Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta - Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht
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Amt für Wald und Naturgefahren Die Wälder des Naturdenkmals Ruinaulta Ein Waldspaziergang durch die Rheinschlucht www.wald-naturgefahren.gr.ch Faktenblatt 6 Amt für Wald und Naturgefahren Zweite Ausgabe Uffizi da guaud e privels da la natira Ufficio foreste e pericoli naturali Mai 2019 1
Einladung zur Wanderung durch die Rheinschlucht und ihre Wälder Die Vorderrheinschlucht Ruinaulta be- sticht mit einmalig schöner, alpiner Land- Ruinaulta schaft – und beeindruckt mit den gut Aus dem Romanischen sichtbaren Spuren der Urgewalten, wel- «Ruinas» = Geröllhalde, Pfeiler che dieses Wunder der Natur entstehen und «aulta» = hoch liessen. Das 2028 ha grosse Naturdenk- Seit 1977 figuriert die Ruinaulta im Bundesinventar der Landschaften mal Ruinaulta liegt zwischen Castrisch/ und Naturdenkmäler von nationaler Ilanz und Trin, oder etwas glamouröser Bedeutung BLN (siehe Karte). Zudem zählt sie zu den Smaragd-Gebieten ausgedrückt, zwischen der UNESCO- der Schweiz, den europaweit beson- Welterbestätte Tektonikarena Sardona ders wertvollen Lebensräumen. im Norden und dem Naturpark Beverin • 2028 Hektaren spektakuläre Land- schaft entlang des Vorderrheins im Süden. Auf kleinem Raum koexistie- von Castrisch bei Ilanz bis Trin. ren in dieser einmaligen Schluchtland- • 12 Kilometer langer Durchbruch schaft verschiedene Waldgesellschaf- des Vorderrheins durch die grösste ten, also Wälder mit ganz unterschied- Bergsturzmasse der Schweiz. lichen Ansprüchen. Näher kommt man • 300 Meter hohe weisse Kalkwände, weitgehend natürlicher Flusslauf mit der Ruinaulta am besten langsam, über eindrücklichen Talmäandern, aktiven Wander- und Spazierwege. Und mit Erosionshängen und Flussauen. etwas Wissen um ihre Einzigartigkeit • Mächtige Einzelblöcke und bewaldete Trümmermassen. sowie gebührender Achtung vor ihrer • Pionier- und Trockenstandorte mit teilweise schutzbedürftigen Natur. charakteristischen und teils gefähr- deten Pflanzen- und Tierarten. • Spezielle Waldgebiete mit trockenheitsliebenden Fichten- und Föhrenwäldern. 2
Baumeister Pflanzen-Rallye Bergsturz um die besten Plätze Die Ruinaulta ist eine der grossartigsten Landschaften der Alpen. Sie entstand als Folge des Flimser Bergsturzes, der vor rund 9400 Jahren zwischen Flimser- stein und Piz Grisch niederging und mit 8 km³ als gewaltigster Bergsturz der Alpen gilt. Das nacheiszeitliche Natur- ereignis definierte die Topografie der Region neu. Das Vorderrheintal auf der ganzen Länge zwischen dem heutigen Castrisch und Reichenau wurde unter Fels und Schutt begraben, mancher- orts mehrere hundert Meter hoch. Als Folge des Bergsturzes staute sich der Rhein bei Ilanz zu einem grossen See. Nach einem ersten Durchbruch durch die Schuttmassen senkte sich der See- spiegel von 936 m ü. M. auf 820 m ü. M. Obwohl halb entleert, erstreckte sich Zuerst besiedelten Flechten und Formen erodierten Türmen aus zer- der See immer noch über eine Länge Moose die Trümmer des Bergsturzes. malmtem Kalkgestein können sich von 23 Kilometern. Der Regen löste Mineralsalze aus dem bis heute keine Pflanzen ansiedeln. Nach seiner Verlandung mehrere Gestein. Abgestorbene Pflanzenreste Es ist spannend zu sehen, unter Jahrhunderte später bahnte sich der sammelten sich an, Gräser und Kräuter welch extremen Bedingungen sich Vorderrhein seinen Weg durch die See- konnten Fuss fassen. Mit der Zeit bilde- spärliche Pioniervegetation wie etwa und Bergsturzablagerungen bis auf die te sich eine Bodenschicht, in welcher der Silberwurz behaupten kann, wie momentane Höhe der Flusssohle von auch die ersten Bäume genügend Halt sich auf flachgründigen, exponierten ca. 600 m ü. M. Auch heute noch durch- fanden. So eroberten sich die Pflanzen Steilhängen wärmeliebende, lichte fliesst der Vorderrhein grösstenteils die und mit ihnen auch die Tiere das Berg- Erika-Föhrenwälder entwickeln und Schuttmassen des Flimser Bergsturzes, sturzgelände zurück. Diese Geschichte mit dunklen Tannen-Fichtenwäldern er hat also den darunterliegenden ur- teilen sich sämtliche heutigen Wälder an geschützteren Lagen kontrastieren. sprünglichen Fels noch nicht erreicht. zwischen den Strassen Trin – Flims – Und wie der Vorderrhein im dazwischen Die Natur als grossartige Landschafts- Laax – Sagogn und Versam – Valen- liegenden Schluchtengrund die Fluss- architektin setzt ihre Dynamik fort, das – Castrisch. Nur an den steilsten auen immer wieder neu gestaltet. begnügt sich zurzeit jedoch mit Fein- Abhängen der Schlucht, auf einzelnen schliff-Arbeiten. Meistens jedenfalls. riesigen Blöcken und den zu bizarren 3
Forstliche Arbeiten in der Ruinaulta Die Pflege der zur Ruinaulta gehörenden vate. Obwohl die natürliche Dynamik Wussten Sie, dass... Wälder sind für das Amt für Wald und des Vorderrheins zuzulassen ist, muss Naturgefahren (AWN) Graubünden und der Schutz vor Naturgefahren für die • seltene Orchideen im Erika- die kommunalen Forstdienste eine RhB-Infrastruktur, für Wanderwege, Föhrenwald besonders ideale schöne und herausfordernde Aufgabe. Rastplätze und weitere touristische Ein- Standorte finden? So gedeihen Es gilt, die Schutzziele des Naturdenk- richtungen sichergestellt sein. So macht in der Ruinaulta etwa Gelber mals Ruinaulta zu erfüllen, so etwa der Forstdienst also immer wieder den Frauenschuh (Cypripedium die naturnahen Wälder in ihrer stand- Spagat zwischen den Ansprüchen der calceolus), Langblättriges Wald- orttypischen Ausprägung, aber auch Waldpflege, der Förderung der Biodiver- vögelein (Cephalanthera longi- das Mosaik aus Wald und Offenland sität und dem Schutz vor Naturgefahren! folia), Fliegen-Ragwurz (Ophrys zu erhalten. Die Waldpflege erfolgt Insectifera) und viele mehr. mit grösstmöglicher Rücksicht auf die verschiedenen Feucht- und Trockenle- bensräume mit ihren charakteristischen und teils gefährdeten Pflanzen- und Tierarten. So überwacht das AWN auf Ruinaulta-Gebiet drei Naturwaldreser- 4
Waldlebensräume der Ruinaulta Der Bergsturz bescherte der Ruinaulta Entlang von Flüssen findet man ein interessantes Relief mit oft kleinräu- die Besonderheit des Auenwalds. migen Abhängen in allen Expositionen Ein Auenwald wird regelmässig Standortfaktoren und Steilheiten. Je nach Sonnenein- überschwemmt und/oder ist von Ruinaulta strahlung variieren die klimatischen Grundwasser beeinflusst, wie dies Verhältnisse innerhalb weniger Meter. etwa auf den sandig-kiesigen Böden Höhenlage: zwischen rund Auf unmittelbar aneinander grenzenden entlang des Vorderrheins der Fall ist. 600 m ü.M. am Flussufer und Lebensräumen gedeihen daher unter- Ein schönes Beispiel ist beim Rastplatz ca. 1’200 m ü.M. im Gross- schiedliche Waldgesellschaften. Der Auenwald Versam zu sehen. Weich- wald/Uaul Grond Begriff «Waldgesellschaft» steht für holzauen sind von Erlen und Weiden Klima: Übergangsklima eine Kombination von Bäumen, Büschen geprägt. Typische Baumarten der zwischen den ozeanisch beein- und weiteren Pflanzen mit denselben Hartholzauen sind Ulmen und Eschen. flussten Nordalpen mit kühlen Ansprüchen an Standortfaktoren wie Die meist flachen baumfreien Gebiete Sommern und milden Wintern Höhenlage, Klima, Exposition, Hang- zwischen dem Nadelwald sind gröss- und den kontinental getönten neigung, geologischer Untergrund, tenteils Trockenwiesen und -weiden Zentralalpen mit relativ heissen Boden und Konkurrenzsituation. von nationaler Bedeutung. Sie unter- Sommern und kalten Wintern. stehen dem Bundesgesetz über den Auf den extrem flachgründigen und Geologie/Boden: Auf den Natur- und Heimatschutz (NHG). Die trockenen Böden der Schlucht, vor Gesteinstrümmern aus Malm- schwer zugänglichen und daher extensiv allem an den südexponierten Hang- und Kreidekalken hat sich erst genutzten Wiesen werden traditionell lagen, aber auch auf sehr nassen eine flachgründige, d. h. dünne im Frühling und im Herbst gemäht. Böden, wo andere Waldgesellschaf- und kalkreiche Bodenschicht ge- Hier findet etwa das seltene Wanzen- ten nicht mehr existieren können, bildet. Wasser versickert rasch Knabenkraut ideale Bedingungen. stockt der Erika-Föhrenwald. in den vielen Ritzen und Spalten Zur Ruinaulta gehören auch das dieses Untergrunds, so dass die Auf etwas weniger flachgründi- Naturwaldreservat Spunda da Zir Böden ohne Niederschlag stark gen, weniger trockenen Böden in auf Gemeindegebiet von Sagogn, austrocknen. Eine Ausnahme Mulden, in Hangfusslage oder auf das Naturwaldreservat Rheinbord auf bilden die durchnässten Auen- ehemaligen Fluss-Terrassen steht Boden von Flims und das Naturwald- böden am Rhein. der Tannen-Fichtenwald. reservat Rhiihalda auf Gemeindegebiet Der Erika-Fichtenwald kommt von Bonaduz. Dort verzichtet man auf vor allem auf flachgründigen, trocke- jegliche forstliche und landwirtschaft- nen, aber noch fichtenfähigen Böden liche Nutzung. Ausser bei Waldbränden in der Schlucht und insbesondere oder phytosanitären Notlagen wie im Grosswald/Uaul Grond vor. etwa Borkenkäferbefall dürfen keine Eingriffe erfolgen, die Entwicklung wird alleine der Natur überlassen. Höchstes Hochwasser Mittleres Hochwasser Mittelwasser Weidengebüsch Grauerlenwald Ulmen-Eschen-Auenwald Niedrigwasser Flussröhricht KIES SAND AUENLEHM Kriechrasen Einjährigenflur Wasser gehölzfreie Aue Weichholzaue Hartholzaue 5
Naturdenkmal Ruinaulta BLN-Gebiet BLN-Auengebiet Naturpark Beverin Typischer Typischer Typischer Ulmen- Karbonat Tannen-Fichten- Tieflagen-Weiss- Erika-Fichtenwald Erika-Föhrenwald Eschen-Auenwald wald mit Weisssegge erlen-Auenwald Naturwald- Trockenwiesen reservate und -weiden 6
Buche · Grauerle · Fagus sylvatica · Alnus incana · Fau (rom) Ogn grisch (rom) Eigentlich mag die Buche Diese robuste Pionier- weder die Kälte höherer baumart besiedelt Roh- Lagen, noch allzu trocke- böden und Schuttflä- ne Sommer und ebenso chen. Sie erträgt Nässe wenig nährstoffarme Bö- und kann auch längere den. Und doch kommt sie Zeit im Wasser stehen. in der östlichen Ruinaulta Mit ihren biegsamen vereinzelt vor, so etwa Ästen überlebt sie selbst im Erika-Fichtenwald mit die Last meterhohen Buche im Uaul Grond/ Schutts. Diese Baumart Grosswald bei Conn. Die ist wertvoll für den Le- Buche ist ein wichtiger bensraum Auenwald, Baum für die Abgrenzung da sie den sandigen so genannter Höhenstu- Boden stabilisiert. fen, sie bildet die Grenze zwischen der obermonta- nen Tannen-Buchenwald- Stufe und der hochmon- tanen Tannen-Fichten- Waldföhre · Fichte · Tanne (Weisstanne) · wald-Stufe. Eine solche Pinus sylvestris · Picea abies · Abies alba · «Buchengrenze» verläuft Tieu da guaud (rom) Pign (rom) Aviez (rom) mitten durch das Fels- Die anspruchslose Wald- Eigentlich sind die zu Die Tanne bevorzugt in sturz-Gebiet, etwa zwi- föhre besiedelt Extrem- Trockenheit neigenden der Ruinaulta die nicht zu schen Fidaz und der Sta- standorte, in der Ruinaul- Böden des Flimser Berg- steilen, weniger trocke- tion Valendas-Sagogn. ta etwa extrem trockene, sturzes für die Fichte nen und der Sonne eher südexponierte Steillagen nicht ideal. Während sie abgewandten Hangla- auf flachgründigen Kalk- an idealen Standorten gen. Da sie gerne tief im rohböden, wo Fichte, bis zu 50 Meter Höhe Boden wurzelt, sagen ihr Tanne und Buche keine wächst, wird sie in der die typisch flachgründi- Chance haben. Ruinaulta oft nicht höher gen Böden der Schlucht als 25 Meter. Wenn sie nicht sonderlich zu. Im gelbliche Nadeln bildet, Uaul Grond/Grosswald, kann dies auf Trocken- in Mulden, am Hangfuss stress hindeuten. Trotz- oder auf ehemaligen dem ist die Fichte in der Flussterrassen findet Ruinaulta die häufigste die Tanne jedoch auch in Baumart und dominiert der Ruinaulta günstige das Waldbild, dies mit Lebensbedingungen. Ausnahme der sonnen- exponierten Steilhänge der Schlucht. 7
Waldanschauliches im Herzen der Ruinaulta: Valendas –Versam Die 4,6 Kilometer von Valendas-Sagogn Erika-Fichtenwaldes war nicht mehr In der Auen-Landschaft herrschen Station (669 m) nach Versam-Safien stabil gewesen und bildete eine poten- wasserresistente Baumarten wie Erlen Station (635 m) kann man in gut an- zielle Gefahr für die RhB. Bis die neue und Weiden vor, von der Feuchtigkeit derthalb Stunden wandern. Setzen Baumgeneration ihre Schutzfunktion profitieren Schachtelhalm, Farne und wir für einmal die Försterbrille auf und ausüben kann, übernehmen moderne Co. Geschäftiges Leben ist am Bau der gehen unterwegs der Pflanzenwelt Steinschlagnetze diese Aufgabe. Wild- Waldameisen zu beobachten, während auf den Grund! Gut möglich, dass die verbiss ist für die erwünschte Wald- sich Altholzspezialisten wie die Kon- Exkursion dann deutlich länger dauert! verjüngung ein Problem, das macht solenpilze jahrelang Zeit lassen, einen Denn in der grandiosen Landschaft gibt ein vergleichender Blick auf das Gale- Strunk zu zersetzen. Und wenig wun- es viel Waldwissen zu entdecken. riedach deutlich, wo die Jungbäume dert es, dass auch die eingewanderten ungestört und viel dichter gedeihen. Biber tatkräftig die Ufer mitgestalten. Der Wanderweg führt vom Bahnhof weg auf den Damm zwischen Vorder- Typische Pionierarten prägen die rhein und einer Galerie für die RhB-Ge- Ufervegetation am Damm: Birken, leise. Der Blick nach oben erklärt alles. Erlen, Föhren und Weiden. Daneben Senkrecht recken sich erosionsanfällige gedeihen auch Sträucher wie Holun- Kalktürme und Felswände himmel- der, Hasel, Hartriegel, Hundsrosen wärts und gehen am östlichen Ende und Geissblatt. Vor der Rechtskurve der Galerie in einen steilen, spärlich des Rheins kann sich je nach Was- bewachsenen Hang über. Hier führte serpegelstand seitlich eine Kiesbank der Forstdienst von 2006 bis 2009 formen. Unter den Wanderschuhen einen Sicherheitsholzschlag durch. knirscht Sand. Das bringt einen abrup- Der ursprüngliche Baumbestand des ten Wechsel im Baumbild mit sich: Chur Wanderweg Valendas –Versam Station RhB Station Versam-Safien Feuerstelle Station Valendas-Sagogn Ilanz schriebene 8 Route im Faktenblatt bitte mit einem Piktogramm darstellen
Der Rastplatz Schwarzes Loch lädt mit wenig Humus auf dem kalkigen Unter- Wussten Sie, dass... Bänken und Feuerstelle zum gemüt- grund wurzelt, verhindert er doch die lichen Verweilen ein. Hier setzt der Vor- rasche Erosion. Hier ein Wildwechsel, • gegen Tausend Arten von derrhein zu temporeichen Stromschnel- da eine Spur: Die hier dicht bewalde- Schmetterlingen (Tagfalter, len an, die ausgespülten Höhlen in den ten Steilhänge dienen sichtlich auch Gross- und Kleinschmetter- Felswänden gegenüber zeugen von dem Wild als Einstand. Vor Isla führt linge) in der Ruinaulta leben, viel Wasserkraft. Auch der hier einmün- der Wanderweg leicht bergan, so dass darunter einige sehr seltene dende Carrerabach birgt einiges Zer- man vom haselbestandenen Wald- oder auffällige Arten wie störungspotenzial in sich. Eine Infotafel rand und dem Rastplatz Isla über die der Segelfalter (Iphiclides erläutert, wie Wasser und Geschiebe offene Fläche westwärts in die spek- podalirius, siehe Foto) und des Wildbachs überwacht und gema- takuläre Schluchtlandschaft blickt. der Blauschwarze Eisvogel nagt werden. Dies erfolgt zum Schutz (Limenitis reducta). der RhB-Geleise und des Wanderwegs Bald verlässt der mit Trans Ruinaulta vor Naturgefahren wie Murgang oder beschriftete Wanderweg den Wald und Überschwemmungen, aber auch zum verläuft über einen künstlich errichte- Wohl der seltenen Vogelarten auf dem ten Damm entlang einer steilen Flanke Delta des Carrera-Baches. So brüten oberhalb der RhB-Geleise. Trockenheit hier und auf den vorgelagerten Sand- und Erosionsdynamik diktieren die bänken und Kiesinseln zwischen April Lebensbedingungen an diesen schrof- und Mitte Juli etwa der stark gefährdete fen Hängen. Hie und da hört man ein Flussuferläufer und der Flussregenpfei- Kollern, die Natur arbeitet. Hoch oben fer. Das in dieser Zeit geltende Betre- in den Felsen brüten Wanderfalken und tungsgebot ist unbedingt zu beachten! Mauersegler. Von allen Baumarten kann Ab hier flussabwärts erstreckt sich hier nur noch die Waldföhre bestehen. beidseitig des Rheins eine Naturschutz- Sie bildet offenen Wald, in welchen zone. Der Wanderweg führt entspre- genügend Licht für das Wachstum von chend etwas in die Höhe, wo man sich Kräutern und Sträuchern durchdringt. unvermittelt im Erika-Fichtenwald Am Boden dominieren denn auch die befindet. Obwohl der Wald auch hier in im Frühjahr hübsch leuchtenden Erika- 9
Stauden. Erika-Föhrenwälder wie nimmt man das Postauto zu den Dörfern diese sind von hohem ökologischem des Safientals oder ins Städtchen Ilanz Wert, da sie in der Schweiz von Natur oder die RhB, um das Erlebnis Ruinaulta aus selten sind. Und sie sind ganz ein- auf dem Schienenweg abzurunden. fach schön! Hier lohnt sich ein Moment Wer weiterwandert, stösst bald auf die der Musse, um vielleicht die eine oder Chrummwag, einen markanten, bewal- andere Orchidee zu bewundern oder deten Felskopf, den der Vorderrhein in tanzenden Schmetterlingen zuzuschau- einer besonders pittoresken Schlaufe en und den kräutrigen Duft des Waldes umspült. Der Wanderweg führt über zu geniessen. Gut beobachten lässt sich den Felsen. Die paar Höhenmeter wer- auch, welche Jungbäume und Pflanzen den mit einer spektakulären Sicht auf die nach einem RhB-Sicherheitsschlag als Felswände und die darüber thronende erste hochkommen. Beim Rastplatz vor Aussichtsplattform Il Spir belohnt. Mit der Station Versam-Safien zückt man dem Überqueren der Eisenbahnbrücke das Fernrohr, um die gegenüber liegen- und dem steilen Aufstieg durch Erika- den Schotterhänge nach Gämsen ab- Föhrenwald, dann Erika-Fichtenwald zusuchen. Vor der Rückfahrt sollte man mit vereinzelten Buchen nähert mindestens einen Abstecher zum Rast- sich das Schlucht-Erlebnis seinem platz Auenwald machen: Ein idyllischer Ende. Beim Aussichtspunkt bei der Auenlebensraum mit Flusskiesbänken, obersten Kehre des Zickzack-Pfades Weidengebüschen und Grauerlenbe- überblickt man ein letztes Mal den ständen, aber auch vielfältiger mensch- mäandernden Vorderrhein mit seinen licher Freizeitnutzung. Hier zeigt es sich Sandbänken und Kiesinseln sowie die sehr offensichtlich, wie komplex es ist, grossartigen Kalkwände und Felstür- die so unterschiedlichen Ansprüche von me der Ruinaulta. Nun kann man Trin Mensch und Natur in Einklang zu brin- ansteuern oder via den Grosswald/ gen. Ab dem Bahnhof Versam-Safien Uaul Grond noch dem unterirdisch gespiesenen Caumasee die Ehre er- weisen und so nach Flims gelangen. 10
Ruinaulta NATUR = Bergsturzmasse · Hügellandschaft · Schlucht · dunkle Nadelwälder · Kiesinseln · lichte Föhrenwälder · Sandbänke · Geröll- halden · Pioniervegetation · Mäander · Felsblöcke · Orchideen · Erlenauenwälder · Erdpyramiden · Kalkgestein · Steilwände · Auen-Weidengebüsche · Birken · Erika-Föhrenwald · Erosion · Runsen · Weissseggen · Silberwurz · Trocken- wiesen und -weiden · Flussuferläufer · Flussregenpfeifer · Auerhuhn · Gämse · Biber · Alpenbock · Grosse Hufeisennase · Waldschnepfe · Schmetterlinge Ruinaulta MENSCH = Wanderer · Fotografen · Ornithologen · Botaniker · Förster · Kanuten · Trailrunner · Pilzsammler · Picknickende · Riverrafter · Kinder · Geologen · Steinmännlibauer · Badende · RhB-Passagiere · Bauern · Umweltschützer · Touristiker · Naturgefahren-Spezialisten · Biker · Wissenschafter · Naturliebhaber 11
Refugium für bedrohte Arten Die Ruinaulta bietet Lebensraum für mehrere Tierarten, die auf der Roten Liste des Bundesamtes für Umwelt BAFU als verletzlich, gefährdet oder vom Aussterben bedroht aufgeführt sind. Ein paar Beispiele zeigen auf, wie die Forstdienste den Erhalt dieser Arten unterstützen. Alpenbock · Auerhuhn · Flussuferläufer · Grosse Hufeisennase · Rosalia alpina · Tetrao urogallus · Actitis hypoleucos · Rhinolophus Bau-buc alpin (rom) Tgiet grond/gaglina Rivaun cumin (rom) ferrumequinum · da taus (rom) Rinolof grond (rom) Der Schönheitskönig Der Flussuferläufer ist ein unter den einheimischen Seit 1977 auf der Roten typischer Bewohner von Die vom Aussterben Käfern figuriert auf der Liste der gefährdeten Flussauenlandschaften bedrohte Fledermausart Roten Liste als ver- Arten, bevorzugt das und auf der Roten Liste Grosse Hufeisennase letzliche Art. Als Larve Auerhuhn strukturreiche, als stark gefährdet auf- findet in der Ruinaulta lebt der Bockkäfer bis nadelholzdominierte Wäl- geführt. Vom Flussufer- den bevorzugten Le- zu fünf Jahre in totem, der mit offenen Flächen läufer zählt man in der bensraum, sprich Höh- besonntem Buchenholz. und geringer Belastung Schweiz (Mai 2019) noch len und Gebäude zum Dann schlüpft er und durch Störungen. Heute 70 bis 90 Paare. Diese Wohnen und flussnahe frisst sich in sein Dasein leben in der Schweiz nur letzten Bestände brüten Bereiche, Laubwälder als Käfer, das nur drei noch 360 bis 470 Männ- bevorzugt auf Kiesbän- und vielfältige Laubwald- bis vier Wochen dauert. chen in insgesamt fünf ken, wie sie in der Ruin- randgebiete. Die grösste Meist kommt es jedoch Gebieten. In und um die aulta vorkommen, wo sie Wochenstubenkolonie nicht soweit, das Holz Ruinaulta sind drei Wald- aber natürlichen Feinden von ganz Mitteleuropa wird weggeräumt oder flächen ausgeschieden, sowie den Auswirkungen befindet sich heute im als Cheminée-Brennholz in denen dieser faszinie- menschlicher Freizeit- Estrich der reformierten verfeuert. In der Ruin- rende Vogel mit forstli- aktivitäten ausgesetzt Kirche von Sagogn (bis aulta sorgen die Forst- chen und anderen Mass- sind. Der Erholungsdruck 2007 in Castrisch). Der dienste dafür, dass Alt- nahmen gefördert wird. und die Schutzbedürftig- Bestand wuchs erfreu- und Totholz genügend keit bleiben also hoch. licherweise auf 166 er- lange liegenbleibt, damit wachsene Tiere (2015). der Alpenbock und an- Nachts jagen die Tiere in dere Kleinlebewesen unmittelbarer Rheinnähe sich entwickeln können. und im angrenzenden Offenland nach Insek- ten. Für den Flug ins Jagdgebiet brauchen die Grossen Hufeisennasen lineare Strukturen wie Waldränder und Hecken. Impressum Amt für Wald und Naturgefahren Kontaktadressen und weitere Informationen unter: www.wald-naturgefahren.gr.ch Redaktion: Susi Schildknecht, Laura Brunner, Christian Buchli, Sabine Leisinger Bilder: Amt für Wald und Naturgefahren, Gaudenz Danuser, Stiftung Fledermausschutz, Dieter Ludwig, Laura Brunner, Marcel Castelli, Christoph Meier-Zwicky, Jürg Schmid, Jolanda Rechsteiner, Frank Brüderli, Barbara Steinmann Grafische Gestaltung: zanoni.kommunikation, Chur Druck: Casanova Druckwerkstatt Chur 2. Ausgabe, 1000 Exemplare 12
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