badecharakter, während man um­
                                                                                                                                          In Trier konnte man in der späten Kaiserzeit viel-             gekehrt den Bau am Viehmarkt zu einem Thermenbau
                                                                                                                                      leicht auch deshalb auf die Nutzung der Kaiserthermen              umänderte.

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Die großen Thermen in Rom - Vorläufer in Griechenland
Der Badebetrieb                                                                                                                                                                    Chirurgen und anderes Badepersonal: Operationssäle in Thermen

     den Porträts befanden sich auch solche der jeweiligen
     Stifter. Im Laufe des 3. Jahrhunderts nahm seit der Zeit
                                                                                                                         Chirurgen und anderes                                                   Den Hinweis auf chirurgische, ambulante Tätigkei-
                                                                                                                                                                                             ten in Nebenräumen römischer Thermen lieferten ar-
     der Severerdynastie der Brauch immer mehr zu, in den                                                                Badepersonal: Operations­-                                          chäologische Funde. Einer von ihnen stammt aus der
     Thermen kaiserliche Porträtgalerien in Form von Fami-
     liengruppen aufzustellen.
                                                                                                                         säle in Thermen                                                     römischen Stadt Colonia Ulpia Traiana (Xanten am
                                                                                                                                                                                             Niederrhein), eine um oder bald nach 100 unter Kaiser
         Unter den Gottheiten aus römischen Thermen sind                                                                                                                                     Trajan gegründete zivile Stadt an der Stelle früherer
     die Götter des Wassers wie Flussgötter und Wassernym-                                                               In den Haushalten der Städte gab es kaum fließendes                 Militärstationen. Die großen Thermen dieser Stadt sind
     phen nur sporadisch vertreten. Rein numerisch führen                                                                Wasser, die Häuser der Reichen und die Paläste der se-              ein beeindruckender Bau mit einem Badetrakt im Nord-
     Bacchus und sein Kreis (Satyrn, Silene) die Themenrei-                                                              natorischen Oberschicht ausgenommen. Auf dem Lan-                   osten und Anbauten an zwei weiteren Seiten; sie neh-
     he an, gefolgt von Venus zusammen mit Amor und den                                                                  de bezog man das Wasser aus Quellen und Brunnen,                    men einen ganzen Häuserblock (Insula) ein. In einem
     Heilgöttern Aesculapius und Hygieia. Sowohl Hercules                                                                und auch der Bewohner der Großstadt, der in Miets-                  kleinen Raum an der Südwestecke entdeckte man fünf
     auf der einen Seite wie die Götter des Geistes (Apollo,                                                             häusern wohnte, musste sich sein Wasser am nächsten                 chirurgische Instrumente: Zwei ganz erhaltene Kno-
     Musen, Minerva) sind merklich weniger vertreten. Et-                                                                Brunnen holen. Also boten sich die Thermen auch für                 chenmeißel mit Bronzegriffen und Eisenklingen sowie
     was vereinfacht könnte man das Hauptinteresse der                                                                   jene Spezialisten an, die fließendes sauberes Wasser                drei Skalpellgriffe, deren Klingen fehlen. Zwei der Skal-
     Stifter, welche ja die Bildauswahl trafen, auf den Be-                                                              und manchmal auch heißes Wasser benötigten: Chirur-                 pelle waren mit Goldbändern wie mit Einlegearbeiten
     reich Wein, Liebe und Gesundheit gerichtet sehen – an-                                                              gen bei der Operation. Dass Kaiser Hadrian die Ther-                dekoriert. Die fünf Instrumente sind ein einem kleinen
     gesichts der menschlichen Natur eine recht verständ­                                                                men vormittags für Kranke öffnen ließ, kam dem ge-                  Raum ganz am Ende des Nebentraktes freigelegt wor-
     liche Auswahl.                                                                                                      wiss entgegen (Historia Augusta Hadr. 22,7).                        den. Solche Thermennebenräume konnten von Ärzten

     Bibliotheken in Bädern sind ein ganz anderes Thema.                                                                 Virtuelle Rekonstruktion der römischen Thermen in der Colonia Ulpia Traiana (Xanten am Niederrhein) 2. Jahrhundert. Die Markierung
     Sie scheinen ein Widerspruch in sich zu sein – beschrie­                                                            kennzeichnet den Fundort der chirurgischen Instrumente. LVR-Archäologischer Park Xanten/LVR-RömerMuseum.

     benes Papier neben immenser Feuchtigkeit; aber man
     konnte sie nach einer Notiz Senecas (Dialoge 9, 9, 7)
     bereits im 1. Jahrhundert erwarten, was man nur damit
     erklären kann, dass die Thermen mehr und mehr zum          Rom, Trajansthermen. Bibliothek in Form einer Exedra.
     sozialen Zentrum wurden, zum Versammlungsplatz der         Rekon­struktion von Peter Connolly (1998).
     Mengen.
         Zu den wichtigsten Nebenräumen der Diokletians-            Die Bibliotheksexedren der Trajansthermen waren
     thermen zählten zwei Bibliotheksräume, die man in          glänzende Architekturen, mit der dekorierten Halbkup-
     den zwei Sälen beiderseits der großen Exedra vermu-        pel und den gegenüberliegenden Riesenfenstern aber
     tet. Auf dem Forum des Kaisers Trajan hatte es neben       für eine Biblikothek unpraktisch. Vor allem dürfte man
     der Basilica Ulpia eine Bibliothek gegeben, die Biblio-    Mühe gehabt haben, die vorauszusetzenden Regale im
     theca Ulpia, in der auch staatliches Archivmaterial un-    Obergeschoß gefahrlos zu erreichen. Die rechteckigen
     tergebracht war. Die Bücher und Akten aus der Basilica     Räume der Caracallathermen und der Diokletiansther-
     Ulpia wurden angeblich von Diokletian in seine Ther-       men waren für den Einbau einer Galerie praktischer; in
     men verlagert, aus Gründen, die wir nicht wissen. Die­-    den Diokletiansthermen ist mit einer inneren Säulen-
     se Nachricht aus der Historia Augusta muss aber nicht      reihe diese Oberstockgalerie raumgreifender möglich
     glaubwürdig sein. Ungeachtet dieses Problems sind          gewesen. Auch war die Verschließbarkeit der Räume,
     Bibliotheksräume nach dem Vorbild der Trajanssäule         die man auch voraussetzen muss, an den Exedren der
     auch in den Diokletiansthermen zu suchen, und man          Trajansthermen nicht leicht; sie wurde vielleicht mit
     wird die beiden vorgeschlagenen Säle dafür nehmen          mobilen Holzläden erreicht, wie man es von den Fun-
     dürfen.                                                    den aus Pompeji kennt.

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Die großen Thermen in Rom - Vorläufer in Griechenland
Heilgötter und ihre Weihegaben                                                                                                    Von den Römern unbeachtet

                                       Deutschlands Römerquellen

                                       Von den Römern unbeachtet                                        breitet gewesen und konnten sich an einigen klimatisch
                                                                                                        günstigen Stellen halten, neben dem Taunus auch am
                                       Grundsätzlich ist es richtig, dass die Römer so gut wie          unteren Neckar und im Donautal zwischen Passau und
                                       alle wichtigen Mineral- und Thermalquellen auf ihrem             Linz. Als Beweis für römische Heilthermen in Schlan-
                                       Gebiete kannten. Daran waren sie auch aus medizini-              genbad können sie nicht gelten.
                                       schen Gründen interessiert. Man darf aber diesen Ge-
                                       danken auch nicht überstrapazieren. Die Quellen von              In Bad Homburg hat man im Quellgebiet die Reste ei-
                                       Bad Schwalbach (Langenschwalbach) im Taunus schei-               nes römischen Gebäudes gefunden, ohne dass man ei-
                                       nen von den Römern übersehen worden zu sein; der                 nen Bezug zum Bad Homburger Mineralwasser finden
                                       im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnte Ort machte als            könnte. Eine salzhaltige Quelle in Bad Homburg v. d. H.,
                                       Kurort erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Karriere.        der Kaiserbrunnen, enthielt eine römische Weihegabe:
                                       Die Römer haben die Mineralquellen dieses Platzes mit            Es handelt sich um eine Keramik, eine Terra-Sigillata-
                                       hohem Anteil an Eisen und Kohlensäure anschei­nend
                                       nicht ins Auge gefasst, vermutlich weil der Platz zwar           Äskulapnatter im Garten eines Privathauses. Schlangenbad-
                                       zur Militärlimeszone gehörte, das Militär jedoch durch           Georgenborn im Taunus.
                                       die Thermalquellen des nahen Wiesbaden schon sehr
                                       gut versorgt war.

                                       Ab dem späten 17. Jahrhundert wird Schlangenbad im
                                       Taunus als Thermalquellenkurort aktenkundig. Das Vor-
                                       kommen der sehr wahrscheinlich von den Römern nach
                                       Norden mitgebrachten Äskulapnatter an einigen Orten
                                       in Deutschland, und eben auch in Schlangenbad, darf
                                       nicht zum Analogieschluss verleiten, dass die Römer
                                       damals schon die Schlangenbader Quellen erschlossen
                                       hatten. Die Schlangen waren in Mitteleuropa weiter ver­

                                       Aachen, Am Hof. Hohe Bogenarkaden von einem Kultplatz zwischen zwei Thermenanlagen. Höhe 7,10 m (2. Jahrhundert).
136                                    Kopie; Originalarchitektur im Rheinischen Landesmuseum Bonn.                                                                 137
Die großen Thermen in Rom - Vorläufer in Griechenland
Deutschlands Römerquellen                                                                                                                                                                                Bad Cannstatt (Stuttgart-Bad Cannstatt)

      Schüssel des 2. Jahrhunderts, welche tief im Brunnen        Gegenwart mit bis zu 74 °C die heißeste Deutschlands.        Bad Bertrich
      gefunden wurde. Die Art der Deponierung spricht ge-         Im Laufe der Zeit entstanden im römischen Aachen
      gen einen Verlust und für eine bewusste Weihung. Die-       drei Thermenkomplexe. Im Bereich des späteren Do-            Die Thermalquelle von Bad Bertrich (Rheinland-Pfalz)
      ser Fund ist aber allein zu gering, als dass man nur des-   mes lagen die Münsterthermen und nur 200 m we­i­ter          liegt in einem Seitental der Mosel nördlich von Bullay,
      wegen eine systematische römische Nutzung der Hom-          nordöstlich die Büchelthermen an der Kaiserquelle.           etwa in der Mitte zwischen Koblenz und Trier. Die
      burger Quellen voraussetzen dürfte. Dasselbe gilt für       Dazwischen erstreckte sich ein Tempelbezirk mit einer        Glaubersalzquelle mit bis zu 32 °C warmem Wasser ist
      die Bad Nauheimer Quellen. Angesichts der viel gerin-       weiteren Quelle, einem Tempel und einem Arkadenum­           die einzige Glaubersalzquelle auf dem Gebiet des heu­
      geren Bevölkerungsdichte in der Römerzeit scheinen          gang. Der Gott dieser Anlage ist unbekannt, man nimmt        tigen Deutschlands. Der Ort wurde bereits im 18. Jahr-
      den Römern im Rhein-Main-Gebiet die Quellen von             jedoch an, dass es sich um Apollo Grannus handelte.          hundert von den Trierer Kurfürsten neu gestaltet. Am
      Wiesbaden, Nierstein und Bad Vilbel genügt zu haben.        Die Form der Aachener Thermen orientierte sich wie           Ende des 19. Jahrhunderts stieß man im Bereich des
                                                                  bei allen Heilthermen der Römerzeit an den gegebenen         Badehauses an der Ostseite des Kurplatzes auf die rö-
      Im Gebiet des römischen Bad Dürkheim sticht der             topographischen Bedingungen. Die Badeanlagen grup-           mische Quellfassung und Reste römischer Thermen.
      Steinbruch des Kriemhildenstuhls mit seinem roten           pierten sich in variabler Art um die Räume mit dem           Neuerdings fand man bei der Anlage der neuen Vulkan­
      Sandstein hervor, ferner hat man in Bad Dürkheim und        heißen Wasser.                                               eifeltherme Bad Bertrich auch Spuren der römischen
      Bad-Dürkheim-Ungstein römische Landgüter gefun-                                                                          Siedlung, deren römischer Name noch unbekannt ist.
      den, wobei das in Ungstein durch sein Kelterhaus nam-       Apollo als Aachener Hauptgott erscheint auf einem            Münzschatzfunde der Jahre bis 273 und bis 346 bezeu-
      haft geworden ist. Die Gegend war also in der Römer-        Votivaltar vom Schwertbad in Aachen-Burtscheid; die          gen die Besiedlung des Ortes und sicher auch die Nut-
      zeit wirtschaftlich erschlossen und bedeutsam. Für Bad      Wasseramphoren auf den Altarseiten weisen auf den            zung der Quellen bis in die Spätantike.
      Dürkheims Mineralquelle, ein Chloridwasser mit Natri-       Heilgott und die Quellen hin. Der Weihende, Lucius
      umanteilen, lässt sich dennoch bisher eine römische         Latinius Macer, war Erster Centurio und danach La­ger­       Ein römischer Kurgast stiftete in Bad Bertrich der Göt-
      Nutzung nicht nachweisen.                                   präfekt der 9. Legion gewesen, welche im frühen 2. Jahr­     tin Diana eine Skulptur aus Alabaster. Diana erscheint
                                                                  hundert einige Jahre lang in Noviomagus (Nimwegen)           hier als Göttin der Jagd und der Natur; sie war aber
      Im Folgenden werden nur Orte aufgeführt, die bereits        stationiert war. Der Altar bestätigt, dass Aachen den Sol­   auch jedem Römer als Schwester des Heilgottes Apollo
      von den Römern genutzt wurden und auch heute noch           daten der Armee Niedergermaniens als Kurort diente.          vertraut. Deshalb konnte sie auch Züge der gallorömi-
      als Kurorte oder Quellorte aktiv sind. Reine archäologi-         Den Hinweis auf Apollo Grannus als dem Aachener         schen Quell- und Heilgöttin Sirona annehmen, wie es
      sche Ausgrabungsplätze wie Hochscheid im Hunsrück           Hauptgott findet man im Stadtnamen. Die lateinische          eine Wiesbadener Inschrift verrät. Ansonsten sind aus
      (siehe S. 127) oder Heckenmünster in der Südeifel blei-     Formulierung „Aquis Granni“ stammt zwar erst aus             Bad Bertrich die Quellnymphen Meduna und Vercana
      ben hier außer Betracht.                                    der karolingischen Zeit im 8. Jahrhundert, aber warum        inschriftlich bekannt.
                                                                  hätte man in christlicher Zeit einen heidnischen Göt­-                                                                 Diana aus Bad Bertrich. Diana als Jagdgöttin, ihr Hund jagt ein
                                                                  ter­namen willkürlich anfügen sollen? Man kann des-                                                                    Reh. Alabasterskulptur des 2. Jahrhunderts. Höhe: 41 cm.

      Aachen (Aquae Granni)                                       halb von „Aquae Granni“ als dem Namen des römischen          Bad Cannstatt
                                                                                                                                                                                         Sigmaringen, Fürstl. Hohenzollernsche Sammlung.

                                                                  Aachen ausgehen.
      Der Name Aachen (Nordrhein-Westfalen) bewahrt das                Inschriftlich kennt man Apollo Grannus aus zahl-        (Stuttgart-Bad Cannstatt)                                 reitern stationiert, bei denen Mann und Ross komplett
      römische Aquae. Die Stadtgründung des römischen             reichen Inschriften, z. B. aus Hochscheid im Hunsrück                                                                  gepanzert waren. Der römische Name des Ortes ist nicht
      Aachen geht auf die früheste Kaiserzeit unter Augus­-       oder aus Faimingen nahe der Donau in Bayern. Apollo          Stuttgart-Bad Cannstatt (Baden-Württemberg) war ein       bekannt.
      tus zurück. Schon unter Tiberius (14–37) entstand in        Grannus war die romanisierte keltische Version des           wichtiger Kastellort am Neckar mit einem Stützpunkt           Die römische Zivilsiedlung entwickelte sich beider-
      Aachen die älteste Thermenanlage. Man darf davon            Heilgottes Apollo Medicus, er war einer der großen gal-      für eine Kavallerieeinheit von 500 Mann (Ala) und ei-     seits des Neckars. Bad Cannstatts reiche Mineralquellen
      ausgehen, dass die heißen Quellen Aachens für die Erho-     lorömischen Götter und sein Kult war in den Nordwest-        nem Lagerdorf. Das römische Militär war in Bad Cann-      sprudeln ebenfalls sowohl links des Neckars in Stutt-
      lung der Armee der Provinz Niedergermanien bestimmt         provinzen des Reiches weit verbreitet. Kaiser Caracalla      statt bis in das 3. Jahrhundert hinein stationiert; um    gart-Berg (Mineralbäder Berg und Leuze) wie auch
      waren: Römische Legionen lagen in Bonna (Bonn), No-         suchte 212/213 Linderung für ein Leiden bei Apollo           100 hatte man das vor 90 n. Chr. errichtete Erdkastell    rechts des Neckars im Mineralbad Bad Cannstatt. Aller-
      vaesium (Neuss), Vetera (bei Xanten) und Noviomagus         Grannus (Cassius Dio 77, 15, 6), und zwar vermutlich         durch ein festes Steinkastell ersetzt. Zuletzt war hier   dings sind Topographie und Architekturen der römi-
      (Nimwegen). Die Thermalsolquelle Aachens ist in der         im Heiligtum des Grannus in Faimingen (Phoebiana).           eine orientalische Kavallerieeinheit von Kataphrakten-    schen Zivilsiedlung Bad Cannstatt nur lückenhaft be-

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