Die Kantone der Zentralschweiz - Credit Suisse
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Investment Solutions & Products
Swiss Economics
Die Kantone
der Zentralschweiz
Perspektiven regionaler Wirtschaftsräume | Dezember 2019
Zur ausschliesslichen Verteilung in der Schweiz
Standortqualität Branchenentwicklung Immobilienmarkt
Ein Trumpf im Standort- Hohe Krisenresistenz Eigentumspreise dürften
wettbewerb schwindet und Innovationsfähigkeit weiter zulegen
Seite 8 Seite 15 Seite 32Impressum Herausgeber: Credit Suisse AG, Investment Solutions & Products Dr. Nannette Hechler-Fayd'herbe Head of Global Economics & Research +41 44 333 17 06 nannette.hechler-fayd'herbe@credit-suisse.com Dr. Oliver Adler Chefökonom Schweiz +41 44 333 09 61 oliver.adler@credit-suisse.com Redaktionsschluss 25. Oktober 2019 Bestellungen Einzelne Printexemplare direkt bei Ihrem Kundenberater (kostenlos). Elektronische Exemplare über www.credit-suisse.com/studiezentralschweiz. Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2019 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Autoren Dr. Sara Carnazzi Weber, +41 44 333 58 82, sara.carnazzi@credit-suisse.com Dr. Jan Schüpbach, +41 44 333 77 36, jan.schuepbach@credit-suisse.com Emilie Gachet, +41 44 332 09 74, emilie.gachet@credit-suisse.com Tiziana Hunziker, +41 44 333 03 74, tiziana.hunziker2@credit-suisse.com Alexander Lohse, +41 44 333 73 14, alexander.lohse@credit-suisse.com Gabriel Staub, +41 44 333 46 22, gabriel.staub@credit-suisse.com Pascal Zumbühl, +41 44 334 90 48, pascal.zumbuehl@credit-suisse.com Mitwirkung Tomasz Limberger Katharina Schlatter
Editorial
Geschätzte Leserinnen und Leser
Die zentrale Lage im Herzen der Schweiz, idyllische See- und Berglandschaften, urbane Gebiete
und unberührte Natur: Dies alles bietet die Zentralschweiz. Dieser Raum ist aber auch einer der
attraktivsten Wirtschaftsstandorte der Schweiz, der mit einer tiefen Steuerbelastung, einem soli-
den Fachkräftereservoir und vielerorts guten Verkehrsverbindungen punkten kann. Die hohe
Standortqualität widerspiegelt sich auch in einer erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung. Allen
Zentralschweizer Kantonen ist es in den letzten Jahren gelungen, ihre Finanzkraft zu erhöhen.
Nach dem Aufstieg des Kantons Obwalden stammen mittlerweile vier von den sieben Geberkanto-
nen im nationalen Finanzausgleich aus der Zentralschweiz. Auch die Wirtschaftsstruktur hat sich
als vergleichsweise krisenresistent erwiesen. Sowohl die Industrie als auch die Tourismusbranche
haben die schwierige Zeit von der Eurokrise und dem Frankenschock überwunden und die Region
konnte eine überdurchschnittlich starke Beschäftigungsentwicklung verzeichnen.
Die Zentralschweiz beherbergt auch eine innovative Unternehmenslandschaft. Neben etablierten
Hightech-Branchen beobachtet man zunehmend auch eine rege Gründungstätigkeit und die An-
siedlung von Startups, nicht nur im Kanton Zug. In keiner anderen Schweizer Grossregion sind
zudem die Aufwendungen der Privatwirtschaft für Forschung und Entwicklung in den letzten Jah-
ren so stark gewachsen wie in der Zentralschweiz.
Eine solch gute Ausgangslage im Standortwettbewerb muss aber laufend gepflegt und weiterent-
wickelt werden. Die jüngsten Bewegungen in der Unternehmensbesteuerung zeigen, dass
Standorttrümpfe auch kleiner werden können. Zahlreiche Kantone haben als Antwort auf die Ab-
schaffung der Steuerprivilegien für Statusgesellschaften Steuersenkungen geplant und teilweise
bereits implementiert. Dadurch rückt das Feld bei der attraktiven Unternehmensbesteuerung nä-
her zusammen. Eine aufmerksame und vorausschauende Wirtschaftspolitik ist heute von grösster
Bedeutung, sollten zunehmend dunkle Wolken am Schweizer Konjunkturhorizont aufziehen.
Als in der Schweiz stark verwurzelte Bank ist es für uns zentral, die einzelnen Regionen mit ihren
Stärken, Schwächen und Opportunitäten genau zu kennen. Deshalb haben wir unseren Ökono-
men den Auftrag gegeben, die sechs Zentralschweizer Kantone aus volkswirtschaftlicher Sicht im
Detail zu analysieren. Mit der vorliegenden Regionalstudie möchten wir einen aktiven Beitrag zur
Debatte über die Zukunft der Zentralschweiz leisten und gleichzeitig zu ihrem wirtschaftlichen Er-
folg beitragen. Unsere regionale Verbundenheit im Bankgeschäft und unsere vielfältigen Engage-
ments in Kultur, Sport und Gesellschaft sind uns sehr wichtig. Wir sind stolz, zahlreiche Zentral-
schweizer Privatpersonen und Firmen zu unseren wertvollen Kunden zählen zu dürfen.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre
Roger Suter Christoph Baggenstos
Leiter Region Zentralschweiz Leiter Firmenkunden Zentralschweiz
Swiss Economics | Dezember 2019 3Inhalt
REGIONALER KONTEXT
Von Altdorf bis Zug 7
STANDORTQUALITÄT
Ein Trumpf im Standortwettbewerb schwindet 8
FINANZKRAFT
Zentralschweizer Finanzstärke 13
UNTERNEHMEN UND BRANCHENSTRUKTUR
Stellenwachstum, Firmengründungen: Zug liegt vorne 15
EXPORTINDUSTRIE
Dem Protektionismus zum Trotz 19
TOURISMUS
Tourismus zieht positive Bilanz 21
Die Airbnb-Welle rollt an 24
BEVÖLKERUNG UND MIGRATION
Zentralschweiz im Mittelfeld 27
Wer sind die Zuwanderer in die Zentralschweiz? 30
IMMOBILIEN
Wohneigentum: Hohe Preise an den Seen 32
Mietwohnungen: Stabiler Mietwohnungsmarkt 34
KANTONSPROFILE
Kanton Luzern 36
Kanton Nidwalden 37
Kanton Obwalden 38
Kanton Schwyz 39
Kanton Uri 40
Kanton Zug 41
Swiss Economics | Dezember 2019 5Weinland Frauenfeld
Brugg/Zurzach Thurtal
Unterland
Fricktal Winterthur-Stadt
Baden Wil
Oberes Furttal
Baselbiet Winterthur-Land
Glattal
Limmattal Zürich
Aarau
Zürich-Stadt
Olten/Gösgen/Gäu Mutschellen Oberland-Ost
Toggenburg
Aarau
Oberland-West
Freiamt
Pfannenstiel
Knonaueramt
Linthgebiet
Zimmerberg
Lorzenebene/Ennetsee
Sursee/Seetal Zug
March/Höfe
Zuger
Oberaargau Berggemeinden
Willisau Glarner
Mittel- und
Luzern Einsiedeln Unterland
Luzern
Glarus
Schwyz
Burgdorf
Innerschwyz
Oberes Stans
Emmental Nidwalden/Engelberg
Entlebuch Glarner
Hinterland
Sarnen
Altdorf
Sarneraatal
Uri
Thun
Surselva
Berner
Oberland-Ost
Wirtschaftsregionen
Kanton Luzern
Kanton Nidwalden
Kanton Obwalden
Domleschg/Hinterrhe
andertal
Kanton Schwyz
Tre Valli
Kanton Uri Goms
Kanton Zug
Locarno
Visp
Verkehrsachsen
Brig
MesolciRegionaler Kontext
Von Altdorf bis Zug
Zwischen ländlichen Der Vierwaldstättersee verbindet die Kantone Luzern, Obwalden, Nidwalden, Schwyz und Uri.
und städtischen Zug, der flächenmässig kleinste Kanton der Region, komplettiert das Sextett der Zentralschweizer
Gebieten Kantone. Wie die Schweiz profitieren die Kantone der Region von ihrer zentralen Lage. Die Nähe
zum Grossraum Zürich sowie zur Natur und idyllischen Landschaften sorgen für eine hohe Le-
bensqualität in vielen Gemeinden der Zentralschweiz. Der urbane Charakter der Städte Zug und
Luzern steht im Gegensatz zu den Alpenregionen in Uri, Ob- und Nidwalden und der voralpinen
Hochtallandschaft des Kantons Schwyz, die einen vorwiegend ländlichen Charakter aufweisen.
Zentralschweiz Heterogen ist die Zentralschweiz auch aus wirtschaftlicher Sicht. Abgesehen von ihrer Ausrichtung
wirtschaftlich auf den Tourismus unterscheiden sich die zentralschweizerischen Kantone in Bezug auf ihre Wirt-
heterogen schaftsstruktur relativ stark. Der Kanton Luzern steht sinnbildlich für diese Heterogenität. Die
Stadt Luzern ist ein wichtiger Standort für unternehmensbezogene Dienstleistungen, die für einen
grossen Teil der Wirtschaftsleistung in der gesamten Region verantwortlich sind und damit den
gesamten Wirtschaftsraum anregen. Auf der anderen Seite ist der Landwirtschaftssektor in den
ländlichen Regionen, etwa in Willisau und im Entlebuch, ein bedeutender Arbeitgeber im Kanton.
Gewisse Stabilität in Die Zentralschweiz erwirtschaftet rund 9% der nationalen Wirtschaftsleistung. Auch wenn die Re-
turbulenten Zeiten gion nicht unmittelbar ans Ausland grenzt, ist die lokale Wirtschaft durch die Aufwertung des
Schweizer Frankens stark unter Druck gekommen. Insbesondere die exportorientierten Unterneh-
men und die Tourismusbranche, die in der Region relativ bedeutsam ist, bekamen die Franken-
stärke zu spüren. Gleichzeitig blieben kapitalintensive Tätigkeiten von der Aufwertung des Schwei-
zer Frankens weitestgehend verschont und verhalfen damit zu einer relativ raschen Erholung der
Zentralschweizer Wirtschaft (vgl. Abb.). Stabilisierende Wirkung hatte zudem das vergleichsweise
tiefe Steuerniveau. Der Standort bleibt attraktiv für Unternehmen, was sich nicht zuletzt in einer
überdurchschnittlichen Beschäftigungsentwicklung nach dem Frankenschock bemerkbar machte.
Regionale und Um die wirtschaftlichen Entwicklungen regional erfassen zu können, fokussieren wir uns neben
kantonale Indikatoren der kantonalen Ebene auch auf die Ebene der Wirtschaftsregionen. Diese wurden auf der Basis
im Überblick von wirtschaftlichen Zusammenhängen erstellt und entsprechen nicht unbedingt den politischen
Grenzen. So wird etwa die Obwaldner «Exklave» Engelberg gemeinsam mit Nidwalden zur Wirt-
schaftsregion Nidwalden/Engelberg zusammengefasst. Die wichtigsten wirtschaftlichen Indikato-
ren zu den betrachteten Kantonen und Wirtschaftsregionen sind in übersichtlichen Kantonsprofilen
zusammengefasst (vgl. S. 36 – 41).
Relativ rasche Erholung nach turbulenten Zeiten Zentralschweiz: ein Zehntel der nationalen Wirtschaftsleistung
Bruttoinlandprodukt zu laufenden Preisen, Index: 2008 = 100 Bruttoinlandprodukt zu laufenden Preisen (links; 2016) und Beschäftigungszahl
(rechts; 2017), Anteile am Schweizer Total in %
110
Zentralschweiz Schweiz 5% 4%
9% 10%
108 12% 13%
106 19% 19%
104
21% 20%
102
100 20% 21%
14% 13%
98
96
Zentralschweiz Genferseeregion Espace Mittelland Nordwestschweiz
94
Zürich Ostschweiz Tessin
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Quelle: Credit Suisse, Bundesamt für Statistik Quelle: Credit Suisse, Bundesamt für Statistik
Swiss Economics | Dezember 2019 7Wirtschaft – Standortqualität
Ein Trumpf im Standort-
wettbewerb schwindet
Die Zentralschweizer Kantone sind für Unternehmen im kantonalen Vergleich steuerlich
sehr attraktiv. Infolge der Unternehmenssteuerreform reduziert sich der relative Vorteil
aber deutlich. Im Standortwettbewerb um Unternehmen erstarkt die Konkurrenz
insbesondere aus den beiden Basel sowie aus Genf, die vor allem im Vergleich zu den
periphereren Regionen der Zentralschweiz zusätzlich eine hohe Erreichbarkeit und
bessere Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften bieten.
Standortqualität Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Standorts bestimmen die langfristige Entwicklung
als Basis für von Wertschöpfung und Wohlstand. An attraktiven Orten siedeln sich neue Unternehmen an, und
Wohlstand bereits ansässige Firmen investieren stärker als in weniger attraktiven Gebieten. Neben den un-
veränderbaren natürlichen Voraussetzungen zählen staatliche Regulierungen, die Verfügbarkeit
von Arbeitskräften und das Geschäftsumfeld zu den zentralen Kriterien der Standortqualität.
Sieben «harte» Um die Attraktivität der Schweizer Regionen und Kantone aus Unternehmersicht zu messen, ha-
Kriterien ben wir einen Standortqualitätsindikator (SQI) entwickelt.1 Dieser stellt die Attraktivität eines Ge-
biets in Form eines relativen Index dar und basiert auf den folgenden sieben quantitativen Teilindi-
katoren: Steuerbelastung von natürlichen und juristischen Personen, Verfügbarkeit von Hochquali-
fizierten und Fachkräften sowie Erreichbarkeit der Bevölkerung, der Beschäftigten und von Flug-
häfen. Landpreise und Lohnkosten fliessen nicht ein, da sie in gewissem Sinne nichts anderes als
das Spiegelbild der Attraktivität sind. Die touristische Attraktivität einer Region orientiert sich an
anderen Kriterien als die Standortgunst für Unternehmen. Solche Merkmale können auch nur be-
dingt quantitativ erfasst werden, weshalb wir sie im SQI bewusst nicht berücksichtigen.
Attraktive Rahmen- Neben Basel-Stadt, Zürich und Aargau bietet auch die Zentralschweiz Unternehmen eine hohe
bedingungen in Standortqualität (vgl. Abb.). Der Kanton Zug stand seit Beginn der Standortqualitätsanalyse 1997
weiten Teilen der unangefochten an der Spitze des Kantonsrankings. Durch die deutliche Senkung der Gewinnsteu-
Zentralschweiz erbelastung auf 13.04% rückwirkend per Anfang Jahr konnte der Kanton Basel-Stadt jedoch von
Rang 4 vorrücken und sich 2019 knapp vor Zug auf dem Spitzenplatz positionieren. Nidwalden,
Schwyz und Luzern belegen Rang 5 bis 7 und liegen damit deutlich über dem Schweizer Mittel,
während der Kanton Obwalden eine durchschnittliche Standortqualität bietet. Aufgrund
Hohe Standortqualität in weiten Teilen der Zentralschweiz Stadt/Land-Gefälle, nicht zuletzt bei Erreichbarkeit und Bildung
Standortqualität 2019, synthetischer Indikator, CH = 0 Standortqualität der Wirtschaftsregionen 2019, synthetischer Indikator, CH = 0
2.5
Basel Frauenfeld
BS ZG
Liestal
2.0
St.Gallen
Aarau Zürich Herisau
Delémont
1.5 ZH Appenzell
1.0 AG Solothurn
NW SZ LU Zug
0.5
VD
AR TG BL Luzern Glarus
OW SH GE Schweizer Mittel Schwyz
0
Bern Stans
Sarnen
-0.5 SG AI SO Altdorf
Chur
Fribourg
BE NE > 1.5
-1.0 UR 1.0 – 1.5
GL TI
FR 0.3 – 1.0
GR -0.3 – 0.3
-1.5 -1.0 – -0.3
-1.5 – -1.0
VS
-2.0 – -1.5
-2.0 JU < -2.0
Quelle: Credit Suisse Quelle: Credit Suisse, Geostat
1
Vgl.: «Standortqualität 2019: Basel-Stadt übernimmt vorerst den Spitzenplatz», Credit Suisse, Oktober 2019, Download
via www.credit-suisse.com/standortqualitaet.
8 Swiss Economics | Dezember 2019seiner anspruchsvollen Topografie erreicht der Kanton Uri als einziger Zentralschweizer Kanton
eine unterdurchschnittliche Platzierung. Im Vergleich zu anderen Gebirgskantonen, etwa Graubün-
den und Wallis, ist Uri jedoch klar attraktiver aufgestellt. Bei den 110 Schweizer Wirtschaftsregio-
nen (vgl. Karte auf S. 8) erreichen Lorzenebene/Ennetsee (Rang 2 hinter der Region Zürich-
Stadt) sowie March/Höfe (Rang 10) Top-Ten-Platzierungen. Die Regionen Zuger Berggemein-
den, Luzern, Sursee/Seetal sowie Nidwalden/Engelberg erreichen Platzierungen im oberen Vier-
tel (Ränge zwischen 12 und 26). Deutlich geringer fällt die Standortqualität im Entlebuch und in
Uri aus (Ränge 64 bzw. 67).
Unwegsames Die Qualität eines Standorts ist stark vom wirtschaftlichen Potenzial in seinem Einzugsgebiet ab-
Gelände als hängig. Produktionsseitig sind die meisten Unternehmen auf Zulieferer, Geschäftspartner und
Standortnachteil subsidiäre Dienstleister angewiesen. Auf der Verkaufsseite stehen entsprechend Absatzmärkte im
Vordergrund. Die Erreichbarkeit der Bevölkerung trägt diesem Punkt Rechnung. Aufgrund ihrer
Topografie schneiden die Gebirgskantone Uri, Obwalden und Nidwalden im Bereich Erreichbarkeit
unterdurchschnittlich ab. Schwyz, Luzern, und vor allem Zug erreichen bessere Werte, was auf
höhere Bevölkerungs- und Beschäftigungsdichten sowie kürzere Wege in die Ballungszentren so-
wie an den Flughafen Zürich zurückzuführen ist.
Investitionen in die Mit der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels Ende 2020 rückt die Schweiz nochmals etwas näher
Verkehrsinfrastruktur zusammen. In Erwartung eines höheren Verkehrsaufkommens hat der Kanton Uri 2019 mit dem
Bau eines neuen Kantonsbahnhofs in Altdorf begonnen. Ende 2021 soll der Bahnhof fertiggestellt
werden und sogleich zur zentralen Drehscheibe des öffentlichen Verkehrs am Gotthard werden.
Die Reisezeiten ins Tessin bleiben jedoch zu lang, als dass sich dies künftig gross im SQI nieder-
schlagen dürfte. Im Kanton Luzern dürfte die Autobahnumfahrung Bypass langfristig für positive
Impulse sorgen. Bis 2030 soll das Grossprojekt in die Tat umgesetzt werden und den nördlichen
Teil der Stadt Luzern besser in das nationale Strassennetz einbinden. Noch weiter in der Zukunft,
voraussichtlich ab 2040, könnte der Luzerner Durchgangsbahnhof die Reisezeiten nach Zürich so-
wie nach Osten und Westen verkürzen. Auch im Regionalverkehr würden dadurch neue und
schnellere Verbindungen ermöglicht.
Grosse Grosse Unterschiede gibt es in der Zentralschweiz bei der Verfügbarkeit von Hochqualifizierten.
Unterschiede bei Arbeitskräfte mit tertiärem Abschluss sind in Uri und Obwalden mit Anteilen von 25% bzw. 32%
Verfügbarkeit von vergleichsweise rar. Der Kanton Zug hingegen verfügt mit 48% schweizweit über die höchste
Hochqualifizierten Dichte an Hochqualifizierten. Die städtischen Zentren, insbesondere die Stadt Zürich mit 55%,
weisen jedoch einen noch grösseren Pool an Personen mit Tertiärabschluss auf (vgl. S. 12).
Faktoren der Standortqualität
Synthetische Indikatoren, 2019
Kanton Zug
SQI: 2.05
Rang 2/26 Kantone
Erreichbarkeit der Bevölkerung
Erreichbarkeit der Beschäftigten
Erreichbarkeit von Flughäfen
Kanton Nidwalden Kanton Schwyz Kanton Luzern
SQI: 0.61 SQI: 0.59 SQI: 0.54
Rang 5/26 Kantone Rang 6/26 Kantone Rang 7/26 Kantone
Verfügbarkeit von
Hochqualifizierten
Verfügbarkeit von
Fachkräften
Steuerliche Attraktivität
für juristische Personen
Steuerliche Attraktivität Kanton Obwalden Kanton Uri Kanton Zürich
für natürliche Personen SQI: 0.04 SQI: -0.83 SQI: 1.35
Rang 12/26 Kantone Rang 20/26 Kantone Rang 3/26 Kantone
Schweizer Mittel
Quelle: Credit Suisse
Swiss Economics | Dezember 2019 9Bei der Verfügbarkeit von Fachkräften schneidet in der Zentralschweiz der Kanton Zug ebenfalls
am besten ab: 89% aller Arbeitskräfte verfügen zumindest über ein sekundäres Bildungsdiplom.
Auch in Sursee/Seetal, March/Höfe und Luzern liegt die Quote mit 85% bis 86% über dem
Schweizer Durchschnitt von 83%. Nur im Entlebuch und in Uri ist sie unterdurchschnittlich (81%
bzw. 79%).
Hohe steuerliche Die Zentralschweiz ist steuerlich sehr attraktiv, sowohl für Privatpersonen als auch für Unterneh-
Attraktivität für men. Bei den Privatpersonen bieten Zug, Schwyz, Nidwalden, Uri und Obwalden die tiefste Steu-
natürliche erbelastung. Auch im Kanton Luzern liegt sie unter dem Schweizer Mittel. Die Abbildung links
Personen… zeigt die Steuerbelastung ausgedrückt als Anteil des Bruttoeinkommens für ein kinderloses Ehe-
paar für verschiedene Einkommensklassen. Die Steuerbelastung liegt in den Zentralschweizer
Kantonen praktisch immer deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt. Mit Ausnahme der tiefsten
betrachteten Einkommen im Kanton Obwalden profitieren auch tiefe Einkommen von einem Steu-
ervorteil, auch wenn dieser in der Regel mit steigendem Einkommen zunimmt. Im Kanton Zug be-
zahlt ein Ehepaar mit einem Haushaltseinkommen von CHF 100'000 fast 7 Prozentpunkte weni-
ger Steuern als im Schweizer Mittel. Bei einem Einkommen von CHF 300'000 liegt der Steuer-
vorteil bei über 8 Prozentpunkten. In Luzern sind es je nach Einkommenskategorie 0.7 bis 2 Pro-
zentpunkte Steuervorteil.
Die beobachteten Unterschiede in der Steuerbelastung resultieren in erheblichen Frankenbeträgen
(vgl. Abb.). Ein Zuger Ehepaar mit einem Einkommen von CHF 100'000 müsste im Kanton Neu-
enburg etwa CHF 11'000 mehr Steuern entrichten, in Zürich wären es CHF 3900 mehr. Bei ei-
nem Einkommen von CHF 300'000 beträgt die Differenz gegenüber Neuenburg CHF 40'000
und gegenüber Zürich über CHF 15'000. Auch durch einen Umzug von Neuenburg nach Uri lässt
sich die Steuerlast deutlich reduzieren. Im Vergleich zu Zürich fallen dort für Einkommen um CHF
100'000 aber leicht höhere Steuern an. Für eine umfassende Beurteilung der finanziellen
Wohnattraktivität müssen allerdings nebst der Steuerbelastung weitere Faktoren, etwa die Wohn-
kosten, betrachtet werden – im entsprechenden Indikator der Credit Suisse liegt der Kanton Uri an
der Spitze (vgl. S. 29).
… und tiefe Unter- Auch für juristische Personen ist die Zentralschweiz steuerlich sehr attraktiv. Nidwalden weist seit
nehmenssteuern Jahren die tiefste Unternehmenssteuerbelastung auf. Luzern, Obwalden, Zug, Schwyz und Uri la-
gen im Steuerindex für Unternehmen 2018 ebenfalls weit vorne (Ränge 3, 4, 6, 7 und 9). Mit den
deutlichen Steuersenkungen per Anfang 2019 in Basel-Stadt und in der Waadt hat die Umset-
zung der vom Schweizer Volk am 19. Mai dieses Jahres angenommenen Unternehmenssteuerre-
form jedoch definitiv begonnen. Die privilegierte Besteuerung von Statusgesellschaften (Holding-,
Verwaltungs-, Domizilgesellschaften sowie gemischte Gesellschaften) wird 2020 abgeschafft. Um
die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu erhalten, werden auf Kantonsebene neue
Massnahmen zur Förderung innovativer Tätigkeiten eingeführt, die auch im Ausland anerkannt
sind (z.B. Patentbox, zusätzlicher Abzug für Forschung & Entwicklung, Zinsabzug auf Eigenkapi-
tal). In der Zentralschweiz sind Statusgesellschaften insbesondere in den Kantonen Zug und
Schwyz, aber auch in Nidwalden, Luzern und Obwalden von erheblicher Bedeutung. Diese Kan-
tone positionieren sich einerseits durch tiefe ordentliche Steuersätze, andererseits durch eine
Zentralschweiz steuerlich attraktiv für alle Einkommensklassen Steuerreduktion durch einen Umzug in die Zentralschweiz
Steuerbelastung* in % des Bruttoeinkommens, nach Einkommensklassen, 2019, Abweichung zur mittleren Schweizer Steuerbelastung* in CHF, nach Einkommens-
Ehepaar ohne Kinder klasse, 2019, Ehepaar ohne Kinder
30% 20'000 Bruttoeinkommen (CHF) Steueraufschlag relativ
gestrichelte Linien = 50'000 zum Schweizer-Mittel
CH-Mittel der Einkommensklasse CHF 300'000 15'000 100'000 (CHF)
25% 150'000
10'000
200'000
CHF 250'000
5'000 250'000
20% 300'000
CHF 200'000 0
15% -5'000
CHF 150'000
-10'000
10%
-15'000
CHF 100'000
-20'000 Steuerersparnis relativ
5%
-25'000 zum Schweizer-Mittel
CHF 50'000 (CHF)
0% -30'000
BL
BL
SZ
SH
SZ
SH
CH
ZG
BE
JU
ZG
BE
JU
AI
AG
AR
BS
SG
AI
AG
AR
BS
SG
SO
SO
ZH
ZH
NE
NE
UR
TG
TI
UR
TG
TI
NW
OW
NW
OW
VS
VD
VS
VD
LU
GE
LU
GE
GR
FR
GR
FR
GL
GL
* Einkommens- und Vermögenssteuern auf Stufe Gemeinde, Kanton und Bund
Quelle: TaxWare, Credit Suisse Quelle: TaxWare, Credit Suisse
10 Swiss Economics | Dezember 2019attraktive Ausgestaltung der steuerpolitischen Massnahmen. So nutzen Obwalden, Schwyz und
Zug den gemäss Steuerreform zulässigen Spielraum bei den neuen Steuerinstrumenten voll aus.2
Ein Trumpf im Trotz der neu eingeführten Steuerprivilegien werden die Möglichkeiten, die Bemessungsgrundlage
Standortwettbewerb zu verringern, unter dem Strich kleiner. Zudem werden viele Unternehmen eher nicht von den ge-
schwindet planten neuen Steuerinstrumenten profitieren können. Um der Abwanderung von Statusgesell-
schaften entgegenzuwirken und im Steuerwettbewerb attraktiv zu bleiben, plant die Mehrheit der
Kantone deshalb eine Reduktion der ordentlichen Unternehmenssteuersätze (vgl. Abb.). Sofern
die Stimmberechtigten die Steuerstrategien denn bestätigen, werden die Karten im kantonalen
Wettbewerb um Unternehmen neu gemischt. Ein Trumpf der Zentralschweiz im Standortwettbe-
werb um Unternehmen wird kleiner.
Reform der Unter- Mit der Senkung der Unternehmenssteuern verändert sich eine von sieben Komponenten im
nehmenssteuern: Standortqualitätsranking in den nächsten Jahren deutlich. Basierend auf den von den Kantonsre-
Deutliche Aus- gierungen beabsichtigten Anpassungen bei der Unternehmensbesteuerung, die in vielen Fällen
wirkungen auf die schrittweise bis etwa 2025 implementiert würden, haben wir einen Ausblick auf die Standortquali-
Standortqualität tät im Jahre 2025 gewagt. Dafür haben wir den Standortqualitäts-Teilindikator «steuerliche Attrak-
tivität für juristische Personen» neu berechnet. Dieser misst die Belastung mit ordentlichen Ge-
winn- und Kapitalsteuern, nicht aber die geplante Ausgestaltung der neuen Steuerinstrumente.
Berücksichtigt wurden auch Veränderungen der Erreichbarkeitsindikatoren infolge der Fertigstel-
lung der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) bis 2020.
SQI 2025: ZG ab In diesem hypothetischen Standortqualitätsindikator für das Jahr 2025 steht der Kanton Zug wie-
2020 wieder an der der an der Spitze (vgl. Abb.). Mit der bereits auf Anfang 2020 in Kraft tretenden Senkung der Ge-
Spitze, Rangverluste winnsteuerbelastung auf rund 12% dürfte Zug den Kanton Basel-Stadt sogar bereits nächstes
für LU, OW, NW und Jahr wieder auf Rang 2 verweisen. Senkungen der Unternehmenssteuern erhöhen im Allgemei-
SZ nen die Standortqualität. Aufgrund der relativen Betrachtung können Kantone trotz Entlastungen
dennoch Ränge im Standortqualitätsindikator verlieren. Die heutigen Spitzenreiter bei den Unter-
nehmenssteuern werden ihres relativen Vorteils zumindest teilweise beraubt, weil die Unterschiede
insgesamt geringer werden und sich einige Kantone steuerlich gar noch attraktiver positionieren
möchten. Der Kanton Genf strebt z.B. eine Reduktion der Gewinnsteuerbelastung auf 13.99% an
und würde ganze zehn Ränge gutmachen. Basel-Landschaft, heute auf Rang 11, zöge mit einer
geplanten Gewinnsteuerbelastung von 13.45% unter anderem an Nidwalden, Schwyz und Luzern
vorbei auf Rang 5. Mit Ausnahme von Zug und Uri, sinkt der Indikatorwert für alle Zentralschwei-
zer Kantone. Die stärksten Rangverluste der Zentralschweiz – ganze drei Plätze – würden Obwal-
den und Luzern erleiden.
Tiefste Unternehmenssteuern voraussichtlich in Nidwalden und Standortqualität 2025: Die meisten Zentralschweizer Kantone verlie-
Zug, doch das Feld rückt zusammen ren an Attraktivität
Gesamtbelastung* in % des Reingewinns, 2019, sowie unter Berücksichtigung der Standortqualität, synthetischer Indikator, CH = 0, 2019, und bei Neuberechnung der
von den Kantonsregierungen bereits kommunizierten Anpassungen bei der Unterneh- Teilindikatoren der Erreichbarkeit sowie der Steuerbelastung für juristische Personen
mensbesteuerung (Stand 5. September 2019)
Durchschnittliche Gesamtbelastung: Angekündigte ungefähre 2.5
25% ZG
2019 Steuersatzreduktion BS
nach STAF 2.0
2019 2025
1.5 ZH
20%
GE
1.0
BL
AG NW SZ
15% SH LU
0.5
TG
VD Schweizer Mittel
0
10% AR SO
OW SG
-0.5 AI
FR
-1.0 NE UR GL
5% TI
BE
GR
-1.5
JU
VS
0% -2.0
CH
JU
BE
AI
AR
BS
SG
AG
BL
SO
SH
SZ
ZH
NE
ZG
TG
TI
NW
OW
UR
LU
VD
FR
GR
VS
GL
GE
-2.5
* Durchschnittliche effektive Belastung durch Gewinn- und Kapitalsteuern für eine Quelle: Credit Suisse
Kapitalgesellschaft mit einem Kapital von CHF 2 Mio. und einem Reingewinn zwi-
schen CHF 80'000 und CHF 1'040'000
Quelle: TaxWare, BDO, Credit Suisse
2
Vgl.: «Standortqualität 2019: Basel-Stadt übernimmt vorerst den Spitzenplatz», Credit Suisse, Oktober 2019, Download
via www.credit-suisse.com/standortqualitaet.
Swiss Economics | Dezember 2019 11Wirtschaft – Standortqualität
Tiefe Steuerbelastung in allen Zentralschweizer Kantonen Kantonale Steuerindizes für natürliche und juristische Personen
Entwicklung der Steuerbelastung* 2018 – 2019, synthetische Indizes, CH = 100
Alle Steuersubjekte profitieren in den Zentralschweizer Kan- 140
jur. Personen: tief hoch für alle
Steuerbelastung der natürlichen Personen
NE
tonen von einer tiefen Steuerbelastung. Allerdings rückt das
NE
130 nat. Personen: hoch Steuersubjekte
Feld bei den Unternehmenssteuern angesichts der in diver- 120
VD VD
FR JU
sen Kantonen geplanten Reduktionen näher zusammen.
FR
110 VS BE JU
BL BE
VS
BL GE
GE
Auch im internationalen Vergleich ist die Zentralschweiz 100
BS BS
SH SO
steuerlich sehr attraktiv, nur einzelne Niedrig- oder Nullsteu- SH SO
AR AR SG
SG TI TI
90 AG TG GR 2018
erländer sind steuerlich noch besser positioniert. Sorgen be- LU
LU AG
TG GL
GL
GR
2019
80
reiten dürften jedoch auch in der Zentralschweiz die jüngsten OW
AI AI ZH ZH
70 OW UR UR
Pläne der OECD, wonach multinationale Konzerne in Zu- NW
NW
SZ
60 tief für alle SZ
kunft nicht mehr am Unternehmenshauptsitz besteuert wür- jur. Personen: hoch
Steuersubjekte ZG nat. Personen: tief
den, sondern dort, wo sie Umsatz machen. Der Zeitplan für 50 ZG
50 60 70 80 90 100 110 120 130 140
die Umsetzung ist allerdings noch offen. Steuerbelastung der juristischen Personen
* Natürliche Personen: Einkommens- und Vermögenssteuern, juristische Personen: Gewinn- und Ka-
pitalsteuern
Quelle: TaxWare, Credit Suisse
Stadt/Land-Gefälle bei den Hochqualifizierten Anteil der Personen mit einer Tertiärausbildung
Anteil der Personen im Erwerbsalter mit einer Tertiärausbildung, 2013 – 2017, in %
Der Bildungsstand hat in der Schweiz in den letzten Jahren 43% – 55%
Schaffhausen
stetig zugenommen – die regionalen Unterschiede bleiben 39% – 43%
35% – 39%
Basel
Liestal
Frauenfeld
aber beträchtlich. In der Zentralschweiz erreichen einzig die 31% – 35%
27% – 31% Delémont
Aarau Zürich Herisau
St.Gallen
Appenzell
Zuger Regionen eine überdurchschnittliche Verfügbarkeit an 23% – 27%
21% – 23% Solothurn
Zug
Fachkräften mit höherer Berufs- oder Hochschulausbildung. Neuchâtel
Luzern
Schwyz
Glarus
In den Regionen Luzern und March/Höfe ist sie durch- Bern Stans
Sarnen Altdorf Chur
schnittlich. Wissensgetriebene Industrie- und Dienstleis-
Fribourg
tungsunternehmen sind auf qualifizierte Arbeitskräfte ange- Lausanne
wiesen. In den ländlicheren Regionen ist das Angebot an
Stellen für Hochqualifizierte begrenzt, was zur Abwanderung Genève Sion
Bellinzona
dieser Fachkräfte führen und die Ansiedlung von wissensin-
tensiven Unternehmen erschweren kann.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Geostat, Credit Suisse
Die Schweiz ist wettbewerbsfähig, aber die Konkurrenz holt auf Attraktivität für Unternehmen im Ländervergleich
Ranglisten der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gemäss WEF, EIU, und Welt-
bank, geordnet nach dem Ranking des WEF
In zahlreichen globalen Ranglisten positioniert sich die 100
Global Competitiveness Index 2019 (WEF)
Schweiz unter den attraktivsten Wirtschaftsstandorten. 90
Business Environment Ranking 2019-2023 (EIU)
80
Gleichwohl ist ein leichter Abwärtstrend erkennbar. Die Doing Business 2019 (WB)
70
Schweiz hat etwa im diesjährigen Ranking des Weltwirt- 60
schaftsforums gegenüber dem Vorjahr einen Rang verloren, 50
im Ranking der Weltbank sogar fünf Ränge (neu Rang 5 40
bzw. 38). Moniert werden insbesondere mangelnde Marktef- 30
20
fizienz aufgrund von Handelsbarrieren sowie die hohe Kom-
10
plexität des Schweizer Tarifsystems. Zu den Stärken der 0
Schweiz zählen traditionell die politische Stabilität, hochste-
Malaysia
Schweden
Taiwan
Österrreich
Belgien
UK
Dänemark
Finnland
Chile
Australien
Irland
Katar
USA
Deutschland
China
Griechenland
Singapur
Schweiz
Hongkong
Frankreich
Niederlande
Kanada
Neuseeland
Spanien
Norwegen
Italien
hende Infrastrukturen und Bildungsinstitutionen sowie ge-
sunde öffentliche Finanzen. Positiv stimmen dürfte auch die
hohe Innovationskraft, die der Schweiz attestiert wird.
Quelle: World Economic Forum (WEF), Economist Intelligence Unit (EIU), Weltbank
(WB)
12 Swiss Economics | Dezember 2019Wirtschaft – Finanzkraft
Zentralschweizer Finanzstärke
Ressourcenpotenzial Ein finanzstarker Kanton ist langfristig erfolgreich – und anhaltender Erfolg ist Ausdruck einer ho-
als Indikator für hen Wettbewerbsfähigkeit im Kampf um finanzkräftige Steuerzahler. Ein guter Massstab, um die
Finanzstärke absolute Finanzstärke von Kantonen möglichst einfach zu messen, ist das Ressourcenpotenzial,
das im Rahmen des nationalen Finanzausgleichs (NFA) erarbeitet wird. Das Ressourcenpotenzial
errechnet sich aus der Summe der steuerbaren Einkommen und steuerbaren Vermögen von na-
türlichen Personen sowie der steuerbaren Gewinne von Unternehmen. Entscheidend dabei ist,
was ein Kanton besteuern könnte – nicht aber, wie hoch seine Steuereinnahmen tatsächlich sind.
Ein Anstieg des Durchschnittsvermögens führt also zu einer Zunahme des Ressourcenpotenzials
pro Einwohner. Kantone mit vergleichsweise hohem Ressourcenpotenzial pro Einwohner gelten im
System des Finanzausgleichs als Geberkantone, die über den Ressourcenausgleich die wirtschaft-
lich schwächeren Kantone finanziell unterstützen (für Erklärungen siehe Textbox auf S. 14).
Zug, Schwyz und Weil Zug, Schwyz und Nidwalden die höchsten Durchschnittsvermögen der Schweiz haben, über-
Nidwalden sind die rascht es kaum, dass alle drei Zentralschweizer Kantone hohe Pro-Kopf-Ressourcenpotenziale
finanzstärksten aufweisen und entsprechend hohe Beiträge im Rahmen des Ressourcenausgleichs zahlen müs-
Kantone sen. Das höchste Ressourcenpotenzial pro Einwohner weist der Kanton Zug auf, der das Feld seit
2008 ununterbrochen anführt. Die Finanzstärke von Zug äussert sich in einer voraussichtlichen
Pro-Kopf-Belastung der Einwohner von CHF 2'676 für das Jahr 20203. Schwyzer und Nidwald-
ner dürften 2020 im Durchschnitt CHF 1'454 und CHF 1'037 an ressourcenschwache Kantone
zahlen müssen. Bemerkenswert ist die Entwicklung des Kantons Schwyz, der im Jahr 2008 noch
hinter finanzstarken Kantonen wie Basel-Stadt, Zürich oder Genf anzutreffen war, diese heute
aber hinter sich gelassen hat.
Der Wandel Wie eindrücklich die Entwicklung im Kanton Schwyz auch ist, die augenscheinlichste Transforma-
Obwaldens zum tion vollzog sich im Kanton Obwalden. Seit 2008 hat sich Obwalden vom finanziell zweitschwächs-
Geberkanton ten Nehmerkanton – nur Uri war im Jahr 2008 finanzschwächer – zu einem Geberkanton gemau-
sert. Der Aufstieg des kleinen Kantons legt die Vermutung nahe, dass der Grund bei der imple-
mentierten Steueroffensive zu suchen ist. Tatsächlich übte das milde Steuerklima eine derart hohe
Anziehungskraft aus, dass wohlhabende Einwohner und Firmen in den Kanton Obwalden zogen.
Im Ressourcenausgleich 2020 dürften die Obwaldner im Durchschnitt CHF 276 an ressourcen-
schwächere Kantone zahlen müssen, nach CHF 43 und CHF 356 in den Jahren 2018 und 2019.
Obwalden auf der Überholspur Innerschweizer Kantone mit dynamischer Finanzkraftentwicklung
Ein- bzw. Auszahlungen im Ressourcenausgleich in Franken pro Einwohner. Negative Ressourcenpotenzial pro Einwohner der Zentralschweizer Kantone im Vergleich zum
Werte = Kanton erhält Geld; positive Werte = Kanton muss einzahlen Schweizer Durchschnitt, Index 2008 = 100
3’000 250
ZG
2’000 225
NW 200
1’000 GE
OW 175
BL AI LU GR AG FR BE UR VS
0
SZ BS ZH VD TI 150
SH
-1’000 NE
AR SG 125
TG
SO
GL 100
-2’000
JU
75
-3’000
2020 2008 50
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
LU UR SZ OW NW ZG CH
Quelle: Credit Suisse, Eidgenössische Finanzverwaltung Quelle: Credit Suisse, Eidgenössische Finanzverwaltung
3
Der Bericht zum Ressourcen-, Lasten- und Härteausgleich 2020 wurde den Kantonen zur Stellungnahme unterbreitet. Aufgrund der
Anhörung sind Änderungen in den Zahlen möglich.
Swiss Economics | Dezember 2019 13Uri und Luzern Auch die restlichen zwei Zentralschweizer Kantone haben seit 2008 auffällig stark zugelegt. Das
runden die positive damalige Schlusslicht Uri hat mittlerweile die rote Laterne abgegeben und weist höhere Ressour-
Entwicklung der cenpotenzial-Wachstumsraten auf als der gesamtschweizerische Durchschnitt (vgl. S. 13). Inte-
Zentralschweiz ab ressant ist auch die Entwicklung des Kantons Luzern, der zwischen 2010 und 2012 seine Unter-
nehmensgewinnsteuern stark reduzierte. Zwar wird Luzern 2020 noch immer ein Nehmerkanton
sein, doch auch hier hat die Tiefsteuerstrategie die Finanzkraft deutlich verbessert.
Entwicklung in Eine höhere Finanzstärke führt bei den betroffenen Kantonen zwangsläufig zu Einbussen im Res-
Zentralschweiz hat sourcenausgleich. Geberkantone zahlen bei überdurchschnittlicher Zunahme der Finanzstärke
Implikationen für Rest mehr ein, Nehmerkantone beziehen weniger. Die rasante Entwicklung der Zentralschweiz hat aber
auch Implikationen für die anderen Kantone. Durch die Verbesserung der Finanzkraft in dieser Re-
gion ist die Differenz zu den anderen Kantonen angestiegen. Daraus folgt, dass manche Nehmer-
kantone trotz grösserer Finanzstärke nun trotzdem mehr Beiträge erhalten als zu finanzschwäche-
ren Zeiten. Basel-Landschaft gehörte 2015 beispielsweise zu den Geberkantonen und wird im
Jahr 2020 zu den Nehmerkantonen gehören, obschon sich das Ressourcenpotenzial pro Einwoh-
ner im Jahresvergleich vergrösserte.
Relative Position Dieser Vergleich zeigt auf eindrückliche Art und Weise, dass der Ressourcenausgleich bzw. der
massgebend darauf aufbauende Finanzausgleich auf relativen Werten basiert. Kantone mit überdurchschnittli-
cher Finanzkraft müssen einzahlen, die anderen werden unterstützt. Würden alle Kantone eine
Verdoppelung ihres Ressourcenpotenzials verzeichnen, gäbe es nach wie vor Geber- und Neh-
merkantone.
Durch den Ressourcenausgleich werden Kantone mit unterdurchschnittlichen eigenen Res-
sourcen – sogenannte ressourcenschwache Kantone – mit ausreichend zur Verfügung stehen-
den Finanzmitteln unterstützt. Für die Finanzierung kommen der Bund (vertikaler Ressourcen-
ausgleich) und die ressourcenstarken Kantone (horizontaler Ressourcenausgleich) auf. Die
Ausgleichsleistungen an die Nehmerkantone dürften 2020 um 1.7% gegenüber dem Vorjahr
zulegen, was einer Umverteilung von insgesamt CHF 4.3 Mrd. entspricht. Diese Zahlung wird
zu 60% durch den Bund und zu 40% durch die ressourcenstarken Kantone Zug, Schwyz,
Nidwalden, Basel-Stadt, Genf, Zürich und Obwalden entrichtet. Als Grundlage für den Res-
sourcenausgleich 2020 dienten die steuerlichen Bemessungsjahre 2014, 2015 und 2016.
Setzt man das Ressourcenpotenzial pro Einwohner ins Verhältnis zum schweizerischen Mit-
tel, resultiert daraus der Ressourcenindex. Der Ressourcenindex ist eine Kennzahl, die über
die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit eines Kantons im Vergleich zum Schweizer
Durchschnitt informiert. Daher dient der Index einerseits zur Bestimmung der Nehmer- bzw.
Geberkantone und andererseits zur Bestimmung der Höhe der Ausgleichszahlungen. Da die
Punktzahl 100 im Ressourcenindex gleichbedeutend mit dem schweizerischen Mittel ist, gilt ein
Kanton mit einer Punktzahl von über 100 als Geberkanton. Analog klassifiziert sich ein Kanton
mit weniger als 100 Punkten als Nehmerkanton im Ressourcenausgleich. Zug erreicht mit ei-
ner Punktzahl von 249.7 im Jahr 2020 den Höchstwert im Ressourcenindex, gefolgt von
Schwyz (181.3 Punkte) und Nidwalden (158.0 Punkte). Die Schlusslichter bilden die Kantone
Jura (64.9 Punkte) und Wallis (65.4 Punkte). Je höher die Differenz zum schweizerischen Mit-
tel ist, desto höher ist der Ein- bzw. Auszahlungsbetrag des jeweiligen Kantons.
Der Ressourcenausgleich wird durch den Lastenausgleich (geografisch-topografische
Sonderlasten) und den Härteausgleich (Abmilderung von finanziellen Einbussen bei der Um-
stellung auf den neuen Finanzausgleich) ergänzt. Die Kombination aus allen drei Gefässen be-
stimmt den Zahlungsumfang im Nationalen Finanzausgleich (NFA), wobei angemerkt werden
muss, dass der Ressourcenausgleich das weitaus wichtigste System darstellt.
14 Swiss Economics | Dezember 2019Wirtschaft – Unternehmen und Branchenstruktur
Stellenwachstum, Firmen-
gründungen: Zug liegt vorne
Die Zentralschweiz verzeichnete in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches
Beschäftigungswachstum. Besonders dynamisch zeigte sich dabei die Zuger Wirtschaft.
Diese sticht durch eine hohe Produktivität und eine hohe Startup-Konzentration hervor.
Landwirtschaft Die Wirtschaftsstruktur einer Region ist von zentraler Bedeutung für ihr Leistungspotenzial. Die
vielerorts noch Zentralschweiz bildet in dieser Hinsicht bei weitem keine homogene Einheit. Je nach Kanton und
prägend, Industrie in Gegend variiert der Branchenmix zum Teil stark (vgl. Abb.). Vielerorts ist die Landwirtschaft noch
UR, OW und NW stark überdurchschnittlich stark vertreten, wie etwa im Entlebuch oder in der Region Willisau, wo sie
vertreten Ende 2017 über 20% bzw. über 10% der Gesamtbeschäftigung ausmachte. In den Kantonen
Uri, Obwalden und Nidwalden haben zudem die Hotellerie/Gastronomie und die Industrie ein
überdurchschnittlich hohes Gewicht. Während in Uri der industrielle Fokus vorwiegend auf der
Metall- und der Kunststoffverarbeitung liegt, dominieren in Obwalden die Elektrotechnik und die
Lebensmittelindustrie und in Nidwalden der Flugzeugbau. Auch in den ländlicheren Regionen der
Kantone Luzern und Schwyz sind Industrie- und Tourismusbetriebe wichtige Arbeitgeber.
Überdurchschnittlich In den urbanen Zentren von Luzern und Zug dominiert der Dienstleistungssektor. Über ein Viertel
grosser Tertiärsektor aller Stellen in der Region Luzern fallen auf administrative und soziale Dienste wie das Gesund-
im Kanton Zug und in heits- und Unterrichtswesen sowie die öffentliche Verwaltung. Auch der Grosshandel gehört dort
der Region Luzern zu den wichtigsten Branchen. Im Kanton Zug stellt Letzterer sogar den beschäftigungsmässig
grössten Wirtschaftszweig dar. Auch Unternehmens- (Berater, Personalvermittler, Hauptsitztätig-
keiten), IT- und Finanzdienstleister sind in Zug überproportional vertreten – ähnlich wie in der Re-
gion March/Höfe rund um Freienbach SZ. Als deindustrialisiert kann man den Kanton Zug aller-
dings nicht bezeichnen. Mit einem Beschäftigungsanteil von über 6% stellt die Elektronik- und
Präzisionsinstrumentenindustrie, welche auch die Medizintechnik umfasst, die zweitgrösste Bran-
che im Kanton dar. In einem Punkt zeigt sich die Zentralschweiz indes relativ homogen: die hohe
Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden (KMU).
Mit Ausnahme der Region Luzern stellen KMU überall mehr als drei Viertel aller Arbeitsplätze, weit
über dem Schweizer Durchschnitt von rund zwei Dritteln. Im Entlebuch und in den Zuger Bergge-
meinden betrug der KMU-Anteil 2017 sogar 100%.
Produktivität nur in Was die Produktivität der Wirtschaft anbelangt, verzeichnet der Kanton Zug mit seinem Fokus auf
BS höher als in ZG besonders wertschöpfungsintensiven Branchen wie Grosshandel, Medizintechnik und Finanz-
dienstleistungen schweizweit den zweithöchsten Wert (vgl. Abb.). Pro Vollzeitstelle wurde
Regionale Unterschiede in der Branchenstruktur Zuger Wirtschaft besonders wertschöpfungsintensiv
Anteil an der Gesamtbeschäftigung (Vollzeitäquivalente), in %, 2017 Bruttowertschöpfung pro Vollzeitstelle, in CHF, 2016
250’000
LU 5% 17% 10% 13% 23% 14% 18%
UR 6% 21% 13% 9% 22% 10% 19%
200’000
SZ 4% 17% 12% 14% 19% 15% 18%
OW 6% 25% 13% 9% 18% 10% 19% 150’000
NW 4% 25% 9% 13% 18% 14% 18%
ZG 1% 15% 7% 20% 15% 22% 20% 100’000
CH 3% 16% 8% 13% 24% 15% 21%
50’000
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Landwirtschaft Industrie/Energie
Baugewerbe Handel und Verkauf
0
Administrative und soziale Dienste Unternehmensdienstleistungen
NW
OW
NE
FR
UR
VD
VS
LU
JU
GL
BL
GE
BE
GR
BS
TI
SG
TG
AG
AR
SZ
ZG
SH
ZH
CH
SO
AI
Sonstige Dienstleistungen
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
Swiss Economics | Dezember 2019 152016 eine Wertschöpfung von rund CHF 207'400 erwirtschaftet. Nur im Kanton Basel-Stadt ist
die Bruttowertschöpfung pro Beschäftigten dank der gewichtigen Pharmaindustrie noch höher. Im
Kanton Nidwalden lag die Produktivität 2016 mit CHF 157'600 insgesamt ungefähr im Schweizer
Durchschnitt. Unter dem Einfluss des Fahrzeugbaus weist allerdings der Nidwaldner Sekundär-
sektor eine im nationalen Vergleich überdurchschnittliche Produktivität auf. Für die anderen Zent-
ralschweizer Kantone fällt die Bilanz hingegen nüchterner aus.
Absolut am meisten Diese Wirtschaftsstruktur ist Ergebnis eines jahre-, sogar jahrzehntelangen, Strukturwandels mit
neue Stellen in LU, wachsenden und schrumpfenden Branchen. Zwischen 2012 und 2017 wurden in der ganzen
Wachstum in ZG pro- Zentralschweiz insgesamt fast 26'000 neue Vollzeitstellen geschaffen, was einem Beschäfti-
zentual am stärksten gungswachstum von über 7% entspricht. Damit gehört die Region mit dem Genferseeraum zu den
dynamischsten der ganzen Schweiz. Alle Zentralschweizer Kantone und Wirtschaftsregionen re-
gistrierten in diesem Zeitraum eine positive Beschäftigungsentwicklung. Absolut sind die meisten
Stellen im Kanton Luzern entstanden, mit einem Plus von rund 11'500 (+6.5%). Prozentual war
das Wachstum mit knapp 10% im Kanton Zug am stärksten, gefolgt vom Kanton Schwyz mit 8%
(vgl. Abb.). Diese Dynamik widerspiegelt nicht zuletzt die günstigen Rahmenbedingungen, welche
Unternehmen in Zug, aber auch in der Zentralschweiz allgemein vorfinden (vgl. Kapitel «Standort-
qualität» auf S. 8).
Eine relativ krisen- Über die ganze Zentralschweiz hinweg verzeichneten zwischen 2012 und 2017 die Landwirtschaft
resistente Industrie und die Industrie Beschäftigungsrückgänge, welche jedoch durch die Zuwächse in den anderen
Sektoren, allen voran bei Unternehmensdienstleistern und im öffentlichen Sektor, mehr als kom-
pensiert wurden. Mit einem Abbau von «nur» rund 300 Vollzeitstellen (–0.5%) zeigte sich die Zent-
ralschweizer Industrie in dieser von der Eurokrise und dem Frankenschock von 2015 geprägten
Zeit allerdings vergleichsweise krisenresistent. In der gleichen Periode gingen in der ganzen
Schweiz rund 29'000 Industriearbeitsplätze verloren (–4.5%). Diese Robustheit ist in erster Linie
auf weniger konjunktursensitive Hightech-Branchen – wie etwa den Flugzeugbau in Nidwalden,
die Elektrotechnik und die Chemie in Obwalden sowie die Medizintechnik und die Pharmaindustrie
in Zug – zurückzuführen, die in diesem Zeitraum Stellen aufbauen konnten. Die Schweizer und die
Zentralschweizer Industrie haben sich inzwischen vom Frankenschock erholt. Sie profitierten vom
starken Weltwirtschaftswachstum der beiden letzten Jahre, und auch die derzeitige Abkühlung der
globalen Konjunktur hat sich bisher kaum auf den Zentralschweizer Arbeitsmarkt ausgewirkt
(vgl. S. 18). Zwischen Ende 2017 und Mitte 2019 wurden im Zentralschweizer Sekundärsektor
(inkl. Bau und Energieversorgung) gemäss den aktuellsten verfügbaren Zahlen auf Ebene Gross-
region über 3000 Vollzeitstellen geschaffen. Auch im Dienstleistungssektor setzte sich das Be-
schäftigungswachstum bis Mitte 2019 fort.
Unternehmensdemo- Weitere Aussagen zur Wirtschaftsdynamik der Zentralschweizer Kantone nach 2017 erlauben die
grafie: Wachstum in Daten zu den Neueintragungen im Handelsregister und den Konkursen. Im Zeitraum von Ja-
ZG, Stabilität in OW, nuar 2018 bis September 2019 wurden in der Zentralschweiz insgesamt fast 10'700 neue Fir-
NW und UR men im Handelsregister eingetragen, während knapp 980 Unternehmen Konkurs gingen (ohne
Liquidationen wegen Organisationsmängeln). Wie ein Blick auf die rechte Abbildung unten zeigt,
weisen alle sechs Zentralschweizer Kantone eine im nationalen Vergleich unterdurchschnittliche
Dienstleistungssektor als Wachstumstreiber Konkursrate in allen sechs Kantonen unterdurchschnittlich
Beschäftigungswachstum 2012–2017, Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten Anzahl Konkurse* und Neueintragungen im Handelsregister im Zeitraum Ja-
nuar 2018–September 2019, im Verhältnis zum Bestand aktiver Firmen Ende 2017
10% Landwirtschaft 17% Durchschnitt CH
Wachstum Fluktuation
16%
8% Industrie/Energie VD GE
15%
14% ZG
6% Baugewerbe
Neueintragungen
LU ZH NE BS
13% SZ
4% Handel und Verkauf VS AG SO FR Durchschnitt CH
12% SH
AR BL
11% TG
2% Administrative und JU
GR BE SG TI
soziale Dienste 10%
AI
0% Unternehmens- UR
9%
dienstleistungen NW GL
OW
-2% Sonstige 8%
Stabilität Bereinigung
Dienstleistungen 7%
-4% Wachstum Total 0.4% 0.8% 1.2% 1.6% 2.0% 2.4% 2.8%
OW UR CH NW LU SZ ZG Konkurse
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: CRIF AG, Credit Suisse; *ohne Konkurse nach Art. 731b OR
16 Swiss Economics | Dezember 2019Konkursrate (gemessen am Bestand der aktiven Firmen Ende 2017) auf. Im Kanton Zug ist
gleichzeitig die Eintrittsrate überdurchschnittlich. Diese Konstellation deutet auf eine von Wachs-
tum geprägte Unternehmenslandschaft hin. Neueintragungen liegen in den Kantonen Luzern und
Schwyz in etwa im Schweizer Durchschnitt, während Obwalden, Nidwalden und Uri zu den Kanto-
nen mit den tiefsten Eintrittsraten gehören. In diesen Fällen kann man von Stabilität sprechen.
Konkurse vor allem Spannende Einblicke liefert auch eine Auswertung der Handelsregisterdaten nach Branchen. Bei
im Bau, im Handel den Konkursen 2018/2019 zeigt sich in den einzelnen Zentralschweizer Kantonen ein relativ ähn-
und in der Gastro- liches Muster. Die meisten konkursiten Unternehmen waren im Bau (Hochbau, Bauinstallation),
nomie im Grosshandel, im Detailhandel und in der Gastronomie tätig. Bei den Neueintragungen ist das
Bild weniger homogen. Zu den Top-5-Branchen auf Ebene Zentralschweiz gehören die Unterneh-
mensberatung/Hauptsitztätigkeiten, Finanzdienstleistungen, die IT-Branche, das Immobilienwesen
und der Grosshandel. Das Total wird dennoch stark von der Entwicklung im Kanton Zug geprägt,
auf den 40% der Neueintragungen in der Region fallen. In Luzern, Uri und Nidwalden sind relativ
viele der neu im Handelsregister eingetragenen Unternehmen indes Detailhändler. Auch im Aus-
baugewerbe werden vielerorts neue Firmen gegründet. In Uri liegen zudem Gastronomie- und Be-
herbergungsbetriebe ganz vorne bei den Neueintragungen.
Rund 5% der Unter diesen Neugründungen befinden sich auch sogenannte Startups. Bei einem Startup handelt
Schweizer Startups es sich vereinfacht gesagt um ein Jungunternehmen mit einem innovativen, wissenschafts- und
sind im Kanton Zug technologiebasierten Geschäftsmodell und hohem Wachstumspotenzial. Eine Auswertung der
zuhause Plattform Startupticker.ch aus dem Jahr 2018 zeigt, dass Startups in der ganzen Schweiz präsent
sind. Es lassen sich dennoch gewisse Cluster ausmachen (vgl. Abb.). Absolut gesehen sind die
meisten Startups im Kanton Zürich zuhause, gefolgt von der Waadt, Genf und Bern, wo sie unter
anderem von der Nähe zu den Eidg. Technischen Hochschulen und den Universitäten profitieren.
Der Kanton Zug folgt auf Rang 5 (Stichwörter Fintech, Crypto Valley). Gemessen an der Anzahl
pro Einwohner ist Zug aber bei weitem derjenige Kanton mit der höchsten Startup-Dichte. Im
Kanton Schwyz liegt diese Konzentration knapp über dem Schweizer Durchschnitt, in Obwalden
knapp darunter.
Steigende F&E- Die Ausgaben der privaten Unternehmen für Forschung und Entwicklung sind ein weiteres Indiz
Ausgaben als für die Innovationskraft der Zentralschweizer Wirtschaft (vgl. Abb.). Im Jahr 2017 haben Zentral-
Zeichen von schweizer Firmen insgesamt CHF 1.6 Mrd. in Intramuros-F&E-Aktivitäten investiert (d.h. For-
Innovationskraft schungstätigkeiten, welche in den Unternehmen selbst stattfinden). Es sind 44% mehr als noch
fünf Jahre zuvor. In keiner anderen Schweizer Grossregion sind die F&E-Aufwendungen der Pri-
vatwirtschaft in diesem Zeitraum so stark gewachsen.
Kanton Zug mit höchster Startup-Konzentration schweizweit Zentralschweizer Unternehmen investieren in Innovation
Anzahl zwischen 1995 und 2017 gegründeter Startups, absolut und pro 10'000 Ein- Intramuros-F&E-Aufwendungen der Privatwirtschaft nach Grossregion: durchschnitt-
wohner (Stand 2018), nach Kanton liches jährliches Wachstum 2012–2017 in %, Wert 2017 in CHF Mio.
Anzahl Startups pro 10'000 Einwohner 10% 1’600
10 0%
-5% 1’878
-10%
Total Schweiz 1’929 7’147
-15%
Ostschweiz
Zentralschweiz
Espace Mittelland
Genferseeregion
Zürich
Nordwestschweiz
Tessin
Anzahl Startups
1
Nordwestschweiz Genferseeregion
10 Espace Mittelland Zürich
50 Zentralschweiz Ostschweiz
100
Tessin
1’000
Quelle: Crunchbase, HEC Lausanne und Startupticker.ch (Swiss Startup Radar Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
2018/2019), Bundesamt für Statistik, Credit Suisse, Geostat
Swiss Economics | Dezember 2019 17Wirtschaft – Unternehmen und Branchenstruktur
MEM-Industrie spürt Verlangsamung der globalen Konjunktur Exporte der MEM-Industrie
Exporte von Metallen, Maschinen, Elektronik, Fahrzeugen und Präzisionsinstrumenten
(inkl. Medizinprodukten), 12-Monats-Durchschnitte, Index Jan. 2015 = 100
115
Rund 60% der Zentralschweizer Warenexporte sind auf die
Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) 110
zurückzuführen, in Nidwalden sind es sogar über 90% (ge- 105
genüber 30% schweizweit). Der Branche machten in den 100
letzten Monaten die Abkühlung der Weltwirtschaft und die 95
erneute Frankenaufwertung zu schaffen: Im Zeitraum Ja- 90
nuar–August 2019 lagen die Schweizer MEM-Exporte ins- 85
gesamt 1.2% unter ihrem Vorjahresniveau. Mit einem Plus 80
Total Schweiz
von 2.7% zeigte sich die Zentralschweizer MEM-Industrie 75 Zentralschweiz
bisher jedoch resistenter, was nicht zuletzt dem Kanton 70
LU
ZG
Nidwalden zu verdanken ist. Die Nidwaldner Ausfuhren sind OW/NW/UR/SZ
65
bedeutend durch Grossaufträge der Firma Pilatus Flugzeug- 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
werke AG geprägt und schwanken im Zeitverlauf entspre-
chend stark.
Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse
Rohstoffhandel-Cluster im Kanton Zug Umsätze im Schweizer Grosshandel
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
Mit rund 12'300 Vollzeitstellen (2017) stellt der Grosshandel 50%
Grosshandel Total Rohstoffhandel
im Kanton Zug die beschäftigungsmässig grösste Branche 40%
dar. 15% dieser Arbeitsplätze sind auf den Rohstoffhandel 30%
zurückzuführen (Grosshandel mit Erzen, Metallen, Brenn- 20%
stoffen und Mineralölerzeugnissen), womit Zug nach Genf
10%
der zweitwichtigste Schweizer Standort für Rohstoffhändler
ist. Umsatzmässig dürfte die Bedeutung des Rohstoffhan- 0%
dels für den Kanton Zug noch deutlich höher sein. Unseren -10%
Schätzungen zufolge machte der Rohstoffhandel 2018 im -20%
Schweizer Durchschnitt rund 55%–60% der gesamten -30%
Grosshandelsumsätze aus. Der Geschäftsgang der Branche
-40%
ist – der Entwicklung der Rohstoffpreise auf den Weltmärk- 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
ten folgend – allerdings starken Ausschlägen unterworfen.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
Zentralschweizer Arbeitsmarkt in robuster Verfassung Beschäftigung im zweiten und dritten Sektor
In Vollzeitäquivalenten (4-Quartals-Durchschnitte), Index 1. Quartal 2011 = 100
Die derzeitige Konjunkturabkühlung hat bisher noch kaum 120
Schweiz – Total Zentralschweiz – Total
Spuren am Zentralschweizer Arbeitsmarkt hinterlassen. Das
Zentralschweiz – 2. Sektor Zentralschweiz – 3. Sektor
Beschäftigungswachstum hat sich zwar seit dem Höhepunkt 115
Anfang 2018 laufend verlangsamt, im ersten Halbjahr 2019
wurden jedoch sowohl im Sekundär- als auch im Tertiärsek- 110
tor weiterhin Stellen geschaffen (+1.8% bzw. +0.9% ggü.
Vorjahr). Der 2017 eingesetzte Rückgang der Arbeitslosig-
105
keit setzte sich im bisherigen Jahresverlauf fort, die Arbeits-
losenquote erreichte jüngst sogar ein rekordtiefes Niveau
100
(Sept. 2019: 1.3% im Zentralschweizer Durchschnitt, 2.1%
schweizweit). Zudem war zur Jahresmitte 2019 die Anzahl
offener Stellen in der Region – wie in der Schweiz allgemein 95
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
– gemäss Umfrage so hoch wie nie seit dem Jahr 2000.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
18 Swiss Economics | Dezember 2019Sie können auch lesen