Die mediale Darstellung von Täter*innen - Graduate Papers in Applied Linguistics 17 - ZHAW ...

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Die mediale Darstellung von Täter*innen - Graduate Papers in Applied Linguistics 17 - ZHAW ...
Lara Blatter

Die mediale Darstellung
von Täter*innen
Eine Frameanalyse mit Fokus auf ausländische Tatverdächtige

Graduate Papers
in Applied
Linguistics 17

Zürcher Fachhochschule
Die mediale Darstellung von Täter*innen - Graduate Papers in Applied Linguistics 17 - ZHAW ...
Die vorliegende Arbeit wurde am Departement Angewandte Linguistik der ZHAW Zürcher Hochschule für An-
gewandte Wissenschaften im Frühlingssemester 2021 als Bachelorarbeit im Bachelorstudiengang Kommuni-
kation, Vertiefung Journalismus, verfasst (Referentin: Dr. Prof. Wibke Weber) und mit dem Preis des Landbo-
ten für die beste Bachelorarbeit im Bereich Journalismus ausgezeichnet.

Das Departement Angewandte Linguistik der ZHAW betreibt Angewandte Linguistik als transdisziplinär orien-
tierte Sprachwissenschaft. Diese befasst sich mit den Problemen der realen Welt, in denen Sprache eine
zentrale Rolle spielt. Sie identifiziert, analysiert und löst diese Probleme einerseits durch die Anwendung lin-
guistischer Theorien, Methoden und Resultate, andererseits durch die Entwicklung neuer theoretischer und
methodischer Ansätze.

In den Graduate Papers in Applied Linguistics veröffentlicht das Departement Angewandte Linguistik der
ZHAW preisgekrönte Abschlussarbeiten von Studierenden des Bachelorstudiengangs Angewandte Sprachen,
des Bachelorstudiengangs Kommunikation, des Masterstudiengangs Angewandte Linguistik und des
MAS Communication Management and Leadership

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Lara Blatter (2021): Die mediale Darstellung von Täter*innen. Eine Frameanalyse mit Fokus auf ausländi-
sche Tatverdächtige. Winterthur: ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. (Graduate Pa-
pers in Applied Linguistics 17).

DOI 10.21256/zhaw-2420 (https://doi.org/10.21256/zhaw-2420)

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Inhalt

                   Abstract ..............................................................................................................4
         1         Einleitung ...........................................................................................................6
         1.1       Forschungsziel und Forschungsfragen ................................................................7
         1.2       Abgrenzung .........................................................................................................8

         2         Theoretische Grundlagen ..................................................................................9
         2.1       Begriffsdefinitionen ..............................................................................................9
         2.2       Haltung Presserat ................................................................................................10
         2.3       Framing ...............................................................................................................10
         2.4       Nachrichtenfaktoren und -werte ...........................................................................12
         2.5       Vorurteile und Diskriminierung in den Medien ......................................................13
         2.6       Religionen in den Medien.....................................................................................14

         3         Methode ..............................................................................................................15
         3.1       Korpus .................................................................................................................15
         3.2       Sample ................................................................................................................16
         3.3       Qualitative Inhaltsanalyse ....................................................................................16
         3.4       Frames ................................................................................................................17
         3.5       Visual-Framing-Analyse .......................................................................................18

         4         Ergebnisse .........................................................................................................20
         4.1       Ergebnisse qualitativer Inhaltsanalyse .................................................................20
         4.2       Ergebnisse Visual-Framing-Analyse ....................................................................24
         4.3       Beantwortung der Forschungsfragen ...................................................................36

         5         Schlussbetrachtungen ......................................................................................39
         5.1       Diskussion der Ergebnisse ...................................................................................39
         5.2       Reflexion und Kritik der Methode .........................................................................40
         5.3       Weiterführende Forschungsfragen .......................................................................40

         Abbildungen und Tabellen ...........................................................................................43
         Bibliographie .................................................................................................................44

         Anhang...........................................................................................................................48
         Anhang A: Codebuch ......................................................................................................48
         Anhang B: Datenblätter Visual-Framing-Analyse.............................................................55
         Anhang C: Kriterien und Zusammenstellung Korpus .......................................................93

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Abstract

     Medienwissenschaftler Thomas Hestermann untersuchte 2019 die Berichterstattung in
     Deutschland auf die Häufigkeit der Herkunftsnennung von Tatverdächtigen und verglich
     diese Zahlen mit deutschen Kriminalstatistiken. Für die Schweiz gibt es keine vergleichba-
     ren Studien. Diese Bachelorarbeit knüpft an den Diskurs um die Nennung der Herkunft in
     der Berichterstattung über Kriminalität und Verbrechen an. Sie geht den drei Forschungs-
     fragen nach, inwiefern sich die mediale Darstellung von Täter*innen in den Medien Blick
     und Tages-Anzeiger unterscheidet, wie ausländische Täter*innen geframt werden und wie
     sich die Bebilderung der jeweiligen Berichte unterscheidet. Ziel ist es, Frames, die auf Tä-
     ter*innen angewendet werden, herauszuarbeiten und zu analysieren. Es wird eruiert, ob
     ausländische Täter*innen zusätzlich mit Vorurteilen belastet werden. Das Korpus umfasst
     Artikel vom Blick und dem Tages-Anzeiger zur Gewaltberichterstattung aus dem Jahr 2020.
     Mittels qualitativer Inhaltsanalyse werden insgesamt 68 Artikel untersucht. Anschliessend
     wird ein Sample von 14 Artikel gezogen und dieses anhand einer Visual-Framing-Analyse
     analysiert. Die Ergebnisse zeigen zwar, dass vor allem der Blick mit abwertenden und dis-
     kriminierenden Bezeichnungen arbeitet. Im Tages-Anzeiger ist diese Abwertung der
     Fremdgruppe wohl weniger offensichtlich, aber dennoch durch Framing vorhanden. In bei-
     den Medien wird durch Framing suggeriert, dass ausländische Täter*innen krimineller und
     gefährlicher als inländische Täter*innen sind. Es wird deutlich, dass nicht die blosse Nen-
     nung einer Herkunft eine wesentliche Rolle spielt, wenn es um moralische Bewertung und
     Diskriminierung von «anderen» geht. Es geht um die Art und Weise, wie eine Fremdgruppe
     dargestellt wird.

     In 2019, media scientist Thomas Hestermann examined reporting in Germany on the fre-
     quency with which crime suspects are named by their origin and compared these figures
     with German crime statistics. There are no comparable studies for Switzerland. This bach-
     elor thesis ties in with the discourse on the naming of origin in the reporting of crime and
     criminality. It addresses the three research questions to what extent the media portrayal of
     offenders differs in the media Blick and Tages-Anzeiger, how foreign offenders are framed
     and how the imaging of the respective reports differs. The aim is to identify and analyze
     frames that are applied to perpetrators. It will be elicited whether foreign perpetrators are
     additionally charged with prejudice. The corpus includes articles from Blick and Tages-An-
     zeiger on violence reporting from the year 2020. 68 articles are examined by means of
     qualitative content analysis. Subsequently, a sample of 14 articles is drawn and analyzed
     by means of a visual framing analysis. The results show that especially the Blick uses de-
     rogatory and discriminatory terms. In the Tages-Anzeiger this devaluation of the foreign
     group is probably less obvious, but nevertheless present through framing. In both media,
     framing suggests that foreign perpetrators are more criminal and dangerous than domestic

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perpetrators. It becomes clear that it is not the mere naming of an origin that plays an im-
portant role when it comes to moral evaluation and discrimination of «others». It is about
the way in which a foreign group is portrayed.

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1   Einleitung

    Medien fixieren sich auf negative Ereignisse, das heisst auf Gewalt, Kriminalität, Terroris-
    mus, Krisen und Kriege. Diese Fixierung kann laut Schulz (2011, S. 70) zu einer Realitäts-
    verzerrung führen. Negative Aspekte der Wirklichkeit werden überproportional wahrgenom-
    men. Vor allem die Berichterstattung über Kriminalität gilt als verzerrt. Während die meisten
    Verbrechen zwischen vertrauten Personen, Zuhause und ohne Waffen geschehen, finden
    kriminelle Akte in den Medien meist unter Fremden, in der Öffentlichkeit und mit Waffen
    statt (Schulz, 2011, S. 72).

    In einer Studie zeigt Hestermann (2019) auf, wie schlecht die Medienschaffenden die kri-
    minalistische Realität in Deutschland abbilden und wie sehr die gefühlte und die faktische
    Wahrheit auseinanderdriften. Hestermann (2019, S. 5) untersuchte in Deutschland die Nen-
    nung der Herkunft von Tatverdächtigen. Die Analyse zeigt, dass in der Fernsehberichter-
    stattung die Herkunft von Tatverdächtigen immer häufiger angegeben wird – aber meist
    dann, wenn die Tatverdächtigen keine Deutschen sind. Als Fallbeispiel nennt Hestermann
    (2019, S. 9–10) in seiner Studie die Figur des «Messermigranten». Den Begriff findet man
    in fremdenfeindlichen Kreisen und wird später noch relevant, da er als Frame identifiziert
    wird (siehe 3.4 Frames). Laut einer deutschen Polizeistatistik (Hestermann, 2019, S. 14)
    werden die meisten Gewaltdelikte mit Stichwaffen von Deutschen begangen. Greifen diese
    zum Messer, so wird die Herkunft jedoch kaum erwähnt.

    Diskussion um die Nennung im Kanton Zürich

    Ende 2017 legte die Zürcher Regierung fest, dass die Stadtpolizei die Staatsangehörigkeit
    nur noch auf Nachfrage offenlegt. Dies löste eine Gegenreaktion der SVP aus, die mittels
    Volksinitiative der Stadtpolizei vorschreiben wollte, die Nationalität zusammen mit einem
    allfälligen Migrationshintergrund der Verdächtigen zu nennen (Tuena, 2021).

    Andere Parteien positionierten sich daraufhin auf die Seite der Regierung. Die SP Kanton
    Zürich (Akanji, 2021) schrieb beispielsweise, dass die Nennung keine Verbrechen verhin-
    dert und indes nur Vorurteile fördert. Leser*innen würden die Nationalität als Erklärung für
    Gewalttaten und Delikte herbeiziehen. Dabei beeinflussen soziale Schicht, Bildung und Le-
    bensereignisse die Kriminalität. Auf der anderen Seite sprach sich Stäuble (2021), Co-Chef-
    redaktor des Tages-Anzeigers, in einem Leitartikel für die Initiative aus. Ausländerfeindlich-
    keit lasse sich nicht bekämpfen, indem man den Informationsfluss von der Polizei zu den
    Medien und der Bevölkerung einschränke – er plädiert für Transparenz.

    In der polizeilichen Kriminalstatistik von 2019 sind 51% aller Beschuldigten Ausländer*in-
    nen (Bundesamt für Statistik & Sektion Kriminalität und Strafrecht, 2020). Im Februar 2021
    publizierte der Tages-Anzeiger (Aeschlimann, 2021) einen Faktencheck zur Abstimmung

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      und zur Kriminalstatistik. So heisst es, dass Ausländer*innen nur einen Viertel der Gesamt-
      bevölkerung in der Schweiz ausmachen. Dennoch ist es so, dass ausländische Personen
      proportional öfter verzeigt und verurteilt werden als Schweizer*innen. Aeschlimann (2021)
      hebt auch klar die Schwächen der Statistik hervor: In der Statistik landet lediglich, was die
      Polizei auch registriert, Ermittlungsmethoden werden nicht abgebildet und die Zahlen zei-
      gen, wer beschuldigt wird, nicht aber wer verurteilt wird.

      Am 7. März 2021 wurde dann im Kanton Zürich über die Volksinitiative «Bei Polizeimeldun-
      gen sind die Nationalitäten anzugeben» abgestimmt. Mit 55,21% wurde der Gegenvor-
      schlag des Kantonsrates angenommen (Statistisches Amt Kanton Zürich, 2021). Im Ge-
      gensatz zur Volksinitiative verzichtet dieser bei Polizeimeldungen Informationen zu einem
      allfälligen Migrationshintergrund bei Schweizer*innen und zu Doppelbürgerschaften vorzu-
      schreiben. Die Stadtpolizei Zürich nennt also künftig bei Orientierungen der Bevölkerung
      im Zusammenhang mit kriminellen Akten in Bezug auf die Täterschaft neben dem Alter und
      dem Geschlecht auch die Staatsangehörigkeit.

      Wer sind «wir» und wer sind die «anderen»? Und wie werden diese «anderen» in den Me-
      dien dargestellt? Um diese grossen Fragen herunterzubrechen und einzugrenzen, soll
      diese Bachelorarbeit an den aktuellen Diskurs um die Nennung der Herkunft in der Bericht-
      erstattung über Kriminalität und Verbrechen anknüpfen.

1.1   Forschungsziel und Forschungsfragen

      Das Thema dieser Bachelorarbeit behandelt die Darstellung von Täter*innen im medialen
      Kontext. Der Fokus liegt dabei auf der Herkunft der Täter*innen. Um zu untersuchen, wie
      sich die Berichterstattung von ausländischen Akteur*innen und inländischen Akteur*innen
      unterscheidet, werden folgende Forschungsfragen aufgestellt:

      •       Inwiefern unterscheidet sich die mediale Darstellung von Täter*innen in den Medien
              Tages-Anzeiger und Blick?
      •       Wie werden ausländische Täter*innen geframt?
      •       Wie unterscheidet sich die Bebilderung der jeweiligen Berichte?

      In Anbetracht der oben geschilderten Debatte, soll diese Bachelorarbeit aufzeigen, welche
      Frames in der Medienberichterstattung auf ausländische Tatverdächtige angewendet wer-
      den und ob ausländische Tatverdächtige allenfalls mit Vorurteilen zusätzlich belastet wer-
      den.

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1.2   Abgrenzung

      Es kann nicht untersucht werden, wie sämtliche Schweizer Medien Täter*innen darstellen.
      Die Arbeit fokussiert sich auf Printberichte. Radio- und Fernsehsendungen sowie die On-
      lineberichterstattung werden nicht erforscht. Exemplarisch werden zwei Titel zur Untersu-
      chung ausgewählt: Tages-Anzeiger und Blick (siehe 3.1 Korpus).

      Wünschenswert wäre eine ähnliche Studie wie jene von Hestermann (2019). Er untersuchte
      die Berichterstattung in Deutschland auf die Häufigkeit der Herkunftsnennung von Tatver-
      dächtigen und verglich diese Zahlen dann effektiv mit deutschen Kriminalstatistiken. Für die
      Schweiz gibt es keine vergleichbaren Studien. Eine derartige Analyse würde den Rahmen
      dieser Bachelorarbeit sprengen. Darum fokussiert sich diese empirische Arbeit auf die Dar-
      stellung von Täter*innen in den zwei erwähnten Medien.

      Wie eingangs geschrieben, erwähnte die Zürcher Stadtpolizei bei Meldungen von 2017 bis
      zum 7. März 2021 die Nationalität nur auf Anfrage. Dieser Diskurs soll die Aktualität der
      Diskussion unterstreichen. Ob und wie sich diese Änderung auf die Berichterstattung aus-
      gewirkt hat, wird nicht untersucht, da viel mehr die Art und Weise, wie Täter*innen darge-
      stellt werden, im Fokus steht.

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2     Theoretische Grundlagen

      Im folgenden Kapitel wird zunächst auf Begrifflichkeiten (siehe 2.1 Begriffsdefinitionen) und
      auf die Haltung des Schweizer Presserats (siehe 2.2 Haltung Presserat) eingegangen. Eine
      theoretische Basis für diese Arbeit bildet das Framing (siehe 2.3 Framing). Es wird auf ver-
      schiedene Aspekte des Framings eingegangen, insbesondere auf das Visual Framing und
      auf Frames im Nachrichtenjournalismus. Das Zusammenspiel von Framing und Nachrich-
      tenfaktoren (siehe 2.4 Nachrichtenfaktoren und -werte) ist ebenfalls wichtig, da beiden eine
      ähnliche Funktionsweise zugesprochen werden kann. Zum Schluss wird auf Vorurteile und
      Diskriminierungen (siehe 2.5 Vorurteile und Diskriminierung in den Medien) sowie auf Re-
      ligionen (siehe 2.6 Religion in den in den Medien) eingegangen.

2.1   Begriffsdefinitionen

      Einige der Begriffe, die rund um die Gewaltberichterstattung verwendet werden, werden
      nicht von allen gleich verstanden und bringen eine gewisse Färbung mit sich. Für diese
      Bachelorarbeit und für die Beantwortung der Forschungsfragen ist es zentral, diese Begriffe
      zu definieren und einzuordnen. Bei einigen Begriffen geht es auch schlichtweg darum, zu
      Gedanken über die Konnotation dieser anzuregen. So wird beispielsweise der Begriff «Aus-
      länder*in» nicht per se als abwertend angesehen, er soll aber kritisch eingeordnet werden.

      Täter*in. In dieser Bachelorarbeit wird meist die Rede von Täter*in sein. Aus Gründen der
      Vereinfachung wird kein Unterschied zwischen verurteilten oder mutmasslichen Täter*in-
      nen gemacht.

      Killer*in. Killer*in gilt laut Duden (2020c) als umgangssprachlicher Begriff und beschreibt
      eine Person, die gegen Bezahlung eine andere Person ohne Skrupel umbringt. Wird eine
      Person in einem Artikel als Killer*in beschrieben und diese Definition trifft nicht zu, so kann
      dies als Übertreibung und abwertende Bezeichnung eingestuft werden.

      Pädosexuelle Neigung. Wie der Verein Gegen-Missbrauch (2021) festhält, muss nicht
      jede*r Pädophile zum*zur Täter*in werden und nicht jede*r Täter*in, der*die ein Kind miss-
      braucht, ist pädosexuell. Dieser Fakt ist insofern wichtig, weil Menschen, welche Kinder
      missbrauchen, in den Medien oft als Pädophile benannt werden. Ob diese sexuelle Neigung
      und Diagnose auf diesen Menschen zutrifft, ist nicht immer klar. Es gilt keinesfalls die Taten
      eines Menschen zu relativieren, dennoch kann die Bezeichnung, insbesondere die Abkür-
      zung «Pädo», als abwertend eingestuft werden, wenn keinerlei Diagnosen vorliegen.

      Ausländer*in. Ein*e Ausländer*in ist ein*e Angehörige*r eines fremden Staates (Duden,
      2020b). Explizit verweist der Duden daraufhin, dass der Begriff vermehrt als diskriminierend
      empfunden wird. Hirsbrunner (2011, S. 251) kritisiert den Begriff scharf: Der Begriff Auslän-
      der*in hat sich im deutschen Sprachgebrauch als homogenisierende Bezeichnung etabliert.

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      Darunter fallen Schwarze Menschen, People of Color, Muslim*innen, Migrant*innen aus
      ökonomisch schwachen und unterprivilegierten Ländern und auch Menschen, mit einer in-
      ländischen Staatsangehörigkeit (Hirsbrunner, 2011, S. 252). Den als ausländisch definier-
      ten Personen wird es laut Hirsbrunner (2011, S. 252) verunmöglicht, selbstbestimmt über
      ihre Bezeichnung und somit über ihre Wahrnehmung zu entscheiden.

      «Messermigrant». AfD-Politiker*innen forcierten fremdenfeindliche Begriffe wie «Messer-
      migrant» oder «Messereinwanderung», die mittlerweile auch von Medien genutzt werden
      (tagesschau.de, 2020). Das Deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz stuft den Begriff
      als nicht mit der Menschenwürde vereinbar ein (Hermann, 2019). Er schürt Angst gegen-
      über Ausländer*innen und zeichnet sie als gefährliche Menschen, die mit Messern bewaff-
      net sind. Dieser offensichtlich diskriminierende Begriff wird in dieser Bachelorarbeit verwen-
      det. Es geht nicht um die Reproduktion von diskriminierenden Worten, sondern um die Be-
      nennung eines Frames, der diskriminierend ist. Es ist wichtig, dass man sich diesem Frame
      bewusst ist, darum wird es auch für angemessen angesehen, diesen Begriff in diesem Kon-
      text zu reproduzieren.

2.2   Haltung Presserat

      Der Schweizer Presserat (2017) hält im Journalistenkodex unter «Richtlinie 8.2 – Diskrimi-
      nierungsverbot» fest, dass die Nennung der nationalen Zugehörigkeit diskriminierend wir-
      ken kann, wenn negative Werteurteile verallgemeinert und somit Vorurteile verstärkt wer-
      den. Die Entscheidung, ob die Herkunft genannt werden soll, liegt im Ermessen der Jour-
      nalist*innen. Der Presserat (2017) legt den Redaktionen nahe, den Informationswert gegen
      die Gefahr einer Diskriminierung abzuwägen. Die Verhältnismässigkeit soll gewahrt wer-
      den. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2001 hält der Presserat (2001) fest, dass es
      nicht Aufgabe von Medienschaffenden sei, Verbrecher*innen zu schützen. Jedoch kommt
      es immer wieder vor, dass Personen auf diskriminierende Weise beschrieben werden. Eine
      stigmatisierende Berichterstattung ist nicht mit dem berufsethischen Kodex vereinbar. Of-
      fensichtlicher Rassismus sei zwar in tagesaktuellen Schweizer Medien kaum mehr anzu-
      treffen. Dennoch kommt es besonders in der Kriminalberichterstattung immer wieder zu
      unterschwelligen rassistischen Zuordnungen.

2.3   Framing

      Um Worte einzuordnen und zu begreifen, aktiviert das menschliche Gedächtnis abgespei-
      chertes Wissen und Erfahrungen (Wehling, 2016, S. 20). Dieser Deutungsrahmen, den das
      Gehirn abruft, wird Frame genannt. Durch die Verbindung von Worten mit unserem soge-
      nannten Weltwissen geben Frames dem Gesagten eine Bedeutung (Wehling, 2016, S. 28–
      30). Entman (1993, S. 52) beschreibt Framing als einen Vorgang, in welchem Aspekte einer
      wahrgenommenen Realität ausgewählt und in einem Text so hervorgehoben werden, dass
      eine Problemdefinition, eine kausale Interpretation, eine moralische Bewertung und eine
      Handlungsempfehlung gebildet werden.

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        Durch Sprache werden Frames in Köpfen aktiviert und leiten so – oft unbewusst – das
        Denken und Handeln von Menschen (Wehling, 2016, S. 18). Framing kann also niemals
        neutral sein. Lesen wir in einem Text «der mutmassliche Täter», ist es naheliegend, dass
        unser Gehirn ein Bild von einem männlichen Täter hervorruft, das «mutmassliche» kann
        dabei zweitrangig sein. «Im Zweifel für den Angeklagten» ist ein juristischer Grundsatz, das
        heisst aber nicht, dass das Gehirn bei dieser Wortkonstellation auch an diesen denkt. Auf-
        grund des unterschiedlichen Weltwissens werden Frames auch unterschiedlich aktiviert.
        Vereinfacht gesagt: Ein*e Laie*Laiin denkt beim «mutmasslichen Täter» wohl eher an eine
        schuldige Person, als dies eine mit dem Recht vertraute Person täte.

        Dahinden (2006, S. 108) fasst basierend auf seinen Recherchen fünf übergeordnete Basis-
        frames zusammen, die sich in Texten finden lassen, bzw. in verschiedenen Varianten im-
        mer wieder vorkommen: Konflikt, Wirtschaftlichkeit, Fortschritt, Personalisierung und Moral,
        Ethik, Recht. Diese Bachelorarbeit greift auf diese Basisframes zurück, da anzunehmen ist,
        dass diese in der Gesellschaft und somit in den Medien verankert sind. Zusätzlich werden
        weitere Frames, die spezifisch auf Täter*innen angewendet werden, herausgearbeitet und
        benannt (siehe 3.4 Frames).

2.3.1   Visual Framing

        Dem Framing durch Sprache wurde in der Wissenschaft bereits viel Aufmerksamkeit ge-
        schenkt, wobei die visuelle Dimension von Framing lange ausgeblendet wurde (Müller &
        Geise, 2015, S. 264). Auch Coleman (2010, S. 234) kritisiert den Konsens in der akademi-
        schen Welt, dass Wörter wichtiger sind als Bilder. Denn Frames werden nicht nur über
        Sprache aktiviert, sondern auch visuell. Grittmann (2013, S. 102) zieht die Bildebenen hinzu
        und schreibt, dass Bilder als Frame-Elemente in medialen Diskursen fungieren. Nach Mül-
        ler (2013, S. 19–20) sind Medieninhalte multimodale Konstrukte und Bilder stellen einen
        unmittelbaren Bezug zu menschlichen Emotionen her. Einmal wahrgenommene Bilder prä-
        gen sich ins menschliche Gedächtnis ein und können nicht mehr ungesehen gemacht wer-
        den (Müller, 2013, S. 20). Bilder rahmen die Wahrnehmung und die Verarbeitung der Infor-
        mationen im Text (Müller & Geise, 2015, S. 263). Visuelle Frames haben nach Müller und
        Geise (2015, S. 266) die wesentlichen Funktionen der Auswahl und der visuellen Präsen-
        tation von Realitätsaspekten. Weiter geht es um die Steigerung der Salienz dieser Reali-
        tätsaspekte und schliesslich um die Bereitstellung möglicher Interpretationsmuster.

        Dass Bilder sowohl im Redaktionsalltag, wie auch in der Forschung unterschätzt werden,
        zeigt sich gemäss Coleman (2010, S. 235), indem im Nachrichtenjournalismus oft mit ste-
        reotypen Bildern gearbeitet wird. Greift man dabei auf Bilder zurück, welche diskriminie-
        rende oder geschlechterspezifische Stereotypen reproduzieren, werden diese in den Re-
        daktionen eher akzeptiert, als wenn diese Stereotypen in Worten kommuniziert würden. Es
        macht einen Unterschied, ob ein*e Täter*in in Handfesseln oder ohne abgebildet wird. Bil-
        der von Angeklagten vor Gericht mit Anzug und Krawatte entsprechen nicht der stereotypen
        Vorstellung von Kriminellen. Coleman (2010, S. 240–241) führt dieses Beispiel weiter und

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        hält fest, dass jenes Bild der kriminellen Person in Handfesseln, die Auffassung verstärkt,
        dass das Problem am Individuum liegt und dieses bestraft werden muss. Die Möglichkeit,
        dass die Person das Gesetz gar nicht brechen wollte oder durch soziale Umstände in die
        Kriminalität getrieben wurde, wird ausser Acht gelassen. Zwei verschiedene Bilder können
        also verschieden Frames und so auch unterschiedliches Problembewusstsein hervorrufen.
        Ebenfalls beschäftigen sich Rodriguez und Dimitrova (2011) intensiv mit Visual Framing
        und entwickelten ein vierstufiges Modell zur Identifizierung und Analyse von visuellen Fra-
        mes (siehe 3.5 Visual-Framing-Analyse).

2.3.2   Frames im Nachrichtenjournalismus

        Nach Brosius und Dan (2020, S. 265–266) werden Frames von Journalist*innen genutzt,
        um die Informationsdichte zu bewältigen und den Rezipient*innen Orientierung zu bieten.
        Dabei werden bestimmte Aspekte eines umstrittenen Themas ausgewählt und hervorgeho-
        ben, während andere Aspekte weniger zur Geltung kommen. Gewichten unterschiedliche
        Journalist*innen dieselben Aspekte, so entwickeln sich gemeinsame Vorstellungen bzw.
        geteilte Frames über ein Thema. Wird also öfters über Ausländerkriminalität berichtet, so
        entsteht der geteilte Frame in der Gesellschaft, dass Ausländer*innen kriminell sind. Allein
        mit bestimmten Begriffen werden Frames geschaffen. Neologismen und pejorative Begriffe
        beeinflussen die von Journalist*innen konstruierten Frames besonders. Als Beispiel führen
        Brosius und Dan (2020, S. 275) eine Gesetzesinitiative auf, welche die Bedingungen zum
        Abhören von Privatgesprächen festlegt. Als «grosser Lauschangriff» wird diese in den Me-
        dien bezeichnet, sich für einen solchen Lauschangriff auszusprechen, scheint abwegig.

2.4     Nachrichtenfaktoren und -werte

        Wie bereits im vorhergehenden Kapitel beschrieben, funktionieren Frames selektiv. Be-
        stimmte Fakten und Realitäten werden durch Framing hervorgehoben und andere wegge-
        lassen (Wehling, 2016, S. 18). Nach Brosius und Dan (2020, S. 271) beeinflussen Nach-
        richtenfaktoren Frames, und Dahinden (2006, S. 70) weist daraufhin, dass sich Nachrich-
        tenfaktoren und die Basis-Frames in ihrer Funktionsweise ähnlich sind. Nachrichtenfakto-
        ren sind Merkmale von Ereignissen, welche deren Nachrichtenwert bestimmen und je mehr
        Nachrichtenfaktoren ein Ereignis aufweist, desto grösser ist der Nachrichtenwert und somit
        die Wahrscheinlichkeit, dass Medienschaffenden das Ereignis aufnehmen (Schulz, 2011,
        S. 92). Schulz (2011, S. 91) erwähnt in Anlehnung an Galtung und Ruge (1965) folgende
        Nachrichtenfaktoren: Status, Valenz, Relevanz, Identifikation, Konsonanz und Dynamik.

        Gerade Bilder von Gewaltopfern und Gewalttäter*innen haben einen besonders hohen
        Nachrichtenwert. Müller und Geise (2015, S. 149) sprechen von einer spezifischen Opfer-
        und Täterikonografie. So finden beispielsweise Bilder von friedlichen Protesten weniger den
        Weg in die Medien als jene, die in Randale enden. Auch die Diffamierung mutmasslicher
        Täter*innen ist im Bild leichter möglich und schwerer zu widerlegen als im Text. Die Dis-
        kussion zur Medienberichterstattung über Kriminalität und Diskriminierung wirft gemäss

        ZHAW   Angewandte Linguistik
13

      Hestermann (2019, S. 12) eine grundlegende Frage auf: Was ist wichtig und was ist inte-
      ressant? Dabei wird der Doppelcharakter von Nachrichtenfaktoren betont: Sie stellen wirk-
      same Auswahlkriterien dar, sind aber eben auch Merkmale journalistischer Bewertung und
      die Folge selektiver Wahrnehmung. Dass Medienschaffende auffällig oft darüber berichten,
      wenn Tatverdächtige keinen inländischen Pass besitzen, schreibt Hestermann (2019, S.
      13) den Emotionen zu. Nur ist die Nationalität kein abhebendes Merkmal wie ein Kleidungs-
      stück, sondern Zündstoff für eine aufgeheizte politische Debatte.

      Bednarek und Caple (2017, S. 3) gehen davon aus, dass Nachrichtenorganisationen Nach-
      richten konstruieren und Ereignisse als Nachrichten «verkaufen». Die beiden Autorinnen
      befassen sich nebst der textlichen auch mit der visuellen Repräsentation von Nachrichten-
      werten und zeigen auf, wie Worte und Bilder genutzt werden, um Nachrichtenwerte zu kon-
      struieren. Auch Bilder verfügen über Nachrichtenwerte und übertragen zusätzlich eine ide-
      ologische Ebene, auf welcher sie Themen interpretieren und konnotieren (Bednarek &
      Caple, 2017, S. 34).

2.5   Vorurteile und Diskriminierung in den Medien

      Ruhrmann und Sommer (2009, S. 419) halten fest, dass die als fremd empfundenen Min-
      derheiten der Migrant*innen oft stereotyp dargestellt werden, dies etwa durch eine verzerrte
      Häufigkeitseinschätzung bezüglich ihrer Handlung, insbesondere jener über Straftaten.
      Migrant*innen und marginalisierte Gruppen werden häufig als besonders kriminell darge-
      stellt und gleichzeitig werden bestimmte Nationalitäten in Medien überrepräsentiert. Mit die-
      ser Überrepräsentation verbunden ist eine Tendenz, dass Migrant*innen immer in densel-
      ben Rollen gezeigt werden und somit stigmatisiert werden (Ruhrmann & Sommer, 2009, S.
      420).

      Rollen und Vorurteile werden oft sehr subtil vermittelt. So zum Beispiel zeigt sich in der
      Berichterstattung über Migrant*innen oft die subtile Diskriminierung in Form von Aufwertung
      der Eigengruppe (Inländer*in) und der Abwertung der Fremdgruppe (Ausländer*in)
      (Ruhrmann, 2005, S. 74). Weiter schreibt Ruhrmann (2005, S. 78), dass in der Berichter-
      stattung über Migrant*innen eine besondere Negativität dominiert. Nachrichtenfaktoren wie
      Aggression und Schaden sind ausgeprägt. Diese werden zugleich stark visualisiert, mit
      Überraschung präsentiert und mit hoher Faktizität dargestellt. Subtile linguistische Diskri-
      minierung führt gemäss Ruhrmann und Sommer (2009, S. 426) zu einer veränderten Attri-
      bution. So kann das negative Verhalten einer Fremdgruppe als generalisierte Eigenschaft
      wahrgenommen werden und das positive Verhalten wird als Ausnahmeerscheinung einzel-
      ner Exemplare wahrgenommen.

      Hirsbrunner (2011, S. 252) kritisiert nicht nur die Medien, sie spricht von Rassismus, wel-
      cher unserer Gesellschaft zu Grunde liegt. Titelt ein Medium beispielsweise «Das läuft mit
      den Ausländern falsch!» (Bild Zeitung), fühlen sich weisse Menschen aus Frankreich oder
      Schweden eher nicht angesprochen. Dies impliziert, dass mit Ausländer*in Menschen mit

      ZHAW    Angewandte Linguistik
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      einer nicht-weissen und nicht-christlichen Herkunft gemeint sind, selbst dann, wenn eine
      inländische Staatsangehörigkeit seit Generationen vorliegt.

2.6   Religionen in den Medien

      In einer Studie wurde die Religionsberichterstattung in der Schweiz untersucht (Dahinden
      et al., 2011). Anhand der Ergebnisse der Studie lässt sich das Fazit ziehen, dass der Islam
      in den Medien stark überrepräsentiert ist, während das Christentum eher unterrepräsentiert
      ist (Dahinden et al., 2011, S. 204). Das Christentum und der Buddhismus werden grössten-
      teils mit positiven Aspekten attribuiert und der Islam mit negativen (Dahinden et al., 2011,
      S. 203). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Wyss (2010) in einem wissenschaftlichen Artikel.
      Wyss (2010, S. 10–11) hält fest, dass jüdische Menschen in den Medien meistens als Opfer
      in negativ konnotierten Handlungen dargestellt werden und muslimische Menschen hinge-
      gen als Auslöser oder Mitschuldige identifiziert wurden. Gespräche von Dahinden et al.
      (2011, S. 205) mit Journalist*innen zeigen auf, dass das Wissen über Religion relativ be-
      grenzt ist. Da Medien unser Bild gerade auch von Unbekanntem prägen, wird bei der In-
      haltsanalyse auch ein Augenmerk auf die erwähnten Religionen im Zusammenhang mit der
      Täterschaft gelegt (siehe 3.3 qualitative Inhaltsanalyse). Wird erwähnt, dass ein Mensch
      aus Tunesien ist oder wird erwähnt, welcher Religion dieser Mensch angehört? Dies macht
      ein wesentlicher Unterschied in der Wahrnehmung aus und trägt so ebenfalls zum Framing
      bei.

      ZHAW   Angewandte Linguistik
15

3     Methode

      Die visuelle Dimension von Framing wurde im vorhergehendem Kapitel 2.3 Framing her-
      ausgearbeitet. Hinzu kommt, dass visuelle und verbale Frames in einem Text nicht immer
      deckungsgleich sind (Coleman, 2010, S. 237). Deshalb setzt sich die Methodik dieser Ba-
      chelorarbeit aus einer qualitativen Inhaltsanalyse (siehe 3.3 Qualitative Inhaltsanalyse), die
      sich mehrheitlich auf die Textebene fokussiert, und einer qualitativen Visual-Framing-Ana-
      lyse (siehe 3.5 Visual-Framing-Analyse), welche sich auf die Bildebene fokussiert, zusam-
      men.

      In diesem Kapitel werden das Korpus (siehe 3.1 Korpus) und das Sample (3.2 Sample)
      präsentiert und die methodische Vorgehensweise und die Frames (siehe 3.4 Frames) wer-
      den genauer erläutert.

3.1   Korpus

      Um zu klären, welche Stereotypen und Frames in der Berichterstattung auftreten und auf
      Täter*innen angewendet werden, werden Artikel untersucht, die in Schweizer Tageszeitun-
      gen publiziert wurden. Um im Rahmen dieser Arbeit zu bleiben, werden die zwei Medientitel
      Tages-Anzeiger und Blick miteinander verglichen. Laut dem Medienqualitätsrating 2020
      (2020, S. 4) wird der Blick als Boulevardzeitung eingeordnet und der Tages-Anzeiger als
      traditionelle Tageszeitung. Beide sind Medientitel, welche eine wichtige Rolle in der Mei-
      nungsbildung der Deutschschweiz spielen. Sie wurden vor dem Hintergrund ausgewählt,
      eine renommierte grosse Tagesszeitung mit einer grossen Boulevardzeitung zu verglei-
      chen.

      Das Korpus wird über die Onlinedatenbank Swissdox.ch zusammengetragen. Um an Artikel
      aus der Gericht- und Gewaltberichterstattung zu kommen, wird nach Begriffen wie «Straf-
      tat», «Prozess» und «Täter» gesucht (siehe 7.4 Kriterien Korpus). Diese und weitere Stich-
      worte werden anhand der Kriminalstatistik und ausgewählten Artikeln zusammengetragen.
      Das Korpus soll aussagekräftige Rückschlüsse ermöglichen, nicht redundant sein und eine
      bestmögliche Repräsentativität gewährleisten. Darum wird nach der Stichwortsuche eine
      quantitative Voranalyse getätigt, das heisst, gewisse Artikel werden aussortiert. Hierbei
      werden bereits Titel, Bilder und Lead angeschaut und erste Tendenzen notiert. Diese Noti-
      zen sind für die Erstellung des Codebuchs (siehe 7.1 Codebuch) und die Definition der
      Frames (siehe 3.4 Frames) wichtig. Aus dieser quantitativen Voranalyse wird ein möglichst
      repräsentatives und nachvollziehbares Korpus für die qualitative Inhaltsanalyse erstellt.

      Aus dem Korpus ausgeschieden wurden beispielsweise Folgestorys oder allgemeine Arti-
      kel zu Verbrechen und Gewalt (z.B. Statistik zu Femiziden). Als Analysezeitraum wurde das
      Jahr 2020 definiert. Die genauen Kriterien zur Eingrenzung sind im Anhang 7.4 Kriterien

      ZHAW    Angewandte Linguistik
16

      Korpus aufgelistet. Das Korpus besteht schliesslich aus 68 Artikel (49 Blick / 19 Tages-
      Anzeiger).

3.2   Sample

      Das Korpus wird zuerst mittels qualitativer Inhaltsanalyse auf textlicher Ebene untersucht.
      Danach wird für die Analyse nach dem vierstufigen Modell von Rodriguez und Dimitrova
      ein Sample von 14 Artikel unter folgenden Kriterien gezogen: Lediglich 7 von den 19 Tages-
      Anzeiger Artikel verfügen über ein Bild, so werden diese für das Sample definiert. Bei den
      Blick Artikel verfügen alle 49 Artikel über ein oder mehrere Bilder. So werden – im Hinblick
      auf die Fragestellungen – jene Blick Artikel im Korpus rausgefiltert, welche die Herkunft der
      Täter*innen nicht explizit erwähnten. Danach wird exemplarisch jeder sechste Artikel raus-
      gezogen, so bleiben ebenfalls 7 Blick Artikel für das Sample übrig. Das Sample setzt sich
      demnach aus je 7 Artikel zusammen (s. Anhang C).

3.3   Qualitative Inhaltsanalyse

      Um die Forschungsfragen zu beantworten, werden die Texte mit einer qualitativen Inhalts-
      analyse nach Mayring (2015) analysiert. Diese Inhaltsanalyse geht theoriegeleitet vor, das
      heisst, die Ergebnisse werden vom jeweiligen Theoriehintergrund her interpretiert (Mayring,
      2015, S. 13). Auf eine strikte Trennung zwischen qualitativ und quantitativ wird aber ver-
      zichtet, da beide Vorgehensweisen relevant sind und ineinandergreifen. Diese Inhaltsana-
      lyse ist wichtig, da sie Aussagen zur Häufigkeit der jeweiligen Frames und zur Nennung der
      Herkunft in Zusammenhang mit der Beschreibung der Täter*innen machen kann. Ebenfalls
      soll herausgearbeitet werden, wie die beiden Medientitel mit Bildern umgehen und was sie
      abbilden.

      Codebuch und -bogen

      Anhand der Theorie und der quantitativen Voranalyse (siehe 3.1 Korpus) wird ein Code-
      buch (siehe 7.1 Codebuch) für die qualitative Inhaltsanalyse erstellt. Das Codebuch gilt als
      Kernstück der Inhaltsanalyse und gibt vor, wie die Texte – im Hinblick auf die Theorie und
      die Fragestellung – zu analysieren sind (Rössler, 2010, S. 21). Die Texte werden systema-
      tisch mit einem Kategoriensystem analysiert, was die Intersubjektivität gewährleisten soll.
      Eine Untersuchung gilt als intersubjektiv, wenn die Resultate der Untersuchung durch an-
      dere reproduzierbar sind, also unterschiedliche Menschen mit demselben Instrument und
      demselben Material zu denselben Ergebnissen kommen (Rössler, 2010, S. 22). Zu diesem
      Zweck wird das Codebuch ebenfalls mit Ankerbeispielen versehen. Die Ergebnisse werden
      auf einem Codebogen festgehalten (siehe 7.2 Codebogen).

      Das Codebuch lässt sich in vier Blöcke aufteilen. Im ersten Block (1A-1D) werden die Eck-
      daten zum jeweiligen Medium und Artikel notiert. Der zweite Block (2A-2E) widmet sich

      ZHAW    Angewandte Linguistik
17

      dem*der Täter*in. Wobei die Herkunft und die Nationalität festgehalten und auf die Darstel-
      lung der jeweiligen Person eingegangen wird. Ebenfalls soll geklärt werden, ob die Natio-
      nalität erwähnt wird, weil sie für das Verständnis eines Vorfalls notwendig ist. Ein besonde-
      res Augenmerk wird hier auf die Frage gelegt, ob Personen abwertend oder herablassend
      benannt werden. Ein Ankerbeispiel hier ist der «Italo-Killer» (B42). Der Täter wird als Killer
      beschrieben und gleichzeitig wird diese Tat in Zusammenhang mit seiner italienischen Her-
      kunft gesetzt. Weiter wird in diesem Block festgehalten, ob im Artikel eine Religion in Zu-
      sammenhang mit der Tat erwähnt wird. Im dritten Block (3A-3H) werden die fünf Basisfra-
      mes und eigene Frames herausgearbeitet. Auf diese wird im Kapitel 3.4 Frames genauer
      eingegangen. Der vierte Block (4A-4G) erfasst die Bebilderung. Es wird festgehalten, ob
      der Artikel überhaupt über ein Bild verfügt und was dieses abbildet. Dieser Block wird be-
      wusst simpel gehalten, da eine qualitative Visual-Framing-Analyse noch folgt (siehe 3.5
      Visual-Framing-Analyse) und dort die Bilder genau analysiert werden.

      Die im Codebuch aufgeführten Fragen werden möglichst so formuliert, dass sie mit 0 und
      1 beantwortet werden können bzw. mit vorhanden / nicht vorhanden oder ja / nein. Diese
      Daten werden im Codebogen (siehe 7.2 Codebogen) eingetragen und können so summa-
      risch dargestellt und berechnet werden. Aufgrund dieser Berechnungen werden Dia-
      gramme und Tabellen erstellt, die zur Veranschaulichung der Ergebnisse dienen sollten
      (siehe 4.1 Ergebnisse qualitativer Inhaltsanalyse).

3.4   Frames

      Wie in Kapitel 2.3 Framing bereits erläutert, greift diese Bachelorarbeit auf die erwähnten
      fünf Basisframes zurück. Dies kann als deduktives Vorgehen gesehen werden. Ebenfalls
      werden induktiv noch weitere Frames bestimmt, welche sich speziell in diesem Korpus fin-
      den lassen. Diese sind auf die Gewaltberichterstattung zugeschnitten und lassen sich teils
      den Basis- oder auch anderen bekannteren Frames zuordnen und sind tiefer anzuordnen,
      wenn man davon ausgeht, dass die Basisframes in verschiedenen Varianten immer wieder
      vorkommen. Diese Frames, die sich spezifisch auf Täter*innen anwenden lassen, sind wäh-
      rend der quantitativen Voranalyse sowie auch während der qualitativen Inhaltsanalyse de-
      finiert und herausgearbeitet worden. Tabelle 1 erklärt die Basis- sowie die eigenen Frames:

       Basisframes (deduktiv)             Beschreibung
                                          Das Thema ist Gegenstand von Interessenskonflikten zwischen unterschiedlichen
       Konflikt                           sozialen Gruppen.  X gegen Y
                                          Das Thema wird aus einer wirtschaftlichen Perspektive dargestellt.  Gewinn / Ver-
       Wirtschaftlichkeit                 lust
                                          In der Darstellung des Themas spielt neues, wissenschaftliches Wissen eine zent-
       Fortschritt                        rale Rolle.  Innovation
                                          Das Thema wird aus einer personalisierten Perspektive der individuellen Betroffen-
       Personalisierung                   heit dargestellt.  Betroffenheit, Emotionen
                                          Das Thema wird vor dem Hintergrund von moralischen, ethischen und rechtlichen
       Moral, Ethik, Recht                Fragen diskutiert.  Bewertung, Diskussion, Legitimation
       Eigene Frames                      Beschreibung

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                                          Dieser Frame wird durch rechtpopulistische Parteien wie beispielsweise der AfD ge-
                                          prägt. Es wird davon ausgegangen, dass Gewaltdelikte mit Messern epidemisch zu-
                                          nehmen und dies der Zuwanderung zuzuschreiben sei. Weitere Punkte, die diesen
                                          Frame bestärken: Negativismus-Bias und Abwertung Fremdgruppe. Eine starke mo-
                                          ralische Bewertung schwingt dabei mit. Es geht nicht darum, dass die Personen
                                          Migrant*innen sind, sondern mehr um die Tatsache, dass sie als Fremdgruppe iden-
                                          tifiziert werden.
                                          Vereinfacht gesagt, geht es in diesem Frame darum, dass vermittelt wird, dass Aus-
                                          länder*innen kriminell sind. Darum wird dieser Frame auch hervorgerufen, wenn die
       «Messermigrant»                    Tatwaffe kein Messer ist. Der Name diese Frames wurde symbolisch gewählt.
                                          Wird der*die Täter*in in irgendeiner Form als Opfer dargestellt? Oder wird die Tat
                                          durch bestimmte Aspekte gerechtfertigt? Dieser Frame kann aktiviert werden, wenn
                                          beispielsweise der*die Täter*in als Opfer des Systems oder als Opfer höhere Um-
                                          stände dargestellt wird.
                                          Auch werden moralische und ethische Grundsätze in Frage gestellt. Dieser Frame
                                          ist auch aus Sicht der Nachrichtenfaktoren spannend, da etwas Unerwartetes pas-
                                          siert – Täter*in wird zum Opfer.
                                          Dieser Frame ähnelt dem David-Goliath-Frame, der nach Dahinden (2006, S. 14)
                                          zur Beschreibung von asymmetrischen Konflikten verwendet wird. Der David-Goli-
                                          ath-Frame wird aktiviert, wenn es einen Hinweis auf ungleiche Stärkenverhältnisse
       «Die Täter*innen als Opfer»        oder es einen unerwarteten Konfliktausgang gibt (2006, S. 18).
                                          Wird der*die Täter*in als grosse Gefahr für die Allgemeinheit eingestuft? Ein
                                          Mensch wird als Gefahr, die nicht unter Kontrolle gebracht werden kann, dargestellt.
                                          Dieser Frame lässt sich anhand von kriegerischen Metaphern oder Beschreibungen
                                          der Person, die sie entmenschlichen, erkennen.
       «Die Täter*in als unkontrollier-   Der Frame kann aufgrund dieser Entmenschlichung als Gegenteil vom Frame Per-
       bare Gefahr»                       sonalisierung gesehen werden: «Der Mensch als gefährliche Kampfmaschine»

      Tabelle 1: Beschreibung der Basisframes und eigener Frames

3.5   Visual-Framing-Analyse

      Obwohl gerade visuelle Frames oft besser wahrgenommen werden als jene in Texten, wird
      dem visuellen Framing zu wenig Aufmerksamkeit gegeben (Rodriguez & Dimitrova, 2011,
      S. 50). Nach Rodriguez und Dimitrova (2011, S. 51) ist einer der Hauptgründe, weshalb
      das visuelle Framing zu wenig Eingang in der Wissenschaft findet, die vorhandene Verwir-
      rung darüber, wie visuelle Frames überhaupt identifiziert werden können. Sie schlagen da-
      rum ein vierstufiges Modell zur Identifizierung und Analyse von visuellen Frames vor und
      kombinieren dabei den semiotischen Ansatz nach Barthes und die ikonografische-ikonolo-
      gische Analyse nach Panofsky. Sie gehen von folgenden vier Levels aus:

      Level 1: Bilder als denotative Systeme – wer oder was wird abgebildet und was sehe
      ich?

      Visuelle Elemente werden beschrieben und Frames durch Aufzählung der gezeigten Ob-
      jekte und diskreten Elemente identifiziert. Die Tatsache, dass Menschen nur das erkennen,
      was sie selbst kennen, sollte auf dieser Ebene beachtet werden. Das Konzept der Denota-
      tion nach Barthes fliesst hier mit ein (Rodriguez & Dimitrova, 2011, S. 53). Hier kurz eine
      Erläuterung dieser zwei Grundbegriffen der Semiotik, der Denotation und der Konnotation:
      Die Denotation ist die Grundbedeutung eines Zeichens. Ihr gegenüber liegt die Konnota-
      tion, welche die Grundbedeutung mit möglichen Assoziationen, Emotionen oder Gedan-
      kenverbindungen erweitert (Schweppenhäuser & Friedrich, 2009, S. 74). Die vor-ikonogra-
      fische Beschreibung nach Panofsky kommt hier auf der ersten Ebene ebenfalls zur Anwen-
      dung: Das Bild wird möglichst objektiv betrachtet und beschrieben. Es wird benannt, was

      ZHAW      Angewandte Linguistik
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auf dem Bild zu sehen ist, ohne dabei zu interpretieren oder Vorwissen miteinzubeziehen
(Müller & Geise, 2015, S. 187).

Level 2: Bilder als stilistisch-semiotische Systeme – redaktionelle und stilistische
Konventionen?

Diese Ebene berücksichtig redaktionelle und stilistische Konventionen. Wie ein Bild aufge-
nommen und präsentiert wird, kann eine Botschaft implizieren. Rodriguez und Dimitrova
(2011, S. 55) führen auf, dass zum Beispiel eine Nahaufnahme Intimität vermitteln kann,
wo auf der anderen Seite eine Aufnahme aus der Ferne eher Kontext oder öffentliche Dis-
tanz vermittelt.

Level 3: Bilder als konnotative Systeme – was verbinde ich mit dem Gesehenem?

Auf der dritten Ebene wird notiert, mit welchen Ideen und Konzepten das Gesehene ver-
bunden wird. Frames werden durch die Präsenz von Symbolen identifiziert (Rodriguez &
Dimitrova, 2011, S. 56–57). Hier kann wieder auf Panofsky verwiesen werden: In der iko-
nografischen Analyse folgt die Interpretation mit Einbezug von Vorwissen (Müller & Geise,
2015, S. 187). Personen, Handlungen, Orte oder Situationen werden also identifiziert und
es wird ihnen eine Bedeutung zugewiesen. Diese Interpretation knüpft an sozio-kulturelle
Konventionen und Vorwissen an und fällt dementsprechend unterschiedlich aus.

Level 4: Bilder als ideologische Repräsentation – wie interpretiere ich das Bild?

Die ideologische Bedeutung wird auf dieser vierten Ebene herausgearbeitet. Es geht da-
rum, die zugrundliegenden Prinzipien zu ermitteln. Symbole und Merkmale eines Bildes
sollen zu einer kohärenten Interpretation zusammengefügt werden, die das «Warum» hinter
der Darstellung liefern (Rodriguez & Dimitrova, 2011, S. 57). Rodriguez und Dimitrova
(2011, S. 57) listen folgende mögliche Fragen auf, die auf dieser letzten Ebene beantwortet
werden können: Welche Interessen werden durch dieses Bild bedient? Wessen Stimme
wird gehört? Welche Ideen dominieren?

Für das Sample (siehe 3.2 Sample) von 14 Artikel, welches mit diesem vierstufigen Modell
untersucht wird, wurde pro Artikel ein Datenblatt (siehe 7.3 Datenblätter Visual-Framing-
Analyse) erstellt. Auf diesen Datenblätter werden zuerst die Ergebnisse der qualitativen
Inhaltsanalyse übertragen. Danach folgt die Analyse nach den vier erwähnten Schritten. In
einem weiteren Schritt sollen Frames und Nachrichtenfaktoren benannt werden. Für letz-
tere soll der Ansatz von Bednarek und Caple (siehe 2.4 Nachrichtenfaktoren und -werte)
beachtet werden. Wenn konstruierte Nachrichtenfaktoren vorhanden sind und diese zum
Framing beitragen, soll dies ebenfalls notiert werden. Zum Schluss wird pro Artikel ein Fazit
gezogen. Verfügt ein Artikel über mehrere Bilder, so werden die Bilder nummeriert und
einzeln auf sie Bezug genommen. Die Ergebnisse werden auf den Datenblättern stichwort-
artig festgehalten.

ZHAW    Angewandte Linguistik
20

4       Ergebnisse

        Nachfolgend werden die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse (siehe 4.1 Ergebnisse
        qualitativer Inhaltsanalyse) präsentiert und dargestellt. Danach folgen die Ergebnisse der
        Visual-Framing-Analyse (siehe 4.2 Ergebnisse Visual-Framing-Analyse). Aus diesen bei-
        den Analysen wird dann abschliessend die Beantwortung der Forschungsfragen (siehe 4.3
        Beantwortung der Forschungsfragen) abgeleitet.

4.1     Ergebnisse qualitativer Inhaltsanalyse

        Die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse werden in die drei Kategorien Frames, Nen-
        nung Herkunft und Bilder unterteilt. Zur Veranschaulichung werden Diagramme und Tabel-
        len erstellt. Auffälligkeiten werden festgehalten und auf Beispiele wird eingegangen. Die
        gesamte Analyse und die daraus gewonnene Daten sind im Anhang (siehe 7.2 Codebogen
        und 7.5 Korpus) einsehbar.

4.1.1   Frames – Tages-Anzeiger

        Die Basisframes Konflikt und Moral/Ethik/Recht lassen sich in allen 19 analysierten Artikel
        vom Tages-Anzeiger finden. In lediglich einem Artikel wird der Frame Wirtschaftlichkeit co-
        diert. Der Frame Fortschritt ist in der Gewaltberichterstattung vom Tages-Anzeiger nicht
        vorzufinden. 42% der Artikel (8) verfügen über den Frame Personalisierung. Die drei induk-
        tiv bestimmten Frames, welche auf die Gewaltberichterstattung zugeschnitten sind, kom-
        men ebenfalls vor: In 20% der Artikel (4) kommt der «Messermigrant»-Frame, in 36% (7)
        der Frame «Täter*in als Opfer» und in 26% (5) der Frame «Täter*in als unkontrollierbare
        Gefahr» zum Einsatz.

        ZHAW   Angewandte Linguistik
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         20          19                         19

         18                                                                 Konflikt

         16                                                                 Wirtschaftlichkeit
         14
                                                                            Fortschritt
         12
                                                                            Personalisierung
         10
                                           8                                Moral, Ethik, Recht
          8                                                   7

          6                                                       5         Messermigrant
                                                          4
          4                                                                 Täter*in als Opfer

          2                 1                                               Täter*in als
                                    0
          0                                                                 unkontrollierbare Gefahr
                                        Tagesanzeiger

        Abbildung 1: Häufigkeiten Frames Tages-Anzeiger

        Dass der Frame «Täter*in als Opfer» in jedem dritten Artikel vorkommt, erstaunt nicht.
        Diese Täter*in-Opfer-Umkehrung entspricht den Nachrichtenfaktoren Valenz (Kontroverse)
        und Dynamik (Überraschung) und werden so gerne von Medienschaffenden aufgenom-
        men. So wird beispielsweise im Artikel T10 «Nachbarinnen heimlich gefilmt» bereits im
        Lead daraufhin verwiesen, dass es sich um ein aussergewöhnliches Tatmotiv handelt. Der
        Täter leidet unter Platzangst. Das heimliche Filmen von Frauen und die damit verbundene
        Nervosität lenken den Mann von seinen Ängsten ab. Es ist die Rede davon, dass er «seine
        Dämonen» loswerden will. Der Frame «Täter*in als Opfer» funktioniert in diesem Text sehr
        gut; der Mann wird als Opfer seiner eigenen Geschichte wahrgenommen.

        Da sich die Stichworte zur Auswahl des Korpus eher auf Gewalt- als auf Wirtschaftsdelikte
        fokussieren, war schon zu Beginn der Inhaltsanalyse klar, dass der Frame Wirtschaftlichkeit
        eher selten vorkommen wird. Dies kann also nicht per se der Tatsache zugeordnet werden,
        dass es weniger Wirtschaftsdelikte als Gewaltverbrechen gibt. Darüber kann aufgrund des
        limitierten Umfangs dieser Bachelorarbeit keine Aussage gemacht werden.

4.1.2   Frames – Blick

        Die Basisframes Konflikt und Moral/Ethik/Recht lassen sich auch beim Blick in allen 49
        analysierten Artikel finden. In 14% der Artikel (7) wird der Frame Wirtschaftlichkeit codiert.
        Der Frame Fortschritt ist auch in der Gewaltberichterstattung vom Blick nicht vorzufinden.
        65% der Artikel (32) verfügen über den Frame Personalisierung. Zu den induktiv bestimm-
        ten Frames: In 28% der Artikel (14) kommt der «Messermigrant»-Frame, in 18% (9) der
        Frame «Täter*in als Opfer» und in 40% (20) der Frame «Täter*in als unkontrollierbare Ge-
        fahr» zum Einsatz.

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 60
                                                                    Konflikt
             49                          49
 50
                                                                    Wirtschaftlichkeit

 40                                                                 Fortschritt
                                 32
                                                                    Personalisierung
 30

                                                       20           Moral, Ethik, Recht
 20
                                              14                    Messermigrant
                                                   9
 10                  7
                                                                    Täter*in als Opfer
                             0
  0                                                                 Täter*in als
                                   Blick                            unkontrollierbare Gefahr

Abbildung 2: Häufigkeiten Frames Blick

In Artikel B32 wird der «Messermigrant»-Frame sogleich durch eine Klimax im Titel «Der
Islamist kam, sah und stach zu» hervorgerufen. Spannend bei diesem Beispiel ist, dass der
Täter Schweizer ist, dennoch aber der Frame funktioniert und durch das Wort «Islamist»
verstärkt wird. Blick schreibt nicht, dass der Mann Schweizer ist, sondern sein soll: «Er soll
einen Schweizer Pass besitzen und aus einer türkischen Familie stammen.»

Die beiden Frames «Messermigrant» und «Täter*in als unkontrollierbare Gefahr» kommen
im Artikel B36 beide vor. Blick titelt «Mord im Trainerhosen-Milieu». Diese Verallgemeine-
rung aufgrund der Kleidung stigmatisiert und wirkt diskriminierend. Ungewollt denkt man
sogleich an Menschen aus Süd- und Osteuropa. Wörter wie «rasend» und «Rache» cha-
rakterisieren den Täter als unkontrollierbar und rachesüchtig. Weiter wird der Täter, der
Italiener ist, als «Teilzeitmaler» beschrieben. Trainerhosen zu tragen und Teilzeit zu arbei-
ten, sind beides Dinge, die negativ konnotiert sind und oft mit Faulheit gleichgesetzt wer-
den.

Der Frame «Messermigrant» wird teilweise auch auf Menschen aus der Schweiz angewen-
det, so beispielsweise in Artikel B30, in welchem es um einen jungen Mann geht, welcher
eine x-beliebige Frau in ihrer Wohnung tötete. Im Artikel kommt zwar zum Ausdruck, dass
der Täter psychische Probleme gehabt habe, seinen Einsatz für Ausländer*innen und seine
Konvertierung zum Islam werden aber ebenfalls mit der Tat in Verbindung gesetzt. Dies
suggeriert, dass vor allem sein Glaube, ihn zu Bösem bewogen hat.

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