4/21 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria

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4/21 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
UNIVERSITAS 4/21                                             Mitteilungsblatt
                                                             ISSN 1996-3505

    Mitglied der Fédération Internationale des Traducteurs
4/21 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
2   UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 4/21

      INHALT
      Agenda Translation                                             5
      Dagmar Jenner

      Geschlechtergerechtes Deutsch: Ein Thema mit vielen Facetten   10
      Jenni Zeller

      One Size Fails All
      Ein Rückblick auf den Workshop „GenderFairMT“                  16
      Bettina Schreibmaier-Clasen

      Dolmetscherin für Österreichische Gebärdensprache              18
      „Über den Tellerrand“ – Interview mit Martina Kichler

      Übersetzerin für Leichte Sprache                               21
      „Über den Tellerrand“ – Interview mit Verena Brinda

      Über den menschlichen Mehrwert im Translationsprozess
      Ein Nachbericht zum Workshop „Übersetzen und Technologien“     24
      Charlotte Schinnerl

      Rezensionen:
      Translator’s Blues (The Cahiers Series)                        25
      Eva Holzmair-Ronge

      Dolmetschen im Medizintourismus                                28
      Xenia Zarafu

      Dolmetschen als Dienst am Menschen – Texte für Mira Kadric     29
      Elisabeth Poleschinski                                   ´

      Mediensplitter31
      Julia Klug

      UNIVERSITAS-Terminkalender33
      UNIVERSITAS Austria

      Verbandsmitteilungen34
      UNIVERSITAS Austria

      Rätsel36
      Vera Ribarich
4/21 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 4/21          3

EDITORIAL
Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldungen!

Liebe Leser*innen,                                 Dagmar Jenner ohnehin ausführlich in ihrer Ko-
                                                   lumne behandelt – werde ich mich bemühen, in
ein großes Dankeschön an Sie alle für das posi-    Zukunft einen noch stärkeren Fokus auf diese
tive und konstruktive Feedback zum Mitteilungs-    Themen zu legen.
blatt! Mit 130 Teilnehmer*innen hat die Umfra-
ge meine Erwartungen weit übertroffen und ich      Ihre weiteren Themenvorschläge und Wünsche
freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen   habe ich notiert – von allgemeinen Themen wie

                                                                                                                                   ©Katrin Franz Photography
haben, uns Ihre Wünsche und Interessen mit-        ethischen Fragen beim Übersetzen und Dolmet-
zuteilen. Das aktuelle Editorial wird daher den    schen, der Zukunft unserer Branche und der
sonst üblichen Rahmen ein wenig sprengen,          politischen und kulturellen Relevanz von Spra-
denn ich möchte Ihnen die Ergebnisse der Um-       che über Community Interpreting, CAT-Tools
frage natürlich nicht vorenthalten und auch auf    und Dolmetschen in der Diplomatie bis hin zu
den einen oder anderen Punkt eingehen.             ganz spezifischen Themen wie Erfahrungsbe-
                                                   richten zu RSI-Plattformen, Medienübersetzen       Tamara Paludo, Redakteurin
Die Umfrageergebnisse                              für Streaminganbieter und Argumenten für eine
                                                   professionelle Übersetzung in Zeiten von DeepL
Das eindeutigste Ergebnis brachte die Frage        war eine Idee spannender als die nächste. Bei
nach dem Format, in dem Sie das Mitteilungs-       rund 70 verschiedenen Vorschlägen könnte es
blatt lesen: 95 % nützen die Papierform, nur       eine Weile dauern, bis Ihr Thema an die Reihe
knapp 5 % lesen es online. In Zeiten, in denen     kommt, aber ich werde versuchen, auf mög-
sich auch die Freizeit zunehmend vor dem Bild-     lichst alle Themenvorschläge einzugehen. Wenn
schirm abspielt, war dieses Ergebnis für mich      Sie als Expert*in zu einem bestimmten Thema
die Bestätigung, dass das Druckformat auch         einen Artikel schreiben möchten, ist dieser na-
weiterhin gewünscht ist. Vereinzelt wurden Be-     türlich jederzeit willkommen!
denken in puncto Klimaschutz geäußert – diese
hege ich ebenfalls, daher bin ich seit einiger     Ihre Top 20 der Themen
Zeit auf der Suche nach einer umweltfreund-
licheren Alternative. Aufgrund von Verfügbar-      Zu den Mediensplittern: Die QR-Codes findet
keitsengpässen und erhöhten Papierpreisen          eine leichte Mehrheit (52 %) nützlich – wirklich
zieht sich das jedoch noch ein wenig hin.          genutzt werden sie jedoch nur von 18 %, statt-
                                                   dessen suchen Sie Artikel eher über den Kurz-
Die fünf Themenbereiche, die Sie am meisten        link (22 %) oder eine Suchmaschine (26 %). Die
interessieren, sind allgemeine und technolo-       Themen, die Sie in diesem Bereich am meis-
gische Entwicklungen, Fachübersetzen, Ver-         ten interessieren, sind österreichische und in-
bandsneuigkeiten und Tipps für Selbstständige.     ternationale Branchennews (83 % bzw. 78 %),
Abgesehen von den Verbandsneuigkeiten – die        neue Technologien (64 %) und die Darstellung
4/21 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
4            UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 4/21

            Themen               unserer Berufsfelder durch branchenfremde            Die Interviewreihe „Über den Tellerrand“ widmet
                                 Personen (62 %). Unsere Verantwortliche für          sich in dieser Ausgabe ganz der Barrierefreiheit:
 1. Allgemeine aktuelle          die Mediensplitter, Julia Klug, hat sich schon       Martina Kichler erzählt von ihrem Alltag als Dol-
     Entwicklungen               in der aktuellen Ausgabe darum bemüht, Ihren         metscherin für Österreichische Gebärdensprache
 2. Aktuelle technologische      Wünschen Rechnung zu tragen.                         und Verena Brinda von ihrer Tätigkeit als Über-
     Entwicklungen                                                                    setzerin für Leichte Sprache.
 3. Fachübersetzen               Das Feedback zur gendergerechten Sprache fiel
 4. Verbandsneuigkeiten          relativ eindeutig aus: Genau zwei Drittel (66,6 %)   Charlotte Schinnerl gibt uns einen Einblick in den
 5. Tipps für Selbstständige     finden die momentane Lösung, den Autor*innen         Workshop „Übersetzen und Technologien“, der
 6. Aktuelle rechtliche          die Wahl zu lassen, gut, da sie Diversität auch      am 30. September stattfand. Außerdem wartet
     Entwicklungen               sprachlich widerspiegelt. 23 % finden diese Lö-      die Ausgabe wieder mit zahlreichen Rezensionen
 7. Interviews mit Mitgliedern   sung unruhig und würden eine blatteinheitliche       auf: Eva Holzmair-Ronge stellt einen dritten Teil
 8. Aktuelle steuerliche         Version bevorzugen. Damit werden wir es auch         der „Cahiers Series“ vor, Elisabeth Poleschinski
     Entwicklungen               weiterhin allen Autor*innen freistellen, nach ih-    den Sammelband „Dolmetschen als Dienst am
 9. Berichte von UNIVERSITAS-    ren Präferenzen zu gendern – zumindest solange       Menschen – Texte für Mira Kadric“
                                                                                                                      ´ und Xenia Zara-
     Veranstaltungen             es keine UNIVERSITAS-weite Lösung gibt oder,         fu das Werk „Dolmetschen im Medizintourismus“.
 10. Marketing                   wie es eine Person formuliert hat, bis ein sozio-
 11. Lektorat                    kultureller Kontext vorherrscht, in dem Gendern      Ich hoffe, Sie finden in diesem Mitteilungsblatt
 12. Berichte von externen       nicht (mehr) erforderlich ist.                       Spannendes, Interessantes und Hilfreiches für
     Veranstaltungen/                                                                 Ihren Alltag als Sprachdienstleister*in. Auch ab-
     Konferenzen                 Was erwartet Sie in diesem                           seits von Umfragen freue ich mich natürlich jeder-
 13.Konferenzdolmetschen         Mitteilungsblatt?                                    zeit über Feedback, Anregungen und Wünsche:
 14.Post-Editing                                                                      tamara.paludo@universitas.org.
 15.Rezensionen von              Da wir gerade bei dem Thema sind: Jenni Zel-
     Neuerscheinungen            ler hat sich in den letzten Monaten intensiv mit     Damit bleibt mir nur noch, Ihnen allen einen
 16.Videodolmetschen             dem Thema der genderinklusiven Sprache aus-          möglichst entspannten Jahresausklang und
 17.Forschung                    einandergesetzt und ihre ersten Erkenntnisse in      einen guten Start in ein positives Jahr 2022
 18.Literaturübersetzen          einem großartigen Artikel für uns aufbereitet.       zu wünschen!
 19.Community Interpreting       Auch Bettina Schreibmaier-Clasen hat sich beim
 20.Untertitelung                Workshop „GenderFairMT“ mit diesem Thema be-         Beste Grüße
                                 schäftigt und berichtet von der Veranstaltung.       Tamara Paludo

IMPRESSUM
Das Mitteilungsblatt von UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen, dient dem
Informationsaustausch zwischen den Verbandsmitgliedern. ISSN 1996-3505

Herausgeber: UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen
Gymnasiumstraße 50, 1190 Wien, Tel.: + 43 1 368 60 60, info@universitas.org

Redaktion: Tamara Paludo, tamara.paludo@universitas.org
Ständige Mitarbeit: Ekaterina Graf, Dagmar Jenner, Julia Klug, Vera Ribarich • Koordination Rezensionen: Christina Mayer •
Korrektorat: Sophia Scherl

Die Beiträge spiegeln die Meinungen der Autor*innen wider und entsprechen nicht unbedingt der Meinung von
UNIVERSITAS Austria.

Beiträge, Wünsche, Anregungen, Leser*innenbriefe bitte an eine der oben stehenden E-Mail-Adressen senden – danke!

Das Mitteilungsblatt erscheint vierteljährlich. Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 15. Jänner 2022

Grafik und Layout: Sabina Kargl-Faustenhammer
Titelbild: © Ryan Klaus / Unsplash
4/21 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 4/21   5

                                AGENDA TRANSLATION
                                Dagmar Jenner

                                                                                         Ob es zeitgemäß und wünschenswert wäre,
                                                                                         dass auch nicht zertifizierte Mitglieder in
                                                                                         der externen Mitgliedersuche aufscheinen –
                                                                                         so, wie dies andere Verbände handhaben.
                                                                                         Ob es an der Zeit wäre, eine Lanze für die
                                                                                         Verrechnung von Übersetzungen, Lektorat
                                                                                         und Korrektorat pro Stunde zu brechen. Un-
Illustration: © UNIVERSITAS Austria

                                                                                         ser Ausschuss für Übersetzen wird hier die
                                                                                         Vor- und Nachteile zusammenschreiben und
                                                                                         in weiterer Folge möchten wir einen breit
                                                                                         angelegten Dialog mit Ihnen starten.
                                                                                         Wie und wo unsere nächste Mitgliederver-
                                                                                         sammlung (Termin: 25. Februar 2022) statt-
                                                                                         finden soll – auf Wunsch vieler Mitglieder
                                                                                         wird es eine hybride Mitgliederversammlung
                                                                                         sein. Hier haben wir entschieden, Profis an
                                                                                         Bord zu holen und die Veranstaltung extern
                                                                                         organisieren zu lassen.
                                                                                         Wie wir angesichts von Strafzinsen und
                                 Liebe Kolleginnen und Kollegen,                         Inflation, durch die unser Erspartes nicht
                                                                                         mehr, sondern weniger wird, unser Geld
                                 und wieder sind drei Monate vergangen und               nachhaltig zum maximalen Nutzen unserer
                                 Weihnachten steht vor der Tür. In letzter Zeit          Mitglieder investieren können. Auch diesbe-
                                 hat sich bei uns im Verband sehr viel getan und         züglich möchten wir Ihre Wünsche und Be-
                                 ich werde mich bemühen, Ihnen an dieser Stelle          dürfnisse abfragen. Zur Diskussion stehen
                                 einen guten Überblick über die vielen Aktivitä-         unter anderem eigene Räumlichkeiten (Co-
                                 ten und die zahlreichen Themen, mit denen wir           Working, Dolmetsch-Hub, Sitzungsräume),
                                 uns beschäftigen, zu geben. Bei einem Verband           ein Solidaritätsfonds für Härtefälle unter
                                 mit mittlerweile über 850 Mitgliedern geht uns          unseren Mitgliedern sowie projektbezogene
                                 die Arbeit im Büro, im Vorstand und in den Aus-         Zusammenarbeit mit Universitäten.
                                 schüssen keinesfalls aus. Über die schöne Ent-
                                 wicklung bei unseren Mitgliederzahlen freue ich      Zur weiteren Nachlese empfehle ich Ihnen mei-
                                 mich persönlich besonders, denn je mehr wir          nen diesbezüglichen Blogbeitrag auf unserer
                                 sind, desto schlagkräftiger sind wir als Verband     Website: https://www.universitas.org/energie-
                                 und desto mehr Gehör können wir uns in der Öf-       und-kollektive-intelligenz-bei-der-vorstands-
                                 fentlichkeit verschaffen.                            klausur/

                                 Das zentrale Thema der letzten Monate war            Die oben genannten und andere Themen möch-
                                 zweifelsohne die Vorstandsklausur Ende Septem-       ten wir mit Ihnen, unseren Mitgliedern, wie er-
                                 ber und die dort besprochenen Weichenstellun-        wähnt breit diskutieren, weshalb es etwa bei den
                                 gen für die Zukunft.                                 kommenden „Meet & Share“-Veranstaltungen
                                                                                      schwerpunktmäßig um diese Fragen gehen wird.
                                 Wir fragten uns unter anderem bzw. entschieden       Wie stehen Sie zu diesen Überlegungen? Wir
                                 Folgendes:                                           freuen uns auf Ihre Meinungen! Übrigens or-
                                                                                      ganisiert nun Matteo Paone unsere „Meet &
                                      Ob es angesichts der immer schwieriger wer-     Share“-Treffen in Wien (zuletzt am 21. Okto-
                                      denden Nachfolgesuche für die „Führungspo-      ber), nachdem unser ehemaliges Vorstandsmit-
                                      sitionen“ Generalsekretärin und Präsidentin     glied Tamara Popilka dieses erfolgreiche Format
                                      an der Zeit wäre, für diese beiden Positionen   jahrelang sehr engagiert betreut hat.
                                      zu bezahlen oder alternativ eine bezahlte
                                      Geschäftsführung zu etablieren.
4/21 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
6           UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 4/21
 ©  John Michael Oliver

                          Der fast komplette Vorstand samt Ausschuss-Verbindungspersonen (nicht im Bild: Martina Kichler, Katharina Redl
                          und Jenni Zeller)

                                                          Übrigens wurden am Rande der Klausur auch        im Mitgliederbereich unter „Infothek für Mit-
                                                          Fotos vom Vorstand sowie Porträtfotos der ein-   glieder à Sonderkonditionen“.
                                                          zelnen Vorstandsmitglieder für unsere Website
                                                          angefertigt, und zwar vom Fotografen unseres     Ein weiteres Highlight der letzten Monate war
                                                          Vertrauens: John Michael Oliver. Falls Sie für   der Internationale Tag des Übersetzens am
                                                          Ihr eigenes Business noch professionelle Fotos   30. September. Diesmal richtete die IG Über-
                                                          brauchen: Für UNIVERSITAS-Mitglieder bietet      setzerinnen Übersetzer die Feierlichkeiten im
                                                          der Fotograf Sonderkonditionen an – alle Infos   Literaturhaus in Wien aus. Wir lauschten den
                                                                                                           pointierten Ausführungen von Waltraud Kolb
                                                                                                           zum Thema maschinelle Übersetzung im litera-
                                                                                                           rischen Bereich. Außerdem wurde im Rahmen
                                                                                                           der Veranstaltung der Elisabeth-Markstein-
                                                                                                           Preis von UNIVERSITAS Austria an Alexandra
                                                                                                           Jantscher-Karlhuber verliehen, und zwar für
                                                                                                           ihre nachhaltige Nachwuchsförderung im Rah-
                                                                                                           men des Maria-Verber-Mentoringprogramms.
                                                                                                           Unten sehen Sie die bereits seit 2020 festste-
                                                                                                           hende Preisträgerin mit der wunderbaren von
                                                                                                           UNIVERSITAS-Mitglied Irene Mühldorf gestalte-
                                                                                                           ten Urkunde. Herzliche Gratulation, Alexandra!

                                                                                                           Mitte Oktober war Generalsekretärin Bettina
                                                                                                           Schreibmaier-Clasen bei der nun vollständig
©  UNIVERSITAS Austria

                                                                                                           digitalen Konferenz „Meet Central Europe“ im
                                                                                                           Einsatz – virtueller UNIVERSITAS-Stand inklu-
                                                                                                           sive (siehe Foto unten). Über diese ganz neue
                                                                                                           Erfahrung wird Bettina noch auf dem einen
                                                                                                           oder anderen Kanal berichten. Apropos Konfe-
                          Preisträgerin Alexandra Jantscher-Karlhuber mit der Autorin dieser Zeilen        renz: Da die Einreise in die USA für Menschen
                                                                                                           aus Europa bis Ende Oktober nicht möglich war,
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                                                                                                       ©  UNIVERSITAS Austria
 Unser Verband ganz virtuell bei der Konferenz „Meet Central Europe“

war unsere Generalsekretärin nicht vor Ort in      Angesichts der verheerenden Menschenrechtsla-
Minneapolis bei der Konferenz des amerikani-       ge in Afghanistan haben wir im Vorstand beschlos-
schen Verbandes ATA, sondern erlebte die On-       sen, eine Spende an Red T (www.red-t.org) in
line-Schiene vor ihrem PC. Schade, denn Hahnsi     der Höhe von 500 EUR seitens des Verbandes
und Sealvia hätten wieder mal Lust gehabt,         zu tätigen. Damit einher ging ein Spendenauf-
sich bei einer großen Konferenz unter die Leute    ruf an alle Mitglieder über unser Forum. Die
zu mischen und sich auf das eine oder andere       Organisation Red T setzt sich seit Langem für
Foto zu stehlen.                                   Dolmetscher:innen und Übersetzer:innen in Kri-
                                                   sengebieten ein. Gründerin Maya Hess, die vie-
Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe ging von     le von Ihnen von ihrer beeindruckenden Rede
3. bis 5. November die Online-Konferenz „Trans-    anlässlich unseres 65-Jahr-Jubiläums im Jahr
lating Europe Forum“ über die Bühne. Unsere        2019 kennen, berichtete uns, dass die Spende
stellvertretende Generalsekretärin Martina Kich-   vollständig an einen afghanischen Dolmetscher
ler vertrat dort in einer Podiumsdiskussion zum    ging, der für die NATO gearbeitet hatte. Nach
Thema „The human factor in the post-Covid wor-     jahrelangen Bemühungen gelang es nun, ihn
king environment“ die Perspektive der verbands-    und seine Familie außer Landes zu bringen. Die
mäßig organisierten Selbstständigen.               Familie musste alles zurücklassen, ist derzeit
                                                   in Kuwait und hofft auf einen Neustart in Ka-
Von der internationalen Zusammenarbeit             nada. Auch wenn Afghanistan derzeit nicht so
kann ich berichten, dass eine Zweier-Delega-       stark in den Medien vorkommt wie vor einigen
tion von UNIVERSITAS Austria (bestehend aus        Wochen – das Leid geht weiter. Wenn auch Sie
Martina Kichler und mir) an der Mitglieder-        helfen wollen: https://red-t.org/sponsors/
versammlung unseres Regional-Dachver-
bandes FIT Europe teilgenommen hat. Nach           Auch unser Dachverband FIT hat in einem
den Vorstandswahlen folgt der irische Kolle-       Rundbrief an die Leitung aller nationalen Ver-
ge John O’Shea als Vorsitzender auf Annette        bände dazu aufgerufen, Infos über bereits er-
Schiller, die hervorragende Arbeit geleistet       folgte und geplante Unterstützung und Hilfe-
und das Profil von FIT Europe deutlich ge-         stellung für Kolleg:innen aus Afghanistan
schärft hat.                                       (auch wenn sie nicht akademisch ausgebildet
                                                   sind) zusammenzufassen – etwa durch Auf-
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                  nahme in unsere Berufsverbände. In meinem           am Tag davor, also am Freitag, den 25. Februar,
                  Bericht an die FIT ging ich auf die vielen Ini-     statt. Weitere Info dazu folgt.
                  tiativen ein, die es in Österreich und/oder in
                  unserem Verband gibt: COMMUNITAS, den QUA-          Am 11. Oktober fand übrigens das spanischspra-
                  DA-Lehrgang für Dolmetschen im Asylwesen so-        chige Webinar mit Mariana Fávila Alcalá zum
                  wie den Universitätslehrgang „Dolmetschen für       Thema „Gendergerechte Sprache im Spanischen“
                  Gerichte und Behörden“, der auch in Dari/Farsi      statt, betreut von unserer früheren Fortbildungs-
                  angeboten wird.                                     beauftragten Bettina Schreibmaier-Clasen.

                  Apropos FIT: Wie bereits im Forum gepostet,         Weniger inhaltsstark, aber dafür umso gesel-
                  findet der Weltkongress der FIT kommendes           liger werden unsere UNIVERSIPunsch-Treffen
                  Jahr in Varadero, Kuba, statt – und zwar von        sein, die für unsere diversen Standorte derzeit
                  1. bis 3. Juni 2022 (direkt davor der „Statutory    in Planung sind. Angepeilt werden Termine
                  Congress“ für offizielle Vertreter:innen der Mit-   Ende November bzw. Anfang Dezember. In Wien
                  gliedsverbände). Dies ist insofern eine Premi-      werden wir nach Möglichkeit wieder für einen
                  ere, als der FIT-Weltkongress zum ersten Mal in     guten Zweck trinken, und zwar am Mittwoch,
                  Lateinamerika über die Bühne geht.                  den 24. November.

                  Weiter in Sachen Internationales freue ich          Was unsere internationalen Kontakte anbelangt,
                  mich zu berichten, dass in Zusammenarbeit           so kann ich berichten, dass von 29. bis 31. Ok-
                  mit der Universität Salamanca derzeit un-           tober das schon traditionelle jährliche Treffen
                  sere Verbandwebsite ins Spanische übersetzt         des „Réseau franco-allemand“ mit einem sehr
                  wird, und zwar von Studierenden der Transla-        ansprechenden Programm in Köln stattfand,
                  tionswissenschaft im Rahmen einer Lehrver-          wo ich unseren Verband vertreten durfte. Diese
                  anstaltung. Vielen Dank an Tamara Paludo, die       kleine und feine Konferenz wird abwechselnd
                  dieses Projekt von unserer Seite betreut, und       von den Berufsverbänden im deutsch- und fran-
                  die Korrekturleser:innen, die sich die Texte an-    zösischsprachigen Raum veranstaltet; UNIVER-
                  sehen werden.                                       SITAS Austria ist auch mit von der Partie.

                  Das umtriebige Fortbildungsteam, bestehend          Von 20. bis 22. September fand am INTRAWI
                  aus Jelena Semjonowa-Herzog und Martina             in Innsbruck die feine „TRANSLATA“-Konferenz
                  Kichler, ist gut beschäftigt mit der Durchfüh-      zum Thema „Zukunftsperspektiven in der Trans-
                  rung von Veranstaltungen und der Planung der        lationswissenschaft“ statt. Generalsekretärin
                  zukünftigen. Ich freue mich, dass so viele von      Bettina Schreibmaier-Clasen war dabei, war vom
                  Ihnen unsere lehrreichen und kostengünstigen        Ambiente des INTRAWI sehr angetan und stärkte
                  Angebote nutzen. Derzeit stehen die folgenden       in vielen persönlichen Gesprächen unsere Ver-
                  Veranstaltungen an bzw. wurden zum Zeitpunkt        bundenheit mit den westlichen Bundesländern.
                  des Erscheinens dieser Kolumne bereits durch-
                  geführt: weitere Einblicke in die Zusammen-         In Sachen regionale Aktivitäten außerhalb
                  arbeit mit Agenturen von Katja Jääskeläinen         Wiens gab bzw. gibt es regelmäßige Online-
                  am 18. Oktober sowie das Webinar „Entspannte        oder Präsenzveranstaltungen in Tirol (Meet
                  Schultern – gelöster Nacken – klare Sicht“ am       & Share am 22. Oktober in Innsbruck, UNI-
                  7. Dezember, auf das ich besonders gespannt         VERSIPunsch am 2. Dezember), der Steiermark
                  bin. Vielleicht sehen wir uns dort?                 (Infoveranstaltung zum Thema Sozialversiche-
                                                                      rung am 8. November, UNIVERSIPunsch am
                  Auch die Planung für die ganztägige Präsenz-        1. Dezember), Oberösterreich und Salzburg
                  veranstaltung am 26. Februar 2022 zum Thema         (virtuelle Stammtische).
                  „Kontrastivgrammatische Aspekte der Überset-
                  zung Englisch–Deutsch“ mit Karin Königs läuft       Unsere Social-Media-Kanäle blühen und gedei-
                  auf Hochtouren. Anmeldungen sind bereits auf        hen dank der umsichtigen Betreuung durch un-
                  der Startseite unserer Website möglich (hin-        ser engagiertes Team (Goran Jonic´ und Matteo
                  unterscrollen und bei den Veranstaltungen auf       Paone). Dessen ungeachtet haben wir bei der
                  „alle anzeigen“ klicken). Und nicht vergessen:      Klausur beschlossen, uns auch in diesem Bereich
                  Unsere hybride Mitgliederversammlung findet         zu professionalisieren und eine Digitalagentur
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UNIVERSITAS         Mitteilungsblatt 4/21            9

beizuziehen, mit der wir eine handfeste und pra-
xisorientierte Social-Media-Strategie erarbeiten
wollen. Die Sondierungen laufen bereits.

Bei den Ausschüssen von UNIVERSITAS Aus-
tria geht die Arbeit ebenso weiter: Etwa wur-
de im Ausschuss für PR und Strategie in
Zusammenarbeit mit unserer Werbeagentur
Friedl & Schmatz, die auch für die erfolgreiche
„Hahnsi“-Kampagne verantwortlich zeichnet,
ein Imagefilm über unseren Verband, kombi-
niert mit Information über die Vorteile humaner
Übersetzung, erstellt. Das Ergebnis kann sich
sehen lassen und wird gerade finalisiert. Sobald

                                                                                                        ©  UNIVERSITAS Austria
das Video fertig ist, informieren wir Sie umge-
hend auf allen Kanälen!

Außerdem hat der Ausschuss ein neues Goody
bestellt – und zwar superpraktische und hoch-
qualitative Obst- und Gemüsebeutel für den          Unser neues Goody schont die Umwelt und
umweltschonenden Einkauf. Diese feschen Beu-        sieht dabei richtig gut aus.
tel werden bei unseren nächsten Veranstaltun-
gen in Wien, Graz und Innsbruck verteilt – holen
Sie sich Ihr Exemplar!

In unserem Büroteam, das die Dreh- und Angel-
scheibe der Verbandsarbeit ist, gab es eine Än-    Da das Zentrum für Translationswissenschaft in
derung: Nach zweieinhalb äußerst produktiven       Wien nun überwiegend zum Präsenzunterricht
Jahren in unserem Büro hat Daniela Kosic´ eine     zurückgekehrt ist, ist unser Büro wieder wie
Vollzeitstelle angetreten. Ich bedanke mich für    in vorpandemischen Zeiten geöffnet, und zwar
die hervorragende Zusammenarbeit in den letz-      Montagnachmittag und Donnerstagvormittag.
ten Jahren und bin mir sicher, dass sich unse-     So oder so sind wir natürlich jederzeit per E-Mail
re translatorischen Wege wieder kreuzen wer-       an info@universitas.org erreichbar.
den. Ihre Nachfolge hat mit Anfang November
Nike Schödl angetreten und wird derzeit von        Translatorischen Gruß
Marlene Hönigsberger in die zahlreichen Agen-      Dagmar Jenner
den der Verbandsarbeit eingearbeitet.              dagmar.jenner@universitas.org
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                 GESCHLECHTERGERECHTES DEUTSCH:
                 EIN THEMA MIT VIELEN FACETTEN
                 Jenni Zeller

                 Ob Translator*in oder nicht – Sprache spielt in unser aller Leben eine zentrale Rolle. Dass
                 sie dabei mehr als reines Kommunikationsmittel ist, wird in der sehr präsenten und oft
                 hitzigen Debatte um geschlechtergerechte Sprache offensichtlich. Dabei handelt es sich um
                 ein komplexes und sehr dynamisches Thema, das verschiedenste Aspekte in sich eint – von
                 Politik und gesellschaftlichem Wandel über Identitätsfragen und individuelle, emotional
                 aufgeladene Meinungen bis hin zu Linguistik. Diese Intersektionalität sowie -disziplinarität
                 macht es nicht einfach, den Überblick zu behalten, und selbst in der Fachbranche der
                 Translation herrscht häufig ein Informationsdefizit oder Überforderung ob der Thematik.
                 Die folgenden Erklärungen und Hintergrundinformationen sollen einerseits als Übersicht,
                 andererseits als Beitrag für eine sachlichere Diskussion dienen.

                                                                                                                                  S
                                                                                                                                           prache ist nicht nur ein linguistisches
                                                                                                                                           System. Sprache trägt stets auch ein
                                                                                                                                           Stück Gesellschaftsgeschichte, Ideolo-
                                                                                                                                           gie und Politik in sich, wie seit langem
                                                                                                                                  Denker*innen wie Hannah Arendt, Judith But-
                                                                                                                                  ler oder Jürgen Habermas unterstreichen. Beim
                                                                                                                                  Thema der geschlechtergerechten Sprache tref-
                                                                                                                                  fen die linguistische und politische Seite von
                                                                                                                                  Sprache aufeinander und werden oft vermengt.

                                                                                                                                  „
                                                                                                                                  Sehen wir sie uns zunächst einzeln an.

                                                                                                                                      Sprache ist vom Denken geprägt und
                                                                                                                                      Sprache prägt das Denken. Zugleich
                                                                                                                                      ist Sprache die Grundlage jedes

                                                                                                                                                                           “
                                                                                                                                      gesellschaftlichen Handelns.
                                                                                                                                      Duden: Gendern – ganz einfach!
                                                                                                                                      (Diewald und Steinhauer, 2019b:7)

                                                                                                                                  1. Die deutsche Sprache im
                                                                                                                                  gesellschaftlichen und
                                                                                                                                  politischen Wandel
© Jenni Zeller

                                                                                                                                  Worum geht es bei der aktuellen Debatte zur
                                                                                                                                  geschlechtergerechten Sprache überhaupt ge-
                     Geschlechtergerechte Sprache ist ein komplexes Thema mit unterschiedlichsten                                 nau? Dafür lohnt sich ein kurzer Blick in die
                     Perspektiven und Intersektionen.                                                                             Vergangenheit unseres Sprachgebrauchs und
                                                                                                                                  des gesellschaftlichen Wandels, die eng mitein-
                                                                                                                                  ander verflochten sind:
                 1
                     Eine interessante Lektüreempfehlung zum Konzept „male as norm“ (MAN), das uns alltäglich umgibt (zum Bei-
                 spiel auf männliche Körper abgestimmte Sicherheitsgurte, Medikamente usw.) ist im Übrigen das 2019 erschienene   In der europäischen Geschichte allgemein war
                 Sachbuch „Invisible Women“ von Caroline Criado Perez.                                                            der öffentlich-politische Raum patriarchal ge-
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 4/21                                         11

prägt und der Mann galt als Norm.1 Zudem bür-      sich Frauen mehr Rechte, soziale Freiheiten
gerte es sich für viele Berufs- und Personen-      und berufliche Möglichkeiten, wodurch sie in
bezeichnungen ein, jeweils das grammatische        immer mehr Bereiche vordrangen und Funktio-
Geschlecht für typische Geschlechterrollen zu      nen einnahmen. Zu dieser Zeit des gesellschaft-
verwenden. Ab Ende des 19. Jahrhunderts ge-        lichen und somit sprachlichen Wandels wurde
langten Frauen allmählich in bis dahin klassisch   die Praktik des Mitmeinens von Frauen durch
männliche Rollen, wie etwa die des Lehrers. Zu     grammatisch männliche Bezeichnungen, die als
dieser Zeit, die auch von der ersten Welle des     geschlechtsneutral umschrieben wurden, zum
Feminismus (Stichwort: Suffragetten-Bewe-          üblichen Sprachgebrauch. Die Verwendung des
gung) geprägt war, entstand die sprachliche        sogenannten generischen Maskulinums wurde
Konvention, weibliche Formen basierend auf         und wird dabei von der feministischen Lingu-
den männlichen Bezeichnungen zu konstruie-         istik, die damals ihren Ausgang nahm, als dis-
ren (z. B. Lehrer-in), um dem explizit Ausdruck    kriminierend und stereotypisierend kritisiert.
zu verleihen. Übrigens gibt es jetzt, rund 100     Auf die Thematik des generischen Maskulinums                                     Jenni Zeller studiert im
Jahre später, ähnliche Entwicklungen in tradi-     kommen wir gleich zu sprechen.                                                   Master Translationswissen-
tionell weiblich dominierten Bereichen, durch                                                                                       schaft sowie Philosophie
die sogar neue Wörter geschaffen werden, wie       In den 1970er-Jahren entstand auch die Pride-                                    und ist beim französischen
„Entbindungspfleger“ oder „Hausmann“ für           Bewegung, die 1969 mit dem Stonewall-Auf-                                        Außenministerium als

„
männliche Hebammen und Hausfrauen.                 stand in New York ihren Ausgang nahm. Die                                        Übersetzerin tätig. Neben-
                                                   Welle schwappte bis Europa: 1971 wurden in                                       bei engagiert sie sich als
    [Es] [...] ist unzweifelhaft, dass diese       Österreich gleichgeschlechtliche Beziehungen                                     UNIVERSITAS-Jungmitglie-
    alte Ordnung der Geschlechter zwar             legalisiert, seit 2004 ist Diskriminierung auf-                                  dervertreterin und Präsiden-
    zurückgedrängt werden konnte, doch             grund sexueller Orientierung gesetzlich verbo-                                   tin des Clubs Alpbach Tirol.

                                           “
    in vielen gesellschaftlichen Bereichen         ten, seit 2019 ist die gleichgeschlechtliche Ehe
    auch in unserer Zeit weiterwirkt.              möglich und seit 2020 gibt es sechs Möglich-
    (Diewald und Steinhauer, 2019a:16)             keiten für die Geschlechtsangabe im Personen-
                                                   standsregister basierend auf dem Persönlich-
In der Nachkriegszeit und vor allem ab der         keitsrecht und der EMRK. Nach einer langen
Frauenbewegung der 1970er-Jahre erkämpften         Geschichte der Pathologisierung und Diskrimi-
                                                                                                      © Raphael Renter / Unsplash

 Die Queer-Rechtsbewegung verzeichnet nach und nach politische Fortschritte und mehr
 Sichtbarkeit in der Gesellschaft.
12               UNIVERSITAS            Mitteilungsblatt 4/21

                                             nierung ist der Kampf um Gleichberechtigung         Was ist eigentlich geschlechtergerechte Spra-
                                             ein zentrales Anliegen für die Pride-Bewegung,      che? Wie Lann Hornscheidt und Ja'n Samm-
                                             die sich durch große Dynamik und Vielfalt in        la, zwei Fachpersonen in diesem Gebiet, es
                                             puncto Geschlechtsidentitäten auszeichnet.          gut zusammenfassen, stecken dahinter zwei
                                             Das bekannte Akronym LGBTQIA+ verleiht dem          Grundideen: genderfreie Sprache oder gender-
                                             bereits Ausdruck: Es geht um lesbische, schwu-      inklusive Sprache. Durch erstere soll gar kein
                                             le, bisexuelle, transgeschlechtliche, queere, in-   Geschlecht, durch letztere alle Geschlechter
                                             tergeschlechtliche, asexuelle und viele andere      explizit angesprochen werden. In jedem Fall
                                             Menschen. Das Anliegen ist dabei nicht nur          geht es darum, allen Geschlechtern sprachlich
                                             Inklusion und gegenseitiger Respekt, sondern        gerecht zu werden. Und warum ist geschlech-
                                             auch das Finden neuer sprachlicher Mittel für       tergerechte Sprache nötig? Um alle anzuspre-
                                             neue soziopolitische Realitäten und Identitä-       chen und miteinzubeziehen, soziopolitische
                                             ten. Es gilt, geschlechterbasierte Stereotype       Machtgefälle sichtbar zu machen, Bewusstsein
                                             aufzubrechen und starre binäre Kategorien bei       zu schaffen und zur Gleichbehandlung aller bei-
                                             Gender und Sexualität zu hinterfragen. Katego-      zutragen. Aktuell dreht sich die Diskussion im
                                             rien, auf denen auch die deutsche Sprache auf-      Mainstream primär noch um Gendern entlang

                                            „
                                             baut. Und damit kommen wir zur sprachlichen         der binären, also männlichen und weiblichen
                                             Dimension der Thematik.                             Geschlechter. Jedoch ist die Frage des Genderns
                                                                                                 um einiges vielfältiger und betrifft eben auch
                                                 Sprache hat die Aufgabe, die Wirklichkeit       geschlechtsdiverse Identitäten. Da die Diskus-
                                                 abzubilden. Die gesellschaftliche               sion häufig noch im binären Geschlechtsver-
                                                 Wirklichkeit passt heute vielfach aber          ständnis begründet ist, bestehen Aufholbedarf
                                                 nicht mehr zum traditionellen Sprach-           und der Bedarf für Bewusstseinsbildung.
                                                 gebrauch wie z. B. dem geschlechts-
                                                 übergreifenden Maskulinum, deshalb              Aus linguistischer Perspektive grundlegend
                                                 entwickelt die Diskussion um                    für die Thematik von geschlechtergerechtem

                                                                                         “
                                                 geschlechtergerechte Sprache gerade             Deutsch sind die Kategorien Genus (grammati-
                                                 auch eine so starke Dynamik.                    sches Geschlecht), Gender (soziales Geschlecht)
                                                 (Müller-Spitzer 2021:6)                         und Sexus (biologisches Geschlecht). Die zen-
                                                                                                 trale Frage der geschlechtergerechten Sprache
                                                                                                 ist, in welcher Beziehung Gender, Sexus und
                                             2. Die deutsche Sprache und                         Genus zueinanderstehen. Also welchen Einfluss
                                                                                                 das grammatische Geschlecht auf mentale Re-
                                             Geschlechtergerechtigkeit                           präsentationen und somit unser Denken sowie
                                                                                                 Stereotype hat.2 Konkret geht es dabei stets um
                                             Diskriminierung hat viele Formen und schlägt        das generische Maskulinum, das im Deutschen
                                             sich auch im Sprachgebrauch nieder. Deshalb         nach wie vor dominant ist und, wie bereits er-
                                             vermeiden wir im Regelfall beleidigende Be-         wähnt, seit den 70er-Jahren immer schärfer
                                             zeichnungen und üben uns in Political Correct-      aus feministischer und nun auch LGBTQIA+-
                                             ness. Um diskriminierungsfrei zu kommunizie-        Perspektive kritisiert wird.
                                             ren und neuen gesellschaftlichen Entwicklungen
2
    Auch jenseits der Sprache ist unsere     gerecht zu werden, achten immer mehr Men-           Um die deutsche Linguistin Carolin Müller-Spit-
Gesellschaft stark von geschlechtsspe-       schen, öffentliche Medien, Institutionen und        zer (2021:1) zu zitieren: „Dreh- und Angelpunkt
zifischen Stereotypen und Strukturen
                                             Organisationen – wie auch UNIVERSITAS –             der Auseinandersetzung um geschlechterge-

                                            „
geprägt. Ein bekanntes Beispiel ist hier
                                             auf geschlechtergerechte Sprache.                   rechte Sprache ist das sogenannte generische
das Gender-Marketing: blau und cool für
                                                                                                 Maskulinum. Es bezeichnet den Sprachge-
Jungs, rosa und Glitzer für Mädchen.
                                                 Sprache an sich diskriminiert nicht:            brauch, dass männliche Bezeichnungen für
Diese Art des Denkens ist in uns allen
verankert und kann mitunter durch
                                                 Sprache ist keine handelnde Person.             alle Personen ‚gelten‘, d. h., dass z. B. Schüler
geschlechtergerechte Sprache hinterfragt
                                                 Diskriminierung findet im Gebrauch der          eine neutrale Bezeichnung für Schüler*innen
werden. Im Hinblick auf den Wandel               Sprache statt, im Handeln von Menschen          jeglichen Geschlechts sei [...].“ Ein häufiges
von Gesellschaft und Sprache übrigens            mittels Sprache. Diskriminierendes              Argument für das generische Maskulinum ist,

                                                                                         “
ironisch: Rosa war bis in die 1940er eine        Sprachhandeln setzt ein Machtgefälle            es sei natürlich und schon immer da gewesen.
Jungenfarbe, Blau eine Mädchenfarbe und          voraus.                                         Das stimmt so nicht ganz; das generische Mas-
Farbe der Jungfrau Maria.                        (Diewald und Steinhauer, 2019a:30)              kulinum ist seither zwar dominant im Sprach-
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gebrauch, doch weibliche und andere Formen        3. Geschlechtergerechtes Deutsch
gab es vorher auch schon, wenn auch weniger       in Anwendung
weit verbreitet, was den oben erwähnten his-
torischen und gesellschaftlichen Umständen        Eines sei gleich vorweggeschickt: Die goldene
geschuldet ist. Das Wort „Studierende“ gab es     Regel der geschlechtergerechten Sprache gibt
beispielsweise schon im 18. Jahrhundert. Ab-      es (noch) nicht. Das sorgt bei vielen, die tag-
gesehen davon klammert das Argument der Na-       täglich mit Sprache arbeiten, für Frustration.
türlichkeit die Tatsache aus, dass Sprache sich   Unlängst führte ich auf der Arbeit mit Kolle-
in stetem Wandel befindet, der auf ihren Spre-    ginnen eine Unterhaltung darüber, wie mühsam
chenden und deren Sprechgewohnheiten ba-          es sei, dass es beispielsweise allein zwischen
siert. Selbst wenn das generische Maskulinum      der Europäischen Kommission, dem deutschen
also schon immer da gewesen wäre, könnte sich     Auswärtigen Amt und dem Generalsekretariat
dieser Umstand jederzeit ändern.                  der deutschen EU-Ratspräsidentschaft unter-
                                                  schiedliche Leitfäden gibt. Dieses Sentiment
Mit dem Zusammenhang zwischen generischem         teilen viele. Auch der Duden und der Rat der
Maskulinum – also einem Genus – und unserem       deutschen Rechtschreibung, die weithin als
Denken zu Geschlecht und Gender haben sich        Autoritäten und verlässliche Quellen der deut-
verschiedene Studien befasst. Sehr bekannt        schen Sprache erachtet werden, geben hier
ist beispielsweise eine Studie des belgischen     keine definitiven Antworten. In dieser Hinsicht
Psycholinguisten Pascal Gygax aus dem Jahr        ist wichtig, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass
2008, laut deren Ergebnissen das grammatische     Duden und Rechtschreibrat vor allem deskrip-
Geschlecht die mentale Assoziationsrichtung       tiv, nicht präskriptiv, agieren. Sie legen keine
steuert: Personenbezeichnungen im generi-         sprachlichen Vorschriften fest, sondern beob-
schen Maskulinum werden oft – auch abhängig       achten und dokumentieren den mehrheitlichen
von Kontext und Anzahl – nicht geschlechts-       Sprachgebrauch und dienen dann als Informa-
übergreifend, sondern männlich interpretiert.     tionsquelle. Obwohl etwa laut deutscher Recht-
Anderen Studien zufolge besteht ein signifi-      schreibung gewisse gendergerechte Schreib-
kanter Zusammenhang zwischen Sprachen mit         weisen mit Sonderzeichen (s. u.) aktuell nicht
grammatischem Geschlecht und der Erwerbs-         korrekt sind, heißt das nicht, das sie es nie sein

                                                  „
beteiligung von Frauen in den entsprechenden      werden.
Ländern oder auch zwischen nicht gegenderten
Stellenausschreibungen und der niedrigeren            Dass die Umsetzung geschlechterge-
Bewerbungsquote von Frauen. Natürlich gibt es         rechter Sprache in ihrer Konsequenz
auch Studien, die das Gegenteil behaupten. Je-        variiert, zeigt auch, dass Sprecherinnen
doch steht durch die uneindeutige Forschungs-         und Sprecher von ihrer Freiheit
lage fest: Das generische Maskulinum funktio-         Gebrauch machen, selbst die Balance
niert nicht immer oder für alle, selbst wenn es       auszuloten zwischen Sichtbarmachung
Frauen gibt, die sich durch die männliche Form        von Geschlechterdiversität auf der

                                                                                             “
angesprochen fühlen. Abgesehen davon ist das          einen Seite und persönlichem ästhe-
Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit nicht          tischem Empfinden auf der anderen.
nur das Ansprechen aller, sondern das bewusste        (Hartmann 2021, z.n. Müller-Spitzer,
Sichtbarmachen und Vorgehen gegen sprachli-           2021:9)
che Diskriminierung. Wie die Germanist*innen
Diewald und Steinhauer (2021a:30) es ausdrü-
cken: „Nicht-Nennung läuft auf Ignorieren hi-
naus, wenn andere explizit benannt sind.“
                                                                                                       © Visual Stories || Micheile / Unsplash

Nach diesen theoretischen Überlegungen wen-
den wir uns nun der entscheidenden Frage zu:
Wie formuliere ich gendergerecht und was sind
Alternativen für das generische Maskulinum?
14                  UNIVERSITAS            Mitteilungsblatt 4/21

                                           Diese sprachliche Vielfalt ist zugleich Zeugnis      Im Folgenden nun ein Überblick über die gän-
                                           davon, dass die deutsche Sprache sich aktuell in     gigsten und interessantesten Varianten, die
                                           einem tiefgreifenden Wandel befindet, der von        übrigens auch abwechselnd in einem Text ver-
                                           unterschiedlichsten Akteur*innen geprägt ist. Der    wendet werden können:
                                           oft bemühte Genderwahn oder die Befürchtung ei-
                                           ner Sprachpolizei ist dabei unbegründet: „Eine le-   a. Doppelnennung (Lehrerinnen und Lehrer)
                                           bendige Sprache entwickelt sich im Wesentlichen
                                           durch Sprech- und Schreibhandlungen der an der       Die Doppelnennung ist gängig, wird aber nicht
                                           Sprache Teilnehmenden.“ (Müller-Spitzer, 2021:3)     immer empfohlen. Einerseits aus Gründen der
                                           Das heißt einerseits, dass Sprecher*innen, die       Platznot, andererseits, weil sie lediglich binäre
                                           nicht gendern wollen, es im Regelfall nicht müs-     Geschlechtsidentitäten explizit abbildet. Den-
                                           sen, außer beispielsweise aus beruflichen Grün-      noch ist sie weit verbreitet.3
                                           den. Andererseits heißt das aber auch, dass die
                                           aktuellen Debatten und neuen Formen in der           b. Geschlechtsneutrale Formulierungen
                                           deutschen Sprache aus gutem Grund stattfinden        (Lehrkraft)
                                           – nämlich, weil immer mehr Sprecher*innen an

                                           „
                                           geschlechtergerechter Sprache gelegen ist.           Strategien für diese Formulierungen sind alter-
                                                                                                native Wörter (Lehrkraft), Umformulierungen
                                               Keine Regel einer Sprache gilt für alle          (Person, die lehrt) oder die Substantivierung
                                               Zeiten. Zu allen Zeiten gibt es neue             von Partizipien oder Adjektiven (Lehrende). Ein
                                               Ausdrucks- und Benennungsbedürfnisse,            schönes Beispiel für eine geschlechtergerechte
                                               die in der Gemeinschaft der diese Spra-          Anrede inklusive Doppelnennung stammt übri-
                                               che Sprechenden ‚ausgehandelt‘ werden            gens von Bundespräsident Alexander Van der
                                               müssen. Neue Ausdrücke entstehen                 Bellen: „Sehr geehrte Damen und Herren und
                                               aber nicht durch Vorschriften, sondern           alle Menschen, die hier leben“.
                                               sie ergeben sich durch vermehrte Ver-

                                                                                      “
                                               wendung innerhalb der Sprachgemein-              c. Explizit geschlechtergerechte Formulie-
                                               schaft [...].                                    rungen (mit Sonderzeichen * : _ / ’)
                                               (Diewald und Steinhauer, 2019b:8)
                                                                                                Kurzformen mit Sonderzeichen sind praktisch,
                                           Genau in dieser Hinsicht tragen Medien, Institu-     platzsparend und werden mit einem Glottis-
                                           tionen und Fachleute wie etwa Translator*innen       schlag ausgesprochen. Die beiden beliebtesten
                                           eine besondere Verantwortung, da sie den Dis-        Varianten sind hier der Asterisk und der Dop-
                                           kurs maßgeblich beeinflussen und Bewusstsein         pelpunkt. Der Asterisk (*) stammt ursprünglich
                                           schaffen können. Um zu erörtern, welche Vari-        aus der Computerwissenschaft, kann aber gera-
                                           anten des geschlechtergerechten Deutsch gän-         de im LGBT-Kontext auch auf diverse Gender-
                                           gig sind, habe ich im Zuge meiner Recherchen         identitäten verweisen. Der Doppelpunkt ( : )
                                           unter anderem Medien wie den ORF und den             ist stark im Kommen und hat im Gegensatz
                                           Standard kontaktiert und Leitfäden von der EU,       zum Asterisk den Vorteil, dass Screenreader-
                                           deutschsprachigen Ministerien, Universitäten         Software (beispielsweise für Sehbehinderte)
                                           sowie anderen Institutionen konsultiert. Zwi-        ihn korrekt als kurze Sprechpause liest. Auch
                                           schen ihnen gibt es Parallelen und Differenzen.      den Gender-Gap ( _ ), durch den physisch Platz
                                           In allen ist jedoch die Empfehlung zu finden,        für mehr Identitäten im Wort geschaffen wird,
                                           das generische Maskulinum so weit wie mög-           trifft man häufig an.
                                           lich zu vermeiden. Das Binnen-I wird aufgrund
                                           seiner Binarität nicht mehr als zeitgemäß be-        d. Pronomen
3
    Übrigens: Bei zusammengesetzten
                                           trachtet. Des Weiteren wird generell dazu an-
Wörtern kommt es laut Diewald und Stein-
                                           geregt, Überlegungen zum jeweiligen Kontext          Da das Deutsche im Gegensatz zum Englischen
hauer (2019a:60–63) darauf an, ob das      und Kommunikationszweck anzustellen und              nicht auf Wörter wie „they“ zurückgreifen kann,
Wort Abstrakta oder spezifische Personen   die vier Prinzipien der Barrierefreiheit zu be-      stellen geschlechtsneutrale Pronomen eine He-
bezeichnet. Der Bürgersteig könne so der   rücksichtigen: wahrnehmbar (hörbar), bedien-         rausforderung dar. Mögliche Alternativen sind
Bürgersteig bleiben oder auch zum Gehweg   bar (technologisch), verständlich und robust         Paraphrasen oder das Verwenden des Namens
werden, bei der Lehrerschaft sieht es      (mit Zukunftsperspektive).                           der Person. Im Idealfall fragt man die betref-
anders aus.                                                                                     fende Person nach ihren Pronomen.
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e. Genderfreie Sprachveränderungen und
Pronomen

Das ist ein besonders spannendes, wenn auch
wohl (noch) nicht mehrheitsfähiges Gebiet, auf
dem dens deutschens Linguistens und Sprach-
aktivistens Lann Hornscheidt sehr bekannt ist.
Hornscheidt (2021:53) hat das ens-System als
genderfreie Variante des Deutschen entwickelt,
bei der nicht als solches umformuliert, sondern
eher umdekliniert wird: „Ens ist der Mittelteil
aus Mensch [...] und kann [...] an Substanti-
ve angehängt oder als Pronomen verwendet
werden.“ Mit dieser Idee ist Hornscheidt nicht

                                                                                                                                       © Jenni Zeller
allein – zahlreiche Lai*innen und linguisti-
sche Fachleute der nichtbinären Community
befassen sich intensiv damit, sprachliche Mittel
dafür zu finden, ihrer Geschlechtsidentität auf     Die deutsche Sprache durchläuft aufgrund der Frage der Geschlechtergerech-
neue Weise Ausdruck zu verleihen. Allein auf        tigkeit einen tiefgreifenden Wandel, der sich durch verschiedenste sprachliche
der Nichtbinär-Wikipedia (nibi.space) finden        Formen, Leitfäden und Perspektiven äußert.
sich über 20 verschiedene Pronomen und ähnli-
che, unterschiedlich raffinierte Sprachsysteme.
Die Vorschläge „sier“ und „xier“ sind vermutlich   emotional aufgeladen und basiert auf unter-         Zitierte Quellen
am bekanntesten. Diese Systeme mögen für vie-      schiedlichsten Lebensrealitäten. Daher ist es
le als kompliziert und unrealistisch erscheinen,   im Sinne einer sachlichen und fruchtbringen-        Diewald, Gabriele und Anja
sind aber aus (populär-)linguistischer Perspek-    den Diskussion sowie diskriminierungsfreien         Steinhauer (2019a). Hand-
tive interessant. Zudem verfolgen sie bewusst      Kommunikation wichtig, sich durch Recher-           buch geschlechtergerechte
die Absicht, zu irritieren und so zum Nachden-     chen und im Dialog mit anderen zu informieren       Sprache. Wie Sie angemes-
ken anzuregen – mit Erfolg.                        und dazuzulernen. In der Translationsbranche        sen und verständlich gen-
                                                   im Besonderen wäre ein Austausch zwischen           dern. Berlin: Dudenverlag.
Wie schon gesagt gibt es keine goldene Regel       Translator*innen, technologischen Fachleuten,
für ein geschlechtergerechtes Deutsch. Momen-      Kund*innen, Institutionen und der LGBTQIA+-         Diewald, Gabriele und Anja
tan beschränkt sich die Festlegung des Sprach-     Community wichtig, um einerseits die Bedürf-        Steinhauer (2019b). Gen-
gebrauchs in dieser Hinsicht auf spezifische       nisse und Fragen der einzelnen Akteur*innen         dern – ganz einfach! Berlin:
Kontexte, deren Richtlinien und das, was am        zu kommunizieren und andererseits das gegen-        Dudenverlag.
weitesten verbreitet ist. Auch UNIVERSITAS         seitige Verständnis zu fördern. Gerade dank
tüftelt derzeit an solchen Empfehlungen.           Freundschaften mit nichtbinären Personen habe       Hornscheidt, Lann und Ja'n
                                                   ich persönlich auch zur Thematik gefunden und       Sammla (2021) Wie schrei-
4. Abschließende Gedanken zu                       seitdem viel gelernt. Zum Beispiel auch, dass       be ich divers? Wie spreche
geschlechtergerechtem Deutsch                      Geschlechtergerechtigkeit auch in anderen           ich gendergerecht? Ein
                                                   Sprachen ein großes Thema ist – dazu aber in        Praxishandbuch zu Gender

                                                   „
und der Gender-Debatte                             einem Mitteilungsblatt im nächsten Jahr mehr.       und Sprache. Hiddensee:
                                                                                                       w_orten & meer.
„Gibt es nichts Wichtigeres als die Genderei?“,        Wir verstehen Sprache als eine ganz
ist eine gängige Frage in Zeiten des Klimawan-         zentrale Handlungsmöglichkeit. Spra-            Müller-Spitzer, Carolin
dels und der Globalisierung. Da mag wohl etwas         che wird von allen überall und immer            (2021). „Geschlechterge-
dran sein. Aber geschlechtergerechte Sprache           verwendet – und kann kontinuierlich             rechte Sprache: Zumutung,
hindert uns ja nicht daran, auch anderen wich-         neu gestaltet werden. Dies respektvoll          Herausforderung, Notwendig-
tigen Dingen nachzugehen. Sprache, Denken,             und diskriminierungskritisch zu tun,            keit?“, in: Leibniz-Institut
Politik und Gesellschaft sind zudem eng mit-           indem der eigene Sprachgebrauch über-           für Deutsche Sprache (ed.)

                                                                                             “
einander verwoben und befinden sich in ste-            dacht und verändert wird, liegt in der          (Jg. 37, Nr. 2), 1–12.
tem Wandel. Einen solchen Wandel erleben wir           Hand jeder einzelnen Person.                    Verfügbar unter: https://doi.
in sprachlicher Hinsicht momentan besonders            (Hornscheidt und Sammla, 2021:16)               org/10.14618/sr-2-2021-
intensiv. Das Thema ist komplex, vielfältig,                                                           muel, Stand: 25.10.2021.
16          UNIVERSITAS       Mitteilungsblatt 4/21

                                                    „ONE SIZE FAILS ALL“ – ODER DIE
                                                    (NICHT IMMER GANZ UNKONTROVERSE)
                                                    FUNKTION UNSERER SPRACHE ALS
                                                    SPIEGEL DER GESELLSCHAFTLICHEN
                                                    VERHÄLTNISSE
                                                    Bettina Schreibmaier-Clasen

                                                    A
                                                                 ls ich im Sommer dieses Jahres die     vor allem auch einem breiteren Publikum außer-
                                                                 Einladung zum Workshop Gender-         halb unserer wohlwollenden Bubble zugänglich
                                                                 FairMT erhielt, hatte ich noch keine   gemacht werden kann. Nicht unerheblich vor
                                                                 Vorstellung davon, welche vielsei-     allem für die Seite der professionellen Überset-
                                                    tigen Einblicke und welch bereichernder Aus-        zung, die ich bei dieser Gelegenheit vertreten
                                                    tausch mich von 15. bis 17. September 2021          durfte, war aber auch die Erkenntnis, dass wir
                                                    an der TU Wien erwarten würden. Die Lernkurve       als Sprachmittler*innen auch in diesem Bereich
                                                    war zweifellos steil und begann schon damit,        eine Vermittler*innenrolle einnehmen.
                                                    dass man sich zu Beginn der Veranstaltung das
©  weissphotography

                                                    Pronomen aussuchen sollte, mit dem man sich         Eine Vorstellung der ersten Ergebnisse hat im
                                                    identifiziert: Neben „sie” und „er” gab es auch     Rahmen einer Podiumsdiskussion am 17. Sep-
                                                    für mich noch so ungewohnte Pronomen wie            tember 2021 auf dem Erste Campus stattgefun-
                                                    beispielsweise „hen“, „nim“ oder „xier“ – ein       den. Mit unseren Überlegungen stehen wir noch
                                                    erster Vorgeschmack darauf, dass das mit der        ganz am Anfang und es wird noch viel Arbeit,
                      Bettina Schreibmaier-Clasen   geschlechterinklusiven Sprache gar nicht so         vor allem aber auch Überzeugungsarbeit brau-
                      arbeitet als freiberufliche   einfach ist …                                       chen, um dem Thema der Geschlechterinklusivi-
                      Übersetzerin für die Spra-                                                        tät das gesellschaftliche Gehör zu verschaffen,
                      chen Deutsch, Spanisch und    Für eine erste Beratschlagung zum Status quo        das es verdient.
                      Englisch von Wien aus für     und der weiteren Vorgehensweise bei dieser The-
                      Kund*innen in verschiede-     matik waren wir aber mit Vertreter*innen aus der    Im Folgenden finden Sie nun eine stark gekürz-
                      nen Teilen der Welt. Seit     Queer Community, dem Machine-Learning und           te Version der offiziellen Presseaussendung, der
                      2021 ist sie Generalsekre-    auch der professionellen Übersetzung bestens        vollständige Text ist auf unserem Blog zu fin-
                      tärin von UNIVERSITAS         aufgestellt. An drei Tagen haben wir uns gemein-    den. Herzlichen Dank an Dagmar Gromann für
                      Austria.                      sam von Problemen über Utopien und Wünsche          ihren unermüdlichen Einsatz und dafür, dass sie
                                                    bis hin zu konkreten Maßnahmen vorgearbeitet,       uns als Berufsverband die Möglichkeit gibt, Teil
                                                    wie diese Thematik in Angriff genommen und          dieser spannenden Entwicklung zu sein!

                                                    U     nterschiede in Medienberichterstattungen
                                                          über nichtbinäre Personen, wie kürzlich
                                                    anlässlich des Coming-outs von Demi Lovato
                                                                                                        In der Forschung und Praxis der Sprachtech-
                                                                                                        nologien wird das Thema der Diskriminierung
                                                                                                        zwar thematisiert, aber meist auf ein binäres
                                                    als nichtbinär, zeigen noch große Unsicherhei-      Geschlechterverständnis (männlich/weiblich)
                                                    ten im deutschen Sprachraum zum Thema der           beschränkt. Aber welche Strategie wählen
                                                    geschlechterinklusiven und/oder geschlechter-       für eine genderfaire Sprache? „Leser:innen“,
                                                    neutralen Sprache. Ebenso bestehen Zweifel im       „Leser*innen“, „Leser_innen“, „Leser’innen”,
                                                    Bereich der Sprachdienstleistung, welche gen-       „Lesxs“, „Les**“, „Lesens“ oder eine ganz an-
                                                    derfaire Sprachstrategie gewählt werden soll,       dere Strategie?
                                                    zum Beispiel in der Übersetzung und Dolmet-
                                                    schung ins Deutsche und aus dem Deutschen.
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 4/21   17

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben      rum keine starke Präferenz für die Art des Son-
Forscher*innen der Universität Wien, TU Wien,      derzeichens haben, als erste und unterste Stufe
FH Campus Wien und FH St. Pölten, unterstützt      der genderfairen Sprache identifiziert werden.
durch das Center for Technology and Society        In Hinblick auf die oberste Stufe oder das zu
(CTS), einen dreitägigen partizipativen Work-      erreichende Ziel gab es verschiedene Ideen, von
shop mit einer abschließenden Podiumsdiskus-       geschlechtsneutralen Neo-Pronomen und der
sion organisiert. Gemeinsam mit Expert:innen       „-ens“-Strategie (zum Beispiel „Lesens“) bis
aus der nichtbinären und queeren Communi-          hin zu geschlechtsinklusiven Strategien, wie
ty, aus Übersetzung und aus der Sprachtech-        etwa die Einführung der Sylvain-Konvention. In
nologie haben wir das Thema der genderfairen       diesem System wird ein neues Geschlecht, und
Sprache und genderfairen Sprachtechnologie         zwar das Indefinitivum (auch „liminales Ge-
erörtert, mit besonderem Fokus auf der maschi-     schlecht“ genannt), in die Sprache eingeführt
nellen Übersetzung (MT).                           (zum Beispiel wird neben „der Mann“ und „die
                                                   Frau“ zusätzlich „din Lim“ eingeführt).
In Hinblick auf bestehende Probleme wurden
sehr pragmatische Themen besprochen, von           Als Hauptkriterien für die Wahl der Strategie
häufiger Unterwellung von genderfairer Spra-       wurden Niederschwelligkeit, Praktikabilität
che durch Rechtschreibprüfungen bis hin zu         und Universalität gesehen. Eines der wich-
Zweifeln an der Lesbarkeit und Verständlichkeit    tigsten Kriterien ist die Möglichkeit, über und
einiger Strategien, insbesondere für Sprach-       mit Personen sprechen zu können, ohne deren
lernende oder Menschen mit Lesebeeinträchti-       Geschlechtsidentität preisgeben zu müssen,
gungen. Zusätzlich kann die Wahl der genderfai-    also eine Strategie des „Nicht-Outings“. Wei-
ren Sprachtechnologie auch von technischen Ein-    ters sollte die gewählte Strategie eine hohe
schränkungen beeinflusst werden, zum Beispiel      Lesbarkeit, Verständlichkeit und Erlernbar-
hat das Gendersternchen eine Funktion in der       keit für Sprachlernende bieten. Außerdem ist
Markdown-Syntax (nämlich Text zu kursivieren).     es essenziell, dass die Strategie niederschwel-
                                                   lig in Hinblick auf die Aussprache ist. Haupt-
Innerhalb der Beteiligtenkreise wurden geteilte    kriterium aus technischer Sicht ist, dass die
Utopien zum Thema greifbar in Form einiger         konkreten Einschränkungen der Umsetzbarkeit
Flipcharts (nichtbinärer und queerer Personen-     berücksichtigt werden sollten, zum Beispiel li-
kreis), des Lego-Einhorns Leonda, the Gender       mitierte Zeichenlänge in bestimmten Kontexten
Avenger (MT-Expert*innen) sowie des eierle-        wie Benutzer:innenoberflächen, bereits existie-
genden Wollmilch-Ich-bin-ichs mit nims Stu-        rende Belegung von bestimmten Zeichen mit
fenprozess (professionelle Übersetzer*innen)       konkreten Funktionen, besonders beim Gender-
dargestellt. Die letzten beiden Personenkreise     sternchen, und explizite Klarheit über die zu
haben besonders die Notwendigkeit einer Stan-      verwendende Sprache in allen Kontexten.
dardisierung mit gewisser Flexibilität und einer
möglichen offiziellen Anlaufstelle für Fragen      Abschließend geht als Ergebnis des Workshops
zur genderfairen Sprache hervorgehoben, zum        deutlich hervor, dass diese Initiative als inter-
Beispiel eine Art „Helpline“. Dahingegen reflek-   und transdisziplinäre multiprofessionelle Team-
tiert die Utopie der nichtbinären und queeren      arbeit fortgeführt werden soll und wird.
Teilnehmx eine harsche Gegenwart: Gewünscht
werden die Möglichkeit für Veränderung und
Dynamik, mehr Respekt und Sensibilität und
„einfach nur sein können!“.                         Der gesamte Text kann auf
                                                    unserem Blog nachgelesen werden:
Bei der Auffindung von konkreten Strategien         https://xl8.link/df5p8d
zur genderfairen Sprache hat sich eine deut-
liche Präferenz für ein stufenweises Modell ab-
gezeichnet, das eine schrittweise Einführung
neuer sprachlicher Strategien ermöglicht. Gene-
rell konnte die Verwendung von Sonderzeichen,
wobei sich einige Teilnehmys für das Gender-
sternchen ausgesprochen haben, andere wiede-
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