Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht

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Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Amt für Wald und Naturgefahren

Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta
Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht

www.wald-naturgefahren.gr.ch
                                                Faktenblatt 6
    Amt für Wald und Naturgefahren            Zweite Ausgabe
    Uffizi da guaud e privels da la natira
    Ufficio foreste e pericoli naturali            Mai 2019
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Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Einladung zur Wanderung durch
    die Rheinschlucht und ihre Wälder

    Die Vorderrheinschlucht Ruinaulta be-
    sticht mit einmalig schöner, alpiner Land-    Ruinaulta
    schaft – und beeindruckt mit den gut
                                                  Aus dem Romanischen
    sichtbaren Spuren der Urgewalten, wel-        «Ruinas» = Geröllhalde, Pfeiler
    che dieses Wunder der Natur entstehen         und «aulta» = hoch

    liessen. Das 2028 ha grosse Naturdenk-        Seit 1977 figuriert die Ruinaulta im
                                                  Bundesinventar der Landschaften
    mal Ruinaulta liegt zwischen Castrisch/       und Naturdenkmäler von nationaler
    Ilanz und Trin, oder etwas glamouröser        Bedeutung BLN (siehe Karte). Zudem
                                                  zählt sie zu den Smaragd-Gebieten
    ausgedrückt, zwischen der UNESCO-             der Schweiz, den europaweit beson-
    Welterbestätte Tektonikarena Sardona          ders wertvollen Lebensräumen.
    im Norden und dem Naturpark Beverin          • 2028 Hektaren spektakuläre Land-
                                                   schaft entlang des Vorderrheins
    im Süden. Auf kleinem Raum koexistie-
                                                   von Castrisch bei Ilanz bis Trin.
    ren in dieser einmaligen Schluchtland-
                                                 • 12 Kilometer langer Durchbruch
    schaft verschiedene Waldgesellschaf-           des Vorderrheins durch die grösste
    ten, also Wälder mit ganz unterschied-         Bergsturzmasse der Schweiz.

    lichen Ansprüchen. Näher kommt man           • 300 Meter hohe weisse Kalkwände,
                                                   weitgehend natürlicher Flusslauf mit
    der Ruinaulta am besten langsam, über          eindrücklichen Talmäandern, aktiven
    Wander- und Spazierwege. Und mit               Erosionshängen und Flussauen.

    etwas Wissen um ihre Einzigartigkeit         • Mächtige Einzelblöcke und
                                                   bewaldete Trümmermassen.
    sowie gebührender Achtung vor ihrer
                                                 • Pionier- und Trockenstandorte mit
    teilweise schutzbedürftigen Natur.             charakteristischen und teils gefähr-
                                                   deten Pflanzen- und Tierarten.
                                                 • Spezielle Waldgebiete mit
                                                   trockenheitsliebenden Fichten-
                                                   und Föhrenwäldern.

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Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Baumeister                                  Pflanzen-Rallye
Bergsturz                                   um die besten Plätze

Die Ruinaulta ist eine der grossartigsten
Landschaften der Alpen. Sie entstand
als Folge des Flimser Bergsturzes, der
vor rund 9400 Jahren zwischen Flimser-
stein und Piz Grisch niederging und mit
8 km³ als gewaltigster Bergsturz der
Alpen gilt. Das nacheiszeitliche Natur-
ereignis definierte die Topografie der
Region neu. Das Vorderrheintal auf der
ganzen Länge zwischen dem heutigen
Castrisch und Reichenau wurde unter
Fels und Schutt begraben, mancher-
orts mehrere hundert Meter hoch. Als
Folge des Bergsturzes staute sich der
Rhein bei Ilanz zu einem grossen See.
Nach einem ersten Durchbruch durch
die Schuttmassen senkte sich der See-
spiegel von 936 m ü. M. auf 820 m ü. M.
Obwohl halb entleert, erstreckte sich       Zuerst besiedelten Flechten und            Formen erodierten Türmen aus zer-
der See immer noch über eine Länge          Moose die Trümmer des Bergsturzes.         malmtem Kalkgestein können sich
von 23 Kilometern.                          Der Regen löste Mineralsalze aus dem       bis heute keine Pflanzen ansiedeln.
Nach seiner Verlandung mehrere              Gestein. Abgestorbene Pflanzenreste        Es ist spannend zu sehen, unter
Jahrhunderte später bahnte sich der         sammelten sich an, Gräser und Kräuter      welch extremen Bedingungen sich
Vorderrhein seinen Weg durch die See-       konnten Fuss fassen. Mit der Zeit bilde-   spärliche Pioniervegetation wie etwa
und Bergsturzablagerungen bis auf die       te sich eine Bodenschicht, in welcher      der Silberwurz behaupten kann, wie
momentane Höhe der Flusssohle von           auch die ersten Bäume genügend Halt        sich auf flachgründigen, exponierten
ca. 600 m ü. M. Auch heute noch durch-      fanden. So eroberten sich die Pflanzen     Steilhängen wärmeliebende, lichte
fliesst der Vorderrhein grösstenteils die   und mit ihnen auch die Tiere das Berg-     Erika-Föhrenwälder entwickeln und
Schuttmassen des Flimser Bergsturzes,       sturzgelände zurück. Diese Geschichte      mit dunklen Tannen-Fichtenwäldern
er hat also den darunterliegenden ur-       teilen sich sämtliche heutigen Wälder      an geschützteren Lagen kontrastieren.
sprünglichen Fels noch nicht erreicht.      zwischen den Strassen Trin – Flims –       Und wie der Vorderrhein im dazwischen
Die Natur als grossartige Landschafts-      Laax – Sagogn und Versam – Valen-          liegenden Schluchtengrund die Fluss-
architektin setzt ihre Dynamik fort,        das – Castrisch. Nur an den steilsten      auen immer wieder neu gestaltet.
begnügt sich zurzeit jedoch mit Fein-       Abhängen der Schlucht, auf einzelnen
schliff-Arbeiten. Meistens jedenfalls.      riesigen Blöcken und den zu bizarren

                                                                                                                           3
Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Forstliche Arbeiten in der Ruinaulta

                                         Die Pflege der zur Ruinaulta gehörenden   vate. Obwohl die natürliche Dynamik
     Wussten Sie, dass...                Wälder sind für das Amt für Wald und      des Vorderrheins zuzulassen ist, muss
                                         Naturgefahren (AWN) Graubünden und        der Schutz vor Naturgefahren für die
    • seltene Orchideen im Erika-
                                         die kommunalen Forstdienste eine          RhB-Infrastruktur, für Wanderwege,
      Föhrenwald besonders ideale
                                         schöne und herausfordernde Aufgabe.       Rastplätze und weitere touristische Ein-
      Standorte finden? So gedeihen
                                         Es gilt, die Schutzziele des Naturdenk-   richtungen sichergestellt sein. So macht
      in der Ruinaulta etwa Gelber
                                         mals Ruinaulta zu erfüllen, so etwa       der Forstdienst also immer wieder den
      Frauenschuh (Cypripedium
                                         die naturnahen Wälder in ihrer stand-     Spagat zwischen den Ansprüchen der
      calceolus), Langblättriges Wald-
                                         orttypischen Ausprägung, aber auch        Waldpflege, der Förderung der Biodiver-
      vögelein (Cephalanthera longi-
                                         das Mosaik aus Wald und Offenland         sität und dem Schutz vor Naturgefahren!
      folia), Fliegen-Ragwurz (Ophrys
                                         zu erhalten. Die Waldpflege erfolgt
      Insectifera) und viele mehr.
                                         mit grösstmöglicher Rücksicht auf die
                                         verschiedenen Feucht- und Trockenle-
                                         bensräume mit ihren charakteristischen
                                         und teils gefährdeten Pflanzen- und
                                         Tierarten. So überwacht das AWN auf
                                         Ruinaulta-Gebiet drei Naturwaldreser-

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Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Waldlebensräume der Ruinaulta

Der Bergsturz bescherte der Ruinaulta                      Entlang von Flüssen findet man
ein interessantes Relief mit oft kleinräu-                 die Besonderheit des Auenwalds.
migen Abhängen in allen Expositionen                       Ein Auenwald wird regelmässig                            Standortfaktoren
und Steilheiten. Je nach Sonnenein-                        überschwemmt und/oder ist von                            Ruinaulta
strahlung variieren die klimatischen                       Grundwasser beeinflusst, wie dies
Verhältnisse innerhalb weniger Meter.                      etwa auf den sandig-kiesigen Böden                       Höhenlage: zwischen rund
Auf unmittelbar aneinander grenzenden                      entlang des Vorderrheins der Fall ist.                   600 m ü.M. am Flussufer und
Lebensräumen gedeihen daher unter-                         Ein schönes Beispiel ist beim Rastplatz                  ca. 1’200 m ü.M. im Gross-
schiedliche Waldgesellschaften. Der                        Auenwald Versam zu sehen. Weich-                         wald/Uaul Grond
Begriff «Waldgesellschaft» steht für                       holzauen sind von Erlen und Weiden
                                                                                                                    Klima: Übergangsklima
eine Kombination von Bäumen, Büschen                       geprägt. Typische Baumarten der
                                                                                                                    zwischen den ozeanisch beein-
und weiteren Pflanzen mit denselben                        Hartholzauen sind Ulmen und Eschen.
                                                                                                                    flussten Nordalpen mit kühlen
Ansprüchen an Standortfaktoren wie
                                                           Die meist flachen baumfreien Gebiete                     Sommern und milden Wintern
Höhenlage, Klima, Exposition, Hang-
                                                           zwischen dem Nadelwald sind gröss-                       und den kontinental getönten
neigung, geologischer Untergrund,
                                                           tenteils Trockenwiesen und -weiden                       Zentralalpen mit relativ heissen
Boden und Konkurrenzsituation.
                                                           von nationaler Bedeutung. Sie unter-                     Sommern und kalten Wintern.
                                                           stehen dem Bundesgesetz über den
Auf den extrem flachgründigen und                                                                                   Geologie/Boden: Auf den
                                                           Natur- und Heimatschutz (NHG). Die
trockenen Böden der Schlucht, vor                                                                                   Gesteinstrümmern aus Malm-
                                                           schwer zugänglichen und daher extensiv
allem an den südexponierten Hang-                                                                                   und Kreidekalken hat sich erst
                                                           genutzten Wiesen werden traditionell
lagen, aber auch auf sehr nassen                                                                                    eine flachgründige, d. h. dünne
                                                           im Frühling und im Herbst gemäht.
Böden, wo andere Waldgesellschaf-                                                                                   und kalkreiche Bodenschicht ge-
                                                           Hier findet etwa das seltene Wanzen-
ten nicht mehr existieren können,                                                                                   bildet. Wasser versickert rasch
                                                           Knabenkraut ideale Bedingungen.
stockt der Erika-Föhrenwald.                                                                                        in den vielen Ritzen und Spalten
                                                           Zur Ruinaulta gehören auch das                           dieses Untergrunds, so dass die
Auf etwas weniger flachgründi-
                                                           Naturwaldreservat Spunda da Zir                          Böden ohne Niederschlag stark
gen, weniger trockenen Böden in
                                                           auf Gemeindegebiet von Sagogn,                           austrocknen. Eine Ausnahme
Mulden, in Hangfusslage oder auf
                                                           das Naturwaldreservat Rheinbord auf                      bilden die durchnässten Auen-
ehemaligen Fluss-Terrassen steht
                                                           Boden von Flims und das Naturwald-                       böden am Rhein.
der Tannen-Fichtenwald.
                                                           reservat Rhiihalda auf Gemeindegebiet
Der Erika-Fichtenwald kommt                                von Bonaduz. Dort verzichtet man auf
vor allem auf flachgründigen, trocke-                      jegliche forstliche und landwirtschaft-
nen, aber noch fichtenfähigen Böden                        liche Nutzung. Ausser bei Waldbränden
in der Schlucht und insbesondere                           oder phytosanitären Notlagen wie
im Grosswald/Uaul Grond vor.                               etwa Borkenkäferbefall dürfen keine
                                                           Eingriffe erfolgen, die Entwicklung
                                                           wird alleine der Natur überlassen.

Höchstes Hochwasser

Mittleres Hochwasser

Mittelwasser

                                                                           Weidengebüsch            Grauerlenwald         Ulmen-Eschen-Auenwald
Niedrigwasser
                                                           Flussröhricht
                            KIES                                                           SAND                             AUENLEHM
                                                  Kriechrasen
                       Einjährigenflur

     Wasser                              gehölzfreie Aue                                   Weichholzaue                             Hartholzaue

                                                                                                                                                       5
Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Naturdenkmal Ruinaulta

                   BLN-Gebiet

                   BLN-Auengebiet

                   Naturpark Beverin

    Typischer                          Typischer          Typischer Ulmen-   Karbonat Tannen-Fichten-   Tieflagen-Weiss-
    Erika-Fichtenwald                  Erika-Föhrenwald   Eschen-Auenwald    wald mit Weisssegge        erlen-Auenwald

                                                                                   Naturwald-             Trockenwiesen
                                                                                   reservate              und -weiden

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Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Buche ·                      Grauerle ·
                                                                                      Fagus sylvatica ·            Alnus incana ·
                                                                                      Fau (rom)                    Ogn grisch (rom)
                                                                                      Eigentlich mag die Buche     Diese robuste Pionier-
                                                                                      weder die Kälte höherer      baumart besiedelt Roh-
                                                                                      Lagen, noch allzu trocke-    böden und Schuttflä-
                                                                                      ne Sommer und ebenso         chen. Sie erträgt Nässe
                                                                                      wenig nährstoffarme Bö-      und kann auch längere
                                                                                      den. Und doch kommt sie      Zeit im Wasser stehen.
                                                                                      in der östlichen Ruinaulta   Mit ihren biegsamen
                                                                                      vereinzelt vor, so etwa      Ästen überlebt sie selbst
                                                                                      im Erika-Fichtenwald mit     die Last meterhohen
                                                                                      Buche im Uaul Grond/         Schutts. Diese Baumart
                                                                                      Grosswald bei Conn. Die      ist wertvoll für den Le-
                                                                                      Buche ist ein wichtiger      bensraum Auenwald,
                                                                                      Baum für die Abgrenzung      da sie den sandigen
                                                                                      so genannter Höhenstu-       Boden stabilisiert.
                                                                                      fen, sie bildet die Grenze
                                                                                      zwischen der obermonta-
                                                                                      nen Tannen-Buchenwald-
                                                                                      Stufe und der hochmon-
                                                                                      tanen Tannen-Fichten-
Waldföhre ·                  Fichte ·                    Tanne (Weisstanne) ·         wald-Stufe. Eine solche
Pinus sylvestris ·           Picea abies ·               Abies alba ·                 «Buchengrenze» verläuft
Tieu da guaud (rom)          Pign (rom)                  Aviez (rom)                  mitten durch das Fels-
Die anspruchslose Wald-      Eigentlich sind die zu      Die Tanne bevorzugt in       sturz-Gebiet, etwa zwi-
föhre besiedelt Extrem-      Trockenheit neigenden       der Ruinaulta die nicht zu   schen Fidaz und der Sta-
standorte, in der Ruinaul-   Böden des Flimser Berg-     steilen, weniger trocke-     tion Valendas-Sagogn.
ta etwa extrem trockene,     sturzes für die Fichte      nen und der Sonne eher
südexponierte Steillagen     nicht ideal. Während sie    abgewandten Hangla-
auf flachgründigen Kalk-     an idealen Standorten       gen. Da sie gerne tief im
rohböden, wo Fichte,         bis zu 50 Meter Höhe        Boden wurzelt, sagen ihr
Tanne und Buche keine        wächst, wird sie in der     die typisch flachgründi-
Chance haben.                Ruinaulta oft nicht höher   gen Böden der Schlucht
                             als 25 Meter. Wenn sie      nicht sonderlich zu. Im
                             gelbliche Nadeln bildet,    Uaul Grond/Grosswald,
                             kann dies auf Trocken-      in Mulden, am Hangfuss
                             stress hindeuten. Trotz-    oder auf ehemaligen
                             dem ist die Fichte in der   Flussterrassen findet
                             Ruinaulta die häufigste     die Tanne jedoch auch in
                             Baumart und dominiert       der Ruinaulta günstige
                             das Waldbild, dies mit      Lebensbedingungen.
                             Ausnahme der sonnen-
                             exponierten Steilhänge
                             der Schlucht.

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Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Waldanschauliches im Herzen der Ruinaulta: Valendas –Versam

      Die 4,6 Kilometer von Valendas-Sagogn             Erika-Fichtenwaldes war nicht mehr             In der Auen-Landschaft herrschen
      Station (669 m) nach Versam-Safien                stabil gewesen und bildete eine poten-         wasserresistente Baumarten wie Erlen
      Station (635 m) kann man in gut an-               zielle Gefahr für die RhB. Bis die neue        und Weiden vor, von der Feuchtigkeit
      derthalb Stunden wandern. Setzen                  Baumgeneration ihre Schutzfunktion             profitieren Schachtelhalm, Farne und
      wir für einmal die Försterbrille auf und          ausüben kann, übernehmen moderne               Co. Geschäftiges Leben ist am Bau der
      gehen unterwegs der Pflanzenwelt                  Steinschlagnetze diese Aufgabe. Wild-          Waldameisen zu beobachten, während
      auf den Grund! Gut möglich, dass die              verbiss ist für die erwünschte Wald-           sich Altholzspezialisten wie die Kon-
      Exkursion dann deutlich länger dauert!            verjüngung ein Problem, das macht              solenpilze jahrelang Zeit lassen, einen
      Denn in der grandiosen Landschaft gibt            ein vergleichender Blick auf das Gale-         Strunk zu zersetzen. Und wenig wun-
      es viel Waldwissen zu entdecken.                  riedach deutlich, wo die Jungbäume             dert es, dass auch die eingewanderten
                                                        ungestört und viel dichter gedeihen.           Biber tatkräftig die Ufer mitgestalten.
      Der Wanderweg führt vom Bahnhof
      weg auf den Damm zwischen Vorder-                 Typische Pionierarten prägen die
      rhein und einer Galerie für die RhB-Ge-           Ufervegetation am Damm: Birken,
      leise. Der Blick nach oben erklärt alles.         Erlen, Föhren und Weiden. Daneben
      Senkrecht recken sich erosionsanfällige           gedeihen auch Sträucher wie Holun-
      Kalktürme und Felswände himmel-                   der, Hasel, Hartriegel, Hundsrosen
      wärts und gehen am östlichen Ende                 und Geissblatt. Vor der Rechtskurve
      der Galerie in einen steilen, spärlich            des Rheins kann sich je nach Was-
      bewachsenen Hang über. Hier führte                serpegelstand seitlich eine Kiesbank
      der Forstdienst von 2006 bis 2009                 formen. Unter den Wanderschuhen
      einen Sicherheitsholzschlag durch.                knirscht Sand. Das bringt einen abrup-
      Der ursprüngliche Baumbestand des                 ten Wechsel im Baumbild mit sich:

                                                                                                                                                 Chur

                         Wanderweg Valendas –Versam

                         Station RhB
                                                                                                 Station Versam-Safien
                         Feuerstelle

                              Station Valendas-Sagogn
            Ilanz

schriebene
      8    Route im Faktenblatt
bitte mit einem Piktogramm darstellen
Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Der Rastplatz Schwarzes Loch lädt mit       wenig Humus auf dem kalkigen Unter-
 Wussten Sie, dass...              Bänken und Feuerstelle zum gemüt-           grund wurzelt, verhindert er doch die
                                   lichen Verweilen ein. Hier setzt der Vor-   rasche Erosion. Hier ein Wildwechsel,
• gegen Tausend Arten von
                                   derrhein zu temporeichen Stromschnel-       da eine Spur: Die hier dicht bewalde-
  Schmetterlingen (Tagfalter,
                                   len an, die ausgespülten Höhlen in den      ten Steilhänge dienen sichtlich auch
  Gross- und Kleinschmetter-
                                   Felswänden gegenüber zeugen von             dem Wild als Einstand. Vor Isla führt
  linge) in der Ruinaulta leben,
                                   viel Wasserkraft. Auch der hier einmün-     der Wanderweg leicht bergan, so dass
  darunter einige sehr seltene
                                   dende Carrerabach birgt einiges Zer-        man vom haselbestandenen Wald-
  oder auffällige Arten wie
                                   störungspotenzial in sich. Eine Infotafel   rand und dem Rastplatz Isla über die
  der Segelfalter (Iphiclides
                                   erläutert, wie Wasser und Geschiebe         offene Fläche westwärts in die spek-
  podalirius, siehe Foto) und
                                   des Wildbachs überwacht und gema-           takuläre Schluchtlandschaft blickt.
  der Blauschwarze Eisvogel
                                   nagt werden. Dies erfolgt zum Schutz
  (Limenitis reducta).
                                   der RhB-Geleise und des Wanderwegs          Bald verlässt der mit Trans Ruinaulta
                                   vor Naturgefahren wie Murgang oder          beschriftete Wanderweg den Wald und
                                   Überschwemmungen, aber auch zum             verläuft über einen künstlich errichte-
                                   Wohl der seltenen Vogelarten auf dem        ten Damm entlang einer steilen Flanke
                                   Delta des Carrera-Baches. So brüten         oberhalb der RhB-Geleise. Trockenheit
                                   hier und auf den vorgelagerten Sand-        und Erosionsdynamik diktieren die
                                   bänken und Kiesinseln zwischen April        Lebensbedingungen an diesen schrof-
                                   und Mitte Juli etwa der stark gefährdete    fen Hängen. Hie und da hört man ein
                                   Flussuferläufer und der Flussregenpfei-     Kollern, die Natur arbeitet. Hoch oben
                                   fer. Das in dieser Zeit geltende Betre-     in den Felsen brüten Wanderfalken und
                                   tungsgebot ist unbedingt zu beachten!       Mauersegler. Von allen Baumarten kann
                                   Ab hier flussabwärts erstreckt sich         hier nur noch die Waldföhre bestehen.
                                   beidseitig des Rheins eine Naturschutz-     Sie bildet offenen Wald, in welchen
                                   zone. Der Wanderweg führt entspre-          genügend Licht für das Wachstum von
                                   chend etwas in die Höhe, wo man sich        Kräutern und Sträuchern durchdringt.
                                   unvermittelt im Erika-Fichtenwald           Am Boden dominieren denn auch die
                                   befindet. Obwohl der Wald auch hier in      im Frühjahr hübsch leuchtenden Erika-

                                                                                                                       9
Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
Stauden. Erika-Föhrenwälder wie              nimmt man das Postauto zu den Dörfern
     diese sind von hohem ökologischem            des Safientals oder ins Städtchen Ilanz
     Wert, da sie in der Schweiz von Natur        oder die RhB, um das Erlebnis Ruinaulta
     aus selten sind. Und sie sind ganz ein-      auf dem Schienenweg abzurunden.
     fach schön! Hier lohnt sich ein Moment       Wer weiterwandert, stösst bald auf die
     der Musse, um vielleicht die eine oder       Chrummwag, einen markanten, bewal-
     andere Orchidee zu bewundern oder            deten Felskopf, den der Vorderrhein in
     tanzenden Schmetterlingen zuzuschau-         einer besonders pittoresken Schlaufe
     en und den kräutrigen Duft des Waldes        umspült. Der Wanderweg führt über
     zu geniessen. Gut beobachten lässt sich      den Felsen. Die paar Höhenmeter wer-
     auch, welche Jungbäume und Pflanzen          den mit einer spektakulären Sicht auf die
     nach einem RhB-Sicherheitsschlag als         Felswände und die darüber thronende
     erste hochkommen. Beim Rastplatz vor         Aussichtsplattform Il Spir belohnt. Mit
     der Station Versam-Safien zückt man          dem Überqueren der Eisenbahnbrücke
     das Fernrohr, um die gegenüber liegen-       und dem steilen Aufstieg durch Erika-
     den Schotterhänge nach Gämsen ab-            Föhrenwald, dann Erika-Fichtenwald
     zusuchen. Vor der Rückfahrt sollte man       mit vereinzelten Buchen nähert
     mindestens einen Abstecher zum Rast-         sich das Schlucht-Erlebnis seinem
     platz Auenwald machen: Ein idyllischer       Ende. Beim Aussichtspunkt bei der
     Auenlebensraum mit Flusskiesbänken,          obersten Kehre des Zickzack-Pfades
     Weidengebüschen und Grauerlenbe-             überblickt man ein letztes Mal den
     ständen, aber auch vielfältiger mensch-      mäandernden Vorderrhein mit seinen
     licher Freizeitnutzung. Hier zeigt es sich   Sandbänken und Kiesinseln sowie die
     sehr offensichtlich, wie komplex es ist,     grossartigen Kalkwände und Felstür-
     die so unterschiedlichen Ansprüche von       me der Ruinaulta. Nun kann man Trin
     Mensch und Natur in Einklang zu brin-        ansteuern oder via den Grosswald/
     gen. Ab dem Bahnhof Versam-Safien            Uaul Grond noch dem unterirdisch
                                                  gespiesenen Caumasee die Ehre er-
                                                  weisen und so nach Flims gelangen.

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Ruinaulta NATUR =               Bergsturzmasse · Hügellandschaft · Schlucht ·
dunkle Nadelwälder · Kiesinseln · lichte Föhrenwälder · Sandbänke · Geröll-
halden · Pioniervegetation · Mäander · Felsblöcke · Orchideen · Erlenauenwälder ·
Erdpyramiden · Kalkgestein · Steilwände · Auen-Weidengebüsche · Birken ·
Erika-Föhrenwald · Erosion · Runsen · Weissseggen · Silberwurz · Trocken-
wiesen und -weiden · Flussuferläufer · Flussregenpfeifer · Auerhuhn · Gämse ·
Biber · Alpenbock · Grosse Hufeisennase · Waldschnepfe · Schmetterlinge

Ruinaulta MENSCH =                    Wanderer · Fotografen · Ornithologen ·
Botaniker · Förster · Kanuten · Trailrunner · Pilzsammler · Picknickende ·
Riverrafter · Kinder · Geologen · Steinmännlibauer · Badende · RhB-Passagiere ·
Bauern · Umweltschützer · Touristiker · Naturgefahren-Spezialisten · Biker ·
Wissenschafter · Naturliebhaber

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Refugium für bedrohte Arten
     Die Ruinaulta bietet Lebensraum für mehrere Tierarten,
     die auf der Roten Liste des Bundesamtes für Umwelt BAFU
     als verletzlich, gefährdet oder vom Aussterben bedroht
     aufgeführt sind. Ein paar Beispiele zeigen auf, wie die
     Forstdienste den Erhalt dieser Arten unterstützen.

     Alpenbock ·                      Auerhuhn ·                    Flussuferläufer ·             Grosse Hufeisennase ·
     Rosalia alpina ·                 Tetrao urogallus ·            Actitis hypoleucos ·          Rhinolophus
     Bau-buc alpin (rom)              Tgiet grond/gaglina           Rivaun cumin (rom)            ferrumequinum ·
                                      da taus (rom)                                               Rinolof grond (rom)
     Der Schönheitskönig                                            Der Flussuferläufer ist ein
     unter den einheimischen          Seit 1977 auf der Roten       typischer Bewohner von        Die vom Aussterben
     Käfern figuriert auf der         Liste der gefährdeten         Flussauenlandschaften         bedrohte Fledermausart
     Roten Liste als ver-             Arten, bevorzugt das          und auf der Roten Liste       Grosse Hufeisennase
     letzliche Art. Als Larve         Auerhuhn strukturreiche,      als stark gefährdet auf-      findet in der Ruinaulta
     lebt der Bockkäfer bis           nadelholzdominierte Wäl-      geführt. Vom Flussufer-       den bevorzugten Le-
     zu fünf Jahre in totem,          der mit offenen Flächen       läufer zählt man in der       bensraum, sprich Höh-
     besonntem Buchenholz.            und geringer Belastung        Schweiz (Mai 2019) noch       len und Gebäude zum
     Dann schlüpft er und             durch Störungen. Heute        70 bis 90 Paare. Diese        Wohnen und flussnahe
     frisst sich in sein Dasein       leben in der Schweiz nur      letzten Bestände brüten       Bereiche, Laubwälder
     als Käfer, das nur drei          noch 360 bis 470 Männ-        bevorzugt auf Kiesbän-        und vielfältige Laubwald-
     bis vier Wochen dauert.          chen in insgesamt fünf        ken, wie sie in der Ruin-     randgebiete. Die grösste
     Meist kommt es jedoch            Gebieten. In und um die       aulta vorkommen, wo sie       Wochenstubenkolonie
     nicht soweit, das Holz           Ruinaulta sind drei Wald-     aber natürlichen Feinden      von ganz Mitteleuropa
     wird weggeräumt oder             flächen ausgeschieden,        sowie den Auswirkungen        befindet sich heute im
     als Cheminée-Brennholz           in denen dieser faszinie-     menschlicher Freizeit-        Estrich der reformierten
     verfeuert. In der Ruin-          rende Vogel mit forstli-      aktivitäten ausgesetzt        Kirche von Sagogn (bis
     aulta sorgen die Forst-          chen und anderen Mass-        sind. Der Erholungsdruck      2007 in Castrisch). Der
     dienste dafür, dass Alt-         nahmen gefördert wird.        und die Schutzbedürftig-      Bestand wuchs erfreu-
     und Totholz genügend                                           keit bleiben also hoch.       licherweise auf 166 er-
     lange liegenbleibt, damit                                                                    wachsene Tiere (2015).
     der Alpenbock und an-                                                                        Nachts jagen die Tiere in
     dere Kleinlebewesen                                                                          unmittelbarer Rheinnähe
     sich entwickeln können.                                                                      und im angrenzenden
                                                                                                  Offenland nach Insek-
                                                                                                  ten. Für den Flug ins
                                                                                                  Jagdgebiet brauchen die
                                                                                                  Grossen Hufeisennasen
                                                                                                  lineare Strukturen wie
                                                                                                  Waldränder und Hecken.

     Impressum
     Amt für Wald und Naturgefahren
     Kontaktadressen und weitere Informationen unter:
     www.wald-naturgefahren.gr.ch
     Redaktion: Susi Schildknecht, Laura Brunner, Christian Buchli, Sabine Leisinger
     Bilder: Amt für Wald und Naturgefahren, Gaudenz Danuser, Stiftung Fledermausschutz,
     Dieter Ludwig, Laura Brunner, Marcel Castelli, Christoph Meier-Zwicky, Jürg Schmid,
     Jolanda Rechsteiner, Frank Brüderli, Barbara Steinmann
     Grafische Gestaltung: zanoni.kommunikation, Chur
     Druck: Casanova Druckwerkstatt Chur
     2. Ausgabe, 1000 Exemplare

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