KULTURSTRATEGIE DER STADT CHEMNITZ - für die Jahre 2018 bis 2030 KULTUR RAUM GEBEN
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Inhalt Präambel..........................................................................................................................4 A Kultur Raum Geben: Stadtentwicklung als kulturpolitische Aufgabe............................5 B Grundlagen und Anliegen der Strategie B1 Entstehungsprozess der Strategie..............................................................7 B2 Kulturelle Infrastruktur der Stadt Chemnitz im Jahr 2018..........................11 B3 Anliegen der Strategie............................................................................12 B4 Vision, Mission, Ziele der Strategie..........................................................12 C Themenfelder C1 Moderne(s) in Chemnitz..........................................................................19 C2 Gebt Raum! Voraussetzungen schaffen, Fördermodelle entwickeln..............22 C3 IndustrieKultur......................................................................................23 C4 Kultur- und Kreativwirtschaft als Impulsgeberin........................................24 C5 Kulturelle Bildung..................................................................................25 C6 Kulturkommunikation, Kulturmarketing und Internationale Kooperation......26 D Themenfeldübergreifende Maßnahmen und Konzeptionen D1 Neue Instrumente der Kulturförderung.....................................................28 D2 Kommunikation – Öffentlichkeitsarbeit – Marketingaktivitäten....................28 D3 Internationaler Austausch und Dialog.......................................................29 D4 Akademie für experimentelle Künste........................................................29 D5 Stadtlabor Chemnitz als Methode............................................................30 D6 Festivals und internationale Großveranstaltungen......................................31 D7 Museen, Sammlungen, Archive und Gedenkstätten...................................31 D8 Kunst im öffentlichen Raum...................................................................32 E Maßnahmen nach Themenfeldern E1 Moderne(s) in Chemnitz..........................................................................34 E2 Raum geben! Voraussetzungen schaffen, Fördermodelle entwickeln............34 E3 IndustrieKultur......................................................................................36 E4 Kultur- und Kreativwirtschaft als Impulsgeberin........................................36 E5 Kulturelle Bildung..................................................................................37 E6 Kulturkommunikation, Kulturmarketing, Internationale Kooperation............38 Arbeitsdokumente und Literatur........................................................................................39 Anlage Kunstsammlungen Chemnitz – Programmatische Überlegungen 2018 bis 2025/2030...........41 33
Präambel Kultur ist die Seele der Stadt. Theater Chemnitz mit ihren fünf Sparten, wie die Kunst- sammlungen Chemnitz, das Museum Gunzenhauser, wie Raum haben – Raum nehmen – Raum geben – Raum bekommen die Städtische Musikschule, die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv, die Volkshochschule, aber auch die priva- Mit dem Geburtsschrei verlangt das Neugeborene ernst ten Museen, wie Deutsches SPIELEmuseum e. V., Säch- genommen zu werden, verlangt seinen eigenen Lebens- sisches Eisenbahnmuseum Chemnitz Hilbersdorf e. V., raum und gestaltet ihn mit Verlangen und Verweigerung, Neue Sächsische Galerie sowie die Landeseinrichtungen mit Wohlfühlen und Protest. Das bestimmt sein Leben Sächsisches Industriemuseum Chemnitz und smac – bis es als Vorfahr anderen Neugeborenen Platz macht. Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz und vie- Seine Techniken sind Kultur – Wohnen, Lernen, Essen, les andere mehr. Wir wollen mit der Strategie Bewegung Lieben, Arbeiten, Reisen, Gemeinsamkeit gestalten, schaffen, einen Anstoß, der immer wieder neue Räume Fremdes aushalten, Krieg oder Frieden schaffen … öffnet. Wir suchen eine Balance von Ruhe für das Er- reichte und nötiger Unruhe für das unbekannte Künftige. Wir sagen, es ist ein kultureller Gewinn sich Neuem zu stellen, es sich kritisch anzueignen und kultureller Ver- Bis zum Jahr 2014 noch war es notwendig, um die not- lust, aus Angst am Alten festzuhalten. Wir sagen, wir wendigen Kulturausgaben zu kämpfen bzw. diese zu ver- brauchen Mut zur Vergangenheit und zum Bewahren des teidigen. Mit solider steigender Finanzierung ist es nun Wertvollen und Mut, neues Wertvolles zu schaffen. In an der Zeit, aufzubrechen in neue Räume und Möglich- Chemnitz hat Neugierde einen neuen Stellenwert bekom- keiten. Wir finden, dass wir das beispielhaft für deutsche men. Anlässlich des 875-jährigen Stadtjubiläums ent- Kulturstädte in Angriff nehmen können. Deshalb bewer- schied der Stadtrat, nicht die üblichen Großveranstaltun- ben wir uns auch als Kulturhauptstadt Europas 2025. gen durchzuführen, sondern die Bürgerinnen und Bürger zu fragen, welche Projekte sie gern selbst gestalten wür- Wenn Kultur die Schöpfung des Menschen über die vor- den und was sie dazu an Unterstützung benötigen. Etwa gefundene Natur hinaus bedeutet, dann ist Kunst die 100 neue Ideen fanden sich aus mehr als 200 Meldun- Spitze dieser Schöpfung. Sie bezeichnet nicht nur be- gen zusammen und geben dem Jubiläum Raum, einen sonders gelungene Kulturleistungen, stand lange Zeit neuen Platz im Verständnis der Bürgerinnen und Bür- auch für Schönes und Vorbildhaftes, war aber immer ger zu finden. Kommunikation ist der Schlüsselbegriff. Auseinandersetzung durch Verstehen und Können der Neugierde einerseits, eigene Wünsche andererseits und Künstler hindurch, als Einzelleistung (z. B. Dichterin- daraus ein neues aufregendes Miteinander sowie Vertrau- nen und Dichter, Malerinnen und Maler) oder als kol- ensvorschuss sollen den täglich neuen Geburtsschrei der lektive Leistung (z. B. Orchester, Theater, Chor und Bal- Stadtseele Chemnitz und ihrer Kultur ausmachen. lett). Selbstverständlich gilt dies auch für Events und Happenings bis hin zu Flashmobs. Inzwischen haben Raum für Altbewährtes, ebenso wie Raum für Experi- wir keine gesellschaftlich verbindlichen Vorstellungen mente, Raum für Junge und Alte, Raum für Ungeduld mehr vom „Guten, Wahren und Schönen“. Aber in der und Raum für Entschleunigung, Raum für Selbstverwirk- Kommunikation reflektieren wir immer wieder diese lichung und Raum für Gemeinschaft – „Raum geben“ ist Kernbegriffe und geben ihnen Raum. städtische Kulturpolitik, Raum zum Scheitern inklusive. Wir bauen auf die verwobenen künstlerischen Leistun- gen in einem soziokulturellen Zentrum oder im Thea- Deshalb versteht sich die Kulturstrategie – wie Fach- ter, wo viele Gewerke sich dem Ziel unterordnen, ge- konzepte anderer städtischer Bereiche – als Teil der meinsam Kunst für das Publikum zu schaffen. Und galt Chemnitz-Strategie, die sich kommunikativ in alle Be- lange der Slogan „Kunst für Alle“ – so erweitern die reiche einbringen kann. digitalen Möglichkeiten dies jetzt zu „Kunst von Allen Deshalb haben wir zur Beratung der Strategie keine Spar- und für Alle“, von der spontanen Liebhaberei bis zur ten als isoliert behandelt, sondern Arbeitsgruppen für Meisterschaft. Alle künstlerischen Ansätzen in ihrer Handlungsfelder gebildet und übergreifende Aufgaben spezifischen Art zu würdigen, ihnen Raum zu schaf- definiert. Wir sind stolz auf die vielen privaten Leistun- fen und sie zu anderen kulturellen Ausdrucksformen gen, auf die Leistungen der Jugend- und der Soziokultur, in Beziehung zu setzen, hat sich die Kulturstrategie auf unsere großen städtischen Einrichtungen, wie die 2018 – 2030 zum Ziel gesetzt. 44
A Kultur Raum Geben: Stadtentwicklung als kulturpolitische Aufgabe Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Ge- samtheit der unverwechselbaren geistigen, materiel- Vielfalt, Austausch und Wandel bereichern das Leben in Gesellschaften, denn die Diversität menschlicher Er- len, intellektuellen und emotionalen Aspekte ange- fahrungen und Vorstellungen zeigt sich so als kreativer sehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Schatz, auf welchem Gesellschaften ihre Zukunft auf- Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst bauen können. und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditio- Unsere Aufmerksamkeit in dieser Kulturstrategie gilt nen und Glaubensrichtungen. (UNESCO)1 den Prozessen des Kulturschaffens, nicht nur deren Ergebnissen. In einem solchen Verständnis von Kultur Kultur schließt alle Bereiche des Lebens ein und steht erhält das kreative Miteinander einen neuen Stellen- allen Menschen gleichermaßen offen. Sie ist grundle- wert. Das ermöglicht uns, Kultur und Kulturschaffen als gend und existentiell für unser Leben, als Individuum Netzwerkleistung zu begreifen – sei sie analog, sei sie wie als Gemeinschaft. In ihr kommen die Kreativität digital. Und so öffnen wir Räume für Kulturbegegnung und Problemlösungskompetenz der Menschen zum Aus- ohne Schwellenangst. druck. Die menschliche Kreativität stellt ein überall vor- handenes und erneuerbares Potential dar, sie befähigt Culture lies at the heart of urban renewal and inno- Menschen, ihr Leben entsprechend ihren Bedürfnissen vation. [...] Culture and cultural diversity have been und gleichzeitig verträglich und nachhaltig zu gestal- the key drivers of urban success. […] Culture em- ten. Wenn wir von Kultur sprechen, beschreiben wir, wie bodies the soul of a city, allowing it to progress and Menschen leben und wie sie in Gemeinschaft handeln, build a future of dignity for all. A human centered wie sie die sie umgebenden Erscheinungen verstehen city is a culture-centered space.3 und wie sie ihnen Bedeutung zuschreiben. Kultur ist menschengemacht, sie wurzelt in der Geschichte, ver- Die Stadt ist seit jeher ein Gedankengebäude, das kon- dichtet sich oftmals in Symbolen und Ritualen, prägt krete räumliche Form angenommen hat. Menschen Identität und praktisches Wissen.2 Zwischenmenschli- bauen Städte, um kulturspezifischen Entwicklungen che Begegnungen unter kulturellen Vorzeichen und kre- Ort und Raum zu geben: als Schutzraum, als Handels- ative Zusammenarbeit schaffen Räume für Gemeinsam- platz, als politischen Ort. An solchen Orten und in sol- keit und Verständigung. Kultur ist niemals starr, denn chen Räumen entwickelt sich eine zukunftsorientierte wie die kulturellen und gesellschaftlichen Erscheinun- kulturelle Eigendynamik, die Ideen und Erfindungen gen selbst befinden sich Kultur und unsere Vorstellun- nach sich zieht. Im Stadtraum begegnen sich gesell- gen davon in stetigem Wandel. Der lebendige Austausch schaftliche Idealvorstellungen und lebenspraktische innerhalb und zwischen Gesellschaften, das Eintauchen Notwendigkeiten. Städte sind somit zugleich Ausdruck in die Vielfalt der Kulturen inspiriert das Individuum. von Ideen zum guten Leben und Möglichkeitsraum menschlicher Entwicklung. Weil wir Stadt und Kultur 1 Deutsche UNESCO-Kommission, Hrsg. (1983): Weltkonferenz über zusammendenken, sind wir überzeugt, dass Stadt von Kulturpolitik: Schlussbericht der von der UNESCO vom 26. Juli bis Menschen und für die Menschen gemacht ist. Die Stadt 6. August 1982 in Mexiko-Stadt veranstalteten internationalen Konferenz. München: Saur. UNESCO-Konferenzberichte Nr. 5.121. 2 3 Andreas Reckwitz (2006): Die Transformation der Kulturtheorien: Irina Bokova (2016): “Foreword.” In: Culture: Urban Future. Global Zur Entwicklung eines Handlungsprogramms. Weilerswist: Velbrück. Report on Culture for Sustainable Urban Development. Paris: UNESCO. 5. 55
A Ku ltu r Ra u m Ge b e n : Stad t e n t wi c k lu n g a l s k u lt u r p ol it is c h e A u f g a b e der Gegenwart ist das Labor der Ideen für eine zukunfts- Stadt Chemnitz Fragen der Kulturpolitik und Fragen der fähige Gesellschaft. Sie begreift sich als Summe der Stadtentwicklung. Kultur erscheint somit als städtische in ihr wohnenden Menschen, sie geht bewusst mit ih- Querschnittsaufgabe mit dem Ziel, kulturelle Prozesse ren vielfältigen Ressourcen um, sie bleibt dem Neuen in Bewegung zu halten und immer wieder neue Räume gegenüber aufgeschlossen – und ist so gewappnet für für Kulturelles zu erschließen: Raum Geben, Fördern, die Herausforderungen, die der stete Wandel mit sich Kommunizieren, Vernetzen und Bilden sind die Grund- bringt. pfeiler, auf denen städtische Ermöglichungsstrukturen und -routinen aufbauen. Die Kulturstrategie leitet die Dem wird die Stadt Chemnitz gerecht, indem sie Kul- mit dem Kulturschaffen und der Kulturarbeit im weites- tur in ihren Stadtentwicklungsvorhaben zentral positio- ten Sinne befassten Akteur/innen dabei, „kultursensible niert und damit kommunalpolitisch in vielerlei Hinsicht Entwicklungsstrategien“ zu entwickeln5 und in transkul- Neuland erschließt. Sie erklärt Kultur in ihrer Vielfalt turellen, generationenübergreifenden, lokalen und glo- und Breite zu einem Motor der Stadtentwicklung und balen Dialogen Szenarien der zukunftsfähigen Stadt zu unterstützt die notwendigen Strukturen für Kreativi- entfalten. Die Kulturpolitik der Stadt Chemnitz zielt da- tät, Teilhabe und Nachhaltigkeit. Die Stadt Chemnitz rauf ab, für solche Szenarien strategische Zielvorgaben erschließt das Potential von Kultur für nachhaltige zu definieren und dementsprechend strukturelle Vor- Stadtentwicklung, indem sie sich neuen Ideen öffnet aussetzungen zu gewährleisten und die intellektuellen, und Akteure aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft technischen, finanziellen und räumlichen Ressourcen einbindet, indem sie neuartige Orte und Formate für die für die Entfaltung der Kreativität der Stadtgesellschaft Kultur (in) der Stadt schafft und innovative Förderinst- bereitzustellen. rumente zum Einsatz bringt, indem sie bestehende Or- ganisations- und Infrastrukturen personell verstärkt und für alle Chemnitzerinnen und Chemnitzer optimale Zu- gangsmöglichkeiten zu kulturellen Aktivitäten schafft, und nicht zuletzt indem sie eine bessere internationale Sichtbarkeit anstrebt und sich in regionale, nationale und globale Zusammenhänge stellt. In der Anwendung auf menschliches Verhalten be- deutet „Kultur“ auch die Fähigkeit und Bereitschaft, als richtig erkannte Dinge in die Praxis umsetzen zu können bzw. zu wollen.4 In Chemnitz – seit jeher eine Stadt der Zuwanderung – setzt Kultur seit über 200 Jahren Zeichen für Offen- heit und Vielfalt. Darin zeigt sich die integrierende Kraft der Kultur für ein Gemeinwesen – und darin liegt das Potential der Kultur als Zukunftsressource und Innova- tionskraft in Gesellschaften. Daher ist Kulturpolitik vor- rangig als gemeinschaftstiftende Aufgabe zu verstehen, die mit künstlerischen und kreativen Möglichkeiten den Zusammenhalt und die Identität in einer europäischen Großstadt systematisch stärken will. Mit der vorliegenden Kulturstrategie verknüpft die 4 Jürgen Kopfmüller (2009): „Von der kulturellen Dimension nachhal- tiger Entwicklung zur Kultur nachhaltiger Entwicklung.“ In: Interdependen zen zwischen kulturellem Wandel und nachhaltiger Entwicklung. Hrsg. Gerhard Banse, Oliver Parodi und Axel Schaffer. Karlsruhe: Forschungszen- 5 trum Karlsruhe. 25. Ebda. 32. 66
B B1 Entstehungsprozess der Strategie Grundlagen und Anliegen der Strategie Im ersten Schritt entwickelte der Kulturbetrieb der Stadt Chemnitz eine Vorgehensstrategie und eine Pro- jektstruktur. Die Bewertung bestehender Konzepte und Die Kulturstrategie Chemnitz 2018 – 2030 baut auf laufender Entwicklungen mit Blick auf ihre Zukunfts- dem Kulturentwicklungsplan (KEP) aus dem Jahre fähigkeit war zentrales Anliegen dieser Analysephase. 2004 auf und wurde über 24 Monate hinweg in einem In dieser Phase flossen entsprechend dem zugrundelie- auf breite Beteiligung angelegten Prozess entwickelt. genden Querschnittgedanken sowohl Überlegungen der Es handelt sich bei der Kulturstrategie 2018 – 2030 vorhergehenden Kulturentwicklungsplanung in die Stra- um einen dynamischen, grundsätzlich ergebnisoffenen tegieentwicklung ein als auch Fragen, die im Rahmen Prozess der Erkenntnisgenerierung, sowohl bezüglich des Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (SEKO), der Ergebnisse als auch bezüglich der Arbeitsstrukturen der Leitbildentwicklung, dem Morgenstadtprozess oder und Themenfelder. Die Projektstruktur entstand aus der der Destinationsentwicklung durch die CWE sowie in Zusammenarbeit von Chemnitzer Kulturakteur/innen den Strategien und Entwicklungsprozessen anderer aus unterschiedlichen Bereichen mit Vertreter/innen der Gesellschaftsbereiche (z. B. Sport, Umwelt) themati- Kulturpolitik, der Wissenschaft und der Verwaltung und siert werden. Es wurden beteiligte Institutionen defi- in enger Verzahnung mit dem Kulturhauptstadtteam niert und deren Vertreter/innen zur Mitwirkung an der 2025. Die Prozessverantwortung liegt beim Kulturbe- Strategieentwicklung eingeladen. Inhaltlich wurden die trieb der Stadt Chemnitz innerhalb des Dezernates für Herausforderungen kultureller Art identifiziert, denen Bildung, Jugend, Soziales, Kultur, Sport und Gesund- sich Chemnitz im kommenden Jahrzehnt stellen muss. heit. Ein Lenkungsteam steuerte den Prozess und das Nach einer Auftaktveranstaltung und nach Tagungen Vorhaben. Ein Redaktionsteam unter Federführung der aller Kunst- und Kultursparten unter Federführung der Stadtverwaltung und mit externer Unterstützung führte Sachverständigen aus dem Kulturbeirat formierten sich die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen zusammen. Die in dieser ersten Phase auch die querschnittsorientierten Abbildungen 1 und 2 fassen den Entstehungsprozess Themengruppen und deren Leitungstandems. und die Projektstruktur grafisch zusammen. In einem zwischengeschalteten Coaching durch inter- Die Kulturstrategie Chemnitz 2018 – 2030 entstand nationale Experten im April 2017 fanden über 20 In- in einem mehrstufigen Prozess aus sechs Phasen, wel- terviews, sieben Vorortbesuche in verschiedenen Chem- che sich zwar chronologisch aufeinander beziehen, aber nitzer Kultureinrichtungen sowie ein „Get together“ so offen angelegt wurden, dass Erkenntnisse, die sich statt. Die Stadt Chemnitz als aktives Mitglied im EURO während der Strategieentwicklung ergaben und erge- CITIES Kulturforum hatte sich dafür erfolgreich um den ben, fortlaufend eingearbeitet werden konnten. In den Zuschlag im Rahmen des Europaprojektes „Culture for verschiedenen Arbeitsphasen kamen unterschiedliche Cities and Regions“ beworben.6 Methoden wie Workshops, Kulturwerkstätten, World-Ca- fés, Expertengespräche und Interviews zum Einsatz. Die Kulturstrategie wurde in einem Debattentag der Öffent- 6 Eurocities. Culture for Cities and Regions Coaching Visit to Chemnitz: One City, Two Names, One Cultural Strategy. lichkeit präsentiert, um Impulse und Rückmeldungen URL: http://www.cultureforcitiesandregions.eu/culture/case_studies aus der Stadtgesellschaft aufnehmen zu können. [Stand: 02.11.2018] 77
B Gru ndla gen u n d A n li e g e n d e r St r at e g i e Die Empfehlungen aus dem Ergebnisbericht des Bera- Adaptive Kulturstrategie tungsteams gingen in die weitere Strategieentwicklung ein. Die Prozessschritte und Bearbeitungsmethoden tragen In der zweiten Phase standen die Entwicklung einer dem Umstand Rechnung, dass sich die Stadtgesell- Vision und die Zielsetzung der Kulturstrategie im Mit- schaft permanent verändert. Um den lebendigen Pro- telpunkt. In dieser Diskussionsphase vertieften die Mit- zessen gerecht zu werden und eine hohe Flexibilität der glieder der Themengruppen mögliche Inhalte und for- Maßnahmen gemäß den kulturellen Bedürfnissen des mulierten Ergebnisse aus den Teams. Publikums zu gewährleisten, ist die Kulturstrategie agil konzipiert. Die Vielschichtigkeit der Chemnitzer Kultur Die dritte Phase war der Erarbeitung konkreter Maßnah- und die Themenvielfalt der strategischen Maßnahmen men und Projekte gewidmet, mittels derer Visionen und sind im dynamischen Aufbau der Strategie abgebil- Ziele der Strategie mit Inhalten gefüllt und Schritte zu det. Die Dokumentation des Arbeitsprozesses bleibt im deren Verwirklichung dargestellt werden können. Schon Stadtarchiv und digital erhalten und zugänglich. Die hier ergaben sich konkrete Handlungsansätze zu Maß- Kulturstrategie ist also anpassbar in den Maßnahmen, nahmen und Ideen, die als sofort umsetzbar erschienen. orientiert sich aber grundsätzlich an den Zielsetzungen In dieser Phase kristallisierten sich diejenigen Themen- für die Jahre 2018 – 2030. gruppen heraus, denen die größten Handlungsoptionen beigemessen werden. Sie sind querschnittsartig über bestehende Sparten hinweg angelegt und belegen den kooperativen Charakter der Strategie schon in der Ent- stehung. In Phase vier führte ein Redaktionsteam die vorliegen- den Ergebnisse aus den Themengruppen zusammen und integrierte Erkenntnisse aus bereits bestehenden Dokumenten. Die im Anschluss an die öffentliche Prä- sentation im Rahmen eines Debattentages vorgesehene Überarbeitung des Dokuments integrierte Kommen- tare und Anregungen aus der Stadtöffentlichkeit. Auch während dieser Schreibphase blieb die Strategie durch Einbindung der Themenfeldverantwortlichen und Aus- tausch über die Ergebnisse agil und dialogisch. Phase fünf stellt die Abschlussphase dar, die im Zei- chen der Vorstellung und Präsentation der Kulturstrate- gie in den städtischen Ämtern und Gremien steht. In einer nachlaufenden sechsten Phase ist geplant, den Umsetzungsstand der Kulturstrategie regelmäßig und professionell zu sichten und weiterzuentwickeln. Für die Phase der „Umsetzung/Evaluierung“ wird ein Evaluierungsteam aus Mitarbeiter/innen der Kulturver- waltung und aus Themenfeldverantwortlichen gebildet, unter Federführung von externer professioneller Beglei- tung. Die Evaluierung ist für die Jahre 2023 und 2027 vorgesehen und wird in geeigneter Form veröffentlicht. 88
G r u nd l a g e n u nd A nl ie g e n d e r S t r ategie B Prozess der Erarbeitung der Kulturstrategie –– Bestehendes einbinden –– Merkmale und Herausforderungen für die Kulturstadt Analysephase Chemnitz 4. Quartal 2016 –– Beteiligtenanalyse 1. bis 3. Quartal 2017 –– Darstellung Kulturverwaltung/Kulturnetzwerke –– Kulturkonzepte vergleichbarer Städte –– Projektstruktur, Projektplanung/Kommunikation –– Entwicklung und Festlegungen der (übergeordneten) –– Zielsetzungen Vision und Zielphase –– Weiterentwicklung der Themen 1. bis 3. Quartal 2017 –– Einbindung von Verartwortlichen aus der Kulturszene –– Einbindung der Ämter Maßnahmen und –– Entwicklung von Maßnahmen und Projekten Projekte (u.a. Themengruppen) –– Regelmäßige Treffen mit Akteuren der Schnittstelle 3. und 4. Quartal 2017 Kulturhauptstadt-Team und –– Planung Debattentag & Ämterbeteilung 2. Quartal 2018 –– Redaktion –– Schreiben des Konzeptes Schreibphase –– Beratungsvorlage –– Debattentag Kulturstrategie 1. und 2. Quartal 2018 –– Festlegung der endgültigen Struktur des Konzeptes (Redaktion) –– Erarbeitung Maßnahmenkatalog Abschlussphase –– Vorstellung des Konzeptes 3. Quartal 2018 –– Einarbeitung in die Kulturhauptstadt-Bewerbungs und dokumente 4. Quartal 2018 –– Beschlussvorlage –– Umsetzungsplanung Umsetzung/ –– Wirksamkeit überprüfen/Entwicklung geeigneter For- Evaluierung mate –– Prozess der Umsetzung und Nachhaltung ab 1.Quartal 2019 –– Evaluierung 2023 und 2027 99
B Gru ndla gen u n d A n li e g e n d e r St r at e g i e Projektorganisation Kulturstrategie Themengruppen Moderne(s) in Chemnitz Industriekultur Kulturelle Bildung Gebt Raum! Kultur- und Kreativ- Kulturvermittlung, Voraussetzungen wirtschaft Kulturmarketing & schaffen, als Internationale Fördermodelle Impulsgeberin Arbeit Prozessteuerung Lenkungsteam Kulturhauptstadt Leitungsteam Projekt- Redaktionsteam -Team Administration Gesamtverantwor- tung Projektleitung externe Beratung Int. Coaching und Sparten- Versammlung aller Debattentag Expertenaustausch versammlungen Teammitglieder Kulturstrategie 10 10
G r u nd l a g e n u nd A nl ie g e n d e r S t r ategie B B2 Kulturelle Infrastruktur der Der Freistaat Sachsen stellt dem urbanen Kulturraum Stadt Chemnitz im Jahr 2018 Chemnitz im Jahr 2018 eine Zuweisung gemäß Sächsi- schem Kulturraumgesetz in Höhe von fast 12 Mio. € zur Verfügung. Dank weiterer Landesförderprogramme, zum Chemnitz zeichnet sich durch seine reichhaltige Kul- Beispiel im Bereich der Kulturellen Bildung, und dem turlandschaft aus, die sich mit den Kunstsammlungen Programm zum Abbau von Investitions- und Sanierungs- Chemnitz, dem Kulturbetrieb Tietz+ sowie der Eigen- stau bei Kultureinrichtungen (Investive Verstärkungs- gesellschaft Städtische Theater gGmbH auf drei große mittel) ist die Stadt Chemnitz auch in Zukunft in der kommunale Einrichtungen und darüber hinaus auf die Lage, jährlich mit eigenen und mit Landesmitteln einen Landeseinrichtung smac – Staatliches Museum für Ar- Kulturhaushalt aufzustellen, der sich den gesellschaft- chäologie Chemnitz sowie das Sächsische Industriemu- lichen Erfordernissen und dem begründeten Bedarf an- seum als Haupteinrichtung des Zweckverbandes Indus- passt. Zuzüglich der kommunalen Eigenmittel finanziert triemuseum stützen kann und die andererseits von etwa die Stadt im Jahr 2018 mit insgesamt rund 50 Mio. € 100 geförderten Einrichtungen in freier Trägerschaft die Kultureinrichtungen und Projekte in Chemnitz. Da- lebt. Gemeinsam bieten diese Einrichtungen rund mit sind im Jahr 2018 ca. 8 % des städtischen Gesamt- 15.000 Veranstaltungen bzw. Projekte pro Jahr an.7 haushaltes der Stadt Chemnitz den Kultureinrichtungen und kulturellen Aktivitäten gewidmet. Der Kulturkalender der Stadt Chemnitz verdankt seine Vielfältigkeit nicht zuletzt den vielen impulsgebenden Aktivitäten, Projekten und Einrichtungen in nichtkom- Kurzüberblick Kultureinrichtungen munaler Verantwortung: Große Festivals wie „Schlingel mit finanzieller Beteiligung – Internationales Filmfestival für Kinder und junges Pu- der Stadt Chemnitz blikum“, „Sächsisches Mozartfest“, „Kunst- und Kul- turfestival Begehungen“ und „Tage der jüdischen Kul- a) in kommunaler Trägerschaft: tur“ werden von Vereinen getragen, was entsprechende Kunstsammlungen Chemnitz Unterstützung finanzieller und administrativer Art vor- –– Kunstsammlungen Stammhaus aussetzt. Zur Freien Kultur gehören auch die Anbieter –– Museum Gunzenhauser im Bereich der Museen und musealen Einrichtungen in –– Schloßbergmuseum mit Burg Rabenstein freier Trägerschaft, der Soziokultur, der bildenden und –– Henry van de Velde Museum darstellenden Künste, der kulturellen Filmarbeit und Das Konzept der Kunstsammlungen Chemnitz befindet -produktion, des Hörfunks und der Medienkunst, der sich in der Erarbeitung (siehe dazu erste programmati- Musik, Jugendkultur, Literatur und Heimatpflege. Um sche Überlegungen ab Seite 39). diese Initiativen langfristig zu fördern, werden seit dem Jahr 2017 mindestens fünf Prozent vom Kulturhaushalt Kulturbetrieb TIETZ+ jährlich bereitgestellt.8 Einrichtungen und Bereiche: –– Kulturmanagement/Kulturraumsekretariat für den Darüber hinaus bezieht die Chemnitzer Kulturlandschaft urbanen Kulturraum Chemnitz ihre charakteristische Lebendigkeit aus der Arbeit der –– Stadtbibliothek Chemnitz nicht geförderten Träger. Dieser Umstand macht es –– Volkshochschule Chemnitz schwierig, die Anzahl der aktiv kulturschaffenden Ini- –– Museum für Naturkunde tiativen exakt zu beziffern. Der Bereich der freien Kul- –– Städtische Musikschule turschaffenden prägt jedoch eindrucksvoll das kreative –– Stadtarchiv Chemnitz und typisch Chemnitzer Klima in der Stadt. Entwicklungskonzept „Zukunftskonzept und Handlungs strategie Kulturbetrieb Tietz+“ (B-169/2016) 7 Stadt Chemnitz (2015): Auswertung des „Chemnitzer Handlungs- modells zur Bewertung und Profilierung von Kulturarbeit in Chemnitz“, Berichtsjahre 2010 – 2012 8 Stadt Chemnitz (2015): Fünf Prozent des Kulturetats für die Förderung der freien Kultur (B-120/2016) 11 11
B Gru ndla gen u n d A n li e g e n d e r St r at e g i e Städtische Theater Chemnitz gGmbH Vertrautheit – bislang nicht im vollen Umfang am kultu- Größte Kultureinrichtung mit den Sparten Musiktheater, rellen Leben in Chemnitz teilnehmen konnten. Philharmonie, Ballett, Schauspiel und Figurentheater „Konzeption der Städtischen Theater Chemnitz gGmbH Auf stadträumlicher Ebene gibt die Kulturstrategie Im- zur Entwicklung des Theaters von 2019 bis 2022“ pulse bei der Entwicklung von Leitlinien zu gesamt (B-274/2018) städtischen Planungen sowie gesellschaftlichen Fragen der Stadtentwicklung. Der Stadtraum ist Interaktions- b) mit kommunaler Beteiligung: raum für das kulturelle Leben der Stadtgesellschaft, Industriemuseum Chemnitz im Zweckverband Sächsi- seine Qualität bedingt die Lebens- und Standortqua- sches Industriemuseum litäten der Stadt. Das reiche baukulturelle Erbe ist in Leitbild: www.saechsisches-industriemuseum.com Industriebauten, im Siedlungsbau, in der Stadtraumge- staltung und in den ikonischen Bauten der Klassischen c) Einrichtungen und Projekte in freier Trägerschaft Moderne sowie der sozialistischen Stadtplanung sicht- mit kommunaler Förderung: bar und erlebbar. Zu Redaktionsschluss 2018 wurden ca. 150 freie Kul- Dieses städtische Kulturerbe verpflichtet zu hoher bau- turträger bzw. Maßnahmen und Projekte gefördert. künstlerischer Qualität in der Stadtraumgestaltung und zu sensibler sozialplanerischer Umsetzung von Entwick- d) CWE mbH und C³ GmbH: lungsmaßnahmen. Die Stadtverwaltung implementiert Unberücksichtigt in diesem Kurzüberblick sind Veran- geeignete Instrumente zum Qualitätsmanagement und staltungen und Projekte der Chemnitzer Wirtschafts- erschließt Finanzierungsmöglichkeiten, um planerische förderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH (CWE) Maßnahmen und Entwicklungsvorhaben gemeinschafts- sowie der C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH. stärkend und identitätsstiftend umzusetzen. Beide Einrichtungen tragen mit ihren Aktivitäten im Be- reich der Veranstaltungen und Projekte zu einer leben- Auf europäischer Ebene befördert die Kulturstrategie die digen Kultur in Chemnitz bei. Exemplarisch seien an Verankerung der Stadt Chemnitz in der überregionalen dieser Stelle das Stadtjubiläum „875 Jahre Chemnitz“ und internationalen Kulturlandschaft. Interkultureller und das Projekt „Parksommer“ genannt. Austausch und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg, vielgestaltige und mehrsprachige Kommunikationsstra- tegien, das konsequente Streben nach hoher künstleri- scher Qualität im Kulturschaffen, belegt durch Preise B3 Anliegen der Strategie und Wettbewerbe, und das kontinuierliche Erschließen neuer Besuchergruppen belegen das Bekenntnis der Die Chemnitzer Kulturstrategie 2018 – 2030 tritt in Stadt Chemnitz zu ihrer Region und zu Europa. Kraft, um eine kulturelle Integration auf drei Ebenen zu befördern: Auf individueller Ebene ermöglicht sie, kulturelle Inte- B4 Vision, Mission, Ziele der ressen der Bürgerschaft zu erkennen und zu wahren. Strategie Gleichzeitig strebt sie Rahmenbedingungen an, die Kul- turelles für alle Bevölkerungsgruppen der Stadt zugäng- lich machen und zu eigener schöpferischer Tätigkeit Kurz und bündig anregen. Damit bezieht sie auch Individuen und Per- sonenkreise ein, denen die Kulturangebote in der Stadt Im Jahr 2030 nimmt Chemnitz innerhalb der europä- bislang nicht ausreichend bekannt oder zugänglich wa- ischen Kulturlandschaft eine Leitposition in der Ent- ren – sei es aus Gründen individueller Einschränkun- wicklung neuartiger partizipativer Formate der Stadtent- gen, sozio-ökonomischen Umständen oder Alter. wicklung ein, mit deren Hilfe europäische Großstädte Ebenso lädt sie Individuen und Personenkreise zur vergleichbarer Größe soziale, ökologische, logistische Teilhabe ein, die aufgrund von Einwanderung – ver- und wirtschaftliche Herausforderungen erfolgreich unter bunden mit Sprachbarrieren und fehlender kultureller Einbeziehung einer breiten Stadtgesellschaft meistern. 12 12
G r u nd l a g e n u nd A nl ie g e n d e r S t r ategie B Kultur kommt im Leben der Stadt eine innovationsge- neoliberale Maximen zur Inwertsetzung des städtischen nerierende und veränderungsbegleitende Rolle zu. Die Umfelds hinter sich und präsentiert sich auch im eu- Stadt ist Teil europaweiter Städtenetzwerke, die Men- ropäischen Kontext als von nachhaltigen, „kultursen- schen über gemeinsame Themen auf Chemnitz auf- siblen Entwicklungsstrategien”9 geleitet. Städtische merksam machen (z. B. EUROCITIES, ERIH: Europä- Kulturpolitik integriert kreative und soziale, ökologische ische Route der Industriekultur). und ökonomische Belange mit dem Ziel, zukunftsfähige städtische Lebensräume für eine resiliente Stadtgesell- schaft zu schaffen. Vision 2030 Die verantwortlichen Stellen begleiten und gestalten Chemnitz hat die demographische Herausforderung be- den Wandel, indem sie räumliche Veränderungspro- wältigt und besonders mit Blick auf die Kulturszene(n) zesse im Stadtgefüge aufmerksam wahrnehmen und in in Chemnitz sieht die Stadt alles andere als alt aus. Die fachlichen Reflexionsformaten thematisieren. Für die „Stadt der Moderne“ nimmt Trends vorweg und geht kritische Begleitung der Stadtentwicklung erhält Chem- konsequent voran auf dem Weg vom Industriezeitalter in nitz einen markanten zentralen Ort, ausreichend Zeit eine nachhaltige postindustrielle Zukunft – ein Weg, der und die notwendige personelle Ausstattung. Auf Grund- vom sächsischen Manchester und „Rußchamtz“ über lage der gewonnenen Erkenntnisse organisiert die Stadt Karl-Marx-Stadt in eine grüne Innovationsmetropole in Chemnitz die Umsetzung von Analysen und die Lenkung einer der kulturellen und wirtschaftlichen Herzregionen von Veränderungsprozessen im Stadtgefüge. Europas führt. Dabei spielt Kultur als ein die Stadtgesellschaft prä- gender Faktor im Konzert mit ansässiger Wirtschaft und Die Stadt ist lebenswert und attraktiv für ‚Alteingeses- Wissenschaft eine wichtige Rolle. sene‘ und ‚Zuzügler‘, sie begeistert dank ihrem reichen architektonischen Erbe und der Vielfalt ihrer kulturellen Chemnitz beweist immer wieder aufs Neue seinen Ge- Aktivitäten, dank der Aufenthaltsqualität ihrer öffent- staltungswillen in Umbruchsituationen. Angesichts der lichen Räume und dank der Dynamik der Stadtgesell- Auflösung tradierter Ordnungen erfindet sich die Stadt schaft mit ihren Freiräumen. Kultur als gemeinsame immer wieder neu, setzt ihre Utopien von kreativer Ord- und nachhaltige Lebensgestaltung aller Bürgerinnen nung – aktuell von Öffnung und Aufbruch, vom guten und Bürger prägt das städtische Leben in Chemnitz und Leben im Vorläufigen – räumlich und kulturell um. Das die Beziehungen zur Region, dem Land und zu Europa. ist das Moderne an dieser Stadt. Kultur beseelt das städtische Zusammenleben, sie trägt zum gegenseitigen Verständnis bei und wirkt als Ins- piration und Kraftquelle bei der gemeinsamen Bewäl- Mission tigung der Herausforderungen, mit denen Stadtraum und Stadtgesellschaft durch zunehmende Internatio- Das Bewusstsein, dass Kultur machbar ist, prägt alle Be- nalisierung, die Entwicklung hin zu digitalen und im- reiche und Abläufe der gemeinschaftlichen politischen, mer stärker wissensbasierten Lebens- und Arbeitswel- verwaltungstechnischen und gestalterischen Arbeit für ten, gestiegene Mobilitätsanforderungen und politische die Stadt. Dazu verhilft ein weit gefasster Kulturbegriff, Veränderungen konfrontiert sind. Stadträumlich setzt der über traditionelle Zuschreibungen von Kultur als Chemnitz bauliche Traditionen fort, wie sie in den Bau- Hochkultur oder Kunstschaffen hinweg integrierend auf idealen der Gründerzeit, im kommunalen Wohnungsbau alle Bereiche der Lebensgestaltung in Gesellschaften der 1920er Jahre, oder in den ikonischen Einzelbau- wirkt. Er drückt sich aus in gelebter Toleranz und part- ten der Moderne zum Ausdruck kommen: Der städti- nerschaftlichem Austausch zwischen den vielfältigen sche Gestaltungswille knüpft dezidiert an europäische gesellschaftlichen Gruppierungen. Großstadtideale an. Darüber hinaus setzt die Stadtent- wicklung auf die utopischen Aspekte, die im Wiederauf- Dazu verhilft aber auch eine Sicht auf die Rollenver- bau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und teilung zwischen den Bürger/innen und ihrer Stadt, die besonders in den Planungen zur sozialistischen Stadt erkennbar sind. Als Stadt der Aufbrüche lässt Chemnitz 9 Kopfmüller 2009: 32. 13 13
B Gru ndla gen u n d A n li e g e n d e r St r at e g i e wechselseitig von Eigenverantwortlichkeit und Subsi- Aus der intensiven und produktiven Vernetzung der Be- diarität geprägt ist: Bürgersinn drückt sich aus in En- teiligten in Themenfeldern statt Sparten, wie sie sich in gagement für die Stadtkultur, städtische Kulturarbeit Teil C abbildet, ergeben sich folgende Ziele der Kultur- ermöglicht und unterstützt solches Bürgerhandeln. Das strategie: setzt den politischen Willen voraus, das gesellschaft- liche Geschehen in diesem Geist zu gestalten und die Erleichterung des Zugangs zu Kultur erbrachten Leistungen in geeigneten Formen öffent- –– Anregung kultureller Prozesse durch transparente lich anzuerkennen. In Chemnitz wird Kultur bei allen Kulturförderung im Rahmen einer zeitgemäßen, relevanten Zukunftsentscheidungen mitgedacht. Kul- nachhaltigen Kulturpolitik tur sensibilisiert für andere Sichtweisen und regt neue –– Optimierung der kommunikativen Vernetzung und Heran gehensweisen an. Sie verbürgt die besondere des Austauschs Ausstrahlung von Chemnitz, wie sie von Bürger/innen, –– Schaffung von Anerkennungsstrukturen – Aus- Vereinen, Sponsoren, Gästen und in anderen Städten zeichnungen, Empfehlungen und Ländern wahrgenommen wird. Kultur wirkt an der –– Verbesserung der Weiterbildungsmöglichkeiten/ Ausgestaltung von Lebensumfeldern mit – als Inspira- Professionalisierungsangebote für Kulturschaf- tion für Lebensentwürfe einzelner und als Richtschnur fende für die Kooperation der Stadtgesellschaft mit Personen –– Intensivierung der Prozesse zu Internationalisie- und Organisationen in der Region, in Deutschland, Eu- rung, internationalem Austausch und Dialog ropa und darüber hinaus weltweit, insbesondere mit den Partnerstädten der Stadt Chemnitz. Die Ziele finden ihre Umsetzung in übergreifenden Maßnahmen und Konzeptionen wie den neuen Instru- menten der Kulturförderung, der Kommunikation und Ziele der Kulturstrategie des Marketings, dem internationalen Austausch, einer Akademie, der Methode des Stadtlabors, einem erwei- Chemnitz ist eine Stadt, in der experimentierfreudige terten Museumskonzept und anderen weitergreifenden „Macherinnen und Macher“ zu Hause sind, in der eta- Konzeptentwicklungen sowie in Einzelmaßnahmen, blierte Kunsteinrichtungen hochwertige Programme of- dargestellt in den Teilen D und E. ferieren und in der es vielfältige Angebote seitens der Freien Kultur und privater Initiativen gibt. Freiräume für Neues und für Spontanität offen zu halten, ist ein Leitsatz der Kulturstrategie Chemnitz 2018 – 2030. Er ist in den kulturstrategischen Planungen verankert und findet sich insbesondere mit Blick auf die Förderung Freier Kultur in der entsprechenden Richtlinie wieder. Die Kulturstrategie sieht weiterhin vor, dass Akteur/in- nen aus Kultur, Politik, Verwaltung und Wissenschaft sich regelmäßig im Rahmen der Kulturstrategie über Schwerpunkte der kulturellen Entwicklung verständigen und über die Gestaltung der kulturellen Infrastruktur beraten. Die Kulturstrategie schafft die Rahmenbedin- gungen für belastbare Strukturen der Kulturarbeit für Chemnitz und garantiert die notwendigen Freiräume für zukunftsweisende Kulturformate. 14 14
G r u nd l a g e n u nd A nl ie g e n d e r S t r ategie B Das Auftakttreffen der Leiterinnen und Leiter der Themengruppen fand am 9. August 2017 im TIETZ statt. Kulturbetriebsleiter der Stadt Chemnitz Ferenc Csák eröffnete das Treffen. Erste Gedanken, Über- legungen, Erkenntnisse wurden verschriftlicht. 15 15
B Gru ndla gen u n d A n li e g e n d e r St r at e g i e Ein Treffen mit inter nationalen Experten fand im Rahmen des Coachings „Culture for Cities and Regions“ im April 2017 im Museum Gunzenhauser statt. Beim Debattentag am 3. März 2018 im Veran- staltungssaal der Spar- kasse Chemnitz wurde der damalige Arbeits- stand der Öffentlichkeit präsentiert und zur Diskussion gestellt. Die Performance von „Anasages z. B. Theater“ wurde für die Chemnitzer Kulturstrategie inszeniert und zum Debattentag uraufgeführt. 16 16
G r u nd l a g e n u nd A nl ie g e n d e r S t r ategie B Die Themengruppen arbeiteten fleißig über mehrere Monate. Sie entwickelten Maßnah- men und Projekte. 17 17
B Gru ndla gen u n d A n li e g e n d e r St r at e g i e Blick in die Zukunftswerkstatt am 13. Dezember 2017. Daumen hoch für die Kulturstrategie! Bei der Zukunftswerkstatt in der Städtischen Musikschule Chemnitz kamen am 6. März 2018 nochmals alle zusammen. 18 18
C C1 Moderne(s) in Chemnitz Themenfelder im Jahre 2030 Sitz einer interdisziplinär konzipierten, international vernetzten Akademie für experimentelle Kunst. Sie bietet Ort und Rahmen für die inhaltliche Kurz und bündig und konzeptionelle Auseinandersetzung mit der sich durch neue Medien und Technologien kontinuierlich Chemnitz – die Stadt der Moderne – bleibt am Puls der verändernden Gegenwart und eröffnet ein Forum, auf Zeit: Bewegung und Wandel, Fragen, Aufbrüche und der dem sich künstlerischer Ausdruck und wissenschaftli- Mut zum Experiment prägen die Erfahrungen und cha- che Reflektion in Dialog begeben können. Konzept und rakterisieren die Haltung der Einwohner zu ihrer Stadt. Formate zielen auf Kooperation und Vernetzung von be- Die Stadt gibt Räume frei für Innovationen und Inter- stehenden und neu zu schaffenden Strukturen und Ak- ventionen technologischer, künstlerischer und gesell- teur/innen. Als Ort des interdisziplinären Denkens und schaftlicher Art und befördert so Prozesse und Vorha- Schaffens zieht die Akademie Akteur/innen aus allen ben innerhalb der Stadtgesellschaft, die den Menschen Sparten an, die sich in einem einzigartigen Resonanz- Freiräume auch im Denken, Zusammenarbeiten und in raum von lokaler Expertise und internationalen Größen der Gestaltung der städtischen Lebensvollzüge eröffnen mit relevanten Themen der Gegenwartsgesellschaft aus- und offen halten. Das Moderne in/an Chemnitz zeigt einandersetzen. sich in der spezifischen Wechselwirkung von kreativen Die Akademie ist mit ihren Formaten der Erkenntnis- und abstrakten Ausdrucksformen kulturellen Wissens, generierung und Wissensvermittlung in der nationalen in experimentellen Ansätzen zur Weiterentwicklung des und internationalen Landschaft von Forschungsinsti- Stadtraums, in der Erweiterung städtischer Prozesse tuten, wie zum Beispiel Institutes of Advanced Study, um digitale Dimensionen und in kulturellen Antworten spürbar verankert. auf Veränderungen der postindustriellen Gesellschaft. Industrie trifft Kultur – Kunst trifft Wissenschaft: Mission Vision 2030 Sowohl Wissenschaftler/innen als auch Künstler/innen arbeiten forschend und auf Basis von Experimenten Die Vernetzung und der wechselseitige Wissenstransfer mit dem Ziel, Neuland zu betreten. Die Gründung einer zwischen Künstler/innen, Wissenschaftler/innen und In- Akademie für Experimentelle Kunst gibt dem Nachden- genieur/innen ist eine der produktivsten Quellen für eine ken über die Wechselwirkungen von Wissenschaft, Ge- anhaltend gute gesellschaftliche und wirtschaftliche sellschaft, Kultur und Technik wiederkehrende Impulse Entwicklung. Die Wechselwirkungen zwischen wissen- und den notwendigen Raum zur Entfaltung. Zu diesem schaftlicher Forschung, kreativer Gestaltung und prak- Zweck werden bestehende Strukturen im Stadtraum mit tischem Lebensalltag prägen den Geist der Industrie- dem Ziel einer besseren Verknüpfung von Forschung, kultur in Chemnitz, einschließlich Ingenieurwesen und Wirtschaft und Kultur integriert und entsprechend Unternehmertum. Poetisch-ästhetische und avantgar- den vorhandenen Bedürfnissen erneuert und erwei- distische Ausdrucksformen der Kunst haben hier ebenso tert. Für eine Akademie werden bauliche Zeugnisse eine Heimat wie innovative Formgestaltung und unan- der Industriearchitektur städtebaulich und technisch gepasste Lebenseinstellungen. Deswegen ist Chemnitz zukunftsweisend umgestaltet. Chemnitz schafft einen 19 19
C Th emenfeld e r Akademiekomplex aus Ateliers, Seminarräumen, Büh- Mission nen und Studios, Werkstätten, Ausstellungs- und Prä- sentationsflächen und bietet damit eine international Das Stadtlabor Chemnitz stellt vermeintlich Selbstver- wahrgenommene Plattform für die Produktion, Präsen- ständliches in Frage und bietet alternative Lösungen tation und Vermittlung von zeitgenössischer (Medien-) testweise an, wie z. B. autofreie Stadtviertel, urbanes Kunst aller Sparten. Gärtnern, genossenschaftliche Wohn- und Wirtschafts- Chemnitz macht die Kenntnis der eigenen historischen formen. Es reflektiert den Lebensraum Stadt als einen Wurzeln zur Grundlage eines erneuerten Bürgerstolzes: kulturellen Ort in stetiger Veränderung, dessen Urba- Mit Blick auf die vergangenen beiden Jahrhunderte nität von Heterogenität, Durchlässigkeit und gestalte- präsentiert sich Chemnitz als Industriestadt von eu- ter Vielfalt gekennzeichnet ist. Im Stadtlabor Chemnitz ropäischem, z. T. weltweitem Rang. Der Innovations- sind Entwicklungs- und Planungsprozesse zugänglich gehalt, die Frequenz und die wirtschaftliche Tragkraft und partizipativ konzipiert, die Strukturen so gestaltet, der Unternehmensgründungen aus dem Umfeld der dass auch Zweifel, Dissens und Konflikt ihren Austra- Technischen Universität sind hoch. Ergebnisse dieser gungsort erhalten. Innovationskraft, die anderenfalls vor Ort wenig präsent Verwaltungsprozesse zielen auf Ermöglichung und Ge- wären, werden durch künstlerische Interventionen im staltung, sie erlauben die Übertragung von Entschei- Stadtraum sichtbar und begreifbar. Auch durch solche dungsbefugnissen auf verschiedene Hierarchieebenen Interventionen steigt die Attraktivität von Chemnitz für innerhalb der Verwaltung sowie eine auf Subsidiarität künstlerisch arbeitende Menschen. Für die Einwohner/ beruhende Partnerschaft von städtisch institutionali- innen von Chemnitz bleibt die Stadt so immer neu. sierten und externen Akteuren. Das Stadtlabor Chem- nitz gibt der Vergangenheit angemessenen Raum, um Stadtlabor Chemnitz daraus Konstanten der Stadtentwicklung zu destillie- ren und exemplarische Zeugen, z. B. aus der gebauten Vision 2030 Umwelt, für die Zukunft zu ertüchtigen. Wertschöpfung erfolgt auf Grundlage kulturellen Kapitals, damit über- Wie schon verschiedentlich in seiner Geschichte entwi- nimmt Chemnitz eine Vorreiterrolle für Konzepte der ckelt Chemnitz eine neue Stadt-Utopie: das Stadtlabor nachhaltigen Entwicklung hin zur resilienten Stadt im Chemnitz. Das Stadtlabor Chemnitz hinterfragt zeitge- Geiste des Transition Town-Ansatzes.10 nössische, historische und kulturspezifische Vorstellun- gen von Urbanität und entwickelt innovative Formate Digitales Chemnitz/Smart City Projekt für eine Stadt von morgen. Im Stadtlabor Chemnitz ver- einen sich Diskurse über Stadtgesellschaft und -kultur Vision 2030 und über Stadtplanung und Städtebau. Offenheit, Neugier und das Zulassen von Zweifel, die In der digitalen Sphäre bildet sich die Stadtgesellschaft Freude am Aufbruch und am Experiment führen dazu, ab und findet in der Abstraktion binärer Codes neue dass Akteur/innen sowie Öffentlichkeit die Stadt als Ausdrucksformen und Gestaltungsmöglichkeiten.11 Möglichkeitsraum wahrnehmen. Unbestimmtheitsstel- Chemnitz entwickelt sich als Open Source-Projekt in len, undefinierte Orte und kleinteilige Stadtentwick- Auseinandersetzung mit aktuellen Prozessen des Kul- lungsmodelle schaffen Freiraum für Experimente im turwandels stetig weiter. Im Sinne einer quelloffenen künstlerischen und sozialen Kontext. Ermächtigende Beteiligungsformate bringen Entscheider/innen und 10 Im Rahmen der Transition-Town-Bewegung (etwa „Stadt im Wandel“) Bürgerschaft in produktiven Dialog. Kulturschaffende gestalten seit 2006 Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen in vielen Städten und Gemeinden der Welt den geplanten Übergang in eine post- kommentieren und gestalten angestrebte Lösungen mit fossile, relokalisierte Wirtschaft. Ziele nachhaltiger Entwicklung sind im ihren kreativen Ausdrucksformen. Bewusstsein von Ressourcenverknappung die Bewahrung und Erlebbarkeit von Natur, neue Zugänge zu Unternehmenskultur und technischen Innovati- onen und eine Stärkung lokaler Ressourcen sowie Teilhabe und Austausch in fairen globalen Partnerschaften. Sie bilden sich oftmals in lokalen Agendaprozessen ab. 11 Der Sammelbegriff Smart City Projekt steht für gesamtheitliche Ent- wicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte effizienter, technologischer, grüner und sozialer zu gestalten. 20 20
Th e m e nf e l der C und miteinander geteilten Stadtsoftware, an deren Ent- Stadt nach Acht/Urbanität wicklung Bürger/innen und Entscheider/innen teilha- ben, entsteht die Stadt als Gemeinschaftsprojekt – ein Vision 2030 Konstrukt aus vorläufigen Versionen, das in Anpassung an den gesellschaftlichen und technologischen Wan- Die postindustrielle Gesellschaft zeichnet sich im Ver- del und im Dialog mit der Einwohnerschaft fortlau- gleich zur Industriegesellschaft durch veränderte Ar- fend aktualisiert wird. Die Digitalmoderne strebt einen beitsmuster und damit verbunden neue Tagesrhythmen Ausgleich der individuellen Bedürfnisse nach Selbst- aus. Neue Lebensentwürfe, die sich in Chemnitz entfal- verwirklichung und Vergemeinschaftung an. In der Di- ten, bedingen gruppenspezifische Verschiebungen der gitalmoderne sind die Dinge im Fluss, das Vorläufige Lebensgewohnheiten und Bedürfnisse. Chemnitz bietet ist positiv konnotiert, digitale und physische Räume inspirierende Freizeitangebote, Lebensqualität und Ur- durchdringen sich in der Idee des Netzwerks und ganz banität profitieren außerdem von effektiven Kommuni- konkret technisch und lebenspraktisch. Chemnitz ist in kations- und Mobilitätsformen und von zugänglichen dieser Hinsicht als Pionierstandort der Digitalmoderne und sicheren Frei- und Grünflächen. Sie sind in Chem- international bekannt. nitz harmonisch verbunden und in der Innenstadt wie auch in den Quartieren verfügbar. Tages- und Nachtakti vitäten ergänzen sich zu einer umfassenden Stadtkul- Mission tur, die in ihrer Gestaltung und in ihrer Dynamik den Bedürfnissen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Auch die digitale Stadtgesellschaft lebt von öffentli- Rechnung trägt. Neue Beleuchtungskonzepte, künstle- chen Räumen, welche ihre Mitglieder gemeinsam nut- rische Interventionen der Lichtkunst oder ein Lichtfes- zen, in denen sie sich austauschen und kreativ werden. tival schaffen qualitätsvolle, inspirierende Räume der Die Erweiterung der digitalen Infrastruktur für Chemnitz Nachtstadt Chemnitz. ermöglicht breite Zugänglichkeit zu kulturellen Res- sourcen und zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Potenziale der maschinellen Effizienz und die kreative Mission Wirkungskraft der menschlichen Intelligenz und Fanta- sie sorgsam miteinander verknüpft. Technologien des In Gestaltung und Pflege des öffentlichen Raums sowie Virtuellen, wie z. B. “augmented reality” erweitern un- in den gelebten Tagesabläufen und Zeittakten spiegelt sere Stadt-Ansichten und schaffen neue Stadträume.12 sich die Urbanität einer Stadt. Die Stadt Chemnitz ver- Die Beteiligungsprozesse sind offen und werden mit steht Urbanität und Lebensqualität umfassend, sie geht den modernen Mitteln der Technik unterstützt. Ge- dabei über die Betrachtung der Infrastrukturen hinaus meinsame Design- und Entwicklungsprozesse in allen und bezieht in ihr Verständnis das Verhalten und die Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge und neue Interessen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen ein. digitale Verfahren der Abstimmung und Beschlussfas- Eine ästhetisch ansprechende Gestaltung des städti- sung verstärken in der Chemnitzer Digitalmoderne die schen Umfelds, z. B. durch Kunst im öffentlichen Raum Ausgestaltung des gesellschaftlichen und politischen oder die Weiterentwicklung städtischer Plätze und Grün- Lebens in der Stadt. Sie ermöglichen die Anbindung anlagen, ist dabei ebenso selbstverständlich wie die Fle- und Einbindung der Bevölkerung in die grundlegenden xibilisierung der Zeitgestaltung in öffentlichen Räumen. Prozesse ihrer Lebensgestaltung. Die Stadt Chemnitz entwickelt wirksame Instrumente und Infrastrukturen für Freizeitgestaltung und Erholung ebenso wie für Mobilität (z. B. Öffnungszeiten, Ruhe- zeiten, Taktung des öffentlichen Verkehrs), die dazu dienen, auch gegensätzliche Interessenlagen in Ein- klang zu bringen. Veranstaltungen wie die Museums- 12 Unter “augmented reality” (AR; erweiterte bzw. ergänzte Realität) nacht, Nacht der Wissenschaften oder Nacht der Ga- versteht man die computergestützte Ergänzung der Wahrnehmung um (digi- lerien präsentieren Möglichkeiten, Chemnitzer Nächte tal) eingespielte Zusatzinformationen. Diese Information kann alle mensch- lichen Sinne ansprechen, derzeit basiert AR aber zumeist auf Einbettung attraktiv zu gestalten. visueller Zusatzinformationen. 21 21
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