DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater

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DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
DIE SINNE
SPIELEN

        SPIELZEIT
        2021/22
DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
VOR      STÜC
WO RTE 4
         KE  82

ENS         ABON
EM BLE 8
            NE MENTS 94

STÜC        SER
KE A-Z 21
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OPER FÖRD
& TA NZ 36
           ER KREIS 114

ZUG         TE
AB EN 40
            A M 116
DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
LIEBE FREUNDINNEN UND                                              SEHR GEEHRTE
FREUNDE DES HANS OTTO                                              DAMEN UND HERREN,
THEATERS,

die Potsdamer Schiffbauer-          Eines ist sicher: Die Rück-    zwar bin ich in den vergan-         likum und Künstler*innen.
gasse ist ein Zentrum der           kehr in den Zuschauerraum,     genen Monaten gar nicht             Und, ja, ich freue mich auch
vielfältigen brandenburgi-          die Vorfreude auf die          völlig theaterabstinent             auf die Brezel in der Pause,
schen Kunst- und Kultursze-         Theaterstücke, deren Auf-      gewesen, da es glücklicher-         denn die schmeckt im HOT
ne. Ob Festivaleröffnungen,         führung wir schon in der       weise hervorragende                 besonders gut.
der Brandenburgische                letzten Spielzeit mit Span-    Stream-Aufführungen gab
Sommerabend und natür-              nung entgegengesehen           und gibt – auch vom Hans            Mit dem Hans Otto Theater
lich die Inszenierungen des         hatten, der erste Applaus –    Otto Theater. Doch nichts           verbinde ich eine malerisch
Theaters – so viele unver-          das wird ein Fest!             ersetzt das direkte Erlebnis        gelegene Spielstätte, poli-
gessliche Momente verbin-                                          im Saal, wenn man Schau-            tisch ambitionierte Insze-
den sich mit diesem Ort am          In diesem Sinne: Auf bald      spielerinnen und Schauspie-         nierungen, Theaterleute,
malerischen Ufer der Havel.         im Hans Otto Theater!          ler erlebt, die körperliche         die mit- und sich einmi-
                                                                   Grenzen ausloten, denen             schen. Kunst muss frei sein,
Das traditionsreiche HOT                                           beim Spielen der Schweiß            und sie darf auch politisch
steht als eine der erfolg-                                         von der Stirn fliegt. Wenn          sein. Mir imponiert Thea-
reichsten Spielstätten des                                         man sieht und spürt:                ter, wenn es Haltung zeigt
Landes und als Potsdamer                                           Theater ist Leben! Das habe         und Missstände wie Antise-
Institution mit überregio-                                         ich vermisst.                       mitismus, Rassismus oder
nalem Ruf stellvertretend                                                                              Sexismus intelligent hinter-
für die Attraktivität des                                          Zuallererst freue ich mich          fragt.
hiesigen Kulturbetriebs. Die                                       für alle beteiligten Theater-
Pandemie war und ist eine                                          leute, dass in ihr Haus
tiefe Zäsur – für die Kultur-                                      wieder Menschen strömen
schaffenden wie auch für                                           und Aufführungen erleben
das Publikum. Entsprechend                                         dürfen. Ich freue mich
groß ist die Sehnsucht                                             auf exzessive Abende, auf
nach einer wieder kulturrei-                                       Inszenierungen, die Emoti-
chen Zukunft. Das neue                                             onen aus uns herauskitzeln,
Spielzeitheft ist da ein sehr                                      uns zum Lachen, Weinen,
willkommenes Zeichen der            DR. DIETMAR WOIDKE             Streiten, Jubeln bringen –          IHRE DR. MANJA SCHÜLE
Zuversicht!                         Ministerpräsident des Landes   und den anschließenden              Ministerin für Wissenschaft, Forschung
                                    Brandenburg                    Austausch zwischen Pub-             und Kultur des Landes Brandenburg

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DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
SEHR GEEHRTE                                                      LIEBES,
DAMEN UND HERREN,                                                 VEREHRTES PUBLIKUM,
LIEBES THEATERPUBLIKUM,

der fest im Kalender ver-          Vielleicht gewinnt ja gerade   die Sehnsucht nach Nähe           nen – Herzklopfen und Gän-
merkte Gang ins Hans Otto          jetzt in der aktuellen Situ-   ist nach der langen Zeit          sehaut – Endorphine und
Theater, um sich die nächs-        ation das Stadttheater         auf Distanz ins Unermess-         Erschöpfung – das Theater
te mit Spannung erwartete          mit seiner Verortung in der    liche gewachsen: einander         hat all das hautnah und live.
Premiere anzuschauen, die          Stadt wieder an Wichtig-       spüren, die Welt wieder
interessanten Gespräche            keit. Uns allen sollte be-     schmecken, alle Sinne hoch-  Viele Stücke der letzten
danach, das gemeinsame             wusst werden, dass Kunst-      leben lassen – das wäre      Spielzeit haben das Licht
Debattieren über die Auf-          und Kulturorte als Räume       jetzt ein großes Fest.       der Welt noch nicht er-
führung bei einem guten            des Austausches und der                                     blickt, erlebten bisher nur
Glas Wein und mit dem un-          Auseinandersetzung wieder      Covid-19 hat Spuren hinter- digitale Premieren oder
verwechselbaren Blick, den         mehr ins Zentrum des           lassen: in der Gesellschaft, waren in nur wenigen Vor-
man aus dem Foyer unseres          öffentlichen Lebens rücken     aber auch in jedem ein-      stellungen zu sehen. Sie
Theaterhauses am Tiefen            müssen.                        zelnen Menschen. Unsere      alle haben an zeitpoliti-
See erleben kann – das al-                                        Sinne wurden ihrer Kräfte    scher Bedeutung nichts
les vermisse ich seit vielen       Ich bleibe optimistisch und    beraubt, zugunsten der       eingebüßt: der Kampf zwi-
Monaten schmerzlich.               freue mich sehr darauf, mit    Gesundheit und des Prag-     schen den Religionen, die
                                   Ihnen allen gemeinsam in       matismus. Wut darüber        Frage nach Identität und
Noch vor über einem Jahr           hoffentlich absehbarer Zeit    machte sich bei vielen Luft. Gleichberechtigung, die
hätte ich keinen Gedanken          die Öffnung unseres Thea-      Und die politischen Lager    Immobilienkrise, die Kor-
daran verschwendet, die-           terhauses beschwingt und       drifteten noch weiter aus-   ruption und Machtspiele in
se Selbstverständlichkeit          euphorisch mit einem viel-     einander. Gleichzeitig       der Politik … Nach wie vor
einmal in Frage zu stellen.        versprechenden Programm        wurde das Leben kostbarer. ist die Welt ein verbesse-
Wir alle hätten es kaum für        zu feiern.                                                  rungswürdiger Ort, und das
möglich gehalten, dass es                                         Wie kommen wir wieder zu- Theater legt die Finger in
eine Zeit geben wird, da                                          einander? Müssen wir Nähe die offenen Wunden.
wir auf Theater verzichten                                        wieder erlernen?
müssen und uns auf das                                                                         Kommen Sie zurück in Ihr
digitale Erlebnis in den                                          Wo, wenn nicht auf der       Theater. Wir sind heiß
heimischen vier Wänden                                            Bühne, kann die Klaviatur    darauf, Sie wiederzusehen!
beschränken müssen.                IHR MIKE SCHUBERT              der Emotionen ungebremst
                                   Oberbürgermeister der          und vielfältig ausgelebt     HERZLICHST, IHRE BETTINA JAHNKE
                                   Landeshauptstadt Potsdam       werden? Schweiß und Trä-     Intendantin

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DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
ENS                                                                                                    „ Es gibt einen Moment (er
                                                                                                         gelingt nicht immer)
                                                                                                         während der Vorstellung
                                                                                                         oder auf der Probe, in dem
                                                                                                         die Figur übernimmt, wo

EM
                                                                                                         ’es einen spielt‘ – nicht im

   BLE
                                                                                                         Sinne eines Kontrollver-
                                                                                                         lustes, aber als rauschhaf-
                                                                                                         tes Glücksgefühl absoluter
                                                                                                         Gegenwärtigkeit. “

                                                                                                       „ Anrufung der Götter – die es in dieser
                                                                                                         Zahl nur hier gibt – die nicht immer
                                                                                                         antworten – aber wenn, dann – vielleicht
                                                                                                         in Sätzen – die Schauspieler*in heute

                                                                                        ULRIKE           anders spricht – einer Pause – die länger
                                                                                                         als sonst – einem Schweißperlen auf
                                                                                        BEERBAUM         die Stirn treibt – in der Anwesenheit eines
                                                                                                         Bühnentechnikers – der einem beim
                                                                                                         Abgehen, im Dunkel, zwei Sätze zumur-

O
          rt der Handlung: die Bühne. Ein nackter, kahler Raum zunächst, dunkel und                      melt – Stück Text
          verschlossen vor der Welt. Doch eine Welt für sich, wenn er am Abend er-                       Die Gottheiten dieses Hauses – die
                                                                                                         dem Feuerwehrmann – über die Schulter
          wacht, sich mit Menschen, Bildern, Tönen füllt, die alle unsere Sinne ge-
                                                                                                         linsen – die auch schon mal, unter
fangennehmen, sie bezaubern, betören, verstören und herausfordern. Denn jede*r
                                                                                                         schweren Lidern, in den Träumen von
erfährt Theater anders. Die da oben und wir hier unten. Lampenfieber trifft auf ge-                      Zuschauer*in – 14. Reihe rechts außen –
spannte Erwartung. Spiellust auf Verführtwerdenwollen. Blut, Schweiß und Tränen                          Platz nehmen – und – während wir auf
fließen, Letzteres manchmal auf beiden Seiten.                                                           der Bühne um den – Furor des erwarteten
Was aber erleben Schauspieler*innen in der Minute vor dem Auftritt? Was nehmen                           Dramas kämpfen – findet mit ihrer
sie wahr, wenn sich die Scheinwerfer auf sie richten, wie erfahren sie sich selbst im                    Hilfe – die Manifestation des nie voraus
                                                                                                         zu Denkenden – im Kopf von Abonnent*in
Moment ihrer Verwandlung auf der Bühne? Es gibt viele Antworten darauf – so viele,
                                                                                                         24. Reihe Mitte – statt – in den Reihen
wie unser Ensemble Mitglieder hat. Und doch verdichten sie sich am Ende zu einem                         zwölf fünf achtundzwanzig – und so
Wort: INTENSITÄT! Theater spielen, so scheint es, ist in seinen besten Momenten ge-                      weiter – etwas das nur in diesem Haus
steigertes Leben, das mal schmerzhaft, mal lustvoll als solches erfahren wird. Aber                      geschieht – nur jetzt – im Klang all der
lesen und schauen Sie selbst:                                                                            gesprochenen – und der noch nicht

Lasset die Sinne spielen!
                                                                                        JOACHIM          gesprochenen Sätze – im Raum erspürt –

                                                                                        BERGER
                                                                                                         unter Anwesenheit der Vielen – und
                                                                                                         morgen Abend – wieder – möglich “

                                                                                                   9
DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
„ Da fragte kürzlich jemand:                     „ Die größtmögliche eigene
              Wie schmeckt Theater?                            Offenheit suchen, Klarheit,
              Da man ja Theater nicht                          Wahrheit und radikale
              essen kann, höchstens in                         Präsenz. Körper, Text,
              ihm, zielte die Frage wahr-                      Partner*in, Publikum –
              scheinlich auf meinen                            Atmen die einzige Chance.
              persönlichen Geschmack                           Ein. Aus. Ein. Nein, es will
              von Theater. Nun, meiner                         nicht gelingen. Nochmal.
              wäre: am Puls der Zeit, mit                      Aus. Ein. Aus. Nichts ande-
              herzlichstem Lachen und                          res als das totale Jetzt
              Heulen über die Abgründe                         zulassen. Ein. Aus. Da ist es!
              und Widersprüchlichkeit                          Und weiter: Ein. Aus …
              des Homo sapiens der          LAURA              Am Ende verschwitzte
JÖRG          Gegenwart. “
                                            MARIA              Erschöpfung. Erleichterung.
                                                               Vielleicht Glück. “
DATHE                                       HÄNSEL
            „ Ich mache so gern nach                         „ Für mich riecht Theater
              Premieren nochmal einen                          nach Staub, Holz, Schweiß
              Abstecher in den Saal.                           und Schminke. Gäbe es
              Das Schlachtfeld.                                davon einen Wunderbaum,
              Die Partyreste.                                  ich würde ihn mir ins Auto
              Frisch verklungener                              hängen. “
              Applaus.
              Das Echo der Spannung,
              das noch ein bisschen
              in der Luft flirrt. “

JAN                                         JON-KAARE
HALLMANN                                    KOPPE
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DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
„ Es ist ein bisschen wie
               Bergsteigen – gleicher-
               maßen schön und anstren-
               gend. Es geht nur gemein-
               sam, mit Sorgfalt in der                    „ Theater ist wie
               Vorbereitung und verläss-
               lichen Partnern auf und
                                                             mit einem gebro-
               hinter der Bühne. Den                         chenen Herzen
               ganzen Tag gibt es diese
               Grundspannung, diese
                                                             über eine Lichtung
               Vorfreude, und dann                           zu gehen und einen
               kommt der besondere
               Moment, den ich so liebe,
                                                             Sekt zu trinken. “
               in dem die Zeit kurz still zu
               stehen scheint – höchste
               Konzentration, Ruhe und
               Einkehr bei jedem, bis end-
JANINE         lich der Vorhang sich öffnet.
               Die Reise ins Ungewisse,
                                               CHARLOTT
KRESS          das Spiel – beginnt … “         LEHMANN
             „ Bühne – dunkel, noch drei                   „ Ich höre nur ganz leise das
               Minuten, Kopf leer, ich                       Gemurmel im Zuschauer-
               denke: Ungehorsam,                            raum, während ich in der
               Zärtlichkeit, Konzentration,                  Gasse oder auf der Hinter-
               Wildheit, Augen des                           bühne im Halbdunkel
               Partners, kontrollierte                       auf meinen Auftritt warte.
               Selbstvergessenheit,                          Diese wachen, ange-
               Aggressivität, Spannungs-                     spannten Sekunden ganz
               feld mit dir – Zuschauer,                     kurz vor Beginn der Vor-
               sich ohne Deckung aus-                        stellung sind sehr einsam,
               liefern, Handwerk und                         aber wunderschön. “
               dennoch keine Rücksicht
               aufs ’Material‘, Künstler
GUIDO          und Performer sein, nicht
               Spielen spielen, Hingabe.
                                               ARNE
LAMBRECHT      Ich denke: alles Krücken.       LENK
               JETZT Rock and Roll LICHT. “

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DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
„ In den letzten Minuten vor meinem
               Auftritt schwanken meine Gefühle
               zwischen höchster Euphorie und Lust.
               Außerdem frage ich mich, warum
               ich jetzt nicht an einem Schreibtisch                    „ Die Momente der Stille:
               sitze, es würde mein Nervenkostüm
               schonen. Aber ich muss mich wohl                             Die neugierige, manchmal noch
               immer ins Abenteuer stürzen.                                 unruhige Stille des Publikums,
               Im letzten Moment, bevor zum Beispiel                        wenn das Zuschauerlicht erlischt und
                Cabaret‘ beginnt, warte ich, von                            das Stück beginnt.
               ’
               den Füßen bis in die Haarspitzen durch
                                                                            Unsere spannungsgeladene Stille
               das Kostüm und eine wunderbare
                                                                            nach dem Schluss, im Black bis
               Maske verwandelt, auf meinen ersten
                                                                            zum Applaus, manchmal unerwartbar
               Auftritt. Das Zungen-Make-up
                                                                            freundlich oder gar euphorisch,
               schmeckt nach Erdbeere. So absurd
                                                                            manchmal erwartbar verhalten.
               es ist, aber ich stehe zu diesem Zeitpunkt
               vor einer Fluchttür außerhalb des                            Die panisch verheerende, im Nach-
               Theaters, auf einer kleinen Holzplatte,                      hinein meist komische Stille zwischen
               welche auf Kieselsteinen liegt, mit                          uns Spielern, wenn etwas nicht so
               einem Kollegen der Technik. Ich höre
PHILIPP                                                     KRISTIN
                                                                            läuft, wie es laufen sollte, ein Text-
               über ein Walkie-Talkie die letzten                           sprung, ein Blackout, gefühlte Minuten

MAURITZ                                                     MUTHWILL
               Anweisungen unserer lieben Inspizientin.                     lang, in Wahrheit oft nicht mal eine
               Muss nochmal den mit Zungenblut                              Sekunde der prall gefüllten Stille. “
               angereicherten Speichel loswerden. Die
               Tür wird mir aufgemacht. Ein Schein-
               werfer lässt mich kurz erblinden, und ein
               warmer Geruch von Abendgarderobe
               der Zuschauer, gepaart mit freudig er-
               wartender Energie, kommt mir entgegen.
                                                                        „ Vor der Vorstellung sind meine Sinne
               Ich höre das Schlagzeug und beginne
                                                                          total geschärft, das kleinste Geräusch
               abzuheben. Mir bleibt nur noch, hinein-
                                                                          hört sich lauter an als sonst, kalte
               zuspringen in eine andere Zeit, eine
                                                                          oder warme Luft nehme ich stärker war,
               andere Geschichte. “
                                                                          plötzlich spüre ich viel deutlicher den
                                                                          Unterschied der einzelnen Stoffe des
                                                                          Kostüms, selbst mein Blick wird wacher –
             „ Beim Spielen ist mein                                      wachsamer.
               wichtigstes Organ die Haut.                                  Alles erscheint intensiver als sonst.
               Ich verwandle mich in
               eine Wasserpflanze, und                                      Da hilft nur: fokussieren!

FRANZISKA      die Luft wird zu Wasser.
               Alles, was passiert, bringt
                                                            NADINE          Und auf der Bühne, wenn alles passt,

MELZER                                                      NOLLAU
                                                                            fühlt es sich manchmal an wie los-
               mich oder etwas in mir                                       lassen, abgeben, frei sein. “
               in Bewegung. “

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DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
„ Als kleines Mädchen hatte                    „ Theater – das sind die
               ich meine erste Begeg-                         Blicke der Zuschauer, die
               nung mit dem Theater. An                       treffen, das Husten und
               der Hand meiner Mutter                         sich Räuspern, die Lacher,
               ging ich über dunkle Flure,                    die Gähner. Das sind die
               an den Wänden hingen                           Kollegen, ihre Sprache, die
               Tiermasken. Es war so auf-                     Körper, die sich bewegen,
               regend, mein Herz pochte                       die feinen Regungen in
               vor Anspannung und                             ihrem Gesicht, ihre Inten-
               Freude. Ich durfte die Tier-                   sität, ihre Leidenschaft
               köpfe sogar streicheln,                        und ihr Humor. Die Nähe.
               obwohl es mich etwas                           Und ich live dabei, direkt
               gruselte. So, dachte ich,                      daneben, aber trotzdem
               riecht Theater – nach                          wie im Auge des Tornados,
               Schminke, nach Kostümen                        mit allem irgendwie
               aus dem Fundus. Was für                        verbunden. Daher auch
               eine geheimnisvolle Welt!                      dieses Wahnsinnsgefühl,
BETTINA        Von da an wollte ich nur
               noch zum Theater. “
                                              HANNES          schneller, stärker und
                                                              randvoll mit allem zu sein,
RIEBESEL                                      SCHUMACHER      während man auf der
                                                              Bühne steht – weil ich in
                                                              Wahrheit dann mehr bin
             „ Du, mein größtes Opfer der                     als nur ich selbst. Oder
               Begierde. Schmeckst nach                       besser mehrere. In den
               Kippen, Kaugummi und                           guten Momenten natürlich
               Kaffee. Riechst nach: Nos-                     ... “
               talgie und neuerdings
               nach Desinfektionsmittel.
               Siehst aus wie: Licht,
               Schwarz, Licht, Staub
               tanzt durch die Luft. Fühlst
               dich an wie: pures Sein. 		                  „ Theater schmeckt
               THEATER “
                                                              wie guter Wein –
                                                              kräftig, komplex
MASCHA                                        RENÉ            und mit langem
SCHNEIDER                                     SCHWITTAY       Nachhall. “

            16                                             17
DIE SINNE SPIELEN - SPIELZEIT - Hans Otto Theater
„ Theater ist ... ins Feuer                 „ In den besten Momenten
             starren, mit Bären schmu-                   fühlt Theater sich an
             sen, vor Aufregung nicht                    wie ’verdoppeltes Leben‘.
             schlafen und vor Vorfreude                  Als würde eine Art zeitliche
             nicht essen, harte Proben                   und räumliche Verdich-
             und leicht einen sitzen                     tung einsetzen. Alle Sinne
             haben, nie sterben müssen                   arbeiten tausendfach
             und unbedingt sterben                       aufmerksamer, gleichzeitig
             müssen. Die Ernsthaftig-                    tritt der kontrollierende
             keitsangebote der Er-                       Verstand einen Schritt
             wachsenheit ignorieren                      zurück, und die Instinkte
             und niemals eine Steuer-                    übernehmen das Steuer.
             erklärung machen.                           Dann kann ich den Moment
             Oder mit den Worten des                     gleichzeitig betrachten
             weltgrößten Juxemachers:                    und ihn gestalten. Das fühlt
             ’Knallen muss es tüchtig                    sich einen Moment lang
             und lustig will ich's haben,                an wie Unendlichkeit. “
PAUL         sonst mach ich nicht mit.‘ “
                                            HENNING
SIES                                        STRÜBBE
                                                       „ Sinngespräche mit der
                                                         Inspizienz:
           „ Auf der Bühne
             zu stehen ist für                             ’Sinnen die Leute schon
                                                           da? – Der Saal fühlt sich
             mich – wenn alles                             langsam.
             stimmt – sinnlich                             Riecht die Zeit noch für
                                                           zwei Einsprechen? – Noch
             allumfassend.                                 sehn Minuten.
             Das ist meine                                 Einsprechen: Geh
             Virtual Reality.                              Schmackofatz. Geh
                                                           Schmackofatz.
             Unplugged! (mit
                                                           Zweisprechen: Da steh ich
             Suchtpotenzial) “                             nun ich Amateur und
ANDREAS                                     PAUL           bin so klug als wie zuv’hör.
SPANIOL                                     WILMS          Sitzt.‘ “

          18                                          19
STÜC
               „ vor dem auftritt. alle sinne
                 schärfen. konzentration
                 auf das jetzt im hier. das
                 schmeckt jeden abend
                 anders. die sicht immer ge-
                 weitet, die ohren rauschen
                 nicht immer, manchmal

                                                           KE
                 absolute stille. ein knistern.

                                                              A–Z
                 wo ist meine nasenspitze?
                 es geht gleich los. den
                 puls fühlen. atmen. raus.
                 unsicher sein. könig sein.
                 im kleinen groß sein. aus
                 wasser wird wein. trunken.
                 immer bei sinnen. nie mich
                 verlieren. die träne beim
                 gegenüber zaubern. immer
ALINA            bewusst sein in diesem
                 augenblick. ganz klar sein
WOLFF            im rausch. “

                                                           D
               „ Wenn ich spiele, höre ich das Rauschen            er Ton der Glocke, die im Foyer zum Beginn läutet, nachklingend im Ohr. Sit-
                 in meinen Ohren, meinen Atem,                     zen im Zuschauerraum auf samtbezogenem Stuhl. Schuhe, die auf dem Bo-
                 meine Stimme und die der Anderen auf              den scharren. Ein Programmzettel, der beim Umblättern raschelt. Jemand,
                 der Bühne, Lachen im Publikum, das
                                                           der hüstelt. Ganz nah Gespräche über Bewegendes draußen und zu Erwartendes
                 Klatschen einer Ohrfeige, das Ruckeln
                                                           drinnen. Licht, das dunkel wird oder ganz woanders angeht. Ein Geräusch, das Kon-
                 der Drehbühne, Musik, einen Schuss,
                 aufgeregtes Flüstern auf der Seiten-      zentration provoziert. In dem Augenblick beginnt etwas. Bei zwanzig Inszenierun-
                 bühne, weil die Drehbühne klemmt,         gen anders. Der Raum. Die Bilder. Sprache und Stimmen. Geräusche. Bewegungen.
                 lautes Herzklopfen, Schritte hinter der   Atmosphären. Gefühle. Situationen. Konflikte. Die Art der inneren Haltung, die Form
                 Bühne, das Klimpern eines Schlüssel-      des Schweigens. Der Ausdruck des Schmerzes, der Sehnsucht. Zwanzig Mal anders …
                 bunds auf dem Schnürboden, ein
                                                           Traurige Clowns oder einsame Königinnen. Gesellschaft prägt Menschen oder der
                 Husten, das Knistern von Bonbonpapier,
                                                           Mensch macht Gesellschaft. Klimawandel oder Karrieredenken. Auf Recht pochen
                 Erleichterung auf der Seitenbühne,
                 weil die Drehbühne wieder dreht … “       oder gegen Unrecht aufbegehren. Ein Stück Fleisch nah am Herzen schneiden oder
                                                           sein Herz verschenken. Gestrige Verletzungen verdrängen oder für den morgigen
                                                           Tag eine Vision in Worte fassen. Zwanzig Mal anders … Spannung fühlen. Emotion
KATJA                                                          PAUL
                                                           wahrnehmen. Provokation aushalten. Aus vollem Herzen lachen. Unbeantwortetes

ZINSMEISTER                                                    WILMS
                                                           weiterdenken. Sich inspirieren lassen. Zwischen Fiktion und Wirklichkeit springen.
                                                           Berührung erlauben. Gemeinsam im Theater sein.

              20
89/90                                     DER VORNAME                        MARIA STUART
von Peter Richter                      von Matthieu Delaporte und            von Friedrich Schiller
REITHALLE                              Alexandre de La Patellière            GROSSES HAUS
                                       GROSSES HAUS

   AMADEUS                                                                      MICHAEL KOHLHAAS
von Peter Shaffer                         DIE LAGE                           nach der Erzählung von
SCHLOSSTHEATER IM NEUEN PALAIS         von Thomas Melle                      Heinrich von Kleist
POTSDAM-SANSSOUCI                      GROSSES HAUS                          GROSSES HAUS

CABARET                                   DIE MITWISSER                      VÖGEL
Buch von Joe Masteroff / Gesangstexte von Philipp Löhle                      von Wajdi Mouawad
von Fred Ebb / Musik von John Kander  REITHALLE                              GROSSES HAUS
GROSSES HAUS

                                         DIE STÜTZEN DER                        VOR SONNENAUFGANG
  DAS IMPERIUM DES                     GESELLSCHAFT                          von Ewald Palmetshofer
SCHÖNEN                                von Henrik Ibsen                      REITHALLE
von Nis-Momme Stockmann                GROSSES HAUS
GROSSES HAUS
                                                                               WER HAT ANGST
                                       GENIE UND VERBRECHEN                  VOR VIRGINIA WOOLF?
DER DIENER                             von George F. Walker                  von Edward Albee
ZWEIER HERREN                          GASOMETER SCHIFFBAUERGASSE            REITHALLE
von Carlo Goldoni                      SOMMER OPEN AIR
SOMMERBÜHNE AM TIEFEN SEE

                                          GOOD. BETTER. GRETA.
   DER GEIZIGE                         von Frank Abt und Natalie Driemeyer
von Molière                            REITHALLE
SOMMERBÜHNE AM TIEFEN SEE

                                         IN DEN GÄRTEN ODER
  DER KAUFMANN                         LYSISTRATA TEIL 2
VON VENEDIG                            von Sibylle Berg
von William Shakespeare                REITHALLE
GROSSES HAUS

                                          LINDA
                                       von Penelope Skinner
                                       GROSSES HAUS
                                                                                                           Premieren

                                     22                                                               23
GOOD.                                                WER HAT
          BETTER.                                              ANGST VOR
„ Ich will,
          GRETA.                                „ Im Knochen   VIRGINIA WOOLF?
  dass ihr in Panik                               gibt es etwas …
  geratet. “                                      das Mark …
                „ Und die Antwort war:            und da müssen
                  klar, das Paradies. “ 89/90     Sie hin. “                      DIE
                                                                                  STÜTZEN
                                                                                  DER
                    DAS                            „ Wir kommen schon noch        GESELLSCHAFT
                    IMPERIUM                         raus aus dieser Totengruft. “
                    DES
   „ Man soll nur   SCHÖNEN
     Fragen stellen, auf die
     es schmerzfreie                                                      „ Hamlet ist LINDA
                                                         DIE                langweilig.
     Antworten gibt? “                          „ Ich will LAGE
                                   DER            in meinem Leben           Eine Wichsparty
                                   KAUFMANN       wohnen,                   für Jungs. “
                                   VON
„ Hat nicht auch ein Jude Hände,   VENEDIG        nicht in Räumen
  Körper, Sinne, Triebe, Leidenschaften. “        leben “
                                                                               VOR
                           IN DEN GÄRTEN                  „ Du darfst nicht SONNENAUFGANG
                           ODER LYSISTRATA                  immer so hässlich sein “
           „ Ich gehe los, TEIL 2
             und meine Haare haben                                          MICHAEL
             einen solchen Elan,                „ Der Blitz, der an einem   KOHLHAAS
             dass sie eindeutig das               Wintertag vom Himmel fällt,
             interessantere Leben                 kann nicht vernichtender
             führen als ich. “                    treffen, als mich dieser Anblick. “

                     24                                              25
89/90 von                                         AMADEUS von                                         CABARET Musical – DAS IMPERIUM
Peter Richter / Theater-  Peter Shaffer / Deutsch
fassung von Fanny Brunner von Nina Adler
                                                                                                      Buch von Joe Masteroff /
                                                                                                      Gesangstexte von
                                                                                                                               DES SCHÖNEN
                                                                                                                                                             von Nis-Momme
und Christopher Hanf                                                                                  Fred Ebb / Musik von John
                                                                                                                                                             Stockmann
                                                                                                      Kander

                                                      PREMIERE                                                                                                   PREMIERE

Sie sind 16 – und vor ihnen breitet sich          Im Wien der 1780er Jahre gilt der Hofka-            Das Musical „Cabaret“ erlangte durch die            Welch eine spannende Reise! Die Brüder
das Leben aus. Doch ihr Land, die DDR,            pellmeister Antonio Salieri als der größ-           Verfilmung mit Liza Minelli Kultstatus. Es          Falk und Matze sind mit ihren Familien vor
liegt im Sterben. Es ist der Sommer 89.           te Komponist. Zeitgleich ringt das frü-             führt in die pulsierende Hauptstadt Ber-            wenigen Stunden in Japan angekommen –
Überall ist von Widerstand und Auf-               here Wunderkind Wolfgang Amadeus                    lin, die um 1930 greller und haltloser als          der eine ein wohlhabender Philosophie-
bruch die Rede. Auf den Demonstrati-              Mozart um Anerkennung. Sein exaltier-               jede andere Stadt permanent im Erre-                dozent und der andere auf die Unterstüt-
onen wird erst „Freiheit“ gerufen, bald           tes Verhalten schockiert den Hof, aber              gungszustand war und für sexuelle Frei-             zung seines Bruders angewiesen. Falks
aber vor allem: „Deutschland“ und „West-          seine Kompositionen glänzen in genia-               zügigkeit stand. Ein Conférencier herrscht          Selbstverständnis beruht auf der Aner-
geld“. Während die Jugendlichen nachts            ler Vollendung. Salieri vernimmt in ihnen           über die Vergnügungswelt des Cabarets,              kennung durch die anderen. Schwierig
in Kneipen über eine bessere Gesellschaft         die Stimme Gottes und fragt sich, warum             wo Cliff Bradshaw den Star des Kit-Kat-             nur, dass Matzes neue Freundin Maja da
diskutieren, drängen immer mehr Glat-             es nicht ihm selbst, sondern Mozart ge-             Klubs Sally Bowles kennenlernt und Ins-             nicht mitmacht und das seit Jahren ein-
zen mit Baseballschlägern auf die Stra-           geben ist, solch göttliche Musik zu kom-            piration für seinen neuen Roman findet.             studierte Familienspiel ins Wanken bringt.
ße. Es kommt zu blutigen Schlachten               ponieren. Dazu verdammt, die eigene                 Cliff beobachtet aber auch den rasan-               Während sich Falk mit seiner Frau Adria-
zwischen Faschos und Punks. Und dann              künstlerische Mittelmäßigkeit zu erken-             ten Wandel des politischen Klimas und               na sowie seinen Kindern Ignaz und Ismael
ist plötzlich die D-Mark da. Der Kapita-          nen, nimmt Salieri den Kampf gegen Gott             den erstarkenden Nationalsozialismus.               mit perfekt einstudierten Vorträgen auf
lismus überrollt das Land. — Die Inszenie-        auf. Jedes Mittel ist ihm recht, um die Kar-        Die Beziehung der Pensionswirtin Fräu-              die japanische Kultur vorbereitet, eska-
rung erzählt auf überraschende, atmo-             riere dieses „auserwählten Geschöpfes“              lein Schneider zu dem jüdischen Obst-               liert die familiäre Situation in der kleinen
sphärisch dichte und auch witzige Weise           zu ruinieren. Wird Salieri einen Zipfel von         händler Schultz steht genauso auf dem               Ferienwohnung zunehmend. Liebe, Hass
von einem Land im radikalen Wandel. Es            Mozarts nahender Unsterblichkeit zu fas-            Prüfstand wie Cliffs Zukunft mit Sally, als         und Misstrauen offenbaren sich schmerz-
geht um eine schwindelerregende, hoch-            sen bekommen? — Das Stück des Briten                sie ein Kind von ihm erwartet.                      haft. Eine Familie steht exemplarisch für
politische Zeit zwischen Altem und Neu-           Peter Shaffer erlebte 1979 in London seine                                                              die Weltgesellschaft. Was verbindet und
em, Verheißung und Desillusion.                   Uraufführung, die spätere Verfilmung von                                                                was trennt sie? — Nis-Momme Stockmann,
                                                  Miloš Forman wurde mit mehreren Oscars                                                                 „Nachwuchsdramatiker des Jahres 2010“
                                                  prämiert. Mit diesem Erfolgsstück ist das                                                               (Theater heute), zeigt in diesem dicht ge-
                                                  Ensemble des Hans Otto Theaters im ba-                                                                  webten Stück Menschen mit all ihren Ab-
                                                  rocken Ambiente des Schlosstheaters im                                                                  gründen, Ängsten, Konflikten, Wünschen
                                                  Neuen Palais zu Gast.                                                                                   und Träumen.

REGIE Fanny Brunner Bühne & Kostüme Daniel        REGIE Bettina Jahnke Bühne & Kostüme Juan León      REGIE Bernd Mottl Musikalische Leitung Matthias        REGIE Bettina Jahnke Bühne & Kostüme Dorit
Angermayr Musik Alex Konrad                       Musik Achim Gieseler Choreografie Annett Scholwin   Binner Bühne & Kostüme Friedrich Eggert Choreo-        Lievenbrück Musik Achim Gieseler
                                                                                                      grafie Hakan T. Aslan
                                                  SCHLOSSTHEATER IM NEUEN PALAIS
REITHALLE                                         POTSDAM-SANSSOUCI                                   GROSSES HAUS                                           GROSSES HAUS

                                             26                                                                                                         27
DER DIENER    DER                                                                                     DER KAUFMANN DER VORNAME
ZWEIER HERREN GEIZIGE Komödie                                                                         VON VENEDIG von von Matthieu Delaporte
                                                                                                                      und Alexandre de La
von Carlo Goldoni /                                    von Molière                                    William Shakespeare /
                                                                                                                                                               Patellière / aus dem
Neufassung von Martin                                                                                 aus dem Englischen von
                                                                                                                                                               Französischen von Georg
Heckmanns                                                                                             Werner Buhss
                                                                                                                                                               Holzer
                                                           PREMIERE 2022                                  PREMIERE                                                 PREMIERE

Truffaldino steht im Dienste zweier Her-               Wenn sich Vater und Sohn in die glei-          Der Geschäftsmann Antonio will seinem                    Ein Abendessen im engsten Freundes-
ren. Der eine ist Florindo, der andere Bea-            che Frau verlieben, droht Ärger. Der als       besten Freund Bassanio helfen, um die                    und Familienkreis. Der Literaturprofessor
trice, die, unter falschem Namen und als               Geizhals verspottete Harpagon plant die        reiche Portia zu freien. Doch dafür ist                  Pierre Garaud und seine Frau Elisabeth
Mann verkleidet, nach ihrem Geliebten                  Verheiratung seiner beiden Kinder, um          Kapital vonnöten. Antonio, gerade nicht                  haben ihren Jugendfreund Claude, Elisa-
Florindo sucht. Beide ahnen nicht, dass                so sein eigenes Vermögen zu vermeh-            flüssig, bittet um Kredit bei Shylock, den er            beths Bruder Vincent und dessen Lebens-
sie denselben Lakaien beschäftigen. Die                ren. Seine Tochter Elise soll ohne Mitgift     sonst als Jude bei jeder Gelegenheit be-                 gefährtin Anna zu sich nach Hause einge-
daraus folgenden Konsequenzen lassen                   die Ehe mit einem alten Witwer einge-          leidigt. Nach einem Disput unterschreibt                 laden. Weil Anna sich verspätet, kommt
nicht lange auf sich warten. Truffaldino               hen und sein Sohn Cléante eine reiche          er einen sonderbaren Schuldschein: Er                    die Konversation über ihren „Zustand“ in
gerät in zahlreiche Schwierigkeiten, um                Witwe zur Frau nehmen. Aber beide ha-          vermacht Shylock ein Pfund von seinem                    Gang – und die Frage, ob denn schon ein
beiden Herren gerecht zu werden, und                   ben ihr Herz bereits anderweitig ver-          Fleisch, sollte er nicht pünktlich das Geld              Vorname für das Baby gefunden sei. Vin-
versucht verzweifelt, sie niemals aufein-              schenkt. Auf Umwegen versuchen sie             zurückzahlen. Während Bassanios Pläne                    cent beginnt ein Ratespiel und provoziert
andertreffen zu lassen. Je tiefer er sich              nun, ihren Vater zu überlisten, um trotz       von Erfolg gekrönt sind, gehen Antonios                  mit der Bekanntgabe, dass sein noch un-
in seine Ausflüchte verstrickt, desto ver-             aller Widrigkeiten ihr Glück in der Lie-       Sicherheiten verloren. Und Shylock – ver-                geborener Sohn Adolphe heißen soll. Die
trackter werden die Situationen, in die er             be zu machen und nicht auf das ihnen           letzt durch alltägliche Demütigungen                     Debatte darüber, ob man sein Kind wie
sich hineinmanövriert – sehr zur Freude                zustehende Geld verzichten zu müssen.          und den Schmerz über seine mit einem                     Hitler nennen darf, markiert erst den An-
des Publikums.                                         Eine Kupplerin und ein Makler mischen          Christen durchgebrannte Tochter – be-                    fang einer Reihe scharfer Wortgefechte,
                                                       tüchtig mit in diesem amüsanten Intri-         harrt auf dem Schuldschein. Er zieht vor                 die im Laufe des Abends überraschen-
                                                       genspiel, das menschlichen Schwächen           Gericht und wetzt sein Messer. — Mit                     de Wahrheiten ans Licht bringen. — „Der
                                                       den Spiegel vorhält. — 2022 wird der 400.      Shakespeares Stück, das um 1596 erst-                    Vorname“ gehört seit der Uraufführung
                                                       Geburtstag des großen französischen            mals aufgeführt wurde, seziert Regisseur                 2010 in Paris zu den meistgespielten zeit-
                                                       Dramatikers Molière gefeiert, dessen be-       Malte Kreutzfeldt eine Welt, in der alle                 genössischen Komödien und wurde zwei-
                                                       rühmteste Theaterstücke am Hofe des            Werte in Geld aufgerechnet werden. Da-                   mal verfilmt.
                                                       Sonnenkönigs Ludwig XIV. das Licht der         bei offenbart eine vermeintlich tolerante
                                                       Welt erblickten.                               Gesellschaft ihre dunkle Seite: Unverhoh-
                                                                                                      lener Antisemitismus tritt zutage.

REGIE Jan Jochymski Bühne & Kostüme Theresa            REGIE Milena Paulovics Bühne Matthias Müller   REGIE & BÜHNE Malte Kreutzfeldt Kostüme Katharina        REGIE Moritz Peters Bühne & Kostüme Nehle Balk-
Steinert Musikalische Einstudierung Rita Herzog        Kostüme Pascale Arndtz                         Beth Musik & Sounds Marc Eisenschink                     hausen Musik & Sounds Marc Eisenschink

SOMMERBÜHNE AM TIEFEN SEE                              SOMMERBÜHNE AM TIEFEN SEE                      GROSSES HAUS                                             GROSSES HAUS

                                                  28                                                                                                      29
DIE LAGE von                                            DIE MITWISSER                                  DIE STÜTZEN DER GENIE UND
Thomas Melle                                            Komödie von Philipp Löhle
                                                                                                       GESELLSCHAFT VERBRECHEN
                                                                                                       von Henrik Ibsen / Deutsch                           von George F. Walker /
                                                                                                       von Angelika Gundlach                                Deutsch von Frank Heibert

    PREMIERE                                                PREMIERE                                       PREMIERE

Der Wohnungsmarkt ist zum Schlacht- Theo hat einen neuen ständigen Begleiter:                          Karsten Bernicks Credo lautet: Wenn die              Ein Motel irgendwo in Amerika. Hier stran-
feld geworden. Wohnungsbesichtigun- Herrn Kwant. Diese Person hilft ohne ei-                           Wirtschaft floriert, profitiert die ganze            den zwei Kleinkriminelle, die eigentlich ein
gen gleichen Castingshows. Lange War- gene Ansprüche mit Informationen und                             Gesellschaft davon. Der erfolgreiche Un-             Restaurant abfackeln sollten. Doch weil
teschlangen vor den Eingangstüren, Diensten in jeder Lebenslage. Theo ist völ-                         ternehmer und Politiker ist auf ein gutes            sie gegen Gewalt sind, haben sie nur die
überdimensionierte Bewerbungsmappen lig begeistert, und auch seine Frau Anna                           Image angewiesen, weil er zur Durch-                 Köchin gekidnappt. Ihre Auftraggeberin
und intime Fragen, denen sich niemand lernt nach anfänglicher Skepsis die Vor-                         setzung seines neuesten Stadtentwick-                Shirley ahnt sofort, dass das ein großer
entziehen kann. Die Konkurrenz ist hart, züge Herrn Kwants zu schätzen. Einige Zeit                    lungsprojekts korrupte Machenschaften                Fehler war, denn die Köchin ist Amanda,
und nur die Besten haben eine Chance später führt dessen Existenz zu weitrei-                          anwendet. Da kommt es für ihn höchst                 die Tochter eines Mafiabosses. Amanda
auf ihre Traumwohnung. Die Nerven lie- chenden Veränderungen in Theos Leben,                           ungelegen, dass gerade jetzt sein Schwa-             entkommt und schließlich brennen zwei
gen blank, es gilt, sich im wahrsten Sinne und er beginnt, alles mit neuen Augen                       ger und dessen Schwester nach 15 Jahren              Restaurants. Im Kampf gegen ihren ver-
des Wortes nackt zu machen. Aber wie zu sehen. — Autor Philipp Löhle notierte:                         aus Amerika zurückgekehrt sind und in                hassten Vater übernimmt Amanda das
weit sind wir wirklich bereit zu gehen, um „Dieses Stück Science Fiction spielt in                     ihrer anarchischen Art die Atmosphäre in             Kommando einer Truppe trauriger Helden,
normal leben zu können? — „Die Miete ist der Vergangenheit.“ Das greift Regisseur                      der Stadt aufmischen. Die beiden kennen              die nach dem Glück suchen. Eine absur-
die soziale Frage unserer Zeit“, heißt es in Marc Becker auf und siedelt das Gesche-                   den dunklen Fleck in Bernicks Biografie.             de, komisch-tragische Kriminalgroteske.
Thomas Melles Text, in dem es nicht nur hen in einer Vergangenheit an, in der es                       Wenn sie auspacken, wäre sein Unter-
um die ideale Lage einer Wohnung geht, noch keine Computer und Smartphones                             nehmen ruiniert. Bernick will das um je-
sondern auch um den aktuellen Stand un- gab. So erzählt der Theaterabend ganz                          den Preis verhindern. — Ibsens Stück aus
serer Gesellschaft. Poetisch überhöht und und gar analog und mit skurrilem Humor                       dem Jahre 1877 ist ein Politik- und Bezieh-
zugleich unmittelbar politisch, hat der in von den Errungenschaften und Gefahren                       ungsthriller, der hellsichtig zentrale Fra-
Berlin lebende Autor eine vielstimmige unserer digitalisierten Welt.                                   gen unserer Gegenwart vorwegnimmt:
Partitur komponiert, ein Gesellschafts-                                                                Welche Folgen bringt ein ungezügelter
panorama quer durch alle Schichten. Bit-                                                               Kapitalismus mit sich? Sind Wirtschaft
terböse beschreibt er den alltäglichen                                                                 und Moral, Pragmatismus und Ideale
Wahnsinn bei der Wohnungssuche und                                                                     vereinbar? Welche Abgründe verbergen
den langen, steinigen Weg ins neue Heim.                                                               sich hinter den scheinbar heilen Fassa-
                                                                                                       den der Mächtigen?

REGIE Elina Finkel Bühne & Kostüme Ric Schachte-        REGIE Marc Becker Bühne Harm Naaijer Kostüme   REGIE Sascha Hawemann Bühne Sascha                   REGIE Elina Finkel Bühne & Kostüme Matthias Müller
beck Choreografie Anja Kożik                            Alin Pilan Musik Johannes Winde                Hawemann, Alexander Wolf Kostüme Ines Burisch        Musik & Sounds Marc Eisenschink

                                                                                                                                                            SOMMER OPEN AIR
GROSSES HAUS                                            REITHALLE                                      GROSSES HAUS                                         GASOMETER SCHIFFBAUERGASSE

                                                   30                                                                                                  31
GOOD. BETTER. IN DEN GÄRTEN                                                                        LINDA von Penelope                                     MARIA STUART
GRETA. von Frank Abt ODER                                                                          Skinner / Deutsch von
                                                                                                   Katharina Pütter
                                                                                                                                                          von Friedrich Schiller
und Natalie Driemeyer
                      LYSISTRATA
                      TEIL 2 von Sibylle Berg
    PREMIERE                                          PREMIERE                                          PREMIERE

 Greta Thunberg bewegt etwas in uns. Ei-          Irgendwann in einer durch und durch poli-        Linda Wilde hat es bis an die Spitze ge-               Zwei Frauen ringen um die rechtmäßige
 nige sehen in ihr eine neue Jeanne d’Arc,        tisch korrekten Zukunft: Die Welt befindet       schafft. Als erfolgreiche „Senior Brand                Herrschaft über England: auf der einen
 während andere sie verteufeln. Sie aber          sich in tiefem Frieden, denn Sex und Lie-        Managerin“ in einem Kosmetikkonzern,                   Seite die von Angst getriebene amtie-
 besitzt die Kraft, allen Anfeindungen zu         be gibt es nicht mehr. Die Frauen haben          inspirierende Mutter und liebende Ehe-                 rende englische Königin Elisabeth, die
 widerstehen. Wie war es möglich, dass            die Macht übernommen. Die männliche              frau ist es ihr gelungen, Karriere und Fa-             unbedingt frei und unabhängig bleiben
 die Schülerin mit dem Schild „Skolstrejk         Spezies steht kurz vor dem Aussterben.           milie perfekt miteinander zu vereinbaren.              will und dafür mit Einsamkeit bezahlt.
 för klimatet“ zum Symbol einer ganzen            Bernd und Lysistrata unternehmen einen           Jetzt, mit Anfang 50, hat sie alles erreicht,          Auf der anderen Seite steht ihre Gegen-
 Generation wurde, die ihren Anspruch             Streifzug durch einen museumsartigen             was sie sich wünschen kann. Doch ihr Ehe-              spielerin, die schottische Regentin Maria
 auf eine lebenswerte Zukunft einfordert?         Garten der Lüste, um noch einmal zu er-          mann Neil betrügt Linda, und das Leben                 Stuart, die als Gefangene des Landes
 Was hindert uns daran, dass unser Wissen         leben, was die Menschheit früher wegen           ihrer beiden Töchter gerät in Schieflage.              ihren Anspruch auf die Krone geltend
 unser Handeln bestimmt? Welche psycho-           ihrer hormongesteuerten Erregungszu-             Auch in der Firma kriselt es. Linda soll der           macht und mit allen Mitteln um ihr Leben
 logischen Mechanismen stecken dahin-             stände so alles zu erleiden hatte. Denn          neuen Generation weichen und wird von                  kämpft. Aufgerieben zwischen ihren Rat-
 ter? Und wo stehen wir jetzt, nach dem           die Umsetzung dessen, was in Filmen und          einer jüngeren Konkurrentin vom Thron                  gebern und deren politischen Interessen,
 Ausbruch des Coronavirus, der plötzlich          Büchern so romantisch gewirkt hatte, mu-         gestoßen. Privat und beruflich aus der                 scheitern beide Frauen. Maria Stuart ver-
 alles zum Erliegen brachte? Durch die Fol-       tete eher kläglich an und endete gewöhn-         Bahn geworfen, gerät ihr Bilderbuchle-                 liert ihren Kopf, Elisabeth ihren engsten
 gen des Klimawandels ist die Lage für die        lich in Krisen, Katastrophen oder sexuel-        ben aus dem Lot. Dennoch ist sie nicht                 Vertrauten.
 Menschen im globalen Süden unumkehr-             ler Ödnis. — Mit Witz und sarkastischer          bereit aufzugeben. — Mit Sensibilität
 bar existenziell bedrohlich. Greta sagt:         Schärfe erzählt Sibylle Berg von der Lie-        und bissigem Humor beschreibt Pene-
„Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ Aber       be als Kampfzone, als Leistungsshow mit          lope Skinner, eine der führenden bri-
 reicht diese Panik, um nachhaltig etwas          akrobatischen Vortäuschungsnummern               tischen Gegenwartsdramatikerinnen,
 zu verändern? Regisseur Frank Abt und            zur Lustmaximierung und Bestätigung ei-          weibliche Verhaltensmuster in Beruf, Fa-
 Dramaturgin Natalie Driemeyer gehen              nes eigentlich tief verunsicherten Egos. Es      milie und Gesellschaft. Dabei umschifft
 mit dem Ensemble auf eine Recherche-             geht um Geschlechterrollen, Geschlech-           sie geschickt die Klippen des Klischees
 reise ins Ungewisse.                             terliebe und Geschlechtsverkehr.                 und entwirft ein hochaktuelles Spiel um
                                                                                                   Schönheits- und Jugendwahn, Demüti-
                                                                                                   gung und Verrat.

REGIE Frank Abt Bühne & Kostüme Susanne           REGIE Anna-Elisabeth Frick Bühne & Kostüme       REGIE Annette Pullen Bühne & Kostüme Iris Kraft        REGIE Alice Buddeberg Bühne & Kostüme Martina
Schuboth Musik Moritz Krämer und Francesco        Mariam Haas, Martha Pinsker Choreografie Berit                                                          Küster Musikalische Leitung & Komposition Stefan
Wilking (Die höchste Eisenbahn)                   Jentzsch                                                                                                Paul Goetsch

REITHALLE                                         REITHALLE                                        GROSSES HAUS                                           GROSSES HAUS

                                             32                                                                                                      33
MICHAEL                                             VÖGEL von Wajdi                                    VOR                                           WER HAT ANGST
KOHLHAAS nach                                           Mouawad / aus dem Fran-
                                                        zösischen von Uli Menke
                                                                                                       SONNENAUF-                                    VOR VIRGINIA
der Erzählung von
Heinrich von Kleist
                                                                                                       GANG von Ewald                                WOOLF? von
                                                                                                       Palmetshofer / nach                               Edward Albee
                                                                                                       Gerhart Hauptmann
    PREMIERE                                                                                               PREMIERE                                          PREMIERE

Die Decke der Zivilisation ist dünn: In nur             Es ist wie ein „Big Bang“, als sich Wahida     Thomas Hoffmann steigt durch seine Hei-           Im Anschluss an eine Universitätsparty
kurzer Zeit wird ein liebender Familienva-              und Eitan in einer New Yorker Bibliothek       rat mit der Unternehmertochter Martha             empfangen Martha, die Tochter des Rek-
ter und aufrechter Bürger zum wütenden                  begegnen, wo ein Buch zum Ursprung             Krause gesellschaftlich auf. Die Position         tors, und der Geschichtsdozent Geor-
Mordbrenner, der das ganze Land mit Ter-                ihrer kraftvollen Liebe wird. Frei wie Vögel   als Firmenchef ist gesichert, der Nach-           ge zuhause den Biologen Nick und sei-
ror überzieht. Der Pferdehändler Michael                fühlen sich die Amerikanerin arabischer        wuchs im Anmarsch. Die ganze Fami-                ne Frau. Das jüngere Paar ist neu in der
Kohlhaas ist einer willkürlichen Schika-                Herkunft und der jüdische Genetikstudent       lie erwartet voller Vorfreude die Ge-             Stadt und an nützlichen Kontakten in-
ne durch regionale Machthaber ausge-                    aus Berlin. Aber ihre Beziehung stößt bei      burt. Alles könnte so schön sein, aber            teressiert. Ihr Kennenlernen bei hoch-
setzt. Vor Gericht fordert er Gerechtigkeit.            Eitans Vater auf Ablehnung, und dessen         Martha kämpft mit Depressionen, Vater             prozentigen Drinks nimmt unvermutete
Durch Vetternwirtschaft in den oberen                   wütender Hass auf die Araber ist dem           Egon trinkt zu viel und Schwester Helene          Wendungen. Denn Martha und George
Kreisen wird seine Klage höhnisch abge-                 jungen Mann ein Rätsel. Eitan will sei-        steht wieder am Anfang. Und so hat An-            verstricken ihre Gäste in einen persön-
wiesen. Seine Frau will ihn im Kampf um                 nen familiären Wurzeln auf den Grund           nemarie, die Stiefmutter, alle Hände voll         lichen Zweikampf, in dem sie sich ge-
seine elementaren Bürgerrechte unter-                   gehen und in Israel seine ihm unbekannte       zu tun, um die Familie zusammenzuhal-             genseitig voller bösartiger Begierde, mit
stützen – und wird dabei tödlich verletzt.              Großmutter treffen. Als er bei einem Ter-      ten. Als Hoffmanns Studienfreund Alfred           sehnsuchtsvollem Hass und ohne Rück-
Jetzt ist die Welt für Kohlhaas endgültig               roranschlag schwer verletzt wird, bewirkt      Loth auftaucht und die politischen Po-            sicht auf Verluste aus der Reserve locken.
aus den Fugen geraten. Er verliert alles                Wahida, dass Eitans Eltern und Großeltern      sitionen der beiden aufeinanderprallen,           Meisterhaft jonglieren sie dabei mit bit-
Vertrauen in die Institutionen des Staates              im Krankenhaus zusammenkommen. Sie             droht die mühsam aufrecht erhaltene               teren Wahrheiten und erschreckenden
und sinnt nur noch auf Rache. Mit einer                 alle müssen sich der Vergangenheit stellen,    Fassade vollends zusammenzustürzen. —             Fiktionen. Niemand bleibt in dieser spä-
Bande von Landsknechten zettelt er einen                jahrelanges Schweigen brechen und die          Ewald Palmetshofers Neubearbeitung                ten Nacht verschont, in der Martha und
blutigen Guerillakrieg an. Die Stimmung                 eigene kulturelle und religiöse Zugehörig-     verlegt Hauptmanns soziales Drama „Vor            George ihr Spiel, das seit über 20 Jah-
in der Bevölkerung ist äußerst gereizt. Es              keit neu bestimmen. — Wajdi Mouawad,           Sonnenaufgang“ in die Gegenwart. Aus              ren ihre Ehe prägt, zu einem erlösenden
droht ein Bürgerkrieg. — Das Geschehen                  1968 im Libanon geboren, wuchs in Frank-       seiner Feder ist ein berührendes Famili-          Ende führen. — Das bekannteste Stück
in Kleists berühmter Erzählung aus dem                  reich und Kanada auf. Heute leitet er das      enporträt entstanden, das gekonnt den             des US-amerikanischen Autors Edward
Jahr 1810 entwickelt einen ungeheuren                   Théâtre national de la Colline in Paris,       Bogen von der Tragödie im Privaten zu             Albee (1928-2016) wurde 1962 am Billy Rose
Sog und spitzt sich mit enormer sprach-                 wo er „Vögel“ („Tous des oiseaux“) 2017 in     den Problemen unserer heutigen politisch          Theater in New York uraufgeführt. Es ist
licher wie emotionaler Wucht zu.                        eigener Regie uraufführte.                     gespaltenen Gesellschaft schlägt.                 ein fulminantes Ehedrama voller Humor,
                                                                                                                                                         Schmerz und Traurigkeit.
mit Beteiligung von Studierenden der
Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

REGIE Christoph Mehler Bühne & Kostüme                  REGIE Bettina Jahnke Bühne Juan León Kostüme   REGIE Marlene Anna Schäfer Bühne & Kostüme        REGIE Moritz Peters Bühne Juan León
Jennifer Hörr Video Stefano Di Buduo Musik David        Yvonne Theodora Storm Musik Bojan Vuletić      Juan León Musik Hekmat Alkassar
Rimsky-Korsakow

GROSSES HAUS                                            GROSSES HAUS                                   REITHALLE                                         REITHALLE

                                                   34                                                                                               35
OPER
                                                                                         THE RAPE OF
                                                                                         LUCRETIA Oper
                                                                                         von Benjamin Britten /
                                                                                         Libretto nach André
                                                                                         Obeys Schauspiel

& TA
                                                                                         „Le Viol de Lucrèce“ von

    NZ
                                                                                         Ronald Duncan / in
                                                                                         englischer Sprache mit
                                                                                         deutschen Übertiteln

                                                                                             PREMIERE 12-NOV-2021

                                                                                         Um 500 vor Christus leidet Rom unter der
                                                                                         Fremdherrschaft der Etrusker. Während
                                                                                         die Männer zum Kriegsdienst verpflich-
                                                                                         tet sind und außerhalb der Stadt lagern,
                                                                                         verlustieren sich die Frauen zu Hause. Nur
                                                                                         Lucretia, verheiratet mit General Collati-
                                                                                         nus, gilt als tugendhaft und keusch und
                                                                                         wird dadurch zum Objekt der Begier-
                                                                                         de. Der etruskische Prinz Tarquinius ver-
                                                                                         schafft sich Zutritt in ihr Schlafgemach

W
             as macht Musik mit uns, mit unserer Stimmung? Sie nimmt uns mit in eine     und vergewaltigt sie. Lucretia wählt den
             andere Sphäre. Wohin? Zeit verschiebt sich, Raum löst sich auf, „zum        Freitod und löst damit den Aufstand der
             Raum wird hier die Zeit“ … Sie versetzt uns in einen anderen Zustand. Mit   Römer aus.
Glücksgefühlen? Ja und nein. Denn auch wenn die Töne Schmerzen auslösen, spü-            Brittens Komposition von 1946 basiert auf
ren wir, dass die Seele lebt. Wir können sehen, wie das Instrument geblasen, gestri-     der Tradition von Henry Purcell und ver-
chen, geschlagen wird. Wie die Sängerin Töne produziert, wie Melodie und Rhyth-          zichtet weder auf Tonalität noch auf Me-
mus einen Tänzer in Bewegung versetzen. Funken springen über, ihre Energie und           lodien. Ein Erzähler und eine Erzählerin,
Strahlkraft strömen zu uns in den Saal. Unsere Sinne werden bewegt über Klang,           den Chor repräsentierend, kommentie-
Ton und Rhythmus. Der Atem stockt, der Puls setzt aus – nein, er wird beschleunigt!      ren ähnlich den Bach’schen Evangelisten
Mitatmen. Die Ohren scheinen sich zu weiten. Konzentration und Lauschen. Plötz-          das Geschehen von einem christlichen
lich dringt eine Stimme mitten ins Herz.                                                 Standpunkt aus.
                                                                                         Im Neuen Palais hängt auch jenes barocke
                                                                                         Gemälde von Artemisia Gentileschi, das        Koproduktion mit der Kammerakademie Potsdam

                                                                                         die Szene der Vergewaltigung festhält
                                                                                                                                       MUSIKALISCHE LEITUNG Douglas Boyd REGIE Isabel
                                                                                         und das Bühnenbildmotiv prägt.                Ostermann Bühne & Kostüme Stephan von Wedel

                                                                                                                                       SCHLOSSTHEATER IM NEUEN PALAIS
                                                                                                                                       POTSDAM-SANSSOUCI

                                                                                                                                  37
MAZEPPA Oper von                                                                              STRAW!NSKY
Peter Tschaikowski /                                                                          Ballette von Adriana
Libretto von Peter                                                                            Mortelliti, Uwe Scholz und
Tschaikowski und Viktor                                                                       Nils Christe / mit der Musik
Burenin nach dem Poem                                                                         von Igor Strawinsky
„Poltava“ von Alexander
Puschkin / Aufführung in
russischer Sprache mit
deutschen Übertiteln

Die Gutsbesitzertochter Maria liebt ihren                                                     Drei höchst unterschiedliche Choreogra-
wesentlich älteren Patenonkel Mazep-                                                          fien vereint dieser Ballettabend, den das
pa. Sie gibt ihm ihr Ja-Wort und wider-                                                       Philharmonische Orchester und der Pia-
setzt sich damit dem Willen ihres Vaters.                                                     nist Christopher Cartner live begleiten.
Mazeppa, Oberbefehlshaber der ukraini-                                                        Adriana Mortelliti zeigt in ihrer Urauffüh-
schen Truppen, plant indessen eine Ver-                                                       rung, wie aktuell Handlung und Motive
schwörung gegen den Zaren, die alles                                                          von „Petruschka“ heute noch sind. „Piano
und jeden um ihn herum in den Abgrund                                                         Rag Music+Tango“ des früh verstorbe-
reißen wird. Tschaikowski beschreibt den                                                      nen Uwe Scholz spielt unterhaltsam-iro-
Untergang einer alten Welt, Krieg und Um-                                                     nisch mit der vertrackten Tanzmusik, die
bruch, die Angst der Bevölkerung in Kri-                                                      Strawinsky in diesen beiden Klavierstü-
senzeiten und die nahezu unbegrenzten                                                         cken realisierte. Nils Christe entwickelt
Möglichkeiten, die nur einem Machtgieri-                                                      aus den explodierenden Rhythmen und
gen wie Mazeppa offenstehen. Skrupel-                                                         farbenreichen Klängen von „Le Sacre du
los nutzt er die Unwägbarkeiten der po-                                                       Printemps“ eine kraftvolle, überraschen-
litischen Lage zu seinem Vorteil. Marias                                                      de Choreografie. Adriana Mortelliti und
Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die                                                        Nils Christe feierten am Staatstheater
großen Erwartungen der Jugend, wer-                                                           bereits mehrfach große Erfolge.
den bitter enttäuscht, das neue System
erbt die Fehler und nie verheilten Wunden    Gastspiel Staatstheater                                                                         Gastspiel Staatstheater
des alten. Einfühlsam beleuchtet Tschai-     Cottbus                                                                                         Cottbus
kowski die Gefühle der einzelnen Figuren,
                                             MUSIKALISCHE LEITUNG GMD Alexander Merzyn                                                       MUSIKALISCHE LEITUNG GMD Alexander Merzyn
die Bewegung der Massen – und schafft        REGIE Andrea Moses Bühne Christian Wiehle                                                       CHOREOGRAFIE Adriana Mortelliti, Uwe Scholz und
damit eine große gesellschaftliche Erzäh-    Kostüme Meentje Nielsen Mitarbeit Kostüme                                                       Nils Christe
                                             Clementine Pohl Video René Liebert Lichtdesign                                                  Ballett des Staatstheaters Cottbus
lung von bestechender Aktualität.
                                             Reinhard Traub Chöre Christian Möbius                                                           Philharmonisches Orchester
                                             Choreografie Dirk Neumann                                                                       Klavier Christopher Cartner

                                             GROSSES HAUS                                                                                    GROSSES HAUS

                                        38                                                                                              39
ZUG
                                                                                     BÜRGERBÜHNE                                    BÜHNE AUF
                                                                                     in
                                                                                     Aktion
                                                                                                       in
                                                                                                       Workshops
                                                                                                                                    ZACK.
                                                                                     hautnah           Werkstätten                  HANS OTTO
                                                                                     direkt            Projekten
                                                                                                                                    IN DER STADT

AB
                                                                                                       Produktionen

   EN                                                                                 Das deutsche Wort des Jahres 2020 war
                                                                                     „Coronapandemie“, das der Jugend „lost“.
                                                                                     „Mütend“ die Wortschöpfung einer Ärz-
                                                                                                                                    Sie können sich freuen! Zum Auftakt
                                                                                                                                    der neuen Spielzeit gehen wir auf Tour
                                                                                                                                    durch Potsdam und bauen unsere mobile,
                                                                                      tin. Sie zeigen, was uns umtreibt: ein Vi-    rot-zackige Minibühne an wechselnden
                                                                                      rus, das einschneidende Veränderungen         Orten dieser Stadt auf. Dort präsentieren
                                                                                      zur Folge hat. Eine Politik, der es zuneh-    Schauspieler*innen unseres Ensembles
                                                                                      mend an nachvollziehbaren Konzepten,          kurze Szenen, Monologe, Texte und Songs
                                                                                      Stringenz und Glaubwürdigkeit fehlt. Ein      als künstlerische Muntermacher und Ap-
                                                                                      Lebensgefühl des Verlorenseins und der        petithappen. Es erwartet Sie eine Wun-
                                                                                      Perspektivlosigkeit.                          dertüte kleiner anregender Theater-Über-
                                                                                      Was bedeutetet das für jede*n von uns,        raschungen, die wir Ihnen als Geschenk
                                                                                      was für unsere Stadtgesellschaft – auch       mitbringen. Kommen Sie zu uns ins Offe-
                                                                                      im Kontext einer globalen Welt? Fragen,       ne! Wir sind gespannt auf erfrischende
                                                                                      mit denen wir uns beschäftigen werden.        Begegnungen auf ungewohntem Terrain.

I
     nspirierender Bonus in vielgestaltiger Ausprägung! Perspektiven auf brennende    Gleichzeitig wollen wir wie Phönix aus
     Themen erweitern sich. Debattiert wird über den Zustand der Demokratie, nach-    der Asche steigen. Wir wollen den Atem        Die Termine und die Spielorte
     gedacht über den globalen Klimawandel und darüber, was wir dabei, dagegen,       der anderen spüren, die Wörter aus dem        werden auf unserer Website und über
dafür tun können. Persönliches kommt zur Sprache, Überraschendes verschafft           Mund unseres Gegenübers strömen se-           die Medien bekanntgegeben.
sich in Improvisationen Ausdruck, und Literarisches erlebt mit wachem Blick auf       hen. Wir wollen den Abstand aufgeben,
Geschichte und Gegenwart eine (Neu-)Entdeckung. Selbst die Möglichkeit der Be-        um uns wieder sicher zu fühlen.
teiligung eröffnet sich: Bürger*innen erobern kreative Räume.
                                                                                     Das Programm der Bürgerbühne für
                                                                                     die Spielzeit 2021/22 wird auf unserer
                                                                                     Website veröffentlicht. Es richtet sich
                                                                                     an Menschen ab 16 Jahren.

                                                                                     KONTAKT
                                                                                     m.gerlach@hansottotheater.de

                                                                                                                               41
DIE DINGE DES                                WIE SOLLEN WIR                               AG KLIMA-                                      NACHT-
LEBENS Marion                                DEN RECHTEN                                  WANDEL UND                                     SCHWÄRMER
Brasch im Gespräch mit …
                                             BEGEGNEN?                                    THEATER Offene             Late Night Theater
                                                                                                                     unplugged mit dem
                                             Diskussion mit Per Leo und                   Arbeitsgruppe für Theater-
                                                                                                                     Ensemble
                                             Mitgliedern des Ensembles                    schaffende, Expert*innen
                                                                                          und Interessierte

Worüber spricht man mit einem frem-          Zum 88. Todestag des Schauspielers Hans      Potsdam beheimatet diverse klimawis-           Lassen Sie sich überraschen von mobi-
den Menschen, den man besser kennen-         Otto, der am 24. November 1933 infolge       senschaftliche Institute und hat im Jahr       len Theater-Guerilla-Aktionen unseres En-
lernen möchte? Meist über Unverfäng-         schwerster Misshandlungen durch SA           2019 selbst den Klimanotstand ausgeru-         sembles! Mit Lust am Ausprobieren, ent-
liches: Welche Filme magst du, welche        und Gestapo verstarb, fragen wir nach        fen. Ein Umdenken und Solidarität sind         schlossen unfertig, sehr musikalisch und
Musik hörst du, was liest du so? Hinter      einem angemessenen Umgang mit der            für kommende Generationen und den              trunken vor Poesie präsentieren Schau-
den Antworten stecken Geschichten, und       Neuen Rechten. Wie sollen sich Künst-        globalen Süden überlebensnotwendig.            spieler*innen und Gäste szenische Lesun-
diese Geschichten erzählen oft mehr und      ler*innen hier positionieren? Ausgren-       Die AG trifft sich dreimal im Jahr (nun vo-    gen, Lyrik-Performances, Impro-Theater,
anderes über ein Leben, als es die Chro-     zen und verurteilen? Oder müssen wir mit     raussichtlich per Zoom) und bietet Mög-        Unplugged-Konzerte, Talkrunden und vie-
nologie einer Biografie vermag. Und so       Rechten reden, um der gesellschaftlichen     lichkeiten des Austauschs sowie der Ver-       les mehr. Frei nach dem Motto „Kurz ge-
lädt Marion Brasch ihre Gäste – bekannte     Spaltung entgegenzuwirken? Weil wir an       netzung. Alle sind herzlich eingeladen –       probt, heiß serviert!“
Gesichter aus Kunst, Kultur oder Gesell-     die Kraft des Dialogs und der besseren       ob mit Vorkenntnissen oder ohne.               In entspannter Clubatmosphäre entsteht
schaft – dazu ein, eine Lieblingsplatte,     Argumente glauben? Oder machen wir sie                                                      an wechselnden Orten – in der Reithalle
einen Lieblingsfilm und ein Lieblingsbuch    so erst salonfähig? Unser Theater befasst                                                   Box, in der Kantine OTTO oder im Glasfoyer –
mitzubringen und darüber überraschen-        sich immer wieder auch mit Stücken, in                                                      ein Möglichkeitsraum für wild Gemixtes
de Einblicke in Prägungen und Denkwei-       denen uns rechte Positionen begegnen.                                                       aller Art: mindestens einmal pro Monat
sen zu eröffnen. Marion Brasch wurde 1961    Ist das politisch korrekt? Über diese Fra-                                                  zu vorgerückter Stunde, im Anschluss an
in Ostberlin geboren. Sie ist freie Mode-    gen sprechen unsere Schauspieler*innen                                                      die regulären Vorstellungen. Komm her,
ratorin bei radioeins und Buchautorin.       mit dem Buchautor Per Leo, der die Pers-                                                    Sternschnuppe!
                                             pektive über den Theaterkontext hinaus
                                             erweitert. Für Aufsehen und kontroverse
                                             Diskussionen sorgte sein Sachbuch „Mit
                                             Rechten reden“.

                                                                                          ANMELDUNG
                                                                                          n.driemeyer@hansottotheater.de
                                             GLASFOYER                                    TERMINE IM MONATSSPIELPLAN UND
REITHALLE                                    GROSSES HAUS                                 UNTER HANSOTTOTHEATER.DE

                                        42                                                                                          43
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