Taschenbuch der Werkzeugmaschinen
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Taschenbuch der Werkzeugmaschinen von Klaus J. Conrad 1. Auflage Taschenbuch der Werkzeugmaschinen – Conrad schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Hanser München 2002 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 446 21859 8 Inhaltsverzeichnis: Taschenbuch der Werkzeugmaschinen – Conrad
CARL HANSER VERLAG Klaus-J. Conrad Taschenbuch der Werkzeugmaschinen 3-446-21859-9 www.hanser.de
44 Bearbeitungszentren Prof. Dipl.-Ing. Klaus-Jörg Conrad unter Mitarbeit von Dipl.-Ing. (FH) Daniel Leiß Bearbeitungszentren für Fräs- und Bohrbearbeitung werden nach der Anordnung der Arbeitsspindel in horizontale Bearbeitungszentren (HBZ) und vertikale Bearbeitungszentren VBZ eingeteilt. Wesentliche Merk- male sind Werkzeugwechsler, Werkzeugspeicher und Werkstückwechsel- systeme für die hauptzeitparallele Bestückung mit Werkstücken. 44.1 Horizontal-Bearbeitungszentrum Horizontal-Bearbeitungszentren (HBZ) mit waagerecht angeordneter Arbeitsspindel unterscheiden sich in der Bauweise durch die Zuordnung der Achsen auf das Werkzeug oder auf das Werkstück und durch die Gestellbauweise. HBZ haben prinzipiell größere Werkzeugspeicher als Vertikal-Bearbeitungszentren (VBZ). Werkstückwechselsysteme sind bei den HBZ Standard. Im Großserieneinsatz reduzieren sich dadurch die W Produktionsnebenzeiten. Bild 44.1 zeigt schematisch eine Bauform als B Gantry-Maschine mit allen Achsen im Werkzeug. Das Werkstück be- findet sich auf einem Tisch, der als 4. Bewegungsachse ausgelegt ist. S Führung Führungen Arbeitsspindel mit Werkzeug Werkstück auf Rundtisch (4. Achse) Bild 44.1: Bearbeitungszentrum mit horizontaler Arbeitsspindel 44.1.1 Bauweisen der Horizontal-Bearbeitungszentren Die beiden gängigsten Ausführungen für HBZ der Gegenwart sind nach DECKEL MAHO Geretsried die Fahrständer-Bauweise und die moder-
522 Werkzeuge mit geometrisch bestimmten Schneiden nere horizontale Gantry-Bauweise (Box-in-Box-Konzept). Diese überzeugt durch: ■ höhere Dynamik der Maschine durch Minimierung der zu verfah- renden Massen und bedeutet höhere Produktivität ■ höhere Steifigkeit ■ höhere Bearbeitungsgenauigkeit ■ längere Lebensdauer Die Grundkonstruktion der Fahrständermaschine sieht die Bewegung des gesamten Ständers bei einer Positionierung in der X-Achse vor. Dies bedeutet das Beschleunigen und Abbremsen einer enormen Masse und geht in letzter Konsequenz auf die Maschinendynamik und die Lebens- dauer der betroffenen Komponenten. Bild 44.2 zeigt in einer Gegenüber- stellung beide Bauweisen. Bild 44.2: Fahrständer-Bauweise der DMC 80H hi-dyn (linkes Bild) und Gantry-Bauweise der DMC 63 H (rechtes Bild) (DECKEL MAHO Geretsried GmbH) Im Gegensatz dazu steht der Grundrahmen beim Gantry-Konzept fest. Darauf verfährt ein kleiner Rahmen im X-Bereich. Innerhalb dieses Rahmens bewegt sich der Vertikalschlitten oder Spindelträger, der in Y-Richtung verfährt und gleichzeitig in sich die eigentliche Spindel trägt. Die Spindel ist so gelagert, dass die Bewegung in der Z-Achse realisiert wird. 44.1.2 Ausstattung der Maschinen Die Ausstattung der Maschinen umfasst die im Arbeitsraum vorhandenen Elemente und Einrichtungen zur Durchführung der Fertigungsaufgaben.
44 Bearbeitungszentren 523 Das Maschinenkonzept ist ausgelegt für: ■ produktive Serienzerspanung ■ Minimierung der Nebenzeiten durch – geringe Span-zu-Span-Zeit – hohe Achsbeschleunigungen und Verfahrgeschwindigkeiten ■ hohe Produktivität und Flexibilität durch: – diverse Palettenwechselsysteme – Werkzeugmanagement – hohe Speicherkapazität des Werkzeugmagazins – 4. Achse (als NC- oder Schalttisch) zur optimalen Mehrseiten- bearbeitung ■ gleichbleibende Genauigkeit durch: – Temperaturkompensationssysteme – FEM-optimierte Maschinenkomponenten (z. B. steife Maschinen- bettstrukturen) W Zu den Einsatzgebieten gehören Fertigungsaufgaben in der Mittel- und B Großserienfertigung in den Branchen Flugzeugbau, Automobilindustrie, S Pneumatik- und Medizintechnik und in deren Zulieferunternehmen. Zur Standardausstattung gehören ein NC-Rundtisch mit formschlüssiger Palettenaufnahme und ein schneller Drehpalettenwechsler. Die Anzugs- kraft der Palette auf die Aufnahme ist sehr groß und wirkt auf jeden Auf- nahmekonus, der pro Palette viermal vorhanden ist. Bild 44.3 zeigt eine Ausführung. Bild 44.3: Palettenwechsler (DECKEL MAHO Geretsried GmbH)
524 Werkzeuge mit geometrisch bestimmten Schneiden 44.1.3 Baugruppen Die Ausführung als Horizontal-Bearbeitungszentrum erfüllt durch die Gantry-Bauweise mit stationärem Tisch die Anforderungen an Steifig- keit, Genauigkeit und Dynamik. Die Pinole für den Z-Verfahrweg ist in einem geschlossenen Vertikalschlitten angeordnet, der durch drei Linear- führungen die Bearbeitungskräfte aufnimmt. Der Arbeitsraum ist durch die Eintrittsöffnung im Gestell gut zugänglich. Bild 44.4 zeigt eine kon- struktive Ausführung dieser Box-in-Box-Bauweise mit den wichtigsten Baugruppen. Bild 44.4: Baugruppen Horizontal-Bearbeitungszentrum DMC 63 H (DECKEL MAHO Geretsried GmbH) 44.1.4 Optionen zur Grundmaschine Aufgrund des hauptsächlichen Einsatzes der HBZ in der Serienproduk- tion ist bei diesen Maschinen ein umfangreiches Optionenpaket erforder- lich, das sich im Vergleich zu den VBZ in folgenden Teilsystemen der Maschine gravierend unterscheidet: ■ Peripheriegeräte (Palettenwechselsysteme, Palettenspeicher) ■ wirtschaftliche Werkzeugwechsel-Konzepte mit stufenweise ausbau- barer Anzahl an Werkzeugen (bis zu 180 Werkzeugen als Standardoption)
44 Bearbeitungszentren 525 Bild 44.5 zeigt ein Palettenspeichersystem in Linearbauweise. Bild 44.5: Palettenspeichersystem LS7 (DECKEL MAHO Geretsried GmbH) 44.1.5 Fertigungsbeispiel Typischer Anwendungsbereich ist die Zylinderkopfbearbeitung in Bild 44.6. W B S Bild 44.6: Zylinderkopf auf DMC 80 H hi-dyn (DECKEL MAHO Geretsried GmbH) Tabelle 44.1: Fertigungsdaten Zylinderkopf (DECKEL, MAHO Geretsried GmbH) Werkstück 4 zyl. Diesel Zylinderkopf Bemerkung: Fräszeit und Bohrzeit 46 min pro Teil 2 Aufspannungen in mech. Vorrichtungen Nockenwellenbohrung Werkzeuge 50 (450 mm) auf Umschlag Werkstoff GG 25 mit MAPAL Werkzeugen Produktion 3000 Stück/Jahr 3-Schicht-Betrieb
526 Werkzeuge mit geometrisch bestimmten Schneiden 44.2 Vertikal-Bearbeitungszentrum Vertikal-Bearbeitungszentren (VBZ) haben als neues Konzept die oben liegende Gantry-Bauweise mit allen 3 Bewegungsachsen im Werkzeug. Die Führungen befinden sich auf stabilen Seitenständern. Der typische Antrieb auf beiden Seiten des Querträgers als Y-Achsenantrieb ist vor- handen. Das Werkstück wird auf einem Starrtisch aufgespannt. Als Grundkörper wird ein starres Bett in Kastenbauweise eingesetzt, auf dem die Ständer und der Tisch befestigt werden. Bild 44.7 enthält eine schematische Darstellung dieser Bauweise. FFlachführung la ch fü h r un g GGantry a n try AArbeitsspindel rb e itssp in demit l mWerkzeug it W e rk ze u g WWerkstück e rkstüc kauf a uf SStarrtisch ta rrtisch Bild 44.7: Bearbeitungszentrum mit vertikaler Arbeitsspindel 44.2.1 Bauweisen der Vertikal-Bearbeitungszentren Bei den Vertikal-Bearbeitungszentren haben sich in der Vergangenheit die Baukonzepte Konsol-, Kreuztisch- und Portal-Bauweise bewährt. Im Zuge der HSC-Frästechnologie und den daraus resultierenden höhe- ren Beschleunigungen und Eilgängen hat sich in den letzten Jahren immer stärker die sog. Gantry-Bauweise im VBZ-Bereich durchgesetzt. Diese überzeugt durch folgende Verbesserungen: ■ Minimierung der zu verfahrenden Massen ■ Effektivere Bearbeitung von großen Werkstücken (mit hoher Masse) durch feststehenden Maschinentisch und Bewegungen der Werk- zeuge in den Maschinenachsen ■ Optimale Abstimmung des Positionierprozesses, da alle zu verfah- renden Massen bekannt sind und dadurch eine optimale Abstim- mung der Maschinenparameter möglich ist
44 Bearbeitungszentren 527 Entwicklungstrends zeigen, dass zukünftig immer stärker die Anwen- dung von Linearantrieben im Werkzeugmaschinenbau Einzug halten wird. Diese birgt beim Einsatz in Verbindung mit der Gantry-Bauweise noch folgende zusätzliche Vorteile im Vergleich zu den konventionellen Kugel- rollspindeln: ■ schnellere Verfahrgeschwindigkeiten und Eilgänge ■ höhere Beschleunigungen ■ bessere Genauigkeit ■ geringere Reibung ■ niedrigerer Komponentenverschleiß ■ höhere Lebensdauer Nachteile sind jedoch auch vorhanden: ■ höherer Stromverbrauch ■ höhere notwendige Anschlussleistung ■ niedrigere Vorschubkraft W Linearantriebe haben gegenüber rotatorischen Vorschubantrieben ca. B 2,5fach höhere Eilgänge, Beschleunigungen und Vorschubgeschwindig- keiten. Die Nennleistung nimmt um das 1,5fache zu, während die Vor- S schubkraft ca. 20 % abnimmt. Beim HSC-Fräsen wird mit höheren Vor- schüben bei geringeren Spantiefen gearbeitet, so dass eine niedrigere Vorschubkraft nicht so wesentlich ist wie beim konventionellen Fräsen. Bild 44.8: Vertikal-Bearbeitungszentrum DMC 85 V linear mit Drehtischeinrichtung (DECKEL MAHO Geretsried GmbH)
528 Werkzeuge mit geometrisch bestimmten Schneiden 44.2.2 Ausstattung der Maschinen Die Ausstattung der Maschinen umfasst die im Arbeitsraum vorhande- nen Elemente und Einrichtungen zur Durchführung der Fertigungsauf- gaben. Diese werden aus einem Baukasten entnommen und entsprechen den bereits bei den HBZ beschriebenen Ausstattungen. Neben den allgemeinen vertikalen Anwendungsbereichen ist eines der Haupteinsatzgebiete der VBZ der Werkzeug- und Formenbau. Dieser Aspekt stellt weitere zusätzliche Anforderungen an das Gesamtsystem und im Speziellen an die CNC-Steuerung der VBZ: ■ hohe Konturtreue der CNC-Steuerung ■ hohe Datenübertragungsraten vom CAM-System zur CNC (z. B. durch Ethernet-Schnittstelle) ■ kurze Blockzykluszeit zur schnellen Verarbeitung der Programm- datensätze ■ Look-ahead-Funktion zur Vorausberechnung der Datensätze und automatische Anpassung der möglichen Vorschubgeschwindigkeit Bild 44.9 zeigt einen Pick-up-Werkzeugwechsler als Beispiel für eine Aus- stattungskomponente. Bild 44.9: Werkzeugwechsler im Arbeitsraum (DECKEL MAHO Geretsried GmbH)
44 Bearbeitungszentren 529 44.2.3 Baugruppen Die Grundbaugruppen der VBZ sind identisch mit denen der bereits beschriebenen Maschinenarten für Fräs- und Bohrbearbeitung. Das folgende Bild 44.10 enthält eine Ausführung der DMC 85 V linear ohne Verkleidungen mit Kennzeichnung der wichtigsten Baugruppen. Der Querschlitten enthält aufgesetzte Linearantriebe. Querschlitten Spindel Regalmagazin Bedienpult W B S Maschinenbett Drehtisch Bild 44.10: Baugruppen Vertikal-Bearbeitungszentrum DMC 85 V linear (DECKEL MAHO Geretsried GmbH) 44.2.4 Optionen zur Grundmaschine Für Vertikal-Bearbeitungszentren werden, entsprechend den Anforde- rungen in den Einsatzbereichen, folgende Optionen angeboten: ■ erhöhte Spindeldrehzahl (HSC-Frästechnologie) ■ Drehtischeinrichtungen (Klein- und Mittelserienproduktion) ■ Direkte Wegmesssysteme (Bearbeitungen mit erhöhter Genauigkeit, speziell im Werkzeug- und Formenbau) ■ innere Kühlmittelzuführanlagen ■ 4. Achsen (NC-Rundtische) für die 4-Seitenbearbeitung von kubi- schen Teilen
530 Werkzeuge mit geometrisch bestimmten Schneiden ■ Absauganlagen für die Elektrodenfertigung (Grafitbearbeitung) und die Produktion von Kunststoffteilen (z. B. Modellerzeugung) ■ Blaslufteinrichtung an der Spindel (bei Trockenbearbeitung) Diese Ausbaustufen sind der Grundstock im VBZ-Bereich. Ihr Einsatz ist abhängig vom Anwendungsbereich. Die universellen Einsatzmöglich- keiten dieser Maschinenbauart innerhalb der spanenden Fertigung sind damit gegeben. Bild 44.11 zeigt zwei Tischausführungen im Vergleich. Bild 44.11: Einsatzspezifische Starrtisch- und Drehtischeinrichtung für DMC 65 V (DECKEL MAHO Geretsried GmbH) 44.2.5 Fertigungsbeispiel Die Bearbeitung eines Integralteils ist in Bild 44.12 dargestellt. Die Ferti- gungsdaten enthält Tabelle 44.2. Bild 44.12: Integralteil auf DMC 85V linear (DECKEL MAHO Geretsried GmbH)
44 Bearbeitungszentren 531 Tabelle 44.2: Fertigungsdaten Integralteil (DECKEL, MAHO Geretsried GmbH) Werkstück Integralteil Bearbeitung Fräsen (vertikal) Fräszeit 20 min Werkzeuge 6 Werkstoff Al Si 9 Quellen und weiterführende Literatur Weck, M.: Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme 1: Maschinenarten und An- wendungsbereiche. 5. Auflage. Berlin: Springer Verlag, 1998 Weinert, K. (Hrsg.): Spanende Fertigung. 3. Auflage. Essen: Vulkan Verlag, 2001 Boetz, V.: Fertigungspraxis – CNC Bearbeitungszentren. Auswahl, Wirtschaft- lichkeitn Sonderausrüstung. Gräfeling/München: Resch Verlag, 1989 Gronies, M.: Hochdynamisch in die Horizontale. WB 133 (2000) 1 und 2, S. 64–66 W B S
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